Die Laufbibel - Dr. Matthias Marquardt - E-Book

Die Laufbibel E-Book

Dr. Matthias Marquardt

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Beschreibung

Das Standardwerk für den Laufsport Laufen ist der Trendsport unserer Zeit – und das nicht ohne Grund: Wer regelmäßig läuft, trainiert sein Herz-Kreislauf-System, bleibt fit und schlank und schützt sich vor zahlreichen Zivilisationskrankheiten. Damit Sie Ihre Leistungsfähigkeit optimal entwickeln und gesund und beschwerdefrei laufen können, gibt Ihnen dieses Buch ein einfach anzuwendendes Gesamtkonzept an die Hand: Sie werden leichter und schneller laufen, aber belastbar und verletzungsfrei bleiben. Was ist neu in der 18., komplett überarbeiteten Neuauflage des Erfolgstitels: • plus 16 Seiten • neue Themen im Buch: u. a. Wattmessung für Läufer, Sportuhren, vegane Ernährung • Kapitel Laufverletzungen komplett neu  • alle Kapitel auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand und aktualisiert, wie z. B.  Laufschuhe, Bekleidung etc. • modernes Layout und viele neue Fotos Das ganzheitliche Trainingssystem von Dr. Marquardt Sie optimieren Ihre Lauftechnik und schützen so den Bewegungsapparat vor Fehlstellungen und übermäßigen Stoßbelastungen. Mit den richtigen Übungen kräftigen und stabilisieren Sie Ihren Bewegungsapparat, durch die richtige Trainings- und Regenerationsplanung beugen Sie Überlastungen vor. Dank der modernen Bewegungsanalyse kann die Schuh- und Einlagenversorgung optimal auf Ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden. Eine bewusste und angepasste Ernährung ist für gute Leistungen im Sport und für die Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten von entscheidender Bedeutung. Dr. Matthias Marquardt präsentiert Ihnen den aktuellen Wissensstand der Sportmedizin in einer verständlichen Darstellung. Von diesem Buch profitieren Anfänger und Leistungssportler genauso wie Trainer, Physiotherapeuten und Ärzte. Gesundes Laufen kann man lernen – mit diesem Buch!

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Dr. Matthias Marquardt

Die

Laufbibel

Das Standardwerk für den Laufsport

Bei den folgenden Bezeichnungen handelt es sich um eingetragene Marken:

adidas®

Celebrex®

Conform′able®

currex®

Dona®

Enelbin®

FiveFingers®

Footdisc®

Forerunner®

Garmin®

Gore-Tex®

Ichtolan®

LAI-Porellina®

Lycra®

MotionQuest®

Nike®

OwnZone®

Polar®

PowerBar®

Spandex®

Squeezy®

Suunto t6d®

Sympatex®

Teflon®

Thera-Band®

Timex®

Traumeel®

Vibram®

Voltaren®

Wobenzym®

Hinweis:

In diesem Buch wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und andere Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

19., überarbeitete und erweiterte Auflage 2022

Dieser Titel erschien bis zur 17. Auflage bei spomedis GmbH

© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld, veröffentlicht unter dem Imprint spomedis

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

ISBN 978-3-95590-160-8 (Print)

ISBN 978-3-95590-161-5 (Epub)

Lektorat: Norbert Hensen, René Stein, Stephanie Jaeschke, Petra Schomburg

Layout und Satz: Ralf Reiche und Jörg Weusthoff, www.wundrdesign.de

Lithografie: Mohn Media, Gütersloh

Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

Vorwort

Liebe Leserinnen

und Leser,

die »Laufbibel« feiert mit dieser Auflage ihren 15. Geburtstag. Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge: Verletzungsfrei zu laufen, das war für mich zu keinem Zeitpunkt während meiner Laufbahn eine Selbstverständlichkeit. Als Leistungssportler im Triathlon gab es fast mehr Trainingsphasen, in denen ich verletzt war, als solche, in denen ich verletzungsfrei meinem Sport nachgehen konnte. Dieser Umstand hat mich und meine Arbeit bis heute geprägt. Lauftechnik, Bewegungsanalyse, Schuh- und Einlagenversorgung, Trainingsplanung sowie -steuerung, Ernährung und Mikronährstoffe sind seit dieser Zeit meine Steckenpferde. Und ich versuchte alles: Ich rieb meine schmerzenden Gelenke mit Brennnesseln ab und setzte mich ab meinem 16. Lebensjahr jeden Morgen in einen elf Grad Celsius kalten Brunnen.

Bei einer Trainerausbildung wurde so der Verlagschef von spomedis auf mich aufmerksam und überzeugte mich, mein Wissen aufzuschreiben. Zunächst ein kleines Buch, bei dem wir an unsere Ersparnisse mussten und die Druckkosten vorfinanzierten, schließlich dann der ganz große Wurf: »Die Laufbibel«. Wahrscheinlich war es diese Unbedarftheit eines jugendlichen Projekts, die dem Buch zu so großer Beliebtheit verholfen hat. Wir waren getrieben von dem Wunsch, das ultimative Laufbuch zu machen. Es gab keine Berater und Bedenkenträger eines Großverlags, die die »reine Lehre« hätten verwässern können.

Wir machten einfach unser Buch und behielten dabei die unterschiedlichen Träume der Läufer im Blick: Aber egal, ob Sie fünf Kilometer am Stück laufen, einen Marathon finishen, für eine neue Bestzeit trainieren oder einige Kilogramm überflüssiges Gewicht verlieren möchten, die »Laufbibel« hilft Ihnen, Ihren ganz persönlichen Traum in die Tat umzusetzen.

Wahrscheinlich werden sich Ihre Ziele irgendwann im Laufe Ihres Lebens verändern, so wie sich auch meine verändert haben. Früher waren es die Bestzeiten, das ging sogar so weit, dass ich noch mit dem Babyjogger zehn Kilometer unter 40 Minuten gerannt bin. Heute bin ich froh, wenn es mir gelingt, nach meiner sportärztlichen Tätigkeit mit meinen Laufkameraden eine lockere Runde zu drehen und gelegentlich an einem Volkslauf teilzunehmen. Ich freue mich, wenn wir uns dort sehen! Möge dieses Buch auch Ihnen dazu verhelfen, schneller, leichter und vor allem schmerzfrei und mit Spaß an der Sache zu laufen.

Herzlichst

Ihr

Dr. Matthias Marquardt

Hannover, im Frühjahr 2021

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1Einführung

Internistischer Nutzen

Der Check-up

Orthopädischer Nutzen

Die Bausteine

Praxistipp: Sportgesundheit

Kapitel 2Lauftechnik

Laufen kann jeder?

Der Bewegungsablauf im Detail

Die Armarbeit

Der Rumpf

Die Hüftstreckung

Kniehub, Schrittlänge und -frequenz, Anfersen

Der Fußaufsatz

Das Techniktraining

Praxistipp: Wie gut ist Ihr Laufstil?

Kapitel 3Trainingssteuerung

Die Trainingsbereiche

So finden Sie den richtigen Trainingsbereich

Die Trainingsmethoden

Die Gewichtung der einzelnen Trainingsbereiche

Praxistipp: Finden Sie Ihre Methode zur Trainingssteuerung

Laufökonomie

Der Coach am Handgelenk

Kapitel 4Trainingsplanung

Das Prinzip der Superkompensation

Die Zyklisierung

Die Periodisierung im Trainingsjahr

Werden Sie Ihr eigener Coach!

Trainingslager und Höhentraining

Übertraining

Kontrollinstrument Trainingstagebuch

Praxistipp: So erstellen Sie einen Trainingsplan

Kapitel 5Grundlagen des Athletiktrainings

Kraft und Rumpfstabilisation

Beweglichkeit und Stretching

Koordination und Koordinationstraining

Praxistipp: Muskellängentests

Kapitel 6Die Trainingspläne

Alles Wissen kondensiert in einem guten Plan

Trainingsplan ist nicht gleich Trainingsplan

Die Trainingspläne im Detail

Praxistipp: Was Sie für den Trainingsstart benötigen

Die Übungen

Einsteiger → Laufkraft

Einsteiger → Koordination

Einsteiger → Stretching

Läufer → Laufkraft

Läufer → Lauf-Abc (für Läufer mit einem Tempo von < 12 km/h)

Läufer → Lauf-Abc (für Läufer mit einem Tempo von > 12 km/h)

Läufer → Stretching

Läufer → Blackroll

Verletzte: Fuß/Unterschenkel → Athletik

Verletzte: Fuß/Unterschenkel → Fußzirkel

Verletzte: Fuß/Unterschenkel → Stretching

Verletzte: Fuß/Unterschenkel → Blackroll

Verletzte: Knie → Athletik

Verletzte: Knie → Lauf-Abc

Verletzte: Knie → Stretching

Verletzte: Knie → Blackroll

Verletzte: Rücken/Hüfte/ISG → Athletik

Verletzte: Rücken/Hüfte/ISG → Stretching

Verletzte: Rücken/Hüfte/ISG → Blackroll

Kapitel 7Wettkampf

Die optimale Wettkampfvorbereitung

Das erfolgreiche Rennen

Nach dem Rennen

Praxistipp: Ihre Packliste für den Wettkampf

Kapitel 8Regeneration

In den Pausen werden Sie besser

Aktive und passive Regeneration

Praxistipp: Regeneration mit der Faszienrolle

Kapitel 9Laufschuh

Wie Sie den richtigen Laufschuh finden

Die Bodenbeläge und ihre Auswirkungen

Fußtraining

Die Schuhberatung im Sportschuhgeschäft

Praxistipp: 10 Tipps zum Schuhkauf

Kapitel 10Bewegungsanalyse

Die medizinische Bewegungsanalyse

Typische Befunde der Bewegungsanalyse

Praxistipp: Bedingungen für eine gute Bewegungsanalyse

Kapitel 11Einlagenversorgung

Einlagen gegen Fußfehlstellungen

Konventionelle orthopädische Einlagen

Sensomotorische Einlagen

Der Weg zur perfekten Einlage

Praxistipp: Brauchen Sie eine Einlage?

Kapitel 12Laufbekleidung

Die Aufgaben moderner Laufbekleidung

Das 3-Schichten-Prinzip

Die Basisausstattung

Die Zusatzausstattung

Kapitel 13Ernährung

Ernährung für Läufer

Kohlenhydrate

Eiweiße

Fette

Die Ernährungspyramide

Vitamine, Mengen- und Spurenelemente

Nahrungsergänzungsmittel: Praxis der Substitution

Essen und Trinken im Sport

Praxistipp: So substituieren Sie richtig!

Kapitel 14Laufverletzungen

Allgemeine Ursachen von Laufverletzungen

Diagnostik: Hightech und Handarbeit

Die Behandlung von Laufverletzungen

Achillessehnen-Schmerzen (Achillodynie)

Fersensporn/Plantarfasziitis

Vorderer Knieschmerz (Patellofemorales Schmerzsyndrom)

Iliotibiales Bandsyndrom (Tractus-iliotibialis-Syndrom)

Gesäßschmerzen (Piriformis-Syndrom)

Inneres Schienbeinkantensyndrom (mediales Schienbeinkantensyndrom)

Arthrose (Hüfte und Knie)

Verletzungen am Sprunggelenk (Umknicken und Bänderriss)

Spreizfuß

Zerrung/Wadenzerrung

Blaue Zehennägel

Rhagaden

Blasen

Praxistipp: Wie hoch ist Ihr individuelles Verletzungsrisiko?

Anhang

Trainingspläne für Einsteiger: von 0 auf 5 Kilometer

Trainingspläne für Läufer: 5 Kilometer in 28:00 min

Trainingspläne für Läufer: 10 Kilometer in 50:00 min

Trainingspläne für Läufer: 21,1 Kilometer in 2:00 h

Trainingspläne für Läufer: 42,2 Kilometer in 4:00 h

Trainingspläne für verletzungsanfällige Läufer: 21,1 Kilometer in 1:45 h

Literaturverzeichnis

Index und Glossar

Übungsverzeichnis

KAPITEL 1

Einführung

Internistischer Nutzen

Der Check-up

Orthopädischer Nutzen

Die Bausteine

Sportgesundheit

»Laufen ist unser natürlichstes Heilmittel.«

Laufen fasziniert. Menschen jeden Alters, aus sämtlichen Leistungsklassen und aus allen Bevölkerungsschichten laufen. Und Laufen führt zusammen: beim Training im Stadtpark, beim gemeinsamen Dauerlauf des örtlichen Lauftreffs, beim harten Bahntraining junger Leistungssportler im Stadion, beim lokalen Volkslauf über die 5-Kilometer-Distanz wie auch bei den großen Marathons mit bis zu 40.000 Teilnehmern aus zahlreichen Nationen. Und: Läufer sind frei. Egal ob die Sonne scheint und Sie im Sommer am Meer entlanglaufen oder sich im kühlen Herbst gegen Wind und Regen stemmen – Laufen bedeutet Freiheit, denn Sie können immer und überall laufen. Ob Sie Freizeitsportler sind, der sein regelmäßiges Trainingspensum abspult, oder dynamischer Manager in den Metropolen dieser Welt, der den Kopf freibekommen möchte – Sie sind unabhängig. Einen Stadtpark gibt es schließlich überall, und Laufschuhe passen in jeden Koffer.

Doch nicht nur Freiheit und Ungebundenheit faszinieren: Laufen zeigt darüber hinaus Auswirkungen. Dieses Einführungskapitel dient dazu, Ihnen den internistischen und den orthopädischen Nutzen des Laufens zu erklären – zum Beispiel wie das Training sich auf Ihren Blutzucker auswirkt und warum es Ihren Gelenken guttut. Aber auch den Läuferproblemen gehe ich auf den Grund – und führe Sie in ein Konzept ein, mit dem Sie gesund und effektiv trainieren werden.

Die Folgen der Zivilisation

Jeder Mediziner und immer mehr Läufer wissen, dass die meisten Krankheiten, die der Arzt im 21. Jahrhundert behandelt, Zivilisations- oder Bewegungsmangelkrankheiten sind – Krankheiten, die der unaufhaltsame, vermeintlich segensreiche Fortschritt mit sich brachte. Ich fasse sie unter dem Begriff der »Wohlstandskrankheit« zusammen. Das Anfangsstadium ist eine Lebensweise, die in unserer Gesellschaft mittlerweile als normal gilt: das Absitzen unserer Zeit. Sie sitzen morgens beim Frühstück auf dem Küchenstuhl, dann im Auto auf dem Weg zur Arbeit, anschließend auf dem Bürostuhl, dann wieder im Auto, bevor Sie sich endlich abends aufs Sofa fläzen können. Das Sitzen war ganz schön anstrengend! Und nicht nur das: Lästige Machtspiele auf der Arbeit haben Ihre Nerven strapaziert, von den unzähligen E-Mails ganz zu schweigen. Das Essen in der Kantine war zugegebenermaßen nicht das wertvollste – am Wochenende gibt’s dann eben den Alibi-Salat. Kennen Sie das? Das sind die ersten Anzeichen der Wohlstandskrankheit – ein schleichender Prozess, den in Deutschland mittlerweile sehr viele Menschen erleben. Die Folgen: Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und eine verringerte Lebensqualität.

Fit, dynamisch, gesund – die Quadratur des Kreises?

Wir Läufer nutzen die Vorteile von Zivilisation und Wohlstand und trotzen gleichzeitig deren negativen Auswirkungen. Das klingt für Sie wie die Quadratur des Kreises? Essen, was Sie wollen, ohne dick zu werden? Schlank und in Shape trotz Bürojob? Es funktioniert. »Das haben mir schon viele versprochen, Sie sind nicht der Erste, Herr Marquardt.« Ich aber antworte Ihnen: »Wenn Sie es nicht glauben wollen, dann probieren Sie es doch einfach aus!« Sie haben dieses Buch in der Hand und sind damit auf dem besten Weg, sich gegen die Wohlstandskrankheit zu wappnen. Als Läufer können Sie beispielsweise Ihrer Liebe für guten Rotwein frönen – Sie gleichen die Bilanz wieder aus. Wer es sich hingegen zusammen mit seinem inneren Schweinehund auf dem Sofa bequem macht, zu dem gesellen sich bald die Folgen des Lebens im Überfluss, im schlimmsten Fall droht sogar der Herzinfarkt. Und dabei können Sie all diese Probleme auf einen Streich lösen, denn hier gilt, was ansonsten verpönt ist: Laufen Sie Ihren Problemen einfach davon. Überzeugen Sie sich selbst, es funktioniert!

Internistischer Nutzen

Endlich eine Traumfigur: BMI und Körperfettanteil

Bestimmt haben Sie schon einmal irgendwo aufgeschnappt, dass es kaum eine effektivere Sportart als Laufen gibt, um seine Figur zu verbessern. Aber wann ist eine Figur eigentlich okay, und wann ist sie nicht mehr okay? Am besten beurteilen Sie das selbst, wenn Sie in den Spiegel schauen. Aber was sagen wohl die Ärzte? Diese setzen Körpergewicht und Körpergröße zueinander ins Verhältnis und legen so in einer Zahl – dem BMI (Body-Mass-Index) – fest, ob Ihr Gewicht zu hoch, normal oder gar zu niedrig ist. Sie errechnen Ihren BMI ganz einfach folgendermaßen:

Ein Beispiel: Sie sind 1,81 Meter groß und 79 Kilogramm schwer. Dann beträgt Ihr BMI 24,1 (79 / 1,812). Dieses Beispielergebnis liegt völlig im Rahmen. Übergewichtig wären Sie ab einem BMI von mehr als 25. In der folgenden Tabelle können Sie nachsehen, in welchem Verhältnis Ihr Körpergewicht zu Ihrer Körpergröße steht.

Leider gibt der BMI keine Auskunft über die Zusammensetzung Ihrer Körpermasse. Bodybuilder haben beispielsweise kein Gramm Fett zu viel – aber einen hohen BMI aufgrund ihrer großen Muskelmasse und des entsprechenden Gewichts. Bevor Sie sich also bei einem erhöhten BMI entspannt zurücklehnen und Muskulatur statt Fett bei sich vermuten, rate ich Ihnen zu einer Körperfettmessung. Einige Waagen ermitteln den Wasser- und Fettanteil Ihres Körpers mithilfe einer elektrischen Widerstandsmessung (keine Angst, davon spüren Sie nichts). In der Tabelle können Sie Ihren momentanen Standpunkt ablesen. Zu weit rechts? Keine Sorge – durch regelmäßiges Laufen rutschen Sie stückchenweise nach links! Laufen verkleinert nämlich nicht nur Ihren BMI, es senkt auch Ihren Körperfettanteil.

Body-Mass-Index

»Laufend trotzen Sie dem Gefäßkiller Nummer eins.«

Laufen reinigt die Blutgefäße: Cholesterin und Blutfette

Laufen senkt Ihre Blutfettwerte und Ihren Cholesterinspiegel, ein wirksamer Schutz für Herz und Gefäße. Das inaktive, größtenteils sitzende Zivilisationsopfer hingegen kämpft mit verkalkenden Blutgefäßen. Die Arteriosklerose ist zur Volkskrankheit Nummer eins geworden. Verstopfen die Adern des Herzens, kommt es zum gefürchteten Herzinfarkt. Sind die Adern im Kopf undurchlässig geworden, so droht der Schlaganfall. Infarkt und Schlaganfall – mittlerweile abgedroschene Begriffe – bedeuten im Klartext schlimmstenfalls Pflegebedürftigkeit und Invalidität. Sie werden fremdbestimmt und abhängig. Lassen Sie Ihren Cholesterinspiegel von Ihrem Arzt feststellen. Er unterscheidet dabei zwischen HDL- und LDL-Cholesterin. Das HDL (High Density Lipoprotein) ist das gute Cholesterin – es ist für den Abtransport von überflüssigem Cholesterin aus dem Gewebe verantwortlich. Für gesunde, elastische Gefäße benötigen wir einen hohen HDL-Wert. Das LDL (Low Density Lipoprotein) ist der böse Gegenspieler, es sorgt für Verstopfung und Verkalkung. Die gute Nachricht: Ihr Cholesterinspiegel lässt sich auch ohne Tabletten verbessern! Laufen reinigt nämlich Ihre Gefäße – das gute HDLCholesterin steigt an, und damit verändert sich Ihr Verhältnis von LDL- zu HDL-Cholesterin. Kontrollieren Sie Ihren Cholesterinspiegel: Ist Ihr Verhältniswert noch zu hoch? Dann ziehen Sie die Laufschuhe an – durch regelmäßiges Training wird Ihr Wert sinken und sich in den grünen Bereich bewegen. Sie werden sich wie neugeboren fühlen!

Körperfettanteil bei Frauen in Prozent

Körperfettanteil bei Männern in Prozent

Nach: »Schlank und fit in den Sommer«, 2004 Wissen Media Verlag GmbH, Gütersloh/München

LDL-Cholesterin

Der LDL-Cholesterinspiegel sollte idealerweise bei 115 Milligramm pro Deziliter liegen, wenn Sie gesund sind. Bei erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall gelten die folgenden Werte:

LDL-Cholesterin < 55 mg/dl bei sehr hohem Risiko wie Patienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall

LDL-Cholesterin < 70 mg/dl bei hohem Risiko wie bei langjähriger Zuckererkrankung und weiteren Risikofaktoren

LDL-Cholesterin < 100 mg/dl bei mäßig erhöhtem Risiko wie einer Zuckererkrankung ohne weitere Risikofaktoren

Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind:

Alter: bei Männern über 45 Jahre, Frauen über 55 Jahre

Zigarettenkonsum

Bluthochdruck (> 140/90 mmHg oder Blutdruckmedikation)

Diabetes mellitus

Adipositas (BMI > 30)

HDL-Wert unter 40 mg/dl (Männer)

HDL-Wert unter 45 mg/dl (Frauen)

koronare Herzerkrankung in der Familie

Runter mit dem Blutdruck

Bei einem Blutdruck von 120/80 mmHg oder sogar darunter fühlen Sie sich wohl, Sie sind aktiv und belastbar. Die Wohlstandskrankheit beschert vielen jedoch einen erhöhten Blutdruck – den größten Gefäßkiller! Bei Bluthochdruck stehen die Gefäße unter Spannung, sie müssen eine höhere Belastung aushalten, sodass sie auf Dauer porös werden und verkalken. Wie steht es um Ihren Blutdruck? Lassen Sie ihn doch das nächste Mal beim Arzt- oder Apothekenbesuch bestimmen. Die Tabelle unten gibt Auskunft, ob er im grünen Bereich liegt.

Der Zuckerkrankheit keine Chance

Diabetes mellitus, die Zuckerkrankheit, greift immer schneller um sich. Das Stoffwechselsystem übergewichtiger Menschen mit inaktiven Muskeln hat Schwierigkeiten, den Zucker aus der Nahrung abzubauen, der Zucker verstopft nach und nach ihre Gefäße. Was dann folgt, haben Sie bereits gelernt. Hinzu kommen geschädigte Nieren, sodass viele Diabetiker dialysepflichtig werden. Sie müssen mehrmals wöchentlich ihr Blut waschen lassen – von Unabhängigkeit ist dann nicht mehr viel übrig. Als Läufer sind Sie davor jedoch geschützt: Ihr Körper reguliert den Zuckerstoffwechsel optimal und ganz natürlich. Die Muskeln werden trainiert und nehmen den Zucker aus dem Blut auf, ohne dass er Schaden im Gefäßsystem anrichten kann. Laufen vertreibt Ihnen diese Sorgen: Sie haben Ihr Schicksal in der Hand!

Niedriger Blutdruck

Sie lesen immer nur von zu hohem Blutdruck und fragen sich, was bei zu niedrigem Blutdruck zu tun ist? Besonders junge und schlanke Frauen leiden mitunter an sehr niedrigen Blutdruckwerten. Aber auch Sportler sind betroffen, weil ihr leistungsstarkes Herz für niedrige Pulsfrequenzen und einen niedrigen Blutdruck sorgt. Unangenehm wird der niedrige Blutdruck bei schnellem Aufstehen, großer Hitze oder nach dem Essen. Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten werden als störend empfunden, ebenso kalte Hände und Füße.

Der niedrige Blutdruck trägt allerdings auch wesentlich dazu bei, dass gut trainierte Menschen seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden als Bewegungsmuffel. Ein niedriger Blutdruck schont Ihr Herz-Kreislauf-System.

Wenn Ihr niedriger Blutdruck Sie stört, dann sollten Sie Ausdauersport treiben. Ein trainiertes System kann sich besser wechselnden Anforderungen anpassen und den Blutdruck entsprechend regulieren. Unterstützen Sie den Effekt durch einige zusätzliche Gläser Wasser am Tag, und salzen Sie Ihr Essen ruhig etwas nach.

Blutdruckempfehlungen: Fallen systolischer und diastolischer Blutdruck bei Ihnen in unterschiedliche Kategorien, so gilt die höhere Kategorie

Nach: Deutsche Hochdruckliga

»Laufen macht Sie zu dem Menschen, der Sie sein wollen.«

Sprechen Sie beim nächsten Besuch mit Ihrem Arzt oder Apotheker über eine Blutzuckermessung. Man kann den Blutzucker mit einem kleinen Tropfen Blut aus dem Ohrläppchen oder aus dem Finger ganz einfach und schnell bestimmen.

Laufen hält jung

Laufen hält Sie aber auch im übertragenen Sinne in Bewegung. Mit einem Lächeln auf den Lippen trotzen aktive Läufer Übergewicht, Vergesslichkeit, Falten und schlaffem Bindegewebe. Dynamik und Agilität sind nicht nur Attribute der Jugend. Der Läufer von heute ist unterwegs, er ist fit, er hält sich schlank und gesund. Er nutzt das beste Heilmittel, das die Natur ihm bietet.

Laufen für die Psyche

Einen ebenso unschätzbaren Nutzen hat Bewegung für unsere Psyche. Wir sind, was wir denken. Regelmäßige körperliche Ertüchtigung mit darauffolgender wohliger Entspannung, das Erleben des Jahreszeitenwechsels in der Natur, der Kontakt zu anderen Menschen, die klaren Gedanken und der sich in Luft auflösende Stress – all das gibt uns das Gefühl, mit uns selbst und unserer Umwelt im Reinen zu sein. In unserer schnelllebigen, unbeständigen Zeit, in der jeder Zehnte im Laufe seines Lebens eine Depression erleidet, ist dies mehr als nur ein Nebeneffekt. Wollen Sie diesen Lauf der Dinge verändern, dann laufen Sie!

Laufen in Tablettenform – ein Traum?

Die positiven Effekte des Laufens sind so fantastisch wie zahlreich: neue Lebenskraft, Ausgeglichenheit und die nebenbei immer kleiner werdende Jeansgröße. Würde es die Effekte des Laufens in Form einer Tablette geben, so wäre diese wohl ein unbezahlbares Exklusivprodukt. Aber ich kann Ihnen versprechen: Wir brauchen diese Tablette nicht. Wir unternehmen die morgendliche Laufrunde. Ob das mein Ernst ist? Selbstverständlich! Oder wollten Sie etwa die Sonne auf der Haut beim ersten Frühlingslauf missen? Die freien und unbeschwerten Gedanken beim ruhigen Dauerlauf? Auf die frische Luft in unseren Lungen verzichten? Den peitschenden Herbstregen im Gesicht und den Genuss der warmen Dusche danach nicht erleben? Die Überwindung bei einem Wettkampf und das unglaubliche Gefühl hinterher, es geschafft zu haben – egal ob fünf, zehn oder die magischen 42,195 Kilometer? Ich bin fest davon überzeugt, Sie brauchen diese Tablette nicht!

Nüchternblutzucker (mg/dl)

Einordnung

Konsequenz

< 90

optimal

Laufen Sie weiter.

 90–100

noch normal

Mit Lauftraining wird es noch besser.

 100–125

Verdacht auf gestörte Glukosetoleranz

Mit Lauftraining regulieren Sie den Blutzucker.

> 125

Diabetes mellitus

Begeben Sie sich in ärztliche Behandlung.

Der Check-up

An die Startlinie – aber sicher!

Laufen hilft Ihnen also, sich besser zu fühlen, gesünder zu sein und länger zu leben. Doch in jeder Laufsaison werden leider auch Schlagzeilen produziert, die von schrecklichen Zwischenfällen bei Laufveranstaltungen berichten. »Plötzlicher Herztod« heißt es da. Und die Kollegen im Büro fühlen sich im Nichtstun bestätigt und schwadronieren: »Sport ist Mord.«

Was hat es mit dem Schreckgespenst des »plötzlichen Herztods« auf sich? Es handelt sich dabei um einen Herzstillstand, der plötzlich eintritt und sofort zum Tode führt. Er kann in Ruhe auftreten, doch ist das Risiko unter sportlicher Belastung, vor allem bei hohen Intensitäten, etwas erhöht. Die Häufigkeit liegt aber »nur« bei 1:100.000 bis 1:1.000.000. Das ist also extrem selten.

Bei Sportlern jenseits des 40. Lebensjahrs ist der Herztod meist die Folge einer Herzkranzgefäßverengung aufgrund von Kalkablagerungen – durch Rauchen oder hohe Cholesterinwerte, die zum Herzinfarkt führen.

Bei jüngeren Sportlern ist meist eine Erkrankung des Herzmuskels die Ursache, die oftmals erblich bedingt ist. Die krankhafte Herzwandverdickung tritt mit einer Häufigkeit von 1:1000 bis 2:1000 in der Bevölkerung auf. Oft gibt es bei diesen Patienten Fälle von frühem Herztod in der Familie. Diese Erkrankung ist nicht selten, aber nicht jeder Betroffene betreibt ambitioniert Sport, und nicht jeder erleidet zwangsläufig das Schicksal eines frühen Herztodes. Unruhig machen diese Zahlen dennoch.

Was tun, um sicher zu laufen?

Die Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung vor dem Trainingsstart drängt sich also förmlich auf. Und Vorsorgeuntersuchungen werden von Gesundheitsfunktionären und Politikern immer wieder publikumswirksam gefordert. Auch Sportlern wird ein Check-up vor dem Trainingsstart nahegelegt. Aber was sollte er beinhalten? Wie wird er korrekt durchgeführt? Und wer übernimmt die Kosten?

Grundsätzlich sind Vorsorgeuntersuchungen Teil des sogenannten Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen, die den sogenannten Check-up 35 – Nomen est Omen – erst ab dem 35. Lebensjahr bezahlen. Dieser Check-up beinhaltet:

1.Anamnese und Erfassung des Risikoprofils (z. B. Rauchen, Übergewicht)

2.körperliche Untersuchung mit Messung des Blutdrucks

3.Blutuntersuchung auf Gesamtcholesterin, HDL, LDL, Blutfette und Glukose, Urinuntersuchung auf Eiweiß, Glukose, rote und weiße Blutkörperchen, Nitrit

4.Beratung über das Ergebnis

Man muss kein Arzt sein, um feststellen zu können, dass das keine sonderlich umfangreiche Untersuchung ist. Keine umfassende Blutuntersuchung, kein EKG, kein Belastungs-EKG, kein Ultraschall der Bauchorgane oder des Herzens. Warum ist das so? Weil es – und das ist perfide Gesundheitsökonomie – ökonomisch für die breite Bevölkerung nicht sinnvoll ist, mehr zu untersuchen. Man würde nur in sehr seltenen Fällen noch weitere Erkrankungen aufdecken, andererseits aber die Kosten deutlich in die Höhe treiben.

So weit, so gut. Aber taugt ein solcher Check-up auch für den Sportler? Und vor allem: Taugt er auch für Sie persönlich? Wer intensiv trainiert oder damit beginnen möchte, verlangt viel von seinem Körper und sorgt sich mitunter, ob er seinem Körper die hohen Beanspruchungen ohne Risiko zumuten kann. Ich möchte Ihnen vorstellen, welche Untersuchungen für Läufer richtig und wichtig sind.

Check-ups für Sportler

Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP), die mit ihrer Leitlinie auch wirtschaftliche Aspekte und Wahrscheinlichkeiten abwägen muss, empfiehlt grundsätzlich folgende Untersuchungen für Sportler aller Sportarten:

Sportler < 35 Jahre

Anamnese

internistische und orthopädische körperliche Untersuchung mit Blutdruckmessung

Ruhe-EKG

Sportler > 35 Jahre

Anamnese

internistische und orthopädische körperliche Untersuchung mit Blutdruckmessung

Ruhe-EKG

HDL-Cholesterin-, LDL-Cholesterin-, Blutzuckerwerte

Eine Urinuntersuchung wird, anders als von der gesetzlichen Krankenkasse für den Checkup 35 vorgesehen, von der DGSP in der Sportvorsorgeuntersuchung nicht gefordert. Bei Bedarf empfiehlt die DGSP folgende ergänzende Untersuchungen:

Belastungs-EKG bei Beschwerden (Engegefühl in der Brust, Herzstolpern), bei Männern > 40 Jahre und Frauen > 50 Jahre mit Risikofaktoren und vor intensiven Belastungen, bei allen Menschen > 65 Jahre

Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie) bei asthmatischen Beschwerden

Herzultraschall bei Hinweisen auf eine erbliche Erkrankung (Herz-Kreislauf- bedingte Todesfälle vor dem 60. Lebensjahr in der Verwandtschaft), Beschwerden oder auffälligem EKG-Befund

kleines Blutbild, Ferritinwerte bei Verdacht auf Blutarmut

Schilddrüsenwerte bei hohem Trainingspuls oder Verdacht auf Jodmangel

Typische Risikofaktoren, die zu weiteren Untersuchungen führen sollten, sind:

Übergewicht

großer Bauchumfang (bei Männern über 102 cm, bei Frauen über 88 cm)

Rauchen

hohe Cholesterinwerte

hohe Blutfettwerte

Durchblutungsstörungen (z. B. »Schaufensterkrankheit«)

Zuckerkrankheit (Diabetes)

Herzinfarkte bei Familienmitgliedern

Die Kosten für diese Untersuchungen übernehmen bislang nur wenige gesetzliche Krankenkassen als sogenannte Zusatzleistung. In dem Fall werden dann bis zu 130 Euro von der Krankenkasse erstattet. Der Arzt muss diese Leistungen privat mit dem Patienten abrechnen.

Es braucht also nicht jeder die oben genannten ergänzenden Untersuchungen. Wobei betont werden muss, dass dies wieder eine gesundheitspolitische Aussage ist. Für die einzelne Person kann ein Herzultraschall unter Umständen dazu beitragen, dass eine Herzwandverdickung frühzeitig erkannt wird, die sonst zum plötzlichen Herztod geführt hätte, weil nur in 60 Prozent der Fälle die Warnzeichen bereits im Ruhe-EKG angezeigt werden. Ein Herzultraschall ist aber nach wie vor kein Standard und aus ökonomischen Gründen als Routineuntersuchung umstritten. Bleibt am Ende der gesunde Menschenverstand: Welche Untersuchungen würde ein Sportinternist bei seinen Familienmitgliedern veranlassen, wenn sie mit Ausdauersport beginnen möchten? Meist ist die Antwort wenig leitlinienkonform: Untersuchung, EKG, Belastungs-EKG, Herzultraschall, gegebenenfalls eine große Blutuntersuchung. Der Herzultraschall gibt in so kurzer Zeit so viel Sicherheit, dass auch ich bei meiner Familie nicht darauf verzichten würde. Leitlinie hin oder her.

Wer macht Check-ups?

Interessanterweise gehen Leistungssportler in puncto Check-up mit gutem Beispiel voran: Laut der PACE-Studie1 steigt die Wahrscheinlichkeit, eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch zu nehmen, mit dem Leistungsniveau der Sportler. Dennoch nutzen weniger als 60 Prozent der Leistungssportler die Gelegenheit des Check-ups. Noch magerer sieht es bei den Neu- und Wiedereinsteigern aus: Die meisten laufen einfach drauflos – dabei ist die Untersuchung besonders für die Untrainierten interessant. Überlegen Sie einmal: Bei welchem Auto ergibt eine Inspektion Sinn? Bei dem schnellen, gut geölten, das gut in Schuss ist, oder bei dem eingestaubten, das einige Jahre in der Garage stand?

Aber neben diesen sinnvollen Vorsorgeleistungen wird der Sportler erfahrungsgemäß noch weitere Dinge wissen wollen. Wie groß ist meine Leistungsfähigkeit? Wo liegt mein korrekter Trainingspuls? Zeigen meine Blutwerte einen Vitamin- oder Spurenelementmangel? Und da auch Eisen wichtig für die Blutbildung ist: Wie gut sind meine Eisenwerte? Spätestens hier verlassen wir gänzlich die in den Leitlinien vorgeschlagenen Basisuntersuchungen und benötigen eine Leistungsdiagnostik sowie weitere Blutuntersuchungen.

Wer auf Nummer sicher gehen will oder seine Blutwerte auf versteckte Leistungsreserven (latenter Vitamin- oder Spurenelementmangel bei Vegetariern, Veganern oder Sportlern mit einseitiger Ernährung!) untersuchen lassen möchte, der muss einen großen Check-up bei seinem Arzt durchführen lassen. Dieser sollte idealerweise Folgendes beinhalten:

Anamnese und Erfassung des Risikoprofils (z. B. Rauchen, Übergewicht)

Erfassung des Impfstatus

Messung des Blutdrucks

Blutuntersuchung (Blutbild, Entzündungswerte, Leberwerte, Nierenwerte, Cholesterinwerte, Elektrolyte, Eisenstatus, Dolsäure, Vitamin B12, Vitamin D, Spurenelemente im Vollblut)

Urinuntersuchung auf Eiweiß, Glukose, rote und weiße Blutkörperchen, Nitrit

Ganzkörperuntersuchung

Hautkrebsscreening

Ruhe-EKG

Lungenfunktionstest

Belastungs-EKG mit Spiroergometrie und Laktattest

Bauchultraschall

Herzultraschall (Echo)

Richtig vorbereitet zum Check-up!

Für den Check-up erscheinen Sie bei einer geplanten Blutabnahme bitte morgens nüchtern. Bei geplanter Leistungsdiagnostik sollten Sie sich an den drei Tagen zuvor kohlenhydratreich ernährt haben, da sonst die Laktatwerte falsch (zu niedrig) gemessen werden. Außerdem sollten Sie infektfrei sein und zwei Tage Trainingspause eingelegt haben, sodass Sie ausgeruht erscheinen. Stecken Sie außerdem Ihren Impfpass ein!

Zum Hausarzt, Sportarzt oder Internisten?

Entgegen einer weitverbreiteten Annahme ist der Sportarzt kein Facharzt. Sportarzt darf sich nennen, wer 240 Stunden Theorie und Praxis in unterschiedlichen Themenbereichen absolviert hat, es ist lediglich eine Zusatzbezeichnung neben der Facharztanerkennung. Die meisten Sportärzte sind Allgemeinmediziner, Internisten oder Orthopäden. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Orthopäde keine Vorsorgeuntersuchung für das Herz-Kreislauf-System durchführen kann und dass viele Internisten Schwierigkeiten bekommen, sollen sie orthopädische Probleme beurteilen. Sehr gut ist also der Allgemeinmediziner und Sportarzt für die breit angelegte Vorsorgeuntersuchung aufgestellt, der aber in der Regel keine Herzultraschalluntersuchungen durchführen kann. Dies macht der (Sport-)Internist. Für die Auswahl des Arztes wissen viele Sportler aber längst das Wichtigste: Lieber einen Arzt ohne 240-stündige Sportmedizinfortbildung, der selbst Sport treibt, als einen Nichtsportler, der »Sportarzt« an der Tür stehen hat. Bitte beachten Sie jedoch: Krankenkassen erstatten die Sportvorsorgeuntersuchung nur bei anerkannten Sportärzten.

Eines sei allerdings erwähnt: 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht, denn das medizinische Kuriositätenkabinett hält auch Ursachen für einen plötzlichen Herztod bereit, die man selbst mit dem Herzultraschall nicht sehen kann. Wesentlich ist aber: Dem Risiko für eine der Haupttodesursachen in diesem Land, nämlich die Arterienverkalkung, die zu Herzinfarkt und Schlaganfall führt, können Sie ideal mit Laufen vorbeugen. Machen Sie also einen Sport-Check-up, idealerweise mit Belastungs-EKG und Herzultraschall, und dann starten Sie mit dem Training!

Wie oft sollte man den Check-up wiederholen?

Für Personen unter 35 Jahren sollte der Checkup übrigens alle zwei bis drei Jahre wiederholt werden. Bei Personen über 35 sowie mit mehr als einem Risikofaktor oder Auffälligkeiten steht die Kontrolle bereits nach zwei Jahren an (die gesetzliche Krankenversicherung zahlt ihn allerdings seit 2019 nur alle 3 Jahre). Bei Leistungssportlern und Vorerkrankten wird der Arzt die jährliche Untersuchung empfehlen.

Orthopädischer Nutzen

Sie wissen nun um die internistischen Vorteile des Laufens. Sie freuen sich auf straffe und schlanke Beine, ein leistungsfähiges Herz-Kreislauf-System und erkältungsfreie Winter. Wenn das Laufen doch bloß nicht so schlecht für die Gelenke wäre. Und dann noch diese Gefahr der Arthrose … Vergessen Sie das! Der orthopädische Nutzen des Laufens ist genauso groß wie der internistische.

Schonung schädigt

Richtiges Laufen tut dem Bewegungsapparat und den Gelenken gut! Kaputte Gelenke im Sinne eines wirklichen Gelenkschadens (Arthrose) haben Läufer nämlich in den seltensten Fällen. Die Gelenke eines Läufers sind eher intakt als die geschonten der Nichtläufer. Der Mensch braucht Stoßbelastungen: Der Gelenkknorpel, zum Beispiel in Ihrem Kniegelenk, ist nämlich kein mechanischer Stoßdämpfer wie der eines Autos, der sich in der Tat mit jeder neuen Belastung abnutzt. Ihr Kniegelenkknorpel ist ein lebendiger Stoßdämpfer, er ernährt und regeneriert sich – durch Stöße! Stellen Sie sich den Knorpel wie einen Schwamm vor: Mit jeder rhythmischen Druckbe- und -entlastung saugt er sich mit Gelenkflüssigkeit voll. So kommt er an die für ihn lebensnotwendigen Nährstoffe heran, da ein Knorpel nicht durchblutet ist. Stoßbelastungen sind für gesunde Gelenke also lebensnotwendig! Das gilt auch für diejenigen, die bereits unter einer Arthrose leiden. Schonung dagegen schädigt!

Dennoch: Verletzte Läufer gibt es überall

So unterschiedlich die Probleme im Detail sein mögen, in diesem Punkt sind Läufer ungewollt vereint: Verletzungen pflastern ihren Weg. Medizinische Studien bestätigen diesen Eindruck: 30 bis 50 Prozent der Läufer sind mindestens einmal im Jahr verletzt. Traurigerweise sind Sie also keineswegs allein, wenn die schmerzende Achillessehne wieder einmal das Training vereitelt. Die gute Nachricht ist: Mit den richtigen Tipps können Sie sich das Schicksal ersparen, von Arzt zu Arzt humpeln zu müssen. Um das Problem bei der Wurzel zu packen, lassen Sie uns einen genauen Blick darauf werfen, welche Probleme uns Sportlern die Lust am Laufen rauben können. Akute Verletzungen wie der Beinbruch, die Platzwunde oder der Bänderriss gehören nicht zu den Hauptproblemen des Läufers. Dauerläufer werden meist von chronischen Prozessen heimgesucht, beispielsweise einer Achillessehne, die durch das Lauftraining immer wieder überlastet wird, im täglichen Leben hingegen keinerlei Probleme macht. Meist sind die Schmerzen am Bewegungsapparat tatsächlich auf Sehnenreizungen oder -entzündungen zurückzuführen.

»Stoßbelastungen sind für gesunde Gelenke lebensnotwendig.«

Der Ursache auf den Grund

Betrachten wir die Entstehung einer Laufverletzung einmal mit etwas Abstand: Durch das Lauftraining ist die Belastung des Bewegungsapparates anscheinend größer als die Belastbarkeit, die der Bewegungsapparat unter den gegenwärtigen Bedingungen hergibt. Vereinfacht gesagt hat der Läufer sich beim Training schlicht und ergreifend zu viel zugemutet, vergleichbar mit einer Brücke, die eine Traglast von zwei Tonnen hat und über die Sie mit einem 7,5-Tonner fahren wollen. Ganz klar: Die Brücke stürzt ein. Die Belastung ist größer als die Belastbarkeit. So ist es auch bei unseren Sehnen und Bändern. Wird ihre individuell unterschiedliche Belastbarkeit überschritten, kommt es zur Überlastung. Während die Brücke einstürzt, werden die Sehnen anschwellen und sich entzünden.

Teufelskreis der Läuferverletzung

Symptombekämpfung

Mit ihren Schmerzen humpeln die meisten Läufer zum Arzt, der den Überlastungszustand mit antientzündlichen Medikamenten behandelt: Tabletten, Salben und Spritzen drängen den Reizzustand zurück. Dazu verordnet der Arzt meist eine Laufpause, damit sich das Geschehen beruhigt. So werden Sie in mehr oder weniger kurzer Zeit wieder gesund und schmerzfrei. Die Brücke wurde schnell und dürftig ausgebessert, Sie können sie also wieder benutzen – und starten ins Lauftraining. Damit kehrt die Belastung zurück. Eine Belastung, für die die Belastbarkeit zuvor schon nicht ausgereicht hat – und an der Sie durch die Entzündungsbehandlung auch nichts geändert haben. Auch die notdürftig geflickte Brücke wird unter dem 7,5-Tonner wieder zusammenbrechen – sie ist nach wie vor nur für zwei Tonnen ausgelegt.

Ursachenbekämpfung

Selbst die beste Entzündungstherapie löst unsere Probleme also nicht dauerhaft. Es gibt eine einfache Lösung, wie Ihre Sehne schmerzfrei oder die Brücke ganz bleiben kann: Sie reduzieren die Belastung, laufen also nur noch 20 statt 50 Kilometer pro Woche. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie beschwerdefrei werden, ist groß. Ein probater Lösungsansatz, der Ihnen aber nicht gefällt. Ich weiß – dennoch: Es funktioniert. Weniger Kilometer bedeuten weniger Beschwerden. Wir suchen aber lieber einen anderen Weg. Schließlich wollen Sie einem der schönsten Hobbys der Welt nachgehen. Und einem der gesündesten noch dazu!

Wenn Sie weiterhin 50 statt 20 Kilometer pro Woche laufen wollen, dann bleibt nur diese eine Möglichkeit: Sie müssen die Belastbarkeit erhöhen. Es müssen kräftigere Brückenpfeiler her. Für die Läufer gesprochen: Wenn die Belastbarkeit Ihres Bewegungsapparates größer geworden ist, dann können Sie künftig die Laufbelastung aushalten, ohne dass Ihr Knie schmerzt. Das ist Ihr Ziel! Sie wollen die Belastbarkeit Ihres Körpers erhöhen, ihn fit machen für Ihre Ziele.

Gesund und verletzungsfrei laufen

Dass Freizeitläufern früher oder später das Knie oder die Achillessehne wehtut, kann also leider durchaus passieren. Auch ich lief früher von einer Verletzung in die nächste. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen und meiner medizinischen Ausbildung habe ich mein Konzept entwickelt: Es greift dem orthopädischen Risiko der Läuferverletzung voraus, indem stets Belastbarkeit vor Belastung gesteigert wird. In diesem Buch möchte ich Ihnen dieses Trainingskonzept vorstellen. Sie werden leichter und schneller laufen und dabei belastbar und verletzungsfrei bleiben. Mein Ansatz ist ganzheitlich ausgerichtet, er umfasst weit mehr als eintönige Laufeinheiten. Dazu gehören eine ganze Reihe von Bausteinen, mit denen Sie als Läufer Ihre Form ausbauen und verbessern können – und sollten, damit Sie verletzungsfrei bleiben. Die einzelnen Bausteine, wie zum Beispiel das Trainingssystem oder die Laufschuhversorgung, bauen aufeinander auf und funktionieren nur im Zusammenspiel. Die beste orthopädische Sporteinlage nützt wenig, wenn sie im Laufschuh drückt. Was hilft ein ausgeklügelter Trainingsplan, wenn man sich mit einer schlechten Technik bei jedem Schritt selbst bremst? Was hilft die Tablette vom Arzt, wenn die Sehne sich aufgrund von Fehlbewegungen immer wieder neu entzündet?

Warum können Profis verletzungsfrei laufen und ich nicht?

Profiläufer trainieren bis zu 240 Kilometer pro Woche – ohne Probleme zu bekommen. Keine entzündeten Kniesehnen, keine Bandagen. Das hingegen kennen Sie als Freizeitsportler. Viele Läufer können keine 30 Kilometer in der Woche laufen, weil sie sonst Schmerzen bekommen. Es ist nur logisch, dass da spekuliert wird: Verwenden sie geheime Mittelchen? Haben die Spitzensportler bessere Schuhe? Wo liegt der Trick?

Es tut mir leid: Die Lösung ist relativ einfach, unspektakulär und je nach Betrachtungsweise unter Umständen etwas demotivierend. Es gibt kein Medikament, auch kein illegal erhältliches, das Sehnen belastbarer macht. Im Gegenteil, gedopte Sportler sind eher noch anfälliger für Sehnenentzündungen. Auch das Schuhwerk ist nicht der entscheidende Faktor. Meist sind es Serienmodelle, die gelaufen werden. Allenfalls sind sie auf den Fuß des Profis zugeschnitten, aber die Technologie ist die gleiche. Da hat der Profi Ihnen nichts voraus.

Die Lösung liegt bei den Eltern: Genetik und Talent sind die alles entscheidenden Faktoren. Das Talent, viel laufen zu können und dabei eine hohe Verletzungsresistenz zu behalten. Und die genetische Grundausstattung, die von Mensch zu Mensch verschieden ist. Einige leiden in ihrem Leben nie an einer Nasennebenhöhlenentzündung, andere bekommen sie am laufenden Band. Bei einigen bilden sich schon in jungen Jahren Krampfadern, andere bleiben für immer verschont. Einige laborieren häufiger an einer Achillessehnenentzündung, andere nie.

So einfach? Ja. Zusätzlich findet auf dem Weg an die Spitze eine harte Selektion unter den Sportlern statt. Zunächst einmal bedarf es eines läuferischen Grundtalents. Eliteläufer würden den Marathon aus dem Stand ohne Training in unter drei Stunden absolvieren! Wenn diese Athleten mit dem Training beginnen und bereits bei einem Wochenumfang von 80 Kilometern (so viel bin ich übrigens noch nie gelaufen!) Probleme bekommen, dann sind sie für weitere Kader und Auswahltrainings schon nicht mehr interessant. Der Leistungssport ist ein hartes Geschäft.

Über die Verletzungsresistenz wird weiter gesiebt. Ein Eliteläufer muss 150 bis 250 Kilometer pro Woche vertragen können. Das halten die wenigsten aus. Es entscheidet des Weiteren das Koordinationstalent, also die Fähigkeit, eine effektive, ökonomische Bewegung umzusetzen. In den Wettkämpfen werden dann auch psychische Fähigkeiten wie Durchsetzungsvermögen und Stressresistenz immer wichtiger. Ebenfalls ein entscheidender Faktor ist das Immunsystem. Wer permanent erkältet ist, erreicht nur schwerlich Topleistungen.

Sie sehen: Die Profis haben keinen Trick, sondern sind eine elitäre Auswahl der verletzungsresistentesten und leistungsfähigsten Menschen unserer Zeit. Sie hatten einfach viel Glück mit dem Genpool, den ihre Erzeuger ihnen mitgegeben haben. Kein Grund zu verzweifeln, wenn man nicht dazugehört. Sie werden in diesem Buch vom Know-how der Profis profitieren, denn in jeder professionell betriebenen Sportart werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um einen Vorteil zu erlangen.

Sie haben wahrscheinlich nicht diese genetische Ausstattung und bringen vielleicht nicht ganz so viel Talent mit. Ich auch nicht! Aber statt diese Tatsache als Schicksalsschlag zu betrachten und sich für diese Ungerechtigkeit zu bemitleiden, nehmen Sie die Herausforderung an, Ihre Ausübung des Laufsports zu optimieren. Sie lösen Ihre Probleme und laufen so gut und so leicht wie möglich!

»Die Motivation ist das Zünglein an der Waage. Im Sport setzt man sie manchmal mit geistiger Zähigkeit gleich – wie könnte man sonst die zahlreichen Vorfälle in jeder Saison erklären, bei denen eine Mannschaft eine andere verdientermaßen besiegt, doch ein paar Wochen später vom Verlierer niedergerungen wird? Fast immer schlägt die Motivation das große Talent.«

Norman R. Augustine (* 1935),

amerikanischer Topmanager

»Mein Trainingskonzept lässt Sie das Laufen neu erleben.«

Marquardts Welt: »Laufen Sie eigentlich jeden Tag?«

»Laufen Sie eigentlich jeden Tag?« ist wahrscheinlich die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird. Von Läufern, von Journalisten und von meinen Patienten. Warum eigentlich? Möglicherweise scheint es naheliegend, dass jemand, der ein Thema »lebt«, der so viele Menschen dazu motiviert, der sich seit Jahrzehnten damit beschäftigt, der vielleicht auch sportlich aussieht, ein Extremist in diesem Bereich sein muss. Bin ich aber nicht. Und ganz ehrlich: Ich würde – mal abgesehen von einigen Elitesportlern – niemandem dazu raten, täglich zu laufen. Die orthopädische Erfahrung lehrt, dass das im Hinblick auf Verletzungen oft ins Auge geht. Die internistische Erfahrung lehrt, dass etwas weniger auch ausreicht, um gesund zu bleiben. Die sportwissenschaftliche Erfahrung lehrt, dass man mit so viel Lauftraining nicht schneller wird, sondern oft langsamer, weil die Regenerationszeiten fehlen. Und die soziale Erfahrung lehrt, dass es interessanter ist, sich mit Menschen beim Abendessen zu unterhalten, die noch andere Ideen im Leben haben als nur Laufen.

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn ich betreibe täglich Sport. Mit dem Rad zur Arbeit fängt es an. In der Mittagspause schwimme ich im See. Mit der Familie trifft man mich auf dem Trimm-Dich-Pfad, am Wochenende genieße ich das Rennradfahren. Die Klimmzugstangen hängen im Hausflur und in meiner Praxis. Das tut mir gut, und ich liebe diese Abwechslung. Manchmal bin ich aber vielleicht auch nur neidisch auf die »Täglichläufer«, denn meine Knochen halten das nicht aus. Vielleicht habe ich mich sportlich deshalb zum Mehrkämpfer entwickelt und im Laufen alle Möglichkeiten der Optimierung gesucht. Und wenn die »Täglichläufer« dann eine Alpenüberquerung absolvieren, bin ich etwas wehmütig – und gehe eine Runde schwimmen.

Grundsätzlich gilt also: Vorbeugen ist besser als heilen. Wer sich rechtzeitig mit seiner Lauftechnik, seinem Training und seinem Material befasst, wird dauerhaft Freude am Laufen haben.

Ein leichteres Laufgefühl

Mein Trainingssystem hilft auch ganz besonders denen, die beim Laufen keine Leichtigkeit entwickeln. Kennen Sie das Gefühl, am Boden zu kleben? Laufen ist für viele leider Anstrengung pur, eine Aufgabe, zu der sie sich tagtäglich durchringen müssen. Sie schleppen sich schwerfällig dahin und bewundern die Grazie, mit der andere Läufer an ihnen vorbeifliegen. Ein technisch sauberer Bewegungsablauf ist die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Ausübung einer Sportart – dies gilt für das Rudern, das Schwimmen, das Reiten und auch für das Laufen. Eigentlich selbstverständlich, oder? Beim Laufen wird das nur leider viel zu oft vergessen. Eine gute Technik eröffnet Ihnen neue Horizonte: Sie laufen leichter, lockerer und flüssiger an Ihr Ziel. Gesundheitsschutz und mehr Leichtigkeit lassen sich also ganz elegant miteinander verbinden, ein idealer Bewegungsablauf macht Sie nebenbei sogar schneller. Mit einer effektiven Technik können Sie mehr Kilometer absolvieren, ohne sich dabei zu verletzen.

Jeder einzelne Baustein meines Konzepts wird Ihr persönliches Ziel greifbarer machen – ob es sich um den Einstieg in ein regelmäßiges Training, den ersten Volkslauf, Ihre Marathonpremiere oder die neue Bestzeit handelt. Auf geht’s!

MARQUARDT RUNNING: die Bausteine

Lauftechnik

Erlernen Sie einen ökonomischen und athletischen Laufstil: Mein 4-Punkt-Modell macht Sie zur leichtfüßigen Grazie. Ab jetzt überholen Sie! Kapitel 2

Trainingssteuerung

Methoden zur Trainingssteuerung gibt es so viele wie Läufer im Stadtpark. Ich zeige Ihnen, was sich bei Pulsmessung, Trainingsbereichen und Co. für Sie lohnt. Kapitel 3

Trainingsplanung

Sie wollen zielgerichtet, effektiv und gesund trainieren? Ich erkläre Ihnen, wie! Kapitel 4

Grundlagen des Athletiktrainings

Perfekt ausgebildete motorische Grundeigenschaften: Erfahren Sie, was alles dazugehört! Kapitel 5

Die Trainingspläne

Mit Köpfchen zum Erfolg: Abwechslung, bessere Zeiten und ein sicheres Finish – dieses Trainingssystem ist orthopädisch verträglich und höchst effektiv! Kapitel 6

Wettkampf

Zu einem gesunden und glücklichen Zieleinlauf gehört mehr als ein Glücksbringer und die Zähne zusammenzubeißen: Ob 10 oder 42 Kilometer – ich bereite Sie optimal vor. Kapitel 7

Regeneration

Besser wird nicht, wer am meisten trainiert: Die richtige Mischung aus Belastung und Erholung macht’s! Die Regeln der effektiven Regeneration sollte jeder Läufer beherrschen. Kapitel 8

Laufschuh

Trotz Asphalt und Pflastersteinen: Ihre Füße sollen so natürlich arbeiten wie möglich. Wir finden den idealen Schuh für Sie! Kapitel 9

Bewegungsanalyse

Sie wollen mit dem Laufen beginnen, wissen aber nicht, welchen guten Ratschlägen Sie folgen sollen? Dann lassen Sie sich von einem Profi unter die Lupe nehmen! Kapitel 10

Einlagenversorgung

Manche Probleme bekommt auch ein technisches Meisterwerk wie Ihr Fuß nicht in den Griff. Lernen Sie, wann es sich lohnt zu korrigieren und welche Alternativen Sie haben. Kapitel 11

Laufbekleidung

Moderne Laufkleidung hat so viele Funktionen wie Aufgaben, aber es gibt auch viel Schnickschnack. Was brauchen Sie wirklich? Kapitel 12

Ernährung

Sporternährung ist mehr als Nudeln satt: Eine sportgerechte Ernährung macht Sie leistungsstärker, zufriedener und schlank. Ich zeige Ihnen, was schmeckt! Kapitel 13

Verletzungsmanagement

Verletzungen sind ärgerlich – und vermeidbar. Lernen Sie, sich zu schützen – und zu handeln, sollte es Sie doch erwischt haben. Kapitel 14

»Laufen Sie schneller, leichter und verletzungsfrei.«

Praxistipp

→ Sportgesundheit

Die Canadian Society for Exercise Physiology hat einen Fragebogen2 erstellt, der sich an alle richtet, die ein sportliches Training aufnehmen wollen. Dieser Fragebogen wird von sportärztlichen Verbänden und Organisationen Amerikas empfohlen und in leichter Abwandlung auch in Deutschland angewendet. Wenn Sie älter als 60 Jahre sind, sollten Sie unbedingt einen Arzt konsultieren, bevor sie mit dem Training starten; sind Sie unter 60 Jahre alt, sollten Sie einen Arzt aufsuchen, wenn Sie eine der folgenden sieben Fragen mit Ja beantworten:

 

Ja

Nein

Hat Ihnen jemals ein Arzt gesagt, Sie hätten »etwas am Herzen«, und Ihnen nur unter medizinischer Kontrolle Bewegung und Sport empfohlen?

Hatten Sie in den letzten Monaten Schmerzen in der Brust, in Ruhe oder bei körperlicher Belastung?

Haben Sie Probleme mit der Atmung, in Ruhe oder bei körperlicher Belastung?

Sind Sie jemals wegen Schwindel gestürzt, oder haben Sie schon einmal das Bewusstsein verloren?

Haben Sie Knochen- oder Gelenkprobleme, die sich unter körperlicher Belastung verschlechtern?

Hat Ihnen jemals ein Arzt ein Medikament gegen Bluthochdruck oder wegen eines Herz- oder Atemproblems verschrieben?

Kennen Sie darüber hinaus irgendeinen Grund, warum Sie nicht sportlich aktiv sein sollten?

In Anlehnung an: Canadian Society for Exercise Physiology. 2002. PAR-Q, Physical Activity Readiness Questionnaire der Canadian Society for Exercise Physiology (empfohlen von der American Heart Association und American College of Sports Medicine)

KAPITEL 2

Lauftechnik

Laufen kann jeder?

Der Bewegungsablauf im Detail

Die Armarbeit

Der Rumpf

Die Hüftstreckung

Kniehub, Schrittlänge und -frequenz, Anfersen

Der Fußaufsatz

Das Techniktraining

Praxistipp: Wie gut ist Ihr Laufstil?

Laufen kann jeder?

Sie laufen ungefähr seit Ihrem ersten Lebensjahr. Ihre Vorfahren dazugerechnet, laufen Sie sogar seit Jahrtausenden. Die Beine dienen der Fortbewegung: Seit wir uns von den Bäumen herabgelassen haben, ist Laufen die natürlichste Bewegung der Welt. Ihre Ahnen waren bis zu 40 Kilometer am Tag zu Fuß unterwegs, und kleine Kinder sind auch heute noch den ganzen Tag auf den Beinen – wenn man sie lässt. Wenn Sie doch damit aufgewachsen sind – warum sollten Sie als Erwachsener diese Bewegung nochmals erlernen? Die vermeintliche Natürlichkeit unseres heutigen Laufens in allen Ehren – ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass fast jeder Zweite, der dieses Buch in der Hand hält, durch irgendwelche Verletzungsproblemchen geplagt wird und dafür eine Lösung sucht. Die andere Hälfte wünscht sich wahrscheinlich mehr Leichtigkeit und Effizienz – Laufen soll keine Schinderei sein, sondern Spaß machen. Das sind zwei mehr als berechtigte Gründe, sich mit der Technik des Laufens auseinanderzusetzen – denn ganz so selbstverständlich ist Laufen eben doch nicht.

Laufen im Zivilisationszeitalter

Was für Ihre Vorfahren selbstverständlich war, gilt heute nicht mehr. Die Lebensbedingungen haben sich in den letzten Jahrhunderten rasant gewandelt, besonders im zwanzigsten, und so sehen die täglichen Anforderungen an Erwachsene und Kinder heutzutage ganz anders aus als früher. Die Evolution verläuft in großen Zeitfenstern von Tausenden von Jahren. Bis sich also eine Art an veränderte Umweltbedingungen angepasst hat, muss über viele Generationen eine Selektion der bestangepassten Lebewesen stattgefunden haben. Beim Menschen war das in den letzten Generationen schwierig: Wir wurden mit unserem an Steinzeitbedingungen angepassten Körper über die Felderwirtschaft quasi direkt in unser modernes Computerzeitalter gebeamt. Probleme gibt es nun zuhauf: von der Zuckerkrankheit über den Herzinfarkt und Rückenschmerzen bis hin zu Problemen, mit denen sich Läufer herumschlagen müssen. Hauptverantwortlich für einen empfindlichen und leistungsschwachen Bewegungsapparat ist unser Sitzmobiliar, denn wir sitzen im Prinzip über den ganzen Tag verteilt. Die Anpassungsprozesse an unsere sitzende Grundhaltung sorgen zum Beispiel für eine schwache Gesäßmuskulatur – und das wirkt sich auf Ihre Haltung und Ihren Laufstil aus. Wenn Sie künftig nur noch barfuß laufen, täglich körperliche Arbeit leisten und nur noch zu Fuß unterwegs sind, wenn Sie keine Stühle mehr benutzen und sich in Zukunft ausschließlich auf Waldboden, Rasen und Sand bewegen, dann brauchen Sie nicht weiterzulesen. Dann würde es mit dem Laufen quasi von allein klappen – wie früher. Nur leben Sie eben nicht mehr in einer solchen Welt. Trotzdem wollen Sie Ihre Gelenke nicht durch falsche Bewegungsmuster und Instabilitäten belasten? Ich verstehe das gut und mache Ihnen einen Vorschlag: Machen Sie das ganze Dilemma einfach rückgängig! Kehren Sie zurück zu einem natürlichen Laufstil. Einen Stil, der Ihre Gelenke genau richtig belastet, der Freude an der Bewegung und Athletik vermittelt und der Sie schneller macht.

»Effizienz und Leichtigkeit: Mit der richtigen Technik laufen Sie unbeschwert.«

Jeder läuft anders – einige besser: eine Frage der Technik

Es gibt sehr unterschiedliche Arten, sich laufend fortzubewegen. Ein Blick auf die Jogger in den Stadtparks, auf die Starterfelder der großen Marathons oder Ihren Kollegen beim Lauftreff bestätigt diese Annahme rasch. Sie müssen kein Trainer oder Bewegungsanalyst sein, um den Unterschied zwischen einem Laufprofi und einem Hobbysportler zu erkennen – Sie sehen, wer jahrelang an seinem Bewegungsablauf gefeilt hat und wer vorsichtig seine ersten Runden dreht. Ein gesundes Empfinden für Ästhetik und Bewegungseleganz lässt Sie sofort erkennen, wer gewandt und graziös seinem Ziel entgegenstrebt und wer sich beschwerlich über den Asphalt schleppt. Interessanterweise können Sie dieses Phänomen längst nicht nur beim Laufen beobachten: Schauen Sie doch einmal über den Tellerrand des Laufsports hinüber zu den Schwimmern. Erinnern Sie sich an den letzten Besuch im Hallenbad? Da konnten Sie diverse Leute sehen, die es gelernt haben, sich irgendwie über Wasser zu halten und mühsam ihre Bahnen abzuarbeiten. Vergleichen Sie das Bild doch einmal mit einer Eliteschwimmerin, die durchs Wasser gleitet, statt dagegen anzukämpfen. Sie hat einen perfekten Bewegungsablauf, der sie effektiv und scheinbar mühelos ihre Bahnen ziehen lässt. Mit dieser Leichtigkeit werden Rekorde erzielt – nicht mit brachialer Gewalt.

Für eine gute Technik ist es nie zu spät

Wissen Sie, was mich stört? Wenn mir Läufer vorhalten, sie liefen schon so lange, sie wären schon so alt – jetzt noch etwas an der Lauftechnik zu ändern, das brächte doch nichts! Wie alt sind Golfspieler im Durchschnitt? Wer steht auf dem Übungsplatz und feilt an der richtigen Technik für den Abschlag? Ganz genau: Erwachsene. Golfspieler sind ein Beispiel dafür, dass Anfänger und Fortgeschrittene sich besonders in einem unterscheiden: in ihrer Technik – nicht dagegen durch ihr Alter! Die Driving Range, der Abschlagübungsplatz, ist eigens dafür geschaffen, dass die Neulinge die richtige Technik lernen – bevor sie den Golfplatz überhaupt betreten dürfen! Auch der Tennisspieler ist ein Paradebeispiel dafür, dass man zuerst die Technik erlernt, bevor die ersten Matches bestritten werden. Egal ob Golfer, Schwimmer, Tennisspieler oder Leichtathlet: Anscheinend werden überall Trainer bemüht, den Sportler in der optimierten Technik und im richtigen Bewegungsablauf zu unterrichten.

Trainer haben einen Sinn

Jeder, der eine Sportart ernsthaft betreiben will, sollte einen Trainer konsultieren – und das hat gute Gründe. Zum einen kann man nur mit einer guten Technik eine gewisse Unbeschwertheit in einer Sportart erlangen – die wahre Freude am Sporttreiben! Und wenn Sie kein brillanter Autodidakt sind, verstellen Sie sich ohne technische Grundausbildung von vornherein den Weg, jemals gute Leistungen zu vollbringen. Und es wäre schade, wenn Sie immer allen anderen hinterherliefen, nur weil Sie Ihre Bewegungsfähigkeiten nicht ausschöpften. Nicht zuletzt hat jede Sportart typische Verletzungsmuster, die in erheblichem Ausmaß mit mangelhaften technischen Fähigkeiten zusammenhängen. Den schlechten Schwimmer quält die Schwimmerschulter, den Tennisspieler mit schlechter Schlagtechnik der Tennisarm – den technisch wenig versierten Läufer das Läuferknie. Die gute Nachricht: Unter entsprechender Anleitung und mit etwas Übung ist eine gute Technik leicht zu erlernen.

Lernen Sie laufen!

Halten wir vorerst fest: Bewegungsabläufe können Sie lernen. In jeder Disziplin ist der Mensch in der Lage, neue Techniken und Bewegungsfolgen zu erlernen und umzusetzen – beim Golfen, beim Schwimmen und beim Tennisspielen. Der Verdacht liegt folglich nahe, dass auch die Leichtathleten, die so unbeschwert laufen, einmal diese Technik erlernt haben. Um es zu betonen: Genauso ist es. Sie können lernen, leicht und locker die Laufeinheiten zu genießen, sich alle Leistungsreserven zu erschließen und sich nicht durch das Läuferknie oder ähnliche Zipperlein verärgern zu lassen. Nutzen Sie Ihr ganzes Potenzial, verbessern Sie Ihre Bewegungsmuster – oder glauben Sie, alle Golfspieler vertändeln auf der Driving Range nutzlos ihre Zeit? Natürlich nicht!

Der Bewegungsablauf im Detail

Laufen ist kein schnelles Gehen

Kennen Sie die olympische Disziplin »Gehen«? Die Schiedsrichter, die über die korrekte Technik urteilen sollen, haben es nicht leicht, denn im Wettkampf ist die Grenze nur äußerst schwer auszumachen, die die Gehbewegung von der Laufbewegung unterscheidet: die Flugphase. Für Geher ist sie ein Regelverstoß, für Läufer dagegen ganz wesentlich: Mithilfe der Flugphase, in der beide Füße in der Luft sind, kommen Läufer schneller und leichter vorwärts – für Sie die Möglichkeit, vom Boden abzuheben und ein Stück weit zu fliegen! Laufen ist also – und das ist für die weitere Betrachtung des Themas Lauftechnik wichtig – nicht einfach mit schnellem Gehen gleichzusetzen.

Das Phasenmodell

Um die Laufbewegung analysieren zu können, zerlegen wir den Bewegungsablauf und teilen ihn anhand eines Phasenmodells in verschiedene Phasen ein. Vergegenwärtigen Sie sich zunächst den Ablauf des Gehens: Beim Gehen hat immer mindestens ein Fuß Bodenkontakt, am Anfang und am Ende eines Schrittes berühren sogar kurzzeitig beide Füße den Boden. Wenn Sie gehen, stützt Sie immer ein Bein, während das andere durch die Luft nach vorn zum nächsten Schritt schwingt. Hier kann man also die Unterteilung in eine Stütz- und eine Schwungphase vornehmen. Die Grafik unten veranschaulicht den Bewegungsablauf des Gehens.

Bewegungsablauf beim Gehen

Beim Laufen verhält es sich – wie einführend schon bemerkt – anders als beim Gehen: Während der Laufbewegung ist entweder ein oder kein Fuß auf dem Boden. Laufen ist nämlich eine Aneinanderreihung von Einbeinständen und Flugphasen. Je schneller der Läufer läuft, desto kürzer wird die Einbeinstandphase und umso länger die Flugphase. Aber auch beim Laufen kann man eine Stützund eine Schwungphase ausmachen, beide Phasen lassen sich jeweils in eine vordere und eine hintere unterteilen.1 Noch genauer wird es, wenn man die Stützphase in drei Abschnitte unterteilt: in die Landephase, die eigentliche Stützphase und die Abstoßphase. Ebenso kann man die Schwungphase in drei Abschnitte gliedern: in eine frühe, eine mittlere und eine späte Schwungphase (siehe Grafik unten).2 Die Tabelle rechts fasst den Unterschied zwischen dem Gehen und dem Laufen zusammen – vor allem auf den letzten Punkt, den Fußaufsatz, kommen wir später noch ausführlich zu sprechen.

Das Phasenmodell

STÜTZPHASE

Vordere Stützphase

Hintere Stützphase

Landephase

Der Fuß landet leicht supiniert (also mit der Fußaußenseite) flach auf dem Boden. Der Aufsatz erfolgt dicht vor dem Körperschwerpunkt. Die Muskulatur ist vorgespannt und bereit, das Körpergewicht abzufedern.

Mittelstütz

Der Fuß proniert (er bewegt sich Richtung Fußinnenseite) und hat vollständigen Bodenkontakt. Das gesamte Körpergewicht lastet auf dem Standbein. Das Knie ist in dieser Phase am stärksten gebeugt und belastet.

Abstoßphase

Durch die Streckung im Knie- und Hüftgelenk entwickelt sich die Schrittlänge. Bei hohem Tempo erfolgt bei fast vollständiger Streckung im Hüftgelenk der Abdruck vom Boden.

SCHWUNGPHASE

Hintere Schwungphase

Vordere Schwungphase

Früher Schwung

Die Flugphase beginnt. Das Schwungbein wird in Knie- und Hüftgelenk gebeugt, um den Vorschwung einzuleiten. Es wird dadurch eine kompakte Einheit gebildet, die sich leichter vorwärtsbewegen lässt.

Mittlerer Schwung

Der Unterschenkel folgt der Vorwärtsbewegung des Oberschenkels und stellt sich bei mittlerem Tempo etwa bodenparallel ein, bevor der Fuß dann unter dem Körperschwerpunkt hindurch nach vorn schwingt.

Später Schwung

Der Unterschenkel schwingt am Ende dieser Phase nach vorn (Auspendeln) und wird dann je nach Tempo und technischer Ausbildung kurz vor dem Aufsatz wieder in Richtung Körperschwerpunkt zurückbewegt (Unterschenkelrückschwung).

»Laufen ist wie Fliegen.«

Gehen und Laufen im Vergleich

 

Gehen

Laufen

Phasen

Stütz- und Schwungphase

Stütz- und Schwungphase mit Flugphase

Verhältnis Stütz-/Schwungphase

60/40

50/50 (und kleiner)

Spurbreite

breiter

schmaler

Stoßkräfte (Landung)

das 1- bis 1,5-Fache des Körpergewichts

das 2- bis 3-Fache des Körpergewichts

Stoßkräfte (Abdruck)

das 1- bis 1,5-Fache des Körpergewichts

das 3,5- bis 5-Fache des Körpergewichts

Fußaufsatz

immer mit der Ferse (Rückfuß)

mit dem Vorder-, Mittel- oder Rückfuß

»Je natürlicher Sie laufen wollen, desto flacher berührt Ihr Fuß den Boden.«

Das 4-Punkt-Modell

Das Phasenmodell beschreibt den Bewegungsablauf beim Laufen in der Theorie sehr detailliert. In der Praxis ist es jedoch relativ schwierig, die verschiedenen Phasen voneinander abzugrenzen. Wir wollen es nicht unnötig kompliziert machen – schließlich sollen Sie möglichst schnell mit der Lauftechnik vertraut werden und sich am Laufen erfreuen können. In meinem Bewegungsanalyselabor habe ich deswegen ein alternatives Modell entwickelt, das sich an vier Punkten der Laufbewegung orientiert. Sie müssen also nicht länger auf sechs schwer definierbare Phasen achten, sondern lediglich auf vier Punkte! Die Grafik unten veranschaulicht das 4-Punkt-Modell. Da das Phasen- und das 4-Punkt-Modell ein und denselben Bewegungsablauf beschreiben, gibt es natürlich Überschneidungen zwischen diesen beiden Modellen, vor allem in der Stützphase – dies wird in der Grafik auf der rechten Seite deutlich.

Das 4-Punkt-Modell

STÜTZPHASE

1. Fußaufsatz

Der Oberkörper ist aufgerichtet und nur minimal vorgeneigt. Der Fuß setzt flach auf dem Boden auf, die Fußgewölbe fangen den Stoß ab. Der Unterschenkel steht nahezu senkrecht unter dem leicht gebeugten Knie. Durch die Beugung ist das Knie muskulär gestützt und kann leicht federn – das verringert die Stoßkräfte.

2. Stütz

Knie- und Hüftgelenk des Standbeins fangen das volle Körpergewicht ab. Dabei stabilisiert die Oberschenkelmuskulatur das Knie. Auch der Fuß arbeitet mit: Die muskuläre Spannung sorgt einerseits für Dämpfung, andererseits stützen und führen die gleichen Muskeln den Sprunggelenkbereich. Der Oberkörper ist leicht vorgeneigt.

SCHWUNGPHASE

3. Abdruck

Das stützende Bein streckt sich wieder. Bei hohem Tempo ist in der Endphase die Hüfte so weit wie möglich und das Knie fast gestreckt. So erreicht die Läuferin eine maximale Schrittlänge. Mit einem kräftigen Abdruck aus der Wadenmuskulatur löst sich die Ferse dynamisch vom Boden.

4. Schwung

Nach dem dynamischen Abdruck wird das hintere Schwungbein angehoben. Idealerweise wird es bodenparallel geführt und erleichtert damit den Vorschwung des Oberschenkels. Bei höherem Tempo wird der Unterschenkel über die Waagerechte angehoben.

Das 4-Punkt-Modell im Verhältnis zum Phasenmodell

Unterschiedliche Lauftechniken im Vergleich: der Fußaufsatz

Jetzt wissen Sie, worin der grundlegende Unterschied zwischen dem Laufen und dem Gehen besteht: Beiden Fortbewegungsformen liegen unterschiedliche Bewegungszyklen zugrunde. Auch die Stoßkräfte bei Landung und Abdruck sind beim Laufen deutlich höher als beim Gehen (Seite 35).

Des Weiteren haben Sie einen ersten Blick auf die Lauftechnik werfen können. Ist Ihnen dabei etwas aufgefallen? Es gibt außer der Flugphase nämlich noch einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen dem Gehen und dem Laufen: den Fußaufsatz. Beim Gehen kommen Sie in der Regel mit der Ferse auf dem Boden auf – unsere Modellathletin setzt jedoch mit dem flachen Fuß auf. Warum sie das tut? Weil Laufen kein schnelles Gehen ist – je natürlicher Sie laufen wollen, desto flacher berührt Ihr Fuß den Boden. Abrollen hat etwas mit Gehen, aber wenig mit dem Laufen zu tun.

So individuell jeder Läufer auch sein mag, im Wesentlichen kann man zwischen drei verschiedenen Lauftechniken unterscheiden. Das Augenmerk gilt dabei dem Fußaufsatz: Läufer landen entweder auf dem Vorfuß, dem Mittelfuß oder auf der Ferse. Eine Beschreibung dieser drei verschiedenen Lauftechniken anhand des 4-Punkt-Modells und eine Übersicht über ihre Vor- und Nachteile finden Sie auf der folgenden Doppelseite.

Die Landung auf der Ferse

Was ist dabei, wenn Sie so laufen? Gut, es ist der Stil vieler Laufanfänger, aber ist es nicht vollkommen in Ordnung, auf diese Weise seine Runden zu drehen? Nun, es gibt eine ganze Reihe von Überlegungen und Analysen zum Fersenlauf, die jedoch allesamt theoretischer Natur sind. Um diese besser nachvollziehen zu können, testen Sie am besten selbst – Sie sollen mir gar nicht blind vertrauen, sondern lieber eigene Erfahrungen machen: Ziehen Sie dazu einfach Ihre Schuhe und Socken aus, und hüpfen Sie wie beim Seilspringen auf der Stelle – aber landen Sie dabei auf der Ferse! Der Bewegungsablauf beim Laufen besteht aus Sprüngen, Sie springen vom rechten Bein aufs linke und wieder auf das rechte. Also springen Sie jetzt auch, und setzen Sie den Fuß dabei mit der Ferse auf. Es fährt Ihnen buchstäblich durch Mark und Bein, stimmt’s? Wenn man das Ganze exzessiv durchführt, ist es gerade für den Kopf sehr unangenehm, die Stöße zu ertragen. Das Gehirn ist unser wichtigstes Organ, das es zu schützen gilt, und hierfür hat der Körper einige Maßnahmen parat – wie Sie im nächsten Abschnitt sehen werden.

Die Landung auf dem Vorfuß

Springen Sie nun noch einmal auf der Stelle – aber dieses Mal so, dass es nicht unangenehm ist, einfach, wie Ihr Instinkt es Ihnen sagt. Das geht wunderbar, oder? Achten Sie auf Ihre Füße: Sie stoßen sich mit den Zehen ab und fangen mit dem Fuß den Stoß auch wieder auf. Außerdem sind die Knie immer leicht gebeugt und federn mit. Ganz von allein. Ihr Körper weiß, was ihm guttut. Die Fußgewölbe, die Gelenke und Muskeln, die Bandscheiben, die gebogene Form der Wirbelsäule – gemeinsam federn sie einen großen Teil der Stöße ab. Genial, oder? Eben das passiert beim aktiven Laufen über den Vorfuß: Der Bewegungsapparat dämpft die Stöße und verhindert so aktiv eine schädigende Belastung (mehr dazu ab Seite 64). Allerdings setzt das vollständige Abfedern der Laufbelastung über diese aktiven Strukturen eine ausgezeichnete Athletik voraus, die gerade der Laufeinsteiger nicht immer mitbringt. Und auch für den Geübten ist das Abfedern auf dem Ballen mitunter sehr kräftezehrend (Seite 70).

Landung auf der Ferse

Landung auf dem Vorfuß

Die Landung auf dem Mittelfuß

Einen sinnvollen Kompromiss bietet der Mittelfußlauf, da Sie so die Nachteile des Vorfuß- und Fersenlaufens vermeiden können. Durch den flachen Fußaufsatz mit der Fußaußenkante bei leicht gebeugtem Knie wird die Stoßbelastung sinnvoll abgefedert, ohne die Wadenmuskulatur zu überlasten, da das Fersenbein in der Stützphase – anders als beim Vorfußlaufen – den Boden berührt. Die muskuläre Vorspannung der Unterschenkelmuskulatur durch den flachen Fußaufsatz erhält die Bewegungskontrolle im Knöchelbereich. So laufen Sie sicher. Und so lehre ich es seit vielen Jahren auf meinen Laufseminaren und in der Praxis.

Landung auf dem Mittelfuß

Der Laufschuh – das Problem des modernen Läufers?

Ihre Vorfahren liefen, wie Sie eben gesprungen sind: barfuß. Keine hochtechnologisierten Produkte der Schuhindustrie, sondern nur ein dünnes Leder schützte den Fuß. Um es an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen: Auch ich laufe in Schuhen. Ich will den Fortschritt nicht schlechtreden, sondern zu bedenken geben, dass sich die Natur nicht so einfach austricksen lässt. Schließlich kannte der Mensch bis vor wenigen hundert Jahren keine versiegelten Flächen, es gab keine asphaltierten Straßen, sondern Sand, Gras und Waldwege. Diese Wege waren weich – heute dagegen sind wir nur noch auf glatten, steinharten Flächen unterwegs, egal ob in der Wohnung, auf dem Fußweg oder bei der Arbeit. Beton, Asphalt, Estrich – unsere Füße bewegen sich plötzlich auf völlig unnatürlichen Bodenbelägen. Noch schwerer wiegt, dass wir uns ausschließlich in Schuhen fortbewegen. Schuhe, die unsere Füße einerseits schützen sollen, sie aber andererseits auch einzwängen und ihre natürliche Greiffunktion behindern. Das größte Problem des modernen Läufers ist wohl der Schuh! Hätten Sie das gedacht?

Der Körperschwerpunkt

Der Körperschwerpunkt ist ein fiktiver Punkt, der das schwerkraftbezogene Zentrum Ihres Körpers darstellt. An diesem Punkt angreifende externe Kräfte können die Rotationsbewegung des Körpers nicht beeinflussen, weil im Schwerpunkt der Hebelarm fehlt – dadurch kann kein zusätzliches Drehmoment ausgeübt werden.

Je nach Haltung variiert Ihr Körperschwerpunkt: Wenn Sie stehen, liegt er ungefähr auf Höhe des zwölften Brustwirbelkörpers, kurz vor der Wirbelsäule. Beugen Sie Ihren Oberkörper leicht nach vorn wie beim Laufen, so verlagert sich auch Ihr Körperschwerpunkt nach vorn. Übrigens: Bei extremen Bewegungen kann der Körperschwerpunkt sogar außerhalb des Körpers liegen: Wenn Sie sich beim sogenannten Fosbury-Flop im Hochsprung über die Latte herumbiegen, liegt ihr Körperschwerpunkt einige Zentimeter unterhalb der Latte.

Die Lauftechniken im Vergleich

DER VORFUSSLAUF

1. Aufsatz

Landung auf dem Vorfuß

Der Unterschenkel steht senkrecht oder holt noch leicht von vorn aus (Unterschenkelrückschwung).

Das Knie ist leicht gebeugt.