Die Märchen des Steinklopferhanns - Ludwig Anzengruber - E-Book

Die Märchen des Steinklopferhanns E-Book

Ludwig Anzengruber

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Beschreibung

Diese Ausgabe von "Die Märchen des Steinklopferhanns" wurde mit einem funktionalen Layout erstellt und sorgfältig formatiert. Aus dem Buch: "Dort, wo der Wald niedergeht und ein Spitz wie eine Nasen ins Land streckt, dort is vor undenklichen Zeiten einmal a Häusel gstanden, drin hat a kluge Frau gwohnt. 's liegen dort in der Näh drei Dörfer, die warn in der Zeit, von der ich red, auch schon da, 's mag 's eine mehr Häuser ghabt habn als das andere, 's eine mag mit der Zeit von der Straß zruckgangen sein und 's andere bis hervor zu ihr, das macht nix. - Den Örtern geht's wie den Leuten, sie versterbn und lassen eins dahinter, das ihren Nam fortführt, und ist kein Brösel von ihnen selber mehr auf der Welt, als was so das Kind von ihnen überkommen hat; so ist wohl wenig mehr von dö alten Dörfer da, als daß neue Höf stehen an der Stell, wo einmal die alten gestanden sind, und ein oder der andere Stein mit hinein vermauert ist." Ludwig Anzengruber (1839-1889) war ein österreichischer Schriftsteller. Er gilt als bedeutender Dramatiker des österreichischen Volksstücks in der Tradition Johann Nestroys und Ferdinand Raimunds.

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Ludwig Anzengruber

Die Märchen des Steinklopferhanns

Vom Hanns und der Gretl + Die Gschicht vom Jüngsten Tag + Die Gschicht von der Maschin + Die Gschicht von dö alten Himmeln + Eins vom Teufel

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0439-7

Inhaltsverzeichnis

I
1. Vom Hanns und der Gretl
2. Die Gschicht vom Jüngsten Tag
II
3. Die Gschicht von der Maschin
III
4. Die Versuchung
IV
5. Die Gschicht von dö alten Himmeln
6. Eins vom Teufel

I

Inhaltsverzeichnis

Die breite Straße lief eine geraume Weile neben gelben Kornfeldern hin, bis ihr die Augen weh taten, da war sie recht froh, daß der Tannenwald bis zu ihr hinrückte und sie eine andere Weile im Grünen und im Schatten laufen konnte. Die Felder bogen aber da von der Straße ab und zogen weithin an dem grünen Walde, und das Korn sagte zu den Tannen: »Was so ein Wald für ein unnütz Ding ist, höchstens umgehauen mag er das zu Ende führen, was wir begonnen, mag backen helfen und die Leute wärmen, denen wir Leib und Seel zusammenhalten.« Die hohen Tannen schüttelten die Köpfe und sagten: »Muß sich einer nie einbilden, er richt's allein auf der Welt; wir stehen hier auf der Wacht, daß nicht der kalte Wind über die Niederung weht und euch verbläst, daß ihr die grünen Halme verfroren auf den Boden sinken laßt, und wir ziehen den Regen herbei, der euch tränkt, und laßt uns einmal ausgehauen sein, dann wächst die weite Niederung hinab nicht halb soviel, und der Kies und das Geröll und die nackte Erde rücken gegen das Dorf, um dem Bauer gute Nacht zu sagen.«

Ob die Bauersleut manchmal so dachten vom Walde wie das Korn? Heute taten sie es nicht, sie hatten bis an den Mittag geschnitten, jetzt war's heiß geworden, kaum zu ertragen, nun sollte Rast gehalten werden, und da lobten sie sich den Wald, setzten sich in seinen Schatten nieder, aßen und ließen sich's die kleine Weile der Ruhe wohl sein.

Zuweilen saßen auch ein Bursch und eine Dirn abseits von den andern allein, es ist sonderbar, daß sich das oft trifft und daß alle Bursche und alle Dirndln sich fast immer das nämliche Zeug vorreden, eines wie das andere, seit unvordenklichen Zeiten, und will das Ding nicht anders werden bis heut.

Gegen die Straße zu saßen auch ein Paar so Verliebte, beide nicht mehr gar zu jung, aber recht saubere, stramme Leute.

»Mein Gott«, sagte die Dirn – wie denn die Weibsleute immer die Sache von der praktischen Seit anfassen –, »mein Gott«, sagte sie, »jetzt gehn wir schon als Knecht und Dirn sieben Jahr miteinander, wenn's nur zu was führen möcht, so wär ja alles gut.«

Drauf sagte der Bursch mit einem schweren Seufzer: »Freilich wär dann alles gut, aber daß wir halt so viel arm sein müssen.«

»Mein alte Bas nähm uns probweis als Pfleger auf ihr klein Anwesen«, sagte die Dirn.

»Probweis«, sagte der Bursch und strich sich die Haare aus der Stirn, »probweis freilich wohl«, dabei fischte er mit dem Löffel einen Brocken aus der Schüssel, die er auf seinen Knien hatte, »glaub's schon, gibst du den Spatzen in der Hand für die Taubn am Dach? Wenn die Prob übel ausfallt, so ist alles verfahren. Es hat der Bauer dieweil schon andere Leut – wir möchten uns nitein Dienst auffinden, du möchst da, weiß der liebe Gott wo, dann ein Unterkunft finden ...«

Die Dirne langte zitternd den Löffel aus der Schüssel.

»Hast halt recht; daß grad wir so viel arm sein müssen.«

Mittlerweile schallten von der Straße herauf von Zeit zu Zeit einige Hammerschläge.

»Sie schlagn wieder Steine für die Straß«, sagte die Dirne leise und sah zur Seite, sie wollte gerne von etwas anderem reden als von ihrer gemeinsamen Not.

»Da ist gewiß auch der Steinklopferhanns nit weit«, meinte der Bursch.

Da sang es unten auf der Straße:

»'s Salz tut ma zbröseln Und gibt's in ein Faß, Und die Berg tut ma zbröckeln Und streut s' auf die Straß, So müssen sö alle, Auch d' vurnehmsten Herrn, Ob s' wölln oder nit wölln, Doch Bergkraxler werdn; Dem ein verreißt's die Stiefeln und Den andern schupft's in Wagn, Das schaut sich so viel lustig an Beim Steinerschlagn! – Juhe!«

Der Knecht und die Dirne oben im Walde waren aufgestanden.

»Dös is er selber«, lachte der Bursch.

Die Dirne kicherte.

Beide traten in die Lichtung, an der ein schmaler Weg in Mannshöh über der Straße führte, und sahen hinab. Unten stand der Steinklopferhanns, das war ein lediger Mensch, schon nah an die Sechzig, er trug einen Filzhut, weiß Gott, wo er den einmal gefunden hatte, für den Regen mochte er gut sein, denn in der Krempe waren viele Löcher, durch die das Wasser sogleich ablaufen konnte, unter dem Hut fiel langes, schon etwas grau gemischtes Haar bis auf die Schultern herab, das hätte ihn, den Hanns nämlich, nicht den Hut, recht ehrwürdig erscheinen lassen können, hätte nicht ein wahres Spitzbubengesicht daraus hervorgeschaut; einen Bart trug er, der war vor nicht gar kurzer Zeit einmal rasiert gewesen und sah sich an wie ein Stoppelfeld; einen gewaltigen Brustfleck hatte er um – eine Weste mochte ihn zu sehr spannen bei der Arbeit –, und geflickte Hosen hatte er und Schuhe nicht von den feinsten. Jetzt fuhr er sich mit dem Hemdärmel übers Gesicht wegen der Hitze, damit machte er's aber nicht besser, denn den Schweiß wischte er wohl weg, den Staub aber strich er sich vom Ärmel ins feuchte Gesicht.

»Steinklopfer!« riefen die von oben.

Er sah nach den beiden hinauf.

»Haha«, lachte er, »die ewig Liebsleut, grüß enk Gott!«

»Mußt heut nit deßtwegn spotten, Steinklopfer«, sagte oben der Bursch, »'s liegt uns grad schwer aufm Herzen, daß's so is und wir, wer weiß wie lang, 'd' ewig Liebsleut' sollen heißen müssen, 's is halt nit anderscht, wenn man so viel arm is!«

»No, no«, sagte der Steinklopfer unten auf der Straße und legte den schweren Hammer zur Seite, »tut enk d' Frotzlerei auf einmal weh? Hätt's nit denkt, sollt's schon gwohnt sein, denk ich; wollts nit 'd' ewig Liebsleut' heißen, machts a End, tuts enk zsamm, is doch 's Gered, ös sollts als Pfleger auf der Bas ihr Anwesen kommen.«

»Ja, probweis«, brummte oben der Bursch.

»Is amal a Bauer gwest«, sagte der unten auf der Straße, »der hat sich einmal was an die Knöpf abzählen wollen, hat aber dreihundertfünfundsechzig Westen ghabt und hat von ein Morgen zum andern gwart, was die ander Weste dazu sagt, hat 's ganze Jahr zählt und nichts zwegn bracht.«

Der Bursche oben stampfte in den Boden. »Meinst doch nit, ich bin a Letfeign!«

»Gar nichts mein ich«, sagte der Steinklopfer, »was vertrittst denn die Grashalm mitn Füßen, die habn dir doch nichts getan!«

»Geh, Hanns«, sagte die Dirne, »komm rauf in Tann! Verzähl was, Rast is noch a Weil, du arbeitst ja ehnder jetzt auch nit.«

»Dös wär recht«, sagte der Bursch, »verzähln kann er so viel schön.«

1. Vom Hanns und der Gretl

Inhaltsverzeichnis

Dort, wo der Wald niedergeht und ein Spitz wie eine Nasen ins Land streckt, dort is vor undenklichen Zeiten einmal a Häusel gstanden, drin hat a kluge Frau gwohnt. 's liegen dort in der Näh drei Dörfer, die warn in der Zeit, von der ich red, auch schon da, 's mag 's eine mehr Häuser ghabt habn als das andere, 's eine mag mit der Zeit von der Straß zruckgangen sein und 's andere bis hervor zu ihr, das macht nix. – Den Örtern geht's wie den Leuten, sie versterbn und lassen eins dahinter, das ihren Nam fortführt, und ist kein Brösel von ihnen selber mehr auf der Welt, als was so das Kind von ihnen überkommen hat; so ist wohl wenig mehr von dö alten Dörfer da, als daß neue Höf stehen an der Stell, wo einmal die alten gestanden sind, und ein oder der andere Stein mit hinein vermauert ist. Na, so war's halt, auf der Waldnasen hat die weise Frau ghaust, und rundum waren drei Dörfer, in ein Dorf war a Knecht, der hat Hanns gheißen, in andern a Dirn, die hat Gretl gheißen, und in der Mitten is das dritte Dorf glegen. Das dritte Dorf war das reichste, und 's hat oft dort im Wirtshaus Tanz und Unterhaltung gebn, und da hat der Hanns die Gretl kennenglernt, allzwei warn arme Teufeln, hätten gern gheirat, aber haben's immer überlegt, müßt amal a Glück kommen, daß sie's riskiern könnten, haben s' denkt. 's Glück is jahrlang ausblieben, sie sein d' Jahr lang miteinand gegangen, und da haben 's halt die Leut – ihr müßt es nit in Übel aufnehmen, aber die Leut warn allemal so boshaftig und nixnutzig wie heut –, da haben s' halt die Leut auch die »ewig Liebsleut« gnennt.

Einmal aber nimmt sich der Hannsl ein Herz und sagt, sie könnten doch auch die weise Frau um Rat fragn, denn warum net? Viele haben's schon getan, keinm seine Sach wär dadurch schlechter wordn, im Gegenteil hätt sie bei den mehrern den Nagel aufn Kopf gtroffen – na und so – freilich warum denn nit?

Freilich, meint die Gretl, ein rechter Rat wär doch immer was Rechts, und wann s' einem zu was Waghalsigem verleiten wollt, müßt man's ja doch nit tun und könnt's bleibenlassen. Und so viel wird's ja auch nit kosten, und es wird zum derschwingen sein.

Richtig, kosten wird's auch was, meint der Hanns. Umsonst ist der Tod, und der kost 's Leben – leben will so a kluge Frau doch auch, und wann man s' verhungern ließ, tät man völlig allen guten Rat im ganzen Gau aushüngern. Wird net so viel sein. Ihr guter Rat tät doch gleich sein Dienst, und braucht man nit so lang z' warten wie aufs liebe Himmelreich, für das sich die geistlich Herrn doch auch zahln lassen. Und die Gretl sollt nur auf die nächste Vollmondnacht hin gehn.

Das taugt aber der Gretl nit, denn sie tät sich so viel fürchten, und der Hannsl war doch a Mannsleut und der Kuraschiertere.

»Dös schon«, sagt der Hanns und wird um zwei Fingerbreit höher, kratzt sich aber gleich wieder hinterm Ohr und wird a Trümmerl kleiner, wie er eher war; »aber«, sagt er, »weißt, Gretl, allein kann ich's nit dertun.« No, er hat sein Lohn stark angriffen ghabt die Woch, auf Bier oder Tabak – wann s' auch schon graucht habn vor die undenklichen Zeiten, von dö ich verzähl? – Was weiß ich!

Zletzt kommen s' halt überein, daß jedes die Halbscheid von die Kosten tragt und daß der Hannsl hingeht.