Die magische Feder - Band 3 - Anna Matheis - E-Book

Die magische Feder - Band 3 E-Book

Anna Matheis

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Beschreibung

Die Vampire sind los! Im Ort Villa Anna nahe der "Vampirischen Region" herrscht Aufregung. Bislang trennte ein undurchdringliches magisches Band die menschliche Welt von der übernatürlichen Sphäre. Doch nun ist es durchlässig geworden und die Balance der beiden Welten gerät ins Wanken. Kann Helena - die junge bayerische Hexe, die das Erbe beider Welten in sich trägt - das Gleichgewicht wiederherstellen? Dazu müsste sie das Geheimnis der schwarzen Rose ergründen, die rätselhafterweise ihre Blätter verliert. Nur Silas, der mächtige Vampir und alte Erzfeind, kann sie zu der Blume bringen...Auch der dritte und letzte Band der beliebten Reihe "Die magische Feder" von Anna Matheis vereint wieder mitreißend Spannung und Fantasy mit bayerischem Lokalkolorit!

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Für Kim Skodowski, Sandra D. & Irmgard

Bisher hatte ich die zwei Welten strikt voneinander getrennt: den Wald, der voller Magie steckte, und den Rest, mein Zuhause, in dem Normalität herrschte.«

(Zitat der bayerischen jungen Hexe Helena, aus: »Die magische Feder – Band 2, Die Reise zum ewigen Moor« von Anna Matheis)

Liebe Leserin, lieber Leser, ich stelle diesem 3. Band über die Abenteuer der jungen Hexe Helena ein Interview voran. Wie ihr aus den ersten beiden Bänden wisst, stecken hinter einigen Figuren meiner Bücher reale Personen meiner unmittelbaren Umgebung, die auch die Namen ihrer Vorbilder tragen. Eine dieser Figuren ist Andi – im wahren Leben mein jüngerer Bruder. Im Buch verkörpert er den bayerischen Journalisten Andreas M. vom »Söcheringer Tagblatt«. Ihm habe ich, bevor ich den 3. Band zu schreiben begann, ein paar Fragen gestellt:

Lieber Andi, wie gefällt dir deine Rolle in meinem Roman? »Ich finde die Rolle interessant. Der Beruf des Journalisten ist spannend. Reporter dürfen sozusagen von Berufs wegen neugierig sein, Nachforschungen anstellen, um ihre Leser über neue und wichtige Ereignisse zu informieren.«

Wie war es für dich, deinen Namen im 2. Band zu lesen, mit dem Wissen, dass du gemeint bist?

»Ich finde es cool, dass ich da verewigt wurde – wie auch andere dir nahestehende Menschen. So im 1. Teil der ›Magischen Feder‹ zum Beispiel dein Freund Alfio und im 1. und 2. Band deine beste Freundin Irmgard.«

Wie, glaubst du, wird sich Andreas M. verhalten? Am Ende von Band 2 haben wir erfahren, dass er im Besitz eines aktuellen Fotos von Helena ist. Das Foto wurde mittels einer Drohne aufgenommen, als Helena und der Vampir Silas für wenige Sekunden am Gipfelkreuz des Herzogstandes (einem Berg in den Bayerischen Voralpen) sichtbar waren. Bis jetzt wurde das Beweisfoto nicht veröffentlicht und es ist wichtig, dass es auch so bleibt, denn für die Bewohner ihres Dorfes und die gesamte Menschenwelt, ausgenommen ihre Familie, gilt Helena als verschollen. Unvorstellbar, was es für ein Chaos auslösen würde, wenn alle Hele nas wahre Geschichte kennen würden … Glaubst du, Andreas M. veröffentlicht das Bild?

»Ich denke nicht, dass er das Foto veröffentlichen wird. Helena und ihre magischen Freunde können das bestimmt verhindern. Trotzdem glaube ich, dass er in diesem Buch viel erleben wird.«

Was wünschst du dir für »deine Rolle«?

»Ich hoffe, dass Andreas M. als Reporter des ›Söcheringer Tagblatts‹ auf der Suche nach der Wahrheit nicht allzu viel Schaden anrichten wird.«

Und zur letzten Frage: Was sind deine Vermutungen für den 3. Band? Was wird passieren?

»Ich könnte mir vorstellen, dass alle Hindernisse beseitigt werden, damit Helena ihre Leben zwischen beiden Welten vereinbaren kann und keine schlimmen Sachen mehr passieren. Die Buchreihe wird bestimmt mit einem Happy End abgerundet. Helena wird mit Lorenzo zusammenleben, aber … (Andi überlegt) … aber vielleicht baust du auch was Spannendes ein? Vielleicht stirbt einer von beiden?« (»Was?!«, frage ich entsetzt und wir beide müssen lachen. )

Danke, Andi, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. Mal sehen, was sich von deinen Vermutungen bewahrheitet und was ganz anders geschehen wird. Und nun übergebe ich das Wort an Helena, die Protagonistin meiner Buchreihe »Die magische Feder« …

Zauberhafte Lesestunden wünscht euch eure Anna Matheis PS: Ich habe noch eine bayerische Kurzgeschichte am Ende des Buches angehängt, die ihr gern durchlesen könnt. In »Out of Bavaria« geht es um einen Familienurlaub von Helena, den sie erlebt hat in dem Jahr, bevor sie das Praktikum in Italien begann und es sie in die magische Welt verschlug.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Hauptfigur

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Vierundzwanzig Stunden später

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Vorwort der Hauptfigur

Liebe Leserin, lieber Leser, ♥-lich willkommen zurück in meiner magischen Welt. Es freut mich riesig, dass ihr mich auch auf meinem neuen (und leider letzten) Abenteuer begleiten werdet, um das Geheimnis der schwarzen Rose zu lüften. Anna Matheis, die Autorin dieser Buchreihe, hat auch in dem neuen Band wieder reale Schauplätze aus meiner Heimat miteingebaut. Beispielsweise spielt das Backhaus Tichelkamp, dessen Hauptbetriebssitz in Obersöchering liegt, eine Rolle. Danke bereits an dieser Stelle an das Team des Backhauses (besonders an Rochus Tichelkamp jun.), dass eure traditionsreiche Bäckerei in die Handlung eingeflochten werden durfte. Seid gespannt, was dort in meinem Auftrag hergestellt wird.

Des Weiteren wird …

Oh, verzeiht, Lorenzo ruft nach mir. Ich muss weg. Also – Popcorn bereit? Kopfkino an! Es geht los …

Verhexten Spaß wünscht euch eure Helena!

1. Kapitel

PENG!

Nein, dieses Mal stammte das Geräusch nicht von einem Silvestergeschoss. In der Vergangenheit gab es diesbezüglich ein paar unschöne Zwischenfälle, die regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen meinem Vater und Opa geführt haben. Alles fing an, als mein Opa auf dem örtlichen Schützenfest als Siegerprämie Tauben gewann. Mit viel Herzblut baute er danach einen Taubenschlag mit liebevoll verspielten Details auf sein Scheunendach. Die Tiere zeigten jedoch nicht die geringste Wertschätzung dafür. Die meiste Zeit verbrachten sie nämlich in der Dachnische unseres benachbarten Hauses. Zum Ärger beider Parteien. Zum ersten Mal eskalierte die Situation, als dem Papa eines Morgens eine Taube direkt auf den Kopf schiss. Seine Wut kannte keine Grenzen und er warf einen Feuer werkskörper zu dem Taubenschlupfloch empor. Leider hielt der Schreck, den er ihnen damit einjagte, nicht lange an. Nur wenige Zeit später siedelten sie sich erneut bei uns an. Eines Tages, als meine Familie von einem Ausflug zurückkehrte, entdeckte mein Vater bereits vom Auto aus die Tauben wieder in unserer Dachnische. Fuchsteufelswild parkte er das Auto rasch in der Garage, und noch bevor die anderen ausstiegen, warf der selbsternannte Pyrotechniker erneut einen Silvesterböller krachend in die Höhe. Zeitgleich überquerte Aleksandra, die polnische Pflegekraft eines Nachbarn, den Hof mit einem Schubkarren voller Holz und einer Zigarette in der Hand. Sie war wohl in Gedanken versunken und erschrak über den Krach dermaßen, dass sie in Ohnmacht fiel. Das blieb auch für mich nicht ohne Folgen. Blöderweise hatte ich nämlich nur die Hälfte von dem Vorfall mitbekommen. Als meine Eltern heimkamen, wartete ich gerade in unserem Haus auf sie. Alles, was ich zu hören meinte, war ein Schuss. Als ich nach draußen lief, um mich zu vergewissern, sah ich Aleksandra regungslos auf dem Boden liegen. Ich schätzte das sich mir bietende Szenario völlig falsch ein. Ich dachte, sie wäre tot – umgebracht worden. Mir fiel ein, was wir in der Schule gelernt hatten: dass nach dem Herztod die Nervenzellen eines Menschen noch drei Minuten weiterleben. Also stürmte ich zu ihr, und als ich gerade einen lebensrettenden Zauber sprechen wollte, schlug Aleksandra die Augen auf und sah mich an. Ein lebender Mensch hatte mich gesehen! Das hätte nie passieren dürfen. Die Misere klärte sich auf, und um den Vorfall ungeschehen zu machen, hexte ich vor lauter Schreck die menschliche Zeitzone um fünf Minuten zurück. Abgesehen davon, dass es verboten ist, außerhalb des magischen Waldes Hexerei anzuwenden, war es ein sehr mächtiger Zauber. Ein mächtiger Zauber, der gefährliche Folgen nach sich zog. Das Gleichgewicht der Erde geriet nämlich ins Wanken. Rubina, von der ich nicht herausfinden konnte, welche gewaltige Kraft sie verkörpert, ist für den Erhalt des Gleichgewichts verantwortlich. Wenn es sie nicht mehr gibt, werden die Schranken zwischen den Menschen und den Übernatürlichen fallen. Was das genau bedeutet, haben wir – den Hexen sei Dank – nicht herausfinden müssen, denn allem Anschein nach hat sich glücklicherweise das Gleichgewicht zwischen den beiden Welten dann doch wieder von selbst eingependelt …

Kommen wir zurück zu dem Knall. Dieses Mal war meine Mama die Übeltäterin. Ihr war ein Blech voller ofenfrischer Plätzchen aus der Hand gefallen. Scheppernd krachte es auf den Fußboden.

»Das darf doch nicht wahr sein!«, schimpfte sie, während ein fröhliches Weihnachtslied aus den Lautsprechern des Radios tönte. Den Schuldigen suchend blickte sie in meine Richtung.

»Menschenskinder! Helena! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du deinen Besuch ankündigen und nicht urplötzlich in unserer Küche sitzen sollst? Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du mich damit irgendwann zu Tode erschreckst. Lass dir diesbezüglich endlich etwas einfallen! Wie lange bist du schon eine Hexe? Da sollte …«

»Entschuldigung, dass ich dich überraschen wollte. Schließlich war ich schon eine Weile nicht mehr da. Ich dachte, du freust dich«, konterte ich schmollend. Tatsächlich war ich schon mehrere Wochen nicht mehr in meinem Dorf gewesen, um meine Familie zu besuchen, denn Lorenzo und ich hatten es endlich geschafft, unsere lange geplante Reise nachzuholen. Ich habe ihm die schönsten Orte der von Menschen gestalteten Welt gezeigt. Da der Wald von einem magischen Band eingezäunt wird, mussten wir ihn nicht wirklich verlassen, sondern sind mittels des Visionszaubers, eine Art bewusst erlebter Traum, ausgereist. Der Zauber funktioniert jeweils für kurze Zeitspannen, weshalb immer nur Raum für Stippvisiten blieb. Täglich haben wir die verschiedensten Plätze der Erde besucht und erkundet. Und jetzt hatte ich einfach ein bisschen Sehnsucht nach meinen Verwandten. Das Wiedersehen hatte ich mir allerdings emotionaler vorgestellt …

»Warum backst du überhaupt in aller Herrgottsfrühe Plätzchen?«, fragte ich, um von mir abzulenken. Sie bückte sich und schob das zerbröckelte Gebäck zu einem Haufen zusammen.

»Das kannst du deinen Bruder fragen.«

»Felix? Wieso?«, erkundigte ich mich und stand auf, um meiner Mama einen Eimer für die Abfälle zu bringen. Sie schaufelte mit den Händen alles zusammen und leerte den Krümelberg dorthinein.

»Bevor er heute zum Bus gegangen ist, um in die Schule zu fahren, ist ihm eingefallen, dass er seit zwei Wochen vergessen hat, mir etwas auszurichten: nämlich dass er seiner Klasse versprochen hat, Plätzchen für die Adventsfeier mitzubringen. Dreimal darfst du raten, wann die Feier stattfindet.«

»Heute?«, fragte ich vorsichtig.

»Richtig! Und zwar bereits in der zweiten Stunde. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das nach diesem Malheur noch schaffen soll«, grollte sie und ich bemerkte die aufflammende Hektik in ihrer Stimme. Backen war noch nie ihre Leidenschaft gewesen, weshalb sie es bei sämtlichen Feierlichkeiten nur allzu gern immer der Oma überlassen hatte. Diese hatte sich gerade zur Weihnachtszeit stets völlig verausgabt und jedes Jahr wieder selbst übertroffen. Ich erinnere mich, dass sie einmal vierundfünfzig verschiedene Plätzchensorten backte. Manchmal musste sie sogar Tabletten für ihre Knie einnehmen, da diese von dem vielen Stehen abends schmerzten. Jedoch nahm die Oma die Mühen gern in Kauf. Wenn sie noch leben würde, hätte Felix schachtelweise Plätzchen in die Schule mitnehmen können, aber seit ihrem Tod sah der Vorrat eher mager aus. Sah man von ein paar obligatorischen, simplen und halb verkokelten Butterplätzchen ab, herrschte in den dafür vorgesehenen Dosen und Büchsen nun gähnende Leere.

»Weißt du was? Ich habe eine Idee! Warte hier«, sagte ich und hexte mich einen Wimpernschlag später zurück in den Wald. Dort zauberte ich eine riesige Box, gefüllt mit weihnachtlichem Gebäck. Anschließend reiste ich mittels des Visionszaubers wieder zurück in die heimelige Küche. Als die Mama mein Mitbringsel bemerkte, fiel sie mir vor Erleichterung um den Hals.

»Oh, danke! Manchmal ist es eben auch gut, dass wir eine Hexe in der Familie haben.«

Ich rollte mit den Augen und schob sie von mir weg.

»Aha, dafür bin ich jetzt wieder gut genug«, mahnte ich gespielt tadelnd und lächelte sie an. Jedoch verbarg sich hinter meinem Lächeln plötzlich ein altbekanntes, lang verborgenes Gefühl. Heimweh. Langsam und schleichend kroch es aus dem gut gehüteten, versteckten Winkel meines Herzens hervor.

»Ich muss wieder zurück«, erklärte ich hastig, bemühte mich neutral zu klingen und die Tränen, die sich bereits ihren Weg bahnten, zu unterdrücken. »Richte Felix und den anderen liebe Grüße aus. Ich komme bald wieder.«

»Das mache ich gern. Sie freuen sich sicher alle, wenn sie dich bald wiedersehen«, erwiderte meine Mama freudig. Glücklicherweise war sie zu sehr mit dem Begutachten der reichlich bestückten Box beschäftigt, als dass sie meinen Stimmungswechsel bemerkte. Ich schloss meine Lider, um den Spruch in meinem Kopf zu sprechen, der mich zurück in den Wald brachte. In diesem Moment fiel es mir besonders schwer, mich von meinem einstigen Zuhause zu lösen. Was ich an diesem Tag nicht ahnen konnte, war, dass ich diesbezüglich schon bald eine schwerwiegende Entscheidung treffen musste …

2. Kapitel

Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas war hier ganz und gar nicht geheuer. Es braute sich etwas zusammen. Das spürte ich. Seit dem letzten Besuch in meiner Heimat, der ein paar Tage zurücklag, überkam mich ständig ein mulmiges Gefühl, gefolgt von Schwindel. Oft verschwand es ebenso schnell, wie es gekommen war, und manchmal hielt es mehrere Minuten an. Ich hatte meinen magischen Freunden davon erzählt und sie vermuteten, dass mich die häufigen Reisen geschwächt haben könnten. Möglicherweise war das Pendeln zwischen den Welten wirklich zu viel für mich?

Ein zaghaftes Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken.

»Ja?«

»Darf ich reinkommen?«, fragte Cleopha, meine persönliche sprechende Feder.

Erschöpft richtete ich mich auf meinem Bett auf.

»Natürlich. Du bist jederzeit willkommen.«

Knarrend wurde die Tür einen Spaltbreit aufgeschoben und Cleopha schwebte hindurch. Sie ließ die schwere Holztür wieder hinter sich ins Schloss fallen und warf mir einen besorgten Blick zu.

»Geht es dir wieder besser?«

»Ja, ich bin nur noch nicht richtig ausgeschlafen«, antwortete ich gähnend. Gestern Abend hatte ich mich bei der Präsentation einer neuen Züchtung des Feengartens zurückgezogen, lange bevor die Ersten aufbrachen, weil mich erneut dieses seltsame Gefühl erfasst hatte. Doch nun? Nun fühlte ich mich nur noch nicht richtig ausgeschlafen, was aber höchstwahrscheinlich der frühen Uhrzeit zuzuschreiben war, denn Lorenzo und ich wollten in den ersten Morgenstunden zu einem Empfang in die Fledermausgrotte aufbrechen.

»Das ist wirklich merkwürdig«, meinte Cleopha und zog grübelnd die Brauen zusammen.

»Warum?«, hakte ich nach. »Du bist doch bestimmt gekommen, um mich zu wecken, oder?«

»Eigentlich wollte dich Lorenzo heute Morgen aufwecken, aber es ist ihm nicht gelungen. Du hast tief und fest geschlafen. Er ist dann ohne dich zu eurem Termin aufgebrochen und hat mich gebeten, nach dir zu sehen.«

Erstaunt blickte ich Cleopha an.

»Was sagst du? Moment mal. Wie spät ist es denn?«

»Es ist bereits Nachmittag«, informierte mich die Feder. Sie flog quer durch den Raum und zog schwerfällig die samtigen weinroten Vorhänge auf. Augenblicklich fiel Licht in den Raum. Ich spähte aus dem Fenster und sah, dass die Sonne bereits hoch am Himmel stand. Tatsächlich. Die frühen Morgenstunden, in denen ich sonst schon hellwach war, waren längst vorüber. Wie konnte das passieren? Ich hatte über fünfzehn Stunden geschlafen. Dreimal so lange wie sonst. Und ich war immer noch müde. Als ich noch ein Mensch war und länger geschlafen habe als gewöhnlich, hat sich meist Fieber oder eine andere Krankheit angebahnt, aber als Hexe kann man doch gar nicht krank werden – oder?

»Ich bin wirklich erschrocken, dass es schon so spät ist, und auch darüber, dass es Lorenzo nicht vermocht hat, mich zu wecken. Hast du eine Idee, was dahinterstecken könnte?«

Nachdenklich schüttelte Cleopha den Kopf, während sie vom Fenster in die Richtung meiner Bettkante schwebte.

»Nein, leider nicht, und das beunruhigt mich. Was ich mir aber durchaus vorstellen kann, ist, dass es einen Zusammenhang zu deinem gestrigen Befinden und dem der letzten Tage gibt. Und eines weiß ich gewiss: Du bist die mächtigste Hexe im ganzen Wald, und deshalb sind deine Müdigkeit und dein Unwohlsein nicht normal. Wir sollten schleunigst herausfinden, was mit dir los ist.«

Ich nickte zustimmend und schälte mich aus der Bettdecke. Auf leicht wackeligen Beinen ging ich zu meinem Kleiderschrank und kramte eine Hose und ein T-Shirt heraus. Nachdem ich mich angezogen hatte, wandte ich mich grübelnd an Cleopha.

»Wer könnte wissen, weshalb ich mich so schwach fühle? Meinst du, ich sollte die Trolle um Rat fragen?«

Die Trolle waren seit jeher bekannt für ihre unvergleichlichen Heilkräfte. Viele ihrer Art leben tief im Wald, um dort eigene Kräuter anzubauen und geheime Tinkturen zu mixen. Sie haben sich eine Art Lager errichtet, das die anderen Übernatürlichen aufsuchen können, wenn sie die Hilfe der Trolle benötigen.

»Ich würde dir zunächst davon abraten, die Trolle aufzusuchen«, meinte Cleopha. »Ich halte viel von diesen außergewöhnlichen Wesen und ihren außerordentlichen Kräften«, führte sie aus, »aber du stammst von der Gründerblutlinie der primum maleficis ab. Die Anzahl der Wesen deiner Art kann man buchstäblich an beiden Händen abzählen. Was ich damit sagen will, ist, dass eine Hexe, wie du es bist, noch niemals bei den Trollen war. Die Fähigkeiten der Trolle haben auch Grenzen und an diese würden sie bei dir stoßen. Ich würde vorschlagen, zunächst deinesgleichen zu befragen.«

Meinesgleichen zu befragen war ein guter Rat. Das Problem lag nur darin, dass sich die meisten meiner Art im unendlichen Grab befanden und ich sie quasi erst aufwecken musste, um mit ihnen in Kontakt treten zu können. Obwohl … Ein ehemaliges Mitglied der primum maleficis, meines Hexenzirkels, war in greifbarer Nähe. Silas. Silas, der Vampir, der einst ebenfalls Anteile der Gründerblutlinie der primum maleficis in sich trug, bis ich sie ihm vor Kurzem in einem Tausch genommen hatte.

»Oje, was ist das für ein Blick?«, wollte Cleopha wissen und schwebte, Unheilvolles ahnend, auf meine Schulter. »Du denkst jetzt aber nicht an den, der mir auch im ersten Moment eingefallen ist, oder?«

»Doch, ich glaube schon«, gestand ich schief lächelnd. »Bevor ich das unendliche Grab aufsuche, muss ich Silas um seinen Rat in dieser Situation bitten. Vielleicht handelt es sich lediglich um eine Lappalie und dann habe ich die anderen Mitglieder der primum maleficis umsonst in ihrer ewigen Ruhe gestört. Ob wir es uns eingestehen wollen oder nicht, Silas verfügt über jahrhundertelang angesammeltes Wissen. Er hat gewiss eine Erklärung für mein Befinden.«

Ganz wohl fühlte ich mich mit dieser Entscheidung nicht, denn obwohl zwischen Lorenzo und Silas Waffelstillstand herrschte, sah mein übernatürlicher Gefährte es gewiss nicht gern, wenn ich wieder in Kontakt zum einstigen ärgsten Feind trat.

Cleopha bemerkte meine Anspannung und redete beruhigend auf mich ein.

»Machst du dir Gedanken wegen Lorenzo? Ich bin sicher, deine diesbezüglichen Bedenken sind in der jetzigen Lage unbegründet. Er wird es verstehen, denn dein Wohlergehen ist ihm ein Herzensanliegen.«

»Danke für deinen Zuspruch. Abgesehen davon kann Silas mir wahrscheinlich wirklich helfen. Ja, warum bin ich darauf nicht früher gekommen? Erinnerst du dich noch an seine besondere Gabe?«

Cleopha nickte eifrig und riss hoffnungsvoll ihre winzigen Äuglein auf.

»Natürlich! Wieso ist uns das nicht schon vor ein paar Tagen eingefallen? Silas kann mit seinem Blut jedes seelische Leid und alle physischen Beschwerden heilen.«

Bestimmt auch meine, fügte ich in Gedanken hinzu …

3. Kapitel

Als es bereits dämmerte und Lorenzo immer noch nicht zurückgekehrt war, entschieden wir uns, ihn zu kontaktieren. Ich bat meine Feder um ihre Dienste, denn ich wollte ihm eine Nachricht übermitteln. Wenige Augenblicke später hielt ich das altertümliche Buch mit den leeren Seiten in den Händen, das uns zur Nachrichtenübermittlung diente. Ich schlug es in der Mitte auf und diktierte Cleopha meine Nachricht.

Hallo, Lorenzo,

ich bin erst heute Nachmittag aufgewacht. Verzeih, dass ich dich nicht zur Fledermausgrotte begleiten konnte. Bist du bereits auf dem Rückweg?

Es dauerte nicht lange und der vertraute feine, glitzernde Luftschleier stieg aus dem Buch, und Buchstaben begannen auf magische Weise über der Seite zu tanzen. Cleopha reihte sich unter sie ein. Ein weiteres Mal wurden die Buchstaben durcheinandergewirbelt, ehe sie in ihr verschwanden und sie zu schreiben anfing.

Liebste Helena,

du brauchst dich dafür keineswegs zu entschuldigen. Leider werde ich erst kurz nach Mitternacht wieder im Schloss sein. Wie geht es dir?

Ich: Mir geht es gut, ich fühle mich nur noch etwas schlapp.

Lorenzo: Das ist wirklich beunruhigend. Wir müssen unbedingt die Ursache dafür herausfinden.

Ich: Cleopha und ich hätten da bereits einen Vorschlag, aber von diesem würde ich dir heute Nacht lieber persönlich berichten.

Lorenzo antwortete, dass ich nicht zögern und es ihm sofort schreiben sollte, damit wir nicht möglicherweise wertvolle Zeit vergeudeten.

»Was rätst du mir? Soll ich es Lorenzo wirklich auf diesem Weg mitteilen?«, fragte ich Cleopha, da mir etwas mulmig zumute war.

Diese ermunterte mich, Lorenzo sofort einzuweihen.

»Anschließend suchen wir Silas persönlich auf seiner Burg auf«, fuhr sie fort, »und die beiden laufen sich gar nicht erst über den Weg.«

Nervös tigerte ich im Raum umher, nachdem wir die brisante Nachricht an Lorenzo geschickt hatten. Die Zeit schien zwanzig Mal länger als gewöhnlich zu verrinnen, bis seine Antwort kam.

Lorenzo: Helena, deine vollständige Genesung hat im Moment Vorrang. Natürlich wäre es mir lieber, Silas ein für alle Mal aus unser aller Leben verbannt zu wissen, aber das ist es nicht, was im Augenblick zählt. Obwohl ich Silas nach wie vor keinen Drachenfuß weit über den Weg traue, ist es zumindest einen Versuch wert, ihn um Rat zu bitten, bevor du die anderen Mitglieder des Hexenzirkels in ihrem Grab anrufst. Meine Bedenken liegen nicht darin, dass sie zornig werden könnten, sondern ich fürchte vielmehr, dass deine Kräfte für ihre Erweckung enorm beansprucht werden. Solange wir nicht wissen, was dir fehlt, solltest du mit ihnen tunlichst haushalten.

Ich war erleichtert über Lorenzos Reaktion und wandte mich an Cleopha.

»Zum Glück teilt er unsere Meinung. Einen Streit mit ihm hätte ich jetzt wirklich nicht auch noch gebrauchen können.«

Cleopha und ich machten uns nun wie abgemacht guten Gewissens auf den Weg zu Silas. Runa, die mächtige Schneeeule, die seit jeher als Fuhrwerk des Königshauses diente, flog uns zu seinem düsteren Anwesen. In der aufkommenden Dämmerung wirkte es noch gruseliger, als es ohnehin schon bei Tageslicht war.

»Sollen wir klopfen oder gibt es irgendwo eine Klingel?«, fragte Cleopha und schwebte suchend vor der schweren Eisentür umher.

»Er hört uns auch so, liebe Cleopha«, erwiderte ich schmunzelnd und rief mit fester Stimme Silas’ Namen. Die nächsten Sekunden vergingen, ohne dass sich etwas regte.

»Hm«, sagte ich und kniff grübelnd die Brauen zusammen.

»Vielleicht ist er im Augenblick nicht hier und anderswo beschäftigt.«

»Wenn meine einzige Freundin mich mit ihrem Besuch beehrt, lasse ich für sie selbstverständlich alles stehen und liegen.«

Erschrocken wirbelte ich herum und sah in die leuchtenden smaragdgrünen Augen von Silas. Sein Anblick ließ mein Herz vor Aufregung einen Takt schneller schlagen.

»Hallo, Silas«, brachte ich mühsam hervor. Obwohl ich in der Vergangenheit eine Menge Zeit mit ihm verbracht hatte, brachte seine gewaltige Erscheinung mich jedes Mal aufs Neue aus dem Konzept. »Lange nicht gesehen …«

Er machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch im nächsten Moment verwandelte sich seine erfreute und verwunderte Miene und zeigte aufrichtige Besorgnis.

»Was ist mit dir?«, fragte er und betrachtete mich eingehend. »Du bist blass, wie nur ein Vampir es sein kann, und du wirkst völlig erschöpft.«

»Deshalb sind wir hier. Ich wollte dich fragen, ob du … ob du mir helfen kannst.«

»Mit meiner Gabe?«

Ich nickte und sein undurchdringlicher Blick ruhte auf mir. Mittlerweile konnte ich behaupten, Silas zu kennen, und obwohl das so war, verhielt es sich, seit ich ihm das erste Mal begegnet war, so, dass keine seiner Reaktionen vorhersehbar war. So auch in diesem Moment. Ich hoffte inständig, dass er bereit war, mir das zu geben, was ich brauchte, jedoch konnte ich im Vorfeld nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er auch tatsächlich so handelte, wie ich es mir wünschte. Er war einfach unberechenbar. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.

»Natürlich werde ich dir mein Blut geben«, antwortete er schließlich. Erleichtert fiel mir ein Stein, nein, ein ganzes Felsgebirge vom Herzen.

»Danke.«

»Kommt, gehen wir rein«, meinte er, ging zur Tür und hielt sie einladend auf. Ich folgte ihm, und als ich an der Schwelle bemerkte, dass Cleopha sich nicht vom Fleck gerührt hatte, wandte ich mich zu ihr um.

»Cleopha, kommst du nicht mit?«

Sie schüttelte den Kopf und ihr Flaum flatterte zart unter der sanften Brise, die durch den Wald zog.

»Ich würde lieber hier auf dich warten«, erwiderte Cleopha und ich verstand ihre Beweggründe, ohne dass sie weitersprach. Sie war unschlüssig, ob sie Silas vertrauen konnte, deshalb wollte sie mich sicherheitshalber nicht begleiten. Sollte ich mich ungewöhnlich lange in der Burg aufhalten, war Cleopha draußen in Freiheit und nicht mit mir eingesperrt und konnte im Notfall Lorenzo und Mila verständigen.

4. Kapitel

Silas führte mich in ein imposantes Zimmer. Mit seinen Kronleuchtern, den Spiegeln und Vergoldungen erinnerte es mich an Räumlichkeiten, die ich in Schlössern unseres bayerischen Königs Ludwig II. gesehen hatte. Silas bot mir einen Stuhl an, dessen großzügige Sitzfläche mit blauem Samt überzogen war. Er selbst lehnte sich an einen nahe gelegenen Tisch.

»Wie möchtest du es lieber? Soll ich dir mein Blut in ein Gefäß abfüllen oder willst du es direkt aus meinem Handgelenk trinken?«

Angewidert verzog ich den Mund. Beide Möglichkeiten flößten mir Schauder ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie ich mir das Blut einverleiben könnte, sondern vielmehr zunächst nur darüber nachgegrübelt, wie ich Lorenzos und Silas’ Zustimmung erlangen könnte.