Die Nachtlampe - Alexander von Sternberg - E-Book

Die Nachtlampe E-Book

Alexander von Sternberg

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Beschreibung

Neuausgabe des Buches aus dem Jahr 1853. Aus dem Inhalt: Aglaë, eine junge Fee, erschien vor der Königin der Geister und trug die Bitte vor, auf die Erde entlassen zu werden. Die Königin sah die Bittende mit einem mitleidsvollen und erstaunten Blicke an, indem sie fragte: Auf die Erde? Was bewegt dich, diesen düstern Aufenthalt des Kummers und der Schwachheit, diesen fernen, ewig beschatteten Planeten aufzusuchen? Es gibt Sterne, die Licht und Freude auf ihrer Oberfläche verbreiten, und wo du die Tage deiner Jugend mit ungleich mehr Genuss wirst hinbringen können, als auf jenem freudlosen Asyl, das du dir ausgesucht.

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Die Nachtlampe

TitelseiteDer Bilderkalender meiner Großtante.Der Palast der Zukunft.Der Ratsherr von Bremen.Das Edelstein-Märchen.Die Perlen der Fee.Die eitle Gräfin.Der alte Herr aus dem Stephan.Die Geschichte vom Kadetten, der seinen Bart suchte.Impressum

Die Nachtlampe

Gesammelte kleine Erzählungen, Sagen, Märchen und Gespenstergeschichten

Von Alexander von Sternberg.

Berlin, 1853

Verlag der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei

Der Bilderkalender meiner Großtante.

(Eine Erzählung.)

Ich kenne ein Buch, das der Himmel selbst sich herablässt zu schreiben, und zwar ist es ein Roman von ziemlich alltäglicher Erfindung, eine Liebesgeschichte wie sie schon tausendmal dagewesen, eine durchaus abgenutzte und in keinem Dinge mehr pikante Intrige. Die Sonne ist darin die Geliebte, und der Mond der sentimentale, bald begünstigte, bald unterdrückte und vernachlässigte Liebhaber, der, nachdem man ihn elfmal aus dem Hause geworfen hat, zum zwölften Male wiederkommt. Ich weiß in der Welt nichts Geistloseres als diese Komposition, und doch findet das Buch, in welchem dieser Liebeshandel Tag für Tag beschrieben steht, Absatz und Leser, und der Verleger steht sich gut dabei, und weder er, noch das Publikum klagt über die Fruchtbarkeit des himmlischen Schriftstellers, der nun bereits sechstausend Jahr alljährlich einen Band schreibt, immer dieselbe Geschichte, immer dieselbe magere Erfindung enthaltend. Ich wüsste nicht, was die Rezensenten und Verleger sagen würden, wenn einer von uns irdischen Romanschreibern dies versuchen wollte! Wenn unsereins sechs Jahre hintereinander alljährlich einen Roman herausgibt, so schreit die Welt: Wie fruchtbar! Das ist zu viel! Die ersten Werke waren vortrefflich, aber die letzteren – wie matt! Bei den Romanen, die der Himmel schreibt, sagt man dieses nicht. Oder sagt man’s doch? – Es könnte sein, dass die Geologen, die Astronomen, die Physiker, und wie die Kritiker unsrer alten Erde und unsers Sonnensystems alle heißen, in der Tat finden, dass der Roman nach und nach schlechter wird, und dass die ersten Teile mit ungleich mehr Feuer geschrieben worden, als die letzteren und letzten. Ich sage, es könnte sein, offenkundig bewiesen ist aber nichts, und die Herren sind so klug, dass sie nicht früher von Fehlern sprechen, als bis sie deren Dasein recht gründlich beweisen können. Darin unterscheiden sie sich vorteilhaft von den Kritikern, mit denen wir irdische Schriftsteller es zu tun haben.

Dieser besagte langweilige Roman findet nun überall eine große Anzahl von Lesern. Er ist so populär geschrieben, dass man ihn in der Hütte wie im Palast gleich gut versteht, das zeugt aber wiederum von der mageren Erfindung. Doch genug hiervon; ich will nur sagen, dass meine Großtante ebenfalls eine sehr eifrige Leserin dieses Buches war. Sie, die nie einen Roman zur Hand nahm, konnte ohne diesen nicht existieren; sie, die gutmütigste Seele von der Welt, belustigte sich dennoch sorgfältig nachzuspüren, in welchen Nächten es dem armen blassen Liebhaber erlaubt war, auf den Fußspitzen schleichend den blauen Sternenteppich im Schlafgemach seiner übermütigen Schönen zu betreten, und dann in welchen Nächten er aus dem Hause geworfen wurde und nicht mit der Nasenspitze durch die Kammertüre blicken durfte. Die Weiber bleiben immer Weiber! Meine alte Tante hasste recht gründlich alle schlechten Liebeshändel hier unten auf der Erde, aber dort oben ließ sie sich den Treuebruch und die Schalkheit eines unverschämten Weibsbildes ganz wohl gefallen und sah lachend drein.

Der Leser weiß nun, dass dieses himmlische Buch schlechtweg der allbekannte Kalender ist, der in keiner Haushaltung fehlen darf. Meine Großtante hatte sich einen angeschafft, der mit bunten Bildern verziert war, die beim Beginn jedes Monats angebracht waren. Diesem Kalender tat sie die Ehre an, die Summe aller Erfahrungen der andern Kalender in ihn einzutragen, und da er einer der letzten war, den sie überhaupt kaufte, so war dieser Bilderkalender eine Art Tagebuch, und als er, unter andern Dingen ihres Vermächtnisses, in meinen Besitz überging, konnte ich mir das Vergnügen nicht versagen, die Monatsüberschriften, die unter jedem Bilde standen, zu sammeln, und somit meiner Großtante Leben in einer sehr fasslichen Biographie vor mir auszubreiten. Ich will den Leser an diesem Genuss teilnehmen lassen. Was die Bilder betrifft, so waren es Holzschnitte im alten Stil, und so grob geschnitzt, dass der Beschauer zufrieden sein musste, wenn er einen Mann von einem Weibe unterscheiden konnte. Die Könige waren durch ihre Krone und ihre Zepter auf eine erfreuliche Art kenntlich gemacht. Die Gegenstände der Darstellung waren bekannte biblische Geschichten; meine Großtante hatte sie sehr modern auf sich und ihre Schicksale gedeutet.

Diese Schicksale waren sehr einfach. Das Leben dieser Frau war wenig verschieden von dem so vieler Frauen. Es war arm an äußerlichen Vorgängen, aber reich an innerlichen. Der Bilderkalender gab hiervon Zeugnis. Wir wollen nun gleich das erste Monatsbild aufschlagen.

Zwei Männer tragen jene bekannte Riesenweintraube Kanaa’s und darunter hatte meine Großtante geschrieben: Siehe da das Leichenbegängnis meines teuren Vaters. So trugen ihn die Männer fort, eine reife Traube Kanaa’s, voll süßen Saftes guter und gerechter Taten. Ich sage euch, die Tage dieses Mannes glichen an Zahl und Trefflichkeit den Beeren dieser Riesentraube. Als die Traube noch unreif am Gitter hing, kam ein Sturm ins Land, der den Weinstöcken verderblich ward, (ein fremder Sieger und Überwinder knechtete das Land), die Traube aber wusste sich tapfer zu halten, dass keine ihrer jungen, noch grünen Beeren abgeschüttelt wurde. Dann kamen später arger Tau und frostige Nächte, aber siehe da die Traube ging auch durch diese Gefährlichkeiten und so gelangte sie ans Ziel. O, ihr Männer tragt sie vorsichtig in das Vorratshaus, der Herr des Weinbergs sieht auf euch und eure Last! – Ich aber stand und sah zu, wie sie den besten der Väter in Nacht und Dunkel versenkten. Es war im Januar, die Erde war hoch mit Schnee bedeckt. Es gingen Lichter über den Kirchhof und Verschwanden an der Mauer; es waren die Männer, die heimkamen. Ich kam ihnen entgegen und hielt auf einem großen Teller Wein und Kuchen. Habe Ruhe, habe Ruhe du Traube Kanaa’s!

Das Februarbild zeigt den starken Simson wie er die beiden Säulen des Tempels fasst und sie zertrümmert. Meine Tante hatte darunter geschrieben: Ich fasse meine beiden Gouvernanten, die französische und die englische und zertrümmre sie, das heißt, ich schaffe sie aus dem Hause und entschließe mich, ein deutsches Mädchen zu sein, zu meinem Volke zu gehören und keine andere Sprache als die seine zu sprechen. Damit stürze ich das ganze Erziehungssystem, nach welchem man mich bisher geleitet hat. Es war ein Simsonsstreich, aber ich bereue ihn jetzt noch nicht. Es war damals eine Zeit, die mancherlei Geschicke in ihrem Schoße trug. Es war im Februar als die beiden Gouvernanten unser Haus verließen; ich, der Simson sah ihnen nach von der Schwelle unsers Hauses und belustigte mich als der Schlitten über den Schneewall am Gittertor nicht hinüberkonnte und umwarf. Die englische Gouvernante lag unter der französischen und diese fing an merkwürdiger Weise englisch zu schimpfen, während die Engländerin französisch fluchte. Simson lachte.

Das Märzbild zeigte die keusche Susanna im Bade nebst den zwei alten Richtern, die hinter den Bäumen lauschten, und meine Tante hatte Folgendes hinzu geschrieben: Ich sitze im Bade zu Spaa, und zwei alte preußische Geheimräte werden auf mich aufmerksam. Das Badeleben in Spaa ist äußerst belustigend; ich bin jung, lebensfroh, man sagt mir, dass ich hübsch sei. Ich trage eine Robe von gestreiftem Musseline mit einem rosenfarbenen Atlasjäckchen, ein weißes Hütchen sitzt mir schief auf einem Ohre, einen Bologneser trag ich auf dem Arm. O, Susanne ist recht artig, die alten Richter werden sie aber doch nicht bekommen. Susanne liebt alte Richter nicht, nein, wahrlich sie liebt sie nicht! Ach, das göttliche Bad von Spaa! Besonders ist da ein junger hannoverscher Offizier! – Susanna, Susanna! nimm dich in Acht! Im Monat März ist’s, wo die preußischen Geheimräte von mir einen Korb bekommen, einer um den andern. Es ist Frühlingsluft – ich öffne das Fenster und blicke hinaus auf die Dächer unserer Nachbarn. Es tropft der geschmolzene Schnee aus den Dachrinnen; Krokus und Hyazinthe duften an meinen Fenstern. Meine Mutter sitzt am Klavier und singt: „Mich fliehen alle Freuden, ich sterb’ vor Ungeduld; an allen meinen Leiden, bist du, o, Liebe, Schuld!“ Susanne nickt mit dem Kopfe und trommelt den Takt auf den Fensterscheiben.

Das Aprilbild stellt die Auffindung Mosis vor, und meine Tante sagt: Meine gute Mutter ist die Prinzess und erhascht einen Liebesbrief, den ich heimlich meinem Geliebten habe zukommen lassen wollen. Sie zieht das sauber gefaltete Papier aus der Gosse hervor, in die es gefallen war, als ich oben aus meinem Mansardenstübchen es hinunterschleuderte mit einem Steine beschwert, der sich leider ablöste, und so den Wurf über den Gartenzaun des Nachbarhauses misslingen machte. Dort hatte Gustav eine Wache aufgestellt, die den Brief entgegennehmen sollte. Jetzt war er in den Händen meiner Mutter, und sie wütete. Die Tochter Pharaonis lässt mich vor sich kommen und hält mir eine lange Strafpredigt, die etwas von den ägyptischen Plagen an sich hat. Ich gestehe beschämt alles ein, denn ich verstehe nicht zu lügen. Die Tochter Pharaonis sagt, dass sie im Leben nicht ihre Zustimmung geben wird zu meiner Heirat mit Gustav. Aber siehe da, der Brief war ein echter Moses, er wuchs heran, nämlich meine darin ausgesprochene Liebe, und geleitete sein Volk aus der ägyptischen Knechtschaft. An einem schönen Morgen entfloh ich mit Gustav; mein treues Kammermädchen begleitete mich. Solches geschah im April. O, April, Mond meiner Liebe! Wirst du so wechselnd und launisch auch gegen mich sein, wie du es gegen alle Welt bist? Nein – nein! Ich blicke in die treuen Augen meines Gustav, ich fühle den Druck seines meinen Leib umspannenden Armes und ruft: Nein! Die Enkelin Pharaonis wird glücklich sein!

Das Monatsbild für den Mai zeigt den frommen Sänger David, wie er vor dem zürnenden Saul die Harfe spielt, und darunter die Worte der Tante: Ich gerate in eine Familie, die mich stolz und frostig aufnimmt; besonders ist die Mutter meines Gustavs mit mir unzufrieden. Hier steh’ ich nun und spiele vor der stolzen Frau die Harfe. Aber alles Harfenspiel der Welt kann unsere Feinde nicht besänftigen, wenn sie ernstlich zürnen. So hebt denn auch meine Schwiegermutter den Speer gegen mich auf, um mich damit an die Wand zu spießen, wie Saul es mit David im Sinne hatte. Aber nein, ihre Hand führt keinen Speer, ihr Mund nur führt böse Worte, ihr Auge giftige Blicke. Ich tue als sähe und hörte ich nicht, und spiele ein meisterhaftes Capriccio, dann kommen Variationen nach Tosi. Ich spiele mir die Finger wund, aber Saul bleibt böse. Endlich stellt der arme David schweigend und betrübt seine Harfe an die Wand. Da plötzlich ruft Saul: „Die letzte Variation war nicht richtig, ich will sie ihnen auf dem Piano vorspielen, so wie sie sein muss.“ Und Saul setzt sich hin und spielt. Ich stehe hinter dem Stuhl und lobe mit Bescheidenheit, aber immer an der rechten Stelle: Saul findet sich geschmeichelt, bleibt aber böse. Die Variation geht ihren Gang. Zuletzt kommt ein schönes Finale, das Saul im Augenblicke improvisiert und das mich in Entzücken setzt. Beifallsgeräusch von meiner Seite, feines Lächeln von Seite meiner Schwiegermutter! Triumph! Der Bund ist geschlossen. O, Schmeichelkünste wie seid ihr wichtig, wie geschieht nichts Großes und nichts Kleines ohne euch in der Welt! – Solches ereignete sich im Monat Mai, wo die Erde sich von der Sonne, die Blume vom Frühlingshauch, das Menschenherz sich von der Liebe schmeicheln lässt. Gustav vergilt mir die kleinen Künste durch erhöhte Liebe.

Das Monatsbild für den Juni zeigt wiederum Simson, der mit dem Eselskinnbacken die Philister schlägt, und darunter die wenigen Worte: Ich besiege die Scharen meiner Feinde, einige Tanten, einen Oheim, sechs schwatzende und schnatternde Cousinen. Triumph! Der Monat Juni ist ein heißer Monat; jetzt aber hab’ ich mich festgesetzt: meine Feinde bluten und bitten um Pardon, meine Freunde hängen mir fester als jemals an. Simson hat die Feinde bezwungen und wohnt fortan im Lande friedlich.

Der Juli zeigt den jungen Tobias, wie er von seinen Eltern Abschied nimmt; meine Tante spricht: Siehe da, mein Erstgeborner, der in die Fremde zieht! Ich kann ihm keinen Engel mitgeben, dagegen aber einen alten geprüften Freund unsers Hauses. Nun sitzen Tobias Eltern, und harren der Wiederkehr ihres geliebten Kindes. Bald darauf öffnet sich die alte Arche nochmals, und ich lass als weißes Täubchen in die dunkle, Sturm- und Wasserumnachtete Welt meinen Zweitgeborenen fliegen. Wie sie hinflattern, die jungen Vögel, mit kräftigem Flügelschlag die Luftwellen durchschneidend! Halt! jetzt kommt auch noch der Dritte, das Nestvögelein, mein hübscher, blonder Junge mit dem Taubenblick, und der sanften, weichen Glut auf den Wangen. O, Welt, Welt, weißt du wie’s ums Herz einer Mutter bestellt ist? Welt, ich gebe dir mein teuerstes Gut; schone es! Fasse das Glück einer armen Frau mit weichen, zarten Händen an. Ich stehe mit dem Manne meiner Liebe an dem Fenster, und schaue hinab die Straße, die meine drei Knaben gezogen. Das Abendrot glänzt auf der fernen Kirchturmspitze; das kleine friedliche Dorf, durch dessen Straße sie zogen, liegt wie in Träume gewiegt. Das Kornfeld wogt, Vögel ziehen, es singt ein Wanderer, der des Weges kommt, ein wehmütig Lied. Ich lege mein Haupt an die Schulter meines Gustav und rufe: „Herr nimm uns das Glück und gib es den Lieblingen! Wir wollen darben, nur sie lass glücklich sein! – Ich geh’ am Abend ins Dorf, und bringe den armen Tagelöhnerfrauen, die Kinder in der Fremde haben, Almosen.

Der August-Monat zeigt die drei Männer im feurigen Ofen, und meine Tante ruft: O, Glut, o, Schmerzensfeuer, o, brennende Trübsal! Meine drei Söhne befinden sich im Kriege. Eine große Schlacht wird geschlagen, sie sind mitten drin; die drei Männer sind im Feuerofen! Ich stehe dabei, sehe das Feuer brennen, kann’s nicht löschen. Ich sehe die Männer, wie sie sich in den Flammen bewegen, und kann nur stumm meine Arme gen Himmel strecken und Gott mein offenes Herz zeigen. Ich habe meinen Mann keine Ruhe gelassen, wir befinden uns in der Nähe des Orts, wo die große Schlacht geschlagen wird. Der Donner der Kanonen wirbelt meine arme Seele zu immer neuen Schrecken auf. Ich liege auf meinem Angesicht im Staub und bete; ich zerre und reiße am Mantel Gottes, und zeige mit furchtbaren Winken auf meine drei Männer: Diese soll er retten! Da tobt es mir durchs Gehirn: Wahnsinnige, warum grade diese drei? Sind nicht tausend und aber tausend Mütter, die ebenso ihr Teuerstes im feurigen Ofen sehn? – Lehre deine Magd Demut!, rufe ich zerknirscht und im nächsten Augenblick schreie ich wieder empor und will die ganze Welt verderben, wenn nur mein Eigentum gerettet wird. Die drei Männer werden nicht gerettet; sie gehen unter, aber lobsingend, und den Herrn preisend. Die roten Wunden ihrer Brust sind die brennenden Rosen meines Passionskranzes. Ich geh’ in mein Kämmerlein und demütige mich vor Gott; ich ziehe an die Gewänder herben Leids, ich hülle meinen Leib in das kalte Grabtuch der Muttertrauer. Hinfort rührt keine Freude an dies geweihte, der Ewigkeit erkaufte Herz. Ich sah sterben was ich liebte, soll ich noch lieben was sterben kann? – Ich habe meine Söhne begraben, ich komme von ihrem Totenhügel, wie ich einst von ihrer Wiege kam, wenn ich sie in den Schlaf gesungen. August, du heißer Monat, wo die Saaten reifen, erinnere mich, dass auch ich Korn gesät, und dass auch ich auf eine fröhliche Ernte hoffe.

Das Septemberbild zeigt den weisen König Salomo, wie er von der Königin von Saba besucht wird, die ihm Geschenke bringt und ihm huldigt; die Tante sagt: Mein Mann wird zu einer hohen Stelle im Staat berufen, das Volk sieht ihn an, und staunt, die Fürsten lieben ihn, er erhält der Welt Ehrenzeichen in Fülle. Die Königin von Saba macht sich auf, erscheint vor seinem Antlitz und huldigt ihm: ich mache die Reise in die Residenz, und besuche meinen Mann, den Minister, in den Prunkgemächern, die er bewohnt. Gustav eilt mir entgegen und drückt mich zärtlich an sein Herz, das immer noch das alte ist, oder vielmehr das junge, wie es einst war. Ich trete einen Schritt zurück und beuge mich voll Ehrfurcht, wie es der Königin von Saba geziemt, angesichts des Weisesten und Erhabensten der Sterblichen. Ich bringe ihm Geschenke, das heißt, meine zwei Töchter, die ich in der Einsamkeit auf unserm Landsitze erzogen habe. Diese Geschenke werden angenommen, und die Königin von Saba wird belobt. Es folgen nun Festzüge in geschmückten Gemächern, dann ein Tanz bei Hofe. Der weise Salomo tanzt eine Polonaise mit einer kleinen verwachsenen Hofdame, während die Königin von Saba, ihm nachfolgend, von dem Kriegsminister geführt wird. Man spielt und tanzt, und streitet witzig und anmutig. O, du altes Mutterherz, willst du nicht mehr lernen froh zu sein? Hängst du immer nach dem hin, was du verloren? Ja, ja, so ist’s; es will keine Freude mehr zu mir ins Haus kommen.