0,99 €
Jährlich eröffnen in Deutschland über 1.000 Katholiken ein Ehenichtigkeitsverfahren, um ihre kirchliche Ehe für von Anfang an nichtig erklären zu lassen und unter Umständen "neu" zu heiraten. Etwa zwei Drittel der Ehenichtigkeitsprozesse haben Erfolg. Grund für die Nichtigkeit der Ehe ist meist ein Mangel im Ehekonsens der Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung. Die vorliegende Arbeit untersucht Möglichkeiten der Bestätigung und Heilung von Ehen, die wegen Ehekonsensmangels von Anfang an nichtig sind, sich aber später zu Ehen im vollständigen katholischen Sinne entwickeln.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 40
Veröffentlichungsjahr: 2014
1. Einführung
2. Der Konsens der Ehepartner als Grund
a) Ehenichtigkeitsgründe
b) Probleme der Konsenstheorie
3. Die Konvalidation der Ehe
a) Die
convalidatio simpl
ex
b) Die sanatio in radice
c) Zwischenfazit
4. Die konkludente Bestätigung der Ehe
a) Das Rechtsinstitut der „Bestätigung“ im deutschen Recht
b) Die konkludente Bestätigung der Ehe im italienischen Recht
c) Die konkludente Bestätigung der Ehe im kanonischen Recht
d) Bestätigung und Heilung im römischen Recht
5. Die Lehre vom Wiederaufleben der Sak
6. Die konkludente Konvalidation in der
7. Fazit
Jährlich eröffnen in Deutschland über 1.000 Katholiken ein Ehenichtigkeitsverfahren vor einem kirchlichen Gericht. Sie bezwecken damit, dass ihre eigene Ehe für von Beginn an ungültig und damit nichtig erklärt wird. In über zwei Drittel der zugelassenen Fälle stellt das angerufene Gericht fest, dass die infrage gestellte Ehe nicht wirksam zustande gekommen ist – meist wegen eines Mangels im Ehekonsens.1 Die Ehepartner können von diesem Punkt an getrennte Wege gehen und neu heiraten.2 Die Ehe hat nach katholischem Kirchenrecht nie bestanden.
In den meisten Ländern – auch in solchen, wo eine kirchliche Ehe zugleich zivilrechtlich anerkannt wird – regeln spezielle Vorschriften des weltlichen Rechts die weiteren familien- und unterhaltsrechtlichen Folgen. Eine kirchliche Eheannullierung hat für den schwächeren Ehegatten so meist keine nachteiligen Folgen, da ihn regelmäßig Unterhaltsansprüche aus dem weltlichen Recht „auffangen“. Dies gilt allerdings nicht, wenn – wie in einigen Ländern möglich – ausschließlich eine kirchliche Ehe geschlossen wurde, die keine Bedeutung für das weltliche Recht hat. Ernste Konsequenzen kann die kirchliche Eheannullierung auch in Italien haben, wo die Nichtigkeitserklärung einer kirchlich geschlossenen, zivilrechtlich anerkannten Ehe auch im weltlichen Recht dazu führen kann, dass rückwirkend zivilrechtliche Ansprüche aus der Ehe, etwa Unterhalts- oder Ausgleichsansprüche, erlöschen.3
Kritische Stimmen sehen im kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren einen faktischen „Umweg zur Scheidung“.4 Falsch daran ist freilich, dass die Kirche eine gültige und vollzogene sakramentale Ehe niemals auflösen kann. Vielmehr stellt sie in einzelnen Fällen fest, dass die Ehe, etwa wegen eines Mangels im Ehekonsens, niemals gültig zustande gekommen ist.5 Gleichwohl kann auch das kirchliche Verfahren durch Vorspiegelung von Tatsachen missbraucht werden. Ein kirchliches Gericht kann naturgemäß – im Gegensatz zu einem staatlichen Gericht – Tatsachenbehauptungen eines Ehepartners nicht „von Amts wegen“ durch staatliches Ermittlungsverfahren überprüfen. Häufig hat auch der andere Ehepartner kein Interesse, an einem kirchlichen Verfahren mitzuwirken. Die hohe Erfolgsquote in vielen Ländern legt mitunter den Verdacht nahe, dass in manchen Ländern der Satz „Wo ein Wille ist auch ein Weg“ gilt.6
Das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren dient der Wahrheit der Ehe. In berechtigten Einzelfällen stellt es die Nichtigkeit einer Ehe fest. In allen anderen Fällen bleibt es bei der Unauflöslichkeit einer wahren Ehe (c. 1056 CIC). Möglicherweise kann in der kirchenrechtlichen Praxis das Instrument der „Gültigmachung“ (Konvalidation) einer zunächst ungültigen Ehe eine Rolle spielen, wie Karl Rainer Hennes bereits in seiner 1988 erschienenen Dissertation feststellt: „Die von Papst Johannes Paul II. besonders herausgestellte Unauflöslichkeit einer sakramental gültigen und vollzogenen Ehe scheint bisweilen im Gegensatz zur kirchlichen Rechtsprechung zu stehen. Ohne Zweifel gibt es eine Fülle von Gründen für dieses Unverständnis. Eine Quelle scheint jedoch in der Gesetzgebung selber zu liegen, wenn nämlich eine Gültigmachung nur sehr schwierig durchzuführen ist.“7
1 Die „Erfolgsquoten“ der Verfahren überschreiten zum Teil deutlich die Zwei-Drittel-Marke: vgl. www.30giorni.it/articoli_id_3942_l5.htm; vgl. auch die statistischen Angaben im Annuarium statisticum Ecclesiae 2011, Vatikanstadt 2013 („Statistical yearbook of the Church“ / „Annuario statistico della Chiesa“).
2 Man beachte allerdings den Erlaubnisvorbehalt des c. 1071 § 1 Nr. 3 CIC, der freilich nur die Erlaubtheit der Eheschließung betrifft und nicht die Gültigkeit der Ehe hemmt.
3 Vgl. Art. 82 Codice Civile mit Art. 34 Konkordat zwischen dem Königreich Italien und dem Heiligen Stuhl vom 11. Februar 1929 (Gesetze Nr. 810 und Nr. 847 vom 27. Mai 1929) und Art. 8.2 Konkordat zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl vom 18. Februar 1984 (Gesetz Nr. 121 vom 25. März 1985). Nach dem neuen Konkordat von 1984 werden kirchliche Ehenichtigkeitsurteile in einzelnen Punkten von den staatlichen Appellationsgerichten überprüft. Diese können auch Bestimmungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten treffen. Vgl. Marcus Waldmann, Das System der Konkordatsehe in Italien. Entwicklung und aktuelle Probleme der Kooperation zwischen Staat und katholischer Kirche, Berlin 2003; Associazione Canonistica Italiana (Hrsg.), Matrimonio Canonico e Ordinamento civile, Vatikan 2008; Francesco Bersini, L’articolo del Concordato sul matrimonio. Riserva e diliberazione, in: Il Diritto Ecclesiastico 97 (1986) 73 – 85; Giuseppe Casuscelli, Il matrimonio “concordatario” tra disciplina pattizia e normativa di attuazione. Problemi preliminari, in: Il Diritto Ecclesiastico 98 (1987) 188 – 226; Ginesio Mantuano, “Ordine proprio” della Chiesa e delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullità matrimoniale, in: Il Diritto Ecclesiastico 95 (1984) 569 – 611.
4www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/694003