Sieben gegen Tod und Teufel - G.F. Wego - E-Book

Sieben gegen Tod und Teufel E-Book

G.F. Wego

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Seine Kopfhaut zog sich jäh zusammen, sein Herz hämmerte wie rasend. Danach war ihm, als stieße ihm jemand einen Eiszapfen ganz langsam in den Nacken. Der Third Corporal Rico Rogas umklammerte sein Gewehr und starrte auf den Busch. Er ahnte die Nähe des Todes. Schreien, dachte der Third Corporal, ich muß schreien. Aber er brachte keinen Ton hervor, seine Kehle war wie zugeschnürt. Es war der Schreck, nicht etwa die Angst vor dem Tod, der dort herankroch. Der Tod lag hinter dem Busch, der sich nun nicht mehr bewegte. Er zitterte nicht in dieser dunklen Nacht über der Tierra Blanca. Mein Gott, dachte Rogas, sie sind da, sie sind überall. Warum immer ich? Warum stellen sie mich immer hin, wenn die Nacht besonders schwarz ist? Weil ich nachts wie eine Katze sehen kann, ich, Rico Rogas, der Greaser, wie sie zu Anfang gesagt haben. Immer muß ich auf Wache ziehen, immer ich, denn ich sehe alles, was andere erst zu sehen bekommen, wenn es zu spät ist. Er rührte sich nicht, er starrte auf den 50 Yards entfernten Busch und begriff, daß er verflucht allein war. Drüben war der andere Posten, sein guter Freund Harry Hayden. Und der ahnte nichts, weil sie es auf seiner Seite erst gar nicht versuchen würden. Nein, dort nicht, denn da war nichts als dieser weiße Sand. Hier gab es langgezogene Mulden, und in einer davon kam der Busch förmlich angewandert. Plötzlich legte sich Ricos Anspannung, auch sein Herzschlag raste nicht mehr.

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Leseprobe: Pulverrauch in Abilene

Es war an einem Mittag im April. Der Himmel war basaltfarben und mit düsteren Wolken verhangen. Sonst erstreckte sich in dieser Jahreszeit über Kansas ein strahlendblauer Himmel. Aber in diesem Jahr war es anders. Der Frühling kam nur träge über das Land, über die Sandsteppen, über die Weite der Prärie. Das Büffelgras auf der Weide war noch genauso grau und verwaschen wie die tiefhängenden Wolken. Die Rinder ließen ihre Köpfe hängen. Die Cowboys saßen mit eingezogenen Schultern in den Sätteln. Es waren vier Männer, die an den Korrals vorbei auf die Stadt zuritten. Die Cowboys blickten auf und sahen zu den Reitern hinüber. Cass Hoxter war der erste. Viehagent nannte sich der Bandit neuerdings. Niemand wußte genau, wie er an die kleine Herde gekommen war, die er vor wenigen Tagen drüben in Topeka verkauft hatte. Sie hatten Bucks in den Taschen, die Männer, die zu seiner Crew zählten. Cass Hoxter mochte vierzig Jahre sein. Er war ein grobknochiger, hagerer Mann. Sein Gesicht war durch eine brandrote Narbe seltsam verzerrt. Ein Siouxindianer hatte ihm vor Jahren das Gesicht buchstäblich mit einem Messer in zwei Hälften gespalten. Die Narbe zog sich vom rechten Augenwinkel unter der vorspringenden Nase vorbei bis zur Kinnspitze. Aber auch ohne diese schauerliche Narbe wäre Cass Hoxters Gesicht abschreckend gewesen.

Die großen Western Classic – 10 –

Sieben gegen Tod und Teufel

… gegen die mexikanischen Bravados

G.F. Wego

Seine Kopfhaut zog sich jäh zusammen, sein Herz hämmerte wie rasend. Danach war ihm, als stieße ihm jemand einen Eiszapfen ganz langsam in den Nacken.

Der Third Corporal Rico Rogas umklammerte sein Gewehr und starrte auf den Busch.

Er ahnte die Nähe des Todes.

Schreien, dachte der Third Corporal, ich muß schreien. Meine Freunde schlafen, meine Freunde…

Aber er brachte keinen Ton hervor, seine Kehle war wie zugeschnürt. Es war der Schreck, nicht etwa die Angst vor dem Tod, der dort herankroch.

Der Tod lag hinter dem Busch, der sich nun nicht mehr bewegte. Er zitterte nicht in dieser dunklen Nacht über der Tierra Blanca.

Mein Gott, dachte Rogas, sie sind da, sie sind überall. Warum immer ich? Warum stellen sie mich immer hin, wenn die Nacht besonders schwarz ist? Weil ich nachts wie eine Katze sehen kann, ich, Rico Rogas, der Greaser, wie sie zu Anfang gesagt haben.

Immer muß ich auf Wache ziehen, immer ich, denn ich sehe alles, was andere erst zu sehen bekommen, wenn es zu spät ist.

Er rührte sich nicht, er starrte auf den 50 Yards entfernten Busch und begriff, daß er verflucht allein war. Drüben war der andere Posten, sein guter Freund Harry Hayden. Und der ahnte nichts, weil sie es auf seiner Seite erst gar nicht versuchen würden. Nein, dort nicht, denn da war nichts als dieser weiße Sand.

Hier gab es langgezogene Mulden, und in einer davon kam der Busch förmlich angewandert.

Plötzlich legte sich Ricos Anspannung, auch sein Herzschlag raste nicht mehr. Er wurde ganz ruhig, der Third Corporal.

Der Busch bewegte sich über den Sand, und der Schatten dahinter wirkte ganz klein, während Rico Rogas die Augen zusammenkniff und nach links blickte.

Er sah die vier anderen Büsche nun in der nächsten Bodenfalte, die zum Hügel führte. Und dann hörte er die Schritte von Harry drüben. »Bohnenstange« Harry Hayden spazierte gemächlich an der anderen Seite der im Rechteck aufgefahrenen Wagen daher und ahnte nichts.

Durch die Stille drang das Schnarchen des Sergeant-Majors und jenes hohe und seltsame Pfeifen, das Honkey Slater ausstieß, wenn er tief schlief.

O Gott, dachte Rico und hob die Rechte ganz langsam an, laß die Apachen keine besseren Augen als mich haben. Ich stehe mit dem Rücken zum Wagen. Die Kastenwand ist dunkel. Sie sehen vielleicht nicht, daß ich das Gewehr hebe. Höchstens der da vorn, der nun auf 40 Yards heran ist. Wenn der Busch verharrt, dann hat er es bemerkt. Und dann nimmt er einen Pfeil und schießt ihn mir vielleicht in den Bauch. Er nagelt mich an, der Apache. Er nagelt mich an die Kastenwand von Johnnie Irelands schwerem Transportwagen. Ich werde an der Wand kleben wie eine aufgespießte Motte und zappeln, bis ich tot bin. Der Busch wandert weiter.

Ja, dachte Rico, ich habe die schärfsten Nachtaugen der Armee. Ich sehe nachts wie eine Raubkatze, wie ein Jaguar. Und nun hebe ich mein Gewehr hoch, und jetzt schieße ich zuerst, Apache, nicht du.

Blitzschnell schlug er an, zielte und feuerte auch schon. Das Krachen übertönte Taffy Burtons Schnarchen und Honkey Slaters Pfeifen. Der Feuerstrahl zuckte aus dem Lauf des Gewehres. Die Kugel sauste in den Busch.

Dem Third Corporal Rico Rogas wurde es erst klar, als er schon zu Boden stürzte und losbrüllte, den Alarmschrei ausstieß. Offenbar hatte er den Apachen voll erwischt.

Er sah noch, daß der Busch umkippte und die Rothaut mit den Beinen strampelte. Rico Rogas rollte sich zwischen die Räder von John Irelands schwerem Transporter, und sein Blick glitt in die andere Rinne.

Der gebürtige Mexikaner Rico Rogas, der ein guter Soldat in der Armee geworden war, sah die hochschnellende Gestalt und feuerte den nächsten Schuß ab.

Die Kugel verwundete den zweiten Apachen schwer, dann setzte das entnervende Geheul ein. Gleichzeitig sprangen überall Indianer auf und stürmten heran.

Rico Rogas sah nicht, daß der langbeinige, magere und große Harry Hayden drüben einknickte. Der First Corporal Harry Hayden, den sie nur »Bohnenstange« nannten, der nie viel redete und der beste Scharfschütze im Regiment war, hörte das seltsame Surren.

Plock!

Dort, wo die Bohnenstange gerade noch gestanden hatte, steckte wippend ein Pfeil im Wagenbrett.

Harry Hayden fiel buchstäblich in sich zusammen und landete am linken Hinterrad. Er sah den hochschnellenden Schatten über die weiße Klippe tauchen und feuerte aus der Rolle nach rechts.

Hayden zielte nicht, er hielt nur das Gewehr in die Richtung und drückte ab. Der Indianer riß die Arme auseinander und kollerte danach über die weiße Klippe zurück.

Mensch, dachte Harry Hayden, Rico, jetzt wäre ich tot, verdammt! Wenn du sie nicht gesehen hättest, Rico…

Drüben lag Rico und hörte den wilden Fluch durch das schrille Geheul der Apachen. Dann plumpste jemand neben ihm an das Hinterrad und schoß wie ein Rasender. Der Mann trug keine Uniform, sondern ein gelbes Hemd und eine braune Lederweste. Der registrierte Rico aus den Augenwinkeln. Der Mann war Marty Dawson, sein Freund, der Armeelieferant und Pferdekenner. Marty feuerte aus zwei Revolvern.

»Rip – links!«

Rip Wade, dachte Rico Rogas, der beste Scout der Armee. Rip hat sich auf mich und meine Augen verlassen, sonst hätte er bestimmt nicht geschlafen. Rip ist der feinste Kerl, dem ich jemals begegnet bin.

Er schoß nun und sah den Apachen durch das grelle Mündungsfeuer. Dann brüllte Taffy Burton, der alte, im Dienst der Armee ergraute Sergeant.

Die Hölle war nichts gegen das, was sich nun abspielte. Eine halbnackte Gestalt fegte zwischen den Wagen durch, holte mit irgend etwas aus und wollte es Marty Dawson in den Rücken werfen, als Rico den letzten Schuß aus dem Gewehr abfeuerte.

Sie schaffen uns nicht, dachte Rico, indem er den Colt herausriß. Ich habe die Rothäute früh genug entdeckt und meine Kameraden rechtzeitig gewarnt. Sie schaffen uns…

Rumms!

Ricos Trommelfell im rechten Ohr drohte zu zerreißen.

Es war nur ein dumpfer Hall, den Rico Rogas hörte. Er spürte noch, daß etwas seinen Kopf traf, und er schrie einmal. Sein eigener Schrei gellte ihm in den Ohren, steigerte sich und…

Was ist passiert, dachte Rico Rogas. Sie haben mir so einen verfluchten Tomahawk an den Schädel geworfen. Wo bin ich?

Das Fenster zeichnete sich vor ihm ab, der Fetzen Gardine wehte wie ein Schleier in den Raum. Der Widerschein der Sterne ließ die Glocke der Tischlampe glänzen.

Es war so still, daß Rico Rogas sein Herz dumpf klopfen und das leise Knarren des Windrades draußen hören konnte.

Er saß aufrecht in seinem Bett, nahm langsam die Hand vom Kopf und atmete tief durch.

Ich bin nicht in Fort Grant, dachte Rico Rogas, ich liege nicht auf dem Feldbett, und sie stehen auch nicht alle um mich herum und grinsen wie die Honigkuchenpferde.

Rico Rogas blickte unwillkürlich nach links. Dort hatte Rip Wade gestanden. Jetzt war da niemand, aber als Rico die Augen schloß, war der Scout wieder da.

»Na, Junge?« hörte Rico seinen Freund Rip Wade fragen. »Wieder okay? Wie du das gemacht hast, Rico – alle Teufel, Mann, das werden wir alle so leicht nicht vergessen. Habe ich recht, Sergeant?«

Ah, dachte Rico, rechts ist Taffy mit seinem eisgrauen Borstenhaar und dem kantigen Gesicht. Was sagst du, Taffy?

»Stellt euch vor, die hätten mir die Haare abgeschnitten und sie später für ’ne Igelhaut gehalten. Rico, wie schade, Junge, daß du uns verlassen wirst.«

»Was – was werde ich? Euch verlassen? Taffy, bist du auch nicht betrunken? Weshalb sollte ich euch denn verlassen? Du spinnst. Die Army ist mein Zuhause. Nein, ich will nicht versetzt werden, ich will bei euch bleiben, bei meinen Freunden. Ich habe sonst niemanden auf der Welt, Taffy. Mann, du bist doch Sergeant-Major, also wirst du dem Captain sagen…«

»Du hast doch noch einen Onkel, Rico.«

»Ach, der.« Rico Rogas winkte ab. »Erinnert mich bloß nicht an meinen Onkel, den einzigen Bruder meiner Mutter. Ich will bei euch bleiben, hört ihr?«

»Großer Irrtum«, sagte Honkey. Er stand am Fußende und grinste von einem Ohr zum anderen mit seinem ungeheuer breiten Mund. »Wetten, daß du nicht wirst, Junge? Dein Onkel Ricardo Rogas ist gestorben. Und er hat dich zu seinem Erben gemacht, Junge. Du bist reich, Rico, dir gehört die Poststation in Cabezo Prieto, der Store, der Handel und das Hotel mit der Schankstube.«

»Idioten! Ihr nehmt mich auf den Arm, weil ich der jüngste von euch bin. Das kenne ich doch allmählich.«

Rico Rogas öffnete die Augen, sah das Fenster wieder, den Vorhang und die Lampe, sie haben mich nicht auf den Arm genommen. Ich, Rico Rogas, der uneheliche Sohn einer Mexikanerin, die von ihrer Familie verstoßen wurde, bin im Haus meines Onkels und habe nur geträumt.

Er saß da und schloß erneut die Augen, aber die Erinnerung kam nicht wieder zurück. Dies war kein Feldbett, und es war auch schon beinahe ein ganzes Jahr her, seitdem ihm ein Apache sein Kriegsbeil bei Tierra Blanca an den Kopf gedonnert hatte.

Rico Rogas legte sich hin, starrte zur Decke des Zimmers, in dem sein hartherziger Onkel Ricardo geschlafen hatte. Ich denke immerzu an meine Freunde. Nun ist es beinahe ein Jahr her, in drei Tagen genau. Ich, Rico Rogas, liebe das schönste Mädchen der Welt, aber meine Freunde fehlen mir. Ja, ich bin vielleicht reich, aber auch allein und einsam ohne meine Freunde. Solche Freunde hat nicht jeder, darum kann es auch nicht jeder verstehen. Ich wäre doch vielleicht besser bei der Armee und meinen Freunden geblieben. Wir hatten jeden Tag unseren Spaß, und es war nie langweilig.

In drei Tagen kommen sie mich besuchen. Sie haben es versprochen. Und was Freunde versprechen, das halten sie auch.

Vielleicht kommen sie alle gemeinsam, vielleicht aber nur Taffy, Harry und Honkey, weil sie jeden Tag zusammen sind und auch gemeinsam Urlaub bekommen werden. Wer weiß, wo Rip gerade für die Armee als Scout reitet, aber der kommt bestimmt. Keiner von uns wird jemals Tierra Blanca vergessen. Auch John Ireland nicht, ganz gleich, wo er gerade mit seinen Wagen unterwegs ist. Marty Dawson mag ein noch so gutes Geschäft mit Pferden machen – in drei Tagen ist er hier, ich weiß es.

Niemand vergißt Tierra Blanca und Rico Rogas, den kleinen Rico. Sie wären alle tot gewesen, wenn ich sie nicht gewarnt hätte.

Rico setzte sich wieder auf, denn die Standuhr schlug nebenan im Wohnzimmer.

Drei Uhr früh, dachte Rico. Es ist zuviel, was in meinem Kopf herumschwirrt. Heute ist Igancio Mendoza gekommen, mein zukünftiger Schwiegervater. Nein, es ist ja drei Uhr früh, also kam er gestern und fährt heute wieder ab. Er hat meine Teresa mitgebracht, meine zukünftige Braut. Ah, wenn er sie doch nur nicht mitgebracht hätte…

Rico Rogas löste sich von diesen Gedanken und hob lauschend den Kopf. Sein Traum hatte ihn vergessen lassen, daß sich vor elf Tagen einige Dinge in Cabezo Prieto ereignet hatten, die ihn seitdem zutiefst beunruhigten.

Vor elf Tagen waren acht Männer nach Cabezo Prieto gekommen und vor dem einzigen zweistöckigen Haus – Rico Rogas Mailstation und Hotel – abgestiegen. Es waren Bravados gewesen, mexikanische Banditen, die von der nur 25 Meilen entfernten mexikanischen Grenze herübergekommen sein mußten.

Ausgerechnet an diesem Tag war Rico Rogas in Gila City gewesen, um dort wie üblich Vorräte zu bestellen und die von den Bewohnern von Cabezo Prieto hergestellten Kupfer- und Silberarbeiten samt einer Ladung Töpferwaren zu verkaufen. Er war erst zwei Tage später zurückgekehrt.

»Nichts zu hören«, stellte Rico Rogas fest, er war aber trotzdem nicht beruhigt. »Der Teufel soll es holen. Diese acht Strolche benahmen sich, als gehörte ihnen Cabezo.«

Niemand wußte besser als Rico, daß es nur friedliche und freundliche Menschen in diesem Nest gab. Es war tatsächlich ein Nest, dieses Cabezo Prieto in Arizona. Zwanzig Familien wohnten hier im Tal zwischen der Sierra de la Cabeza Prieta im Westen und den Lumas Megras im Osten.

Ein Dorf, das einmal mexikanisch war und dann amerikanisch wurde, dachte Rico Rogas. Fünfzig Seelen, mehr nicht, aber die alte Handelsstraße führt durch das Tal. Ein paar Campesinos wohnen hier, kleine Bauern, arm, weil es kein gutes Land ist. Zu wenig Wasser in den dunklen Hügeln, nach denen der Ort seinen Namen hat. Die anderen Leute sind Handwerker, Silberschmiede, Töpfer, Kupferschmiede – alles ehemalige Mexikaner. Hier wohnt kein Americano, kein Yankee, außer mir – den einzigen, der in der amerikanischen Armee gedient hat, der gegen Apachen kämpfte und zwei schöne Medaillen bekam.

Für diese Menschen, dachte Rico und schwang die Beine aus dem Bett, bin ich ein Held, ich, der uneheliche Sohn einer ledigen Mutter. Der Neffe des reichen Don Ricardo, wie sie ihn nannten – jenes Mannes, der seine Schwester – meine Mutter – verstieß. Er war der reichste Mann in Cabezo, und ich bin sein Erbe, sein Nachfolger, also bin ich für sie auch ein Don, ein Herr. Ich verkaufe für sie, damit sie kein Gringo betrügen kann, ihre Silbergeschirre und Kupferkessel, ihre Tonvasen und Schüsseln. Sie vertrauen mir, aber sie müssen mich Mister nennen, Mr. Rico Rogas.

Er lächelte und trat ans offene Fenster, sog die Luft tief ein, die hier auch nachts kaum abkühlte. Seine scharfen Augen hefteten sich auf die dunkle Kette der Sierra de la Cabeza, und schon dachte er wieder an die acht gemeinen Kerle, die in sein friedliches Cabezo gekommen waren und sich wie die Wilden gebärdet hatten.

Die kommen wieder, dachte Rico Rogas. Sie haben es nicht nur so dahergesagt, diese Strolche, die die Hölle ausgespuckt hat. Sie kamen in meine Schankstube und verlangten Tequila. Und mein alter Ramon, der schon meinem Großvater diente und danach meinem Onkel Ricardo, sah ihre Revolver, Messer und Patronengurte und wußte, daß er kein Geld für den Tequila bekommen würde. Armer, alter Ramon. Sie zwangen ihn, den Store noch mal zu öffnen. Und dann haben sie sich Hemden und Jacken, Hosen und Stiefel genommen, Patronen und das Geld aus der Kasse. Aber bezahlt haben sie nicht, so wenig wie drüben bei Minez, dem Campesino. Sie ließen sich acht Hühner braten und schossen der Witwe Juarez ins Fenster, als sie sich über den Lärm beschweren wollte. Sie haben nichts bezahlt und gesagt, sie würden es nachhholen, wenn sie wiederkommen. »Und die kommen wieder, das habe ich im Urin.«

Das letzte sagte er laut und grimmig, genauso, wie sein Freund Taffy George Burton, der Sergeant-Major, es immer gesagt hatte, wenn Ärger in der Luft lag.

Er lächelte nicht mehr, der schlanke Rico Rogas. Er biß die Zähne zusammen und atmete tief durch die Nase ein. Und dann dachte er an Teresa, das schönste Mädchen der Welt, neunzehn Jahre jung, schlank, sanftäugig und nicht mehr als acht Schritt von ihm entfernt.

Acht lächerliche Schritte, und doch so weit entfernt für ihn wie der Mond, der diesmal nicht schien. Sie schlief in seinem Haus oder dem seines Onkels, denn Rico fühlte sich darin wie ein Fremder. Er hätte zu ihr gehen können, aber dann hätte er durchs Wohnzimmer müssen. Und in dem schlief Ignacio Mendoza, ihr Vater. Teresa schlief in dem anderen Zimmer zur Straßenseite hinaus. Und Don Ignacio, der Tongruben besaß und das Material für die drei Töpfereien in Cabezo Prieto lieferte, war verdammt hellhörig. Er wachte wie ein bissiger Hofhund und nach echt mexikanischer Sitte über die Unschuld seiner schönen und einzigen Tochter.

»Verdammte Sitten sind das«, knurrte Rico und fühlte wieder diese ungesunde Wut in sich aufkeimen. »Eine Tochter hat unberührt in die Ehe zu gehen. Brautleute dürfen sich nicht küssen, sondern sich höchstens mal an den Händen fassen. Und immer hat jemand dabeizusein. Verrückt ist das, idiotisch. Ich liebe Teresa, und sie liebt mich. Und sie haben ihr erzählt, daß eine Jungfrau ein Kind bekommen wird, wenn sie einen jungen Mann küßt. Die sind ja plemplem.«

Er fluchte leise und wußte, daß er nicht einschlafen würde, wenn er sich wieder ins Bett legte. Je näher der Jahrestag von Tierra Blanca kam, desto unruhiger wurde Rico Rogas. Allein schon deshalb, weil die Bravados jederzeit wiederkommen konnten. Er hatte sicherheitshalber vor neun Tagen alle Männer von Cabezo bewaffnet, die mit einem Gewehr umgehen konnten.

Als er mit dem Wagen nach Hause gekommen war, war ihm ganz Cabezo entgegengelaufen, um ihm von den Bravados zu erzählen. Sie hatten ihn gefragt, was sie gegen die Banditen tun könnten. Und er hatte es ihnen gesagt.

Seitdem hielten die Männer auf dem hohen Wasserturm drüben Wache. Sie lösten sich alle zwei Stunden ab. Rico hatte einen Wachdienst aufgezogen. Von Einbruch der Dunkelheit bis zum Morgen war immer jemand auf dem Turm. Hörte oder sah er die Bravados, sollte er an das Stück Eisen schlagen, das sie oben an den großen Behälter gehängt hatten.

Rico Rogas hob den Blick zum Himmel. In einer Viertelstunde wurde es hell, graute der Morgen. In drei Stunden wollte er sein Pferd nehmen und seinen zukünftigen Schwiegervater und seine Teresa bis zum Ende der Lumas-Hügel bringen. Von dort sah man alles, was sich im Südosten bewegte.

»Ich werde nicht eher ruhig sein«, brummte Rico, »bis Teresa fort ist. Bravados sind unberechenbar, wenn sie ein hübsches Mädchen sehen. Wenn sie nur erst fort wäre.«

Er mußte plötzlich an Rip Wades Warnung vor Apachen denken. Rip hatte es ihm eingeblasen, als er noch Rekrut gewesen und auf seine erste Wache gezogen war:

»Junge, die beste Zeit für einen Überfall ist immer die Stunde, in der man den ersten tiefen Schlaf hat. Da mußt du hellwach bleiben, auch wenn du die anderen im Camp schnarchen und um die Wette sägen hörst. Die zweitbeste Zeit ist die Stunde vor Tagesanbruch, wenn die Wachen todmüde sind und nur noch vor sich hin dösen. Da kann man leicht jemanden überraschen. Merke dir das, Junge.«

Rico Rogas trat vom Fenster zurück und an den Stuhl. Dort lagen seine Sachen so ordentlich aufgepackt, wie er es einmal in der Armee gelernt hatte. Auch bei den Padres in der Missionsschule von San Xavier hatte Ordnung geherrscht. Dennoch hatte Rico es erst bei der Armee gelernt, wie man seine Sachen so hinlegte, daß man in stockfinsterer Nacht jedes Stück erfassen und sich blitzschnell anziehen konnte.

Rico Rogas zog sich an. Er hatte den Wachplan für die elf waffenfähigen Männer von Cabezo eigenhändig aufgestellt. Und da er ihn im Kopf hatte, wußte er, daß Sanchez jetzt auf dem Turm war und schon vor gut anderthalb Stunden Alfonso abgelöst hatte.