Die Magie des Geisterwolfs - Renate Anna Becker - E-Book

Die Magie des Geisterwolfs E-Book

Renate Anna Becker

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Beschreibung

Er wurde in einer Vollmondnacht geboren und er war hässlich. Seinen kleinen Körper krönte ein viel zu großer Kopf. Er hatte übergroße Hände und Füße und ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben konnte. Die Spitze seiner Nase schien den Hang zu ver-spüren nachzusehen, ob im viel zu breiten Mund etwas drin sei. So erfährt er die Ablehnung der Gesellschaft. Er erhält die Chance, ein anderes Leben zu führen, als Wolf. Erfolgreich führt er ein Rudel und wird zum Mittler zwischen Mensch und Tier.

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Seitenzahl: 98

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Renate Anna Becker

DIE MAGIE DES GEISTERWOLFS

Impressum: 2. Auflage 2016 Autor: Renate Anna Becker Lektorat: Barbara Siwik Layout, Überarbeitung © Renate Zawrel Coverdesign © Renate Anna Becker Illustrationen © - Renate Anna Becker Bilder: pixabay Herausgeberin: Renate Anna becker Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrecht- lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Gren- zen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche- rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Personen und Handlungen in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbe- nen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

DIE MAGIE DES GEISTERWOLFS

Für alle Menschen, die – durch welchen Umstand Ausgrenzung erfahren.

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Inhalt Die Verwandlung ............................................................ 3 Der Wolf ........................................................................ 8 Das Leben im Rudel ..................................................... 19 Das Wiedersehen .......................................................... 23 Das neue Rudel............................................................. 27 Die Geisterwölfe ........................................................... 33 Die weiße Wölfin Nursia .............................................. 39 Die neue Gefährtin ....................................................... 48 Der Kampf ................................................................... 56 Der Sohn ...................................................................... 59 Die Suche nach dem Namen......................................... 65 Das große Feuer ........................................................... 73 Die Wilderer ................................................................. 85 Alexander in Lebensgefahr ........................................... 93 Das Gesetz der Wildnis ................................................ 99 Das Ende der Wilderer ............................................... 108 Tollwut ....................................................................... 117 Der alte Wolf .............................................................. 125 Die Legende ............................................................... 136

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Die Verwandlung Er wurde in einer Vollmondnacht geboren und er war hässlich.

Seinen kleinen Körper krönte ein viel zu großer Kopf. Er hatte übergroße Hände und Füße und ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben konnte. Die Spitze seiner Nase schien den Hang zu ver- spüren nachzusehen, ob im viel zu breiten Mund auch etwas drin sei. Die Augen des Neugeborenen aber waren das Merkwürdigste, allerdings auch das Schönste an ihm: Sie leuchteten in warmem Bern- steingelb.

Je älter der Junge wurde, desto drastischer und ausgeprägter zeigten sich seine körperlichen Be- schaffenheiten. Kurz gesagt - er wurde mit jedem Jahr hässlicher.

Seine Umgebung nahm ihn nur mit Abscheu wahr und mied ihn, wo immer er auftauchte. Die fortdauernde Ablehnung ließ ihn vereinsamen, er ging kaum noch aus dem Haus.

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Als er zwanzig Jahre alt geworden war, starb seine Mutter, die ihn bis dahin mit Liebe überschüttet hatte. Somit verlor er seinen letzten Halt.

Das Haus, das sie ihm vererbt hatte, lag am Stadtrand, nahe einem See und unweit eines dich- ten Waldes. Es war seine Zuflucht, wann immer ihm die geballte Ablehnung der anderen entgegen- schlug. Die Tiere des Waldes waren die besten Freunde, die er hatte. Sie machten keinen Unter- schied zwischen schön und hässlich. Dafür liebte er sie über alles.

Der Junge hatte einen Namen, der nicht so

recht zu ihm passen wollte. Die Mutter hatte ihn Felix getauft. Felix bedeutete 'der Glückliche'. Er war aber nicht glücklich, war die meiste Zeit tief- traurig. Oft dachte er, dass es besser sei, nicht mehr zu leben. Dann ging er in den Wald und re- dete mit den Tieren. Sie gaben ihm das Gefühl, zu ihnen zu gehören.

Und dann geschah es, dass sich sein Leben in einer Vollmondnacht dramatisch veränderte.

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Schon den ganzen Tag über hatte Felix das Ge- fühl, dass in ihm etwas vorging, das er sich nicht erklären konnte. Er verspürte ein unstillbares Ver- langen nach Blut. Bislang hatte er sich vegetarisch ernährt, weil er die Tiere, die er als seine Freunde betrachtete, niemals hätte töten und essen können.

Von seltsamer Unruhe getrieben, streifte er durch den Wald, drang immer tiefer in ihn ein, ge- langte an Stellen, die er noch nie aufgesucht hatte. Bis zum Abend lief er immer weiter nach Norden, geleitet von einem unbestimmten Gefühl.

Ohne Übergang endete der Wald und vor Felix lag die übersichtliche Ebene. Er schaute in eine Ferne, wie er sie nie zuvor gesehen hatte: Halbho- hes Gras reichte wie ein Teppich bis zum Hori- zont, lediglich unterbrochen von vereinzelt ste- henden niedrigen Büschen.

Zögernd betrat Felix diese Ebene und stand nun im Licht des Vollmondes. Er empfand mit ei- nem Mal körperliche Schmerzen. Es zerrte in ihm, sein Körper verkrampfte sich. Der Kopf schien sich aufzublähen, Arme und Beine dehnten sich

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und zogen sich gleich darauf wieder zusammen – nur in anderer Form. Seine Lungen saugten die Luft pfeifend ein und stießen sie stöhnend wieder aus. Das Gesicht brannte und schob sich unterhalb der Wangenknochen schnauzenartig nach vorn. Die Zähne wurden zu einem ausladenden Gebiss, zu schneidend scharfen Eckzähnen, bereit, sich in warmes Fleisch zu schlagen und es in Fetzen her- auszureißen. Felix' Haut wurde von zahllosen Na- delstichen geplagt, die Kleider platzten aus den Nähten, fielen von ihm ab …

Und dann stand er nicht mehr aufrecht, son- dern auf allen Vieren, bedeckt von dichtem, schwarzem Fell. Nichtmenschliche Laute stiegen aus seiner Kehle auf – er heulte den Mond an.

Aus der Ferne erhielt er Antwort. Mit dem aus- dauernden Lauf eines Wolfes machte Felix sich auf den Weg zu seiner neuen Familie.

Das Rudel begrüßte ihn wie ein heimgekehrtes Mitglied. Es schien, als wüssten sie, wer er sei und vielleicht war es ja auch so. Sie leckten ihm die Schnauze, eine Wölfin schmiegte sich eng an ihn,

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teilte ihre Beute mit ihm und machte ihm klar, dass sie ihn zum Gefährten wollte.

Felix war angekommen.

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Der Wolf Der Wolf Felix - groß, stark, mit blauschwarzem Fell – benahm sich anders, als die Mitglieder des Rudels. Er wusste, dass er ein Mensch gewesen war und ließ sich nicht nur von Instinkten leiten.

Das brachte dem Rudel Vorteile. Er war dennoch so klug, die Dominanz des

Leitwolfes und seiner Wölfin nicht anzutasten und verhielt sich, trotz seiner Überlegenheit, so unter- würfig wie die anderen Rudelmitglieder.

Während der Jagd glitt er wie ein Schatten durch die Nacht und war der Erfolgreichste. Er jagte zudem oft allein und stellte seine Beute den Artgenossen zur Verfügung. Diesen mangelte es dadurch nie an Nahrung.

Als der alte Leitwolf eines Tages von der Jagd nicht zurückkehrte, übernahm Felix das Rudel wie selbstverständlich. Andere Anwärter auf die Führung versuchten sich dagegen aufzulehnen, mussten jedoch bald einsehen, dass sie gegen den

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großen schwarzen Wolf nicht ankamen. Felix wählte sich nun seine Gefährtin und gab

ihr den Namen Felina. Sie war stark und ebenso erfolgreich bei der Jagd wie er.

Als das Rudel die Gefährtin des toten Leitwol- fes verjagen wollte, stellte Felix sich schützend vor sie und verhinderte, dass ihr etwas angetan wurde.

Das entsprach nicht den herkömmlichen Re- geln, aber Felix war eben nicht ‚nur‘ ein Wolf. Er führte ein brüderliches Verhalten im Rudel ein. Die schwachen, kranken und verletzten Wölfe er- hielten das Recht, zuerst von der Beute zu fressen.

Es dauerte eine Weile, ehe die Rudermitglieder begriffen, dass es der Gemeinschaft gut tat, so zu handeln.

Felix' Führung zeichnete sich auch dadurch aus, dass er mit dem Rudel die Siedlungen der Men- schen mied, obgleich dort wegen der Herden leichter Beute zu holen gewesen wäre. Er griff auf seine Erfahrung mit der Spezies zurück, der er einst angehört hatte. Mit seiner Hilfe erlernten die Wölfe die Kunst des Lauerns, das hieß, geduldig

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zu warten, bis sich die Beute im Wald und Gebir- ge in einer annehmbaren Position befand. Dadurch sparten sie körperliche Energie, die sie für die Jagd im offenen Gelände dringend brauch- ten.

Wie alle Morgen begann der Tag für die Wölfe

damit, dass sie sich spielend auf die Jagd vorberei- teten. Sie tobten durch das offene Gelände und lockerten ihre Muskeln. Die Welpen sammelten sich um eine der jungen Wölfin, die darauf achte- te, dass sich die Kleinen nicht allzu weit vom Bau entfernten.

Die erwachsenen Wölfe stoben schließlich un- ter Felix' Führung hechelnd davon. Ihr Jagdrevier war groß, sehr groß. Es gab um diese Jahreszeit zudem Beute im Überfluss.

Doch dieses Mal sollte nicht alles so ablaufen wie sonst.

Wie gewohnt liefen die Wölfe gegen den Wind, der ihnen die Gerüche zutrug. Felix hielt plötzlich im Lauf inne. Witternd prüfte er die Luft …! Ein

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Geruch wurde ihm zugetragen, den er nur zu gut kannte – Menschen. In ihrem Jagdrevier hielten sich Menschen auf.

Das Nackenhaar des Wolfes sträubte sich, sein Knurren warnte das Rudel – das wie auf Befehl den Lauf verhalten hatte – VORSICHT. GE- FAHR.

Das Gelände war hier unübersichtlich. Glück für die Wölfe! Felix gebot ihnen zu warten. Er schlich in Richtung des Geruches und da sah er sie – einen Mann, eine Frau und ein Kind. Sie sa- ßen an einem Feuer. Der Mann hatte den Arm schützend um die Frau gelegt, die das Kind sacht in den Armen wiegte. Beide hielten die Köpfe ge- senkt.

Felix hörte den Mann klagen: „Wir haben uns hoffnungslos verlaufen. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Ich habe nicht mal mehr Kugeln für das Gewehr. Was glaubst du, wie es Lisa geht?“

Die Stimme der Frau klang trostlos, als sie ant- wortete: „Ich weiß es nicht. Die Kleine schläft dauernd. Sie hat kein Fieber, aber ihr Schlaf ähnelt

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eher einer Ohnmacht. Was sollen wir nur tun?“ Der Mann nahm den Arm von ihrer Schulter

und sagte: „Lisa muss etwas essen. Ich werde ver- suchen, irgendein Tier zu fangen, obwohl ich nicht weiß, wie ich das ohne Gewehr anstellen soll. Aber untätig hier herumzusitzen bringt auch nichts. Gib du auf das Feuer acht.“ Er entfernte sich mit schleppenden Schritten.

Felix lief zu den Wölfen zurück und erklärte in

der ihnen geläufigen Lautsprache: „Da sind drei Menschen, zwei große und ein kleiner. Der kleine wird sterben, wenn ihnen niemand hilft.“

Gero, ein junger Rüde, erwiderte: „Leichte Beute. Erlegen wir sie.“

Felix knurrte ärgerlich und belehrte ihn: „Kein Wolf greift ohne Not Menschen an und macht sie zur Beute. Das ist gefährlich. Ihre Artgenossen kommen mit Gewehren und jagen uns als Vergel- tung. Wenn man den Menschen jedoch beisteht, sind sie vielleicht dankbar.“

Gero knurrte: „Heißt das etwa, wir sollen ihnen

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helfen?“ Er sprach wohl nur aus, was die anderen dachten.

Felix wandte sich daher an das Rudel: „Ihr könnt mir folgen oder nicht. Ich jedenfalls werde helfen.“

Felina hatte sich bislang still verhalten, aber nun griff sie schlichtend ein: „Gero ist zu jung, um zu wissen, dass Menschen nur im Rudel und mit Gewehren gefährlich für uns sind. Diese drei sind keine Gefahr. Lassen wir sie also in Ruhe und jagen weiter.“

Felix knurrte auch sie an. „Dann werden alle drei sterben. Sie haben den Weg verloren. Der Mann ist kein Jäger. Das Menschenkind ist krank. Bis zum Abend wird es tot sein.“

Felina antwortete: „Ich verstehe dich nicht. Du hast uns berichtet, was die Menschen dir antaten. Nun willst du ihnen helfen? Warum?“

„Weil ich einmal ein Mensch war. Meine Mut- ter hat mich gelehrt: Was man dir auch zufügt, an- getan, hat, bleibe selbst ein guter Mensch. Warum also sollte ich nicht auch ein guter Wolf sein?“

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Felina schien zu begreifen, was er meinte. „Dann geh und hilf du ihnen“, entschied sie. „Ich werde mit dem Rudel warten.“

Felix glitt auf der Suche nach einem Hasen durchs Unterholz. Es dauerte auch nicht lange, da lief ihm ein fettes Exemplar über den Weg. Ein Satz, ein Biss und das Tier war erlegt. Felix trug es dorthin, wo er die Menschen gesichtet hatte.

Die Frau saß noch immer mit dem Kind im Arm am Feuer und weinte. Felix wusste, von ihr ging keine Gefahr aus. Deshalb näherte er sich ganz offen.

Als die Frau das große Tier mit dem schwarzen Fell und den gelben Augen sah, schrie sie auf. Angst verzerrte ihr Gesicht, sie presste das Kind an sich, unternahm jedoch keinen Versuch aufzu- stehen.

Felix legte den Hasen dicht vor ihre Füße. Dann drehte er sich um und lief davon.

Verblüfft schaute die Frau ihm nach. Sie rief nach ihrem Mann, der inzwischen von der erfolg- losen Suche nach Nahrung zurückgekehrt war und

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nun in der Nähe Brennholz sammelte. Er war bereits in großer Eile auf dem Weg zum