Die Mumins (6). Winter im Mumintal - Tove Jansson - E-Book

Die Mumins (6). Winter im Mumintal E-Book

Tove Jansson

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Beschreibung

Was erlebt der kleine Mumin nicht alles, als er plötzlich mitten im Winterschlaf aufwacht und nicht mehr schlafen kann! Er klettert durch die Dachluke in die verschneite Winterlandschaft und entdeckt eine unbekannte Welt, in der viele neue Abenteuer auf ihn warten. 

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Tove Jansson

WINTER IM MUMINTAL

Aus dem Schwedischen übersetzt von Birgitta Kicherer

Mit Bildern von Tove Jansson

Lies auch die anderen Abenteuer mit den Mumins von Tove Jansson: Die Mumins. Mumins lange Reise Die Mumins. Komet im Mumintal Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft Die Mumins. Muminvaters wildbewegte JugendDie Mumins. Sturm im Mumintal Die Mumins. Geschichten aus dem Mumintal Die Mumins. Mumins wundersame Inselabenteuer Die Mumins. Herbst im Mumintal

 

 

 

 

 

 

 

 

Tove Jansson (1914–2001)ist über die Malerei zur Schriftstellerei gekommen. Für ihre in zahlreiche Sprachen übersetzten Bücher wurde sie mit vielen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit der Nils-Holgersson-Medaille und dem Hans-Christian-Andersen-Preis.

Für meine Mutter

1. Auflage 2017 Die Originalausgabe erschien 1957 unter dem Titel »Trollvinter«bei Schildts Förlags Ab, Esbo, Finnland. © Tove Jansson, 1957, Moomin Characters™ © für die deutschsprachige Ausgabe: Arena Verlag GmbH, Würzburg 2006 Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer Alle Rechte vorbehalten Umschlag- und Innenillustrationen: Tove Jansson ISBN 978-3-401-80726-3

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Inhalt

Erstes Kapitel

Der zugeschneite Salon

Zweites Kapitel

Das verzauberte Badehäuschen

Drittes Kapitel

Die große Kälte

Viertes Kapitel

Die Geheimnisvollen

Fünftes Kapitel

Die einsamen Gäste

Sechstes Kapitel

Der Frühlingsanfang

Erstes Kapitel

Der zugeschneite Salon

Der Himmel war fast schwarz, aber der Schnee funkelte leuchtend blau im Mondschein.

Das Meer lag unterm Eis und schlief und tief zwischen den Wurzeln der Erde träumten alle kleinen Krabbeltiere vom Frühling. Doch bis dahin dauerte es noch eine gute Weile, das Jahr war nämlich erst bis kurz nach Neujahr vorgerückt.

An der Stelle, wo das Tal mit weichem Schwung bergan stieg, lag ein eingeschneites Haus. Es erinnerte an einen zufällig zusammengewehten Schneehaufen und sah sehr einsam aus. Gleich daneben wand sich der Fluss kohlschwarz zwischen den Eiskanten. Die Strömung hatte das Wasser den ganzen Winter über offen gehalten. Aber keine Fußspuren führten über die Brücke und auch die Schneewehen vor dem Haus waren unberührt.

Drinnen im Haus war es warm. Unten im Keller verbrannten große Mengen Torf langsam im Ofen. Der Mond schaute durchs Fenster und schien auf die weißen Winterbezüge der Möbel und auf den in Tüll gehüllten Kristallleuchter. Und rings um den größten Kachelofen im Salon lag die Muminfamilie und schlief ihren langen Winterschlaf.

Wie immer schliefen sie von November bis April, denn so hatten es ihre Vorfahren gehalten und Mumintrolle sind sehr traditionsbewusst. Alle hatten den Bauch voller Tannennadeln, genau wie ihre Vorfahren es gehabt hatten, und neben ihre Betten hatten sie hoffnungsvoll alles bereitgelegt, was man in den ersten Frühlingstagen so brauchen kann: Spaten, Brenngläser und Filmstreifen, Windmesser und ähnliche Dinge.

Die Stille war voller Ruhe und Erwartung.

Ab und zu seufzte jemand und rollte sich noch tiefer in seine Schlafmulde hinein.

Der Mondstreifen wanderte über den Schaukelstuhl zum Salontisch, kroch über die Messingknäufe des Bettgiebels und schien Mumin direkt ins Gesicht.

Und dann geschah etwas, das noch nie geschehen war, seit der erste Mumintroll sich zum Winterschlaf zusammengerollt hatte. Mumin wachte auf und konnte nicht wieder einschlafen.

Mumin sah den Mondschein und die Eiskristalle an der Fensterscheibe. Er hörte unten im Keller den Ofen brummen und wurde immer wacher und wunderte sich immer mehr. Schließlich stand er auf und tappte ans Bett der Muminmutter.

Vorsichtig zog er sie am Ohr, aber sie wachte nicht auf, sondern rollte sich nur zu einem uninteressierten Ball zusammen.

Wenn nicht einmal Mutter aufwacht, brauche ich es mit den anderen gar nicht erst zu versuchen, dachte Mumin und tappte weiter durch das fremde, geheimnisvolle Haus. Die Uhren waren schon längst stehen geblieben, alles war von einer feinen Staubschicht überzogen. Auf dem Salontisch stand noch vom Herbst die Suppenschüssel, in der die Tannennadeln gewesen waren. Und der kristallene Kronleuchter klirrte sachte in seinem Tüllgewand vor sich hin.

Plötzlich bekam Mumin Angst. Er blieb jäh in dem warmen Dunkel außerhalb des Mondstreifens stehen und fühlte sich ganz entsetzlich verlassen.

»Mutter! Wach auf!«, schrie er und zog an ihrer Decke.

»Die ganze Welt ist verschwunden!«

Doch die Muminmutter wachte nicht auf. Für einen kurzen Augenblick wurden ihre Sommerträume unruhig und bekümmert, aber aufwachen, das konnte sie nicht. Mumin rollte sich neben ihrem Bett auf dem Teppich zusammen und die lange Winternacht ging weiter.

Im Morgengrauen begann sich der Schnee auf dem Dach zu bewegen. Er rutschte ein Stück, dann glitt er entschlossen über die Dachkante und landete mit einem weichen Plumps.

Jetzt waren alle Fenster in Schnee begraben, durch die Scheiben drang nur noch ein schwaches graues Licht ins Haus. Der Salon wirkte unwirklicher denn je, so als läge er tief unter der Erde.

Mumin horchte lange mit steil aufgerichteten Ohren, dann zündete er die Nachtlampe an und schlich zur Kommode, um den Frühlingsbrief des Schnupferichs zu lesen. Der Brief lag wie immer an seinem Platz unter der kleinen Straßenbahn aus Meerschaum und glich all den anderen Frühlingsbriefen, die der Schnupferich jedes Mal hinterlassen hatte, wenn er im Oktober nach Süden wanderte.

Mit großen, runden Buchstaben stand da zuerst Hallo. Der Brief selbst war kurz.

Schlaf gut und sei nicht traurig. Am ersten warmen Frühlingstag bin ich wieder bei dir. Warte mit dem Dammbau, bis ich da bin.

Schnupferich

Mumin las den Brief immer wieder und plötzlich spürte er, dass er Hunger hatte.

Er ging in die Küche. Die lag ebenfalls viele Meilen tief unter der Erde und sah geradezu unheimlich aufgeräumt und leer aus. In der Speisekammer herrschte die gleiche Leere. Das Einzige, was er fand, waren eine Flasche Preiselbeersaft, der schon vergoren war, und eine halbe Packung verstaubtes Knäckebrot.

Er setzte sich unter den Küchentisch und aß und las dabei den Brief des Schnupferichs noch einmal von vorn. Dann legte er sich auf den Rücken und guckte die viereckigen Holzklötze an der Unterseite des Tisches an. Es war sehr still.

»Hallo«, flüsterte Mumin. »Schlaf gut und sei nicht traurig. Am ersten warmen Frühlingstag …«, sagte er etwas lauter. Und dann sang er aus vollem Hals:

»… bin ich wieder bei dir! Ich bin hier und es ist Frühling und es ist warm und ich bin hier und hier bin ich und bin bei dir und bin hier und bin da …«

Und verstummte plötzlich, als er zwei kleine Augen entdeckte, die ihn unterm Spültisch hervor anstarrten. Er starrte zurück. Alles war genauso still wie zuvor. Dann verschwanden die Augen.

»Warte«, rief Mumin ängstlich. Er kroch an den Spültisch hin und lockte leise: »Komm, komm! Hab keine Angst. Ich tu dir nichts. Komm zurück …«

Aber der Unbekannte unterm Spültisch kam nicht zurück. Mumin legte eine Reihe Knäckebrotstückchen auf den Boden und leerte ein paar Tropfen Preiselbeersaft aus.

Als er in den Salon kam, klirrten die Leuchterkristalle an der Decke melancholisch vor sich hin.

»Jetzt gehe ich«, teilte Mumin dem Leuchter streng mit.

»Ich hab euch alle satt und mache mich jetzt auf den Weg nach Süden, um den Schnupferich zu suchen.« Er versuchte, die Haustür zu öffnen, doch die war festgefroren.

Leise wimmernd, lief er vom einen Fenster zum andern, aber alle waren festgefroren. Da stürzte der einsame Mumin nach oben auf den Dachboden, warf die Dachluke auf und kletterte hinaus.

Ein Schwall kalter Luft schlug ihm entgegen.

Ihm stockte der Atem, er rutschte aus und kullerte über die Dachkante, fuhr hilflos in eine neue, gefährliche Welt hinaus und versank tief in der ersten Schneewehe seines Lebens. Der Schnee stach prickelnd in sein samtiges Fell, aber gleichzeitig witterte seine Schnauze einen neuen Geruch. Dieser Geruch war ernster als alle Gerüche, die Mumin bisher gekannt hatte, und auch ein wenig beängstigend. Aber zugleich machte er ihn hellwach und weckte sein Interesse.

Dichtes graues Zwielicht lag über dem Tal. Doch das Tal selbst war nicht mehr grün, sondern weiß. Alles, was sich bewegt hatte, war bewegungslos geworden, alles Kantige rund. Alle lebendigen Geräusche waren verstummt.

»Das ist Schnee«, flüsterte Mumin. »Davon hat Mutter schon mal was gehört, und das nennt sich Schnee.«

Ohne dass Mumin es wusste, entschloss sich sein samtiges Fell zu wachsen.

Es beschloss, nach und nach zu einem nützlichen Winterpelz zu werden. Das würde zwar lange dauern, aber der Beschluss war immerhin gefasst. Und das ist ja schon mal was.

Währenddessen wanderte Mumin selbst mühsam weiter durch den Schnee und kam an den Fluss. Es war derselbe Fluss, der sonst immer klar und fröhlich durch Mumins Sommergarten lief. Jetzt sah er ganz anders aus, schwarz und gleichgültig, und gehörte auch in die neue Welt, in der Mumin nicht zu Hause war.

Sicherheitshalber sah sich Mumin die Brücke an. Dann den Briefkasten. Beides erkannte er wieder. Er hob den Briefkastendeckel leicht an, aber die einzige Post, die darin lag, war ein welkes Blatt ohne Text.

Inzwischen hatte er sich so an den Wintergeruch gewöhnt, dass er ihn nicht mehr neugierig machte.

Der Jasminbusch war ein einziger Wirrwarr aus nackten Zweigen, und als Mumin ihn erblickte, dachte er entsetzt: Der Jasmin ist tot. Die ganze Welt ist gestorben, während ich geschlafen habe. Diese Welt hier gehört jemand anderem, den ich nicht kenne. Vielleicht der Morra. Jedenfalls ist das keine Welt, in der Mumintrolle leben können.

Er zögerte einen Moment. Und dann sagte er sich: Als Einziger wach zu sein, während alle anderen schlafen, wäre das Allerschlimmste.

Und daher tappte Mumin die ersten Spuren in den Schnee auf der Brücke und weiter den Hang hinauf. Es waren sehr kleine Spuren, aber sie führten entschieden direkt in den Wald und nach Süden.

Zweites Kapitel

Das verzauberte Badehäuschen

Etwas weiter im Westen, am Meeresufer, hüpfte ein kleines Eichhörnchen planlos auf dem Schnee hin und her. Es war ein sehr törichtes, kleines Eichhörnchen, das sich gern als »das Eichhörnchen mit dem schönen Schwanz« bezeichnete, wenn es an sich selbst dachte. Übrigens dachte es weder oft noch lange, sondern fühlte oder spürte meistens etwas. Jetzt gerade hatte es gefühlt, dass die Matratze in seinem Nest allmählich hart wurde, und war daher unterwegs, um eine neue zu suchen.

Ab und zu murmelte es »eine Matratze …« vor sich hin, um nicht zu vergessen, was es eigentlich suchte. Es war nämlich sehr vergesslich.

Das Eichhörnchen hüpfte kreuz und quer, hinein zwischen die Bäume und dann wieder hinaus aufs Eis, es steckte die Schnauze in den Schnee und überlegte, schaute an den Himmel, schüttelte den Kopf und hüpfte wieder weiter.

Schließlich kam es vor der Höhle an. Geschwind witschte es hinein. Doch dann konnte es sich nicht mehr konzentrieren, sondern vergaß die Matratze ganz und gar, hockte sich auf seinen Schwanz und begann, darüber nachzudenken, dass es sich ja auch »das Eichhörnchen mit den schönen Schnurrhaaren« nennen könnte. Hinter der Schneewehe, die vor der Höhlenöffnung lag, hatte jemand Stroh auf dem Boden der Höhle ausgebreitet. Und in dem Stroh stand ein großer Pappkarton mit Luftlöchern im Deckel.

»Eigenartig«, sagte das Eichhörnchen erstaunt. »Dieser Pappkarton war vorher nicht da. Der ist irgendwie falsch. Oder es ist die falsche Höhle. Vielleicht bin ich auch das falsche Eichhörnchen, aber das will ich dann doch lieber nicht glauben.«

Es schob eine Ecke des Deckels hoch und steckte den Kopf in den Karton.

Drinnen in der Wärme lag etwas, das fühlte sich weich und angenehm an, und plötzlich erinnerte das Eichhörnchen sich wieder an seine Matratze. Seine kleinen, scharfen Zähne bissen ein Loch in das Weiche und zerrten einen Wollebausch heraus.

Dann zog es einen Bausch nach dem andern heraus, ganze Berge von Wolle, es arbeitete wie besessen mit allen vier Pfoten und war sehr froh und zufrieden.

Doch plötzlich war da jemand, der dem Eichhörnchen ins Bein zu beißen versuchte. Es fuhr blitzschnell aus der Pappschachtel, zögerte kurz und beschloss dann, lieber neugierig als erschrocken zu sein.

Nach einiger Zeit tauchte ein wütender Kopf mit strubbeligen Haaren aus dem Karton auf.

»Bist du noch ganz bei Trost!?«, fragte die kleine Mü.

»Nein, glaub ich nicht«, antwortete das Eichhörnchen.

»Jetzt hast du mich geweckt«, teilte die kleine Mü streng mit, »und meinen Schlafsack aufgefressen. Was willst du überhaupt?«

Doch das Eichhörnchen war so verwirrt, dass es die Matratze schon wieder vergessen hatte.

Die kleine Mü schüttelte ärgerlich den Kopf, kam ganz und gar aus dem Karton geklettert und schloss den Deckel sorgfältig über ihrer Schwester. Dann trat sie vor und fasste den Schnee an.

»Aha, so sieht der also aus«, sagte sie. »Was die sich alles einfallen lassen.«

Sie machte sofort einen Schneeball, den sie zielsicher auf das Eichhörnchen schmetterte. Dann trat die kleine Mü aus der Höhle, um den Winter in Besitz zu nehmen. Als Erstes rutschte sie auf dem vereisten Felsen aus und landete sehr hart auf dem Hintern.

»Aha«, sagte die kleine Mü drohend. »So haben die sich das gedacht!«

Dann stellte sie sich vor, wie eine Mü mit den Beinen in der Luft aussieht, und gluckste lange in sich hinein. Nachdenklich musterte sie den Felsen. Dann sagte sie

»Aha« und fuhr auf dem Po den ganzen holperigen Berg hinunter und weit hinaus auf das blanke Eis.

Das wiederholte sie sechs Mal, bis sie merkte, dass ihr Po kalt wurde.

Da ging die kleine Mü wieder in die Höhle und kippte ihre schlafende Schwester aus dem Pappkarton. Mü hatte zwar noch nie einen Schlitten gesehen, aber sie hatte das bestimmte Gefühl, dass es eine vernünftige Verwendung für Pappkartons geben musste.

Das Eichhörnchen dagegen hockte im Wald und guckte zerstreut vom einen Baum zum andern.