Die Liebe im Herbst - Dieter Franke - E-Book

Die Liebe im Herbst E-Book

Dieter Franke

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Beschreibung

Der Ratgeber wendet sich an ältere Paare, die ihre Liebe füreinander neu beleben möchten oder nach Hilfen suchen, Konflikte zu überwinden. Es geht um die Entwicklung von Verständnis, Nähe und Vertrauen. Auch Leidenschaft, Sex und Zärtlichkeit werden thematisiert, mögliche Eifersucht nicht ausgespart. Hinzu kommen Rückblicke auf die Zeit um 1968, als die "Herbstpaare" jung waren. Gedichte laden zur Selbstreflektion ein. Und: Das Modell PAARtitur der Autoren führt vor Augen, woran es in der Partnerschaft zu arbeiten gilt & nicht nur im Lebensherbst.

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Die Autor/innen

Dieter Franke, Dipl.-Psych., arbeitet seit 2010 zusammen mit seiner Frau in eigener psychologischer Praxis. Schwerpunkt ist die Beratung und Therapie von Paaren mit Beziehungsproblemen. Zuvor leitete er mehrere Jahrzehnte ein Institut für Markt- und Sozialforschung.

 

Anne Franke, Dipl.-Psych., arbeitet seit 2010 mit ihrem Mann in eigener psychologischer Praxis. Schwerpunkt ist die Beratung und Therapie von Paaren mit Beziehungsproblemen. Sie war zuvor als Familien-, Kinder- und Klinische Psychologin tätig.

Dieter Franke & Anne Franke

Die Liebe im Herbst

Wie Partnerschaft und Liebe in der zweiten Lebenshälfte gelingen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2023

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-042368-8

 

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-042369-5

epub:     ISBN 978-3-17-042370-1

Dank und Widmung

Wir danken für die freundliche Genehmigung zum Abdruck folgender Gedichte:

Günter Grass: Zuletzt drei Wünsche. Erschienen in Letzte Tänze. © 2003, Steidl Verlag, Göttingen.

Ulla Hahn: Gibt es eine weibliche Ästhetik. Erschienen in Gesammelte Gedichte. © 2013, Deutsche Verlags-Anstalt München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.

Nazim Hikmet: Ich liebe dich. Übersetzt aus dem Türkischen von Helga Dagyeli-Bohne und Yildrim Dagyeli. Erschienen in Das schönste Meer ist das nicht befahrene. © 2014, Dagyeli Verlag e.G., Berlin.

Und für die Genehmigung zum Abdruck fachlicher Definitionen danken wir ebenfalls:

Duden – Das Fremdwörterbuch und Das Herkunftswörterbuch, © 2007, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim.

Wörterbuch Psychologie von Werner D. Fröhlich, © 5. unveränderte Neuauflage 2017, dtv Verlagsgesellschaft mbH&Co.KG, München.

Gestaltung der Abbildungen: Christine Wallner; Manuskriptbearbeitung: Sebastian Franke

 

Gewidmet allen Sommerpaaren, die unserer Beratung vertrauten und allen Herbstpaaren, mit denen wir über ihre Liebe sprachen.

Sie lehrten uns, wie sich die Liebe im wahren Leben anfühlt und funktioniert, aber manchmal auch ins Stottern kommt.

Inhalt

Dank und Widmung

Was sagt das Ganze?

1           Selbstbewusstsein, Fitness und Penunze – was bei der Liebe hilft

2           Liebe ist schön, macht aber viel Arbeit

3           Fordern, kein Überfordern

4           Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

5           Frust und Eifersucht

6           Für das wahre Leben: die PAARtitur

7           »Ich kann halt lieben nur …« – und sonst gar nichts?

8           Sex und Leidenschaft

9           Zärtliche Erotik

10         Zukunft? Wir schaffen das!

Literaturhinweise

Sachregister

Was sagt das Ganze?

Liebe im Herbst? Von wann bis wann spannt sich diese Lebenszeit? Auch vom Danach und dem Davor wird hier die Rede sein, und jeder mag für sich bestimmen, wo sein Ort in diesem Zeitraum sich befindet. Erotik? Sex? Natürlich sind sie Teil der Liebe und damit ebenfalls Themen dieses Sachbuchs, das auch unterhalten will.

Erwarten Sie aber bitte keine Listen mit Verhaltensempfehlungen zum gefälligen Abhaken. Einschlägige Ratgeber gibt es bereits reichlich. Es geht vielmehr um Anregungen zum How to think und How to feel, aber durchaus auch zum How to do. Kluge Gedanken anderer werden Sie finden, eine Prise Statistik, einige Grafiken und – da Gedichte manches verdichten – zuweilen Rhythmik und Gereimtes. Wladimir Iljitsch Lenin, Sigmund Freud und Salvador Dali treten auf, wie auch Gestalten aus dem Alten Testament und Götter des Olymp. Wir werfen einen Blick auf die Jahre rund um 1968, als wir Herbstler jung waren – Make love, not war – und auf das eine oder andere Ereignis davor und danach.

Von besonderer Bedeutung ist jedoch, was unsere intensiven Gespräche mit reiferen Paaren über ihr Leben, über ihre Gedanken und Gefühle an Eindrücken und Erkenntnissen brachten. Sie lassen die Lebenswirklichkeit, das Hoffen und Befürchten im gemeinsamen Alter anschaulich in Erscheinung treten. Wir kontrastieren zudem diese älteren Paare mit Problempaaren aus unserer Beratungspraxis – deren Reibungspunkte finden ihr Gegenbild im Gelungenen der anderen.

Aus alldem entwickelte sich das Modell PAARtitur, das zusammenfügt und vor Augen führt, wie Liebe »funktioniert« – nicht nur im Herbst.

Ob Frau-Mann, Frau-Frau oder Mann-Mann: Liebe bildet für jede dieser Konstellationen die Grundlage, und mögliche Beziehungskonflikte entwickeln sich zumeist geschlechtsneutral. Auch Unterschiede zwischen Partnern in punkto Alter, sozialem oder kulturellem Herkommen und welcher Art sie sein mögen ändern nichts daran, dass ein Zusammensein nur mit gegenseitiger Zugewandtheit und Vertrauen auf Dauer gedeihen kann.

Kinder lieben Kaleidoskope. Die manchmal auch für sie traurige Welt gewinnt mit ihnen wieder Farbe, Freude, Leben. Blicken Sie durch unser Kaleidoskop – es ist gerichtet auf eine möglichst reiche Zweisamkeit im Herbst und darüber hinaus.

 

Auf geht’s!

1

Selbstbewusstsein, Fitness und Penunze – was bei der Liebe hilft

Me Tarzan, You Jane! – und er schwang sich mit seiner Gefährtin höchst gekonnt und selbstbewusst an Lianen durch den Dschungel. Selbstbewusstsein – woraus speist es sich in älteren Lebensjahren? Aus dem, was man noch kann, wieder kann, neu kann? Dass man für seine Enkel, Kinder, Freunde wichtig ist? Dass man liebt und geliebt wird?

Blicken Sie doch einmal auf sich selbst und fragen sich, wie Sie diese Fragen beantworten würden. Vielleicht hilft Ihnen dabei auch die folgende Definition weiter.

Selbstbewusstseinbedeutet … Denken und Handeln aus der Gewissheit der Geltung eigener Wertmaßstäbe bzw. … die Überzeugung, mit allen Schwierigkeiten aus eigener Kraft fertig zu werden. (Werner D. Fröhlich im Wörterbuch Psychologie, 2008, S. 435. Er war übrigens einer unserer frühen Psychologielehrer)

Wenn sich dieses Selbstbewusstsein allerdings mit ausgeprägtem Egoismus verbindet oder sich gar in Arroganz äußert, wird es der Paarbeziehung sicher nicht zuträglich sein. Ruhen aber beide Partner ohne solche Verirrungen in sich selbst und achten den jeweils anderen in seiner Art, gewinnt das Miteinander an Kraft und wappnet es für die Bewältigung von Krisen. Ist einer von beiden in dieser Hinsicht stärker ausgestattet, kann er seinem Lebensmenschen Halt bieten und sollte ihm helfen, mögliche Selbstzweifel aufzuarbeiten.

Martin Korte legt in seinem Buch Jung im Kopf detailliert dar, wie sehr Selbstbewusstsein in höheren Jahren das Meistern von Schwierigkeiten fördert. Wir werden später davon sprechen, dass trübe Stereotype vom Alter – Vorurteile also – den Blick auf die eigene Person und auf die Beziehung zueinander negativ beeinflussen. Die konkreten Alterungsprozesse werden dadurch beschleunigt. Es beginnt dann eine Abwärtsspirale, die am schwachen Selbstbewusstsein ansetzt.

Selbstwert, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein. Einmal abgesehen von der Anregung, etwas dafür zu tun (was wir später aufzeigen werden) – bereits die schlichte Tatsache, schon so lange in der Welt mit ihren Möglichkeiten und Gefährdungen existent zu sein, sollte den Rücken stärken. Warum nicht am Morgen dem eigenen gefurchten Antlitz im Spiegel sagen: Gut, dass du da bist!

Ich, der Dieter, schaue aber nicht nur mir selbst ins Gesicht, sondern auch ihr, der Anne:

 

PALIMPSEST

 

In deinen Falten verbirgt sich unsere Jugend die weit entfernt in dir mir nah doch ist. Ich will sie mit der Seele suchen und fündig sein mit heiterem Blick.

 

Hier ist es glatt und da leicht angewittert ich lese deine Haut als Palimpsest bei dem schwach durch die Oberfläche schimmert der fast entschwundene Tiefentext.

 

So schwer es ist, ihn richtig zu entziffern so klar ist auch was er uns sagt stets können wir uns dessen vergewissern von Jahr zu Jahr und Tag für Tag:

 

Reich machen uns die Lebensrisse der Zweifel und der Widerspruch. Das Glatte ist nicht das Gewisse.

 

Bist du für mich ein offenes Buch?

Und ich, die Anne, bin von seinem Blick zwar angetan, gebe ihm, dem Dieter, aber nach langer Lebenssegelfahrt dann doch zu bedenken (Rilke sei Dank):

 

TRAUMGEDICHT

 

Herr: Ich bin’s leid. Die Knochen tun mir weh. Leg die Abdeckhaube auf den Kompass und lass das Ruder steh’n.

 

Gib unseren Leuten noch den letzten Schluck vom Wein lass sie packen räumen nimm die Segel von den Bäumen und steck sie in die Säcke rein.

 

Wer bald nicht anhält wird sich ewig grämen mit sich hadern und dann sich schließlich vor seines Weibes Tränen schämen.

 

Das wäre dann wohl besser zu vermeiden.

Es sind inzwischen Selbstverständlichkeiten, dass vernünftige Ernährung, sportliche Bewegung und Gehirntraining zur Verlangsamung von Alterungsprozessen beitragen. Bei Korte kann man nachlesen, wie solche bewusst verfolgten Fitness-Verhaltensweisen sich nicht nur auf das eigene Können und auf das Selbstbewusstsein positiv auswirken, sondern auch objektiv in der Veränderung von Gehirnstrukturen und Gehirnprozessen erkennbar sind. Und: Durch schlichtes Sichbewegen verlängert sich die Lebenszeit. Korte: Wer jede Woche durch Sport 2000 kcal verbraucht, wird mit einem geringeren Sterberisiko belohnt. Es sinkt um 28 Prozent bei den 60- bis 69-Jährigen und sogar um 37 Prozent bei den 70- bis 84-Jährigen. (Korte, 2014, S. 250).

Zudem arbeitet er heraus, wie wichtig der richtige Umgang mit Stress ist. Es gilt, mögliche Belastungen dieser Art bereits im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden – Zeitdruck, Informationswirrwarr, Streit und anderes mehr. Dabei kann Stress natürlich noch deutlich schwerwiegendere Ursachen haben:

Stress:… ursprünglich für durch Zug oder Druck hervorgerufene Spannungszustände in Festkörpern. … Zustände der Beanspruchung durch extreme psychische Belastungen wie schwere Konflikte, Lebensängste, Zukunftssorgen u. ä., die das innere Gleichgewicht stören. (Fröhlich, 2008, S. 461)

Eine Aussage von Korte hat besonderes Gewicht: Es ist zwar sehr zu empfehlen, die alltäglichen Gewohnheiten schon ab seinen fünfziger Jahren in all diesen Belangen entsprechend zu steuern, es ist aber nie zu spät, damit zu beginnen. Auch jenseits der siebziger und sogar der achtziger Jahresschwelle lohnt sich der Start, um in die persönliche Entwicklung geistige und körperliche Energie zu investieren: Über 70-Jährige, die erst in diesem Alter mit dem Ausdauertraining beginnen … halbieren ihr Alzheimer-Risiko! (Korte, 2014, S. 255). Und das ist nur ein Beispiel für die möglichen positiven Wirkungen. Also: Turne bis zur Urne – bleib auf Trab bis zum Grab.

Ältere Paare haben dabei gegenüber älteren Singles ein entscheidendes Plus: Sie können sich tagtäglich gegenseitig ermuntern, stützen und aus möglichen Motivationstälern herausholen. Hans-Werner Wahl konstatiert in Die neue Psychologie des Alterns: So gibt es … Befunde aus sehr alltagsnahen Studien … die detailliert aufzeigen, wie alternde Ehepaare durch gegenseitigeStimulationund Kompensation ihre intellektuelleLeistungsfähigkeitinteraktiv aufrechterhalten …. Er fährt allerdings so fort: … oder durch gegenseitige Nichtanregung schneller verlieren. (Wahl, 2017, S. 43/44). Nichts zu tun hat also durchaus Veränderung zur Folge, und zwar hin zum Negativen.

Tanzen ist übrigens nachweisbar eine der besten Aktivitäten, gemeinsam Körper und Geist zu stärken. Martin Korte dazu: … Tanzen vereint die drei positiven Faktoren, die kognitives Altern beeinflussen: soziale Interaktion, Bewegung und Konzentrationstraining. (Korte, 2014, S. 291).

Warum nicht alte Tanzfertigkeiten wieder wachrufen, es muss ja nicht unbedingt Rock ’n’ Roll sein. Bei allem Gendering: Tanzmuffel ist immer noch ein männliches Wort, oder haben Sie schon einmal von einer Tanzmuffelin gehört? Offenbar muss vor allem Er in Bewegung gebracht werden. By the way: Es heißt weiterhin »der Engel«, von einer »Engelin« war bis dato noch nicht die Rede – ist denn nur Er beflügelt? Es beruhigt aber doch ein wenig, dass sich zum Teufel bereits seit langem die Teufelin gesellt.

Ähnlich vielfältig wirksam wie Tanzen ist soziales Engagement, sei es ehrenamtlich oder im privaten Umfeld. Es trainiert Empathie und emotionale Intelligenz und ist zudem in hohem Maße nützlich. Und wie der Tanz bietet es den Vorteil, sich dabei zusammen einsetzen zu können, wenn es denn den persönlichen Wünschen beider Partner entspricht. So könnte man sich gemeinsam um ein anderes älteres Paar kümmern, dem es körperlich, geistig oder auch wirtschaftlich weniger gut als einem selbst geht. Oder man hilft einer neu ins Land gekommenen Familie, sich sprachlich und kulturell bei uns zurecht zu finden oder mit dem Behördendschungel klar zu kommen. Was man dabei gibt, gewinnt man als Selbstwert zurück. Und: Soziale Beziehungen sind eine Art Mehrzweckwaffe unseres Alterns … (Sie) sind wichtig für den Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit. Sie sind gewissermaßen ein natürliches Trainingsfeld. (Wahl, 2017, S. 112).

Use it or lose it – auf diese schlichte Formel kann die Alternative, vor der manche(r) steht, gebracht werden. Das gilt vom Treppensteigen bis zum Tanzen und für alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten, über die man (noch) verfügt.

Nun haben sicher manche in unserer Altersklasse mehr als Knochenweh oder »Rücken«, von den ganz heftigen Belastungen zu schweigen. Stock, Krücke, Rolli werden dann nahezu Teile des körperlichen Bewegungsapparats. Zumindest die Krücke hat es ja bereits in die Kunst geschafft. Es wird so um 1914 gewesen sein, als das Kind Salvador Dali sie entdeckte: Der … Gegenstand, der mir furchtbar persönlich vorkam und alles andere in den Schatten stellte, war eine Krücke! … Die herrliche Krücke! Schon erschien sie mir als das Objekt höchster Autorität und Würde … Dieser Gegenstand vermittelte mir eine Selbstsicherheit, ja Arroganz, deren ich bis dahin nie fähig gewesen war. (Dalí, 1984, S. 118)

So in seiner Autobiografie Das geheime Leben des Salvador Dali, die er als 37jähriger schrieb. Die Krücke stützt dann in seinen surrealistischen Bildern Gesichter, Körper und die unterschiedlichsten Objekte (Subjekte?). Sie ist bei Dali Symbol für Unbewusstes, Mythologisches, wie das auch langbeinige Elefanten und schmelzende Uhren in seinen Erzeugnissen sind. Bis in die älteren Lebensjahre behauptete sich die Krücke in seinem Werk. Nur am Rande: Klingt Krücke nicht selbstbewusster, aktiver, lebensbejahender im Vergleich zu Gehhilfe?

Kurt Tucholsky hat 1930 in seinem Gedicht Stationen die Lebensphasen eines Mannes durchdekliniert. Vom Suchen nach einer Frau »zum Anfassen«, hin zum Finden und wachsenden Miteinander, über Zweifel am Zusammensein in späteren Jahren, bis zur Zweisamkeit im Alter. Die letzte Strophe:

 

Und dann bist du alt. Und es ist soweit, daß ihr an der Verdauung leidet, dann sitzt ihr auf einem Bänkchen zu zweit, als Philemon und Baucis verkleidet. Sie sagt nichts. Du sagst nichts, denn ihr wißt, wie es im menschlichen Leben ist … Dein Herz, das viele Frauen besang, dein Herz sagt: »Na, Alte …?« Dein Herz sagt: Dank.

Bei allem Dank: Recht melancholisch, oder? Im Vergleich dazu ist dem antiken und greisen Philemon-und-Baucis-Paar sogar über den Tod hinaus noch Zukunft gewährt. Jupiter – in Ovids Metamorphosen besungen – erfüllte beiden den Wunsch nach einem gemeinsamen Hinscheiden (… weil wir in Eintracht immer gelebet …), verwandelte sie dabei aber in zwei nachbarlich grünende Bäume. Und dann:

 

…sah Baucis im Laub den Philemon sah der alte Philemon im Laub aufgrünen die Baucis.

Von der Mythologie zum schnöden Mammon, Schotter, Kies, zur Knete und Penunze also. Im Jahr 1961 machte Ruth Münster mit ihrem Buch Geld in Nietenhosen. Jugendliche als Verbraucher Furore. Greifen wir den Teenagern von damals in ihre heutigen Seniorentaschen oder besser, blicken wir auf ihre Konten.

2017 verfügten die 65- bis 74-Jährigen im Durchschnitt über ein Nettovermögen – einschließlich Immobilienbesitz – von 170.000 Euro. Bei den noch älteren Jahrgängen geht es zwar auf 143.000 zurück, liegt aber in der Altersspanne von 45 bis 64 Jahre mit 132.000 noch mehr darunter. Also: Vor allem Herbst-, aber auch Winterpaare verfügen in der Regel über ein größeres Vermögen als Sommerpaare. (Quelle: Datenreport 2021, wie für die folgenden Fakten).

Um in Deutschland als arm zu gelten, darf eine Einzelperson nicht mehr als 13.627 Euro im Jahr an Netto-Einkommen haben (Stand 2018). Von der Gesamtbevölkerung sind das 16 Prozent. Ist man mindestens 75 Jahre alt und lebt mit einem Partner/einer Partnerin zusammen: Nur 8,7 Prozent. Für die von Altersarmut betroffenen ist das sicher äußerst traurig – aber mehr als neun von zehn älteren Paaren gehören nicht zu den als arm geltenden Menschen.

Zugegeben, ein Zahlensalat. Wir haben ihn angerichtet, um zu zeigen: Ältere Menschen sind in ihrer großen Mehrheit finanziell ausreichend, wenn nicht gut oder sogar sehr gut ausgestattet. Und das gilt besonders dann, wenn man im Alter zu zweit zusammenlebt. Das ist übrigens nach der 80-Jahreschwelle noch bei gut der Hälfte der Fall, und darunter, bei den 65- bis 79-Jährigen, sind es mehr als 70 Prozent.

Und warum ist Geld gut für die Liebe im Herbst und danach (und davor vermutlich auch)? Es liegt auf der Hand: Wirtschaftliche Sorgen drücken die meisten reiferen Paare nicht. Und in der Regel ermöglichen finanzielle Spielräume unterschiedliche Aktivitäten, anspruchsvollere Hobbys, Reisen und manches andere, was ohne Geld nur schwer zu bekommen ist.

Wenn man dann seinen Enkeln, vielleicht auch noch den Kindern den einen oder anderen Euro rüberreicht, tut das nicht nur denen gut, sondern auch dem eigenen Selbstbewusstsein. Ältere Paare – die ja im Fokus unserer Tour d’Horizon stehen – tragen zudem ganz überwiegend qua Finanzkraft und als Konsumenten beträchtlich zum Wirtschaftsleben bei. Auch das sollte den Blick auf die eigene Bedeutung stärken. Am Rande dazu: Im ersten Quartal 2019 tätigten 48,3 Prozent der ab 65jährigen Online-Käufe – recht viele sind also beim Kaufen auch digital unterwegs. Angesichts der gehabten Corona-Einengungen werden das inzwischen sicher noch mehr geworden sein.

Nun heißt es nicht selten: Die Alten belasten ja so sehr das Gesundheitssystem. Das ist sicher richtig, denn Erkrankungen häufen sich mit den Jahren. Jedoch: Jahrzehnte lang zahlten sie fleißig ihre Beiträge und sorgten als Jüngere wie Ältere mit dafür, dass das System funktionierte. Und: Die meisten von ihnen leisten weiterhin ihre Abgaben. Also – kein An-die-Brust-schlagen.

Zahlen lügen nicht? Aber hallo! Churchill vertraute bekanntlich – eigenen Worten nach – nur Statistiken, die er selbst gefälscht hatte. Den bisherigen und auch den folgenden Ziffern hätte aber auch er vertrauen können.

Das statistische Bundesamt weist aus: Ende 2020 lebten in Deutschland 24,1 Millionen Menschen, die mindestens 60 Jahre alt waren. Das ist nahezu ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Prognose für das Jahr 2030: 27,8 Millionen und dann damit 34 Prozent.

Also: Wir sind bereits sehr viele und werden immer mehr. Das gilt auch, wenn die Altersgruppe 75plus ins Auge gefasst wird: 2020 9,4 und 2030 voraussichtlich 10,2 Millionen.

Nun war hier stets von kalendarischen Altersgruppen die Rede, die einschlägigen Statistiken sind eben darauf ausgerichtet. In der psychologischen Altersforschung wird zwar ebenfalls danach differenziert. Jedoch: Es zeigt sich seit geraumer Zeit, dass subjektive Alterseinordnungen (Wie alt fühlen Sie sich?