Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Hand aufs Herz: Manche Herausforderungen des Lebens liegen einem wie ein Stein im Magen. Anderes geht uns eher an die Nieren. Hin und wieder läuft uns auch munter eine Laus über die Leber. Kein Wunder, wenn da hin und wieder die Galle übergeht … Unsere Organe sind weit mehr als physiologische Funktionseinheiten. Sie fühlen, sie sprechen, sie haben klare Botschaften an uns. Verstehen wir diese, dann haben wir den Schlüssel zu mehr Gesundheit, Vitalität und Lebensfreude in der Hand. Dieses Buch versteht sich als Dolmetscher der Körpersprache und als Reisebegleiter in die faszinierende Welt der Organe.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Die Leber und die Laus
Was unsere Organe zu sagen haben
Mike Mandl
Impressum
Haftung: Alle Angaben in diesem Buch basieren auf sorgfältiger Auswertung der Recherchen und Erfahrungen der Autoren und Autorinnen. Weder die Verfasser und Verfasserinnen noch der Verlag können für Angaben über Dosis und Wirkung Gewähr übernehmen. Es bleibt in der alleinigen Verantwortung der Leserinnen und Leser, diese Angaben einer eigenen Prüfung zu unterziehen. Auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen wird ausdrücklich hingewiesen.
Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, des Vortrags, der Radio-und Fernsehsendung und der Verfilmung sowie jeder Art der fotomechanischen Wiedergabe, der Telefonübertragung und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und Verwendung in Computerprogrammen, auch auszugsweise, sind vorbehalten. Die Nutzung im Rahmen von Lehrveranstaltungen, Vorträgen und Publikationen ist auszugsweise unter Angabe der Quelle (Autoren und Autorinnen, Titel) erlaubt und erwünscht. Jede weitergehende Nutzung, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen bedarf der schriftlichen Genehmigung der Autoren und Autorinnen. (Anfrage unter [email protected])
© Bacopa Verlag
4521 Schiedlberg/Austria
Telefon: +43(0)7251-22235
E-Mail: [email protected], [email protected]
www.bacopa-verlag.at/ www.bacopa.at
Cover: Bia Grabner
E-Book Layout und Satz: Christiana König
ISBN 9783991141037
1. Auflage 2025
Inhalt
Impressum
Die Sprache der Organe
Dieses Buch ist für …
Herzlich willkommen zu Teil I
Die Henne oder das Ei?
Eine Frage der Energie
Warum werden wir krank?
Die Lebensaufgaben der Organe
FAQs (frequently asked questions) oder: Wie Du am meisten von diesem Buch profitieren kannst
Herzlich willkommen zu Teil II
Die Frühlingsorgane Leber und Gallenblase
DIE LEBER
DIE GALLENBLASE
Die Sommerorgane Herz und Dünndarm
DAS HERZ
DER DÜNNDARM
Die Spätsommerorgane Milz und Magen
DIE MILZ
DER MAGEN
Die Herbstorgane Lunge und Dickdarm
DIE LUNGE
DER DICKDARM
Die Winterorgane Niere und Blase
DIE NIERE
DIE BLASE
Symptomindex
Über den Autor und Mitwirkende
Weitere Werke von Mike Mandl im Bacopa Verlag
Dank an meine Organe:
Ihr schenkt mir Leben und Erleben. Ihr unterstützt und begleitet mich. Ihr gebt mir Botschaften und Aufgaben. Ihr seid einfach da für mich.
Dank an meine Familie:
Linde, Klaus, Andrea, Kirsten, Malia, Phoenix, Ronja
Dank an meine Weggefährt:innen:
Gemeinsamkeit verbindet.
Danke all meinen Lehrer:innen und Klient:innen:
Ihr ermöglicht mir, das zu tun, was ich von Herzen liebe. Ihr macht die Materie lebendig und beweist Tag für Tag, was für eine Kraft, Tiefe und Wahrheit die Traditionelle Chinesische Medizin birgt.
Die Sprache der Organe
Unsere Organe sind ganz schöne Plaudertaschen. Mehr oder weniger ohne Pause kommunizieren sie miteinander. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. Vom ersten bis zum letzten Atemzug. Unsere Organe tauschen permanent eine unvorstellbare Fülle an Informationen aus, sie stimmen sich kontinuierlich aufeinander ab, in kleinsten Nuancen wie im großen Ganzen. Im Körper redet jeder mit jedem und es gibt viel zu erzählen. Unsere Körpersprache ist die meistgesprochene Sprache der Welt und setzt sich aus Nervenimpulsen, Botenstoffen und Hormonen zusammen. Das klar erklärte Ziel dieses munteren Gesprächsreigens: Unsere Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten, für Gesundheit und Vitalität zu sorgen, Krankheiten zu vermeiden.
Die Sprache des Körpers ist allerdings eine Sprache, die nicht nur der organinternen Kommunikation dient, sie spricht auch direkt zu uns, zu unserer Zentrale: unserem Bewusstsein. Sie hat Botschaften an uns als gesamte Person. Wir haben jedoch verlernt, auf diese zu hören. Erst, wenn die Lautstärke unangenehm und aufdringlich geworden ist, fällt uns auf, dass uns unsere Organe schon die längste Zeit äußerst wichtige und ernst zu nehmende Informationen übermitteln wollten. Dass sie uns dringend wissen lassen wollten, dass irgendwo irgendetwas nicht stimmt. Dass das ebenso sensible wie dynamische Gleichgewicht unseres Gesamtsystems drauf und dran ist zu kippen, sprich Handlungsbedarf, jetzt! Wir mögen uns gegenüber diesen Aufforderungen vielleicht taub stellen, es gilt jedoch: Wer nicht hören will, muss fühlen. Und das tun wir dann auch. Früher oder später. Wir fühlen die Konsequenzen der Ignoranz gegenüber unserer Körpersprache in Form von leichten bis aufdringlichen Beschwerden: Dann sind wir auf einmal knochenmüde oder antriebslos, dann hängt die Immunität über Wochen schwer in den Seilen. Erkältungen geben sich munter die Klinke in die Hand. Oder die Verdauung spielt nach jedem Essen, nach jedem Ärger, nach jedem Kaffee, nach jeder Zigarette verrückt. Vielleicht ist auch ein hinterlistiges Kopfweh drauf und dran, uns beherzt den Schädel zu sprengen, während der Tinnitus genauso fröhlich wie laut den Marsch der Verzweiflung dazu pfeift. Im schlimmsten Fall werden wir mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen konfrontiert.
Zuerst war da nur ein leichtes Druckgefühl im Bauch. Vielleicht auch vermehrtes Aufstoßen. Eine kleine Vorwarnung. Ein Schuss vor den Bug. Ändern wir jedoch trotz der vorhandenen Signale nicht und nicht den Kurs, dann kann es sein, dass uns plötzlich eine ausgewachsene Gastritis plagt. Die Rechnung liegt nun auf dem Tisch. Deutlich und mit Nachdruck. Oder: Das Herz darf natürlich hin und wieder einmal rasen, im Brustkorb kann es schnell einmal eng werden, das kann passieren, wenn uns der Stress im Würgegriff hat, das kann man übergehen. Einmal? Zweimal? Dreimal? Bremsen wir uns aber nicht rechtzeitig ein, ändern wir trotz des nicht zu ignorierenden Klopfens unseren Lebensstil keinen Millimeter, bleiben wir hartnäckig und starrköpfig am Gaspedal, dürfen wir uns dann wirklich wundern, wenn der alles entscheidende Motor irgendwann einmal stolpert und von selber stehen bleibt? Mit Hochgeschwindigkeit in den Kolbenreiber, weil man das schleifende Geräusch des zentralen Antriebssystems lange Zeit nicht ernst genug genommen hat.
Klar, die verzweifelten Hilferufe aus dem Körper bleiben im omnipräsenten Lärm des Alltags und im Strudel der immer schneller werdenden Anforderungen des Lebens zu oft unter dem Radar der Wahrnehmung. Manchmal ist es dann einfach zu spät. Wir haben’s Dir ja gesagt, sagen die Organe. Wir haben’s leider nicht gehört, sagen wir. Wir können das ändern, sage ich.
Wobei: Das sage nicht nur ich, das sagt vor allem auch die Medizin in aller Deutlichkeit und Dringlichkeit. Ein Zwicken hier, ein Zwacken dort, das sollte man sich unbedingt anschauen lassen. Besser heute als morgen. Vorsorge statt Sorge. Ist logisch. Macht Sinn. Das ist die eine Ebene, die der physischen Gesundheit. Die andere? Organe melden sich nicht nur dann zu Wort, wenn im Bereich der körperlichen Prozesse etwas zu entgleisen droht. Sie melden sich auch und vor allem dann, wenn es uns nicht gut geht. Emotional, geistig, spirituell. Wenn uns im Leben etwas Entscheidendes fehlt. Leichtigkeit zum Beispiel. Oder Sinn. Oder Erfüllung. Wenn wir in Summe weit davon entfernt sind, unser Potenzial als Mensch zu entfalten, um dieses freudvoll ins Leben einzubringen. Wenn es um Gesundheit im ganzheitlichen Sinn geht: um ein Wohlfühlen und ein Wachstum auf allen Ebenen. Um Zufriedenheit und Glück. Was fehlt uns dazu?
Ja, was fehlt Dir eigentlich? Was fehlt Dir wirklich? Das können uns unsere Organe sagen. Wenn wir lernen, ihnen zuzuhören. Wenn wir lernen, sie zu verstehen. Wenn wir lernen, uns selber zu verstehen. Denn die Sprache der Organe – die Nervenimpulse, Botenstoffe und Hormone – beeinflusst nicht nur unsere Gesundheit, sondern genauso unser Fühlen, unser Denken, unser gesamtes Sein – wie dieses wiederum die Organe beeinflusst.
Zwischen Körper und Geist findet eine permanente Kommunikation statt. Zwischen unten und oben. Zwischen oben und unten. Dieses Buch versteht sich als Dolmetscher und Coach, um den Austausch mit und die Beziehung zu unseren Organen zu optimieren und sie nicht nur als in der Dunkelheit des Brustkorbs und der Abgeschiedenheit des Bauchbereichs stur vor sich hin werkende physiologische Funktionseinheiten zu sehen. Das ist zwar ein wesentlicher Aspekt von Organen, aber Organe sind weit mehr als das. Sie haben Gefühle. Sie haben Meinungen. Sie stehen direkt mit unserem Leben in seiner Gesamtheit in Verbindung. Sie können ein Gradmesser und ein Spiegel dafür sein, wie wir wirklich im Leben stehen und welche Aufgaben wir zu bewältigen haben.
Wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen, dann werden wir feststellen, dass unsere Organe wertvolle und weise Botschafter:innen sind, die uns nicht nur darauf hinweisen, wenn wir in Bezug auf unseren Lebensstil etwas falsch gemacht haben, sondern auch, welchen Weg wir in Bezug auf unser Verhalten, in Bezug auf unsere Geisteshaltung einschlagen sollten, um wahre Gesundheit auf allen Ebenen zu finden. Sie können klare und liebevolle Wegweiser sein, die uns über allfällige Hürden hinweghelfen und lästige Hindernisse beseitigen. Sie können wesentlich dazu beitragen, unsere Existenz in all ihren Facetten zu meistern. Sie ermöglichen uns den Sprung vom nackten Überleben zum erfüllten (Er-)Leben. Ein äußerst spannendes Abenteuer, zu dem ich Dich ganz herzlich einladen möchte.
Mike Mandl
Dieses Buch ist für …
… alle, die gerne mehr Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen wollen.
Wie so oft merken wir den Wert einer Sache erst dann, wenn sie uns abhanden kommt. Das trifft vor allem auf die Gesundheit zu, von der es nicht zu Unrecht heißt, dass sie unser höchstes Gut ist. Was tust Du, um Dir Deine Gesundheit zu erhalten? Was tust Du, um Deine Gesundheit zu verbessern? Denn Gesundheit ist nicht bloß die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist ein Zustand von umfassendem Wohlbefinden. Gesundheit ist, wenn Du gut drauf bist. Gesundheit ist, wenn Du viel Energie hast. Wenn Du untertags fokussiert und konzentriert Deinen Tätigkeiten nachgehen kannst. Wenn Dein Schlaf tief und erholsam ist. Wenn Du zufrieden mit Dir und Deinem Leben bist. Wenn Du Glück in Deinen Beziehungen findest. Wenn Deine Sexualität erfüllend ist. Wenn Du Spaß im Beruf hast. Wenn Dein Beruf Deine Berufung ist. Wenn Du als Mensch wächst und kontinuierlich eine bessere Version Deiner selbst wirst.
Das alles zählt zur Gesundheit. Wie auch das Vermeiden von schweren Krankheiten im hohen Alter und die Verlängerung der aktiven Lebensspanne. Wie können wir uns diesem Zustand annähern? Und warum tun wir meist erst dann etwas, wenn Handlungsbedarf besteht, sprich Gebrechen an die Tür klopfen?
Klar, es gibt die großen Klassiker: Bewegung ist wichtig, Ernährung ist wichtig. Das Vermeiden von schädigenden Verhaltensweisen sowieso. Es gibt aber viele Leute, die beim Essen alles richtig machen, die keinen Food-Trend auslassen, die ihren Körper regelmäßig nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft trainieren, die der Verlockung von Süchten konsequent widerstehen können … und trotzdem so wirken, als würde eine übermotivierte Laus im Dauerlauf über ihre Leber traben. Umgekehrt gibt es Menschen, die scheinen alles falsch zu machen, sehen dabei aber so aus, als wären sie der Inbegriff des blühenden Lebens. Es gibt ihn nicht, den einen Schlüssel zur Gesundheit. Gesundheit ist ein ganzheitlicher Zustand, der Körper, Geist und Gefühle integriert. Und unsere Organe sind die Schnittstelle dieser Dreifaltigkeit des Wohlbefindens. Sie können uns nicht nur warnen, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht. Sie können uns auch mitteilen, was uns genau fehlt, um einen Zustand umfassender physischer und psychischer Zufriedenheit zu erlangen. Dieses Buch will Dir die wichtigsten dieser Botschaften mit auf Deinen Weg geben.
… alle, die ihren Körper besser verstehen wollen.
Es gibt einen großen Formenkreis an Beschwerden, die mit keinen klaren Ursachen in Verbindung gebracht werden können. Trotzdem sind sie da. Sie können sogar ausgesprochen lästig sein und unseren Alltag und unser Wohlbefinden empfindlich stören. In der Medizin spricht man von somatoformen Störungen. Der Zustand unseres Geistes und der Zustand unserer Gefühle drückt sich über unseren Körper aus und hat einen direkten Einfluss auf das sensible Gleichgewicht unserer Organe. Wir somatisieren („verkörperlichen“) unser wahres Befinden. Unser Körper zeigt dieses an. Wir verfrachten unseren Frust, unseren Ärger, unsere Angst, unseren Stress unsere Trauer und sonstige Lebensunzufriedenheiten in den Keller und lassen sie dort rumoren. Das kann uns auf den Magen schlagen. An die Nieren gehen. Die Galle hochkommen lassen. Das Herz einschnüren. Uns die Luft nehmen. Verstehen wir die Sprache der Organe, kann uns das helfen zu erkennen, worum es bei den jeweiligen Beschwerden wirklich geht. Denn erst wenn die Psyche heil ist, kann das auch die Physis werden.
Andererseits empfiehlt sich auch bei Krankheiten, die nicht psychosomatischer Natur sind, Gewohnheiten und Lebensstil zu hinterfragen und wo nötig zu verändern, denn Gesundheit ist ein multidimensionaler Zustand und gerade bei großen Herausforderungen sollte nichts unversucht bleiben, was Hilfe und Linderung bringen könnte. Die Sprache der Organe kann uns verdeutlichen, welche Verhaltensweisen einen direkten Bezug zu welchem Organ haben und wie sie dieses beeinflussen – zu dessen und damit unserem Nachteil oder bestmöglich unterstützend. Krankheiten gehören nicht einfach nur bekämpft. Wir sollten uns auch die Mühe geben, zwischen den Zeilen lesen zu lernen, um unseren Körper und seine Beschwerden bestmöglich zu verstehen.
… Therapeut:innen aller Stilrichtungen.
Ob Psychotherapeut:in oder Mediziner:in, ob Masseur:in oder Akupunkteur:in – ich lade Dich ein, mit mir gemeinsam die vielen spannenden Zusammenhänge zwischen Organfunktionen und psychologischen Aspekten zu erforschen. Das Verstehen dieser Zusammenhänge kann die therapeutische Arbeit vertiefen oder zu neuen Lösungsansätzen führen. Die Basis für dieses Verstehen liefert der Wissensschatz der Traditionellen Chinesischen Medizin. Ja. Manches davon mag chinesisch erscheinen. Aber gib Dir einfach einen Ruck. Sei neugierig. Beobachte. Es lohnt sich …
Herzlich willkommen zu Teil I
Dieser erste von zwei Teilen macht Dich mit ein paar Grundlagen vertraut, die Dir zu einem besseren Verständnis der Sprache der Organe verhelfen. Hier geht es um Psychosomatik, um Somatopsychologie, um Gesundheit und Krankheit aus dem Blickwinkel der Traditionellen Chinesischen Medizin, meinem Hintergrund. Diese Grundlagen bieten Dir Erklärungsmodelle: Warum ein Organ weit mehr ist als eine abgegrenzte physiologische Funktionseinheit; dass es viele plausible Zusammenhänge zwischen Körper und Geist gibt, auch im wissenschaftlichen Sinn. Zusätzlich werden wir uns uns Begriffen annähern, die dem Verständnis dienen, zum Beispiel Qi, der Lebensenergie.
Teil I bietet Dir also Hintergrundinformation. Du kannst aber gerne direkt mit Teil II beginnen, in dem jedes Organ einzeln mit seinen Botschaften vorstellt wird.
Die Henne oder das Ei?
Fast alle traditionellen Medizinsysteme gehen davon aus, dass es eine enge Verbindung zwischen unserem Geist, unseren Gefühlen und unserer Gesundheit gibt. Dieser Zusammenhang wird vermehrt durch wissenschaftliche Erkenntnisse gedeckt und spielt auch in der modernen Heilkunst eine immer bedeutendere Rolle. Man spricht hierbei von Psychosomatik – dem Einfluss der Psyche auf den Körper – bzw. von Somatopsychologie, dem Einfluss des Körpers auf die Psyche. Unser Denken und unser Seelenleben haben eine direkte Auswirkung auf das ebenso sensitive wie dynamische Gleichgewicht unseres Körpersystems und auf viele wesentliche Organfunktionen – und umgekehrt. Wir somatisieren unseren mentalen und emotionalen Zustand. Wir drücken auf physischer Ebene aus, wie es uns wirklich geht. Ein paar klassische Beispiele diesbezüglich: der nervöse Durchfall vor einer herausfordernden Prüfung. Übelkeit bis hin zum Erbrechen vor einer wichtigen Geschäftsbesprechung. Die überaktive Blase vor einem vielversprechenden Date. Der Stress, der gerne im Nacken sitzt.
Bei diesen Zuständen lässt sich der Zusammenhang zwischen Kopf und Körper leicht und direkt nachvollziehen und die Beschwerden sind meist nur temporär. Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum an chronischen Krankheitsbildern, bei denen eine physiologische Ursache gänzlich ausgeschlossen werden oder eine vorliegende Erkrankung nicht das Ausmaß der damit einhergehenden Beschwerden erklären kann. Diese Krankheitsbilder werden als somatoforme Störungen bezeichnet. Das können Herzprobleme sein oder Tinnitus. Rückenschmerzen oder Reizdarm. Schwindel oder Fibromyalgie (eine chronische Schmerzerkrankung verbunden mit Schlafstörungen und Erschöpfung). Menstruationsbeschwerden oder Erektionsprobleme. Hinter all diesen Symptomen können belastende Lebensereignisse als Ursache stehen. Ob Trennungen, Jobverlust oder Trauma. Ob soziale Konfliktsituationen wie Mobbing oder Machtkampf. Ob hervorgerufen durch schwierig zu bewältigende Umstände in der Kindheit oder in den frühen Lebensphasen. Aber auch Orts- oder Lebensabschnittswechsel – wie der Auszug aus dem Elternhaus, der Umzug in ein anderes Land oder der Eintritt in den Ruhestand – können uns derart durcheinander rütteln, dass unsere Organe verzweifelt um Hilfe zu schreien beginnen.
Ein stummer Schrei, der im Inneren der Eingeweide verhallt und dort zu rumoren beginnt. Ein Schrei, der oft erst Jahre später gehört und daher nicht mehr direkt mit den Beschwerden in Verbindung gebracht wird. Ein Schrei, der uns zeigen soll, dass etwas nicht stimmt, dass wir unser seelisches Gleichgewicht verloren haben. Ein Schrei, der uns einlädt, etwas in unserem Leben zu verändern, etwas, das wir so oder so schon lange hätten ändern sollen, weil dieses Etwas unser Tun und unser Denken negativ beeinflusst und uns krank gemacht hat. Den Blick hier rein auf die Symptome zu richten, geht am Wesentlichen vorbei. Sicher: Ein körperliches Symptom soll und darf nicht ignoriert werden. Die reine Behandlung der Beschwerden wäre bei somatoformen Störungen allerdings so, als würde man im Auto die Alarm signalisierende Ölleuchte in der Anzeige wegdrücken, ohne das fehlende Öl nachzufüllen. Sprich: Problem „gelöst“, aus den Augen, aus dem Sinn. Das Problem verbirgt sich jedoch an einer anderen Stelle. Das Problem ist der Ölmangel. Die Leuchte zeigt diesen nur an. Wir sprechen von Ursache und Warnhinweis. Der Hinweis zeigt uns den Weg in Richtung Ursache. Dort ist die eigentliche Lösung zu finden. Dort sollte die Therapie ansetzen.
Volksmedizin und Volksmund
Die Diagnose von somatoformen Störungen und die Suche nach ihren Auslösern ist jedoch nicht so einfach wie die Sache mit dem Öl. Zumindest für die moderne Medizin. Das ist keine Kritik. Das hat sich so ergeben. Die Spezialisierung der Medizin auf den Körper hat uns eine Fülle an unfassbaren Fortschritten, wertvollen Erkenntnissen, ein noch nie gehabtes technisches Diagnoseniveau und ein breites Behandlungsspektrum selbst für die schwierigsten Krankheiten beschert; die Einheit Mensch und die vielen Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und der Umwelt sind dabei jedoch in den Hintergrund geraten. Wir haben die Medizin für das Körperliche. Und die Psychotherapie für das Seelische. Beide Disziplinen leisten in ihren Fachgebieten Großartiges, teils vollbringen sie nicht für möglich gehaltene Wunder. Somatoforme Beschwerden sind aber nicht eindeutig auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich bei diesen um das Ergebnis eines komplexen Wechselspiels verschiedener biologischer, psychischer und sozialer Faktoren.
Die stetige Zunahme nicht organischer Erkrankungen zeigt an, dass es Zeit für einen neuen Zugang ist. Es braucht einen Paradigmenwechsel. Es täte Mediziner:innen gut, mehr psychologisch zu denken. Und es täte Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen gut, mehr medizinisch zu denken. Ganzheitlichkeit ist viel mehr als ein Modewort, das gerne zu Marketingzwecken eingesetzt wird. Ganzheitlichkeit ist eine immer dringender werdende Notwendigkeit in Bezug auf unser Menschenbild. In der Ganzheitlichkeit liegt das Potenzial der medizinischen Zukunft, wenn es um das umfassende Erfassen von Krankheitsbildern geht. Ganzheitlichkeit sollte sich auch in der Therapie durchsetzen. Die Strategie sollte Körper, Geist und Seele miteinbeziehen und auch das Beziehungsnetzwerk. Die berufliche Situation. Die Umweltfaktoren. Den Lebensabschnitt. Die Ernährung. Dorthin soll die Reise gehen. Aber Ganzheitlichkeit ist nicht nur die Zukunft. Ganzheitlichkeit war schon in der Vergangenheit. Von dieser könnten wir lernen und uns inspirieren lassen, um unnötige Umwege und Sackgassen zu vermeiden. Traditionelle Medizinsysteme haben die Trennung zwischen Psyche und Soma nie wirklich vollzogen und bieten daher wesentlich vernetztere Denkweisen an, um Störungen der Gesamtheit Mensch zu erfassen, zu deuten und zu behandeln.
Dieses Angebot liefert unser Volksmund übrigens auch. Der spricht immer noch die Sprache der Organe. In unsicheren Lebenssituationen oder bei großer Aufregung passiert es schnell einmal, dass uns „das Herz bis zum Hals schlägt“ und es uns den „Brustkorb zusammenschnürt“. Das führt unter Umständen zu Herzrhythmusstörungen, Beklemmungszuständen und Atemnot. Eine große emotionale Belastung kann „schwer zu verdauen sein“, uns lange „wie ein Stein im Magen liegen“ und diesen wie auch den Rest des Darmes überlasten. Die Gastritis lässt grüßen. Wer so viel zu tun hat, dass „er den Boden unter den Füßen verliert“ und wem vor lauter Arbeit oder anderweitigen Herausforderungen „schon ganz schwindelig“ wird, sollte sich über Gleichgewichtsstörungen nicht ernsthaft wundern. Du „kannst das alles nicht mehr hören“? Obacht! Dann lauert möglicherweise das Ohrensausen hinter der nächsten Lebenskreuzung. Und die Schwerhörigkeit am Ende des Wegs. Findest Du diese ganzen gut gemeinten Ratschläge „zum Kotzen“? Ich hoffe nicht, denn traditionelle Medizinsysteme und der Volksmund sehen Zusammenhänge in der Einheit Mensch, die wir leider nicht mehr ernst genug nehmen, obwohl wir sie tagtäglich am eigenen Leib erfahren können.
Psychosomatik: Die Schwierigkeit des Einfachen
Der Körper spricht bei all diesen Beispielen in Form von Symptomen zu uns und seine Botschaften sind genauso simpel wie klar. Und genau das ist das Problem: Weil das Einfache oft das Schwierigste ist. Das Einfache: Die Zusammenhänge zwischen Psyche und Physis sind offensichtlich und halten jeder Überprüfung in der Praxis stand. Das Schwierige: Diese Zusammenhänge wirken zu aufgelegt, zu banal oder stehen unter akutem Esoterik-Verdacht. Das Einfache ist oft schwer zu glauben. Warum eigentlich? Wir hätten die Lösungen für viele Probleme selber in der Hand. Wir müssten uns dafür „nur“ verändern. Und das ist natürlich das Allerschwierigste. Dann schon lieber Flucht vor der Selbstverantwortung und eine Behandlung von außen. Lieber die Öllampe wegdrücken als das Öl wechseln. Wer will sich schon die Finger schmutzig machen?
Geht es um Gesundheit und Krankheit, dann sollte man Symptome klarerweise niemals „auf die leichte Schulter nehmen“. Allerdings sollte man endlich und ehrlich anerkennen, dass eine gute Therapie sowohl bei der Suche nach den Ursachen einer Krankheit als auch bei der Suche nach der besten Lösungsstrategie das Verhalten und den Lebensstil der jeweiligen Person unbedingt in Betracht ziehen sollte. Es gilt, die entsprechenden Lektionen unseres Körpers zu lernen, die entsprechenden Handlungen zu setzen. Weil das Bisherige ein wesentlicher Begleitumstand oder sogar der direkte Auslöser für den jetzigen Zustand war und ist, kann nur eine genauso aktive wie bewusste Veränderung etwas daran ändern. Lernen wir, Nein zu sagen, lernen wir, nicht alles persönlich zu nehmen, hören wir auf, unseren Wert allein über unsere Leistungsfähigkeit zu definieren und Lebenssinn mit Konsum oder Erfolg mit Status gleichzusetzen.
Stress, Frust, Ärger: weg damit. Lassen wir das Selbstmitleid sein und hören wir auf, uns als Opfer zu fühlen. Entledigen wir uns destruktiver Verhaltensweisen, zu denen ein Übermaß an Zucker genauso gehört wie starkes Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum oder der verzweifelte Kampf um Aufmerksamkeit um jeden Preis. Je nachdem, welches Organ uns welche Botschaft zurückmeldet. Der Körper sendet uns wertvolle Einladungen zu überfälligen Kursänderungen in den Bereichen unseres Denkens, unseres Fühlens und unseres Handelns und wir sollten diese Einladungen dankbar annehmen, weil sie uns helfen können, umfassende Gesundheit zu erlangen: körperliches, emotionales, geistiges und soziales Wohlbefinden. So viel zur Psychosomatik und den somatoformen Erkrankungen.
Was ist nun die Somatopsychologie?
Die Somatopsychologie geht davon aus, dass organische Erkrankungen und Fehlfunktionen direkt oder indirekt zu psychischen Problemen führen können. Wenn man mit einer Grippe im Bett liegt, merkt man, dass der Kopf nicht so funktioniert, wie er funktionieren sollte oder könnte. Die Konzentration ist beeinträchtigt, die Wahrnehmung verzerrt. Das Fieber tut seinen Job. Schwere Infektionskrankheiten können jedoch auch langfristig zu Veränderungen im mentalen Bereich führen. Das ist wissenschaftlicher Konsens. Nicht immer muss jedoch ein dramatisches Leiden als Auslöser für Verhaltensauffälligkeiten herhalten, es geht auch wesentlich subtiler. Ein äußerst reizvolles Forschungsfeld ist hier zum Beispiel die Verbindung zwischen Darm und Hirn.
Die Wissenschaft sagt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zusammensetzung unserer Darmbakterien langfristige Konsequenzen für unsere emotionale Gesundheit und das allgemeine psychische Wohlbefinden hat. Der Zustand unseres Darms bestimmt, wie wir denken, wie wir fühlen. Depressionen können durch eine geringere Anzahl von bestimmten Bakterien im Darm hervorgerufen werden und zwischen unserem Darm und unserem Hirn gibt es eine Standleitung, einen direkten Draht für die Kommunikation, die Darm-Hirn-Achse. Der Bauch spricht zu uns. Er kann uns mit seinen Botschaften glücklich machen. Oder auch nicht. Anstatt die Depressionen nun ausschließlich über die Psyche oder die Psyche adressierende Medikamente zu behandeln, könnte die Verabreichung von Probiotika oder eine Umstellung der Ernährung hier wesentlich schneller zum Ziel führen. Der Kopf wird über den Körper adressiert.
In dem wachsenden Feld der Somatopsychologie geht man davon aus, dass auch Fehlfunktionen von Leber, Herz oder Niere – also im Prinzip von jedem Organ – ihre Auswirkungen auf den Geist haben. Diesbezüglich stehen uns sicherlich noch etliche genauso spannende wie überraschende Erkenntnisse bevor. Bei vielen Zuständen wird man sich dann wohl die Henne-oder-Ei-Frage stellen müssen: Was war zuerst? Hängt der Kopf in den Seilen, weil es der Bauch schon lange tut? Oder zwickt es im Bauch, weil es vorher im Kopf gezwickt hat? Waren wir zuerst angefressen? Oder haben uns die Beschwerden aufgefressen? Und wo soll dann die Therapie ansetzen? Am besten an beiden Enden. Hier kann uns die Sprache der Organe helfen. Hier können uns traditionelle Medizinsysteme Inspiration bescheren. Der Traditionellen Chinesischen Medizin war der Zusammenhang zwischen Darm und Wohlbefinden bereits vor tausenden Jahren bekannt. Die Klassiker schreiben: „Die Milz macht glücklich“. Die Milz ist in der TCM ein Synonym für den gesamten Verdauungstrakt. Neuwissenschaftlich ausgedrückt würde derselbe Satz bedeuten: Ein gut funktionierendes Mikrobiom sorgt für einen angemessenen Serotonin-Spiegel und dementsprechendes psychisches Wohlbefinden. Anstatt sich über die simple Sprache und die simple Interpretation der TCM, anderer traditioneller Heilsysteme oder auch des Volksmundes lustig zu machen, sollten wir deren Aussagen angemessen übersetzen und darauf achten, was wir dabei lernen können. Weiters entscheidend in diesem Zusammenhang: Was braucht wiederum die Milz, um glücklich zu sein? Was brauchen unsere Organe? Was wollen sie uns wirklich sagen? Das steht in einem anderen Kapitel …
Die kleine Merkliste
Zwischen Körper und Geist besteht eine ständige Wechselwirkung. Viele Beschwerden können ihren Auslöser in der Psyche haben. Umgekehrt kann der Zustand unseres Körpers einen Einfluss auf unser Denken und unsere Emotionen haben.Ganzheitlichkeit bedeutet, bei der Suche nach den Ursachen einer Krankheit alle Faktoren unseres Seins in Betracht zu ziehen.Eine gute Therapie sollte immer auch eine Änderung des Lebensstils in den Raum stellen. Beschwerden fallen nicht grundlos vom Himmel und sind plötzlich da.Es lohnt sich, traditionellen Medizinsystemen und dem Volksmund mit Offenheit und Neugier gegenüberzutreten. Es gibt immer etwas zu lernen.