Die magische Feder - Band 2 - Anna Matheis - E-Book

Die magische Feder - Band 2 E-Book

Anna Matheis

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Beschreibung

Aufregung auf dem Herzogstand - auf dem Gipfel des Berges scheint es zu spuken. Ist tatsächlich Hexerei im Spiel? Steckt vielleicht Helena dahinter, das kecke bayerische Mädchen, das es im 1. Band der Reihe "Die magische Feder" in die "Vampirische Region" verschlug? Dort erlernte sie perfekt das Hexenhandwerk und heiratete Prinz Lorenzo, den Herrscher über die Fabelwelt. Im 2. Band der Reihe wartet ein neues Abenteuer auf Helena: Für eine Rettungsmission muss sie nun ins ewige Moor aufbrechen. Doch Vorsicht, dieser Weg ist voller Gefahren! Schließlich muss sie hier ihrem ärgsten Feind erneut gegenübertreten - Silas, dem machthungrigen Vampir, der einst die Macht im übernatürlichen Königreich an sich reißen wollte ...Auch die Fortsetzung der Fantasyreihe verspricht wieder Spannung und Abenteuer und nimmt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefangen.

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Für Alfio, Irmgard, meine Familie und für dich, lieber Andi. Ich habe mein Versprechen gehalten. Im zweiten Band der Reihe »Die magische Feder« hast du auch eine »Rolle« bekommen. Du bist der bayerische Journalist Andreas M. vom Söcheringer Tagblatt.

Liebe Leserin, lieber Leser, bereits in Band 1 der Reihe »Die magische Feder« habe ich einige der Schauplätze in meiner bayerischen Heimat angesiedelt. Im nun vorliegenden Band 2 werden ebenfalls Orte und Stätten aus meiner unmittelbaren Umgebung wieder lebendig. Beispielsweise der traumhaft gelegene Walchensee und der imposante Herzogstand (ein Berg in den Bayerischen Voralpen). Allerdings sind die Geschichten, die sich um sie ranken, frei erfunden.

Danke, liebe Leser, dass ihr Helenas Geschichte weiterverfolgt und sie auf ihrer Reise ins ewige Moor begleitet! Zur Erinnerung: Im ersten Band ist Helena, geführt von der magischen Feder, ins Reich der Übernatürlichen gelangt und hat ihre Bestimmung als Hexe erkannt. Im neuen Band winken ihr wiederum spannende Abenteuer. Am Ende des Buches findet ihr einige Hintergrundinformationen zur Entstehung meiner Bücher. Nun wünsche ich euch zauberhafte Lesestunden …

Anna Matheis

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

Prolog

Liebes Tagebuch, es tut mir leid, dass du mittlerweile mit einer Staubschicht bedeckt bist. Um ehrlich zu sein, galt mein Besuch ursprünglich auch meiner Familie, aber es ist noch niemand zu Hause. Jetzt sitze ich wartend in meinem alten Zimmer in meinem Elternhaus, das noch genauso aussieht, wie ich es damals verlassen habe. Ich habe dich aus meiner alten Schublade hervorgekramt. Du lagst noch immer an demselben Fleck, was entweder bedeutet, dass ich dich wirklich gut versteckt hatte oder meine neugierigen Geschwister dich möglicherweise nie gesucht haben. Wie dem auch sei, ich sehe, dass meine letzte Eintragung bereits eine ganze Weile zurückliegt. Sie ist datiert auf jenen Abend, bevor mich Onkel Leopold damals abholte und wir nach Italien fuhren. Seitdem ist unendlich viel passiert und eines habe ich aus meinen erstaunlichen Erlebnissen gelernt: Das Leben gibt dir einen Stift in die Hand, aber schreiben musst du deine eigene Geschichte selbst. Ich gebe zu, ich gehörte zuvor auch eher zu denen, die, eingehüllt in eine Kuscheldecke, mit einer Tüte Chips neben sich daheim auf der Couch auf ein Abenteuer warteten. Wahrscheinlich würde ich auch heute noch da liegen, wenn sich mir nicht zur richtigen Zeit eine einmalige Chance geboten hätte. Vor dem Schulabschluss entschied ich mich nämlich in letzter Minute für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Die Bewerbungsfristen waren längst abgelaufen. Tatsächlich bot mir ein gutmütiger Hotelier aus der Nähe von Garmisch-Partenkirchen dennoch eine Stelle an. Jedoch erst für das folgende Jahr, wenn wieder neue Plätze frei wurden. So kam es, dass ich diese Zeit überbrücken musste, und ich entschied mich, zum ersten Mal in meinem Leben für einen längeren Zeitraum mein Heimatdorf zu verlassen, um im Hotel meines Onkels Leopold und seiner Frau Sophia in Italien ein Praktikum zu absolvieren. Das Hotel liegt nicht in irgendeiner x-beliebigen Gegend Italiens, sondern an einem sagenumwobenen Ort – der »Vampirischen Region«. Um es kurz zu machen: Ich habe es durchgezogen und bin neugierig nach Italien gefahren, jedoch bin ich nie wieder nach Hause zurückgekehrt. Zumindest nicht offiziell. Die Ausbildungsstelle konnte ich nicht antreten. Für die Bewohner meines Dorfes und die gesamte Menschenwelt, ausgenommen meine Familie, gelte ich als verschollen. Viele nahmen Anteil an meinem mysteriösen Verschwinden und empfanden Schmerz darüber. Die Einzelheiten berichte ich dir aber ein anderes Mal, denn darüber könnte ich im wahrsten Sinne des Wortes ein ganzes Buch schreiben. Diesen Zeitaufwand kann ich selbst mit dem Visionszauber, den ich mittlerweile ausgezeichnet beherrsche, nicht ausgleichen. Ich hoffe, du siehst es mir nach. Damit du trotzdem auf dem aktuellen Stand bist: Ich habe Lorenzo geheiratet. Das ist der Prinz (mittlerweile König) der übernatürlichen Welt. Unsere Hochzeit war der Abschluss und zugleich der Beginn eines neuen Kapitels in meinem Leben. Wie so oft enden Geschichten aber selten mit dem letzten niedergeschriebenen Satz, denn mit jedem neuen Morgen, an dem man aufwacht, wartet eine neue leere Seite, die gefüllt werden will …

Deine Helena

PENG!

Ich zuckte zusammen und ließ den Stift und das Tagebuch fallen. Dieser Knall kam mir bekannt vor. Dieses Mal wusste ich jedoch, dass kein Nachbar die Kontrolle über sein Leben verloren und sich erschossen hatte, sondern dass mein Papa mit übrig gebliebenen Silvesterböllern auf die Tauben vom Opa gezielt hatte. Ich will ihn nicht verteidigen, aber diese Viecher waren auch echt hartnäckig! Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass er so einen Knallkörper zu ihnen in die Luft hochjagte. Der Opa hatte, nachdem er die Tiere auf dem Schützenfest gewonnen hatte, mit viel Herzblut einen Taubenschlag samt liebevoll verspielten Details auf sein Scheunendach gebaut. Die Tauben zeigten jedoch nicht die geringste Wertschätzung dafür. Die meiste Zeit verbrachten sie in der Dachnische unseres Hauses. Zum Ärger beider Parteien. Beim letzten Mal eskalierte die Situation, als eine Taube dem Papa direkt auf den Kopf schiss. Seine Wut kannte keine Grenzen und er warf den Feuerwerkskörper zu ihnen empor. Ich nahm an, das war auch der Anlass für den erneuten Knall. Rasch sammelte ich den Stift und das Tagebuch auf und verstaute beides in meiner alten, streng geheimen Schublade. Ich lief aus meinem Zimmer, die Treppen hinunter und öffnete die Haustüre, um meine Familie zu begrüßen. Mein Blick wanderte über den Hof und blieb schließlich entgeistert an der Gestalt einer Frau hängen, die regungslos auf dem Boden lag. Sollten sich meine schlimmsten Befürchtungen dieses Mal doch bewahrheitet haben? Ein Mord in unserem friedlichen Dorf?

»Aleksandra!«, hörte ich plötzlich meine Schwester Kathi rufen und im nächsten Augenblick kam sie aus der Garage gerannt und lief zu der Frau. Gefolgt von Felix, meinem Bruder, und meinen Eltern. Aufgeregt umringten sie Aleksandra. Selbst mein Opa stürmte aus seinem nebenan gelegenen Haus. Aleksandra war die polnische Pflegekraft eines Nachbarn, die ihn vierundzwanzig Stunden am Tag umsorgte. Ich musste reagieren! Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir in der Schule gelernt, dass drei Minuten nach dem Herztod die Nervenzellen noch weiterleben. Wenn das stimmte, könnte ich ihr mit meiner Magie helfen und sie zurückholen. Mir blieb keine Zeit, um darüber nachzudenken, ob es Konsequenzen hätte, wenn ich außerhalb des Waldes, der das Reich der Übernatürlichen in sich barg, meine magischen Kräfte anwandte. Es ging hier um Leben und Tod. Als ich am Tatort ankam, sprang meine Familie überrascht zur Seite. Meine Mama sah mich verblüfft an.

»Helena? Was machst du denn hier draußen?«

»Geht einen Schritt zurück!«, entgegnete ich mit geschlossenen Augen. Ich hielt meine Hände an die Schläfen und begann bereits im Kopf einen Zauber zu formen. Einen Wimpernschlag später schlug ich die Lider auf und Aleksandra sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.

»Ist das Helena?«, fragte sie mit polnischem Akzent.

Fassungslos starrte ich zurück.

»Warum lebt sie?«

Anschließend klärte sich die Misere auf. Als meine Eltern und Geschwister von ihrem Ausflug zurückkehrten und in den Hof einfuhren, entdeckte mein Vater bereits vom Auto aus die Tauben wieder in unserer Dachnische. Fuchsteufelswild parkte er das Auto in der Garage, und noch bevor die anderen ausstiegen, warf der selbst ernannte Pyrotechniker einen Silvesterböller krachend in die Höhe. Zeitgleich ging Aleksandra über den Hof mit einem Schubkarren voller Holz und einer Zigarette in der Hand. Sie war wohl in Gedanken versunken und erschrak über den Krach dermaßen, dass sie in Ohnmacht fiel. Was bedeutete:

Sie war nie tot.

Ein lebendiger Mensch hatte mich gesehen, was nie hätte passieren dürfen.

In völliger Panik und Verzweiflung hexte ich die Zeit um fünf Minuten zurück. Mit pochendem Herzen saß ich Bruchteile von Sekunden später wieder auf dem Schreibtischstuhl in meinem Zimmer. Nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet hatte, ging ich raus auf den Hof und verscheuchte die Tauben. Es dauerte nicht lange, da bog der blaue Opel Zafira meiner Eltern erneut in die Hofeinfahrt ein. Freudig winkten mir alle Familienmitglieder zu, als sie mich entdeckten. Ich grüßte zurück und versteckte mich anschließend hinter der Mauer, da in diesem Moment Aleksandra aus dem Schuppen kam. Nachdem sie im Haus nebenan verschwunden war, eilte ich zu meiner Familie. Ich hielt den Visionszauber bereits eine Zeit lang aufrecht, es war Zeit, ihn zu beenden. Abgesehen davon fühlte ich mich nicht besonders wohl. Ein seltsames Schwindelgefühl überkam mich. Ich deutete es als Zeichen der Überreizung des Zaubers. Ich erfuhr noch, dass sie heute einen Ausflug auf den Herzogstand unternommen hatten und sich danach, bei einem Bad, im Walchensee abgekühlt hatten. Anschließend versicherte ich, dass ich bald wiederkommen würde. Als ich wieder in den Wald zurückkehrte, ahnte ich nicht, was für eine Kette von unvorhergesehenen Ereignissen ich an diesem Nachmittag ausgelöst hatte …

1. Kapitel

Nach der Hochzeit …

Nachdem Lorenzo und ich nach unserer heimlichen Trauung in unserer Dorfkirche mit meiner Familie auf das freudige Ereignis angestoßen hatten, ging das Fest im Wald weiter. Wir wurden überaus herzlich von allen Wesen und Arten der übernatürlichen Welt empfangen. Die Kälte war der Wärme gewichen und die sommerliche Landschaft märchenhaft geschmückt. Cleopha, die magische Feder, die mich einst in den Wald geführt hatte, und die Fee Mila hatten sich Zauberspiele für uns ausgedacht und es wurde bis spät in die Nacht gegessen, getanzt, gelacht und ausgelassen gefeiert. Im Gegensatz zur angespannten Stimmung, die bei der Zeremonie geherrscht hatte, die Silas und mich für immer miteinander verbinden sollte, war dieser Abend frei von Angst und Schrecken. Dank den primum maleficis, so nannten sich die Mitglieder des Gründerzirkels des übernatürlichen Königreichs, dank Lorenzo, Mila, Cleopha und auch ein kleines bisschen dank meinem Zutun gehörte das Böse in der übernatürlichen Welt fortan der Vergangenheit an. Silas’ teuflischer Plan, die Macht über das Königreich an sich zu reißen, war vereitelt. Die Nacht nach der Hochzeit war die erste, in der mir Silas nicht in einem Albtraum begegnete. Als ich meine Augen aufschlug, sah mich Lorenzo strahlend an.

»Du hast durchgeschlafen. Ich musste dich nicht aus deinen Angstträumen wecken«, stellte er erfreut fest.

»Ich glaube, ich habe erst jetzt wirklich begriffen, dass Silas fort ist und nicht mehr zurückkehren kann. Er wird seine grausamen Pläne nie verwirklichen können«, erwiderte ich erleichtert. Lorenzo umschloss mich mit seinen starken Armen und ich fühlte mich sicher. Nachdem Evolet, die einstige Anführerin des Gründerzirkels, und die primum maleficis Silas ins ewige Moor verbannt hatten, dauerte es lange, bis ich mich von der furchtbaren Zeit und von den durch ihn erlittenen Qualen erholt hatte. Es gab viele Momente, in denen ich unentschlossen vor der Grenze in die »reale« Welt stand. Der Drang, wieder in mein altes Leben zurückzukehren, in dem die Dinge noch einigermaßen heil schienen, war oft groß. Hingegen hielten mich in der übernatürlichen Welt Lorenzo, Mila und Cleopha und dort wartete ein Leben auf mich, für das ich geschaffen war. Ich war eine Hexe und sosehr ich mich auch nach meinem alten Zuhause und meinen Eltern und Geschwistern sehnte, wusste ich doch tief in meinem Inneren, dass ich nun in den Wald gehörte. Meine Lage war vergleichbar mit der Situation von Fischen. Sie brauchen Wasser, um zu überleben. Ebenso wie ich die Umgebung brauche, in der die Übernatürlichen existieren. Ein Leben außerhalb dieser Sphäre wäre mittlerweile kaum vorstellbar. Wie Evolet es mir geraten hatte, war es eine Entscheidung, die gut durchdacht sein sollte. Ich hätte mich nicht lange in meinem Dorf aufhalten können, ohne aufzufallen. Denn im Gegensatz zu den gewöhnlichen Menschen altere ich nur sehr langsam. Es würde Jahrzehnte dauern, bis man mich auf dreißig schätzte. Wie lange würde das gutgehen? Vielleicht fünf Jahre? Und was zählten schon fünf Jahre, wenn man die Ewigkeit vor sich hatte? Nichts. Ich hätte auch meiner Familie mit meiner Rückkehr keinen Gefallen getan, denn nach Ablauf meiner Zeit bei ihr hätten wir uns für die Öffentlichkeit erneut etwas einfallen lassen müssen. Die Lügen wären in eine neue Runde gestartet. Nachdem langsam Gras darüber gewachsen wäre, hätten sie wieder von vorne anfangen müssen, eine glaubhafte Erklärung für mein Verschwinden zu präsentieren, und die trauernde Familie spielen müssen. Und ich wäre ziellos auf der Erde herumgeirrt. Es war für alle das Beste, dass ich im Wald geblieben war. Durch die Visionen konnte ich in gewisser Weise auch auf beiden Seiten leben.

Ein Klopfen an der Türe riss mich aus meinen Gedanken.

»Ja?«, rief Lorenzo und wir richteten uns auf, aber es trat niemand ein.

»Eure Majestät, verzeiht die Störung. Ein Gesandter des Sternenreiches lässt fragen, ob dessen Bewohner einen Empfang für Euch vorbereiten dürfen«, wollte eine tiefe männliche Stimme hinter der geschlossenen Tür wissen. Fragend sah ich Lorenzo an.

»Tut mir leid, Helena, über all den Geschehnissen habe ich nicht mehr daran gedacht, dir davon zu erzählen. Wenn bei uns jemand heiratet, sind in der Regel alle Übernatürlichen anwesend. Es ist Tradition, dass das Brautpaar am Tag nach der Hochzeit diejenigen besucht, die an dem Fest nicht teilnehmen können, weil sie zu schwach sind. Wäre es für dich in Ordnung, wenn wir heute Nachmittag dem Sternenreich einen Besuch abstatten?«

»Natürlich«, stimmte ich zu und Lorenzo gab es an den Boten hinter der Tür weiter. Als wir seine davoneilenden Schritte vernahmen, wollten wir uns küssen. Bevor unsere Lippen jedoch aufeinandertrafen, trommelte erneut jemand gegen die Türe. Lorenzo verdrehte die Augen und ließ sich auf das weiche Kissen zurückfallen.

»Ja!«, rief er. Dieses Mal eine Spur genervt.

»Wir haben eure Stimmen gehört. Nachdem ihr endlich wach seid, wollten wir euch zum Frühstück abholen. Cleopha und ich haben alles für ein zünftiges Mahl auf der Dachterrasse vorbereitet. Bis gleich«, flötete Mila durch einen Türspalt und verschwand, noch bevor wir ihr antworten konnten.

»Ich glaube, mit unserer Ruhe ist es vorbei. Komm, Lorenzo, lass uns aufstehen«, sagte ich schmunzelnd. Ich ersparte uns die Morgentoilette, indem ich sie einfach hexte.

Wenige Augenblicke später fand ich mich auf der Dachterrasse ein. Lorenzo wurde auf dem Weg dorthin noch aufgehalten. Er musste zunächst ein wichtiges Dokument unterzeichnen und wollte nachkommen. Ich genoss in der Zwischenzeit die Aussicht auf das imposante Bergpanorama und das farbenfrohe friedlich unter uns liegende Tal, das mich ein wenig an meine Heimat erinnerte. Der Himmel war wolkenlos und die Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht. Plötzlich schwebte Cleopha vor mir auf und ab.

»Guten Morgen, Eure Majestät Helena, Königin der Übernatürlichen«, begrüßte sie mich fröhlich und verbeugte sich zierlich.

»Guten Morgen, Cleopha, Anführerin der Federn«, entgegnete ich lachend und machte einen Knicks.

»Ich grüße dich ebenfalls, liebe Helena«, meinte Mila weniger förmlich. Sie tauchte hinter mir auf und umarmte mich stürmisch. Als wir voneinander abließen, bemerkte ich ihre roten verweinten Augen.

»Was ist denn los?«, hakte ich sofort besorgt nach.

»Nichts«, brachte sie nur mit zusammengekniffenem Mund hervor. Ich legte den Kopf schief und hob die Brauen.

»Raus mit der Sprache«, forderte auch Cleopha.

»Wir können morgen darüber reden. Heute ist der erste Tag, an dem die Übernatürlichen wieder offiziell einen König und eine Königin haben. Alle feiern und ich möchte mit meiner traurigen Stimmung nicht alles verderben«, erwiderte sie bedrückt. Ich schüttelte den Kopf.

»Das ist doch Quatsch, Mila«, beschwor ich sie. »Los, setzen wir uns, und du erzählst uns, was passiert ist.«

Ich wandte mich um und erst jetzt bemerkte ich die auf den Boden gestreuten Rosenblätter. Über sie schreitend, erreichte ich einen Glastisch, der wundervoll eingedeckt war. Statt Kerzen stand in der Mitte eine Art Brunnen, aus dem kleine Herzchen in die Luft sprudelten. Drum herum war ein Buffet mit allerlei Köstlichkeiten errichtet, das keinen Wunsch unerfüllt ließ.

»Wow! Ihr seid unglaublich! Vielen Dank für das tolle Frühstück«, staunte ich beeindruckt und setzte mich auf das bequeme Polster der Sitzecke. Ich deutete auf die freien Plätze neben mir und Mila und Cleopha nahmen ebenfalls Platz.

»Obwohl es dir offensichtlich schlecht geht, hast du auch noch an uns gedacht«, fügte ich dankbar in Milas Richtung hinzu und ahnte bereits, dass ihre Traurigkeit etwas mit ihrem Feenfreund Lisandro zu tun hatte. Die beiden haben sich bisher nie offiziell zusammen gezeigt. Die Treffen zu zweit fanden meist an geheimen und verborgenen Winkeln des Waldes statt. Im Feengarten hielten sie den nötigen Abstand, um als Liebespaar nicht aufzufallen. Nicht aufzufallen, dieser Wunsch kam von Lisandro. Er wollte unter den Waldbewohnern kein Aufsehen erregen, indem er sich als Freund der Feenprinzessin vorstellte. Mila hatte das akzeptiert. Bis jetzt. In letzter Zeit, durch die Hochzeitsvorbereitungen, wurde es jedoch immer schwieriger für sie, sich unauffällig aus dem Schloss hinauszuschleichen. Abgesehen davon ging ihr langsam das Repertoire an Ausreden für die königlichen Wachen aus, mit denen sie sich an ihnen vorbeimogeln konnte, und sie bat Lisandro um eine Entscheidung. Sie sagte ihm, dass dieses Versteckspiel nicht mit ihren Aufgaben zu vereinen sei. Wenn er es ernst mit ihr meine, solle er sich demnächst öffentlich zu ihr bekennen. Als nächster größerer Rahmen für sein Bekenntnis zu ihr bot sich die Hochzeit von Lorenzo und mir an. Mila hatte ihn gefragt, ob er sie zum Eröffnungstanz auffordern würde …

»Die Vorbereitungen für euer erstes Frühstück als König und Königin hätte ich mir wirklich nicht nehmen lassen«, sagte Mila und lächelte schwach.

»Vermutlich taucht Lorenzo jeden Moment auf, also mache ich es kurz. Lisandro wollte mit mir tanzen. Dieser Tanz hätte mir wirklich viel bedeutet. Ich war unglaublich aufgeregt in den Tagen vor dem Fest und habe mich gefreut, dass es fortan keine heimlichen Treffen mehr geben würde. Zwei Tage vor der Hochzeit hat er sich nicht mehr gemeldet. Auch im Feengarten ist er nicht mehr aufgetaucht, obwohl dort für die Vorbereitungen der Feierlichkeit jede helfende Hand willkommen gewesen wäre. Trotzdem. Ich gab die Hoffnung nicht auf und habe an seinem Kommen nicht gezweifelt. Gekommen ist Lisandro auch. Nur nicht alleine. Er kam am Hochzeitsabend mit einer hübschen weiblichen Begleitung und würdigte mich keines Blickes.«

»Was?!«, riefen Cleopha und ich wie aus einem Mund aus. Mitfühlend sah ich Mila an. Es war für sie bestimmt ein Schlag ins Gesicht. Sie war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass dieser Abend ihre Chance war. Der Startschuss für eine gemeinsame Zukunft. Mila wollte dafür alles perfekt haben und hatte vieles bis ins kleinste Detail geplant. Angefangen bei ihrem äußeren Erscheinungsbild. Ich musste ihr unter anderem eine Million Mal ein neues Kleid hexen, weil sie Lisandro unbedingt gefallen wollte. Und nun so etwas? Sie hatte ihn nicht gebeten, ihr auf der Bühne einen Heiratsantrag zu machen und sich für immer an sie zu binden, sondern lediglich um einen Tanz. Hatte ihn das so sehr unter Druck gesetzt, dass er das Weite suchen wollte? Oder waren seine Gefühle für Mila möglicherweise nicht so stark …

»Ich bin wirklich sprachlos! Was ist bloß in ihn gefahren?«, schimpfte ich fassungslos und Mila rann eine einzelne Träne über die Wange. Ich hexte ihr ein Taschentuch herbei und Cleopha setzte sich auf ihre Schulter.

»Kennen wir denn seine Begleitung?«, fragte sie.

»Das ist sehr unwahrscheinlich. Tatsächlich habe auch ich sie noch nie zuvor gesehen. Ich habe meine Feenkontakte genutzt und zumindest herausgefunden, dass sie Ella heißt und eine Elfe ist. Eine sehr klein geratene, nebenbei bemerkt. Auf der Hochzeit hatte ich keine Gelegenheit, mit den Elfenzwillingen zu sprechen. Da sie seit jeher von der Außenwelt abgeschottet wurden, ist es zwar unwahrscheinlich, dass sie etwas über sie wissen, aber ich werde sie trotzdem fragen, wenn ich sie sehe«, antwortete Mila und im selben Moment trat Lorenzo auf die Dachterrasse. Er entschuldigte sich für die Verspätung, lobte ebenfalls das Frühstücksaufgebot und setzte sich zu uns. Ich legte Mila eine Hand auf die zarte Schulter.

»Wir reden später weiter.«

Sie nickte mir dankbar zu und stand auf. Mila und Cleopha verabschiedeten sich und wir bedienten uns an den Leckereien.

»So viel wie ich in den letzten vierundzwanzig Stunden gegessen habe, habe ich in meinem ganzen Leben nicht verspeist«, teilte mir Lorenzo mit, während er herzhaft in ein ofenfrisches, selbst gebackenes Brötchen biss, und ich lachte. Lorenzo konnte als Halbvampir und Halbdrache zwar Lebensmittel zu sich nehmen, aber er kam auch problemlos jahrelang ohne sie aus.

»Das reicht für die nächsten Wochen«, fügte er satt hinzu und ich kniff die Brauen zusammen.

»Vergiss es! Das war erst der Anfang. Wie du weißt, bin ich als Hexe sehr wohl mit Appetit gesegnet und obendrein kann ich mir zu jeder Tageszeit ein ganzes Schlaraffenland voller Gaumenfreuden herbeizaubern. Ich gedenke davon oft Gebrauch zu machen und zum Verzehr brauche ich dann jede Unterstützung.«

2. Kapitel

Nach dem ausgiebigen Frühstück machten wir uns bald auf den Weg ins Sternenreich. Vor dem Schloss auf dem Abflugplatz empfing uns die königliche Garde. Dort wartete bereits eine imposante, gläserne und aufwändig verschnörkelt geformte Kutsche mit goldenen Elementen. Die Polster der Sitze waren in einem reinen Königsblau gehalten und geführt wurde das Gefährt von Runa, einer riesengroßen Schneeeule. Ein kleinwüchsiger Kutscher mit spitzen Ohren trat auf uns zu. Er war halb Zwerg, halb Elfe. Er verbeugte sich und öffnete uns die Türe. Lorenzo hielt mir seinen Arm entgegen. Ich stützte mich darauf und trat auf die gläsernen Stufen. Drinnen angekommen, ließ ich mich auf das weiche Polster fallen. Lorenzo setzte sich neben mich und gab dem Kutscher ein Zeichen. Die Türe fiel ins Schloss und Runa schwang sich mit ihren überdimensionalen Flügeln auf. Anmutig hoben und senkten sich ihre Schwingen, sodass ein sanfter Windzug wehte. Gleichzeitig setzte sich die Kutsche in Bewegung. Es war mit einem Flugzeugstart zu vergleichen. Zunächst rollten wir langsam los. Danach wurden wir schneller, bis uns die Schwerkraft schließlich in den Sitz drückte. Der einzige Unterschied war, dass wir nicht aufwärts flogen, sondern abwärts. Der Abflugplatz befand sich nämlich am Rande eines Abgrunds von schwindelerregender Tiefe. Ich hatte keine Angst, aber es war mir doch lieber, wenn ich selbst auf meinem Besen flog. Jedoch schickte sich das nicht, wenn das Königspaar zu einem offiziellen Termin nicht standesgemäß anreiste.

»Gefällt es dir?«, fragte Lorenzo. Ich nickte und ließ meinen Blick in die Ferne schweifen. Ich war jedes Mal aufs Neue beeindruckt von dieser Perspektive. Hier oben sah die malerische Gegend noch märchenhafter aus als von der Erde aus betrachtet. Die winzigen Schlösser, Täler, Wiesen und Seen …

»Wir sind bald da«, kündigte Lorenzo an und ich erkundigte mich nach dem Sternenreich.

»Du bist gar nicht mehr dazu gekommen, mir zu erklären, was das für ein Reich ist.«

»Weißt du, was ein Hospiz ist?«, fragte Lorenzo.

»Ja. Bei uns Menschen … äh, ich meine natürlich, bei den Menschen, gibt es Hospize. Das sind Pflegeeinrichtungen, in der Sterbende bis zu ihrem Tod betreut werden. Auch der Angehörigen nimmt man sich dort an. Aber was hat das mit der übernatürlichen Welt zu tun?«

Lorenzo lächelte.

»Tatsächlich hat das menschliche Konzept von einem Hospiz Ähnlichkeiten mit dem Sternenreich. Wie du weißt, sind wir mit dem ewigen Leben gesegnet, aber das irdische Dasein ist zeitlich begrenzt. Danach existieren wir bis ans Ende aller Zeiten in der passiven Sphäre weiter. Niemand weiß, wo sie ist, jedoch verbinden viele die Vorstellung davon mit dem Universum, dem Himmel und den Sternen. Daher der Name: Sternenreich. Wenn die Zeit für den Wechsel naht, kann es bei dem Einzelnen Anzeichen in Form von Schwäche und unaufhaltsamen, unheilbaren Krankheiten geben. Viele entscheiden sich, das Ende bzw. die verbleibende Zeit bis zum Übergang in die passive Sphäre im Sternenreich zu verbringen. Wie du dir sicher vorstellen kannst, ist es keine gewöhnliche Einrichtung, aber davon wirst du dir gleich selbst ein Bild machen können.«

Nach einer Weile drosselte Runa ihre Geschwindigkeit und wir glitten tiefer. Die Einzelheiten der Landschaft erblickten wir nun wieder lebensgroß und wir flogen über einen breiten Fluss mit glasklarem Wasser, das den Blick auf den mit Steinen besetzten Boden freigab. Umgeben wurde er beidseitig von einem Wald. Plötzlich tauchte am rechten Ufer ein kleiner Hügel auf. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass sich mitten in dem Hügel ein mit üppigen Pflanzen überwachsenes türkisblaues Türchen befand. Ein moosüberwuchertes Treppchen führte dorthin. Lorenzo deutete darauf.

»Das ist der Eingang.«

In diesem Augenblick setzte Runa zur Landung an. Sanft kamen wir auf der Wiese auf. Der Kutscher sprang eilig von seinem Bock und öffnete uns die Türe. Lorenzo stieg aus und half mir aus dem Gefährt. Er nickte dem Kutscher zu und dieser zog sich zurück.

»Bist du bereit?«, fragte Lorenzo aufmunternd. Verwirrt wanderte mein Blick von ihm zu dem Hügel und wieder zurück.

»Ja, das bin ich, aber ich bin gespannt, wie wir die Treppe emporsteigen werden. Auf eine der filigranen Stufen dort passt höchstens mein großer Zeh. Und die Tür? Sie ist gerade mal so breit wie meine Hand. Am besten, du gehst voraus, nicht, dass ich alles kaputttrampele.«

»Ich merke, du hast noch längst nicht alle Facetten des Waldes erkundet«, entgegnete er grinsend. Sanft schob er mich in die Richtung der Stufen. Zunächst zögerte ich, jedoch vertraute ich ihm und wusste, dass er mich niemals einer Gefahr aussetzen würde. Ich setzte einen Fuß, oder zumindest den Teil davon, der darauf Platz fand, auf die erste Stufe. Wie durch Zauberhand wurde daraufhin die ganze Treppe von schillerndem Nebel umhüllt. Wenige Sekunden später verpufften die Nebelschwaden in einem atemberaubenden Glitzerregen. Anstelle der winzigen befand sich nun unter meinen Fuß eine angemessen große Stufe.

»Wow!«, rief ich aus und wirbelte zu Lorenz herum.

»Ich wusste, dass dir das gefallen würde.«

Ich wandte mich zur Treppe um und stieg beeindruckt die restlichen Stufen empor. Als ich sie erklommen hatte, stand ich vor der zwergenhaften Tür.

»Und nun?«

»Nun kannst du die magische Pforte öffnen, indem du die Türklinke berührst«, sagte mein Begleiter und ich wollte wissen, warum er die Tür als »magische Pforte« bezeichnete. Lorenzo trat an meine Seite und erklärte, dass mit dem Passieren der Pforte und dem Eintritt ins Sternenreich die Entscheidung eines kranken oder schwachen Übernatürlichen besiegelt wurde. Lebenserhaltende Magie konnte nun nicht mehr angewandt werden. Die Schmerzen wurden jedoch automatisch gelindert.

»Kommen alle Übernatürlichen einmal hierher?«, wollte ich wissen und Lorenzo schüttelte den Kopf.

»Nein. Es gibt Übernatürliche, die eines Tages einfach umfallen und deren Seele ohne vorherige körperliche Leiden in die passive Sphäre aufsteigt. Manche wollen in ihrer letzten irdischen Phase auch zu Hause bleiben. Von den ersten Krankheits- oder Schwächeanzeichen bis zum letztendlichen Dahinscheiden dauert es nie lange. Es gibt einen Unterschied zu den Menschen. Ich habe gehört, dass es sich bei ihnen oft Jahre hinziehen kann, bis sie erlöst werden. Trotzdem erleichtert bei den Übernatürlichen der Wechsel in das Sternenreich den letzten Weg. In der gewohnten häuslichen Umgebung hingegen sind die Verwandten oft mit der Aufgabe überfordert, den Übergang möglichst angenehm zu gestalten.«

Verständnisvoll sah ich zu ihm auf und wir beschlossen hineinzugehen. Als meine Finger den Miniaturgriff berührten, überkam mich plötzlich ein beklemmendes Gefühl. Die Übernatürlichen, denen ich gleich begegnen würde, würde ich erst einmal lange Zeit nicht wiedersehen, wenn ich diese Pforte nach unserem Besuch wieder hinter mir schloss. Das einzig Tröstliche war, dass deren Angehörigen sicher wussten, dass ihre Nächsten in der passiven Sphäre ewig weiterexistierten. Bei den Menschen gibt es aufgrund der verschiedenen Religionen unterschiedliche Theorien über das Leben nach dem Tod. Da es keine Nachweise für die Art der Weiterexistenz gibt, obliegt es einem selbst, was man glaubt.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die Tür wuchs, auf ebenso magische Weise wie die Stufen zuvor. Sie öffnete sich von selbst und dahinter verbarg sich erstaunlicherweise ein Ort, der alles andere als winzig war.

»Willkommen im Sternenreich. Königin Helena und König Lorenzo, es ist uns eine Ehre, Euch heute hier begrüßen zu dürfen. Tretet ein.«

Fragend sah ich Lorenzo an.

»Wer spricht da?«

Schmunzelnd deutete Lorenzo auf den Boden. Ich ließ meinen Blick nach unten gleiten und hüpfte überrascht zur Seite. Eine Schar Trolle hatte sich vor unseren Füßen versammelt.

»Wir wollten dich nicht erschrecken, liebe Helena«, meinte einer von ihnen entschuldigend. Ich bückte mich und die winzigen Trolle beugten das Knie.

»Oh, Entschuldigung, dass ich euch übersehen habe.«

Die Trolle richteten sich wieder auf und blickten mir mit freundlichen Augen entgegen. Ich mag diese Wesen. Sie sind höchstens eine Elle lang. Der Kopf macht im Verhältnis zu den restlichen Körperteilen beinahe ein Drittel aus. Hervorstechend sind die großen Glubschaugen, die breite, runde Nase und die langen, spitzen Ohren. Erhascht man ein niedliches Lächeln, sieht man die entblößten riesigen und schief gewachsenen Zähne. Außerdem laufen die Trolle meistens barfuß, haben eine schilfgrüne Hautfarbe und ihre Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab. Bekannt sind die Trolle für ihre unvergleichlichen Heilkräfte. Viele leben tief im Wald, um dort eigene Kräuter anzubauen und geheime Tinkturen zu mixen. Sie haben sich eine Art Lager errichtet, das die anderen Übernatürlichen aufsuchen können, wenn sie die Hilfe der Trolle benötigen.

Ein Troll trat vor und sprach zu uns.

»Die Freude ist ganz auf unserer Seite. Wenn ich mich vorstellen darf. Mein Name ist Eskebarn. Ich leite das Sternenreich seit fünfundneunzig Jahren. Derzeit betreuen wir drei Übernatürliche. Ich schlage vor, dass wir sie nun besuchen. Im Augenblick sind alle wach. Da sie alle sehr schwach sind und schnell müde werden, sollten wir die Gunst der Stunde nutzen. Bitte folgt mir.«

Die anderen Trolle bildeten eine Gasse und wir folgten Eskebarn. Zunächst gingen wir durch einen überwachsenen, hölzernen Torbogen. Lorenzo und ich mussten unsere Häupter senken, um hindurchzupassen. Nach dem Passieren gelangten wir mitten in die Anlage des Sternenreiches. Staunend sah ich mich um. Es befand sich unter einer riesigen Kuppel. Grob betrachtet war es das übernatürliche Königreich in Miniaturformat. Mittig glitzerte ein kleiner eisblauer See, drum herum breitete sich eine saftig grüne Wiese aus, an die sich nach einigen Metern der Wald anschloss. Versetzt führten jeweils unterschiedlich gestaltete