Die Logik des Zionismus - David North - E-Book

Die Logik des Zionismus E-Book

David North

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Beschreibung

Die in diesem Buch enthaltenen Vorträge sind nicht nur eine tiefgreifende Analyse der reaktionären ideologischen und politischen Grundlagen des Zionismus. Sie sind auch ein eindringlicher Aufruf zu internationalen Aktionen der Arbeiterklasse zur Verteidigung des palästinensischen Volkes. Wie David North in seinem dritten Vortrag erklärte, der am 14. Dezember 2023 in Berlin gehalten wurde: »Der anhaltende Krieg hat trotz all seiner Schrecken einen wichtigen politischen Beitrag geleistet. Er hat die Jugend wachgerüttelt. Er hat der Welt die Augen geöffnet. Er hat das zionistische Regime und seine imperialistischen Komplizen als die Verbrecher entlarvt, die sie sind. Er hat eine Flutwelle der Empörung in Bewegung gesetzt, die sich weltweit ausbreitet. Sie wird auch die Verantwortlichen für diesen Völkermord überschwemmen.«

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David NorthDie Logik des ZionismusVom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza

David North

Die Logik des Zionismus

Vom nationalistischen Mythos zum Genozid in Gaza

Mehring Verlag

Inhalt

Vorwort

Sozialistischer Internationalismus und der Kampf gegen Zionismus und Imperialismus

Völkermord in Gaza

Die faschistische Ideologie des israelischen Staats und der Genozid in Gaza

Der Völkermord in Gaza und der Tod von Aaron Bushnell

Leo Trotzki:»Ein Mann seiner Zeit, der Zeit voraus, und heute ein Mann unserer Zeit«

Impressum

Israelische Bombardierung des Gazastreifens im Oktober 2023

Vorwort

Nieder mit der Netanjahu-Regierung! Stoppt die vom Imperialismus unterstützte ­zionistische Offensive gegen Gaza!

Erklärung des Internationalen Komitees der ­Vierten Internationale

9. Oktober 2023

1. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) verurteilt mit Nachdruck die Kriegserklärung der Netanjahu-Regierung an die palästinensische Bevölkerung nach dem Aufstand gegen die israelische Besatzung in Gaza. Die hysterische, an die Nazis erinnernde Hetze des israelischen Regimes kann nur als Aufruf zur Ausrottung eines großen Teils der Einwohner von Gaza verstanden werden. Ebenso nachdrücklich verurteilt das IKVI die Erklärungen, mit denen die Biden-Regierung und die Regierungen der Europäischen Union die genozidale Offensive unterstützen, die jetzt von den israelischen Streitkräften geplant und durchgeführt wird. Mit der Entsendung eines amerikanischen Flugzeugträgers in die Region beweisen die Imperialisten ihre widerwärtige Solidarität mit dem massiven Angriff auf die Palästinenser.

2. Die Arbeiterklasse in Israel und weltweit ist verpflichtet, die palästinensischen Arbeiter und Jugendlichen in ihrem Kampf gegen Unterdrückung zu verteidigen. In den imperialistischen Ländern und auf der ganzen Welt muss es Proteste und Widerstand gegen Waffenlieferungen und Finanzhilfen für die israelische Regierung geben. Massendemonstrationen müssen ein Ende der Besatzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes fordern.

3. Wir appellieren insbesondere an die israelische Arbeiterklasse und alle fortschrittlichen Teile der jüdischen Bevölkerung, den giftigen Chauvinismus des Netanjahu-Regimes zurückzuweisen. Dieses Regime vertritt nicht ihre Interessen. Die israelischen Arbeiter und Jugendlichen müssen sich der kriminellen Politik ihrer Regierung entgegenstellen und sie anprangern.

4. Wie immer in der Geschichte ruft jeder Akt des Widerstands der Massen bei den herrschenden Eliten unbändige Empörung hervor. Doch so lautstark Biden, Scholz, Macron und ihresgleichen auch über »Terrorismus« zetern, Arbeiter, Jugendliche und die unterdrückten Massen weltweit haben trotz der zionistischen Dauerpropaganda Sympathie für die Palästinenser. Vielen ist bewusst, dass es sich um einen Massenaufstand gegen eine brutale Besatzung handelt und die herrschende Klasse jede Form des Widerstands gegen ihre Interessen und Politik als »Terrorismus« brandmarkt.

5. Wie der Krieg in der Ukraine werden auch die Ereignisse in Palästina von den kapitalistischen Medien aus ihrem historischen Zusammenhang gerissen. Vor 75 Jahren wurde Palästina von dem neu gegründeten Staat Israel besetzt, und die Einwohner wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Mit dem Sechstagekrieg von 1967 – vor 56 Jahren – begann die israelische Besetzung und Annexion des Westjordanlands. 2006 – vor 17 Jahren – führte Israel Krieg gegen Gaza und errichtete eine Blockade, die den Gazastreifen in ein »Freiluftgefängnis« verwandelte, wie es Human Rights Watch ausdrückte. Jahrzehntelang wurden die Einwohner von Gaza ermordet und bombardiert. Die Luftangriffe trafen die ständig schrumpfenden Landstriche, in denen die Palästinenser eingepfercht leben, ebenso wie die Gebiete, in die viele geflohen sind, so wie 1982 beim Massaker an Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im Libanon.

6. Bei dieser Politik wird Israel seit jeher von den imperialistischen Mächten unterstützt, vor allem von den Vereinigten Staaten, für die Israel der wichtigste Stellvertreter im Nahen Osten ist. Die Vereinten Nationen haben zwar Resolutionen gegen die Annexionen verabschiedet, sie aber nie durchgesetzt. Die arabischen bürgerlichen Regime paktierten mit den imperialistischen Mächten und Israel und lieferten die palästinensische Bevölkerung der blutigen Gewalt der Besatzer aus. Trotzdem ist es der israelischen Regierung und ihren Hintermännern nicht gelungen, das Streben der Palästinenser nach demokratischen und sozialen Rechten zu unterdrücken.

7. Jetzt ist ein entscheidender Moment. Monatelang haben Netanjahu und seine faschistischen Koalitionspartner, die Parteien Religiöser Zionismus unter der Führung von Bezalel Smotrich und Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) unter Itamar Ben-Gvir, eine Offensive der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) vorangetrieben. Polizei und Siedlergruppen führten fast täglich Angriffe auf Städte und Dörfer im Westjordanland, im Gazastreifen und in Israel selbst und lancierten Provokationen in der Al-Aksa-Moschee.

8. Der Widerstand der palästinensischen Massen ist ein politisches Debakel für Netanjahu, der sogar nach israelischem Recht ein Verbrecher ist. Es ist eine bekannte Tatsache, dass dieser skrupellose Gangster sich an die Macht klammert, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Millionen Israelis wissen auch, dass Netanjahu Angriffe gegen Palästinenser organisiert hat, um eine gewalttätige Reaktion zu provozieren. Er versucht auf diesem Weg, die innenpolitische Opposition abzulenken. Die palästinensische Antwort auf seine kriminellen Machenschaften hat jedoch Netanjahus Kalkül weit übertroffen.

9. Die Hamas hat eine Militäroffensive mit Tausenden Kämpfern begonnen, obwohl sie in einem Ghetto lebt, das scheinbar undurchdringlich war, umzingelt von feindlichen Truppen und unter ständiger Überwachung und gezielten Attentaten. Eine Operation dieses Ausmaßes konnte nur aufgrund der überwältigenden Unterstützung der zwei Millionen Gaza-Einwohner geplant und vorab geheim gehalten werden. Es handelt sich um einen echten Volksaufstand gegen einen bis an die Zähne bewaffneten Unterdrücker. Er erinnert an den Aufstand der jüdischen Insassen des Warschauer Ghettos 1943 und den großen Aufstand der Warschauer Arbeiterklasse gegen die Nazi-Besatzung 1944.

10. Die herrschende Klasse Israels will durch die gewaltsame Vertreibung der Palästinenser den exklusiv jüdischen Charakter des Staats sichern. Sie ist nun an einem Punkt angelangt, an dem sie diese reaktionäre Politik nur noch durch Massenmord und ethnische Säuberung aufrechterhalten kann. Netanjahu hat versprochen, den Gazastreifen – der nur 43 Kilometer lang und 10 Kilometer breit ist – in »Schutt und Asche« zu legen. Er fordert die dort gefangene Bevölkerung auf, »aus dem Weg zu gehen«, obwohl er weiß, dass sie das nicht kann.

11. Der brutale militärische Gegenschlag hat bereits begonnen. Am zweiten Tag der »Operation Eiserne Schwerter« griff Israel 800 Ziele im Gazastreifen an, kappte die Stromversorgung, stoppte den Warenverkehr in die und aus der belagerten Enklave und bombardierte Krankenhäuser und Wohnhäuser, in denen Hunderte von schutzlosen Zivilisten leben. Die Palästinenser versuchen, sich in den Schulen, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betrieben werden, vor den Luftangriffen zu schützen.

12. Das ist die nackte Realität hinter Netanjahus Kriegserklärung, die von der Biden-Regierung in den USA, den Regierungen aller Großmächte und den Massenmedien unterstützt wird. In einer Zeit wachsender sozialer Unruhen und Streiks auf der ganzen Welt ist die herrschende Klasse überall von der Angst getrieben, dass jede Art von Widerstand aus der Bevölkerung Schule machen könnte.

13. Die imperialistischen Führer und ihre Sprachrohre in der Presse stellen sich nicht gegen »Terrorismus«, sondern gegen den Massenwiderstand gegen die Besatzung und den Terror, der täglich von Israel ausgeübt wird. Und sie werden nicht davor zurückschrecken, auch einen Völkermord an den Palästinensern und eine Ausweitung des Konflikts auf einen regionalen Krieg gegen Iran, Syrien und Libanon zu unterstützen. So erklärte das »Wall Street Journal« in einem Leitartikel:

Und bitte keine Verurteilung von Israels »Blockade« oder »Besatzung« mehr … Das Weiße Haus wird versucht sein, Israel etwa eine Woche Zeit zu geben, um mit freier Hand zu reagieren, und dann die Netanjahu-Regierung drängen, sich zurückzuhalten. Das ist immer die Taktik der USA, aber dieses Mal muss es anders sein. Wenn ein größerer Krieg ausbricht, werden die USA Israel mit den Waffen und der diplomatischen Unterstützung versorgen müssen, die notwendig sind, um die Hamas und die militärischen Kapazitäten der Hisbollah zu zerstören.1

14. Die Furcht der Medien vor einem Rückzug der Biden-Regierung ist unbegründet. Am Sonntag bestätigte Verteidigungsminister Lloyd Austin, dass die USA »in den kommenden Tagen« einen Flugzeugträgerverband mit dem 20 Milliarden Dollar teuren Flugzeugträger Ford in die Region entsenden und Munition bereitstellen werden. Dies ist nicht nur »Solidarität« mit Israel, sondern die Vorbereitung auf einen Krieg. Während sie ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israels militärische Reaktion verkünden, fällt kein Wort über die willkürliche Tötung von Palästinensern. Es gibt keine Aufrufe zur Zurückhaltung, geschweige denn zu einem Waffenstillstand. Die Imperialisten äußern höchstens die Sorge, dass die Munitionslieferungen an Israel die Lieferungen an die Ukraine verringern könnten, die für die Eskalation des NATO-Kriegs gegen Russland benötigt werden.

15. Um jede Solidarität für die palästinensische Bevölkerung zu diskreditieren, erheben die imperialistischen Regierungen und Medien unweigerlich den Vorwurf des »Antisemitismus«. Die Heuchelei dieser erbärmlichen Verleumdung stinkt zum Himmel. Wenn es ihren Interessen dient, haben die herrschenden Eliten kein Problem damit, sich mit Hitler-Apologeten und Neonazis zu verbünden. Die deutsche Regierung unterstützt rechte Akademiker, die die Verbrechen des Naziregimes rechtfertigen und verharmlosen. Vor weniger als zwei Wochen feierten das gesamte kanadische Parlament sowie Premierminister Trudeau und die deutsche Botschafterin mit stehenden Ovationen den ukrainischen Veteranen Jaroslaw Hunka, ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS, die an der Ermordung der Juden im Holocaust beteiligt war.

16. Das Netanjahu-Regime ist zu jedem Verbrechen fähig. Aber es ist nicht unbesiegbar. Sein blutrünstiges Kriegsgeheul kann die Angst und Verzweiflung der Regierung nicht verbergen. Sie ist nicht nur mit dem Widerstand der palästinensischen Massen konfrontiert, sondern auch mit dem wachsenden Widerstand der israelischen Arbeiterklasse. Das ganze Jahr über gab es Massendemonstrationen israelischer Arbeiter und Jugendlicher gegen die Regierung Netanjahu und ihre autoritäre Politik. Diese Proteste wurden aber von ihrer Führung untergraben, die sich weigerte, die Unterdrückung der Palästinenser zu thematisieren. Netanjahus Kriegserklärung hat auch die wichtigsten zionistischen Oppositionsführer, Jair Lapid von Jesch Atid und Benny Gantz von der Partei der Nationalen Einheit, entlarvt. Sie haben sich wie erwartet hinter die israelischen Kriegspläne gestellt. Derzeit laufen intensive Gespräche zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit Netanjahu.

17. Der Feind der Arbeiter und Jugendlichen in Israel sind nicht die Palästinenser, sondern die Netanjahu-Regierung und die israelische herrschende Klasse. Ihre Schritte, mit demokratischen Herrschaftsformen in Israel zu brechen, stehen im Zusammenhang mit der extremen Zunahme der sozialen Ungleichheit und dem verstärkten Angriff auf Sozialprogramme.

18. Die gegenwärtige Situation ist von einem großen historischen und politischen Widerspruch geprägt: Die israelische Arbeiterklasse kann ihre eigenen demokratischen Rechte nicht verteidigen, ohne für die demokratischen Rechte der palästinensischen Bevölkerung gegen die zionistische Unterdrückung zu kämpfen. Und die Palästinenser können ihren Kampf für demokratische Rechte und soziale Gleichheit ohne ein Bündnis mit der israelischen Arbeiterklasse nicht verwirklichen. Die einzige realistische Perspektive ist nicht der Mythos der »Zweistaatenlösung«, sondern ein vereinigter sozialistischer Staat jüdischer und arabischer Arbeiter.

19. Wie heldenhaft der Kampf der Palästinenser auch sein mag, die unerträglichen Bedingungen, mit denen sie konfrontiert sind, können ohne die Entwicklung einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus nicht beseitigt werden. Das gilt ebenso für die jüdischen Arbeiter und Jugendlichen in Israel. Die Gefahr eines erneuten Anwachsens des Antisemitismus ist sehr real. Aber sie geht nicht von den demokratischen Bestrebungen der Massen in Gaza und im besetzten Westjordanland aus, sondern von dem reaktionären nationalen Chauvinismus, der im Kapitalismus und Imperialismus geschürt wird.

20. Der Aufstand in Palästina ist Teil der Wut und Welle des Widerstands, die sich in Massenstreiks und Protesten auf der ganzen Welt Bahn bricht. Diese soziale Bewegung muss ausgeweitet und von einem bewussten sozialistischen und revolutionären Programm geleitet werden, um den imperialistischen Krieg zu stoppen und der Ungleichheit und allen Formen der Unterdrückung ein Ende zu setzen. Das ist die Perspektive und das Programm der trotzkistischen Vierten Internationale unter der Führung des Internationalen Komitees.

1 »War Returns to the Middle East«, in: Wall Street Journal, 7. Oktober 2023.

Anmerkung zur deutschen Ausgabe:

Die Zitate aus englischsprachigen Quellen wurden, sofern nichts anderes angegeben ist, für diese Ausgabe ins Deutsche übertragen. Die Zitate aus dem Internet wurden kurz vor dem Erscheinungsdatum abgerufen.

Leo Trotzki, 1937

Sozialistischer Internationalismus und der Kampf gegen Zionismus und Imperialismus

Vortrag an der University of Michigan in Ann Arbor am 24. Oktober 2023.

Der Titel des heutigen Vortrags lautet »Leo Trotzki und der Kampf für den Sozialismus im 21. Jahrhundert«. Er ist Teil einer Veranstaltungsreihe in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern aus Anlass des 100. Jahrestags der Linken Opposition, die im Oktober 1923 in der Sowjetunion unter der Führung von Leo Trotzki gegründet wurde. Dies war der Auftakt zum folgenreichsten politischen Kampf des 20. Jahrhunderts: dem von Leo Trotzki angeführten Kampf gegen die bürokratische Degeneration der Kommunistischen Partei und des Sowjetstaats unter dem stalinistischen Regime, und gegen den Verrat am Programm und den Prinzipien des Internationalismus, auf denen die Oktoberrevolution von 1917 beruht hatte.

Wenn ich sage, es war der folgenreichste Kampf, dann aus folgendem Grund: Wäre dieser Kampf anders ausgegangen, hätte er also mit dem Sieg der trotzkistischen Fraktion und der Niederlage des Stalinismus geendet, so wäre das 20. Jahrhundert das Jahrhundert gewesen, in dem die sozialistische Weltrevolution gesiegt hätte. In einem Vortrag, den ich Ende der 1990er Jahre hielt, antwortete ich auf die Behauptung, dass es keine Alternative zum Stalinismus gegeben habe und dass die Russische Revolution von Anfang an zum Untergang verurteilt gewesen sei. Vertreten wurde diese Einschätzung von Eric Hobsbawm, einem bekannten britischen Historiker, der 60 Jahre lang in der britischen Kommunistischen Partei aktiv gewesen war. Er hatte ein handfestes politisches und theoretisches Interesse daran, die Möglichkeit einer Alternative zum Stalinismus zu bestreiten. Er rechtfertigte damit seine eigene Politik.

Seine Behauptungen waren allerdings falsch. Die Auseinandersetzungen der 1920er und 1930er Jahre hatten tiefgreifende Auswirkungen auf den Verlauf des letzten Jahrhunderts und damit auch auf die Bedingungen, unter denen wir heute leben. Die Niederlage Trotzkis in der Sowjetunion, d. h. der Sieg des Stalinismus, hatte katastrophale Folgen für den Ausgang des Klassenkampfs in Deutschland. Die Kritik Trotzkis an der Politik der stalinistischen Partei in Deutschland – seine Warnungen vor der Gefahr des Faschismus, seine Kritik an der ultralinken Politik der Kommunistischen Partei – sollte sich als richtig erweisen. Der Aufstieg Hitlers hätte gestoppt werden können. Trotzki trat für eine Einheitsfront der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei ein, der beiden Massenparteien der Arbeiterklasse in Deutschland. Er schrieb, dass nichts wichtiger sei als die Niederlage Hitlers, und er warnte, dass die Niederlage der Arbeiterklasse und die Machtübernahme Hitlers eine weltweite Katastrophe von unvorstellbaren Ausmaßen mit sich bringen würde. Und Trotzki warnte auch, dass die Vernichtung des europäischen Judentums Teil dieser Katastrophe sein würde.

Diese Warnungen wurden ignoriert. Hitler kam an die Macht, und die Folgen waren furchtbar. So wurde eine Reihe von Ereignissen in Gang gesetzt, deren politische Wirkung bis heute anhält. Ohne den Sieg Hitlers, ohne den Sieg des Faschismus, hätte es keine zionistische Massenbewegung und keine Massenauswanderung von Juden nach Palästina gegeben.

Damit würde einer der Hauptfaktoren für die eskalierende Krise, die wir jetzt erleben, gar nicht existieren.

Der Sieg der deutschen Arbeiterklasse – die Machtübernahme der Arbeiterklasse im fortgeschrittensten Industrieland Europas – wäre ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Sozialismus in der ganzen Welt gewesen.

Ursprünglich wollte ich in diesem Vortrag die historischen Ereignisse und Themen Revue passieren lassen, die zur Gründung der Linken Opposition geführt haben, und erklären, warum die Lehren aus dieser Geschichte so wichtig sind, um die heutige Weltlage zu verstehen und eine revolutionäre sozialistische Strategie zu entwickeln.

Aber aufgrund der aktuellen Ereignisse, da sind wir uns sicher einig, muss der heutige Vortrag etwas anders aufgebaut werden. Ich werde eingangs auf die aktuelle Lage eingehen und dann aufzeigen, wie sie mit den wesentlichen Fragen der marxistischen Theorie, der politischen Perspektive und des sozialistischen Programms zusammenhängt, die im Mittelpunkt des von der Linken Opposition geführten Kampfs gegen den Stalinismus standen.

Wir erleben derzeit die größte internationale Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es gibt zwei entsetzliche Kriege: in der Ukraine und in Gaza. Genauer gesagt handelt es sich um zwei Fronten in einem rasch eskalierenden Dritten Weltkrieg, dessen Ausmaß und Grausamkeit, wenn er nicht durch eine Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse gestoppt wird, den Ersten Weltkrieg (1914–1918) und den Zweiten Weltkrieg (1939–1945) übertreffen wird. Während wir hier zusammenkommen, ziehen die Vereinigten Staaten im Mittelmeer eine massive militärische Eingreiftruppe zusammen, die von zwei Flugzeugträgern angeführt wird. Die Regierung Biden droht mit einer Intervention, falls die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah zunehmen. Dies könnte zu einem Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran führen.

Präsident Biden hat letzte Woche nach seiner Rückkehr aus Israel ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen hergestellt. Er forderte zusätzliche 105 Milliarden Dollar an Militärausgaben – zusätzlich zu der bereits für 2023 genehmigten Billion – und erklärte, beide Kriege seien entscheidend für die »nationale Sicherheit« der Vereinigten Staaten, womit er die globalen geopolitischen Interessen des amerikanischen Imperialismus meint.

Die USA und ihre NATO-Verbündeten haben mithilfe ihrer ukrainischen Stellvertreter einen imperialistischen Krieg gegen Russland angezettelt, dessen Ziel ein Regimewechsel, die Zerschlagung des Landes, die Neuaufteilung seiner Bruchstücke unter die NATO-Mächte nach den Vorgaben der USA und die Plünderung seiner riesigen Rohstoffvorkommen ist.

Wie die drohende Konfrontation mit dem Iran deutlich macht, ist der israelische Angriff auf die Bevölkerung im Freiluftgefängnis von Gaza eine Ausweitung dieses globalen Kriegs. Ziel des israelischen Angriffs auf Gaza, der sich zu einem Völkermord ausgewachsen hat, ist die Zerschlagung des palästinensischen Widerstands gegen das zionistische Regime. Da sich die Regierung und das Militär Israels der Sprache und Methoden der Vernichtung bedienen, ist es durchaus angebracht, diesen Krieg als »Endlösung« der Palästinenserfrage aus Sicht des zionistischen Regimes zu bezeichnen.

Dieser Vernichtungskrieg wird von den Regierungen aller großen imperialistischen Staaten unterstützt. Inmitten des Gemetzels an der Bevölkerung des Gazastreifens erklären die imperialistischen Staatschefs ihre Solidarität mit Israel. In einem mittlerweile obligatorischen politischen Ritual sind Präsident Biden, der britische Premierminister Sunak und der deutsche Bundeskanzler Scholz nach Israel gepilgert. Der französische Präsident Macron ist heute dort eingetroffen.

Sie alle bekunden tiefes Mitgefühl für das jüdische Volk und verteidigen den israelischen Angriff auf Gaza unter Berufung auf den Holocaust der Nazis. Das Ausmaß ihrer Lüge und Heuchelei ist unermesslich. Sie alle sind die politischen Nachfahren von Regierungen, die von 1939 bis 1945 die Verfolgung und den Massenmord an den Juden entweder organisiert, dabei kollaboriert oder die Augen davor verschlossen haben. Mit der Vernichtung der Juden durch die deutsche herrschende Klasse in den Jahren, in denen sie Adolf Hitler die Macht und die Verteidigung ihrer wirtschaftlichen Interessen anvertraut hatte, erreichte die Fäulnis der kapitalistischen Gesellschaft eine grauenhafte Stufe: den Einsatz moderner Technologie und industrieller Organisation für das Verschleppen und Töten von Millionen Menschen. Die französische herrschende Klasse kollaborierte mit dem Naziregime. Etwa 25 Prozent der jüdischen Bürger Frankreichs wurden den Nazis zur Vernichtung überlassen.

Großbritannien war nicht von den Nazis besetzt, und seine relativ kleine jüdische Bevölkerung blieb von den Schrecken der Vernichtung verschont. Aber in der grausamen Behandlung der Juden, die aus dem von den Nazis besetzten Europa geflohen waren, zeigte sich, welcher Antisemitismus in der britischen herrschenden Klasse grassierte.

Über 20 000 deutsche Juden, die nach Großbritannien geflohen waren, wurden als »feindliche Ausländer« eingestuft, festgenommen und in Internierungslagern auf der Isle of Man in der Irischen See untergebracht. In einem dieser Lager, dem »Hutchinson Camp«, saßen 1200 Flüchtlinge ein, darunter führende Künstler, Musiker und Intellektuelle. Eine detaillierte Beschreibung dieser Masseninternie