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Zwischen Meeresrauschen, Pizzaduft und der mediterranen Sonne bekommt die Liebe vielleicht eine zweite Chance
Ein romantischer Wohlfühlroman an der traumhaften Küste Siziliens voller Herzschmerz und Neuanfängen
Als Lena unerwartet drei Monate freibekommt, will sie sich zusammen mit ihrem Freund den Traum von einer Reise nach Sizilien erfüllen. Ein paar romantische Wochen am Meer sind genau das, was ihre kriselnde Beziehung braucht. Doch Alex lässt sie abblitzen. Verletzt, aber entschlossen, plant Lena die Reise allein. Als Au-pair findet sie eine Stelle bei dem bekannten Pizzabäcker Leonardo, der während des Sommers eine Betreuerin für seine kleine Tochter sucht. Von ihrer ersten Begegnung an ist da ein Funke zwischen Lena und dem charmanten Sizilianer. Doch die junge Erzieherin ist nach wie vor vergeben und auch der alleinerziehende Leonardo trägt ein paar Narben mit sich herum, die alles außer einem harmlosen Flirt, unmöglich erscheinen lassen. Können die beiden zwischen dem Duft von frisch gebackener Pizza, dem Rauschen der Wellen und den lauen Sommernächten ihre Herzen füreinander öffnen oder stellt sich ihnen das Leben in den Weg?
Erste Leser:innenstimmen
„Die Kulisse Siziliens, der Duft von Pizza und die prickelnde Chemie zwischen Lena und Leonardo machen das Buch zu einem echten Wohlfühl-Highlight.“
„Eine wunderschöne Liebesgeschichte über zweite Chancen, mutige Entscheidungen und die Kraft der Liebe – ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen!“
„Romantisch, gefühlvoll und mit ganz viel Urlaubsflair – perfekt für alle, die sich nach dem italienischen Sommer sehnen und sich in eine herzergreifende Liebesgeschichte fallen lassen wollen.“
„Eine sympathische Protagonistin, eine traumhafte Kulisse in Sizilien und eine Liebe, die mitten ins Herz trifft: Eine absolute Empfehlung für alle Romantik-Fans!“
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Seitenzahl: 304
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Als Lena unerwartet drei Monate freibekommt, will sie sich zusammen mit ihrem Freund den Traum von einer Reise nach Sizilien erfüllen. Ein paar romantische Wochen am Meer sind genau das, was ihre kriselnde Beziehung braucht. Doch Alex lässt sie abblitzen. Verletzt, aber entschlossen, plant Lena die Reise allein. Als Au-pair findet sie eine Stelle bei dem bekannten Pizzabäcker Leonardo, der während des Sommers eine Betreuerin für seine kleine Tochter sucht. Von ihrer ersten Begegnung an ist da ein Funke zwischen Lena und dem charmanten Sizilianer. Doch die junge Erzieherin ist nach wie vor vergeben und auch der alleinerziehende Leonardo trägt ein paar Narben mit sich herum, die alles außer einem harmlosen Flirt, unmöglich erscheinen lassen. Können die beiden zwischen dem Duft von frisch gebackener Pizza, dem Rauschen der Wellen und den lauen Sommernächten ihre Herzen füreinander öffnen oder stellt sich ihnen das Leben in den Weg?
Erstausgabe Mai 2025
Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-1-91741-777-8 Taschenbuch-ISBN: 978-3-69090-092-8
Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Azis Stock, © missty, @ Anterovium Lektorat: Sarah Nierwitzki
E-Book-Version 14.05.2025, 10:35:53.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Ich fiel aus allen selbst gebastelten Wolken, als mir die Kindergartenleitung mitteilte, dass ich nach dem Wochenende vorübergehend nicht mehr zum Dienst erscheinen musste.
„Wie bitte? Was soll das heißen? Wir müssen die Gruppe schließen?“, fragte ich und kletterte von den drei Stufen der himmelblauen Leiter. Susannes Gesichtsausdruck verriet, dass ihr die Entscheidung nicht leichtgefallen war.
„Es gibt leider keine andere Möglichkeit, Lena.“
„Wir haben doch alles geklärt. Ich übernehme während deines Ausfalls deine Aufgaben im Büro, leite weiterhin die Gruppe und lerne Franzi ein.“
Nach vielen Monaten hatten wir die Kinderpflegerstelle wieder besetzen können. Vor über einem Jahr war die Vorgängerin in Rente gegangen und wir waren auf der Suche nach einer neuen Kollegin gewesen. Diese gestaltete sich als äußerst schwierig, denn der Arbeitsmarkt in der sozialen Branche war wie leergefegt. Umso mehr hatte es uns gefreut, als wir die Bewerbung von Franzi aus dem Nachbarort erhalten hatten. Endlich konnte sich dann auch Susanne wieder voll und ganz auf ihren Posten konzentrieren. Sie unterstützte mich tatkräftig im Gruppendienst, aber die Doppelbelastung machte ihr zu schaffen, was sie natürlich nie zugab.
„Können wir uns setzen?“ Susanne deutete auf die Kinderstühle, die ich wie jeden Freitag an der Wand entlang gestapelt hatte, damit unsere Reinigungsfee besser unter und auf den viel genutzten Tischen putzen konnte.
„Selbstverständlich, ich räume dir schnell das Sofa frei.“
Bevor die ältere Dame protestieren konnte, befreite ich kurzerhand die Vorlesecouch von den zwei Sitzsäcken, die ich dort verstaut hatte, damit der Boden auch an dieser Stelle zum Kehren und Wischen frei war. Susanne ließ sich auf dem weichen Polster nieder, das mit einem von ihr genähten pastellgrünen Stoff mit weißem Sternenmuster überzogen war. Susannes Hüfte war schon beansprucht genug, auf dem Sofa saß sie eindeutig bequemer als auf den kleinen Holzhockern.
„Franzi hat abgesagt“, brach es aus ihr heraus, als ich ihr gegenüber Platz nahm.
Ich starrte sie ungläubig an. „Nein! Warum das denn?“
Susanne berichtete, dass der pädagogischen Fachkraft von einer Murnauer Betreuungseinrichtung mehr Gehalt geboten worden war, eines, bei dem die Zugspitztaler Gemeinde beim besten Willen nicht mithalten konnte, und sie sich deshalb in letzter Minute dafür entschieden hatte. Ich konnte es sogar nachvollziehen, bedauerte es aber, weil ich mir eine Zusammenarbeit mit ihr gut hatte vorstellen können. Abgesehen davon, hatte es offenbar weitreichende Folgen, sogar die Schließung der Gruppe. Beziehungsweise bei unserer eingruppigen Einrichtung bedeutete das direkt die Schließung des ganzen Hauses.
Susanne atmete hörbar aus. „Wie du weißt, schiebe ich meine Hüftoperation schon viel zu lange vor mir her. Ich würde diesem scheußlichen Termin am Montag gern auch ein weiteres Mal ausweichen, aber Dr. Gravenreuth hat mir dringend davon abgeraten. Also habe ich ihn nicht abgesagt.“ Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie die Operation durch die unerwartete geänderte Personalsituation am liebsten verschoben hätte. Zum einen, weil es ihr davor graute, und zum anderen, weil sie uns nicht im Stich lassen wollte.
Ich versuchte, sie zu bestärken. „Susanne, diese Operation ist wichtig für dich. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Ein richtiger Zeitpunkt dafür wird nie kommen. Ich werde …“
… die Stellung halten. Ich hielt inne. Dieses Versprechen konnte ich ihr unter diesen Umständen nicht mehr geben. Durch den Wegfall von Franzi und Susanne müsste ich vierundzwanzig Kindergartenkindern wochenlang allein gerecht werden. Unabhängig davon, ob ich es mir zutraute oder nicht, war das gesetzlich nicht erlaubt.
„Ich könnte zum Beispiel eine Notbetreuung anbieten. Mit zwölf Kindern und kürzeren Öffnungszeiten?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe lange mit dem Bürgermeister telefoniert. Wir haben sämtliche Optionen erörtert, aber wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass der Betrieb bis September eingestellt werden muss.“
Auch beim zweiten Mal klang die Mitteilung surreal. Es war immerhin erst Ende Mai und ich hatte somit überraschend drei Monate frei. Die Vorfreude wurde von Existenzängsten im Keim erstickt. Was wurde bis dahin aus meiner Stelle? War meine berufliche Zukunft bei den Kleinen Gipfelstürmern hiermit vorübergehend beendet? War das überhaupt rechtens? Oder musste ich gezwungenermaßen unbezahlten Urlaub nehmen? Wie würde ich die lange Zeitspanne finanziell überbrücken können? Bevor sich die Fragen in meinem Kopf weiter in die Höhe türmen konnten wie die Bauklötze auf dem Spieleteppich, präsentierte mir Susanne erste Lösungen.
„Du kannst nichts dafür, dass du nicht arbeiten kannst, deshalb würden wir dir die Zeit mit deinem regulären Gehalt vergüten.“
Ich weitete die Augen. „Was? Wirklich?“
Sie nickte und ich traute mich, die Freude zuzulassen. Es fühlte sich wie Geburtstag, Ostern, Weihnachten und ein kleiner Lottogewinn gleichzeitig an. Drei Monate bezahlter Urlaub? Das war eine einmalige Chance. Ich musste sie unbedingt sinnvoll nutzen!
Bevor ich Pläne schmieden konnte, wollte ich mich jedoch erkundigen, welche Betreuungsidee sich meine beiden Vorgesetzten für die Eltern ausgedacht hatten. Schließlich wurde von ihnen verlangt – ohne Vorlaufzeit wohlgemerkt –, eine Beaufsichtigung für die Kinder zu organisieren. Das stellte ich mir problematisch vor, besonders für diejenigen, die berufstätig waren und keine Verwandten in der Kleinstadt hatten.
„Im August würden wir die reguläre Schließzeit unverändert lassen. Das bedeutet, für diese fünf Wochen müssen wir uns nichts überlegen. Für den Juni und Juli haben wir uns folgendes gedacht: Bei Mia, Anton, Heidi, Nele, Gabriel und …“
Susanne zählte die Kinder den Fingern auf. Als ihr der fünfte Name nicht einfiel, kramte sie umständlich in der Hosentasche ihrer Jeans. „Warte mal kurz, ich habe es mir aufgeschrieben.“ Sie faltete den hellgelben Notizzettel auseinander. „Ah, hier. Der kleine Korbinian hat noch gefehlt. Die Mamas befinden sich alle in Elternzeit. Für sie sollte es kein Problem darstellen, die Kinder zu Hause zu beaufsichtigen.“
„Darf ich mal sehen?“, fragte ich und Susanne reichte mir das handbeschriebene Blatt.
Kinder, bei denen eine Betreuung innerhalb der Familie möglich sein sollte:
Mia, Anton, Heidi, Nele, Gabriel, Korbinian
> Eltern befinden sich in Elternzeit
Josef, Johanna, Sebastian, Laura, Emilia, Romy, Luis
> Familie lebt in einem Mehrgenerationenhaus, Oma und/oder Opa leben auf dem Grundstück oder nicht weit entfernt
Hannah und Leon (Geschwister)
> Papa ist Hausmann
Ida
> Familie hat aktuell Au-Pair zur Unterstützung
Info: Alle Beiträge werden den Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, erstattet
Kinder, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht im familiären Umfeld betreut werden können:
Sophia, Leopold, Amelie, Antonia, Jonas
> Ab Montag Aufnahme bei den Wurzelzwergen (Waldkindergarten in Garmisch-Partenkirchen)
Theresa, Matthias, Felix (alle drei Vorschulkinder)
> Sie wechseln nach den Ferien in einen Hort nach Garmisch-Partenkirchen. Aufnahme ab sofort möglich
Info: Gemeinde bezahlt Differenz, sollte bei den anderen Einrichtungen ein höherer Monatsbeitrag anfallen
Ich überflog die Zeilen und war beeindruckt, als ich zu Ende gelesen hatte.
„Wie schön, dass mehrere Kinder jeweils zusammenbleiben können, dann fällt ihnen die Umstellung bestimmt leichter.“
Susanne stimmte mir zwinkernd zu. „Wie gut, wenn man zufälligerweise die ein oder andere Erzieherfreundin hat. Außerdem sollen die Kinder nicht die Leidtragenden sein. Sie können am allerwenigsten etwas für die Misere.“
„Wissen die Eltern schon Bescheid?“
Die Kindergartenleitung schüttelte den Kopf. Sie warf einen Blick auf die Wanduhr mit dem Bären-Motiv: 17:35 Uhr.
„Du hast eigentlich schon seit einer halben Stunde Feierabend. Könntest du mir bitte noch helfen, die Eltern durchzutelefonieren?“
„Natürlich.“ Was für eine Frage. Ich würde demnächst drei Monate Feierabend haben, da pochte ich gewiss nicht auf diesen einen Dienstschluss.
Sie warf mir einen dankbaren Blick zu. Bevor ich mich an die Arbeit machte, schrieb ich meinem Freund Alex eine Nachricht, damit er sich keine Sorgen machte, wenn ich nicht nach Hause kam.
Es gibt unfassbare Neuigkeiten! Unser Filmabend muss heute leider ausfallen, weil ich länger arbeiten muss. Ich erzähle dir später alles. Bussi Lena
***
Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Zu unserer Erleichterung erreichten wir alle Familien. Im Großen und Ganzen waren alle mit Susannes Plan einverstanden. Zwei Eltern waren verständlicherweise auch verärgert über die spontane Schließung des Kindergartens, weil sie ihren Alltag neu regeln mussten. Während meine Chefin das Büro für die lange Schließung vorbereitete, machte ich mich an die Arbeit in den Räumlichkeiten und im Garten. Ich hing die Gemälde der Kinder von den Wänden ab und sortierte sie in ihre Bastelmappen ein, zog die Betten ab, räumte die Garderobe aus und vieles mehr. Am Ende hatte ich für jedes Kind eine Tüte vorbereitet. Darin verstaut waren unter anderem ihre Hausschuhe, Kleidungsstücke und weiterer persönlicher Besitz. Den Brief, den ich jedem Kind schrieb, befestigte ich an der Tüte. Für die Vorschulkinder bastelte ich zusätzlich Schultüten, die ich mit Bleistiften und bunten Radiergummis in Buchstabenform füllte. Anschließend schleppte ich alle vierundzwanzig Tüten in den Eingangsbereich. Als ich den letzten zu den anderen stellte, klopfte ich mir die Hände ab.
„So, jetzt ist alles erledigt.“
„Unglaublich, was du dir für eine Arbeit gemacht hast“, lobte mich Susanne. Sie trat in diesem Moment mit zwei vollen Körben und einer Umhängetasche beladen aus dem Büro.
„Soll ich den Eltern anbieten, dass sie am Montag die Sachen hier bei mir abholen können?“
Susanne schüttelte den Kopf. „Danke für das Angebot. Ich treffe mich doch morgen mit den zwei Mamas vom Elternbeirat. Wir wollen vor meiner Operation den Erlös vom Frühlingsbasar auswerten. Ich werde sie bitten, die Tüten zu verteilen. Die Familien kennen sich ja alle untereinander persönlich. Außerdem würde ich mich nicht wohl dabei fühlen, wenn ich wüsste, dass du den Eltern am Montag allein gegenüberstehst. Bei den Eltern von Ida und Anton könnte ich mir vorstellen, dass sie ordentlich Dampf ablassen würden.“
„Sie waren ganz schön wütend am Telefon“, pflichtete ich ihr bei.
„Ich hätte es mir auch anders gewünscht, aber leider ist es jetzt, wie es ist.“
Susanne schielte auf ihre Armbanduhr, soweit es mit ihrem Gepäck möglich war. Draußen war es längst dunkel geworden.
„Wie spät ist es denn?“, erkundigte ich mich. Ich war so in meine Arbeit vertieft gewesen, dass ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte.
„Viertel nach elf.“
„So spät?“
Ich hoffte, dass Alex noch wach war. Wie er wohl auf meinen spontanen Urlaub reagieren würde? Als selbstständiger Zweiradmechatroniker konnte er sich seine Arbeit frei einteilen, gewiss war es möglich, die Aufträge so zu legen, dass wir ein paar Tage verreisen könnten.
Mein Herz machte einen Hüpfer. Vielleicht nach Sizilien? Wir träumten schon lange von einem Urlaub dort, aber durch meine festgelegten Schließtage im August war das bisher nicht möglich gewesen. Der Monat war bei ihm immer besonders auftragsstark, denn durch die Urlaubssaison und geplante Langstreckenausflüge ließen viele Kunden bei ihren Motorrädern eine Inspektion durchführen. Und durch die Schulferienzeit auch entsprechend teurer als davor oder danach. Mein Jahresurlaub war nach dieser Zeit fast vollständig aufgebraucht und ich konnte nur noch einzelne Tage flexibel nehmen. Für ein verlängertes Wochenende rentierte sich eine Flugreise an den Zehenspitzenbereich des berühmten italienischen Stiefels unserer Meinung nach nicht. In den letzten zwei Jahren waren wir stattdessen mit dem Auto an den vier Stunden entfernten malerischen Gardasee gefahren. Vielleicht konnte sich Alex nun eine ganze Woche freischaufeln, oder sogar zwei?
Aufgeregt stellte ich mir vor, wie wir im kristallklaren Wasser schnorchelten, lachend mit einem Eis über eine Piazza flanierten, gemeinsam einen Sonnenuntergang am Meer beobachten, eine …
„Wir sollten jetzt wirklich Schluss machen.“
Susanne riss mich aus meinen Urlaubsgedanken. Ich brauchte einen Augenblick, um von dem gedanklichen Flug nach Sizilien zurück in die Realität zu kommen. Worum ging es gerade? Mein Blick fiel ihre Armbanduhr. Ach ja, richtig, ich wollte wissen, wie spät es ist.
Wir prüften noch, ob alle Fenster im Haus geschlossen waren, knipsten die Lichter aus und sperrten die Eingangstür zu.
„Lass dich drücken“, sagte Susanne fast schon melancholisch. Wir umarmten uns zum Abschied.
„Falls wir uns nicht mehr über den Weg laufen, wünsche ich dir alles Gute für die Operation.“
„Und ich wünsche dir eine schöne Zeit. Du machst so viel für andere, denk auch mal an dich“, ermahnte sie mich liebevoll und stieg in ihr neongrünes Auto. Ich winkte ihr und entriegelte den daneben geparkten alten Opel Astra, den ich von meinem Opa geerbt hatte. Die metallic-braune Farbe konnte man inzwischen nur noch erahnen, aber ansonsten war das Fahrzeug bis auf kleine Macken in einem gut erhaltenen Zustand.
Ich öffnete die Tür und ließ mich auf den abgewetzten schwarzen Ledersitz fallen. Als Erstes griff ich nach der Handtasche auf dem Beifahrersitz und zog mein Smartphone hervor. Ich stellte fest, dass Alex lediglich mit einem Daumen nach oben auf meine Nachricht reagiert hatte.
Ich startete den Motor. Es brauchte zwei Anläufe, bis er ansprang. Danach lenkte ich den Wagen aus der Parklücke. Mir wurde bewusst, dass es das letzte Mal für die nächsten Wochen sein würde, und mit jedem zurückgelegte Kilometer wuchs die Vorfreude ein Stück mehr. Nach einer kurzen Fahrt bog ich in die gepflasterte Einfahrt vor unserem Haus. In der Werkstatt im Erdgeschoss brannte Licht. Arbeitete Alex?
Als ich die Autotür öffnete, drangen gedämpfte Stimmen durch das gekippte Fenster, gefolgt von schallendem Gelächter. Eines, bei dem ich mir sicher war, dass eine Kiste Bier für den Lautstärkepegel gesorgt hatte. Das hier machte einen privaten und keinen beruflichen Eindruck. Waren das Alex’ Kumpels?
Normalerweise verabredeten sich die vier Freunde immer samstags. Sie schraubten von früh bis spät an ihren Enduros, fuhren selbst stundenlang auf entsprechenden Rennstrecken oder kauften sich Tickets für Shows, bei denen sie anderen staunend bei spektakulären Darbietungen zuschauen konnten. Um den Tag Revue passieren zu lassen und andere Dinge, die sie beschäftigen, zu besprechen, stand am Abend Alkohol parat. Meistens endeten diese Treffen erst im Morgengrauen. Der Sonntag war für Alex seit Jugendzeiten zum Ausnüchtern da. Er verbrachte den Tag im Wechsel im Bett oder auf dem Sofa. Bei sommerlichen Temperaturen alternativ auf der Liege im Garten.
Der Freitagabend war deshalb eigentlich immer für Alex und mich als Paar reserviert. Ich verstand, dass er ihn dieses Mal mit seinen Freunden verbrachte, weil ich hatte länger arbeiten müssen. Andererseits machte sich Enttäuschung in mir breit, weil ich ihm nicht direkt von meinem spontanen Urlaub erzählen konnte.
Ich schlich mich an der Werkstatt vorbei. Glücklicherweise war das Garagentor geschlossen, sodass ich unbemerkt zur wendelförmigen Außentreppe gelang, die in den ersten Stock führte. Ich versuchte, möglichst leise die Stufen aus silbernem Gitterrost hochzugehen. Mit jedem Schritt merkte ich, wie ich müder wurde.
Am nächsten Morgen präsentierte sich mir ein wolkenverhangener Himmel und eine unberührte zweite Betthälfte. Alex war also die ganze Nacht in der Werkstatt gewesen. Ein Blick auf den weißen Doppelglocken-Wecker verriet mir, dass es bereits neun Uhr war. Samstags war ich um zehn Uhr traditionell mit meinen beiden Freundinnen Valentina und Julia verabredet. Ich musste mich beeilen, wenn ich noch duschen und nicht zu spät kommen wollte. Ich schlüpfte aus der geblümten Bettdecke. Barfuß ging ich über den flauschigen Schlafzimmerteppich hinaus auf den Flur. Als ich dort den kühlen Fliesenboden berührte, hörte ich, wie jemand von außen am Schlüsselloch herumnestelte. Ich vernahm ein leises Fluchen.
„Alex?“, fragte ich durch die geschlossene Eingangstür.
„Kannst du bitte aufmachen? Ich habe den falschen Schlüssel mitgenommen.“
Ich öffnete ihm.
„Guten Morgen.“
Er fuhr sich durch sein blondes Haar, das leicht zerzaust war, was ich als Zeichen einer kurzen Nacht deutete. In der anderen hielt er einen Einweg-Pappbecher mit Deckel.
„Danke.“
Ohne eine Begrüßung rauschte er an mir vorbei. Kaffeeduft strömte mir in die Nase.
„Warst du schon bei Michi an der Tankstelle?“, fragte ich.
Michi war einer seiner engen Freunde, der an der örtlichen Tankstelle arbeitete. Er war gestern Abend garantiert auch unten in der Werkstatt mit dabei gewesen.
„Ja“, antwortete Alex knapp. Ich ließ die Tür ins Schloss fallen und folgte ihm in die Küche.
„Warst du gar nicht im Bett?“
Nach der zweiten forschenden Frage kam ich mir allmählich vor wie seine Mama Barbara und nicht wie seine Freundin. Er öffnete den Kühlschrank und nahm sich Butter und die Metzgertüte mit Schinkenaufschnitt heraus.
„Ich habe mich aufs Sofa gesetzt, als ich hochgekommen bin, und konnte mich dann nicht mehr aufraffen, rüber ins Bett zu gehen. Haben wir noch Brot?“
„Schau doch nach“, schlug ich vor.
Er verdrehte die Augen und öffnete die Aufbewahrungsbox. „Na toll. Es ist nichts mehr da.“
Okay, dieses Gespräch hätte eindeutig zwischen Barbara und ihm stattfinden können.
„Die Tankstelle hat frische Backwaren im Angebot, du hättest dir was kaufen können, wenn du vorher nachgesehen hättest.“
… und mir hättest du etwas mitbringen können, um gemeinsam mit mir zu frühstücken. Warum kam er nicht auf solche Ideen? Zumindest ab und zu eine kleine Aufmerksamkeit?
Alex ließ sich auf der Eckbank mit dem rot-weiß karierten Polster nieder und holte sein Handy aus der Arbeitshosentasche hervor. Er tippte kurz darauf herum und nahm eine Sprachnotiz auf. „Servus Michi, bist du schon unterwegs? Wenn nicht, bring mir bitte zwei Brezen und eine Semmel mit.“
Ich verkniff mir ein beleidigtes Danke, ich brauche nichts. Alex war weiter in sein Smartphone vertieft.
„Kommt Michi vorbei?“, begann ich erneut das Gespräch und setzte mich neben ihn auf die Bank.
Er antwortete, ohne aufzusehen. „Ja, wir machen gleich weiter.“
Wobei?, lag mir auf den Lippen.
„Ist alles in Ordnung? Ich habe das Gefühl, ich muss dir heute alles aus der Nase ziehen.“
Endlich legte er das Smartphone zur Seite und sah mich aus seinen schilfgrünen Augen an.
„Ja, sorry, alles okay.“ Alex zog mich an sich und drückte mir einen Schmatzer auf die Wange, legte dann den Arm um mich. „Ich bin nur müde vom Feiern. Du wirst nicht glauben, was passiert ist: Wir konnten noch vier Platin-Tickets fürs Erzbergrodeo nächste Woche ergattern.“
Das war also der Grund für das gestrige Beisammensein. Für Alex und seine Freunde war das jährliche Enduro-Motorradrennen ein absolutes Jahreshighlight. Es fand seit 1995 am Erzberg bei Eisenherz in Österreich statt und galt als härtestes der Welt. Normalerweise sahen sie sich die Übertragung im TV an.
„Was heißt das?“
Alex strahlte. „Dass wir bei dem viertägigen Event live dabei sein werden, mit exklusiven Leistungen. Zum Beispiel ist ein Hubschrauberrundflug während des Rennens im Preis enthalten.“
„Wow! Das freut mich für dich. Wann findet die Veranstaltung noch mal statt, demnächst, oder?“
Er nickte. „Nächste Woche von Donnerstag bis Sonntag. Wir werden schon am Mittwochabend losfahren und erst am Montag zurück sein. Wir haben beschlossen, dass wir ein letztes Mal als Zuschauer dabei sein werden, und nächstes Jahr wollen wir an der Qualifizierung fürs Hauptrennen teilnehmen.“
Soweit ich mich erinnerte, gab es einen sogenannten Prolog. An zwei Tagen mussten alle angemeldeten Fahrer die fünfunddreißig Kilometer lange Schotterstraße auf den Berg bewältigen. Nur die fünfhundert schnellsten Rider durften letztendlich am Hauptrennen teilnehmen. Ich war froh, dass sich Alex das bisher nur aus sicherer Entfernung angesehen hatte. Trotzdem wollte ich ihn unterstützen, denn ich wusste, dass es sein großer Traum war, einmal selbst mit seiner Maschine die extremen Herausforderungen bis zum Ziel zu bestreiten. Apropos Träume.
„Ich habe auch Neuigkeiten zu verkünden“, sagte ich in verheißungsvollem Ton. Ich wollte noch mehr Spannung aufbauen, aber ich hielt es nicht aus und erzählte ihm von dem spontanen Urlaub und meiner Reiseidee. „Was hältst du davon, endlich nach Sizilien zu fliegen?“
Voll freudiger Erwartung suchte ich eine Regung in seinem Gesicht. Ich fand keine.
„Hm …“ Mehr kam nicht aus seinem Mund. Vielleicht dachte er über seinen Auftragskalender nach und überlegte, wann es zeitlich am besten passen würde?
„Es müssen auch keine zwei Wochen sein, eine würde völlig reichen, um …“
Alex unterbrach mich. „Lena, es geht diesen Sommer nicht. Es tut mir leid.“
Es geht diesen Sommer nicht, hallte es in mir nach. Ich löste mich aus seinem Arm, der noch immer über meinen Schultern lag. Nächsten Sommer würde sich die Möglichkeit nicht mehr bieten.
„Und was, wenn wir nicht sofort fliegen? Wir können auch erst in ein paar Wochen los. Im Juli, zum Beispiel.“
Entschieden schüttelte er den Kopf.
„Und warum nicht? Für Erzberg konntest du die Tage offensichtlich auch kurzfristig freischaufeln.“
Sehr kurzfristig sogar.
„Darum geht es nicht“, wiegelte er ab. Fragend sah ich ihn an. „Dieses Platin-Ticket hat fast tausend Euro gekostet, hinzu kommt das Hotel und alles, was wir sonst noch brauchen. Außerdem planen wir gerade noch einen weiteren Trip, da ist ein dritter finanziell echt nicht drin.“
„Wir? Was meinst du damit?“
Ich erfuhr, dass Alex mit seinen Freunden in der Nacht beschlossen hatte, eine zehntägige Enduro-Tour in Kroatien zu buchen. Sie wollten sich auf das kommende Jahr mit der Teilnahme am Erzbergrodeo vorbereiten. Es klang nach einer beschlossenen Sache.
„Du hast das ausgemacht, ohne mit mir vorher darüber zu sprechen?“
In diesem Moment klingelte es an der Haustür.
„Das sind bestimmt Michi und vielleicht auch schon Lukas und Andi. Mit der Wartung von einer Maschine sind wir fertig geworden. Jetzt ist die nächste dran.“ Alex sprang förmlich auf. Er wirkte erleichtert, dass er einen Grund hatte, unsere Unterhaltung zu beenden. „Sizilien läuft nicht weg. Irgendwann kriegen wir es schon hin“, versprach er und eilte zur Tür. Ich vernahm ein Stimmengemurmel und dann ging die Tür auch schon wieder zu. Ungläubig starrte ich ihm nach. War das Thema für Alex damit erledigt?
***
„Er hat es nicht einmal in Betracht gezogen, das mit Kroatien zu verschieben?“, hakte Julia ungläubig nach und servierte die üppig gefüllten Kuchenteller. „Einmal Erdbeer-Pistazien-Torte für dich“, erläuterte sie und platzierte den Teller vor mir auf dem gedeckten Tisch. Sie nahm den nächsten und reichte ihn Valentina. „Du bekommst eine Maracuja-Torte mit weißer Schokoladenmousse. Und für mich einen Himbeer-Käsekuchen.“
Julia setze sich zu uns. Bevor ich ihre Frage beantwortete, bewunderte ich ihre neuesten Backkreationen, die sie uns mit perfektem Anschnitt und aufwendiger Dekoration präsentierte.
„Du hast dich wieder einmal selbst übertroffen!“
Valentina pflichtete mir bei. „Die sind fast zu schön, um sie zu essen.“
Julias Miene erhellte sich, wurde aber gleich wieder ernst. „Sagt das mal meinem Vater.“
Ich warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. „Darfst du deine Experimente immer noch nicht zum Verkauf anbieten?“
Ich benutzte den Wortlaut von Wolfgang Neuhaus und deutete mit den Fingern Anführungszeichen an. Das Café Kaffee & Törtchen war seit vielen Generationen im Besitz der Familie Neuhaus. In ein paar Jahren wollte Julias Vater in den wohlverdienten Ruhestand gehen, dann war sie die Nächste in der langen Reihe, der es übergeben wurde. Weit über Zugspitztal hinaus war das Café bekannt für die schmackhaften Gebäcke. Die Familienrezepte, die der Kundschaft seit jeher in bester Erinnerung blieben, schätzte auch Julia. Sie war seit Kindertagen an den Backprozessen beteiligt. Schon früh hatte sie jedoch begonnen, auch eigene Kreationen zu entwickeln, und war in diesem Gebiet ein absolutes Ausnahmetalent. Leider hielt ihr Vater an den bestehenden Angeboten fest und war Neuem gegenüber nicht aufgeschlossen.
Unsere Freundin begann, ihren Vater nachzuahmen: „Nein, so was kannst du doch nicht in die Theke stellen. Wir haben immer schon …“ Sie winkte ab. „Lassen wir das leidige Thema.“
Sie nahm ihre Gabel und schnitt sich ein Stück von ihrem Kuchen ab. Valentina und ich betrachteten es als Einladung, ebenfalls anzufangen. Wir probierten die Torte und waren ganz aus dem Zuckerhäuschen.
„Mmm.“
„Oh, lecker!“
Der Pistazienbiskuit und die frischen Erdbeeren kombiniert mit einer leichten Cremeschicht machten meinen Frust ein kleines bisschen erträglicher. Zumindest bei dem ersten Biss.
„Kommen wir zurück zu Alex und dir. Dass er mit seinen Freunden zum Erzbergrodeo fahren möchte, finde ich völlig legitim“, sagte Julia. Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Aber dass er an einem zweiten Trip festhält, obwohl ihr die einmalige Chance hättet, nach Sizilien zu fliegen, verstehe ich überhaupt nicht.“
Ich legte die Kuchengabel auf die Holztischplatte. „Einerseits kann ich es verstehen, dass Alex seine Pläne nicht über den Erdhaufen werfen möchte. Immerhin kamen die drei freien Monate auch für ihn überraschend. Andererseits bin ich echt enttäuscht, dass er es nicht mal in Erwägung gezogen hat.“
Valentina unterstützte besonders den letzten Satz mit einem kräftigen Nicken. „Kann ich verstehen. Was hat er gesagt? Sizilien läuft nicht weg? Kroatien ist doch nächstes Jahr auch noch ein Teil von diesem Planeten!“
Ich lächelte sie dankbar an.
Julia nahm die Karaffe mit stillem Wasser, dem frisch geschnittene Zitronenschreiben hinzugefügt waren, und schenkte uns ein. „Und was machst du jetzt?“
„Wie es aussieht, nicht in den Urlaub fahren.“
Ich meinte es als Scherz, aber es fühlte sich bei Weitem nicht wie einer an. Kurz grübelte ich. Was konnte ich in den drei Monaten Sinnvolles tun? Meine beiden Freundinnen waren um diese Jahreszeit zu Hause in den Betrieben eingespannt, deshalb konnten wir für uns Mädels nichts Entsprechendes organisieren, aber …
In diesem Moment kam mir eine Idee. Meine Stimmung hellte sich augenblicklich auf.
„Ihr beide könnt doch jede helfende Hand gebrauchen. Was haltet ihr davon, wenn ich bei dir im Café oder bei euch auf dem Hof mit anpacke?“
Im Kaffee & Törtchen waren die Sommermonate besonders herausfordernd. Sie verzeichneten durch die Touristen deutlich mehr Gäste als davor und danach. Valentinas Familie hingegen gehörte eine Landwirtschaft, die sich auf den Anbau und die Verarbeitung von Getreide spezialisiert hatte. Besonders während der bevorstehenden Erntezeit gab es eine Menge zu tun.
„Du hast frei und willst für uns arbeiten?“, fasste Valentina zusammen und war sichtlich gerührt. Julia ebenso. Die beiden warfen sich einen einvernehmlichen Blick zu und schüttelten dann entschieden die Köpfe. Sie lehnten mein Angebot ab?
Julia reichte mir ein Wasserglas. „Das können wir nicht zulassen.“
„Warum nicht? Ich habe schon öfter …“
Meine beste Freundin unterbrach mich. „Darum geht es nicht. Wir wissen, dass du uns tatkräftig unterstützen würdest, aber so eine Zeit wie jetzt bekommst du so schnell nicht wieder. Vielleicht sogar nie wieder. Du sollst nicht Gäste bedienen oder auf dem Mähdrescher sitzen, sondern ein Abenteuer erleben.“
„Genau“, pflichtete ihr Valentina bei und streckte einen Arm mit dem Glas in der Hand aus. Wir prosteten uns alle zu.
„Auf eine unvergessliche Zeit, die dir bevorsteht!“, rief sie aus, als die Gläser klirrten.
Nun war ich diejenige, die lachend den Kopf schüttelte. Ein Abenteuer? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was ich in Zugspitztal Unvergessliches erleben konnte. Abgesehen davon, waren die Zeiten dafür nicht irgendwie vorbei? Jeder von uns war nach der Schulzeit und der Ausbildung im Alltag angekommen.
Ich stellte das Glas auf dem Tisch ab. „Was würdet ihr machen, wenn ihr spontan drei Monate frei hättet?“
Valentina sah in die Ferne. „Hm … Lass mich mal überlegen.“
„Ich glaube, ich würde auch verreisen“, sagte Julia.
„Einen zweiwöchigen Urlaub kann ich mir leisten, aber einen längeren Auslandsaufenthalt kann ich finanziell leider nicht stemmen.“
Sie grübelte. „Hm. Was ist mit deinen Eltern? Vielleicht könnten sie dir gute Konditionen mit einem ihrer ehemaligen Partner-Hotels heraus handeln?“
Meine Eltern hatten jahrelang das Traumreisen geführt, ein Reisebüro in Zugspitztal. Durch die Option der Online-Buchungen war ihr Kundenstamm so stark geschrumpft, dass sie es schließen mussten. Kurz vor meiner Einschulung starteten sie mit einem neuen Konzept in München durch. Sie stellten seitdem erfolgreich exklusive Gruppen-Exkursionen in fernen Ländern zusammen und begleiteten diese auch vor Ort. Ich durfte damals in Zugspitztal bleiben und bin bei meinem Opa aufgewachsen, der sich um mich gekümmert hat, während sie auf der ganzen Welt Geld verdienten. Bei dem Gedanken an meinen Opa wurde mir kurz schwer ums Herz. Er war kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag an einem Herzinfarkt verstorben. Ach Opa, ich vermisse dich sehr …
„Sie wandern doch gerade durch die Wüste von Chile“, sagte ich. „Da haben sie keinen Handy-Empfang. Abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, dass sie etwas Bezahlbares finden. Bei meinem kleinen Budget wäre es besser, ich biete von vorne herein an, in einem Hotel zu arbeiten, statt darin zu wohnen.“
Valentina riss die Augen auf. „Ja, das ist es! Du arbeitest, um dir die Reise zu ermöglichen. Wisst ihr noch, was wir nach dem Abschluss vorhatten? Wir wollten ein Jahr gemeinsam als Au-pairs im Ausland verbringen.“
Fast schon melancholisch reiste ich in Gedanken acht Jahre zurück. Wir hatten dem beschaulichen Zugspitztal den Rücken kehren wollen. Zumindest für eine Weile. Hatten uns danach gesehnt, jenseits der bayerischen Gebirgskette unvergessliche Erinnerungen zu sammeln, bevor der Ernst des Lebens losging. Dieser kam jedoch schneller als gedacht und durchkreuzte unsere Pläne. Julia bekam die einzigartige Chance, bei einer Spitzenkonditorin in Wien eine Ausbildung zu absolvieren, das konnte sie unmöglich sausen lassen. Valentinas Mutter hatte damals einen Arbeitsunfall auf dem Hof gehabt und sie fühlte sich verständlicherweise verpflichtetet, den Ausfall zu kompensieren. Und bei mir? Nach langjähriger Freundschaft, die in Sandkastenspielzeiten entstanden war, wurde aus Alex und mir offiziell ein Liebespaar. Ich flog mit ihm einen Kurzstreckenflug auf der berühmten Wolke 7 und konnte mir nicht vorstellen, abzusteigen. Deshalb hatte ich die fünfjährige Ausbildung zur Erzieherin direkt nach dem Schulabschluss begonnen. Ob unser aller Leben anders ausgesehen hätte, wenn wir es damals durchgezogen hätten? Auf welche Erfahrungen würden wir zurückblicken?
„Du könntest es jetzt nachholen“, schlug Valentina vor.
Ich verschluckte mich fast an einem Stück Kuchen. „Ich? Jetzt? Allein? Niemals!“
Julia klopfte mir auf die Schultern. „Warum nicht?“
Der Gedanke war absurd. „Abgesehen von allem: Ohne Begleitung fehlt mir der Mut“, gab ich zu. Die Vorstellung, ohne ein bekanntes Gesicht in ein Flugzeug zu steigen und mich an einem fremden Ort zurechtzufinden, löste ein beklemmendes Gefühl in mir aus.
„Wir wollten doch damals als Au-pairs unsere Zeit in Italien verbringen“, warf Julia ein. „Die Agentur hätte uns in der gleichen Stadt vermittelt, aber genau genommen wären wir jeweils allein einer Familie zugeteilt worden.“
„Das ist was anderes. Trotzdem hätten wir auf unsere gegenseitige Unterstützung zählen können.“
„Du hast recht, wenn du es jetzt machst, sind wir zwar nicht vor Ort, trotzdem hast du eine Gastfamilie an deiner Seite.“
„Hm …“ Ich dachte darüber nach. „Ihr meint das ernst, oder? Ich soll jetzt als Au-pair durchstarten? Machen das nicht alle anderen mit sechzehn Jahren? Darf man sich mit vierundzwanzig Jahren überhaupt noch bewerben?“
„Na klar, warum nicht? Außerdem werden dich die Leute mit Kusshand engagieren wollen, denn du kannst sogar eine berufliche Expertise vorweisen“, argumentierte Valentina.
„Selbst wenn, so kurzfristig sucht doch bestimmt niemand eine Betreuung für seine Kinder, oder? Hinzu kommt die zeitliche Begrenzung, die meistens Au-pairs werden für ein Jahr eingestellt.“
„Wer weiß. Vielleicht ist irgendwo auf der Welt jemand froh darüber, dass du ab morgen bis September Zeit hast.“
Ich lachte. Julias war schon immer die optimistischste von uns dreien gewesen.
„Nehmen wir mal an, es wäre so. “Valentina griff die These auf. „Könntest du es dir vorstellen?“
Ich schob mir einen letzten Bissen von der geschmackvollen Torte in den Mund und nahm mir eine kurze Kau-Bedenk-Pause. Schließlich nickte ich. „Ja, die Zeit wäre auf alle Fälle sinnvoll genutzt. Ich würde in einem anderen Land wohnen und gleichzeitig einer Familie helfen.“
… und wäre nicht allein im Ausland, fügte ich in Gedanken hinzu.
Als eine Weile später die Glocke über der Ladentür von Kaffee & Törtchen bimmelte, blickte Julia erschrocken auf ihre silberne Armbanduhr.
„O nein! Es ist schon halb zwei.“
Wir hatten völlig die Zeit vergessen und auch nicht die Tür abgesperrt. Normalerweise planten wir unsere wöchentlichen Treffen so, dass sie beendet waren, bevor das Café öffnete. Julia sprang auf und begrüßte die ältere Dame, die den Verkaufsraum betrat.
„Guten Tag, Frau Gravenreuth. Ich bin gleich für Sie da.“
„Hallo, ihr drei.“ Die Ehefrau unseres Landarztes hob die Hand mit den rot lackierten Nägeln und schweren goldenen Klunkern. Ihr Blick blieb an Valentina hängen und sie zwinkerte ihr zu. „Wie schön, dich zu sehen, meine Liebe. Ich habe dich gestern beim Abendessen vermisst.“
Von Valentinas Berichten über ihre Schwiegermutter in spe wussten wir alle, dass die Seniorin das nur so dahinsagte. Meine Freundin war ihrem einzigen Sohn nach dem Unfall ihrer Mutter nähergekommen. Maximilian hatte damals seinen Vater häufig bei den Hausbesuchen begleitet, und so lernten sie sich besser kennen. Frau Gravenreuth war es von Anfang an missfallen, dass ihr geliebtes sechsundzwanzigjähriges Kind die Aufmerksamkeit einer jungen Frau schenkte.
„Ich habe es leider nicht geschafft. Wir haben eine neue Nudellieferung bekommen, und ich war im Hofladen eingespannt.“
„Ein anderes Mal klappt es wieder.“
Beide lächelten, aber es erreichte ihre Augen nicht. Julia erlöste uns von der angespannten Stimmung. Sie hatte die Jeans und das weiße Langarmshirt gegen ein Dirndl getauscht. Das rosafarbene Trachtenkleid mit der grau-weiß gepunkteten Schürze, mit dem sie aus dem Nebenzimmer erschien, stand ihr gut.
„Darf es wie immer sein? Zwei Stücke von dem Zwetschgendatschi und eines von dem Bienenstich zum Mitnehmen?“
„Richtig. Ich finde es ausgezeichnet, dass Sie sich das merken können.“
Julia bedankte sich höflich und Valentina verdrehte die Augen. Sie hatte sich in der Vergangenheit oft gefragt, ob Frau Gravenreuth unsere Freundin lieber an der Seite ihres Sohnes gesehen hätte. Wir versicherten Valentina, dass die Abneigung persönlicher Natur war und nichts mit ihr zu tun hatte. Jede weibliche Person, die ihr ihren geliebten Sohn wegnahm, war der Dame ein Dorn im Auge.
„Das macht dann bitte zwölf Euro dreißig. Soll ich es Ihnen einpacken?“
„Ja, gern.“
Während Julia das Gebäck verpackte, wandte sich Frau Gravenreuth an mich. „Ach Fräulein Sentlinger, ich habe von meinem Mann gehört, dass die Susanne am Montag an der Hüfte operiert wird und die Einrichtung vorübergehend schließen muss. Ich kann mich noch erinnern, als unser Maximilian in den Kindergarten gekommen ist, hatte auch sie ihren ersten Tag dort. Für mich wäre es damals kein Problem gewesen, ihn daheim zu betreuen, wenn eine solche Situation eingetreten wäre. Darf ich fragen, wie die Eltern die Zeit überbrücken? Heutzutage sind ja oft beide Elternteile berufstätig.“
Ohne die Namen meiner Schützlinge zu nennen, fasste ich grob zusammen, welche Lösungen gefunden worden waren. Da in unserer Kleinstadt jeder jeden kannte, wusste sie jedoch gleich, wer jeweils gemeint war.
„Sie würde ihren Maximilian auch heute noch den ganzen Tag zu Hause betreuen, wenn sie könnte“, flüsterte Valentina, sodass nur ich es hören konnte. Bei der Vorstellung musste ich mir ein Grinsen verkneifen.
„Und was machen Sie in dem freigestellten Zeitraum?“, erkundigte sie sich anschließend bei mir. Ich zuckte mit den Schultern und antwortete ehrlich.
„Eigentlich wollte ich mit meinem Freund verreisen, aber es ist bei ihm so kurzfristig nicht möglich.“