Die Lebkuchenbäckerin - Die Saga in einem eBook - Sybille Schrödter - E-Book
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Die Lebkuchenbäckerin - Die Saga in einem eBook E-Book

Sybille Schrödter

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Beschreibung

Zwei mutige Frauen trotzen allen Gefahren: Die historische Saga »Die Lebkuchenbäckerin« von Sybille Schrödter jetzt als eBook-Sammelband bei dotbooks. Süddeutschland am Ende des 14. Jahrhunderts: Nach dem Tod ihres Vaters wird die junge Kaufmannstochter Benedicta ins Kloster verbannt – doch sie ist nicht bereit, sich in dieses Schicksal zu fügen! Unter großer Gefahr gelingt ihr die Flucht nach Nürnberg, wo sie Aufnahme im Haus eines Bäckermeisters findet. Hier kann sie endlich ihr besonderes Talent zeigen: Niemand versteht sich so auf die Zubereitung von köstlichen Lebkuchen wie Benedicta. Doch dies ruft auch Feinde auf den Plan, die ihr den Erfolg neiden und zu allem bereit sind, um das »aufmüpfige Weibsbild« in seine Schranken zu weisen. Aber Benedicta gibt nicht auf – ebenso wenig wie ihre Erbin Bianca, die viele Jahre später ihr Leben riskieren muss, um ihre große Liebe zu retten … Zwischen Nürnberg und Venedig, zwischen Liebe und Hass, Gefahr und Hoffnung: Die spannende Mittelalter-Frauensaga, verfeinert mit dem betörenden Duft von Zimt und Anis! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Sammelband »Die Lebkuchenbäckerin« von Sybille Schrödter vereint die beiden historischen Roman-Bestseller »Die Lebküchnerin« und »Das Erbe der Lebküchnerin«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1074

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Über dieses Buch:

Süddeutschland am Ende des 14. Jahrhunderts: Nach dem Tod ihres Vaters wird die junge Kaufmannstochter Benedicta ins Kloster verbannt – doch sie ist nicht bereit, sich in dieses Schicksal zu fügen! Unter großer Gefahr gelingt ihr die Flucht nach Nürnberg, wo sie Aufnahme im Haus eines Bäckermeisters findet. Hier kann sie endlich ihr besonderes Talent zeigen: Niemand versteht sich so auf die Zubereitung von köstlichen Lebkuchen wie Benedicta. Doch dies ruft auch Feinde auf den Plan, die ihr den Erfolg neiden und zu allem bereit sind, um das »aufmüpfige Weibsbild« in seine Schranken zu weisen. Aber Benedicta gibt nicht auf – ebenso wenig wie ihre Erbin Bianca, die viele Jahre später ihr Leben riskieren muss, um ihre große Liebe zu retten …

Zwischen Nürnberg und Venedig, zwischen Liebe und Hass, Gefahr und Hoffnung: Die spannende Mittelalter-Frauensaga, verfeinert mit dem betörenden Duft von Zimt und Anis!

Über die Autorin:

Sybille Schrödter ist Juristin, Kabarettistin, Sängerin, Roman- und Drehbuchautorin – und so wenig, wie sie sich auf einen einzelnen Beruf festlegen lassen will, ist sie bereit, sich nur in einem Genre zu bewegen: Sie schreibt Kriminalromane und Thriller (»Weil mich menschliche Abgründe faszinieren«), historische Roman (»Weil es ein Vergnügen ist, in lang vergangenen Zeiten auf die Suche nach starken Frauenfiguren zu gehen«) und – unter verschiedenen Pseudonymen – Familiensagas (»Weil es in jeder Familie dunkle Geheimnisse gibt«) und Liebesgeschichten (»Nach dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt …«). Sybille Schrödter lebt in Hamburg.

Die Autorin im Internet: www.sybilleschroedter.de

Bei dotbooks veröffentlicht Sybille Schrödter neben ihren »Lebküchnerinnen«-Romanen und dem historischen Roman »Die Minnesängerin« auch die Kriminalromane »Das dunkle Netz des Todes« und »Was letzte Nacht geschah«.

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eBook-Sammelband-Originalausgabe Februar 2020

Copyright © der Originalausgabe »Die Lebküchnerin« 2009 Piper Verlag GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe »Das Erbe der Lebküchnerin« – ursprünglich veröffentlicht unter dem Titel »Das Erbe der Benedictenbäckerin« – 2011 Piper Verlag GmbH, München

Copyright © der Neuausgaben 2018 dotbooks GmbH, München; Copyright © der vorliegenden Sammelband-Originalausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Motiven von von shutterstock/Everett Art und shutterstock/faestock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-038-3

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Sybille Schrödter

Die Lebkuchenbäckerin

Die Saga in einem Band

dotbooks.

DIE LEBKÜCHNERIN

Prolog

Das Mädchen zitterte am ganzen Körper, obwohl es seinen wärmenden Fellmantel mit klammen Fingern vor der Brust zusammenhielt.

Sie war sehr hoch gewachsen für eine Zwölfjährige, dürr wie eine Bohnenstange, und sie besaß eine helle Haut, die in diesem Augenblick so leblos wirkte wie die einer Toten. Eine dunkle Locke blitzte vorwitzig unter ihrer Haube hervor. Aus ihren braunen Augen rannen heiße Tränen, aber sie gab keinen Klagelaut von sich. Dennoch konnte jenes stumme Leiden den Schmerz nicht verringern, der ihr das Herz zu zerreißen drohte. Im Gegenteil, es fiel ihr unendlich schwer, nicht laut aufzuschluchzen, aber damit hätte sie sich mit Sicherheit den Zorn ihrer Stiefmutter zugezogen. Nur allzu gut erinnerte sie sich daran, wie man sie vor einigen Tagen an den Haaren vom Totenbett ihres Vaters fortgezogen und sie unter Androhung von Schlägen geheißen hatte, ihre Habseligkeiten zu packen. Und zwar nur so viel, wie in eine kleine Reisekiste passte.

Diese hölzerne Kiste stand nun neben ihr am Boden – genauso verloren wie sie selbst. Fassungslos lauschte sie den Worten, die ihre Stiefmutter mit der fremden Frau wechselte. Wenn sie das Gespräch richtig verstand, wurde darin ihr weiteres Schicksal besiegelt. Sie wollte dagegen aufbegehren. Warum tat man ihr das an? Hatte sie nicht schon genug gelitten? Warum hatte sie mit dem Tod ihres Vaters für alle Zeiten das Recht verwirkt, im Haus ihrer Kindheit zu leben? Warum zwang man sie dazu, fortan hinter diesen dicken Mauern zu leben? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich vorstellte, niemals mehr im eigenen Bett zu schlafen. Der Vater hatte ihr den Stoff für die schweren Vorhänge jüngst von einer seiner Handelsreisen mitgebracht. Wie oft hatten sie ihr Zuflucht vor der Schelte ihrer Stiefmutter gewährt. Ein besseres Versteck hatte es im ganzen Haus nicht gegeben, als sich schlafend zu stellen.

Das Mädchen seufzte. Es schmerzte sie, an das wunderschöne Himmelbett zu denken. Es war so weich, und in die Bettstellen waren Blumen geschnitzt. Wie oft hatte sie sich auf ihrem Lager in eine himmlische Welt hineingeträumt und Zwiesprache mit ihrer Mutter gehalten, die sie als Engel oben in den Wolken vermutete.

Das Mädchen warf einen sehnsüchtigen Blick zum Himmel hinauf, doch der war genauso düster wie ihre Stimmung. Schwere Regenwolken hingen bis fast auf die Erde hinab.

Die fremde Frau sprach gerade von himmlischen Heerscharen dort droben. Wo mochten die an diesem grauen Tag wohl sein?, fragte sich das Mädchen.

»Sagt, ehrwürdige Frau Priorin, diesen Ring braucht das Kind doch nicht, wenn es sich mit unserem Herrn Jesus Christus vermählt, oder?« Mit diesen Worten trat die Stiefmutter ganz nahe an das Mädchen heran, griff, ohne eine Antwort abzuwarten, nach dessen schmalen Händen und zog ihm wortlos einen goldenen Ring mit Rubin vom Finger.

Die Priorin runzelte die Stirn und wollte etwas erwidern, aber da hatte die füllige Matrone das Schmuckstück bereits hurtig in ihrem ledernen Geldsack verschwinden lassen.

Bitte nicht den Ring meiner Mutter!, wollte das verzweifelte Mädchen schreien. Doch der warnende Blick der Stiefmutter hielt sie davon ab.

»Nun schau doch nicht so gierig, als wolle ich dir etwas nehmen, mein Kind. Es wird doch alles das Deinige bleiben, nur kannst du es nicht mehr verwalten. So werde ich Obacht geben auf das Erbe deines Vaters. Und der Wunsch deines Vaters war nun einmal, dass du dem Herrn dienen sollst. Du willst doch nicht ungehorsam sein gegenüber deinem geliebten Vater, oder?« Bei diesen Worten streckte sie die Hand nach dem Gesicht des Mädchens aus.

Das Mädchen zuckte ängstlich zurück, doch seine Stiefmutter streichelte ihm nun mit ihren dicken Fingern über das Gesicht. Das Mädchen hatte eine Ohrfeige erwartet. Die Zwölfjährige wusste in diesem Augenblick jedoch nicht, was schlimmer war: den brennenden Schmerz auf der Wange zu fühlen oder diese Finger, die ihr grob die Wangen kneteten. Abermals erzitterte sie unter einem eisigen Schauder, denn sie allein wusste, dass ihre Stiefmutter die Priorin belog. Niemals hätte ihr Vater gewollt, dass man ihr auf diese Weise das Zuhause nahm.

Im Gegenteil, wie oft hatte er seiner Tochter in allen Einzelheiten ausgemalt, wie er später von seinem Stuhl aus zuschauen würde, wie ihre Kinderschar durch das Haus tobte. Ja, er hatte einmal sogar schon einen Ehemann für sie ins Auge gefasst. Einen jungen Regensburger von adliger Herkunft wie sie selbst, der ihr allerdings ganz und gar nicht zugesagt hatte. »Vater, bitte, warte noch ein wenig. Ich möchte später einen stattlichen Burschen heiraten, keinen kleinen Mann, dem ich schon jetzt über den Kopf gewachsen bin«, hatte sie ihn beschworen. Und er hatte lachend versprochen, nach einem anderen Ehemann Ausschau zu halten.

»Träumst du, mein Kind? Ich mache mich jetzt auf den Weg und überlasse dich der Obhut der Frau Priorin. Behüt' dich Gott!«

Mit diesen Worten wandte sich die Stiefmutter um und eilte schnellen Schrittes zur Pforte.

Mit einem dumpfen Schlag schloss sich das schwere Tor aus Eichenholz hinter dem Mädchen.

I. Teil

Im Traum nur lieb' ich dich!Wie könnt' in wachen TagenIch mich so nah dir wagen –Im Traum nur lieb' ich dich!

Im Traum nur lieb' ich dich!Da schwindet alles ZagenDa darf dein Mund mir sagen:Im Traum auch lieb' ich dich!

Ferdinand von Saar (1833-1906)

Kapitel 1

Erbarmungslos brannte die Sonne vom Himmel und tauchte das Kloster Engelthal in eine schläfrige Hitze. Benedicta und Agnes suchten rasche Abkühlung im Kreuzgang. Stöhnend lehnten sie sich gegen die Steine der Innenmauern, die so dick waren, dass sie sich nicht aufheizen konnten. Unter ihrem Schleier fühlte sich Benedictas Kopf an, als müsse er verbrennen. Und wieder einmal beneidete sie Agnes glühend darum, dass sie nicht dazu verdammt war, eine solche Kopfbedeckung zu tragen. Ach, wie gern wäre Benedicta doch auch eine Köchin gewesen, die sich nach Herzenslust und ohne den störenden Schleier in der Küche nützlich machen durfte.

»Warum schickt sie dich eigentlich immer in der Mittagshitze mit mir in den Kräutergarten?«, fragte Agnes und musterte die Freundin durchdringend.

Benedicta schnaubte verächtlich. »Walburga ist die Schwester meiner Stiefmutter und scheint nur eines im Sinn zu haben: mich zu quälen. Wieder habe ich deshalb das Mittagsgebet versäumt, und wieder werde ich deshalb Ärger bekommen. Aber wenn ich es verweigere, dann schlägt sie mich.«

»Dann sag doch der Frau Priorin, wer schuld daran ist. Die mag dich nämlich. Ein Wunder, dass sie überhaupt einen Menschen ins Herz geschlossen hat, das doch aus Stein sein soll.«

Benedicta zuckte mit den Achseln. »Von dieser Zuneigung habe ich noch wenig verspürt. Natürlich habe ich der ehrwürdigen Priorin beim ersten Mal empört berichtet, dass Walburga mich unter Androhung von Schlägen in den Garten gejagt hat. Die Schwester aber hat es geleugnet, und ich wurde für meine Lügen bestraft. Das habe ich nun vom Petzen. Wieso glaubst Du, dass die Priorin mich mag?«

»Ihr gestrenger Blick wird milder, wenn sie dich betrachtet«, erwiderte Agnes.

»Ob mit mildem Blick oder zornig funkelnden Augen, sie wird mich bestrafen«, seufzte Benedicta.

»Gut, dann eil geschwind zur Kirche. Ich sammle die Kräuter schon allein ein«, schlug Agnes vor, aber Benedicta hörte ihr gar nicht mehr zu. Ihre Aufmerksamkeit galt dem jungen Mann, der nun schnellen Schrittes auf sie zutrat.

»Grüßt Euch, Schwester Benedicta«, sagte er strahlend und fügte, während er sie unverwandt ansah, hastig hinzu: »Wisst Ihr, wo meine Tante ist?«

Benedicta räusperte sich und wandte sich an Agnes, deren Blick neugierig von der Freundin zu dem jungen Fechtmeister wanderte. In Agnes' Augen stand die Frage geschrieben, ob Benedicta ihm wohl antworten werde, war es den Schwestern doch verboten, mit fremden Männern zu sprechen.

»Ich glaube, in deiner Küche warten schon alle auf die Kräuter«, sagte die junge Nonne mit Nachdruck an Agnes gewandt. Die verstand, warum Benedicta sie fortschickte, und entfernte sich mit einem knappen Gruß und dem Anflug eines Lächelns im Gesicht.

»Ich vermute, die ehrwürdige Frau Priorin ist in der Johanneskirche beim Mittagsgebet«, raunte Benedicta und versuchte, dem Blick des stattlichen Fechtmeisters auszuweichen. Zu groß war ihre Sorge, dass er in ihren Augen etwas lesen könnte, das nicht für ihn bestimmt war. Sie spürte, wie ihre Wangen noch heißer wurden, als sie ohnehin schon waren.

»Und Ihr seid nicht dort? Seid Ihr gar vor der heiligen Verpflichtung geflüchtet?«, fragte der junge Mann schmunzelnd.

Wollte er sich etwa über sie lustig machen?

Wütend funkelte sie ihn an. »Nein, Schwester Walburga hat mich in den Kräutergarten geschickt und wird nun ihre helle Freude daran haben, wenn Eure Tante mich wegen meines Fehlens schilt, denn Schwester Walburga wird ihr frech ins Gesicht lügen, dass das eine dumme Ausrede von mir sei.« Erschöpft hielt sie inne.

Der Fechtmeister lächelte. »Wisst Ihr, dass Ihr noch hübscher seid, wenn Ihr Euch so richtig in Zorn redet?«

»Nein, mein Herr, und wenn ich ganz ehrlich bin, kümmert es mich auch nicht«, presste sie schnippisch hervor. Hoffentlich merkt er nicht, dass ich lüge, dachte sie. Wie oft schon hatte sie sich gefragt, ob er sie wohl ebenso ansprechend fand wie sie ihn. Trotzdem, es schickte sich nicht, einer Schwester schöne Augen zu machen. Wenn die Priorin erfuhr, dass sie, statt in der Kirche zu beten, mit deren Neffen im Kreuzgang schöntat ...

Benedicta senkte das Haupt und schlug züchtig die Augen nieder. »Bitte, mein Herr, sprecht mich nie wieder an. Ihr wisst doch, dass es uns verboten ist, mit Fremden zu reden«, hauchte sie, sichtlich bemüht, beschämt zu klingen.

Statt sich bei ihr zu entschuldigen, brach der Fechtmeister in lautes Gelächter aus. Er lachte so ansteckend, dass Benedicta gern eingestimmt hätte, aber sie durfte sich auf keinen Fall unziemlich verhalten. Sonst würde er womöglich seiner Tante erzählen, wie schamlos sie sich aufgeführt hatte.

Plötzlich aber wurde der junge Mann ganz still und raunte dann bedauernd: »Ach, Schwester Benedicta, was gäbe ich darum, wenn ich Euch mit nach Nürnberg nehmen, dort sesshaft werden und Euch zu meiner Frau machen könnte. Ihr seid das entzückendste weibliche Geschöpf, das ich kenne, aber ich muss mich leider damit abfinden, dass Ihr Euch für ein Leben im Dienst des Herrn entschieden habt. Verzeiht meine groben Scherze ...«

»Dass Ihr es wagt ...!«, fauchte Benedicta und rauschte empört davon.

Erst als sie um eine Ecke gebogen war, blieb sie stehen und lauschte dem Schlag ihres pochenden Herzens. Was hätte sie darum gegeben, mit dem Fechtmeister nach Nürnberg zu reiten! Und was erst darum, seine Frau werden zu dürfen! Die Ehefrau eines richtigen Mannes aus Fleisch und Blut, der sie in den Arm nehmen und halten würde, wenn sie einmal traurig war. Doch ihre süßen Träume waren nur von kurzer Dauer. Dann siegte die Wut. Was bildet er sich eigentlich ein, so mit mir zu sprechen?, schoss es ihr durch den Kopf. Am ganzen Körper zitternd machte sie sich auf den Weg zur Kirche, doch es war zu spät. Das Gotteshaus war leer, das Mittagsgebet vorüber. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in den Speisesaal zu begeben und sich bei Priorin Leonore für ihr Fernbleiben zu entschuldigen. Vielleicht sollte sie ein Unwohlsein vorschieben.

Für den Weg zum Refektorium ließ sie sich allerdings viel Zeit. Gedankenversunken schlich sie durch die Klostergänge. In ihrem Kopf ging alles wild durcheinander. Wie sie das Klosterleben leid war! Immer wieder musste sie sich gegen Walburgas Bösartigkeiten verteidigen, und ständig träumte sie von der Welt außerhalb der Mauern. Zu allem Überfluss spukte ihr nun auch noch dieser unverschämte Fechtmeister im Kopf herum. Er mag mich genauso gern wie ich ihn, frohlockte sie, um sich im nächsten Augenblick für diesen Gedanken zu schämen. Sie hatte der weltlichen Liebe für alle Ewigkeiten entsagt. Sie allein wusste, dass sie es nicht freiwillig getan hatte, aber nun war sie Nonne geworden und konnte es nicht mehr ändern. Sie musste den jungen Mann ein für alle Male vergessen. Das fiel ihr überaus schwer, denn immer stattlicher stand er vor ihrem inneren Auge. So groß und blond, mit seinem kantigen Gesicht, dem energischen Kinn und den grünen Augen, in denen sie wie in einem tiefen See hätte versinken mögen.

Hör endlich auf, an ihn zu denken!, schalt sich Benedicta, als sie die Tür zum Speisesaal öffnete. Ängstlich blickte sie in die Runde. Alle Augen waren auf sie gerichtet.

»Schwester Benedicta, Ihr habt schon wieder das Mittagsgebet geschwänzt!«, ertönte Walburgas vorwurfsvolle Stimme durch den ganzen Saal. Mit einem verstohlenen Blick zum Platz der Priorin stellte Benedicta erleichtert fest, dass dieser leer war. Sie atmete auf. Priorin Leonore war noch nicht bei Tisch erschienen. Vorerst blieb Benedicta also das Donnerwetter erspart. Mit gesenktem Kopf durchquerte sie den Saal und nahm schweigend ihren Platz ein. Um sie herum summte es so laut wie in einem Bienenstock. Eigentlich herrschte bei Tisch ein Schweigegebot, aber wenn die Priorin nicht anwesend war, schwatzten alle wild durcheinander. Walburga war zwar dafür bekannt, dass sie der Priorin grundsätzlich jeden Verstoß gegen die klösterlichen Regeln zutrug, nicht aber das Schwatzen. Konnte sie selbst die Zunge doch nur schwer im Zaum halten.

Benedicta aber hing stumm ihren Gedanken nach, die schon wieder entgegen allen guten Vorsätzen zu dem jungen Fechtmeister abschweiften. Selbst die Scham darüber, an einen Mann aus Fleisch und Blut zu denken, half da nicht weiter.

Plötzlich erstarb das Geschwätz ringsum, und es wurde gespenstisch still im Saal. Obwohl Benedicta nicht von ihrem Brot aufsah, wusste sie genau, dass Leonore den Raum betreten hatte. Benedicta machte sich sogleich noch kleiner an ihrem Platz. Vielleicht würde der Kelch dieses Mal an ihr vorübergehen, wenn sie fast unter den Tisch rutschte. Vielleicht würde die Priorin sie dann einfach übersehen und mit Schelte verschonen. Im Speisesaal hätte man eine Nadel fallen hören können, und das Geplapper war gänzlich verstummt.

Nach dem Essen versuchte sich Benedicta unauffällig aus dem Saal zu schleichen, lief der Priorin jedoch geradewegs in die Arme.

»Gleich nach dem Gebet erwarte ich Euch in meiner Amtskammer«, befahl diese in einem Ton, der keinen Widerstand duldete, und durchbohrte die junge Nonne mit Blicken. »Und denkt Euch auf dem Wege zu mir schon einmal eine angemessene Strafe für Euren Ungehorsam aus.«

Kapitel 2

Als Benedicta wenig später mit gesenktem Haupt die Amtskammer der Priorin betrat, befürchtete sie das Schlimmste.

»Setzt Euch!«, befahl Leonore.

Benedicta gehorchte und war sichtlich bemüht, die Priorin nicht anzusehen.

»Schwester Benedicta, Ihr bereitet mir großen Kummer«, begann Leonore ohne Umschweife.

Benedicta hielt den Kopf immer noch gesenkt.

»Ihr wisst, dass Ihr nicht mit Fremden sprechen dürft, oder?«, hakte die Priorin mit scharfer Stimme nach.

Schuldbewusst nickte Benedicta. Dann hat mich also doch jemand beobachtet, als ich mit dem Fechtmeister sprach, schloss sie aus den Worten der Priorin und stieß einen tiefen Seufzer aus. Der galt der Strafpredigt, die nun unweigerlich folgen würde. Ja, Benedicta hätte sogar den Wortlaut der Predigt mitsprechen können, die sie nun erwartete. Mein Kind, bei aller Liebe, aber Ihr dient dem Herrn nicht, wie es das Gelübde von Euch verlangt. Nehmt Euch ein Beispiel an Schwester Dietlinde, die eifrig Schwester Christines Schriften studiert ... Benedicta war so tief in Gedanken versunken, dass sie erst aufmerkte, als sie Leonore sagen hörte: »Ich werde ein ernstes Wort mit Walburga reden. Fortan steht Ihr allein unter meinem Befehl. Lasst Euch von ihr nicht mehr in den Garten schicken, denn ab heute ist es ihr untersagt, überhaupt ein Wort an Euch zu richten ...«

Mit großen Augen starrte Benedicta die Priorin an. »Ihr glaubt mir also?«

»Sagen wir es einmal so: Mein Neffe hat ein gutes Wort für Euch eingelegt. Mehr kann er nicht für Euch tun. Ich habe ihm nämlich strengstens untersagt, Euch noch einmal anzusprechen. Sollte er mein Wort missachten, darf er mich leider nicht mehr besuchen. Wenn er es noch einmal versucht, geht mit gesenktem Kopf an ihm vorüber. Von Euch verlange ich unbedingten Gehorsam. Kein Wort mehr zu ihm! Habt Ihr verstanden?«

Benedicta nickte eifrig. So milde hatte sie sich die Strafpredigt beileibe nicht vorgestellt. Vielleicht hat Agnes recht, und die ehrwürdige Priorin mag mich wirklich, dachte Benedicta, aber sie hatte sich zu früh gefreut. Leonores Stimme bekam plötzlich den gewohnt strengen Klang.

»Mein Kind, bei aller Liebe, aber Ihr dient dem Herrn nicht, wie es das Gelübde verlangt. Nehmt Euch ein Beispiel an Schwester Dietlinde, die eifrig Schwester Christines Schriften studiert und die sich kürzlich so in das Bild Christi vertiefte, dass ihr Blut statt Tränen aus den Augen tropfte ...«

»Das behauptet sie. Habt Ihr sie mit eigenen Augen gesehen, diese blutigen Tränen?«, rutschte es Benedicta heraus, und erschrocken über die eigene Dreistigkeit schlug sie sich die Hand vor den Mund.

Die Augen der Priorin wurden zu schmalen Schlitzen. »Wollt Ihr damit sagen, dass sie uns an der Nase herumführt? Versündigt Euch nicht noch mehr! Nicht an Schwester Dietlinde! Sie steht nämlich fest im Glauben und besitzt jene Demut, die Euch gänzlich fehlt.«

»Aber ist es nicht möglich, dass sie sich wieder einmal mit der Rute so arg kasteit hat, dass das Blut in Strömen floss? Und sie es sich ins Gesicht wischte? Seit wir nicht mehr gemeinsam im Dormitorium nächtigen und jede Ordensfrau in ihrer eigenen Zelle schläft, kann das doch niemand mehr nachprüfen«, beharrte Benedicta trotzig – und bereute ihre vorlauten Worte im gleichen Augenblick bitterlich.

Der letzte Rest von Milde war aus dem Gesicht der Priorin gewichen, und sie musterte Benedicta mit strafendem Blick.

»Haltet ein mit Euren frevelhaften Beschuldigungen!«, fauchte sie. »Und nun büßt auf bloßen Knien in Eurer Zelle«, fügte sie nicht minder wütend hinzu. »Bittet den Herrn um Vergebung, bis ich Euch höchstpersönlich erlaube aufzustehen, und wenn es bis zum Jüngsten Tag dauert.«

Entsetzt starrte Benedicta die Priorin an. Schon häufig hatte diese sie bestraft, aber dass sie auf bloßen Knien herumrutschen sollte, das konnte sie doch nicht ernsthaft von ihr verlangen.

»Aber ...«, wollte sie aufbegehren, wurde aber heftig unterbrochen.

»Und nun geht mir aus den Augen, aber rasch!«, brüllte Leonore. »Ich werde Euch lehren, was es heißt, eine Braut Christi zu sein!«

Hastig und immer noch fassungslos verließ Benedicta die Amtszelle. Mit gesenktem Haupt schlich sie in ihre karge Kammer. Dort ließ sie sich trotzig mit bloßen Knien auf den kalten Steinboden fallen und faltete die Hände. Doch statt die Nähe zum Herrn zu suchen, überkam Benedicta die Sehnsucht nach der Welt außerhalb der Klostermauern mit solcher Heftigkeit, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie dachte an die süßen Träume, die sie früher im warmen Himmelbett gehabt hatte. Damals, als sie noch unter dem Schutz ihres gütigen Vaters gestanden hatte. In Gedanken hatte sie den Vater immer gern auf Reisen begleitet. Von überall her sah sie sich die köstlichsten Gewürze mitnehmen. So wie ihr Vater sie stets von seinen Reisen mitgebracht hatte. Mit diesen Zutaten hatte sie ihm dann köstliche Brote gebacken. In seinem Haus hatte es einen eigenen Ofen gegeben. Der Vater hätte ihr niemals verboten, mit der Köchin zusammen für ihn das Brot zu backen, um sie stattdessen zum Beten zu schicken.

Einmal hatte sie süßes Brot gebacken. Ihr war, als wäre es gestern gewesen. Sie meinte, den unverwechselbaren Duft von Zimt wahrzunehmen. Mit einer Prise scharfen Ingwers, den er einmal mitgebracht hatte. War das wirklich schon fünf lange Jahre her?

Benedictas Blick fiel auf eine Rute, die neben ihrer Schlafstatt am Boden lag. Sie schüttelte sich. Sie hatte sie noch niemals benutzt, verstand sie doch beim besten Willen nicht, warum sie sich selbst Schmerzen zufügen sollte. Um dann mit ihrem Blut zu prahlen wie Schwester Dietlinde? Nein, sie liebte den Herrn auf ihre Weise, wie sie ihn als kleines Kind geliebt hatte. Wollte der Herr Jesus wirklich, dass sie litt, weil er gelitten hatte?

Ihre Gedanken schweiften zum Fechtmeister ab. Vor ein paar Monaten erst war er von einer langen Reise zurückgekehrt, die ihn als wandernden Lehrer in verschiedene Städte und an die unterschiedlichsten Höfe verschlagen hatte, wo er die Söhne der Adligen im Schwertfechten unterrichtet hatte. Nun wollte er für längere Zeit in Nürnberg bleiben. Die Bürger der reichen Stadt waren begierig darauf, den richtigen Umgang mit dem Schwert zu erlernen, und er würde wohl eine ganze Weile in dieser Stadt verweilen. Wie gern hätte Benedicta ihm einmal beim Fechten zugesehen ...

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende geführt, da kniff sie sich kräftig in den Arm. Ich darf nicht an ihn denken, schalt sie sich und kniff sich noch einmal. Auf diese Weise versuchte sie, mit aller Macht jegliche Gedanken an den jungen Mann zu unterdrücken. Streng ging sie mit sich ins Gericht. Ich darf keinen Gedanken an ihn verschwenden. Außerdem geht es mich nichts an, was er treibt. Im Übrigen dürfte ich seine Pläne gar nicht kennen ...

Erschöpft hielt sie inne. Es nutzte nichts. Was immer sie sich einredete, ihre Gedanken blieben bei dem Fechtmeister, der ihr bislang immer nur im Vorbeigehen einen freundlichen Gruß geschenkt hatte. Aber heute? Da hatten sie richtig miteinander geplaudert.

Und trotzdem kannte sie seine Pläne schon länger. Allein bei dem Gedanken daran, wie sie neulich ein Ohr an die Tür der Amtskammer gepresst hatte, bis es heiß geworden war, nur um ein Gespräch zwischen seiner Tante und ihm zu belauschen, lief sie rot an.

Benedicta fröstelte und war versucht, das Gewand über die nackten Knie zu ziehen, weil der Schmerz sich kaum mehr leugnen ließ. Dann habe ich mich wenigstens so gequält, bis Blut fließt, dachte sie trotzig. Dass ihre Knie inzwischen vom groben Stein des Bodens aufgescheuert waren, dessen war Benedicta sich sicher. Und das war ihr ganz recht. Das Blut sollte ruhig in Strömen fließen, um der Priorin vorzuführen, wie gemein diese Strafe war. Wenn sie überhaupt einmal kommt, um mich von meinen Qualen zu erlösen, durchfuhr es Benedicta eiskalt. Doch so angestrengt sie auch lauschte, es blieb still auf dem Gang vor ihrer Kammer. Nur einmal meinte sie, die trippelnden Schritte der Mitschwestern zu hören, als sie zum Abendgebet huschten. Inzwischen war es stockdunkel in der Zelle. Kein Lichtstrahl drang mehr durch das winzige Fenster. Der Schmerz in Benedictas Knien wurde unerträglich, aber sie stand nicht auf. Sie biss die Zähne zusammen und war fest entschlossen, für ihren Frevel ernsthaft Buße zu tun. Sie hätte Dietlindes mystisches Erlebnis niemals so unverhohlen anzweifeln dürfen, obwohl sie es nach wie vor für Aufschneiderei hielt. Aber Benedicta wusste auch, wie man sich im Kloster nichts sehnlicher wünschte, als dass endlich wieder einmal ein Wunder geschah. Seit Schwester Christine Ebner mit ihren Visionen, die sie auf Geheiß ihres Beichtvaters im Jahre 1317 niedergeschrieben hatte, zu landesweiter Berühmtheit gelangt war, hatte Kloster Engelthal niemals mehr eine derartig bekannte Mystikerin hervorgebracht. Bis auf Schwester Adelheit Langmann, aber selbst die hatte nicht annähernd an Christine Ebners Ruhm herangereicht. Auf jeden Fall hatten die beiden frommen Frauen dazu beigetragen, dass Kloster Engelthal der Ruf voraneilte, ein Ort der wahrhaftigen Engel zu sein. Deshalb gab es auch immer wieder Schwestern, die sich gern damit hervorgetan hätten, dem Herrn zum Greifen nahe zu sein und dann wegen ihrer Visionen bedeutenden Männern mit Rat zur Seite zu stehen. Natürlich konnte Benedicta das verstehen, denn welche von den Mitschwestern hätte nicht gern den Kaiser empfangen, so wie es Schwester Christine damals mit Kaiser Karl erlebt hatte? Andererseits hegte Benedicta eine gewisse Skepsis gegenüber diesen Streberinnen, die nach mystischen Erfahrungen lechzten. Und Dietlinde war die schlimmste von allen. Doch sie, Benedicta, würde es nicht noch einmal wagen, ihre Meinung über die ehrgeizige Schwester zu äußern. Trotzdem, tiefe Einsicht in ihre Verfehlungen wollte sich beim besten Willen nicht einstellen. Im Gegenteil. Der Zorn erfasste sie. Wenn sie ehrlich zu sich war, und das war sie in diesem Augenblick ganz sicher, dann trieben nicht Demut und Schuldbewusstsein sie dazu, in dieser Stellung zu verharren, sondern Stolz und das sichere Gefühl, Unrecht zu erdulden. Doch was hatte sie in Christine Ebners Schriften erst kürzlich gelesen? Du sollst um kein Ding klagen, das man dir zuwider tut. Das jedenfalls hatte Gott der berühmten Schwester im Gebet geraten. Benedicta hatte dieser Satz tief beeindruckt, weil sie dies für ein nahezu unerreichbares Ziel hielt. Sie jedenfalls konnte es nicht so einfach in die Tat umsetzen. Wie oft sann sie darüber nach, womit sie sich an Schwester Walburga eines schönen Tages wohl für die böswilligen Quälereien rächen konnte.

Priorin Leonore wird bittere Tränen vergießen, wenn sie mich eines Tages verhungert und geschunden auf dem kalten Zellenboden findet, dachte Benedicta noch, während ihr die Augen zum wiederholten Male zufielen und sie nicht mehr die Kraft verspürte, der Müdigkeit zu trotzen.

Kapitel 3

Ein leise gestöhntes: »O Herr, das habe ich nicht gewollt!« aus dem Munde der Priorin ließ Benedicta aus tiefem Schlaf schrecken. Sie schlug die Augen auf und blickte im Schein einer Fackel in Leonores besorgtes Gesicht.

»Wie konnte mir das nur passieren? Ich habe Euch völlig vergessen. Und Ihr habt Euch nicht vom Fleck gerührt. Wie konnte ich Euch nur so unrecht tun?«, stammelte Leonore und half Benedicta, sich von den kalten Steinen zu erheben. Der jungen Nonne zitterten so heftig die Knie, dass die Priorin sie auf dem Weg zur Bettstatt stützen musste. Als sich Benedicta stöhnend ausgestreckt hatte, zog die Priorin einen Kanten Brot hervor und reichte ihn ihr. Zunächst wollte Benedicta ihn trotzig verweigern, aber dann siegte der Hunger. Sie ergriff das Brot und schlang es gierig hinunter.

»Eigentlich wollte ich Euch viel eher erlösen.« Leonores Stimme klang erschüttert, und Benedicta empfand bei diesen Worten eine gewisse Genugtuung. Um zu unterstreichen, was man ihr angetan hatte, stöhnte sie heftig auf. »Aua, aua!«

»Bitte, verzeiht mir! Ich hatte heute Nachmittag Besuch von unserem Provinzial, und wir haben über einem Problem gebrütet. Im Nürnberger Predigerkloster liegt das gesamte Küchenpersonal mit einem Fieber danieder. Und in wenigen Tagen beginnen unsere sommerlichen Fastentage, an denen wir ausschließlich Pfefferkuchen zu uns nehmen dürfen. Es gibt auch keinen Nachschub mehr, und es würde viel zu teuer, wenn wir sie außer Haus für uns backen ließen. Sagt jedenfalls der Provinzial. Und wir wissen doch alle, wie er auf dem Geldsäckel sitzt.«

Seufzend hielt sie inne. »Ach, was rede ich so viel?«, entschuldigte sie sich. »Nun verlangt er, dass wir die Pfefferkuchen in unserem Ofen backen. Wie denn?, habe ich ihn gefragt. Wir kennen das Rezept doch gar nicht. Das ist ihm gleich. Wir sollen uns etwas einfallen lassen, denn der Mönch, der das Backen in Nürnberg zu beaufsichtigen pflegte, ist dem Fieber erlegen. Es gibt kein Rezept. Wer von unseren Schwestern aber könnte Lebkuchen backen?«

Benedicta lauschte wie gebannt, und ihre Miene hellte sich zunehmend auf. Vor Freude schlug ihr Herz immer höher, denn zum einen hatte ihr Leonore noch nie so viele persönliche Worte geschenkt, zum anderen erkannte sie die Gelegenheit, der Priorin aus einer denkbar misslichen Lage zu helfen.

Vergessen waren Schmerzen und Schmach. Vor Begeisterung funkelten Benedictas Augen, und ihre Wangen glühten. »Ich könnte es zusammen mit der Agnes versuchen«, schlug sie aufgeregt vor. »Ich habe doch schon einmal mit ihr aus lauter Spaß Lebkuchen gebacken, weil uns die aus dem Kloster der Nürnberger Brüder nicht sonderlich gemundet haben, und da ...«

Am Blick der Priorin war unschwer zu erkennen, dass Benedicta wieder einmal dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden.

»So, so, Ihr habt also mit der Köchin zusammen gebacken, weil Euch die Lebkuchen der Nürnberger Mönche nicht schmeckten. Ihr wisst, dass Ihr in der Küche nichts verloren habt, nicht wahr? Oder habt Ihr vergessen, dass ich Euch unlängst untersagte, auch nur einen Schritt in die Küche zu setzen, nachdem Euer größtes Vergnügen darin bestand, Brot zu backen, statt zu beten?« Leonores Stimme klang scharf.

Betreten schüttelte Benedicta den Kopf.

»Ihr werdet verstehen, dass ich Euch nach allem, was Ihr mir eben gestanden habt, selbst wenn ich wollte und trotz meiner Not auf keinen Fall mit dieser Aufgabe betrauen kann. Wenn überhaupt, dann würde ich Euch diese Aufgabe nur erteilen, wenn Ihr endlich Demut und Gehorsam gelernt habt. Also, vielleicht nie ...«

Benedicta biss sich auf die Lippen, doch dann wagte sie einen letzten Vorstoß. »Ehrwürdige Priorin, ich werde alles tun, was Ihr von mir verlangt. Ich werde tagelang auf den Knien beten, ich werde mir das Bildnis des Herrn ansehen, bis mir schwindlig wird und ich Visionen habe, aber bitte, lasst mich mit Agnes ...« Verzweifelt ergriff Benedicta ein Bildnis des Herrn am Kreuz und betrachtete es inbrünstig. »Ich werde Blut weinen, wenn Ihr mich bloß in die Küche lasst und ...«

»Nein, auf keinen Fall«, erwiderte die Priorin entschieden. »Ich werde Schwester Dietlinde fragen. Sie soll sich gemeinsam mit der Köchin an die Arbeit machen«, fügte sie mit schneidender Stimme hinzu.

»Das könnt Ihr mir nicht antun. Dietlinde hat noch nie im Leben einen Teig gerührt. Die Lebkuchen werden ungenießbar sein. Ich hingegen habe mir ein so schmackhaftes Rezept ausgedacht. Es ist süß und ...«

»Mein liebes Kind, und wenn schon. Die Lebkuchen dienen als unsere Fastenspeise, und die muss nicht süß sein. Sie dient der Entsagung und nicht der Völlerei. Nun sagt mir nur noch: Was gehört in einen solchen Teig?«

Benedicta schwieg trotzig.

»Ich höre!«, bellte die Priorin und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum.

»Mehl, Gewürze, Honig und Zucker«, erwiderte Benedicta, so schnell, dass Leonore es nicht verstehen konnte.

»Gut, dann kommt morgen früh in meine Amtskammer und schreibt es mir auf!«, verlangte die Priorin. »Und vergesst die Mengen nicht!«

»Die weiß ich nicht. Wir haben es nach Gefühl gemischt. Und versucht gar nicht erst, die Agnes zu fragen. Die hat sich das Rezept nicht gemerkt. Das weiß ich sicher.«

»Benedicta, Ihr seid störrischer als ein alter Esel! Aber nun wird es mir eine besondere Freude sein, Schwester Dietlinde zu bitten«, zischte die Priorin.

»Möge Schwester Dietlindes Teig hart wie ein Stein werden!«, stieß Benedicta wutentbrannt hervor.

»Hätte ich Euch nicht schon bestraft, ich täte es jetzt für Euer loses Mundwerk. Und nun schlaft recht gut, damit Ihr das Morgengebet nicht versäumt.«

Mit diesen Worten verließ die Priorin Benedictas Zelle.

Die junge Nonne lag noch lange wach. Wenn sie wenigstens in die Küche gedurft und Brote hätte backen dürfen, dann hätte sie dem Klosterleben vielleicht noch etwas abgewinnen können. Aber so? Ich soll leiden wie der Herr, das ist mein Schicksal, versuchte Benedicta sich selbst zur weisen Einsicht zu bewegen, doch vergeblich. Das Grummeln in ihrem Innern blieb stark und mächtig. Als bald darauf ein Gewitter über Engelthal niederging, entsprachen die Blitze und das Donnergrollen dem Aufruhr in ihrem Herzen.

Kapitel 4

Zwar wagte Walburga ihre Mitschwester in den folgenden Tagen nicht mehr anzusprechen, trotzdem fühlte sich Benedicta auf Schritt und Tritt verfolgt. Mit den Blicken eines Raubvogels beobachtete die verbissene Alte ihre junge Mitschwester. Benedictas Laune, die während der Fastentage noch schlechter geworden war, besserte sich dadurch keineswegs. Ständig knurrte ihr der Magen, und die Lebkuchen, die Agnes unter Dietlindes Anleitung herstellen musste, schmeckten schauderhaft. Hätte Benedicta keine Angst gehabt, ohne Speise zu verhungern, sie hätte die steinharte braune Masse nicht angerührt, die alles, nur nicht süß schmeckte.

Zu allem Überfluss hatte die Priorin sie dazu verurteilt, zehn Tage lang allein in ihrer Zelle Zwiesprache mit dem Herrn zu halten, nachdem sie sich lautstark über den scheußlichen Fraß beschwert hatte. Wasser und einen Teller mit der furchtbaren Speise hatte man ihr mitgegeben, doch abgeschlossen hatte Leonore nicht. So nutzte Benedicta jede Gelegenheit, ihrem Gefängnis zu entkommen, ungesehen durch das Kloster zu streifen und mit dem Gärtner zu plaudern.

Von ihm wusste sie auch, dass heute ihr Glückstag war, denn Walburga lag mit Fieber danieder, und die Priorin war nach Nürnberg gereist, sodass Benedicta es wagen konnte, sich heimlich mit Agnes im Klostergarten zu treffen.

Endlich die wärmende Sonne!, freute sich Benedicta, als ihre Augen sich an das grelle Tageslicht gewöhnt hatten. Agnes kam ihr schon ungeduldig im Kreuzgang entgegengeeilt. Sie schien außer sich vor Wut.

»Warum hat die Priorin nicht dich das Rezept zusammenstellen lassen? Die ehrwürdige Schwester Dietlinde schwört darauf, auf den Honig zu verzichten und dafür mehr Mehl zu nehmen. Sie behauptet, die Süße zu genießen, sei eine Sünde. Es schmeckt ekelerregend, aber keiner traut, sich, etwas zu sagen«, schimpfte sie.

Angewidert verzog Benedicta das Gesicht. »Keiner bis auf mich. Ich habe mich beschwert, und du siehst, wohin mich das gebracht hat. Diese Fladen schmecken widerlich! Dagegen waren die Lebkuchen der Nürnberger Mönche eine wahre Köstlichkeit. Ich hoffe nur, dass bald eine Beschwerde aus Nürnberg eintrifft, nachdem die erste Lieferung angekommen ist. Ich glaube kaum, dass der Provinzial über dieses ungenießbare Zeug erfreut ist. Wo er doch so gerne isst! Glaub mir, ich habe die Priorin schier angebettelt, mich in die Küche zu lassen, wobei ich ihr leider verraten habe, dass wir beide vor Jahren einmal gemeinsam köstliche Lebkuchen gebacken haben. Ach, Agnes, wenn du wüsstest, wie sehr mich das alles quält. Dieses Leben, eingesperrt hinter dicken Mauern!«

Erstaunt betrachtete Agnes die Freundin und rückte ein wenig näher. »War es denn nicht dein Herzenswunsch, im Engelthal zu leben?«

Entschieden schüttelte Benedicta den Kopf. »Nein, niemals. Meine Stiefmutter Adelheit brachte mich nach dem Tod meines Vaters gegen meinen Willen hierher. Sie behauptet, es sei der erklärte Wunsch meines Vaters gewesen, und sie zeigte der Priorin ein Schriftstück, worin er dies verfügt haben soll. Doch das hätte er niemals getan. Wie oft sagte er, ich würde bestimmt einmal eine wunderbare Mutter.«

Agnes stöhnte auf. »Mich hat man einfach vor den Toren des Klosters abgelegt. Kein Mensch weiß, woher ich komme, aber man glaubt, ich sei das Kind der ersten Köchin, denn die war am nächsten Tag spurlos verschwunden. So ganz aus freien Stücken bin ich also auch nicht hier.«

»Oh, verzeih, dass ich so über mein Schicksal jammere! Ich bin nur entsetzlich enttäuscht, dass ich mein Geschick nicht entfalten darf«, entgegnete Benedicta entschuldigend.

»Wir wollen beide nicht mit unserem Schicksal hadern«, schlug Agnes vor. »Es ist einfach nur schade, dass die Priorin dich nicht in die Küche lässt. Ich kann Schwester Dietlindes frömmelnden Ton und ihr dummes Geschwätz nicht mehr ertragen. Ständig erzählt sie mit glasigem Blick, dass ihr der Herr Jesus Christus leibhaftig erschienen sei. Die Küchenmädchen hängen an ihren Lippen, aber ich glaube nicht, dass der Herr sich so häufig auf Erden zeigt.«

»Ich glaube, sie hat das alles in Christine Ebners Schriften gelesen«, erwiderte Benedicta scharfzüngig und erkannte an dem fragenden Blick der Freundin, dass diese offenbar nicht wusste, wer diese Christine war.

»Christine Ebner war eine Dominikanerinnen-Schwester in Engelthal. Vor nunmehr über vierzig Jahren war sie Priorin. Nach einem erfüllten Leben im Dienst des Herrn starb sie hochbetagt im Jahr 1357 in unserem Kloster ...« Benedicta stockte. Ganz im Gegensatz zu mir, sollte ich wohl ergänzen, schoss es ihr durch den Kopf. »Sie hinterließ ein Tagebuch. Um sie zu sehen, reiste sogar Kaiser Karl nach Engelthal. Viele große Männer ließen sich auf der Durchreise von ihr segnen. Stell dir vor, was sie einst voller Stolz notierte und was ich auswendig gelernt habe, damit es mich endlich erfüllen möge: Ich lag bei größtem Frost nur mit einem Hemd bekleidet auf der Erde und kasteite mich mit Ruten, Dornen und Nesseln, dass ich wund wurde und viel geblutet habe. Der Rock klebte mir am Rücken, so dass ich lange Zeit nicht wagte, mich anzulehnen, weil der Schmerz so heftig war.«

Voller Abscheu schüttelte sich Agnes. »Und sie hat wirklich geglaubt, dass der Herr Jesus sie dann lieber hat?«

Benedicta nickte. »Fast alle Schwestern glauben daran, und viele von ihnen streben nach diesem höchsten Leiden, um dem Herren näher zu sein. Schwester Adelheit Langmann soll sich sogar mit einer Igelhaut geschlagen haben.«

»Pfui Teufel!«, rief Agnes und verzog angewidert das Gesicht.

»Sie glauben, dass sie durch das irdische Leiden Gott näher sind und dass er erst, wenn sie blutend daniederliegen, überhaupt mit ihnen spricht. Und dass sie dann seine Botschaften in ihren Visionen wiedergeben können an uns, die wir Gott nicht so nahe sind. Manche glauben sogar, dass sie zu Engeln werden ...«

»Ja, ja, das predigt uns Schwester Dietlinde auch von morgens bis abends. Dass sie bald ein Engel sein wird! Und während sie diese schrecklichen Lebkuchen backen lässt, erzählt sie uns in allen Einzelheiten von den alten Schwestern drüben im Siechhaus. Dass sie sich nicht behandeln lassen wollen, sondern lieber mit Löchern groß wie Eier daniederliegen. Und sie sind auch noch stolz darauf! Sei ehrlich. Glaubst du auch, dass Leiden und Krankheit, Siechtum und Sterben so ungemein erstrebenswert sind?«

Benedicta blickte verlegen zur Seite. Sie wollte weder lügen noch die heilige Sache der Schwestern verraten. Wie konnte sie der Freundin nur antworten, ohne sich des einen oder des anderen schuldig zu machen? Sie rang nach Worten, doch dann hatte sie sich eine passende Erklärung zurechtgelegt.

»Ich glaube, dass es die Schwestern als ihr höchstes Ziel begreifen, und ich täte es ihnen gern gleich, aber ich kann es nicht – und schon gar nicht mit einem Gefühl der Glückseligkeit. Und weißt du was? Ich glaube nicht, dass der Herr mich weniger liebt, wenn ich, statt mich zu geißeln, für schmackhafte Lebkuchen sorge.«

»Schwester Dietlinde beklagt sich unentwegt bitterlich bei uns, dass sie in der Küche ihre Zeit verschwende, die sie für ihre Vertiefung in das Leiden Christi viel besser hätte gebrauchen könne. Sie sagte sogar, sie beneide dich darum, dass du in deiner Zelle bleiben musst. Und wie froh sie sei, wenn sie eine Woche lang keinen Menschen sehen müsse ... und dass es ungerecht sei, dass man dich ungestört zum Herrn beten lasse. Sie gäbe alles darum, mit dir zu tauschen ...«

»Das hat sie wirklich gesagt? Agnes, ich habe einen glänzenden Einfall!«, unterbrach Benedicta ihre Freundin plötzlich ganz aufgeregt und lächelte spitzbübisch. Sie näherte sich dem Ohr der Köchin. »Wir werden der armen Schwester ihren Wunsch erfüllen. Komm mit in die Küche! Ich werde ihr ein verlockendes Angebot unterbreiten«, flüsterte sie.

Übermütig fasste sie Agnes bei der Hand und zog sie mit sich fort.

Kapitel 5

Agnes wollte schier vor Neugier platzen und bestürmte Benedicta auf dem ganzen Weg zur Küche mit Fragen.

»Nun spann mich doch nicht dermaßen auf die Folter! Was hast du vor?«

»Lass dich überraschen! Du wirst noch früh genug dahinterkommen«, erwiderte Benedicta lachend.

Als sie die Küche betraten, fanden sie Schwester Dietlinde genauso vor, wie Agnes es der Freundin gerade beschrieben hatte. Beschwörend führte sie das Wort und wurde dabei von den Küchenmädchen umlagert.

»Als ich im vierzehnten Jahr war, lag ich vor einem Altar und zwang meine Sinne so sehr, dass mir das Blut zu Mund, Nase und Ohren herauskam ...«

»Das hat sie doch tatsächlich aus dem Tagebuch der Christine Ebner gestohlen. So schrieb diese über Schwester Mechthild Krumpestin«, raunte Benedicta Agnes zu, bevor sie sich vor der frommen Mitschwester aufbaute. »Und das ist Euch wirklich genauso widerfahren, Schwester Dietlinde? Am eigenen Leib? Überlegt recht gut, was Ihr antwortet. Lügen ist eine Sünde«, sagte sie mit spöttischer Stimme.

»Was habt Ihr hier zu suchen? Soviel ich weiß, solltet Ihr in Eurer Zelle sein und Euch in Demut üben«, giftete Dietlinde zurück, aber an dem erschrockenen Blick erkannte Benedicta unschwer, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.

»Aus diesem Grund, liebe Schwester, bin ich hier«, erwiderte Benedicta übertrieben ehrerbietig. »Ihr wisst, dass das Wunder, das Ihr da gerade für Euch beansprucht, in diesem Kloster einst einer anderen Schwester widerfuhr und dass unsere ehrwürdige Christine Ebner jenes Erlebnis wortwörtlich in ihrem Tagebuch schilderte. Ach, Ihr dürft Euch glücklich schätzen, dass Euch ebensolche Gnade widerfährt wie Schwester Mechthild! Ihr kennt doch die Geschichte ihres Leidenswegs, oder?«

Genüsslich weidete sich Benedicta an dem satten Rot, welches Schwester Dietlindes blasses Gesicht bei jedem ihrer Worte dunkler färbte.

»Benedicta, wenn Ihr nicht augenblicklich in Eure Zelle zurückkehrt, werde ich der Frau Priorin davon berichten müssen!«, schrie Dietlinde mit sich überschlagender Stimme.

Agnes machte eine Bewegung, die den Küchenmädchen bedeutete, sich außer Hörweite zu begeben. Sie selbst blieb stehen und beobachtete voller Spannung das weitere Vorgehen der Freundin.

»Schwester Dietlinde, darf ich Euch zuvor eine Frage stellen? Was würde die ehrwürdigste Priorin wohl sagen, wenn sie erführe, dass Ihr in der Küche die Leiden der Mechthild Krumpestin als Eure eigenen ausgebt?«

Dietlindes Gesichtsfarbe wechselte von Tiefrot zu Kalkweiß. »Nein, das ist nicht wahr!«

»Ihr dürft nicht lügen, aber wenn Ihr alles gesteht, wird Euch vielleicht vergeben«, ermutigte Benedicta ihre Mitschwester scheinbar versöhnlich. Dabei weidete sie sich an Dietlindes Hilflosigkeit.

Verstört blickte die ertappte Schwester von Benedicta zu Agnes.

»Ihr werdet es doch nicht etwa der hochverehrten Priorin verraten?«

Benedicta schüttelte den Kopf und lächelte. »Niemals, ich habe noch niemals jemanden verpetzt. Außerdem ist mir zurzeit verboten, überhaupt zu sprechen. Aber hört mein Angebot und überlegt gut, ob wir die Priorin in diese Angelegenheit einweihen sollten.«

»Was könntet Ihr mir schon anbieten?« Dietlindes Stimme bebte vor Verachtung für die unfromme Mitschwester.

»Wie ich hörte, vermisst Ihr das Beten, das Geißeln und den Dienst am Herrn, weil Ihr in der Küche stehen müsst. Strebt Ihr nicht nach neuen Erlebnissen, die Euch dem Herrn näher bringen? Wollt Ihr nicht eines Tages die Schmerzen der Mechthild wirklich am eigenen Leib erspüren?«

»Ja, schon, aber wie könntet Ihr mir schon dabei helfen? Ausgerechnet Ihr, die das Leiden bekanntlich scheut?«

»Ihr irrt. Nur ich kann Euch von Eurem Elend erlösen. Ich muss noch lange Tage in meiner Zelle beten. Ich werde also weder in der Kirche noch an einem anderen Ort vermutet. Man glaubt mich in meiner Zelle, in der mich keine Menschenseele besuchen darf. Und am wenigstens vermutet man mich in der Küche«, entgegnete Benedicta mit verschmitztem Lächeln.

»Ich verstehe nicht ganz, was Ihr von mir wollt.«

Agnes stöhnte laut auf. »Das verstehe ja selbst ich. Und ich kann weder lesen noch schreiben oder fromme Sprüche von mir geben. Sie will statt deiner in der Küche stehen, und du kannst dich statt ihrer ungestört in Benedictas Zelle dem Gebet widmen.«

»Und wenn jemand davon erfährt? Das ist doch ungehorsam«, widersprach Dietlinde heftig.

»Priorin Leonore ist für eine Woche zu den Schwestern nach Nürnberg gereist, und Schwester Walburga liegt mit einem Fieber danieder«, erklärte Benedicta eifrig. »Also, die Einzigen, die überhaupt nach mir sehen könnten, sind keine Gefahr. Und keine der anderen Schwestern betritt freiwillig die Küche. Außerdem sind nicht alle solche Klatschbasen wie Walburga ...«

»Ich weiß nicht ...«, murmelte Dietlinde zweifelnd.

»Bedenkt nur, wie viel kostbare Zeit Euch verloren ginge, wenn Ihr weiterhin in der Küche bleiben würdet ...«

»Schon, ich spüre förmlich, dass ich es bald geschafft habe. Wenn ich mich nur weiter ungestört in das Leiden des Herrn versenken könnte, wäre ich bald am Ziel. Doch was habt Ihr davon? Warum solltet Ihr mir ein solches Angebot machen? Mein Seelenheil dürfte Euch kaum am Herzen liegen.«

»Ich?« Gekünstelt stöhnte Benedicta auf und redete in dermaßen hochtrabendem Ton weiter, dass Agnes die Lachtränen in den Augen standen.

»Ich habe Buße zu tun. Strenge Buße, denn ich diene dem Herrn zu wenig. Mir fehlt es an Demut. Ich hasse es, in einer Küche zu stehen, genau wie Ihr, aber ich will diesen Dienst als Strafe auf mich nehmen. Und Euch, die Ihr mir im Glauben so weit voraus seid, dieses Opfer bringen.« Benedictas Stimme klang so ernst, dass Dietlinde ihr zu glauben schien.

»Aber, aber ...« Mehr brachte sie nicht heraus.

»Lasst gut sein, ehrwürdige Schwester, geht schnell an Euer Werk, und lasst mich hier meine Sünden bereuen.«

Dietlinde zögerte noch, bedankte sich dann aber überschwänglich.

»Ich tue es allein für mein eigenes Seelenheil. Ihr braucht Euch nicht zu bedanken. Ich bin Euch zu Dank verpflichtet«, erklärte Benedicta verschmitzt. »Ihr müsst mir nur eines versprechen ...«, fügte sie dann leise hinzu.

»Ach, das hätte ich mir denken können! Die Sache hat doch einen Haken«, unterbrach Dietlinde ihre Mitschwester.

»Nein, es ist nur zu Eurem Wohl! Sollte uns irgendjemand auf die Schliche kommen, müsst Ihr schwören, dass die Lebkuchen von Euch sind. Ihr kennt doch unsere Priorin. Sie duldet keinen Ungehorsam, auch dann nicht, wenn man sich dessen im Namen des Herrn schuldig machte.«

»Oh, habt vielen Dank, Ihr seid so umsichtig«, erwiderte Dietlinde ehrlich gerührt über Benedictas Selbstlosigkeit und eilte mit dem Schwur auf den Lippen, niemandem auch nur ein Sterbenswort zu verraten, von dannen.

Erst als sie längst um die Ecke gebogen war, brach Agnes in schallendes Gelächter aus, und Benedicta fiel erleichtert mit ein.

Kapitel 6

Benedicta nahm eine Schürze vom Haken und band sie sich geschickt um. »Wo sind die übel schmeckenden Fladen, die den wohlklingenden Namen Lebkuchen nicht verdienen?«, fragte sie voller Schaffensdrang.

Agnes führte sie sogleich in die Speisekammer und deutete auf Berge von fertigen hellbraunen Pfefferkuchen.

»Das sind die Lebkuchen für Nürnberg. Übermorgen kommt ein Bote des Klosters und holt sie ab.«

Benedicta überlegte. Was sollte sie damit anfangen? Sie den Mönchen und Nonnen nach Nürnberg senden und nur für Engelthal neue backen? Aber hatten die frommen Schwestern und Brüder nicht auch Besseres verdient als diese schrecklich schmeckende Speise?

Benedicta stieß einen tiefen Seufzer aus. »Werft sie den Schweinen zum Fraß vor!«, ordnete sie an und erntete mit diesen Worten die staunenden Blicke der Küchenmädchen.

»Wer von euch ist bereit, mit mir in den nächsten Tagen, wenn es sein muss, auch in den Nächten beim Schein der Fackel in der Küche zu stehen, um schmackhafte Lebkuchen zuzubereiten? Dafür dürft ihr davon so viel essen, wie ihr wollt.«

Angewidert verzogen sie die Gesichter.

»Ich verspreche euch, dass jene Lebkuchen, die wir unter Anleitung von Schwester Benedicta backen, eine wahre Köstlichkeit sind und dass sie euch hervorragend munden werden!«, rief Agnes voller Begeisterung.

Die Küchenmädchen blieben weiterhin misstrauisch.

»Holt den Honig herbei!«, rief Benedicta.

Bei der Erwähnung des süßen Nektars hellten sich die Gesichter der Mägde sogleich auf.

»Ihr müsst mir aber eins versprechen: kein Wort zu den ehrwürdigen Schwestern! Wenn ihr gefragt werdet, dann sagt, alles geschehe unter Aufsicht von Schwester Dietlinde«, ergänzte Benedicta und bekam ganz rote Wangen vor lauter Aufregung. Dann verteilte sie die Aufgaben.

»Ihr zwei holt den Honig, du bringst mir Zimt und Kardamom. Und du besorgst mir Zucker und Mehl.«

»Zucker? Nein, ehrwürdige Schwester, das darf ich nicht. Den teuren Zucker hat Schwester Dietlinde verschlossen. Wir dürfen ihn nicht nehmen«, widersprach eine Küchenmagd, ein Mädchen von etwa vierzehn Jahren mit rotem Haar.

»Wie heißt du?«, fragte Benedicta.

»Theresa«, erwiderte das Mädchen schüchtern.

»Du weißt, wo der Schlüssel ist?«

Theresa nickte schwach.

»Dann hol ihn! Schwester Dietlinde betet, um dem Herrn näher zu sein, und wir backen Lebkuchen. Mein Wort gilt. Und ich sage: Her mit dem Zucker! Also, worauf wartest du noch?«

Theresa zögerte immer noch, aber als Benedicta ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte, lief sie nach dem Zucker. Auch die anderen Küchenmädchen stoben in alle Richtungen davon, um zu erledigen, was Benedicta ihnen aufgetragen hatte.

»Hoffentlich kommt uns keiner auf die Schliche«, seufzte Agnes und bereitete den Trog für den Teig vor.

»Sag mir, wann hat sich das letzte Mal eine der Schwestern in die Küche verirrt, ohne dass man es ihr ausdrücklich befahl?«

Agnes zuckte mit den Achseln.

»Noch nie«, gab sie zu. »Die Einzige, die aus freien Stücken hier erschien, das warst von Anfang an du.«

»Siehst du. Also lass uns fröhlich ans Werk gehen und nicht alles so schwarz sehen«, sagte Benedicta und wartete ungeduldig darauf, dass die Küchenmädchen mit den Zutaten zurückkehrten.

»Benedicta? Hast du eigentlich neulich mit dem Fechtmeister gesprochen oder nicht?«

Die Frage kam so überraschend, dass die junge Nonne sogleich einen heißen Kopf bekam.

»Ich habe es mir beinahe gedacht«, bemerkte Agnes mit einem wissenden Blick auf Benedictas gerötetes Gesicht.

»Ich habe das Wort nicht an ihn gerichtet«, versuchte sie sich herauszureden, doch Agnes schenkte ihr ein breites Lächeln.

»Dein Gesicht verrät es mir. Heute wie neulich. Du magst den jungen Fechtmeister sehr, oder?«

»Ich bin mit Jesus Christus vermählt. Hast du das schon vergessen?«, gab Benedicta heftig zurück.

Agnes stöhnte auf. »Schon gut, ich will dich nicht weiter quälen. Ich weiß, dass du niemals heiraten kannst. Es ist nur so ... Ich habe neulich einen jungen Schwarzbäcker kennengelernt, als ich die Priorin nach Nürnberg begleitete und allein über den Markt schlendern durfte. Als ich ihn so stattlich an seinem Stand stehen sah, da ging mir sofort das Herz auf. Er lächelte mich an, und dann folgte er mir flugs, und wir gingen gemeinsam über den Markt. Ich glaube, ich habe ihn arg verliebt angeschaut. Und ich meinte eben, in deinem Blick gelesen zu haben, dass es dir ähnlich ergangen ist ...«

»Du meinst, das laute Pochen des Herzens und dieses Kribbeln?« Benedicta deutete auf ihren Bauch.

»Genau das«, erwiderte Agnes und lief nun selbst rot an. »Und die Knie geben nach ...«

»Schweig, Agnes!«, befahl Benedicta. »Für dich mögen das herrliche Gefühle sein. Für mich aber ist es wie das Kosten verbotener Früchte. Was gäbe ich darum, mit dir zu tauschen! Du darfst ungestraft an deinen Bäcker denken, ich aber darf den Fechtmeister nicht einmal ansehen, geschweige denn das Wort an ihn richten.«

»Anselm will nach Engelthal kommen, sobald der Sommer vorüber ist, und mich heiraten. Noch hat er nicht genügend Geld, um mir ein Brautgeschenk zu überreichen, und außerdem wünscht sein Vater sich sicher keine Waise als Braut seines Sohnes, weil dann doch kein Brautvater das Fest ausrichten wird. Anselm will aber keine andere zur Frau als mich. Er hat mich inständig gebeten, ihm noch einige Monde Zeit zu geben, damit er seinen Vater davon überzeugen kann, ihn nicht mit der Tochter des Weißbäckers zu vermählen, der gegenüber sein Handwerk betreibt«, offenbarte Agnes ihr zögernd.

»Heißt es, dass du mich dann verlassen wirst?« Benedicta schossen augenblicklich Tränen in die Augen.

»Wenn er seinen Vater umstimmen kann, dann werde ich mit ihm gehen. Schade, dass ich dich nicht mitnehmen kann nach Nürnberg.««

»Ach, Agnes, ich verfluche den Tag, an dem ich das Gelübde abgelegt habe, mein Leben hinter diesen Klostermauern zu verbringen. Manchmal bin ich so weit, dass ich flüchten möchte ...«

»Dann komm doch mit! Du schleichst mit mir davon.«

Traurig blickte Benedicta die Freundin an. »Das ist noch niemandem gut bekommen. Denk nur daran, was mit Schwester Johanna geschehen ist. Man hat sie gleich vor der Mauer wieder eingefangen und an einen anderen Ort verbracht. Dort wird sie das Tageslicht wohl nicht mehr sehen. Das Gelübde zu brechen, ist eine Todsünde. Verstehst du?«

Agnes nickte sichtlich betroffen. »Entschuldige, dass ich so arglos dahergeredet habe, aber ...«

»Schnell, schweig und setz eine fröhliche Miene auf! Die Mägde kehren zurück.«

Voller Begeisterung schleppten die Küchenmädchen die Zutaten herbei. Sie schienen inzwischen tatsächlich zu hoffen, dass die Nonne ein Wunder vollbringen werde.

Benedicta schüttelte die Gedanken an Agnes' mögliche Heirat rasch ab und widmete sich mit Feuereifer der Zubereitung des Teiges. Zunächst schüttete sie Mehl und Gewürze in den Trog und vermischte alles miteinander.

»Und jetzt den Honig und den Zucker!«, verlangte sie.

Theresa reichte ihr den Zuckertopf, aus dem Benedicta sich reichlich bediente, was ihr einen scheelen Blick der Freundin einbrachte.

»Schon gut, ich nehme nicht alles von dem teuren Zucker«, sagte Benedicta beschwichtigend und verlangte nach Honig.

Ein Küchenmädchen hielt ihr einen Topf hin, bei dem gerade eben der Boden mit dem köstlichen Nektar bedeckt war.

»Das reicht nie und nimmer für hundert Lebkuchen.« Benedicta blickte das Küchenmädchen fragend an. Die sah verlegen zu Boden.

»Das ist die Menge, die uns Schwester Dietlinde zu benutzen erlaubte«, erklärte sie kleinlaut.

Benedicta lachte laut auf. »Dann wundert es mich nicht, dass ihre Lebkuchen ungenießbar sind. Schnell, füllt den Topf bis zum Rand.«

Als das Mädchen mit dem Honig zurückkehrte, goss Benedicta ihn genüsslich in den Trog und versuchte, alles so zu vermengen, dass eine weiche Masse entstand, doch das misslang ihr gründlich. Das Ergebnis ihrer Mühen war ein harter Teig, der sich nicht kneten ließ, sondern wie ein bröselnder Felsblock in ihren Händen lag. Gebannt schauten ihr die Küchenmädchen auf die Finger, was es nicht unbedingt besser machte. Stöhnend versuchte sie noch einmal, den Teig weicher zu kneten, aber sie schaffte es nicht.

»Was glotzt ihr so? Habt ihr nichts zu tun?«, fauchte Agnes die Gafferinnen an, die hastig auseinanderstoben.

»Was haben wir beim letzten Mal nur anders gemacht?«, seufzte Benedicta.

Agnes zuckte mit den Achseln. »Wir haben genau diese Zutaten benutzt.«

»Gut, dann geben wir noch ein wenig Mehl hinzu, um den Teig geschmeidiger zu machen«, schlug Benedicta vor, und schon schüttete Agnes etwas davon auf den Klumpen, doch es nutzte nichts. Er blieb steinhart und war nicht weiterzuverarbeiten.

Benedicta starrte den Brocken so beschwörend an, als ließe er sich auf diese Weise erweichen.

»Wir brauchen etwas Flüssiges«, dachte Benedicta laut und erbat sich noch etwas Honig, den ihr eines der Küchenmädchen, die sich inzwischen allesamt wieder um Benedicta geschart hatten, eilfertig reichte. Benedicta versuchte, ihn in den Teig zu rühren, aber er ließ sich nicht mit der Masse in ihrem Trog verbinden. Die Küchenmädchen sahen ihr mitleidig zu.

»Habt ihr nichts anderes zu tun, als Maulaffen feilzuhalten?«, giftete Agnes die Mädchen an und verscheuchte sie.

»Was haben wir nur falsch gemacht?«, stöhnte Benedicta.

»Wenn ich das nur wüsste!«, erwiderte Agnes.

Und die beiden Frauen verfielen in grüblerisches Schweigen. Was hatten sie anders gemacht als beim letzten Mal?

Kapitel 7

Seit Stunden ging Benedicta nachdenklich in der Küche auf und ab. Einige Male blieb sie vor dem Topf mit dem Honig stehen, tauchte einen Finger hinein und leckte ihn gedankenverloren ab. Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht, und sie naschte noch einmal von dem süßen Nektar.

»Wenn ich mich nicht täusche, war der Honig beim letzten Mal wärmer!«, rief sie aufgeregt und forderte Agnes auf, auch eine Fingerspitze voll zu nehmen.

Die Köchin tat, was die Freundin verlangte, und stimmte ihr zu. »Ja, du hast recht, aber wie willst du ihn erwärmen?«

»Ich werde ihn kochen«, erwiderte Benedicta begeistert. Vor Freude hatte sie rote Wangen bekommen. »Ich glaube, so wird er uns gelingen«, frohlockte sie.

Mit diesen Worten füllte sie ein wenig Honig in einen Kessel, fügte Zucker hinzu und ließ beides zusammen heiß werden. Bald schon entstand eine zähflüssige Masse, die Benedicta vorsichtig in den Trog goss.

Als sie abermals mit dem Kneten begann, spürte sie es sofort. Während der Teig eben noch hart und nicht zu verarbeiten war, wurde er nun weich und locker. So geschmeidig, dass es für Benedicta ein Leichtes war, ihn zu kneten.

Die Küchenmädchen hatten sich wieder angeschlichen, und alle Blicke richteten sich auf Benedictas Hände. Dieses Mal scheuchte Agnes die Mägde nicht fort, sondern ließ sie an dem Erfolg teilhaben. Erleichtert lächelte sie in sich hinein.

»Wer möchte kosten?«, fragte Benedicta schließlich in die Runde. Vier Finger schnellten in die Höhe. Agnes hielt sich zurück.

Benedicta lachte. »Wenn ihr alle davon kostet, bleibt nichts mehr zum Backen übrig.« Sie deutete auf Theresa. »Komm, du sollst probieren und mir sagen, ob du bereust, den verbotenen Zucker aus dem Schrank genommen zu haben.«

Theresa strahlte über das ganze Gesicht, als sie einen Finger in den Teig tauchte und ihn genüsslich ableckte.

»Ich bereue nichts. Es schmeckt himmlisch!«, rief sie entzückt aus.

»Gut, dann lasst uns den Teig kneten und Lebkuchen daraus backen. Und wenn sie dann so köstlich munden wie der Teig, dann schafft ihr weitere Zutaten herbei, aber vorher soll Agnes kosten.«

Die Köchin bohrte einen Finger in den Teig und schleckte ihn gierig ab.

»Wunderbar!«, stöhnte sie und nickte ihrer Freundin aufmunternd zu. »Worauf wartet ihr noch?«, rief sie den Küchenmädchen zu und trieb sie zur Arbeit an. Doch plötzlich zögerte sie. »Haltet ein!«

Verwirrt blickte Benedicta die Köchin an, doch diese hob mahnend den Finger in die Höhe. »Eier!«, befahl sie. »Wir haben die Eier vergessen.«

Da fiel es Benedicta wieder ein. Letztes Mal hatten sie tatsächlich zum Schluss noch Eier dazugegeben. Sofort schickte sie eine Magd in den Keller, welche zu holen.

»Wie schön, dass du daran gedacht hast!«, rief Benedicta der Freundin zu und umarmte sie überschwänglich. Wie hatte sie das bloß vergessen können, nachdem sie beim letzten Mal versehentlich ein schwarzes Ei in den Teig gerührt und damit erst einmal alles verdorben hatten?

»Erinnerst du dich noch, wie das gestunken hat?«, fragte sie Agnes.

Die nickte und hielt sich mit übertriebener Geste die Nase zu. »Ganz entsetzlich gestunken«, bestätigte sie.

Als das Mädchen mit dem Korb voller Eier zurückehrte, seufzte Benedicta. »Schade, dass wir es von außen nicht erkennen können, welche Eier stinken.«

»Von außen nicht«, bestätigte Agnes lächelnd. »Trotzdem lässt sich verhindern, dass der ganze Teig verdirbt. Das habe ich inzwischen gelernt.«

Agnes gab einigen der Mädchen die Anweisung, das Eigelb von dem Weißen zu trennen, wobei diese sich recht geschickt anstellten.

Als Benedicta in die Schüssel mit der hellen Flüssigkeit der Eiweiße blickte, klatschte sie vor Entzücken in die Hände. Doch in dem Gefäß mit dem Eigelb schwamm tatsächlich ein stinkendes dunkles Ei, und sie rümpfte die Nase.

Agnes roch an der Schüssel mit dem Eiweiß. Da stank gar nichts. »Wenn ich im Gelb ein verdorbenes Ei finde, dann nehme ich zum Kochen stets nur das Helle und schlage es ein wenig auf. Dann wird es herrlich weiß und verleiht der Speise einen ganz besonderen Geschmack«, erklärte sie der Freundin.

Benedicta beobachtete alles mit höchster Aufmerksamkeit. »Worauf wartet ihr noch?«, rief sie tatendurstig. »Rührt allein das Weiße noch ein wenig durch, und dann hinein damit in den Teig!«

Als Benedicta das Eiweiß unter den Teig knetete, wurde er so geschmeidig, dass es eine wahre Freude war. Auch Agnes griff in den Teig, um dessen Festigkeit zu überprüfen.

»Das Gelbe macht den Teig schwer, das Weiße macht ihn leicht«, frohlockte sie. »Wir werden nur noch das Weiße nehmen.«

Vor Freude hüpfte Benedicta durch die Küche. »Und nun formen wir Lebkuchen daraus, die wirklich munden. Aber erst einmal backen wir nur zwanzig Küchlein und warten ab, was aus dem Ofen kommt.«

Agnes lächelte beseelt. Auch sie hegte keinen Zweifel daran, dass ihnen die Lebkuchen mindestens so gut gelingen würden wie beim letzten Mal.