Die Lassater-Story - G.F. Wego - E-Book

Die Lassater-Story E-Book

G.F. Wego

0,0

Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Sie sagen, daß er hart ist. Und sie kennen ihn nicht anders. Er lächelt, wenn man ihm die Schulterklappen herunterreißt, und grinst, wenn sie ihn wieder einmal befördern. Das ist für Steward Lassater nichts Neues mehr. Er ist es so gewohnt, wie den täglichen Kaffee oder die Rasur am Morgen. Es geschah so oft, daß Steward es aufgegeben hat, seine Degradierungen zu zählen. Einmal war er sogar Major. Dann wieder Sergeant und einmal ganz einfacher Soldat. Jetzt ist er gar nichts. Er ist nichts weiter als ein Mann, der nach Hause will. Und weil er das will, wird es nichts geben, was ihn aufhalten kann. Das weiß nicht nur Steward Lassater selbst, das wissen auch noch einige Leute mehr. Und sie wissen auch genau, daß Steward Lassater alles bekommt, was er haben will. Er hat mit seinem starren Kopf den ehrwürdigen General Lee mindestens zwölfmal zum Wahnsinn getrieben. Und Lee griff doch immer wieder auf ihn zurück, wenn es ganz hart in diesem verdammten Bürgerkrieg wurde. Steward hat seinem Vater versprochen, daß er sich niemals am Kinn rasieren wird. Nicht eher, als bis der Krieg vorbei ist. Es sollte ja so schnell gehen. So einen Monat, oder auch zwei. Es wurden vier Jahre und ein wenig mehr daraus.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 170

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western – 277 –

Die Lassater-Story

Von Viehdiebstahl bis Mord

G.F. Wego

Sie sagen, daß er hart ist. Und sie kennen ihn nicht anders. Er lächelt, wenn man ihm die Schulterklappen herunterreißt, und grinst, wenn sie ihn wieder einmal befördern. Das ist für Steward Lassater nichts Neues mehr. Er ist es so gewohnt, wie den täglichen Kaffee oder die Rasur am Morgen.

Es geschah so oft, daß Steward es aufgegeben hat, seine Degradierungen zu zählen. Einmal war er sogar Major. Dann wieder Sergeant und einmal ganz einfacher Soldat.

Jetzt ist er gar nichts. Er ist nichts weiter als ein Mann, der nach Hause will. Und weil er das will, wird es nichts geben, was ihn aufhalten kann. Das weiß nicht nur Steward Lassater selbst, das wissen auch noch einige Leute mehr. Und sie wissen auch genau, daß Steward Lassater alles bekommt, was er haben will. Er hat mit seinem starren Kopf den ehrwürdigen General Lee mindestens zwölfmal zum Wahnsinn getrieben. Und Lee griff doch immer wieder auf ihn zurück, wenn es ganz hart in diesem verdammten Bürgerkrieg wurde.

Steward hat seinem Vater versprochen, daß er sich niemals am Kinn rasieren wird. Nicht eher, als bis der Krieg vorbei ist.

Es sollte ja so schnell gehen. So einen Monat, oder auch zwei. Es wurden vier Jahre und ein wenig mehr daraus. Stewards Bart wurde nicht rasiert. Er beschnitt ihn nur. Und er kam nicht nach Hause. Vier ganze Jahre nicht. Das war sehr bitter, aber ein Lassater hält das durch.

Am 9. April 1865 kapituliert General Lee mit sechzigtausend Mann. Bei diesem großen Haufen ist auch ein Mann, der sich seinen Bart nicht abrasieren wollte. Er könnte es jetzt tun. Doch er ist viel zu schlau, dieser Steward Lassater.

Hier, in diesem Nest Opelousas in Louisiana, wird Steward zum letztenmal degradiert. Diesmal nicht wegen Ungehorsam, wie sonst immer. Er wird wieder das, was er einmal war, als der Dreckskrieg begann.

Ein Mann, der seiner Wege gehen kann. Der es könnte, wenn man nicht auf der Nordstaatenseite so verdammt neugierig wäre. Er kennt alle Schliche, dieser Lassater. Und er muß sein Pferd abgeben und seine Waffen. Im ersten Augenblick will Steward explodieren. Es würde sehr schlimm für diese Gruppe Offiziere in der blauen Uniform werden, wenn er hochgeht.

»Was ihr nicht alles wollt, Freunde!« sagt Stewart grimmig und starrt den Colonel kalt an. »Ärgert mich nur noch ein wenig weiter. Dann drehe ich euch allen den Hals nach hinten! Das ist ein Versprechen, ihr kleinen Geister. Oder habt ihr schon mal gehört, daß Lassater etwas verspricht und es nicht hält? Sagt nur, das habt ihr schon? Wißt ihr, was ihr könnt?«

Er steht breitbeinig und mit kaltem Gesicht vor dem Haufen Blaujacken und lächelt nicht mehr. Dann sieht er zum Eingang und starrt in die Mündungen von drei Gewehren.

Der kleine Streit hat also die Posten gerufen. Steward sieht sich um und knurrt einmal.

»Ihr könnt eure Vogelflinten wegnehmen, Brüder!« sagt er grinsend, weil ihm etwas eingefallen ist. Und dieser Gedanke ist absolut eines Lassaters würdig. Der alte Big Ben würde sich totlachen, wenn er es wüßte. »Ich bin jetzt friedlich. Yeah, es hat doch keinen Zweck mehr. Hier habt ihr meine Revolver und meine Papiere. Ich brauche sie nicht mehr. Bloß den Säbel. Leute, den Säbel bekommt ihr so wieder!«

Er zieht ihn aus der Scheide und biegt ihn. Es ist ein schwerer Kavalleriesäbel, den er zusammenbiegt wie eine Gerte. Und dann bricht der Degen entzwei. Er zerbricht in zwei Teile. Und diese Teile wirft Steward Lassater vor den Blaujacken zu Boden.

Sie starren ihn an und können es kaum glauben. Er hat es mit einer scheinbaren Leichtigkeit getan. Und doch wird es wohl keiner von ihnen schaffen können.

»Das war es, Freunde«, sagt Steward langsam. »Was habt ihr jetzt mit mir vor?«

»Nur eine bescheidene Frage, Lassater«, sagt Colonel Grant und atmet schnaufend auf. »Sie haben mit James Jefferson den Kriegsschatz der Südstaaten weggeschafft, darf man wissen, wohin?«

»Ihr bekommt ihn nicht!« erwidert Steward leise und doch fest. »Ihr werdet ihn niemals bekommen. Der Kriegsschatz schwimmt auf dem Ozean. Das ist alles, was ich sagen kann. Sucht die französische Brigg ›Regalle‹. Ihr werdet sie nicht mehr finden. Das ist meine Antwort. Und es ist die Wahrheit, denn der Kapitän ist ein weitläufiger Verwandter von mir. Sucht nur immer, denn ich weiß, daß ihr mir nicht glaubt. Nach diesem James Jefferson könnt ihr noch länger suchen. Sonst noch Fragen, Colonel?«

Sie sehen sich an, und er weiß genug. Hier glaubt ihm niemand ein Wort. Und so soll es auch bleiben. Es wird bis auf den heutigen Tag ungeklärt bleiben, wo die Kriegskasse der Südstaaten geblieben ist. Allerdings sollen nach dieser Zeit viele Geschichtsschreiber auf die Geschichte Steward Lassaters zurückgreifen. Und das ist wahr.

»Das ist unmöglich, Major!« faucht der Colonel Steward an.

Aber Steward zuckt nur die Schultern. Er hat ihnen die Wahrheit gesagt, denn ein Lassater lügt niemals.

»Wir werden Sie bis zum jüngsten Tag festhalten, Lassater!« verspricht der Colonel grimmig. »Darauf können Sie sich verlassen!«

»Ich will dazu gar nichts erwidern«, sagt Steward grinsend. »Macht mit mir, was ihr wollt. Aber ärgert mich nicht wieder. Ihr sollt eure Freude an mir haben. Außerdem bin ich nicht mehr Major. Das ist vorbei. So long, Gentlemen.«

Er geht auf den Eingang zu, und sechs Soldaten nehmen ihn in die Mitte. Er geht vor ihren gespannten Gewehren her und grinst verächtlich über den Aufwand.

Ihr sollt eure Freude an mir haben, ihr Dreckskerle, denkt er, als er allein in dem vergitterten Raum ist und die Schritte der Posten hört. Und das noch heute! Einen Lassater einzusperren wie einen Hund! Daran erinnert ihr euch noch in hundert Jahren, verdammt.

Er legt sich auf die Pritsche und lauscht eine Weile dem Gang der Posten nach. Immer vor dem Fenster hin und her. Von links nach rechts. Sechs Schritte hin, sechs Schritte zurück. Es ist eine prächtige Tür, die zudem noch stabil ist. Hier gibt es keinen Weg hinaus.

Er liegt auf seiner Pritsche und hat die Arme unter dem Nacken verschränkt. Und Steward scheint zu schlafen. Jedenfalls glaubt das der Posten, wenn er zum Fenster hineinsieht. Es wird langsam dunkel, und Steward nimmt sein Taschentuch aus der Hose. Er legt es oben auf die Decken, und der Fleck des weißen Tuches sieht wie ein Gesicht aus in der Dunkelheit seiner Zelle.

Dieser Bau ist aus Adobelehm. Und die zwei Rundeisenstäbe vor dem Fenster sind in diesen harten Lehm eingelassen. Wenn Steward seine Bettseite losnimmt, würde er die Stäbe herausbrechen können. Daran glaubt er. Er kauert unter dem Fenster. Er wartet, bis der Posten wieder sechs Schritte gemacht hat. Der Mann dreht ihm jetzt den Rücken zu. Blitzschnell rüttelt er an den Stäben.

So fest sind die Dinger gar nicht, denkt er. Ich werde also eine Kastenseite abheben. Und dann werde ich sie neben dem Fenster an die Mauer stellen. Wo bekomme ich bloß ein paar Stricke für diesen prächtigen Posten her?

Er hört die Schritte unter dem Fenster haltmachen und bückt sich noch weiter hinunter.

»Der Kerl hat vielleicht Nerven«, sagt der Mann vor den Gitterstäben leise. »Er pennt, und ich muß hier Posten schieben. Der Teufel soll ihn holen!«

Der Mann ist gerade erst als Ablösung gekommen. Jetzt geht er weiter und marschiert auf und ab.

Steward hastet zu der Pritsche zurück und nimmt die zweite Decke vom Strohsack. Er reißt sie leise und sehr vorsichtig in Stücke und Streifen. Dann holt er sich das Bett und den Kloakeneimer unter das Fenster. Er stellt die Kastenseite neben sich und den Eimer hinter seinen rechten Fuß. Dann hält er sich die Hand vor den Mund, als sich die Schritte des Postens nähern und gurgelt gräßlich. Es hört sich an, als wenn hier jemand am Ersticken ist.

Die Tritte des Mannes hören schlagartig auf. Er bleibt vor dem Fenster stehen, und Steward gibt dem Eimer einen Stoß. Polternd und scheppernd fliegt der Eimer über den Boden.

Steward Lassater hat aus dem Fenster gesehen. Dieses Armeelager schläft jetzt. Unter dem Wachzelt sieht er keine Bewegung mehr. Außerdem ist hier das Dach seines Stalles so weit überstehend, daß in seinem tiefen Schatten kaum etwas zu erkennen ist.

Der Eimer fliegt scheppernd gegen die andere Wand. Er bleibt dort liegen. Und jetzt sieht der Posten argwöhnisch in das Gitterfenster hinein.

Steward schießt seine Fäuste an beiden Seiten durch das Loch in der Adobemauer. Er schließt die Hände und zieht mit aller Gewalt nach vorn. Unter seinen Fingern wird der Posten schlaff. Aber Steward läßt den Mann nicht los.

Er stößt ihn von den beiden Stäben ab und zieht ihn dann wieder heran.

Er macht das dreimal mit aller Gewalt. Und dann weiß er, daß der Yankee vor zwei Stunden bestimmt nicht munter wird.

Jetzt läßt er ihn langsam los. Und das ist wieder ein Trick Lassaters. Vielleicht hätte man daran denken sollen, daß er schlau ist. Zu schlau, um hier bis zur Ewigkeit hocken zu bleiben.

Steward hat sich einen Streifen der Decke in den Jackenausschnitt gesteckt. Jetzt läßt er den Posten mit einer Hand los und angelt weit nach unten. Er bekommt wirklich den Oberarm des Mannes zu fassen und bindet den Streifen unter leisem Schnaufen an den Arm. Dann geht er langsam nach hinten und hält das schmale Deckenstück eisern fest, an dem der Mann hängt. Er knotet den Streifen an einen Haken neben der Tür fest.

Das ging mächtig gut, denkt er befriedigt. Ich habe keine drei Minuten gebraucht für diese Arbeit. Kommt her, ihr freundlichen Stäbe. Ihr stört mich ganz gewaltig.

Mit einem Schwung nimmt er das Brett hoch und steckt es zwischen die beiden Rundeisenstäbe. Und dann biegt er einmal nach rechts und einmal nach links. Das Brett knackt, und die Stäbe knirschen im Adobelehm. Sie wackeln schon heftig.

»Dasselbe noch einmal!« sagt Steward grinsend. »Dann dürfte es wirklich genug sein. Aha, der Lehm bröckelt schon ab. Ein Glück, daß er nicht nach außen fällt.«

Er grinst, als er die beiden Stäbe anpackt und nach einigem Rütteln herauszieht. Und nun sieht er sich lächelnd die Hand des Postens an, die auf dem Fensterbrett liegt.

Er packt zu und zieht den ganzen Mann durch das Loch in der Mauer hinein. Dann springt er hoch. Und nun angelt er, halb schon aus dem Käfig, nach dem Gewehr des Mannes. Er sieht sich mißtrauisch um. Aber die Geräusche der nahen Stadt Opelousas haben wohl den Sturz des Gewehres übertönt. Das Lager schläft noch immer.

Vielen Dank für das Gewehr, Freunde, denkt Steward und kriecht wieder durch das Loch nach innen. Er stellt die beiden Stäbe wieder in das Loch. Und nun zieht er den prächtigen Zweiwinkelsoldaten bis auf das Hemd aus. Die Hose ist lang genug. Aber er bekommt sie nicht zu. Nicht anders geht es ihm mit der Jacke.

»Alle Teufel steh’n mir bei!« sagt er erschrocken. »Ich muß ihm auch noch seine Hosenträger abschnallen. Na, so was.«

Steward kann sich nicht erinnern, sich jemals schneller bewegt zu haben.

Dann bindet er den Posten auf dem Bauch an der Pritsche fest und verpaßt ihm auch noch einen Knebel. Er setzt sich die Kappe der Blaujacken auf und zieht den Bauch ein. Dann nimmt er das Gewehr und kriecht, nachdem er die Säbel in den Staub geworfen hat, aus dem Fensterloch. Er nimmt die Stäbe wieder hoch und stellt sie in die Löcher hinein.

»Es war wirklich ein feines Hotel!« murmelt er vor sich hin. »Schade nur, daß ich keinen Lehm habe, um die Stäbe wieder einzulassen. Sie würden im ersten Moment glauben, daß ich hexen kann. Auf Wiedersehen, mein Freund.«

Er verbeugt sich vor dem Fenster und marschiert auf und ab, mit dem Gewehr über der Schulter, als hinter ihm Schritte vorbeigehen. Erst als die Schritte verklungen sind, sieht er sich um.

»Teufel auch!« murrt er. »Dieser Yankeeoffizier wird morgen seine Balken los sein.«

Er sieht dem Offizier nach, der zwischen den Zelten verschwindet, und lächelt kalt. Dann geht er los. Immer mit dem Gewehr über der Schulter. Ein mächtig großer Yankeesoldat, so sieht es wenigstens aus.

Steward Lassater geht zwischen den Zeltreihen hindurch und nähert sich dem Zelt mit dem Kommandowimpel. Man sagt, daß er so schleichen kann wie ein Indianer. Vielleicht stimmt das. Es wird sich gleich zeigen. Jetzt brennen hier keine Laternen mehr, und keine Posten stehen vor den Eingängen der Zelte. Der Krieg ist schon fast drei Wochen vorbei. Kein Mann braucht mehr zu fürchten, einen Überfall zu erleben. Drei Wochen, in denen sich Steward bei Lees Stab aufhielt und in keinen Käfig brauchte.

Er bleibt unter dem Ablauftuch des Zeltes hocken und zieht bedächtig seine Stiefel aus. Er legt auch das Gewehr in die Regenrinne. Dann nimmt er sein Messer und macht einen kleinen Schnitt in die Zeltplane. Er steckt seinen Kopf hindurch und grinst. Dieses Zelt hat zwei Räume. Einen, in dem der Colonel schläft, und einen, in dem er seinen Klapptisch, das Waschbecken, eine flache Schüssel und einen tragbaren Klappenschrank hat.

In diesen Raum kriecht Steward hinein. Er lauscht auf die Schnarchgeräusche. Erst nach einer Weile richtet er sich auf und geht zum Klappstuhl. Er holt sich die Schüssel und füllt etwas Wasser aus der Kanne ein. Dann sucht er im Klappenschrank nach dem Rasiermesser des Colonels. Er seift sich ein. Das macht er alles sehr ruhig und kalt. Nur seine Ohren nehmen die Geräusche der Umgebung haarscharf auf. Es kann sein, daß man den fehlenden Posten entdeckt und Alarm gibt.

Eine feine Uniform hat dieser Colonel. Und einen mächtig anständigen Burschen. Der Kerl hat doch den Rock schon sauber gebürstet. Nun, der Colonel hat dieselbe Größe wie ich. Er ist nur älter, viel älter. Ziehen wir uns um.

Er steigt aus der Hose und zieht wieder die Uniform an. Nur die Kragennummer des Regimentes steckt er anders. Es ist das 32. Kavallerieregiment. Er macht es umgekehrt. Dann setzt er sich auch den Hut auf und legt zweihundert Dollar auf den Klappenschrank. Dazu schreibt er einige Worte. Er nimmt den Degen vom Stuhl. Zurück bleibt eine Zweiwinkelmontur und ein dreckiges Waschgerät. Es schwimmt voller schwarzer Haare.

»Wirklich besten Dank, Colonel«, flüstert Steward draußen, als er seine Stiefel schon wieder an den Beinen hat, und reckt sich in den Schultern. Er hängt den Säbel ein und biegt noch einmal seinen Kragen der Südstaatenuniform, der aus dem Blaurock hervorkriechen will, zurück. Unter der Montur der Nordstaaten trägt er noch immer seine alte Uniform.

»Nochmals vielen Dank, Colonel«, sagt er ruhig und geht weiter. Der Säbel klirrt in seinem Gehenk. »Keiner hat mich jemals ohne Bart gesehen. Sucht mich, Leute. Viel Glück dabei.«

Er geht zwischen den Zeltreihen hindurch und schlägt den Weg zum Seilviereck ein, in dem auch sein Pferd stehen muß. Dicht neben diesem Corral ist das Zelt, in dem er heute seinen Gurt abgab. Das ist alles, was er braucht. Er geht sporenrasselnd auf das Zelt zu. Innen richtet sich ein Sergeant auf. Es ist derselbe Mann, der heute die Posten anführte, die ihn in den Käfig brachten.

„Schlafen Sie weiter, Sergeant!« sagt Steward kurz. »Ich brauche nur etwas! Sie sollen liegenbleiben, Mann! Das ist ein Befehl!«

Der Mann hat die Augen noch so voller Schlaf, daß er sich aufrichten will.

Jetzt legt er sich wieder hin und sagt stotternd: »Befehl, Colonel!«

Steward geht mit klirrenden Sporen weiter. Er kommt zu der Truhe im Zelt und macht sie auf. Seine Hand fährt hinein, und er hat seinen Gurt zwischen den Fingern. Er sieht sehr ruhig nach, ob auch die Eisen geladen sind. Dann nimmt er den Gurt über den Arm und geht hinaus. Vorbei an dem Sergeanten und hin zu den Pferden.

Der Posten sieht ihn kommen und salutiert. Steward nickt kurz. Er hat es sich seit vierzig Minuten abgewöhnt zu denken. Wenn man ihn jetzt bekommt, stellt man ihn an die Wand. Es ist ein Spiel um seinen Kopf. Vielleicht geht es in letzter Sekunde noch schief. Er braucht auch einen Sattel, denn seiner taugte nichts mehr. Aber man sagt auch von Steward Lassater, daß er all das fertigbekommt, was keinem anderen Mann gelingt. Er hat weit hinter den Linien im Gebiet der Nordstaaten operiert mit einem Haufen Männer. Und er trägt nicht zum erstenmal eine Nordstaatenmontur. Zum erstenmal aber macht er nun etwas, das nur ihm selber dienen soll.

Steward wirft einen kurzen Blick auf die Sättel, die unter einem dreieckigen Zeltdach hängen. Man hat einen einfachen Balken genommen und darüber eine Plane gespannt. An Nägeln hängt ein Haufen Sättel. Es werden mindestens vierzig sein.

Im Corral schnauben die Pferde.

»Holen Sie mir einen Sattel!« sagt er barsch zu dem Posten. »Ich suche mir schon ein Pferd. Mein Gaul hat sich etwas eingetreten. Ich muß gleich weiter.«

Dabei bemüht er sich, seine Stimme kurz und abgehackt klingen zu lassen. Sonst wird sein Südstaatenslang auffallen.

Der Posten dreht sich um und holt einen Sattel. Steward steigt über das Seil, und sein Pferd kommt auf ihn zu. Es ist ein brauner Wallach, den er schon viele Jahre reitet. Er nimmt den Wallach am Zaum und löst die Seilschlinge. Dann führt er sein Pferd nach draußen und macht das Seil wieder fest.

»Legen Sie den Sattel auf, Mann!« knurrt er, als der Posten unschlüssig stehenbleibt. »Na los, worauf warten Sie noch?«

»Jawohl, Sir!« murmelt der Mann. Er wirft den Sattel über den Rücken des Braunen und zieht den Bauchriemen an. Steward löst das Zaumzeug und knotet den Zügel richtig. Er biegt nach vorn auf den Weg zu und reitet zum Eingang des Camps. Die beiden Posten machen das Tor auf und heben die Hand an die Mütze.

Steward Lassater ist aus einem Armeelager, in dem fünfzehnhundert Soldaten der Nordarmee lagern, ausgebrochen. Er läßt nichts zurück. Oder doch etwas: Den Grimm des Colonels Grant.

Well, denkt er, als er erst außer Hörweite des Lagers ist und durch die

Mainstreet Opelousas reitet. Ich habe ihnen einen Streich gespielt. Weder der Sergeant noch der Posten hat mein Gesicht richtig gesehen. Ich brauche jetzt noch einen Karabiner. Das ist wirklich alles.

Seine Augen erfassen die Gruppe Yankeepferde vor einem Saloon. Es sind Armeepferde und an den Sätteln stecken die Karabiner in den Scabbards.

Steward Lassater reitet darauf zu und zieht einen Karabiner heraus. Einige Männer in der Tracht der freien Weide beobachten ihn dabei. Sie sehen auch, wie er in die Satteltasche greift und sich die Patronen nimmt. Aber keiner sagt etwas. Niemand kennt den Grund dieses Yankeecolonels auf dem braunen Pferd. Man will auch keinen Ärger haben.

Steward steckt den Karabiner in seinen Scabbard und verstaut die Patronen in seiner Satteltasche. Dann reitet er weiter. Und vor der Stadt zieht er die Yankeeuniform aus. Er reitet zu einem einsamen Haus, das etwa eine Meile nach Osten von der Stadt am Turkey River liegt. Er klopft die Leute aus dem Schlaf und gibt dem Mann die Uniform.

»Sie werden gegen Morgen in das Camp der Blaujacken reiten und diese Sachen dort abgeben!« sagt er unter seinem Hut hinweg. »Tun Sie es nicht, wird die Hölle Sie fressen, mein Freund!«

Er wirft dem Mann die Sachen und auch den Degen vor die Füße und reitet an. Er reitet genau nach Osten. Dann dreht er um und reitet über den Calcasieu River nach Westen. Genau entgegengesetzt. Er jagt sein Pferd noch in dieser Nacht über die Staatengrenze nach Texas. Es ist ein Achtzig-Meilen-Ritt, aber Steward Lassater macht das nicht viel aus. Sie werden ihn suchen und niemals mehr finden. Die Spur des Mannes Steward Lassater läuft in die Unendlichkeit.

Steward kommt nach Center. Hier sind noch nicht alle Stores wieder offen. Es gibt kein Mehl und kaum Brot. Die meisten Männer, die auf den Straßen ziehen, haben keinen einzigen harten Dollar mehr. Steward sieht ganze Gruppen von Bettlern vor den Türen.

Aber er sieht auch die Stores. Männer mit breitrandigen Hüten und Revolver in den Fäusten lehnen an den Eingängen. Es soll schon passiert sein, daß sich eine Meute hungriger Männer in einen Store wälzte und sich mit Gewalt etwas nahm. An den Straßenrändern stehen Händler, die alles kaufen, was die zerlumpten Männer noch an Wertvollem mit sich herumschleppen. Sie kaufen Trauringe und Messer, Colts und Lederriemen auf. Für wenige Dollar oder Cent.