DIE MEROWINGER - Zehnter Roman: Die Liebenden von Rouen - Robert Gordian - E-Book
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DIE MEROWINGER - Zehnter Roman: Die Liebenden von Rouen E-Book

Robert Gordian

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Beschreibung

Die Frau schob eine hellblonde Strähne zurück, die ihr über die Augen gefallen war. „Du bist schon da, mein Prinz!“ – „Brunichilde!“ Einen Augenblick lang sah er sie fassungslos an. Dann umarmte er sie stürmisch. „Endlich! Dieser Winter war eine Ewigkeit. Ich glaubte manchmal, dass ich schon tot sei. Verzeih mir, ich konnte nicht früher kommen! Was haben sie dir angetan?“ Das Frankenreich im Jahre 575. Zwei heimtückische Morde haben einen Keil zwischen die beiden mächtigen Zweige der Merowinger getrieben: Brunichilde, Königin Austrasiens, trauert um ihre Schwester und ihren Ehemann. Beide sind Opfer des skrupellosen neustrischen Königspaars Chilperich und Fredegunde. Auch Brunichilde fällt in ihre Hände. In der Gefangenschaft bekommt sie Hilfe von unerwarteter Seite – doch kann sie Merovech trauen, dem Sohn ihrer Todfeinde? Die fesselnde Familiensaga über eine der mächtigsten Familien des frühen Mittelalters, die mit Blut und Schwert Geschichte schrieb: die Merowinger. Jetzt als eBook: „DIE MEROWINGER – Zehnter Roman: Die Liebenden von Rouen“ von Robert Gordian.

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Über dieses Buch:

Das Frankenreich im Jahre 575. Zwei heimtückische Morde haben einen Keil zwischen die beiden mächtigen Zweige der Merowinger getrieben: Brunichilde, Königin Austrasiens, trauert um ihre Schwester und ihren Ehemann. Beide sind Opfer des skrupellosen neustrischen Königspaars Chilperich und Fredegunde. Auch Brunichilde fällt in ihre Hände. In der Gefangenschaft bekommt sie Hilfe von unerwarteter Seite – doch kann sie Merovech trauen, dem Sohn ihrer Todfeinde?

Die fesselnde Familiensaga über eine der mächtigsten Familien des frühen Mittelalters, die mit Blut und Schwert Geschichte schrieb: die Merowinger.

Über den Autor:

Robert Gordian (1938–2017), geboren in Oebisfelde, studierte Journalistik und Geschichte und arbeitete als Fernsehredakteur, Theaterdramaturg, Hörspiel- und TV-Autor, vorwiegend mit historischen Themen. Seit den neunziger Jahren verfasste er historische Romane und Erzählungen.

Robert Gordian veröffentlichte bei dotbooks bereits die Romane ABGRÜNDE DER MACHT, MEIN JAHR IN GERMANIEN, NOCH EINMAL NACH OLYMPIA, XANTHIPPE – DIE FRAU DES SOKRATES, DIE EHRLOSE HERZOGIN und DIE GERMANIN sowie drei historische Romanserien:

ODO UND LUPUS, KOMMISSARE KARLS DES GROSSEN

Erster Roman: »Demetrias Rache«

Zweiter Roman: »Saxnot stirbt nie«

Dritter Roman: »Pater Diabolus«

Vierter Roman: »Die Witwe«

Fünfter Roman: »Pilger und Mörder«

Sechster Roman: »Tödliche Brautnacht«

Siebter Roman: »Giftpilze«

Achter Roman: »Familienfehde«

DIE MEROWINGER

Erster Roman: »Letzte Säule des Imperiums«

Zweiter Roman: »Schwerter der Barbaren«

Dritter Roman: »Familiengruft«

Vierter Roman: »Zorn der Götter«

Fünfter Roman: »Chlodwigs Vermächtnis«

Sechster Roman: »Tödliches Erbe«

Siebter Roman: »Dritte Flucht«

Achter Roman: »Mörderpaar«

Neunter Roman: »Zwei Todfeindinnen«

Zehnter Roman: »Die Liebenden von Rouen«

Elfter Roman: »Der Heimatlose«

Zwölfter Roman: »Rebellion der Nonnen«

Dreizehnter Roman: »Die Treulosen«

ROSAMUNDE, KÖNIGIN DER LANGOBARDEN

Erster Roman: »Der Waffensohn«

Zweiter Roman: »Der Pokal des Alboin«

Dritter Roman: »Die Verschwörung«

Vierter Roman: »Die Tragödie von Ravenna«

Ebenfalls erschien bei dotbooks die beiden Kurzgeschichtenbände EINE MORDNACHT IM TEMPEL und DAS MÄDCHEN MIT DEM SCHLANGENOHRRING sowie die Reihe WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN mit kontrafaktischen Erzählungen über berühmte historische Persönlichkeiten:

WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN: Caesar, Chlodwig, Otto I., Elisabeth I., Lincoln, Hitler

WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN: Napoleon, Paulus, Themistokles, Dschingis Khan, Bolívar, Chruschtschow

WÄREN SIE FRÜHER GESTORBEN: Karl der Große, Arminius, Gregor VII., Mark Aurel, Peter I., Friedrich II.

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe Mai 2014

Die komplett überarbeiteten und erweiterten Neuausgaben der Merowinger-Romane von Robert Gordian, die bei dotbooks erscheinen, beruhen auf einer Tetralogie, die zwischen 1998 und 2006 in verschiedenen Verlagen veröffentlicht wurde. Teile des vorliegenden zehnten Romans der Serie erschienen erstmals 1998 in »Die schrecklichen Königinnen«, veröffentlicht im Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 1998 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH, München

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95520-590-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Robert Gordian

DIE MEROWINGER

Die Liebenden von Rouen

Zehnter Roman

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Was bisher geschah

Ein Jahrhundert ist vergangen, seit das römische Westreich zusammenbrach. Der Frankenkönig Chlodwig beseitigte die Reste der Römerherrschaft in Gallien (dem heutigen Frankreich). Er gründete ein mächtiges Reich, das nach ihm seine vier Söhne erbten, beherrschten und territorial ausdehnten. Nach dem Tode des Jüngsten der vier teilen sich nun dessen Söhne, Chlodwigs Enkel, die Regierung wiederum in vier Teilreichen. Es sind Charibert, Gunthram, Sigibert und Chilperich. Nach Chariberts frühem Tode wird auch dessen Reich aufgeteilt.

Chilperich, nur ein Halbbruder der drei anderen, fühlt sich bei den Teilungen benachteiligt und wird zum notorischen Unruhestifter, indem er das Ergebnis mit kriegerischen Mitteln zu korrigieren sucht. Seinem Bruder Sigibert neidet er überdies die Heirat mit der viel bewunderten Brunichilde, der Tochter des Königs der Westgoten. Er wirbt um deren Schwester Galsvintha, hat aber erst Erfolg, nachdem er eidlich versichert hat, nach der Hochzeit nur noch mit seiner rechtmäßigen Gemahlin zu leben und seine zahlreichen anderen Ehefrauen und Kebsen zu verstoßen.

Schon bei ihrer ersten Begegnung ist Chilperich enttäuscht von der reizlosen, kalten, frömmelnden Braut. Galsvintha ist ihrer Schwester Brunichilde vollkommen unähnlich, und er behält sie nur ihrer reichen Mitgift wegen. Offen nimmt er eidbrüchig die Beziehungen zu seiner früheren Lieblingsfrau wieder auf: zu Fredegunde, einer unfrei Geborenen, die Galsvintha jetzt als Magd dient. Als die Königin den Betrug bemerkt und fliehen will, fürchtet Chilperich die Vergeltung der beleidigten Goten. Er lässt Galsvintha durch einen Knecht ermorden und behauptet, dass eine Krankheit sie dahingerafft habe.

Galsvinthas Schwester Brunichilde, die Königin Austrasiens, lässt sich durch diese Lüge nicht täuschen und sieht sich in der Pflicht zur Blutrache. Um den Mörder – und lästigen Nachbarn – Chilperich zu vernichten, treibt sie König Sigibert, ihren Gemahl, zum Krieg. Vor dem überlegenen austrasischen Heer muss Chilperich in den äußersten Winkel seines Reiches flüchten, in die alte fränkische Stammesfestung Tournai. Hier erwartet er, in sein Schicksal ergeben, den Untergang.

Schon lässt sich Sigibert zum König des neustrischen Reiches erheben – doch bleibt er das nur wenige Stunden. Am Krönungstag noch wird er ermordet. Fredegunde hat ihm die Männer geschickt, die ihn niederstechen. Der Vergeltungszug Brunichildes löst sich auf. Die austrasische Königin, die Sigibert und dem Heer gefolgt ist und in Paris vergebens auf Siegesmeldungen hofft, sieht sich nun als zweifache Verliererin: die Schwester ermordet, der Ehemann ermordet! Dem skrupellosen »Mörderpaar« nicht gewachsen, befürchtet sie nun ihrerseits Vergeltung. Mit ihren drei Kindern ist sie dessen Gefangene. Unsicher ist, ob Herzog Boso, der ein Bauernheer sammeln und sie befreien will, Erfolg haben wird.

Zu Brunichildes Glück sind aber die feindlichen Verwandten untereinander uneins. Fredegunde, die ihr vor versammelter Gefolgschaft die Schlüssel zu ihren Schatztruhen entreißt, würde am liebsten sehen, dass ihre Todfeindin das Schicksal ihrer Schwester teilte. Dagegen wird Brunichilde von Chilperich, der sie heimlich verehrt, eher milde behandelt. Vergebens ist allerdings seine Hoffnung auf Liebeslohn. Um ihren Widerstand zu brechen, ordnet er für sie strenge winterliche Haft in einem Krongut bei Rouen an. Aber es gibt auch Hoffnung für sie: Ihr fünfjähriger Sohn Childebert wird gerettet und in Metz zum König Austrasiens gekürt. Dieser Hoheitsakt schützt sie nun als Königinmutter. Und auch unter den neustrischen Großen findet sich einer, der alles wagen würde, um ihr zu helfen und sie zu retten: Es ist Merovech, König Chilperichs ältester Sohn.

Dramatis personae

Brunichilde, Königin von Austrasien

Childebert, König Austrasiens, fünf Jahre alt

Ingunde, Brunichildes Tochter

Chlodosvintha, Brunichildes Tochter

Frolaica, Dienerin Brunichildes

Boso, austrasischer Königsvasall

Thirza, Bosos Geliebte

Gundoald, austrasischer Comes

Chilperich, König von Neustrien

Fredegunde, dessen Gemahlin, Königin

Merovech, neustrischer Thronfolger

Chlodwig, Chilperichs Sohn

Basina, Chilperichs Tochter

Rigunth, Chilperichs Tochter

Chuppa, neustrischer Marschalk

Gailenus, Freund Merovechs

Grindio, Gefolgsmann Merovechs

Leudast, Comes von Tours

Praetextatus, Bischof von Rouen

Egidius, Bischof von Paris

Waddo, Anführer des Wachtrupps

Der Domesticus von Rotoialum

Godin, Gutsbesitzer und Abenteurer

Merellus, Baumeister

Kapitel 1

Am vierten Tag nach dem Osterfest des Jahres 576 hatten sich im Hause des Comes von Tours, einem am linken Ufer der Loire breit hin gelagerten Prachtbau im Stil eines römischen Landhauses, mehr als hundert Festgäste versammelt.

Den meisten von ihnen war anzusehen, dass sie die Auferstehung des Herrn schon tage- und nächtelang gefeiert hatten. Erschöpft, mit Flecken von Wein und Fett auf den kostbaren Gewändern, saßen sie an den langen Tischen, die nach fränkischer Sitte die römischen Speisesofas auch hier abgelöst hatten.

Indessen blieb die römische Gewohnheit erhalten, ein Festmahl mit einer nahezu endlosen Speisenfolge über viele Stunden zu dehnen, und die tapferen Konviven, zahlreiche Damen darunter, kämpften sich auch an diesem Abend von Schüssel zu Schüssel, vertilgten Ragouts von Muscheln und Schnecken, Pfauenpasteten, Hühner in Teigkruste, Rehkeulen, Saueuter. Zum Trinkgelage wurden wie an den Abenden zuvor syrische und spanische Weine geschenkt. Es traten auch wieder Spaßmacher, Akrobaten und Tänzerinnen auf, die sich mühten, ihren Darbietungen, die alle schon kannten, Neues und Überraschendes hinzuzufügen. Obwohl man die Tür zum Garten geöffnet hielt, schwebte der Kerzenrauch von zahlreichen Kandelabern im Raum und vermischte sich mit den schweren Dünsten der Speisen und der schwitzenden Menschenleiber.

Es war die Anwesenheit eines hohen Gastes, die den Comes Leudast veranlasste, immer noch einmal die vornehmsten Bürger der Stadt Tours um seinen reich gedeckten Tisch zu versammeln. Der Gast hatte eigentlich nur das Osterfest im lieblichen Pagus Turonicus verbringen und danach unverzüglich weiterziehen wollen. Doch dann hatte es immer wieder Gründe gegeben, die ihn nötigten, noch einen Tag länger zu bleiben.

Auch an diesem Abend fand ihm zu Ehren ein Abschiedsmahl statt, aber Leudast war keineswegs sicher, dass der Gast sich am nächsten Morgen mit dem achthundertköpfigen Heerhaufen, deren oberster Befehlshaber er war, auf den Weg machen würde. Noch wirkte er wenig unternehmend, hörte gelangweilt Meldungen an und gab widersprüchliche Weisungen. Auch dem Geplauder des Comes folgte er nur mit zerstreuter Miene. Die meiste Zeit war er in Grübeleien versunken. Er aß und trank wenig, und nicht einmal die kaum verhüllten Reize der Tänzerinnen schienen ihm Eindruck zu machen.

Der zaudernde Gast des Comes von Tours war Prinz Merovech.

Trotz seines wenig kriegerischen Charakters und seiner geringen Neigung zum Feldherrnberuf hatte sein Vater, König Chilperich von Neustrien, ihn gleich zu Beginn des Frühjahrs an die Spitze eines großen Teils der verfügbaren Streitmacht gestellt. Noch ehe sich die Austrasier erholten und wieder marschbereit waren, wollte Chilperich im Süden Tatsachen schaffen. Die so lange erbittert umkämpften Städte und Landschaften galt es nun endgültig unter seine Herrschaft zu bringen.

Tours, der neustrischen Grenze zunächst gelegen, hatte ihm unter Leudasts Druck wieder Treue geschworen. Poitiers, Limoges, Cahors und Bordeaux verharrten jedoch bei den Austrasiern und mussten gewaltsam an ihre früheren Treuebekenntnisse erinnert werden.

Chilperich wagte allerdings nicht, seine Hauptstadt Soissons zu verlassen und dies selber zu tun. Auch Chlodwig, sein zweiter Sohn, kam als Befehlshaber nicht mehr in Frage, stand er doch südlich der Loire im Ruf des Verlierers, den man schon einmal mit Hunden davongejagt hatte.

So blieb nur Merovech, wenn man den Raubzug mit königlicher Autorität veredeln wollte. Chilperich hielt es auch für dringend geboten, seinen Ältesten mit einer ernsten Aufgabe zu betrauen, die seiner Stellung als Thronfolger angemessen war. Drei Monate lang hatte er in Berny beobachtet, wie sich Merovech aus einem Grunde, der nicht zweifelhaft war, untätig, lustlos und schwermütig herumgedrückt hatte. Es war Zeit, diesem Übel ein Ende zu bereiten. Auch Königin Fredegunde war der Meinung, dass sich ein künftiger Herrscher unbedingt Heldenruhm verschaffen müsse.

Umgeben von seinem persönlichen Gefolge und einigen älteren Antrustionen, wurde der Prinz auf den Weg geschickt. Nach einem Zwischenaufenthalt in Tours, den Chilperich ausdrücklich auf zwei Tage beschränkt sehen wollte, um die treu gebliebene Stadt jetzt, am Ende des Winters, nicht zu schwer zu belasten, sollte er gegen Poitiers und die anderen Orte vorgehen.

Doch nun war er bereits am siebten Tag in Tours und saß immer noch am Tisch des Leudast. Dabei hatte er die Wiederbegegnung mit diesem Mann, der lange am neustrischen Hof gelebt hatte und in seinen Augen ein besonders dreister und skrupelloser Emporkömmling war, nicht gerade herbeigesehnt. Er hielt mit seiner Verachtung für den Comes auch nicht hinterm Berge, was diesen aber nicht anfocht in seiner Entschlossenheit, den Aufenthalt des Prinzen, vielleicht des künftigen Königs, zu einem einzigen Fest zu machen.

Merovech wohnte in seinem Hause, und Leudast umschwärmte ihn unentwegt, lästig in seiner Großtuerei und Unterwürfigkeit. Auch jetzt ließ er keine Gelegenheit aus, die Rückkehr der Stadt zu Chilperich als sein alleiniges Verdienst zu würdigen.

Gegen die galloromanischen Notabeln, die er, wie er sich ausdrückte, »zu Gast befohlen« hatte, benahm er sich mit flegelhafter Herablassung. Er stand im mittleren Alter, war dunkeläugig, von gedrungener Statur und trug eine mächtige blonde Perücke, die seine Kahlheit und noch etwas anderes verdeckte.

Nachdem die letzten Gaukler abgetreten waren, unterhielt nur er noch den schweigsamen Ehrengast und die ermüdete Tischgesellschaft. Wie gewöhnlich tat er es auf Kosten Anwesender.

»Wahrhaftig, Prinz«, sagte er, indem er seinen betrübten Blick umherschweifen ließ, »sieh dich hier um, und du wirst auch nicht einen Einzigen finden, der es mit seiner Treue ehrlich meint! Nimm den dort zum Beispiel. Sein Name ist Justus. Er müsste schon eine gespaltene Zunge haben, so oft hat er mal dem König Sigibert und mal deinem edlen Vater, unserm ruhmreichen König Chilperich, die Treue geschworen. Zeig uns mal deine Zunge, Justus!«

Der Angesprochene, ein vornehmer Alter mit weißem Bart, streckte gehorsam die Zunge heraus.

»Sie ist ganz, ein wahres Wunder«, stellte Leudast fest. »Vermutlich hast du gefastet und am Martinsgrab gewacht, und der Heilige hat sie dir wieder zusammengefügt. Vielleicht hat auch der Bischof Gregor für dich gebetet, der hält es ja mit euch Doppelzünglern. Sieh dir diesen hier an, Prinz; einen gewissen Sulpicius. Er behauptet, von irgendeinem römischen Kaiser abzustammen. Und weißt du, was dieser vornehme Römerspross getan hat?«

»Du erwähntest es schon«, sagte Merovech seufzend.

»Ja, man kann es nicht oft genug wiederholen. Er hat den Mörder deines Bruders bei sich beherbergt.«

»Ich wusste ja nicht, dass Herzog Boso der Mörder des Herrn Theudebert war!«, rechtfertigte sich der Sulpicius Genannte.

»Oh, diese Unschuld!«, höhnte Leudast. »Diese Ahnungslosigkeit! Von mir selbst wusstest du es, du Schurke! Ich war ja dabei, ich kämpfte an Theudeberts Seite. Ich sah mit eigenen Augen, wie Boso ihn niederstieß, als er schon längst am Boden war. Mich habt ihr dann verjagt. Und als ich mit meinen Bretonen zurückkam, da hast du ihn gewarnt, Sulpicius! So konnte er ins Kirchenasyl zum heiligen Martin entkommen. Eine Schande! Aber du wurdest bestraft, ich brachte dich vor meinen Richterstuhl. Das Haus, das der Mörder beschmutzt hatte, musstest du wieder hergeben. Weil du die Erbschaft erschlichen hattest!«

Am Ende der Bank erhob sich ein Mann, dessen Gesicht von einer Narbe entstellt war, und ging raschen Schrittes in den Garten hinaus.

Merovech merkte zum zweiten Mal auf und sah ihm nach.

»Da ist wieder einem schlecht geworden«, bemerkte Leudast. »Deine Männer, Prinz, sind nicht sehr trinkfest. Dabei sollten gerade wir Franken mit gutem Beispiel vorangehen, auf Tradition halten. Wie aufopfernd bin ich bemüht, diese kränklichen, überempfindlichen Gallier germanische Sitten zu lehren. He, Sinopus! Du bist blass wie ein Nonnenarsch! Dein Bauch ist vom Fressen ganz aufgetrieben. Lass einen Furz, damit dir leichter wird! Los, ich befehle es dir!«

Sinopus, ein zartes Männchen, deutete eine Anstrengung an und sagte dann leise: »Es geht leider nicht.«

»Geht nicht, geht nicht! Du bist nur verstockt, du willst nicht. Und einer wie du war hier Magistrat – für die Ordnung, die Bauten und die Spiele verantwortlich! Schafft es nicht einmal, einen Furz zu lassen. Ich musste ihn absetzen, wegen Ungehorsams. Aber ich bin nicht nachtragend, er darf sich an meinem Tisch mästen und hat die Ehre, dabei dem Thronfolger gegenüberzusitzen. Ich habe nun einmal Mitleid mit euch, denn ich weiß ja, dass ihr Gallier dumm seid, die Aristokraten ganz besonders. Begegnet mir doch neulich so ein Aristokrat im Mondschein und fragt mich: ›Was meinst du, Comes, ob die in Poitiers einen ebenso schönen, großen Mond haben wie wir hier in Tours?‹«

Wiehernd belachte er den altbackenen Witz, der schon vor Jahrhunderten in römischen Sammlungen stand. Nur wenige stimmten pflichtschuldigst ein. Die meisten zogen betretene Mienen.

Ein Diener, der Wein holen wollte, glitt auf einem Stück Wurstdarm aus, das die Hunde verschmäht hatten. Er zerbrach eine gläserne Kanne.

»Ha!«, rief Leudast. »Da haben wir es. Dummköpfe und Tolpatsche! So schädigen sie den König und seinen Vertreter, den Comes. Peitscht den Kerl aus! Auch er ist nur hier, weil ich Mitleid hatte. Sein Vater, ein Betrüger, den ich als Richter überführte, konnte das Bußgeld nicht aufbringen. Da habe ich seinen Sohn in Zahlung genommen. Dankt er es mir? Wie habt ihr es mir alle gedankt, dass ich schon unter König Charibert euer Comes war und für Recht und Ordnung gesorgt habe! Verleumdet und angeklagt habt ihr mich, so dass König Sigibert mich verfolgen ließ. Mit Mühe entkam ich zu unserm Herrn Chilperich, deinem erhabenen Vater, Prinz. Er setzte mich wieder ein. Und deshalb solltet ihr froh sein, ihr Schufte, und für mich beten. Betet auch für Herrn Merovech, damit er recht schnell diese Treulosen in den anderen Städten zur Vernunft bringt. Übrigens scheint es hier niemanden zu rühren, dass unser hoher Gast, unser kühner Feldherr, so ernst und traurig ist. Ich muss mich wirklich sehr über die Damen wundern. Will keine ihn aufheitern? Welche Gefühllosigkeit! Welche Roheit! Dabei seid ihr doch sonst nicht gerade schüchtern! Einige sehe ich in diesem Saal, die sich mir heimlich anboten, um ihren Gatten vor einer gerechten Strafe zu retten. Falls ich …«

»Falls du die Absicht hast, Leudast, uns deine Geheimnisse zu enthüllen«, unterbrach ihn Merovech, »werde ich darauf bestehen, dass du uns nicht nur Kostproben gibst, sondern alles sagst und nichts auslässt. Anderenfalls ist es besser, du schweigst.«

Dieser Bemerkung folgte eine vollkommene Stille. Über manche Gesichter huschte ein spöttisches Lächeln.

Leudast, im ersten Augenblick verlegen, lachte plötzlich laut auf, als hätte der Prinz einen köstlichen Scherz gemacht, und klatschte in die Hände. Gleich legte seine Musikantenbande mit Flöten, Zimbeln und Rasseln los. Merovech schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und ging in den Garten hinaus.

***

Es war ein milder Aprilabend. Der Prinz schritt langsam die breiten, von hohen Hecken und Skulpturen gesäumten Stufen zum Fluss hinunter. Er atmete frei die reine Luft und genoss das Fächeln des sanften Windes.

Auf der langgestreckten Loire-Insel gegenüber sah er Männer vor ihren Hütten um ein Feuer hocken. Ein verspätetes Fischerboot näherte sich langsam, die Insassen mussten gegen die starke Frühlingsströmung kämpfen. Gesang und das Lachen von Frauen waren aus den Gärten am Ufer zu hören. Gegen den sternklaren Himmel im Westen erhob sich nahe die Silhouette der Bischofskirche, ein Stück dahinter die der Basilika des heiligen Martin.

Merovech wollte gerade auf einer Steinbank Platz nehmen, um sich wieder seinen quälenden Gedanken auszuliefern, als aus einem Seitenweg zwischen den Hecken ein Mann auf ihn zutrat.

Er erkannte ihn gleich an der Haltung des Kopfes, den die Narbe, die sich vom Ohr zum Kinn zog und den Hals verkürzt hatte, nach der Schulter neigte.

»Grindio!«

»Verzeih, ich hielt es dort drinnen nicht mehr aus.«

Es war jener ehemalige Gefolgsmann Theudeberts, des älteren Bruders Merovechs, der den Eingeschlossenen in Tournai die Nachricht von der Niederlage bei Angouleme überbracht hatte. Er war noch sehr jung, doch schon mit bitteren Erfahrungen beladen, die ihn zu einem ernsten, mürrischen Einzelgänger gemacht hatten.

Chilperich konnte ihn seiner Verletzungen wegen nicht mehr brauchen. Weil Grindio aber einem vornehmen Geschlecht entstammte, ging es nicht an, ihn einfach nach Hause zu schicken. So blieb er also bei der am Königshof unterhaltenen und herangebildeten Jungmannschaft und wurde Merovech zugeordnet. Bei diesem Feldzug konnte er sich als Kenner der Gegend und gewisser Tücken der einheimischen Bevölkerung sogar für den Kriegsrat eignen.

»Hat dich das Geschwätz unseres Gastgebers geärgert?«, fragte Merovech verständnisvoll.

»Wenn dieser Mann den Mund auftut, lügt er«, erwiderte Grindio.

»Setz dich zu mir. Wenn er log – warum hast du ihm nicht widersprochen?«

»Konnte ich das denn? Durfte ich das? Er ist Comes, und wer bin ich? Nicht einmal du hast ihm widersprochen.«

»Ich habe ihm, offen gestanden, kaum zugehört. Ich weiß ja, dass er ein Aufschneider ist, kenne ihn lange genug.«

»Am Tisch deines Vaters hätte er so etwas nicht gewagt. Was für eine Frechheit! Spielt sich als Held auf, als Augenzeuge! Behauptet, er hätte an Theudeberts Seite gekämpft. Gedrückt hat er sich! Dein Bruder hatte ihn aufgefordert, mit uns zu ziehen, aber er hatte hundert Ausflüchte. Angeblich konnte er Tours nicht verlassen, weil wieder ein Aufstand drohte. Weil er im Hinterland für Nachschub sorgen musste. Nichts hat er getan! Wir mussten uns …«

»Jedenfalls haben wir nun einen zweiten Zeugen dafür, dass Herzog Boso meinen Bruder eigenhändig getötet hat«, sagte Merovech, seinen Gefolgsmann unterbrechend.

»Aber so glaube mir doch, Prinz, Leudast war nicht dabei! Er wollte vor dir den Helden spielen, sich wichtigmachen. Von denen, die wirklich um Theudebert waren, als er starb, ist keiner mehr am Leben.«

»Nun, es genügte ja auch, dass du allein es behauptet hast.«

»Du weißt doch, wie es dazu gekommen ist«, erwiderte Grindio traurig. »Ich habe dir doch alles gestanden. Ich tat es, weil dein Vater es hören wollte. Sollte ich mich noch foltern lassen, nach all dem, was mir bis dahin schon passiert war? Dein Vater wollte hören, dass Theudebert als ein Held starb und einen würdigen Gegner hatte. Dass der aber ehrlos an ihm handelte, dass er ihn umbrachte, als er schon wehrlos war, und dass er ihn dann noch bestahl. Da hab ich es eben so gesagt …«

»Und damit einen Mann, der unschuldig ist, in höchste Gefahr gebracht.«

»Ganz unschuldig ist er sicher nicht. Ich habe gesehen, dass er Theudeberts Schwert trug.«

»Er erklärt, auch das sei ein Irrtum. Auf einem Schlachtfeld im Getümmel … wer könnte da noch genau beobachten! Und du warst schwer verwundet, vielleicht nicht bei vollem Bewusstsein!«

»Ich hab es gesehen«, sagte Grindio trotzig.

»Und ich sage dir, dass Boso unschuldig ist. Lange hab ich mit ihm gesprochen. Das ist kein Schlächter und kein Beutegeier. Hätte er nicht die edelmütigste Gesinnung, wäre er nicht in diese Lage gekommen. Er warb ein Heer an, wollte seine Königin Brunichilde retten! Stattdessen wäre er fast dem Leudast in die Hände gefallen. Zum Glück erreichte er die Martinskirche. Bischof Gregor ist streng und wird niemandem die Verletzung des heiligen Rechts erlauben. Und ich werde Boso nicht herauslocken, auch wenn mein Vater das wünscht. Ich werde diesen Mann nicht dem Henker ausliefern. Allerdings fürchte ich, Leudast wird alles aufbieten, um seiner habhaft zu werden.«

Merovech schwieg verstimmt und ging mit langen Schritten am Ufer auf und ab. Von Zeit zu Zeit bückte er sich, um einen Stein aufzuheben und ins Wasser zu schleudern.

Grindio wunderte sich zum wiederholten Mal über die warme Teilnahme des Prinzen am Schicksal des fremden Herzogs. Mehrmals schon hatte Merovech die Grabkirche des heiligen Martin aufgesucht, wo der Austrasier im Asyl saß, und jedes Mal hatte er lange mit ihm gesprochen.

Immer war er dann in sich gekehrt und mit mühsam beherrschter Erregung aus der Kirche gekommen. Vergebens rätselten seine Vertrauten über die Ursache.

Dem jungen Gefolgsmann war der Herzog gleichgültig, doch seine Wut auf den Comes brach erneut hervor.

»Du könntest Leudast doch einfach absetzen!«, riet er.

»Dazu bin ich nicht befugt«, erwiderte Merovech.

»Dann befiehl ihm, dass er mit uns zieht. Soll er doch zeigen, dass er nicht nur mit dem Maul ein Held ist.«

»Auch dazu müsste mein Vater erst seine Zustimmung geben.«

»Dann lass ihn wenigstens dafür sorgen, dass wir unterwegs keinen Mangel leiden. Nimm ihm weg, was er selber gestohlen hat! Mit den Schätzen, die er hier in seinem Hause aufbewahrt, könnte man eine Königin ausstatten.«

Merovech blieb stehen und drehte sich ruckartig um. Er trat auf Grindio zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und starrte ihn an.

»Was sagst du da? Eine Königin ausstatten?«

Der junge Gefolgsmann nickte eifrig.

»Das will ich meinen, Prinz, sogar zwei! Ist dir das noch nicht aufgefallen? Schon was man sieht: die silbernen Leuchter, das goldene Tafelgeschirr, die Elfenbeinmöbel. Aber das ist ja das wenigste! Ich habe mit seinen Leuten gesprochen, habe mich gründlich umgehört. Er besitzt mehrere Truhen voller Goldmünzen. Und eine, die bis zum Rand mit Perlen gefüllt sein soll. Geht das mit rechten Dingen zu? Ein Comes in einer Stadt mit ein paar Dörfern? Frag die Leute, die drinnen am Tisch sitzen, die wissen Bescheid. Aber sie werden dir wohl nichts sagen, weil sie vorher schon eingeschüchtert wurden. Manchem von denen setzt er die Schüsseln vor, die er ihm vorher gestohlen hat. Alter Familienbesitz aus der Römerzeit! Aber er weiß, wie es gemacht wird. Bußen aufgrund falscher Anklagen … Geschenke für wohlwollende Verschonung … alles im Namen des Königs, der nichts davon hat. Es wäre nur gerecht, wenn du … Prinz!«

Merovech hatte sich abgewandt und stieg bereits wieder die Stufen zum Hause hinauf.

In dem Augenblick, als er die Terrasse erreichte, stürzte Leudast aus der Tür, gefolgt von einem Schwarm betrunkener Gäste. Ein paar Damen, offenbar nachdrücklich angeleitet, umringten den Prinzen girrend und schmeichelnd.

»Da ist ja der Ausreißer … Wir waren besorgt … Du wolltest doch nicht in den Kampf ziehen, ohne dich von uns zu verabschieden?«

Merovech machte sich heftig los und stieg eine Außentreppe hinauf, die zu den von ihm bewohnten Räumen führte.

»Prinz!«, rief Leudast ihm nach. »Was wirst du nun morgen tun? Wirst du marschieren?«

»Nein!«, sagte Merovech, ohne sich umzudrehen.

»Dann feiern wir also auch morgen Abschied«, sagte der Comes. »Jetzt aber macht, dass ihr nach Hause kommt!«