Die Paradies-Diät - Bernhard Salomon - E-Book

Die Paradies-Diät E-Book

Bernhard Salomon

4,6

Beschreibung

Die Schlanker-, Gesünder- und Glücklicher-Diät: Ein Selbstversuch mit einem Jahr lang nichts als rohem Obst und Gemüse. Nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen reinigt Körper, Geist und Seele und steigert die Leistungsfähigkeit auf allen Ebenen. Das sagen die Pioniere des Trends zur rohen veganen Ernährung. Doch stimmt das wirklich? Wie geht das überhaupt? Und wie fühlt es sich an? Bernhard Salomon wagte den Selbstversuch. Begleitet von der Ernährungsspezialistin Veronika Lichtner-Hoyer aß er ein Jahr lang nur noch rohes Obst und Gemüse. Ein Report über eine gute Entscheidung mit erstaunlichen Folgen.

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Seitenzahl: 207

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Bernhard Salomon, Veronika Lichtner-Hoyer: Die Paradies-Diät

Alle Rechte vorbehalten© 2015 edition a, Wienwww.edition-a.at

Lektorat: Angelika Slavik, Anatol VitouchUmschlag: Andrea Maria Dusl (Illustration), Kyungmi ParkGestaltung: Susanna Barborik

Gesetzt in der PremiéraGedruckt in Europa

1 2 3 4 5 — 18 17 16 15

Print-ISBN: 978-3-99001-100-3

eBook-ISBN 978-3-99001-130-0

eBook-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

REZEPTE

Bananen-Dattel-Frühstück

Orangen-Spinat-Basilikum-Smoothie

Karibische Suppe

Cremige Maissuppe

Spinatsuppe

Thailändische Kokosnusssuppe

Feigen-Erdbeer-Salat

Salziges Salat-Dressing

Süßliches Salat-Dressing

Avocado-Pfirsich-Salatdressing

Fruchtiger Heidelbeer-Salat

Zucchini-Spaghetti

Brokkoli-Nudeln

Sprossen-Wrap

Meine Lieblingsspeise

Mango-Avocado-Nudeln

Zucchini-Schiffchen

Dominiks Lieblingsspeise

Dominiks Lieblingsspeise (Variante)

Bananen-Beeren-Eiscreme

Schokolade-Pudding

Schokoladekuchen

INHALT

Die Entscheidung

Der Anfang

Die Überwindung der Gier

Die Reinigung des Körpers

Die Reinigung des Geistes und der Seele

Schluss

DIE ENTSCHEIDUNG

Tag null

Ich öffne die Balkontür, um die Meeresluft hereinzulassen. Die Märzabende auf den Kanaren sind kühl, aber das tagsüber etwas muffig gewordene Hotelzimmer kann eine frische Brise gebrauchen. Im Fernsehen läuft eine Vorabendsendung, in der eine Ernährungswissenschaftlerin zu Gast ist. Ich schalte die Leselampe ein, lege meinen Stapel an Zeitungen, Manuskripten und Büchernauf den Glastisch und will den Fernseher ausschalten. „Es ist eine Reinigung des Körpers, des Geistes und der Seele“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin gerade.

Die Moderatorin, deren Leibesfülle ihr die Brüste aus dem Kleid drängt, runzelt die Stirn. „Aber nur noch rohes Obst und Gemüse?“, sagt sie. „Ist das denn gesund?“

Ich habe bisher nicht genau hingehört und bleibe mit der Fernbedienung in der Hand stehen. Auch in Mitteleuropa rückt die Badesaison näher, und da ist Abnehmen ein Thema. Aber nur noch rohes Obst und Gemüse essen? Ich ernähre mich seit Langem vegetarisch und seit Kurzem vegan, aber ich kann die Verwunderung der Moderatorin verstehen. Dieser Vorschlag erscheint auch mir für eine Sendung wie diese einigermaßen radikal.

Die Ernährungswissenschaftlerin lächelt selbstbewusst. Als Antwort auf die Frage der Moderatorin liefert sie eine jener Phrasen, die angesichts der Komplexität des Themas Ernährung immer mehrheitsfähig sind. „Alles mit Maß und Ziel natürlich“, sagt sie. „Man darf es nicht zu lang tun.“

So kann die Moderatorin schon eher damit leben. Sie entspannt sich. „Was bedeutet das jetzt in Kilos?“, fragt sie. „Wie viel nimmt man dabei in einer Woche ab?“

Ich frage mich, was das eigentlich bedeuten soll: Die Reinigung des Körpers, des Geistes und der Seele. Falls das nicht auch nur eine Phrase der Ernährungswissenschaft ist, muss sie sich ja irgendwie anfühlen. Die Reinigung des Körpers kann ich mir vorstellen. Die ist zum Beispiel in Form von Detox-Kuren, Detox-Yogakursen und Heilfastenpaketen in Bio-Hotels am Markt und hat vermutlich etwas mit Durchfall zu tun. Die Reinigung des Geistes kann ich mir auch noch vorstellen. Die läuft wohl auf den klareren Kopf hinaus, von dem die Magersüchtigen immer schwärmen. Aber die Reinigung der Seele? Was kann eigentlich die?

„Das mit den Kilos hängt davon ab, wie Sie sich bisher ernährt haben“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. „Auf jeden Fall ist nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen ein schneller Weg zur Bikini-Figur.“

Bei mir war es nie die Badehosenfigur, die mich zu Veränderungen meiner Essgewohnheiten veranlasste. Der Wunsch, schlank oder schön zu sein, oder selbst der Wunsch, gesund zu sein, hätte mir als Motivation dafür nie gereicht. Denn ich habe schon als Kind gelernt, dass Schönheit keine Kategorie sein kann. Wer Schönheit wie ein Privileg vor sich hertrug, in sie investierte und auch nur einen geringen Teil seines Selbstverständnisses aus ihr bezog, stand in meiner Familie unter dem Generalverdacht der Liederlichkeit. Schlank zu sein war bei uns auch keine Kategorie. Schlank waren wir einfach. Wir waren mit einer Physiognomie ausgestattet, die nicht zum Übergewicht neigte und die uns wie der natürliche menschliche Zustand erschien. Dick waren die anderen, und wir fragten uns mangels Verständnisses für andere Physiognomien höchs tens, wie sie es so weit kommen lassen konnten. Auch gesund waren wir einfach. Die einzigen Todesfälle in meiner Familie während meiner Kindheit und Jugend waren mein Großvater väterlicherseits und meine Großtante mütterlicherseits. Doch beide hatten ein langes Leben hinter sich, als sie, er mit 96 und sie mit 99, starben. Als meine Schwestern und ich Kinder und Jugendliche waren, konnten wir uns deshalb nicht vorstellen, etwas anderes als gesund zu sein, und dieses Lebensgefühl schuf wohl jahrzehntelang seine eigenen Fakten. Es machte jede Krankheit, die uns dann doch ereilte, zu einem von Natur aus rasch vorübergehenden Zustand.

Was mich doch bewog, meine Essgewohnheiten laufend zu hinterfragen, war eine mir von meiner, väterlicherseits durch eine puritanische katholische Tradition geprägte, Familie in die Wiege gelegte Idee. Sie bestand darin, dass Verzicht im Sinne der Entwicklung des Individuums etwas Gutes ist. Oder anders ausgedrückt: Bei uns war klar, dass jemand, der etwas werden wollte, sich zu beherrschen lernen musste.

So waren etwa unsere Bergtouren mit meinem Vater immer geprägt von schrecklichem Durst. Das Trinken vor und während des Aufstiegs war tabu, weil es uns seiner Meinung nach müde gemacht hätte. Oben ging es weiter. Ich erinnere mich an eine Ankunft bei einer Berghütte, bei der meine Schwestern und ich nach den großen Gläsern mit perlendem Soda-Himbeer gierten, die vor den anderen Kindern standen. Doch für uns hätte so ein Soda-Himbeer den Verlust unserer Ehre bedeutet. „Ein Sieger ist, wer auch jetzt verzichtet“, sagte mein Vater. Wir warteten also, und nach einer halben Stunde tranken wir heißen Tee in kleinen Schlucken.

In der Pubertät beschloss ich, auf den Verzicht zu verzichten, doch als ich 27 war, kehrte er durch meinen besten Freund Felix in mein Leben zurück. Unsere Freundschaft hatte dazu geführt, dass wir ständig in allen Dingen, die uns gerade wichtig erschienen, miteinander konkurrierten und einander als Folge wechselseitiger Bewunderung gleichzeitig in allem nachahmten. Letzteres, obwohl wir zwar gleich alt, gleich groß und gleich gebaut waren, aber denkbar unterschiedliche Charaktere hatten. Felix’ Ziel bestand darin, richtig gut zu leben, meins darin, die Welt gründlich zu verändern. Ein Unterschied, der vermutlich daher kam, dass Felix viel besser aussah als ich.

Wir ernährten uns von Brat- und Burenwürsten, Bier und Zigaretten, und die große Sache in unserem Leben war die Hoffnung auf eine glänzende Zukunft. Das, obwohl Felix ohne echte Aussicht auf einen Abschluss Medizin studierte und ich ein Literatur-Stipendiat mit ebenfalls zweifelhaften Perspektiven war. Doch als Felix Katharina kennenlernte, änderte sich das. Katharina entstammte einer Adelsfamilie, nach der Wiener Parks und Gassen benannt waren, und sie wurde für uns zu so etwas wie einem greifbaren Stück Hoffnung, dem wir sogar Informationen entlocken konnten. Als Felix unter ihrem Einfluss zuerst mit Bier und Zigaretten und dann mit Brat- und Burenwürsten aufhörte, tat ich es auch, sicherheitshalber, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Es ging uns nicht um den Ersatz von etwas dick Machendem durch etwas schlank Machendes, von etwas hässlich Machendem durch etwas schön Machendes oder von etwas krank Machendem durch etwas gesund Machendes. Unter Katharinas manchmal amüsierten und manchmal nachdenklichen Blicken maßen wir uns jetzt eben in Selbstüberwindung, und wenn wir vom Wiener Kohlmarkt kommend auf dem Weg zur Ringstraße waren, interpretierten wir die Herakles-Figuren links und rechts vom Tor zur Hofburg in diesem Sinn. Sie zeigen den griechischen Helden, der es immerhin in den Olymp geschafft hat, mit Kerberus und Hydra, und der Höllenhund und die vielköpfige Schlange schienen uns für das Schwache in uns zu stehen, für das Tierische, dessen Überwindung die schwierigste und zugleich lohnendste Kraftprobe für jeden jungen Mann war, weil er es dabei mit sich selbst aufnehmen musste.

BANANEN-DATTEL-FRÜHSTÜCK

Zutaten: vier mittlere Bananen, 470 Milliliter Kokoswasser, vier Medjool-Datteln, eine Prise Zimt, ein halber Teelöffel Vanillepulver, eine fein geschnittene Banane.

Zubereitung: Alle Zutaten bis auf die fein geschnittene Banane fein pürieren. Mit der Banane verzieren.

Charles Bukowski, der mit der Poesie, die er seinem kaputten Leben abgewann, eben noch mein Held gewesen war und als dessen Epigone ich an meiner Kraft, meiner Jugend und meinen Illusionen gescheitert war, erschien mir jetzt wie ein kläglicher Werbeträger von zwei Wirtschaftszweigen, der Alkohol- und der Tabakindustrie. Ich entwickelte meine eigene Methode im Aufhören mit etwas, die ganz gut funktionierte, weil sie Rückfälle zum Teil des Plans machte. Wenn ich entgegen meiner Vorsätze eine Zigarette rauchte, beobachtete ich mich dabei, analysierte meine Empfindungen vor, während und nach dem Rauchen, maß die Abstände zwischen meinen Rückfällen und stellte sie in Zusammenhang mit meiner jeweiligen Belastungssituation, sowie dem Stand des Mondes. Irgendwann freute ich mich dann immer schon auf die nächsten Rückfälle, um meine Forschungen weitertreiben zu können, und immer etwa ab da hatte ich keine mehr.

Vegetarier zu werden war besonders einfach. Statt mit Brat- und Burenwürsten stopfte ich mich mit Nudeln und Käse voll. Die Gier von einem Feld ins andere zu verschieben, erfordert zwar eine gewisse Kraftanstrengung, doch mit etwas Übung geht das irgendwann. Womit ich mich vollstopfte, war mir schließlich egal, zum Problem wurde das Vollstopfen selbst. Ich war, als ich mich damit zu befassen anfing, eine Weile außerstande, etwas unberührt zu lassen, von dem ich wusste, dass es sich in meinem Kühlschrank befand, und es gab kaum einen Tag, an dem ich mich dem Olymp nahe gefühlt hätte. Zu dieser Zeit fing ich auch an, regelmäßig Sport zu betreiben, wobei ich mich an einen Rat meines Vaters hielt: Denke gründlich darüber nach, ob du wirklich laufen gehen willst, aber tue es, während du läufst.

Immerhin schien sich die mir ins Leben mitgegebene Idee, dass sich beherrschen lernen muss, wer es zu etwas bringen will, anhand Felix’ und meines Lebenslaufes zu bestätigen. Während Felix jetzt mit Hochdruck studierte und ein angesehener Lungenfacharzt wurde, wurde ich Pressereferent zuerst in der Entwicklungspolitik und dann in der Bundespolitik, und schließlich Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Nahrungsmittelindustrie bei einem damals angesehenen Wochenmagazin. Ich fand, dass ich Glück gehabt hatte, mehr Glück als meine Freunde von einst, die mich immer fragten, was ich mit meiner puritanischen Philosophie eigentlich noch vom Leben hätte. Wenn ich sah, wie sie so ungefähr ab der Midlifecrisis schon auf dem leicht ansteigenden Weg vom Schweden- zum Stephansplatz zu keuchen anfingen, hätte ich ihnen diese Frage oft genug meinerseits stellen können.

Vor drei Jahren kam ich dann bei einem Chor-Konzert mit Veronika, einer jungen veganen Bäckerin, ins Gespräch. Ich hatte meine Karriere als Wirtschaftsjournalist beendet, als sich die Gelegenheit ergeben hatte, einen kleinen Buchverlag, der ursprünglich ein Hobby gewesen war, auszubauen und mich gleichzeitig auf Ghostwriting zu spezialisieren. Beides war viel Arbeit, was mich aber nicht störte, weil Arbeit meine Art war, am Leben teilzunehmen. Doch obwohl die Dinge gut liefen und ständig interessante neue Optionen auftauchten, hatte ich nie das Gefühl, den Durchbruch richtig zu schaffen. Das Bewusstsein, dass jede Krankheit ein von Natur aus vorübergehender Zustand sei, hatte ich auch verloren. Felix war tot, und es erschütterte mich in meinen Grundfesten, dass jemand wie er, der einen so weiten Weg gegangen war, in so jungen Jahren und auf so grausame Weise dem Krebs erliegen musste. Ich hustete jedes Jahr von Anfang November bis Ende April, schlief schlecht, hatte nachmittags Durchhänger und betrachtete Menschen zu etwa zwanzig Prozent als Lebenden und zu achtzig Prozent als Sterbenden.

„Das Husten kommt von deiner falschen Ernährung“, sagte Veronika, als ich sie nach dem Konzert zu ihrem alten roten Audi begleitete. Als ich ihr sagte, dass ich bis auf ab und zu mal Lachsfilet mit Petersilkartoffel Vegetarier sei, schüttelte sie den Kopf. „Es kommt von den Milchprodukten. Sie verschleimen deinen Körper, und dieser Schleim ist dann der Nährboden für die Bakterien“.

„Aber Joghurt?“, sagte ich. „Das ist doch gesund?“

„Glaub es weiter, wenn du willst“, sagte sie. „Aber es stimmt nicht.“

Die Natur habe Milch hervorgebracht, damit eine Kuh ein Kalb innerhalb weniger Wochen auf ein Gewicht von mehreren hundert Kilo bringen könne, erklärte sie mir. Es sei nur logisch, dass eine Flüssigkeit mit der dafür notwendigen biochemischen Zusammensetzung dem menschlichen Organismus nicht gut tue. Ich erinnerte mich, wie ich als Kind einmal eine Kuh betrachtet hatte, die schwer und stumm wie ein gehörnter Buddha in der Abenddämmerung stand. Wir Menschen trinken ihre Milch, dachte ich damals, wir ziehen mit ihrer Milch unsere Babys groß, wir machen daraus Käse, Butter, Rahm, Joghurt und alle möglichen anderen Sachen, wir essen ihr Fleisch in Form von Rindsschnitzeln, Rindsbraten, Rindsgulasch oder Tafelspitz, wir machen Würste aus ihr, und wir essen sogar ihre Innereien. Ich fand das schrecklich. Nicht, weil mir die Kuh leid getan hätte oder ich gesundheitliche Überlegungen angestellt hätte. Ich fand es auf gewisse Weise respektlos von uns Menschen uns selbst gegenüber, dass wir unsere körperliche Existenz so sehr auf diesem Geschöpf aufbauten. Ich war jetzt jedenfalls bereit, Veronika zu glauben.

Vier Wochen später räumte ich mit beiden Händen zuerst mein Büro-Fach für Mittelchen gegen Husten aus, und dann das daheim. Ohne Milch und Milchprodukte brauchte ich sie nicht mehr, und wenig später waren auch meine schlechten Träume und meine nachmittäglichen Durchhänger weg. Denn Veronika hatte mir erklärt, dass beides mit raffiniertem Zucker zu tun habe. Geübt im Aufhören mit etwas fiel mir der Verzicht auf Milchprodukte und Zucker nicht einmal schwer. Die Abhängigkeit von Zucker überwand ich relativ rasch, und Milchprodukte schienen mir überhaupt nur eine Frage der Routine zu sein. Veronika, die neben ihrer Tätigkeit als Bäckerin Firmen und Privatkunden in Ernährungsfragen beriet, lobte mich. „Die meisten meiner Klienten wollen nur hören, wie es ginge, und dann weitermachen wie bisher“, sagte sie.

ORANGEN-SPINAT-BASILIKUM-SMOOTHIE

Zutaten: 600 Milliliter frisch gepresster Orangensaft, 250 Gramm Spinat, vierzig Gramm frischer Koriander oder frisches Basilikum.

Zubereitung: Alle Zutaten im Mixer gut pürieren.

Bei der Gelegenheit erzählte sie mir zum ersten Mal von den Vorteilen einer Ernährungsumstellung auf nur noch rohes Obst und Gemüse, wobei sie das nicht wie die Ernährungswissenschaftlerin im Fernsehen als vorübergehende Diät sah, sondern als neue Ernährungsweise. Sie war durch eine Krankheit darauf gekommen. Als sie 26 war, diagnostizierten die Ärzte bei ihr einen Gehirntumor. Eine Operation stand an, doch deren Ausgang war ungewiss, und Veronika befürchtete, dass die Ärzte dabei nicht die Wurzel ihres Problems entfernen würden. Deshalb entschied sie sich vorerst gegen eine Operation und für eine Ausbildung in Sachen Ernährung, die sie in einer kleinen holländischen Stadt absolvierte. Internationale alternative Ernährungsspezialisten fanden sich dort ein.

„Sie werden nie wieder ein Problem mit diesem Tumor haben“, sagte ihr ein Spezialist für ihre Erkrankung, von dem sie sich erst zwei Jahre nach der Diagnose operieren ließ. „Sie sind eine von nur wenigen Patientinnen, denen ich das mit gutem Gewissen sagen kann.“ Ob das wirklich mit ihrer Ernährung zu tun hatte, wusste niemand, auch Veronika selbst nicht, doch es motivierte sie, sich weiter mit dem Thema zu befassen.

Ihre Quintessenz daraus war, dass die Natur nicht nur alle Lebewesen hervorgebracht hat, sondern für jedes Lebewesen auch gesunde und heilende Nahrung, bei der es sich bedienen kann. Was bedeutete, dass wir Menschen uns ideal ernähren, wenn wir essen wie in der Wiege des Lebens. Wir mussten uns nur nach den Dingen umsehen, die in einer intakten Natur von selbst für uns da wären. Das waren Obst, Gemüse, Samen und Nüsse. „Da würde ich ja gar kein Eiweiß mehr kriegen“, sagte ich, als wir zum ersten Mal darüber sprachen.

„Dann würden die Berggorillas auch kein Eiweiß kriegen“, sagte sie. „Die fressen nur Grünzeug. Hast du dir das schon einmal überlegt?“

Idealerweise sollte laut Veronika jemand, der nur noch rohes Obst und Gemüse aß, achtzig Prozent seiner Kalorien aus Kohlehydraten, also vor allem aus Obst, zehn Prozent aus Eiweiß, also aus Grünzeug und zum Beispiel Orangen, und zehn Prozent aus Fett, etwa aus Avocados, Nüssen und Samen, beziehen. So sahen das auch die amerikanischen Pioniere dieser Form der Ernährung, Kristina Carrillo Bucaram und Douglas Graham, mit denen sich Veronika beschäftigt hatte und die inzwischen so etwas wie einen amerikanischen Trend dazu bedienten.

KARIBISCHE SUPPE

Zutaten: 200 Gramm Tomaten, siebzig Gramm Papaya, fünfzig gramm geschnittene Selleriestange, vier Esslöffel Limettensaft, zwei Esslöffel frisches Basilikum, vier Esslöffel Frühlingszwiebel.

Zubereitung: Alle Zutaten bis auf die Frühlingszwiebel zu einer Suppe pürieren und mit fein geschnittener Frühlingszwiebel verzieren.

Für mich war die Vorstellung, nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen, und sei es vorübergehend, trotz allem viel zu schräg. Wenn Veronika davon zu reden anfing, wurde ich immer ein bisschen unkonzentriert. Ich hatte als Kind gelernt, dass Obst keine Nahrung ist, sondern etwas, das ich aus langweiligen gesundheitlichen Gründen zwischendurch zu essen habe und das nicht einmal so gut schmeckt wie der damals moderne tägliche Löffel des Multivitamin-Sirups Sanostol und die ebenfalls modernen Fluortabletten mit Zitronengeschmack für die Zähne.

An einem warmen Herbstabend sprach ich dann doch mit Veronika darüber. Wir saßen im Garten vor ihrer Wohnung am Reiterhof ihrer Eltern und ich spielte mit einem ihrer Hunde, einem Jack-Russell-Terrier, während hinter einer Hecke die Reiter am beleuchteten Sandplatz ihre Runden drehten.

„Ich glaube, wir sind von Natur aus kraftvolle selbstmächtige Wesen, die fähig sind, sich zu entfalten und etwas Neues zu erschaffen“, sagte Veronika. „Doch wenn wir in diese Selbstmächtigkeit kämen, wären wir gefährlich für das System, in dem es nur wenige Mächtige geben soll. Deshalb hält uns das System mit schwächender Nahrung klein. Unsere Supermärkte sind zu 75 Prozent mit Produkten gefüllt, die uns unsere Mineralstoffe rauben, mit unserer Körperchemie spielen und uns dabei nicht nähren, sondern schwach, taub und ängstlich halten.“

Die Schatten der Reiter huschten über die Hauswand. „Schau dich mal in der Stadt um“, sagte Veronika. „Ich sehe dort viel zu viele schwache, etwas schwabbelige Menschen mit unzufriedenen Gesichtern, und bei vielen frage ich mich, wie sie es bei einem Feueralarm rasch aus dem Haus schaffen würden. Würden wir nur noch rohes Obst und Gemüse essen, wären wir nicht nur schlanker, stärker und gesünder, sondern auch klarer im Kopf, empathischer, spiritueller und glücklicher. Unsere Ängste würden verschwinden. Niemand hätte mehr Panikattacken und wir wären viel schwerer zu steuern und zu manipulieren als jetzt. Vielleicht wären wir gar nicht mehr zu steuern und zu manipulieren. Deshalb sorgt die Nahrungsmittelindustrie mit ihrem Geld für eine Meinungsbildung im Gesundheitswesen und in den Medien, die uns glauben lässt, unsere derzeitige Ernährung sei die beste, die wir je hatten. In Wirklichkeit ist sie eine der schlechtesten, die wir je hatten.“

Veronika ist viel zu still und sanft für eine Revolutionärin. Umso glaubwürdiger klingen Sätze wie diese, wenn sie ausgerechnet von ihr kommen. Die Idee, nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen, erschien mir trotzdem weiterhin zu schräg. Immerhin dachte ich jetzt darüber nach. Hielt ich in dieser Sache vielleicht etwas für meine Meinung, das gar nicht meine Meinung war?

Ich wusste noch, was ich dachte, als Veronika zum ersten Mal damit anfing. Dass jemand, der sich so ernähren würde, unansehnlich und wahrscheinlich krank, fahl und schwach werden würde, dass seine Zähne durchsichtig oder faul und seine Knochen morsch werden würden und dass er vielleicht eines Tages auf der Straße einfach umkippen würde. War ich nur dem Meinungsdiktat der Nahrungsmittelindustrie erlegen und stimmte das alles gar nicht?

Ich schließe die Balkontür, weil mein Zimmer hier auf Teneriffa zwar eine Klimaanlage aber keine Heizung hat, und lese, bis ich einschlafe. Doch als ich am nächsten Morgen zu den Schwimmbecken gehe, fällt mir die Ernährungswissenschaftlerin aus dem Fernsehen wieder ein. Man darf es nicht zu lang tun. Ich finde dieses „man“, mit dem ihre Berufsgruppe immer die ultimative Instanz für sich vereinnahmt, ärgerlich. Viele Menschen sind in Sachen Ernährung verunsichert, denke ich, sie wollen etwas ändern, wissen nicht genau wie und werden dann zur leichten Beute von anderen, die vielleicht auch nur Phrasen wiederholen.

Ich lege bei den Schwimmbecken meinen Stapel mit Lektüre auf den Boden. Veronika hat sich bereits in ihrem Liegestuhl ausgestreckt. Wir sind inzwischen befreundet und haben uns entschlossen, diese Auszeit vom Winter gemeinsam zu nehmen. Ich frage mich, was die Ernährungswissenschaftlerin im Fernsehen in Sachen nur noch rohes Obst und Gemüse wohl unter „zu lang“ versteht. Da die Fastenzeit vierzig Tage dauert, würde sie diese vierzig Tage vermutlich schon ziemlich lang finden. Erst recht jeden Zeitraum, der darüber hinausgeht. Zweimal vierzig Tage zum Beispiel. Davor würde sie sicherlich warnen. Sie würde vielleicht sagen, dass dann die Zähne durchsichtig und faul und die Knochen morsch werden könnten und dass jemand nach achtzig Tagen mit nur noch rohem Obst und Gemüse einfach auf der Straße umkippen könnte.

Ich kriege Lust, aus Sicht dieser Ernährungswissenschaftlerin viel zu lang nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen und dabei herauszufinden, wie sich die Reinigung des Körpers, des Geistes und der Seele wirklich anfühlt. Auch um es dieser Frau samt ihrer Zunft, die mit der vermeintlichen Objektivität des wissenschaftlich Erwiesenen letztlich das bestehende Ernährungssystem legitimiert, zu zeigen. Ich will wissen, ob es stimmt, was Veronika gesagt hat. Macht mich nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen wirklich stärker und gesünder, klarer im Kopf, empathischer, spiritueller und glücklicher?

Ich suche nach einem Zeitraum, der wegen seiner radikalen Länge eine richtige Provokation für diese Ernährungswissenschaftlerin wäre. Dreimal vierzig Tage zum Beispiel. Als ich das in Monate umrechne, kommen mir vier dann doch viel vor, aber die Herausforderung ist stärker. „Ich werde es tun“, sage ich spontan zu Veronika, die sich gerade ihre Sonnenbrillen aufsetzt.

„Was wirst du tun?“, fragt sie.

Mir fällt ein, dass es wahrscheinlich noch zu früh ist, ihr meinen Entschluss mitzuteilen. Ich will mich erst noch damit vertraut machen. Ich stehe auf. „Ich werde jetzt in dieses verdammt kalte Becken springen“, sage ich.

Als ich aus dem tatsächlich verdammt kalten Becken zurück bin und mich abtrockne, kommt mir die Idee schon wieder schwierig vor. Werde ich das wirklich schaffen? Ich beschließe, einen Report über meinen Selbstversuch zu schreiben. Damit wird das ganze zu einem Job, was es für mich leichter macht. In Jobs war ich schon immer diszipliniert.

Am Abend trete ich auf den Balkon meines Hotelzimmers und frage mich, wie es sein wird. Rund um die Becken brennen jetzt Fackeln und werfen ihren Schein über die Anlage. Ich denke daran, dass meine Ernährung jetzt für eine Weile ohne Feuer auskommen wird. Auch das Paradigma unseres Ernährungssystems, dass „man“ einmal am Tag eine warme Mahlzeit braucht, steht zur Prüfung.

Mein vorletzter Gedanke vor dem Einschlafen ist, dass die Natur, die Evolution, Gott oder wer auch immer, der uns Menschen erschaffen hat, ziemlich unklug gewesen wäre, hätte er uns so geschaffen, dass wir tatsächlich einmal am Tag eine warme Mahlzeit brauchen. Denn er hätte ziemlich hoch gepokert, wäre er davon ausgegangen, dass wir schnell genug mit dem Feuer umzugehen lernen würden, und er hätte verloren. Der Homo Sapiens hat erst vor rund 40.000 Jahren gelernt, Feuer zu machen. Er konnte es zwar davor schon nutzen, indem er brennende Äste von Waldbränden mitnahm, aber bekamen unsere Vorfahren davon täglich eine warme Mahlzeit ab? Bräuchten wir wirklich Gekochtes zum Überleben, gäbe es uns womöglich einfach nicht, denke ich, und das Maß der Dinge in Sachen Evolution wären auf diesem Planeten vielleicht Molche oder Insekten.

Danach fällt mir noch ein, dass es keinen eindeutigen Namen für meine künftige Art der Ernährung gibt. Menschen, die nach Veronikas Kalorienplan nur noch rohes Obst und Gemüse essen, sind weder Vegetarier noch Veganer. Sie sind eigentlich auch keine typischen Rohveganer. Denn die räumen Nüssen in ihrem Leben einen ähnlichen Stellenwert wie den ein, den Kühe im Leben der meisten anderen Menschen haben. Sie machen aus Nüssen Käse und alle möglichen anderen Nahrungsmittel und ernähren sich damit in erster Linie von Fett.

Es gibt bloß einen englischen Namen dafür. Ich habe ihn zum ersten Mal von Veronika gehört und er ist ziemlich kompliziert. Das macht ihn für mich unverdächtig in Sachen Zugehörigkeit zu irgendeiner Fraktion supergrüner Grasfresser: Low fat raw vegan. Veronikas amerikanische Vorbilder Douglas Graham und Kristina Bucaram benutzen ihn, doch wie viele im Englischen generierte Begriffe verliert er den letzten Rest seines Charismas, als ich ihn ins Deutsche übersetze: Wenig Fett, roh vegan. Schauen wir mal, denke ich.

DER ANFANG

Tag 1

Als ich am Morgen die Vorhänge öffne, kann ich kaum glauben, was ich mir vorgenommen habe. Am Abend erschien mir mein Plan, ab heute nur noch rohes Obst und Gemüse zu essen, noch wie die logische Konsequenz meiner Überlegungen. Jetzt kommt mir das Ganze zunächst vor, als hätte ich gestern mit mir selbst blöde Witze gemacht und wäre darauf hereingefallen. Wenig Fett, roh vegan? Das kann ja heiter werden. Ich denke nicht an die 120 vor mir liegenden Tage, sondern nur daran, wie ich das Frühstück überleben soll.

Zum Frühstücksraum müssen wir einen Gang mit künstlich beleuchteten Zimmerpflanzen entlang, eine Treppe hoch, hinaus ins Freie und dort über drei Ebenen wieder nach unten. Unterwegs denke ich, dass Veronikas Ernährungsthese gut klingen mag, dass aber bei den meisten Thesen für mich auch die Gegenthese stimmt. Zumindest war ich als Wirtschaftsjournalist meistens bereit, zu jedem Thema ein halbwegs schlüssiges „Pro“ und ein halbwegs schlüssiges „Kontra“ zu schreiben: Der Kapitalismus bringt als wirtschaftlicher Motor der Entwicklung die Menschheit voran. Der Kapitalismus beutet als System der Reichen die Armen aus. Überzeugungen waren für mich immer etwas für Menschen, die sich mit einem Wall aus einseitigen Argumenten vor der Komplexität der Welt zu schützen versuchen und dabei engstirnig werden. Wahrheit bleibt für mich immer eine These. Das Zertifikat „wissenschaftlich erwiesen“ vereinfacht das Argumentieren, doch ich bin sicher, dass auch Wissenschaftler nur Thesen aufstellen, die sie mit passenden Informationen ausstatten. Ultimative Wahrheiten gibt es für mich