Die Nebelkuh - Christopher Zimmer - E-Book

Die Nebelkuh E-Book

Christopher Zimmer

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Beschreibung

Hasen und Kinder, ein kleiner Engel, ein Schaf und eine Schneefee, bis hin zum Mann mit dem Hut auf dem Kopf, tummeln sich in den Geschichten dieses Buches. Geschichten zum Mitwachsen für alle Kinder, die klein anfangen und immer grösser werden.

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Seitenzahl: 291

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Vorwort

«Ich langweile mich», sagte Theobald Hase

Bubbabeluba oder Wie das Radio in den Wald kam

Die Reise nach Ganz-Woanders

Die Geschichte mit dem Floß

Willi und das Gespenst

Nichtkrank!

Theos Himmel

Wetten?

Der Sternschnupp

Geschichten von kleinen Wesen

Das kleine Schaf

Der kleine Engel

Die kleine Schneefee

Die Giraffe, die keine Flecken hatte

Frieder erwachte

Die Nebelkuh

Leopold hat Schluckauf

Schiff ahoi!

Bitte nicht wecken!

Herrreinspaziert!

Himmel im Garten

Als Lisa zur Welt kam

Signor Alfredo

Herr und Frau Bräutigam

Der Bus Nummer 107

Ein Block Papier, fünf Marktstände undHerr Meier-Lehmann

Alarm!

Bilder

Eine kleine Zugabe für Bankdirektoren

Geschichten für zwischendurch

Zwölf in der Kiste

Anselms Garten

Der Mann mit dem Hut auf dem Kopf

Der Baum

Der Vogel

Die Spinne

Das Blatt

Das Pferd

Der Wolf

Was der Mann mit dem Hut auf dem Kopf hörte

Vorwort

Es war einmal ein kleiner roter Elefant, der wohnte in einem kleinen roten Haus. Eines Tages wollte er die weite Welt sehen und wanderte in die Ferne. Er fand viele neue Freunde und erlebte viele Abenteuer. Doch als er zurückkam, da war er groß geworden und passte nicht mehr in das kleine rote Haus. Da steckte er seinen Rüssel in den Schornstein und blies und blies und blies. Und das kleine rote Haus wurde größer und größer und größer. Und als es groß genug war, ging er hinein und war wieder zu Hause.

Mit dieser Geschichte hat alles angefangen. Als unsere Tochter noch sehr klein war – ich glaube, sie war gerade einmal drei oder vier Jahre alt –, da habe ich für sie ein Fensterbild aus farbigem, durchscheinendem Papier gebastelt. Auf diesem Bild waren ein kleiner roter Elefant und ein kleines rotes Haus zu sehen. Und weil unsere Tochter mehr über die beiden wissen wollte, habe ich mir diese allererste Kindergeschichte ausgedacht.

So fing es an. Bald einmal hatten wir zwei Kinder und ich schrieb immer weiter und immer mehr Geschichten. Und so wie unsere Kinder immer größer und älter wurden, so schrieb ich für sie Geschichten, die für immer größere und ältere Kinder gedacht waren. Unsere Kinder wuchsen mit den Geschichten und diese mit ihnen.

Als ich fünfzig Jahre alt wurde, habe ich einige der Geschichten – von Theobald Hase, von Frieder und von Lisa Bräutigam – zu einem Buch gemacht, um sie, als mein Geburtstagsgeschenk an andere Kinder, zu verschenken. Und weil diese Idee von vielen Freunden und Bekannten unterstützt wurde, konnte ich das Buch vielen Kindern mit auf den Lebensweg geben.

Seitdem sind mehr als zehn Jahre vergangen. Unsere Kinder sind schon längst groß geworden und werden meine Geschichten vielleicht irgendwann einmal selber vorlesen. Darum habe ich mich erneut über die Kindergeschichten gebeugt, hier ein Wort und dort einen Satz geändert und noch eine ganze Reihe von Geschichten, die ich damals für unsere Kinder geschrieben hatte, hinzugefügt.

So wie unsere Kinder mit all diesen Geschichten groß geworden und mitgewachsen sind, so wünsche ich mir, dass noch viele Kinder mit Theobald Hase, mit Frieder und mit Lisa Bräutigam, mit dem kleinen Schaf, dem kleinen Engel und der kleinen Schneefee, mit der Giraffe, die keine Flecken hatte, oder mit den Zwölf in der Kiste und noch vielen anderen mitwachsen.

Wer weiß, vielleicht lesen diese Kinder eines Tages meine Geschichten auch wieder ihren Kindern vor. Und so weiter und so fort, wie in einer Geschichte, die immer weitergeht und immer wieder ein gutes Ende hat.

«Ich langweile mich», sagte Theobald Hase

Bubbabeluba oder Wie das Radio in den Wald kam

«Ich langweile mich», sagte Theobald Hase und stampfte mit der Pfote in den Schnee.

«Lass uns doch was spielen», schlug Willi Hase vor. «Komm, wir bauen einen Schneehasen!»

«Nein», brummte Theobald.

«Dann lass uns den Kohlfeldhügel runterrutschen. Das macht einen Riesenspaß», sagte Willi.

«Nein», antwortete Theobald.

«Oder eine Tannenzapfenschlacht?»

«Nein!»

«Wollen wir versuchen, herauszufinden, wo das Eichhörnchen seine Nüsse versteckt hat?»

«Nein!»

«Fangen spielen?»

«Nein!»

«Wetthoppeln?»

«Nein, nein, nein!»

«Was ist denn los?», rief Friederike Hase und kam um die Hecke.

«Theobald langweilt sich», sagte Willi und sah ganz ratlos und verloren aus.

«Wieso denn das?», fragte Friederike.

«Einfach so», antwortete Theobald.

«Ach, komm», meinte Friederike. «Einfach so gibt es nicht. Also, sag schon.»

«Dann guck dich doch bloß um. Immer nur Schnee, Schnee und nochmal Schnee», maulte Theobald. «Und alle wollen immer nur schlafen. Der Bär und der Dachs und der Igel und all die andern. Die verstecken sich in ihren Höhlen und halten Winterschlaf. Der Wald ist leer und langweilig. Darum, wenn du’s genau wissen willst.»

«Ach, so ist das.»

«Ja», sagte Willi, «und er will auch nicht einmal mehr irgendwas spielen.»

Friederike dachte nach. Sie kannte Theobald. Wenn er so war, konnte es Tage dauern und allen die gute Laune verderben. Es musste was geschehen. Aber was?

«Ich weiß was», platzte es plötzlich aus ihr heraus.

«Was denn, was denn?», fragte Willi und hüpfte aufgeregt im Kreis herum.

Theobald zog eine saure Miene und knurrte: «Wird schon was sein, was du weißt. Pah!»

Doch Friederike kümmerte sich nicht um ihn, sondern rief: «Ich gehe Menschen gucken. Wer kommt mit?»

«Uih!», staunte Willi. «Das ist doch verboten. Das ist doch viel zu gefährlich.»

«Ach was», meinte Friederike. «Nicht, wenn wir gut aufpassen. Na, was ist, Theobald?»

Theobald scharrte nachdenklich mit der Pfote im Schnee. Er hatte ja große Lust mitzukommen, aber so schnell wollte er das nicht zugeben.

Friederike merkte das genau und gab ihm einen Klaps. «Komm schon! Tu nicht so!» Und schon hoppelte sie los.

«Wart auf uns!», rief Willi.

Dann liefen sie beide hinter ihr her. Theobald hatte seinen Ärger längst vergessen und freute sich auf ein Abenteuer. Endlich war wieder was los!

Sie eilten durch den Wald und über das große Feld, bis sie zum Hof von Bauer Björnsen kamen. Vorsichtig hielten sie Ausschau nach dem großen Hund. Doch der lag an der Kette vor seiner Hundehütte und döste vor sich hin.

Leise schlichen sie hinters Haus. Unter dem Küchenfenster lag ein großer Schneehaufen. Da kletterten sie rauf und konnten nun leicht durch das Fenster in die Küche gucken. Neugierig drückten sie ihre Nasen an der kalten Scheibe platt.

«Guckt mal», flüsterte Friederike. «Da ist Lotta!»

Lotta war die Magd von Bauer Björnsen. Sie wusch gerade das Geschirr ab. Die Küche dampfte vom heißen Wasser und die Fensterscheiben waren ganz beschlagen. Doch weil es schon dunkel wurde und auch Licht in der Küche brannte, konnten die Hasen alles gut sehen.

«Was ist denn das für ein Krach?», fragte Willi.

«Das ist Musik, du Dösel», raunzte Theobald.

Aus einem schwarzen Kasten, der auf dem Küchentisch stand, ertönte laute Musik. Lotta sang aus Leibeskräften mit. Manchmal tanzte sie auch durch die Küche und wackelte dabei mit dem Po.

Friederike lachte: «Was macht denn Lotta da? Das sieht vielleicht komisch aus.»

«Sie tanzt», sagte Theobald. «Ihr wisst aber auch gar nichts. Schaut her!» Er streckte seine Vorderpfoten elegant zur Seite und schwenkte seinen kleinen Hasenpo im Takt der Musik hin und her. Dabei sang er so, wie er es von Lotta gehört hatte: «Bubbabeluba, she’s my baby. Bubbabeluba, she’s my baby …»

Willi prustete los und fiel vor Lachen auf den Rücken. Friederike wollte Theobald nicht ärgern, deshalb versuchte sie, das Lachen zu unterdrücken. Doch lange hielt sie es nicht aus. Tränen traten ihr in die Augen, ihre Schnurrbarthaare zitterten und schließlich konnte auch sie nicht mehr. Lachend wälzte sie sich neben Willi im Schnee.

Theobald war stinkesauer. Er fand das überhaupt nicht komisch. «Ihr seid doof», schimpfte er und hoppelte davon.

«Komm zurück!», rief Friederike, noch immer vor Lachen japsend, hinter ihm her. Doch Theobald schlüpfte schon durch den Zaun und trollte sich davon.

«Ach, lass ihn doch gehn», meinte Willi und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. «Los, lass uns nochmal zugucken!»

Sie stellten sich wieder auf die Hinterpfoten und pressten ihre Nasen an die Scheibe. In diesem Augenblick guckte Lotta zum Fenster und sah die zwei platten Nasen und die vier leuchtenden Augen. Erschrocken schrie sie auf und ließ drei Teller fallen, die klirrend auf dem Boden zersprangen. «Huh, ein Gespenst!», kreischte sie und lief hilferufend aus der Küche.

«Jetzt aber nichts wie weg!», zischte Friederike.

«Ist gut, du Gespenst», antwortete Willi kichernd.

So schnell sie konnten, hoppelten sie zurück in den Wald. Hinter ihnen schallte das wilde Kläffen des Hofhundes durch die Abenddämmerung.

Als sie nach Hause kamen, schmollte Theobald und tat so, als würde er schon schlafen.

«Es war ja nicht böse gemeint, Theolein», sagte Friederike. Doch Theobald rührte sich nicht.

«Zeit für Gespenster zu schlafen», gluckste Willi.

«Sei nicht so albern», erwiderte Friederike und kuschelte sich in ihr Bett.

«Bubbabeluba», antwortete Willi bloß.

Bald waren beide eingeschlafen.

Als sie am nächsten Morgen aufwachten, war Theobald nicht mehr in seinem Bett.

«Meinst du, dass er noch sauer auf uns ist?», fragte Willi.

«Weiß nicht», meinte Friederike. «Lass uns erstmal frühstücken. Er wird schon wiederkommen.»

Aber es wurde Mittag und Nachmittag und Theobald war immer noch nicht zurück.

«Na, hoffentlich stellt er keinen Unfug an», sagte Friederike gerade, da hoppelte Theobald endlich zur Höhle herein. Er strahlte vor Freude und Stolz und trompetete: «Alle mitkommen! Überraschung!»

«Was denn für eine Überraschung?», riefen Friederike und Willi wie aus einem Munde. Doch Theobald war schon wieder draußen und lief durch den Wald. Schnell hoppelten sie hinter ihm her.

Bei der kleinen Lichtung am Eichbaum holten sie ihn ein. Auf einem breiten Stein stand der schwarze Kasten, den sie in der Küche von Bauer Björnsen gesehen hatten.

«Theobald!», rief Friederike erschrocken. «Du warst doch nicht etwa im Menschenhaus?»

«Doch», erwiderte Theobald stolz, «und es war ganz einfach. Keiner hat was gemerkt.»

«Aber was willst du denn mit dem schwarzen Ding da?», fragte Willi und beäugte das Ding misstrauisch.

«Musik!», strahlte Theobald.

Friederike und Willi sahen ihn sprachlos an. Dann blickten sie schweigend auf den schwarzen Kasten und warteten.

Nach einer Weile meinte Willi: «Aber ich hör ja gar nichts.»

«Keine Sorge», beruhigte ihn Theobald. «Gleich geht’s los.»

Doch nichts geschah. Kein Laut kam aus dem schwarzen Kasten.

«Vielleicht muss man was an dem Ding machen», überlegte Willi. «Probier doch mal!»

Theobald untersuchte den Kasten. Da waren Knöpfe dran und seltsame Vierecke, die silbern glänzten. Er drehte unsicher an einem Knopf. Dann wurde er mutiger, und bald drehte er wild an allen Knöpfen und drückte auf alle Tasten. Doch noch immer rührte sich nichts.

Allmählich wurde Theobald sauer. Er wollte sich doch nicht vor seinen Freunden blamieren! Wozu hatte er denn dieses schwere Ding den ganzen weiten Weg von Bauer Björnsen bis in den Wald geschleppt? Wütend gab er dem Kasten einen Tritt. Der Kasten kippte um und schlug gegen die Wurzel der Eiche. Ein rotes Licht leuchtete auf und laute Musik schallte durch den Wald.

Zuerst sprangen die drei Hasen erschrocken zurück. Doch dann jubelten sie.

«Hurra, Musik!», rief Theobald. «Kommt schon, lasst uns tanzen!»

Und er streckte die Vorderpfoten zur Seite und wackelte mit dem Po, so wie Lotta.

Diesmal machten auch Friederike und Willi begeistert mit. «Bubbabeluba», jauchzten sie im Chor und wirbelten durch den Schnee.

Sie blieben nicht lange allein. Viele andere Tiere hatten die Musik gehört und kamen vorsichtig näher. Als sie sahen, was die drei da machten, wunderten sie sich erst und dachten, dass die Hasen verrückt sein müssten. Doch Friederike, Willi und Theobald riefen ihnen zu: «Kommt auch! Das ist Tanzen!»

Im Nu begann ein wildes Fest. Alle Tiere sprangen, hüpften, hoppelten oder trippelten über die Lichtung. Mit leuchtenden Augen entdeckten sie dieses herrliche neue Spiel für sich.

Plötzlich hörte die Musik auf. Ein Menschenmann begann zu sprechen. Entsetzt flüchteten die Tiere hinter die Bäume und lugten hinter ihnen hervor.

Doch niemand war zu sehen. Kein Mensch weit und breit. Die Stimme kam aus dem schwarzen Kasten. Vorsichtig kamen die Tiere zurück und hörten erstaunt den Worten zu.

«Was sind denn Nachrichten?», flüsterte Willi.

«Weiß ich nicht», antwortete Theobald. «Sei doch mal still.»

Aber natürlich verstand auch er überhaupt nichts von dem, was die Stimme sagte. Keines der Tiere wusste, was Nachrichten waren.

Dann war es ebenso plötzlich, wie es begonnen hatte, wieder vorbei. Musik setzte ein und die Tiere begannen wieder zu tanzen.

So laut war es im Wald sicher noch in keinem Winter gewesen. Bald kamen auch der Bär, der Dachs und der Igel aus ihren Höhlen. Verschlafen rieben sie die Augen und der Igel glättete seine strubbeligen Stacheln.

«Was’n los?», brummte der Bär.

«Tanzen!», rief Friederike. «Kommt!»

Und auch der Bär, der Dachs und der Igel stürzten sich ins Festgetümmel.

Ein paarmal noch kam die Stimme wieder und machte Nachrichten. Dann ruhten sich die Tiere aus, tranken ein wenig Eichbaumwasser, von dem man so lustig wird, und wenn die Musik wieder einsetzte, tanzten sie umso wilder und fröhlicher weiter. Die halbe Nacht dauerte das Fest schon.

Doch auf einmal mischte sich ein seltsames Knistern in die Musik. Dann erklang ein schrilles, durchdringendes Pfeifen, das ihnen in den Ohren wehtat.

«Was ist denn los?», fragte Friederike.

«Keine Ahnung», antwortete Theobald.

«Vielleicht ist das schwarze Ding müde», meinte Willi.

Die Tiere standen im Kreis um den schwarzen Kasten und lauschten traurig auf die letzten, leisen Töne, die wie aus weiter Ferne kamen. Bald hörten sie nur noch ein feines Rauschen und dann war es auf einmal still.

«Ooh», riefen alle enttäuscht im Chor. «Schon vorbei?»

«Uah», gähnte der Bär. «Wird Zeit, weiterzuschlafen. War nett. Tschü-üs.»

Der Bär, der Dachs und der Igel trollten sich davon und kehrten in ihre Winterhöhlen zurück. Ein Tier nach dem anderen ging müde nach Hause.

«Uah», gähnte auch Friederike. «War das ein schönes Fest. Kommt, lasst uns auch schlafen gehn!»

Willi folgte ihr. Nur Theobald wartete noch bei dem schwarzen Kasten. Ob nicht doch nochmal Musik kommen würde? Er rüttelte erst sanft, dann kräftiger an dem Ding. Doch das Ding blieb stumm.

«Kommst du?», rief Friederike.

«Ich komme ja schon», antwortete Theobald. Dann musste auch er gähnen und müde hoppelte er den beiden hinterher.

Zuhause kuschelten sie sich in ihre Betten aus trockenen Blättern und duftendem Heu.

«Das war eine gute Idee, den Kasten zu holen», meinte Friederike. «Aber ganz schön gefährlich.»

«Ja, ja», murmelte Theobald und schlief schon halb, «aber schön war’s doch.»

«Oh ja», flüsterte Friederike. «Du hast recht, Tanzen ist herrlich.»

Theobald lächelte.

Und als sie einschliefen, hörten sie noch, wie Willi leise im Traum sagte: «Bubbabeluba …»

Die Reise nach Ganz-Woanders

«Ich langweile mich», sagte Theobald Hase und schaute missmutig in die Runde.

Doch Friederike Hase ließ sich nicht beim Lesen stören. Sie blätterte eine Seite des großen Buches um, in dem sie gerade las, wiegte sich still vergnügt in ihrem Lieblingsschaukelstuhl und tat so, als hätte sie nichts gehört.

Willi merkte sowieso nichts. Er hatte in jedem Ohr eine Mohrrübe, hielt die Luft an und spielte Tiefseetaucher ganz für sich allein. Manchmal prustete er dabei vor Lachen, wenn er sich vorstellte, dass ihn ein Seeigel an der Pfote kitzelte. Dann musste er husten, denn wenn man unter Wasser lacht, schluckt man jede Menge Salzwasser.

Theobald ärgerte sich und bekam Falten auf der Stirn. Eine Weile starrte er stumm die Wände der Hasenhöhle an, dann platzte es plötzlich aus ihm heraus: «Ist doch wahr! Nie passiert was. Alles immer dasselbe. Dieselbe Höhle, derselbe Küchentisch, dieselben Betten, dieselbe Wiese draußen, dasselbe …»

Friederike hörte auf zu schaukeln und klappte ihr Buch laut zu: «Und derselbe Willi und derselbe Theobald und dieselbe Friederike. Das wolltest du wohl auch sagen. Stimmt’s?»

Er sah sie überrascht an. Nein, das hatte er nicht sagen wollen. Ein bisschen schämte er sich. Aber schließlich hieß er nicht umsonst Theobald, und wenn sich Theobald ärgerte, dann konnte ihn nichts davon abbringen.

«Nein, das hab ich gar nicht sagen wollen, Fräulein Neunmalklug», gab er patzig zur Antwort. «Und recht hab ich doch.»

Friederike seufzte.

Willi tauchte gerade aus der Tiefe des Ozeans auf und sah die sonderbaren Gesichter von Friederike und Theobald. Rasch zog er die Mohrrüben aus den Ohren und fragte neugierig: «Is’ was los?»

«Theobald langweilt sich», sagte Friederike.

«Ach so, dann ist ja gar nichts los», meinte Willi enttäuscht.

Schon wollte er sich wieder die Mohrrüben in die Ohren stopfen und tief Luft holen, um zurückzutauchen in das kühle grüne Meer, da rief Theobald: «Eben! Nichts ist los! Nur immer dasselbe.»

«Aber was soll denn anders sein?», fragte Friederike.

«Ach, ich weiß ja auch nicht. Irgendwie anders halt. Wenn wir wenigstens woanders wären. Ganz woanders. Weit weg. Eine Reise sollten wir machen. Eine ganz, ganz weite Reise.»

«Au fein!», rief Willi und hatte das tiefe Meer schon vergessen. «Und wo soll’s hingehn?»

«Genau, Theobald», schloss sich Friederike an, «wo soll’s hingehn?»

Theobald sah sie bloß stumm an. So genau hatte er sich das noch gar nicht überlegt.

«Aber bitte nicht so weit laufen», bat Willi. «Sonst tun mir die Pfoten weh.»

Theobald sah ihn strafend an. Dieser faule Willi!

Doch auf einmal hatte er eine Idee. «Ich weiß was», jubelte er und sauste, hast du nicht gesehn, zur Höhle hinaus.

«Was denn? Theobald!», rief Friederike noch, aber da war er schon weg.

Sie schüttelte den Kopf, öffnete ihr Buch und las weiter. Was der Theobald nur wieder für eine Idee hat, dachte sie. Hoffentlich geht das gut aus.

Willi wusste nicht so recht, was er nun machen sollte. Zum Tauchen hatte er keine Lust mehr. Verwirrt begann er an den Mohrrüben zu knabbern. Ein bisschen bitter schmeckten die, weil er sie in den Ohren gehabt hatte.

Lange Zeit passierte nichts. Ganz still war es in der Hasenhöhle. Friederike und Willi taten so, als würden sie nur lesen und Mohrrüben knabbern, aber in Wirklichkeit spitzten sie die ganze Zeit die Ohren. Was Theobald wohl gerade machte?

Da schoss er plötzlich zur Höhle herein, erhitzt und außer Atem. Friederike ließ vor Schreck das Buch fallen und Willi kriegte einen Schluckauf. «Was – hicks –, was’n – hicks – los?», stammelte er.

Doch bevor Theobald noch antworten konnte, streckte der große braune Bär seinen Kopf zur Höhle herein.

«Tagchen allerseits», brummte er gemütlich. «Krieg ich jetzt meinen Topf Honig?»

«Noch nicht», sagte Theobald. «Später.» Dann wandte er sich an Friederike und Willi: «Los, ihr Schlafmützen! Wir machen eine weite Reise. Nach Ganz-Woanders.»

Und kurzerhand schob er den Bären ins Freie zurück. Friederike und Willi folgten ihm neugierig.

Vor der Höhle stand die alte Schubkarre, die seit Jahren vergessen hinter der Scheune von Bauer Björnsen gelegen hatte. Die war schon etwas wacklig, hatte ein Loch und das Rad war verbogen.

Als Friederike und Willi gerade wissen wollten, wie denn die Schubkarre den weiten Weg bis zu ihrer Höhle gekommen war, fragte der Bär: «Wieso später? Nu’ hast du doch die Schubkarre. Das war nicht leicht, die hierher zu schieben. Nicht mal für mich, obwohl ich doch so stark bin.»

«Ja, ja», sagte Theobald, «ich weiß. Das war ein ordentliches Stück Arbeit. Aber noch sind wir nicht in Ganz-Woanders. Erst wenn du uns bis dahin geschoben hast, dann kriegst du deinen Topf mit Honig. Einen besonders großen Topf. Versprochen!»

Der Bär gab sich gutmütig zufrieden, setzte sich neben die Schubkarre und wartete darauf, dass es losging. Dabei leckte er sich die Lippen, so freute er sich auf den besonders großen Topf voll mit Honig.

«Ich verstehe gar nichts», meinte Friederike. «Wozu brauchen wir denn die olle Schubkarre?»

«Na, für unsere weite Reise. Ist doch klar», erwiderte Theobald ungeduldig. «Oder wollt ihr etwa den weiten Weg nach Ganz-Woanders auf euren Pfoten laufen?»

«Ich – hicks – nicht», gluckste Willi.

«Siehste! Und außerdem», sagte Theobald stolz, «kann jeder mitnehmen, was er besonders liebhat. Und nicht einmal tragen muss er das. Und Essen und Trinken können wir auch mitnehmen. Und das müssen wir auch nicht tragen. Und wenn wir in Ganz-Woanders angekommen sind, können wir da wohnen, so lange wir Lust haben. Und wenn wir keine Lust mehr haben, schiebt uns der Bär mit allem wieder zurück nach Hause. Na, ist das nicht toll?»

«Ja! Ganz – hicks – große Klasse, Theobald», freute sich Willi und lief gleich in die Höhle, um seine kleine weiße Stoffkatze zu holen, denn ohne die wollte er sowieso nicht nach Ganz-Woanders.

Friederike guckte voller Zweifel und Sorge auf die wacklige Schubkarre und auf den Bären, der sich inzwischen zu einem Nickerchen hingelegt hatte und bärenstark schnarchte.

«Ach, komm schon, Rieke», bat Theobald. «Verdirb uns nicht den Spaß.»

Da seufzte Friederike, zog Theobald ein bisschen an den Ohren und sagte: «Aber ohne meinen Schaukelstuhl geh ich nirgendwo hin. Nicht mal nach Ganz-Woanders.»

«Klar doch», rief Theobald und strahlte. «Der muss natürlich mit.»

Und so begannen die drei Hasen, alles auf die Schubkarre zu packen, was unbedingt mit musste: die kleine weiße Stoffkatze von Willi, den Schaukelstuhl von Friederike, den Tuschkasten von Theobald und die Lieblingshäkeldecke von Friederike, damit ihr nachts nicht kalt würde, und da musste Willi natürlich auch seine Wärmflasche mitnehmen und Theobald seine weichen Lieblingsbettsocken, und dann kam noch der große Korb mit Essen und Trinken und der rotweiß karierten Tischdecke dazu, und als alles auf der Schubkarre aufgetürmt war, fand Friederike, dass es viel zu hart zum Sitzen sei, weil der Korb so drückte, und da holte Theobald noch die Bettdecken und legte sie über den Korb, und dann setzten sich Friederike und Willi ganz oben drauf, und Theobald weckte den Bären, kletterte zu Friederike und Willi hinauf, und der Bär brummte und hob die schwere Schubkarre hoch, dann stöhnte er und schob und schob, und los ging die weite, weite Reise nach Ganz-Woanders.

Langsam holperte die schwer beladene Schubkarre über die Wiese. Friederike wurde es gleich schrecklich schwindlig. Sie klammerte sich fest an Theobald und Willi und schloss die Augen.

Die Schubkarre schwankte gefährlich hin und her. Doch Theobald und Willi machte das gar nichts aus. Sie jauchzten und lachten und trieben den Bären an, der tapfer schob. Er schwitzte und keuchte gewaltig. Dabei hatte er die Augen nur halb offen, weil er gerade so schön geschlafen und von dem besonders großen Topf Honig geträumt hatte, als ihn Theobald geweckt hatte.

Und weil der Bär die Augen noch nicht ganz auf hatte, und weil die Schubkarre so hoch beladen war, und weil der Bär deshalb nicht recht sehen konnte, wohin er die Schubkarre schob, da passierte, was bei sowas einfach passieren muss: Das Rad der Schubkarre stieß an einen großen Stein, die Schubkarre neigte sich zur Seite, der Bär versuchte die Schubkarre zu halten, doch da rutschten die vielen Sachen auf der Schubkarre nach links, Friederike jammerte, Theobald und Willi riefen noch «Huch!», und schon stürzte die Schubkarre um, und die drei Hasen und der Schaukelstuhl und der Korb mit dem Essen und die Wärmflasche und die kleine weiße Stoffkatze und all die anderen Sachen purzelten – Pardauz! – über die Wiese.

«Wo bin ich?», rief Willi, denn er hatte den Korb über dem Kopf und konnte nichts sehen.

Theobald, der einen seiner Lieblingsbettsocken zwischen den Zähnen hatte, suchte Friederike. Endlich entdeckte er sie unter den Bettdecken, unter denen Friederike vorsichtig hervorschaute.

«Na sowas aber auch!», brummte der Bär und guckte verdutzt auf die Bescherung.

Theobald rappelte sich auf und schaute den Weg zurück, auf dem sie der Bär geschoben hatte.

«Oje, weit sind wir aber nicht gekommen», meinte Friederike.

Theobald sagte nichts. Er blickte sich nur nachdenklich um und wackelte dabei mit dem Kopf.

«Sei nicht traurig, Theolein», tröstete ihn Friederike. «Vielleicht klappt’s beim nächsten Mal.»

Doch Theobald strahlte sie plötzlich mit funkelnden Augen an. «Was heißt denn hier, nicht weit gekommen?», fragte er. «Und ob wir weit gekommen sind. Hurra! Wir sind in Ganz-Woanders! Schau doch nur! Ich kann unsere Höhle nicht mehr erkennen. Und die Bäume! Solche Bäume hab ich noch nie im Leben gesehen.»

Friederike sah ihn verblüfft an. Was sollte denn das nun wieder heißen? War Theobald etwa auf den Kopf gefallen? Sie waren kaum zehn Schritte weit mit der Schubkarre gekommen, ihre Höhle lag direkt vor ihrer Nase und da sagte Theobald sowas.

«Geht’s dir nicht gut?», fragte sie besorgt.

«Quatsch! Mir geht’s prima», antwortete Theobald. «Willi, komm doch mal her!»

Willi kriegte endlich den Korb ab. Gehorsam zottelte er heran und leckte dabei seine Nase ab, auf der Erdbeermarmelade klebte. «Was ist denn?», fragte er.

«Also, Willi», sagte Theobald. «Jetzt pass mal genau auf. Ist doch wahr, dass wir ganz woanders sind, und dass man die Höhle nicht mehr erkennen kann, und dass die Bäume hier ganz anders aussehen als zu Hause. Stimmt’s, Willi?»

Willi sah ihn erstaunt an. Er blickte zur Höhle, dann guckte er Theobald an, dann die Bäume und dann wieder Theobald. «Hmm», meinte er und kratzte sich am Kopf. «Sooo, ganz woanders also. Nun ja, wenn du meinst.»

Auf einmal gab er sich einen Ruck. «Ja, wirklich. Du hast recht, Theobald. Hurra! Wir haben’s geschafft! Wir sind in Ganz-Woanders!»

Sogleich begann er einen Freudentanz um die Schubkarre herum und dabei sang er laut: «Wir sind in Ganz-Woanders. Wir sind in Ganz-Woanders.»

Friederike musste lachen. «Na gut, Theobald. Du bist ein richtiger Dickkopf. Ich gebe mich geschlagen. Wir sind wirklich ganz woanders. Hurra!»

Dann musste sie wieder lachen und hatte Theobald und Willi nochmal so lieb wie sowieso schon.

«Aber was machen wir jetzt?», wollte sie wissen.

«Jetzt bauen wir ein Lager auf», antwortete Theobald. «Und dann essen wir und trinken und feiern ein Fest.»

«Krieg ich jetzt auch meinen Topf mit Honig?», fragte der Bär hoffnungsvoll.

«Klar doch», sagte Theobald. «Einen besonders großen Topf mit Honig.»

Da schloss sich der Bär Willis Freudentanz an und stapfte hinter ihm her um die Schubkarre herum.

Und so endete die Reise nach Ganz-Woanders mit einem großen Fest. Viele andere Tiere kamen aus dem Wald und wurden eingeladen, ein Weilchen in Ganz-Woanders zu bleiben. Und auch die anderen Tiere meinten, dass sie solche Bäume wie in Ganz-Woanders noch nie im Leben gesehen hätten.

Die Geschichte mit dem Floß

«Ich langweile mich», sagte Theobald Hase. Doch Willi Hase gähnte nur und guckte verträumt in den strahlend blauen Sommerhimmel.

Es war heiß. Sehr heiß. Kein Lüftchen bewegte die Blätter. Theobald und Willi hatten sich vor der Hitze ans Ufer des Flusses geflüchtet. Nun lagen sie schon fast den ganzen Tag im Schatten der alten Weide und konnten sich kaum rühren, so heiß war es. Mit schweren Augen blickten sie in den Himmel oder auf das Wasser, das träge an ihnen vorbeifloss, oder auf ein Blatt, das wie ein kleines Schiffchen den Fluss hinabtrieb.

«Das muss schön sein», seufzte Theobald.

«Was?», fragte Willi und gähnte schon wieder.

«Na, so auf dem Wasser zu treiben», meinte Theobald. «So wie das Blatt da. Auf einem kleinen Boot auf dem kühlen Wasser, mit einem frischen Wind im Segel. Das wäre herrlich.»

«Ja, ja», murmelte Willi bloß müde, zu mehr hatte er keine Kraft.

Schon fielen ihm die Augen zu und er döste vor sich hin, da hörte er, wie Theobald sagte: «Das muss doch möglich sein. Natürlich, ich bin sicher, dass das geht.»

«Was? Was ist?», stammelte Willi und schreckte aus seinen süßen Sommerträumen auf. «Theo?»

Doch Theobald war weg. Hatte sich einfach mir nichts, dir nichts aus dem Staub gemacht.

«Theobald! Wo willst du denn hin?», rief Willi. Doch keine Antwort kam zwischen den Bäumen hervor.

Willi seufzte, stand langsam auf und zottelte heimwärts. Zu Hause angelangt, fragte er Friederike gleich, ob sie Theobald gesehen hatte. Aber Friederike hatte sich schon den ganzen Tag im kühlsten Winkel der Hasenhöhle verkrochen und wusste auch nicht, wo Theobald steckte.

«Hat er wieder eine von seinen Ideen?», fragte sie.

«Ich glaub schon», antwortete Willi.

«Aha», sagte Friederike. «Na ja, abwarten und Brennnesseltee trinken.»

Als Theobald spät am Abend nach Hause kam, konnten weder Friederike noch Willi ein Wörtchen aus ihm rauskriegen. Theobald schwieg sich aus und tat so, als wäre gar nichts. Er aß nur rasch seinen Abendsalat und ging gleich schlafen.

Friederike und Willi flüsterten noch lange miteinander, auch als sie schon in den Betten lagen, aber schließlich gaben sie das Rätselraten auf und schliefen ein.

In den nächsten Tagen war Theobald oft unterwegs. Und etwas Seltsames geschah. Friederike merkte es erst am zweiten Tag.

«Willi», fragte sie, «weißt du, wieso wir nur noch so wenig Mohrrüben und Salatblätter haben? Ich hab doch erst letzte Woche welche mitgebracht.»

Doch Willi wusste es nicht, und so machte sie sich auf den Weg, um neue Vorräte zu holen, damit ihre Speisekammer wieder gut gefüllt war.

Aber es war wie verhext. Jeden Morgen waren wieder Mohrrüben und Salatblätter verschwunden. Friederike dachte schon, dass die Speisekammer ein Loch haben musste, da wurde das Rätsel auf einmal gelöst.

Eines schönen Morgens sahen sie, wie der große braune Bär einen dünnen Baumstamm nach dem andern auf die Wiese vor ihrer Höhle trug und sie dort zu einem hohen Haufen aufschichtete. Theobald stand daneben und freute sich über den wachsenden Stapel.

«Was soll denn das werden?», fragte Willi verdutzt.

«Ihr werdet schon sehen», antwortete Theobald und rieb sich vergnügt die Pfoten.

Friederike schüttelte den Kopf. «Na gut, mach’s nur recht geheimnisvoll», sagte sie. «Aber verrat mir doch mal, woher du all die Baumstämme hast.»

«Von den Bibern», gab Theobald zur Antwort.

«Von den Bibern?», wiederholte Friederike. «So, so. Na, dann brauch ich wohl nicht zu fragen, wo all die Mohrrüben und Salatblätter aus unserer Speisekammer geblieben sind.»

«Irgendwas musste ich ihnen ja für ihre Hilfe geben», erklärte Theobald und warf ihr dabei einen tadelnden Blick zu, so als wollte er sagen: «Nu’ tu nicht so wegen dem bisschen Gemüsekram. Schließlich geht es hier um etwas viel Wichtigeres.»

Friederike sah wohl, dass es hier nichts mehr zu sagen gab und ließ Theobald in Ruhe. Wenn der sich was in den Kopf gesetzt hatte, war sowieso nicht mit ihm zu reden. Besser, man ließ ihn machen und hoffte, dass alles gut ging. «Dann will ich mal nicht weiter stören», meinte sie und verzog sich in die Höhle.

Willi setzte sich neugierig auf das Dach der Hasenhöhle. Von dort konnte er prima sehen, was der Bär und Theobald machten. Was die wohl vorhatten?

Nachdem er alle Baumstämme herangeschleppt hatte, begann der Bär, sie auf Anweisung von Theobald dicht nebeneinander zu legen. Das war auch für den Bären nicht leicht. Er kam ganz schön ins Schwitzen und war froh, als endlich alle Stämme fein säuberlich nebeneinander auf der Wiese lagen. Zum Lohn bekam er von Theobald einen Topf Honig, mit dem er sich in den Schatten zurückzog, wo er genüsslich schleckte.

Willi verstand noch immer nicht, was Theobald da auf der Wiese machte. Und wo hatte er bloß den langen Strick her? Den konnte er doch nur bei Bauer Björnsen stibitzt haben. Und was machte Theo jetzt damit? Warum band er denn die Baumstämme aneinander fest?

«Theo?», fragte Willi schüchtern.

«Hmm», brummte Theobald.

«Ich will ja nicht stören», versuchte Willi es wieder, «aber kannst du mir nicht sagen, was das werden soll?»

«Das siehst du doch», knurrte Theobald, «ein Floß!»

Willi staunte bloß.

In diesem Augenblick trat Friederike vor die Höhle. Sie guckte Theobald eine Weile zu und meinte dann: «Theobald, soll ich dir mal einen Rat geben?»

«Nein danke, nicht nötig», gab Theobald patzig zur Antwort.

«Gut, wie du willst. Aber komm später nicht zu mir und beschwer dich, dass ich nichts gesagt hätte.» Kopfschüttelnd ging sie in die Höhle zurück.

Endlich war Theobald fertig. Müde von der schweren Arbeit richtete er sich auf und betrachtete stolz sein Werk. Strahlend sagte er: «Morgen, Willi! Morgen gehen wir auf große Fahrt. Das wird herrlich!»

Beim Abendsalat plapperte Theobald ununterbrochen und kam kaum zum Essen. Immer wieder sagte er zu Willi und Friederike, wie schön das werden würde, wie wunderbar eine Fahrt mit dem Floß sei, und er stellte sich vergnügt den kühlen Wind vor und das murmelnde Wasser und die Ufer, wie sie vorbeizogen, und überhaupt alles Glück dieser Welt, das man bei einer solchen Flussfahrt erleben musste.

Willi hörte begeistert zu und träumte die ganze Nacht von dem Floß. Nur Friederike schwieg zu allem, was Theobald sagte, und machte dabei ein nachdenkliches Gesicht. Doch er achtete nicht auf sie, sondern legte sich glücklich und mit heißem Kopf schlafen.

Ganz früh am nächsten Morgen stand Theobald auf und suchte den großen braunen Bären. Als er ihn gefunden hatte und mit ihm zur Hasenhöhle kam, standen Willi und Friederike schon im taufeuchten Gras und warteten auf das, was nun geschehen würde.

«Gleich geht’s los», verkündete Theobald. Dann versprach er dem Bären noch einen großen Topf voll Honig, wenn er ihm das Floß bis zum Fluss schieben würde.

Der Bär nickte gutmütig und machte sich an die Arbeit. Er packte kräftig an und es gelang ihm auch, das Floß ein wenig anzuheben. Aber dann konnte er es nicht ein einziges Stück weit schieben. Das Floß war zu schwer, und der Fluss, tja, der Fluss war viel zu weit entfernt.

Theobald verstand die Welt nicht mehr. Das konnte doch nicht wahr sein! Er stellte sich neben den Bären und versuchte, ihm mit seinen kleinen Hasenkräften beim Schieben zu helfen. Doch auch, als Friederike und Willi mit anpackten, rührte sich das schwere Floß nicht vom Fleck.

Endlich gaben sie es auf. Enttäuscht trollte sich der Bär davon. Theobald stand neben seinem Floß und zwei dicke Tränen liefen ihm über die Wangen. Die ganze Arbeit war umsonst gewesen.

«Weißt du, Theolein», meinte Friederike. «Ich will ja nicht so tun, als ob ich klüger wäre als du, aber du wolltest ja keinen Rat von mir. Ich hatte dir nämlich sagen wollen, dass es besser gewesen wäre, das Floß nahe beim Fluss zu bauen. Aber auch wenn ich recht gehabt habe, tut es mir jetzt wirklich leid für dich. Du hast ein so schönes Floß gebaut. Schade, dass es nicht auf dem Fluss schwimmen kann.»

Theobald nickte nur traurig. Und den ganzen Tag saß er stumm vor der Hasenhöhle und guckte betrübt auf sein Floß. Auch als es am Nachmittag zu regnen begann, blieb er im Eingang sitzen, so schwer konnte er sich von seinem Floß und von seinem Traum von der Fahrt auf dem Fluss trennen. Beim Abendsalat mümmelte er nur lustlos an seinem Essen rum. Friederike und Willi sahen ihm mitleidig nach, als er sich schweigend ins Bett schlich.

In dieser Nacht schlief Theobald unruhig. Im Traum schien es ihm, als würde der Fluss mit langen Wasserarmen nach dem Floß greifen, um es zu sich zu holen. Schon spürte er, wie das Wasser seine Pfoten nass machte, da wachte er auf.

Aber war er wirklich wach? Um ihn herum trieben die Möbel im Wasser und die Wellen schwappten über den Rand seines Bettes. Der Fluss ist gekommen!, dachte er und der Schreck fuhr ihm in die Glieder.

«Friederike! Willi!», rief er ängstlich. «Wacht auf! Die Höhle wird überschwemmt!»

Die beiden setzten sich in ihren Betten auf und rieben sich verstört die Augen.