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Hein Brummer ist ein Seemann, der das blaue vom Himmel flunkert. Sein Seemannsgarn ist berühmt. In jedem Hafen warten die großen und kleinen Kinder auf sein Schiff, die Brigitte. Dann rufen sie schon von weitem, Hein solle ihnen eine Geschichte erzählen. Immer, wenn sein Schiff, die Dreimastbark Brigitte in Gefahr kommt, sagt sein Kapitän nur drei Worte: Hein, mach wat.
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Seitenzahl: 34
Veröffentlichungsjahr: 2019
Ahoi Jungs und Deerns! Heute erzähle ich euch die Geschichte von der Meermaid Marianne. Sie lebte im Atlantischen Ozean. Ihr Vater war der Meeresgott Neptun. Nun muss man dazu sagen, Neptun war leicht auf die Palme zu bringen, also schnell erregbar. Wenn jemand nicht machte, was er befahl, dann nahm er seinen Dreizack und rührte damit das Meer um. Dadurch entstanden Stürme und Wellen, die bis zu dreißig Meter hoch wurden. Wer da mit seinem Schiff 'rein geriet, hatte ein echtes Problem.
In genau so einen Sturm schipperten wir auf der Fahrt nach Amerika. Ich war damals Moses auf der Dreimastbark Brigitte und es war meine dritte Reise zur See. Unser Kapitän stand wie ein Fels an der Haspel (so nennt man das Steuerrad, mit dem ein Schiff gelenkt wird). Seine Beine schienen mit den Planken verwachsen zu sein. Die Matrosen hatten sich dort festgebunden, wo sie sich gerade befanden, um nicht von Bord gefegt zu werden. Neben mir hing Jan in den Seilen, der erste Maat. Genüsslich kaute er einen Priem und war die Ruhe in Person, während ich wie ein Angsthase bibberte und meine Zähne wie Hämmerchen aufeinander schlugen. Jan brüllte gegen den Sturm an: „Hab man keine Angst, Jung'. Ist nicht der erste Schlamassel, in den die gute Brigitte 'reinsegelt. Unser Kapitän ist ein erfahrener Seebär.
Der hat alles im Griff.“
Das beruhigte mich ein wenig. Plötzlich platschte mir etwas vor die Füße. Ja, was war denn das? Eine Deern mit Fischschwanz zappelte an Deck herum, bekam meine Waden zu fassen und krallte sich an ihnen fest.
Jan brüllte: „Mensch, Hein! Die Deern sieht aus wie unsere Gallionsfigur, aber sie ist mächtig lebendig!“
Stumm starrten wir beide auf die Meermaid. Sie hatte langes blondes Haar und ihr Fischschwanz schillerte in allen Farben des Regenbogens. Große blaue Augen sahen ausgerechnet mich flehend an und ich hörte – trotz Sturmgeheul – ihre betörende Stimme: „Bitte, hilf mir! Mein Vater der Meeresgott will mich mit einer alten Krabbe verheiraten. Ich bin ihm gerade so entkommen, aber er ist hinter mir her. Wenn er mich erwischt, macht er Meerschaum aus mir.“
Meine Angst war wie weggeblasen, aber Jan schrie: „Hein, hör nicht auf sie! Wir werfen sie über Bord. Wenn der olle Neptun merkt, dass sie bei uns Zuflucht gesucht hat, versenkt er die Brigitte und wir saufen ab wie die Ratten.“ Jetzt schlugen seine Zähne aufeinander – es war deutlich zu hören.
In einem Punkt sollte er recht behalten: Wirklich kam der olle Neptun wutschnaubend angerauscht. Sein grauer Bart stand ihm wüst vom Kinn ab. Die langen Haare flatterten ihm wild um den Kopf. Aus seinem Dreizack fuhren grelle Blitze in den Himmel. Mann, war der sauer! Bis zu den Hüften erhob er sich aus den Fluten und überragte unser Schiff mindestens einhundert Meter! Er schob seine linke Hand unter die Brigitte und hob sie mit Mann und Maus aus dem Wasser. Wie aus weiter Ferne hörte ich den Kapitän brüllen: „Hein! Hein Brummer, mach was!“
Ich war damals kein Mickermänneken, sondern ein starker Kerl. Mit meinen siebzehn Jahren maß ich ein Meter neunzig und wog einhundert Kilo. Keiner ahnte, dass in mir ein Hasenherz schlug.
Wie der Klabautermann es wollte: Just zum Zeitpunkt der größten Not rollte mir ein Fass Rum vor die Füße. Zuvor aber traf es die Meermaid. Sie ließ meine Waden los und schlitterte auf dem Bauch über die Planken, bis sie vom Mitschiffsmast aufgehalten wurde und dort hängen blieb. Sie heulte wie eine Sirene bei Dauerfeuer! Ich aber bückte mich, griff tapfer mit beiden Händen nach dem schweren Fass und hob es über meinen Kopf. Zum Glück riss der olle Neptun gerade seinen Mund auf, um uns vollzublöken … da schmiss ich ihm zielsicher das Fass in den Rachen. Vor Schreck biss er kräftig zu, das Holz zersplitterte und der Rum rann ihm durch die Kehle in den Magen und von da direkt in den Verstand. Also – wie Rum bei einem Menschen wirkt, das wusste ich. Aber wie wirkte das Gesöff auf einen Meeresgott? Kinners, das erratet ihr nie!