Die Perlenprinzessin. Missionare - Iny Lorentz - E-Book
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Die Perlenprinzessin. Missionare E-Book

Iny Lorentz

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Beschreibung

Abenteuerlich, bildgewaltig und hoch dramatisch: Teil 3 der historischen Familiensaga »Südsee-Saga« von Bestseller-Autorin Iny Lorentz um das Schicksal der verfeindeten Reeder-Familien Simonsen und Mensing Nach ihrer dramatischen Flucht von Hiva Oa glaubt Ruth, mit ihrem kleinen Sohn auf Tahiti in Sicherheit zu sein. Mildred Wiggles sieht in Ruth jedoch eine Bedrohung für die Heiratspläne ihrer Tochter und sorgt dafür, dass ihr die Leitung eines übel beleumundeten Handelspostens übertragen wird. Mit Hilfe des Chinesen Lu Po gelingt es Ruth, den Handelsposten zu einem florierenden Geschäft auszubauen. Dies weckt die Begehrlichkeit von Schurken, gegen die Ruth allein nicht bestehen kann. Der Einzige, der ihr noch helfen könnte, wäre Lucky Jim Hutton, doch dessen Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Die opulente historische Familiensaga ist in folgender Reihenfolge erschienen: - Die Perlenprinzessin. Rivalen - Die Perlenprinzessin. Kannibalen - Die Perlenprinzessin. Missionare  Iny Lorentz begeistert auch in den folgenden historischen Familiensagas mit dramatischen Schicksalen und farbenprächtigen, fundiert recherchierten Schauplätzen: - Berlin-Trilogie (19. Jahrhundert) - Preussen-Trilogie (Ende des 19. Jahrhunderts) - Die Auswanderer-Saga (USA / Texas, 19. Jahrhundert)

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Seitenzahl: 684

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Iny Lorentz

Die Perlenprinzessin

– Missionare –

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Abenteuerlich, bildgewaltig und hoch dramatisch:

Teil 3 der historischen Familiensaga »Südsee-Saga« von Bestseller-Autorin Iny Lorentz um das Schicksal der verfeindeten Reeder-Familien Simonsen und Mensing

 

Nach ihrer dramatischen Flucht von Hiva Oa glaubt Ruth, mit ihrem kleinen Sohn auf Tahiti in Sicherheit zu sein. Mildred Wiggles sieht in Ruth jedoch eine Bedrohung für die Heiratspläne ihrer Tochter und sorgt dafür, dass ihr die Leitung eines übel beleumundeten Handelspostens übertragen wird. Mit Hilfe des Chinesen Lu Po gelingt es Ruth, den Handelsposten zu einem florierenden Geschäft auszubauen. Dies weckt die Begehrlichkeit von Schurken, gegen die Ruth allein nicht bestehen kann. Der Einzige, der ihr noch helfen könnte, wäre Lucky Jim Hutton, doch dessen Möglichkeiten sind sehr begrenzt.

 

Die opulente historische Familiensaga ist in folgender Reihenfolge erschienen:

Die Perlenprinzessin. Rivalen

Die Perlenprinzessin. Kannibalen

Die Perlenprinzessin. Missionare

 

Iny Lorentz begeistert auch in den folgenden historischen Familiensagas mit dramatischen Schicksalen und farbenprächtigen, fundiert recherchierten Schauplätzen:

Berlin-Trilogie (19. Jahrhundert)

Preussen-Trilogie (Ende des 19. Jahrhunderts)

Die Auswanderer-Saga (USA / Texas, 19. Jahrhundert)

Inhaltsübersicht

Was vor Band 3 geschah

Band eins: Rivalen

Band zwei: Kannibalen

Erster Teil | Die Witwe

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Zweiter Teil | Sturmtage

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Dritter Teil | Auf Walfang

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Vierter Teil | Neue Wege

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

Fünfter Teil | Lucky Jim

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Sechster Teil | Die Forderung der Missionare

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Siebter Teil | Handelsgeschäfte

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Achter Teil | Der Preis des Verrats

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Neunter Teil | Die Launen des Schicksals

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Zehnter Teil | Eine infame Falle

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Historischer Überblick

Glossar

Personen

Leseprobe: Band 4 – Lucky Jim

Leseprobe »Die Perlenprinzessin«

Was vor Band 3 geschah:

Band eins

Rivalen

Die beiden Hamburger Kapitäne Simon Simonsen und Jörgen Mensing sind Rivalen um die Gunst der schönen Mina Thadde. Als Mensing die Reedertochter durch Intrigen und Lügen gewinnt, wird aus der Rivalität bittere Feindschaft. Mensing kann sich dank Minas Mitgift eine kleine Reederei aufbauen, während Simon Simonsen von seinem einstigen Schiffer Hauke Lüders eine neue Chance bekommt, indem er dessen Tochter Erna heiratet.

In den nächsten Jahren macht Simonsen sich mit dem Handelsschiffer Samuel Bartlett und dem englischen Seeoffizier Gervase Smyth zwei weitere Feinde, doch mit seiner kleinen Reederei geht es trotzdem aufwärts. Sein Sohn Jakob Simonsen rettet französische Royalisten vor der Guillotine. Unter diesen befindet sich Frieda, seine spätere Ehefrau.

Als Napoleon Bonapartes Truppen Hamburg besetzen, folgen schlimme Jahre. Simon Simonsen wird von Jörgen Mensings Sohn Derek als englischer Spion denunziert und von den Franzosen standrechtlich erschossen. Jakob und Frieda Simonsens kleine Tochter Ruth erschießt mit der Pistole einen französischen Soldaten, der ihre Mutter vergewaltigen wollte.

Nach dem Sieg über Napoleon kehren wieder geordnete Verhältnisse ein. Jörgen Mensing ist mittlerweile gestorben. Sein Sohn Derek gilt wegen der Denunzierung Simon Simonsens als Verräter und stirbt durch einen Treppensturz, bei dem sein ältester Sohn Mathias nachgeholfen hat.

Simon Simonsens einstige Liebe Mina Mensing will eine Aussöhnung zwischen den beiden Familien herbeiführen und schlägt vor, dass einer ihrer Enkel und Jakob Simonsens Tochter Ruth heiraten.

Mathias, ihr Ältester, will die Simonsens jedoch vernichten und gleichzeitig seinen Bruder Hinrich aus dem Weg schaffen, um alleiniger Herr der Reederei zu werden. Er schlägt daher vor, dass Hinrich, der auf Veranlassung der Großmutter Theologie studiert, sich um Ruth bemühen soll. Beide verlieben sich ineinander, und so stimmt Jakob einer Heirat zu.

Da Mathias Mensing seinem Bruder den Posten eines Missionars in der Südsee verschafft hat, müssen Ruth und Hinrich Hamburg noch am Tag nach ihrer Hochzeit verlassen. Ein englisches Schiff bringt sie zu der Insel, auf der Hinrich die Bewohner bekehren soll, die angeblich sanften Gemüts und leicht zu lenken sein sollen.

Der Kapitän dieses Schiffes ist Gervase Smyth, der mittlerweile zum Handlanger von Samuel Bartletts Sohn Zechariah geworden ist. An Bord ist mit James Hutton auch ein Verwandter von Zechariah Bartletts Ehefrau Ellinor. Aufgrund der komplizierten Erbregelung der Huttons steht nur noch James zwischen Ellinor und deren Nachfolge ihres Vaters als Countess of Huttonsfield. Sowohl Ruth und Hinrich Mensing wie auch James Hutton sollen den Befehlen Zechariah Bartletts und Mathias Mensings zufolge die Südsee nicht mehr lebend verlassen.

Band zwei

Kannibalen

Ruth und Hinrich gelangen in die Südsee und heuern auf Tahiti den Eingeborenen Tahitoa als Diener und Dolmetscher an. Sowohl Tahitoa wie auch James Hutton warnen sie vor Hiva Oa, wo Hinrich missionieren soll. Dieser nimmt ihre Warnungen jedoch nicht ernst.

Auf Hiva Oa empfängt der Stamm der Hanatea Hinrich und Ruth freundlich. Beide gewinnen einen gewissen Einfluss auf ihre Gastgeber, so dass Hinrich glaubt, diese befänden sich bereits auf dem Weg, gute Christen zu werden. Es gibt allerdings Probleme zwischen Ruth und Hinrich. Damit sie sich von den Hanatea-Frauen abhebt, verlangt Hinrich, dass Ruth ihre für das Klima viel zu schweren Kleider trägt. Als sie schwanger wird, wird das für sie zur Qual.

In der Zeit landen die Walfänger um Rave Wally auf der Insel an. Sie geben vor, Vorräte kaufen zu wollen, machen eine Vielzahl der Inselbewohner samt Hinrich jedoch betrunken und wollen mit ihrer Beute verschwinden. Ihre Gefangenen sollen als Sklaven verkauft werden. Doch Ruth verhindert dies mithilfe der Waffen, die ihr Mann von James Hutton erhalten hat. Der Preis ist jedoch hoch, denn sie verliert danach ihr Kind.

In den folgenden Monaten scheint sich alles zu bessern. Ruth wird erneut schwanger und bringt mit Jan ihren ersten Sohn zur Welt. Allerdings lauern erneut Gefahren auf sie. Der Stamm der Hanamate will die Hanatea angreifen. Ein Verbündeter der Hanamate erscheint, angeblich, um die Hanatea gegen deren Feinde zu unterstützen. Doch deren Ziel ist es, Hinrichs Schuppen mit den Feuerwaffen zu zerstören. Ruth, Hinrich und Tahitoa können dies jedoch verhindern.

Es kommt zum Großangriff, und es zeigt sich, dass die Feinde Hinrich und dessen Waffen nicht gewachsen sind. Die Überlebenden fliehen, doch ihr oberster Häuptling wird gefangen und soll in einer großen Zeremonie rituell verspeist werden. Als Hinrich dies erkennt, dreht er durch und zertrümmert die Götterstatuen der Hanatea. Darauf wird er von den empörten Eingeborenen getötet und soll nun ebenfalls verspeist werden.

Ruth gelingt es, seinen Leichnam zu retten. Sie flieht mit ihrem Sohn, Tahitoa und dessen Frau Aipua aufs Meer hinaus. Die Hanamate entdecken und verfolgen sie. In letzter Not retten Ruth und ihre Begleiter sich auf die verfluchte und unter Tapu stehende Insel Mohotani. Dorthin wagen sich die Hanamate nicht. Als diese durch einen Sturm vertrieben werden, können Ruth und ihre Begleiter mit ihrem Kanu Kurs auf Tahiti nehmen.

Unterdessen konnte Captain Smyth James Hutton heimlich niederschlagen und über Bord werfen. James trägt allerdings den Spitznamen Lucky Jim nicht zu Unrecht, denn er kann sich auf ein winziges Atoll retten und muss dort warten, ob ein Schiff erscheint, das ihn von dort wegbringen kann. Anschließend macht Smyth sich auf, um Ruths Vater Jakob Simonsen aufzulauern, der mit seinem neuen Schiff aufgebrochen ist, um seine Tochter aufzusuchen.

Erster Teil

Die Witwe

1.

Mildred Wiggles betrachtete ihren Gast mit zwiespältigen Gefühlen. Es war ein schweres Schicksal, in so jungen Jahren bereits Witwe geworden zu sein, dachte sie mitleidig. Doch dann rief sie sich in Erinnerung, wie Ruth Mensing vor einer knappen Woche auf Tahiti erschienen war. Zwar hatte diese ihren Körper nicht unziemlich präsentiert. Aber in Bastmatten gehüllt und mit der sonnengebräunten Haut hätte man sie eher für eine Einheimische als für eine Europäerin halten können. Zwar trug die Witwe nun ein Kleid, das ihrer Trauer angemessen war, wirkte darin aber viel zu schön, als dass sie als Mutter einer mit weitaus weniger Reizen gesegneten Tochter es gutheißen könnte.

Eine schöne, junge Witwe mit Kind weckte in einem wohlerzogenen Herrn unweigerlich den Wunsch, sie zu beschützen. Selbst ihr Ehemann war dagegen nicht gefeit, denn er hatte Ruth angeboten, so lange als ihr Gast auf Tahiti zu bleiben, wie sie es wünschte. Bei diesem Gedanken hätte Mildred Wiggles am liebsten ihrem Ärger laut Luft gemacht. Immerhin war es ihr gelungen, mit Hiram Perell einen kürzlich in Tahiti eingetroffenen jungen Missionar für ihre Tochter Heather zu interessieren. Aber seit diese rothaarige Ausländerin aufgetaucht war, hatte Hiram Perell keinen Blick mehr für Heather, sondern starrte Ruth Mensing an wie ein Mondkalb.

Da Mistress Wiggles ihren Gedanken nachzuhängen schien, unterhielt Ruth sich notgedrungen mit deren Tochter. Allerdings brachte Heather kaum mehr als drei oder vier zusammenhängende Worte heraus und wirkte danach so, als müsse sie sich auch noch dafür entschuldigen.

Nach gut zwei Jahren auf Hiva Oa erschien Ruth Tahiti nun so fremd wie der Mond. Dabei hatte sich nichts verändert, seit Hinrich und sie hier einen kurzen Aufenthalt hatten einlegen müssen, bevor sie auf der Fregatte HMS Hesione nach Hiva Oa weitergereist waren.

»Papa sagt, dort … äh, mmh, die Eingeborenen … Sie seien alle … äh, Menschenfresser!«, sagte Heather Wiggles.

Über Ruths Gesicht huschte ein Schatten. Wenn es ihr nicht gelungen wäre, den Leib ihres Mannes zu entführen, wäre dieser tatsächlich ein Opfer des Kannibalismus geworden. Es schmerzte immer noch, an seinen Tod zu denken, und sie wünschte sich nichts mehr als ein Häuschen, in dem sie mit ihrem Sohn zusammenleben konnte. Für ihre Behaglichkeit würden Aipua und Tahitoa sorgen.

Bei dem Gedanken an ihre Dienerin traten ihr Tränen in die Augen. Sie hatten glücklich Tahiti erreicht, aber nur ein paar Tage später war Aipuas Kind zu früh geboren worden und hatte nicht überlebt. Ruth wäre auch heute lieber bei Aipua geblieben, um sie zu trösten. Mildred Wiggles’ Einladung hatte sie jedoch nicht ablehnen dürfen, da sie auf das Wohlwollen des Ehemanns der Dame angewiesen war.

Ruth ahnte längst, dass sie der Missionarsfrau nicht willkommen war, ohne jedoch den Grund dafür zu begreifen. In ihrer Trauer um Hinrich nahm sie Hiram Perells scheue Bewunderung nicht einmal wahr.

Heather Wiggles hingegen hatte das sehr wohl bemerkt und verglich ihre eigene, blasse Erscheinung mit der ihres Gastes. Dabei fand sie, dass Gott seine Gaben äußerst ungerecht verteilt hatte. Zudem war Ruth Mensing die Tochter eines wohlhabenden Reeders in Hamburg und hatte ein angenehmes Erbe zu erwarten. Auch wenn sie Hiram Perell nicht für einen Mann hielt, der bei seiner Auserwählten auf die Mitgift schaute, so war dies ein weiterer Vorteil, den Ruth ihr voraushatte.

Es war nicht christlich, damit zu hadern, dass die Kannibalen auf Hiva Oa Ruths Ehemann erschlagen, seine Frau aber am Leben gelassen hatten. Das sagte Heather sich, wenn ihr Gewissen sie plagte, und doch gelang es ihr nicht, diesen Gedanken gänzlich zu vertreiben.

»Gott ist wahrlich ungerecht!«, stieß sie unbewusst hervor.

»Was sagten Sie, Miss Wiggles?«, fragte Ruth verwundert.

Heathers Gesicht wurde blutrot. »Äh, ich dachte gerade, wie ungerecht Gott ist, da er … äh, weil er Ihren Ehemann töten ließ.«

»Gott ist niemals ungerecht!«, tadelte Mildred Wiggles ihre Tochter. »Wir Menschen wissen lediglich seine Absichten nicht zu deuten. Und deshalb sollten wir das auch gar nicht erst versuchen, sondern uns seinem Willen beugen und gutheißen, was er uns beschert, mag es uns auch noch so schlimm erscheinen.«

»Ich glaube nicht, dass ich den Tod meines Mannes gutheißen kann«, antwortete Ruth mit einer gewissen Schärfe.

Mildred Wiggles hob beschwichtigend die Rechte. »So meinte ich es nicht! Wir sollen aus ehrlichen Herzen um jene trauern, die von uns gegangen sind, dennoch dürfen wir Gottes Willen niemals anzweifeln.«

»Wir müssen … äh, beten und uns … mmh, seiner Herrschaft beugen«, stimmte Heather ihrer Mutter zu.

»So ist es!« Mildred klatschte in die Hände. »Sally, wo bleibt der Tee?«

Die Dienerin eilte herbei und stellte drei Tassen auf den Tisch. Danach brachte sie den Tee und goss ein. Mildred Wiggles betrachtete den Inhalt ihrer Tasse mit einem gewissen Misstrauen. »Es ist ein Jammer mit diesen Eingeborenen! Immer muss man darauf achtgeben, dass sie auch alles richtig machen. Letzte Woche war das Wasser für den Tee nicht heiß genug, und er hat nach nichts geschmeckt. Obwohl es mir in der Seele wehtat, musste ich meinen Ehemann bitten, den Dienerinnen dafür je fünf Rutenhiebe zu versetzen.«

So zufrieden, wie du lächelst, scheint es dir nicht leidzutun, fuhr es Ruth durch den Kopf. Erneut empfand sie den Unterschied zwischen Hiva Oa und Tahiti als drastisch. Dort lebten die Menschen noch nach ihren alten Sitten, während ihnen auf Tahiti das Christentum aufgezwängt worden war wie einem Gaul der Zaum. Obwohl sie an Gott glaubte, bezweifelte Ruth, dass es in seinem Sinne war, die hiesigen Bewohner als Belohnung für ihre Bekehrung mit Musketen auszurüsten, damit sie Nachbarvölker unterwerfen und zum Christentum zwingen konnten. Wer so bekehrt wurde, betete insgeheim weiter zu seinen Ahnengöttern, zu Oro, Hiro, Pere oder Tangaroa. Das Christentum war für ihn nur eine Fessel, die ihn zwang, anders zu leben, als seine Vorfahren es getan hatten, und auch anders, als er es selbst wollte.

Ruth seufzte. Mit dieser Einstellung würde es ihr schwerfallen, sich auf Tahiti einzuleben, denn ihre Überlegungen standen im Gegensatz zu dem, was Reverend Wiggles und seine Missionare anstrebten. Schon um ihres Sohnes willen durfte sie diese Menschen nicht verärgern. Jan war noch zu klein, um die lange Reise in die Heimat überstehen zu können. Daher musste sie noch mindestens drei Jahre auf Tahiti verbringen, vielleicht sogar vier. Daher antwortete sie freundlich auf die Fragen, die Mildred Wiggles ihr nun stellte, und bog die Wahrheit nur an den Stellen ein wenig zurecht, an denen ihr die Frau zu neugierig war.

Zwischendurch trank sie von dem Tee und fand ihn ausgezeichnet. Auch der Kuchen, den Mistress Wiggles dazu reichen ließ, schmeckte ihr. So schlecht, wie die Frau tat, waren die hiesigen Dienerinnen wohl nicht. Lächelnd nickte sie Sally zu. »Maite’a mauruuru – Es ist sehr gut, danke!«

Mildred Wiggles verzog das Gesicht. Ihrer Meinung nach hatten die Eingeborenen Englisch zu lernen. Für einen zivilisierten Menschen war es daher unnötig, deren Gebrabbel zu beherrschen. Sie warf ihrer Tochter, die gelegentlich einen tahitianischen Ausdruck in ihre Reden mischte, einen warnenden Blick zu, sich die Witwe nicht zum Vorbild zu nehmen, und war schließlich froh, als die Zeit für einen Höflichkeitsbesuch vorbei war und Ruth sich für ihre Gastfreundschaft bedankte.

»Es war mir ein Vergnügen! Ich würde mich freuen, wenn Sie mich morgen wieder besuchen könnten«, antwortete sie nicht ganz wahrheitsgemäß. Sie musste jedoch auf ihr Ansehen achten, und das würde leiden, wenn sie einer bedauernswerten Witwe Zuspruch und Hilfe versagte. Während sie sich von Ruth verabschiedete, dachte sie daran, dass mit Archibald Collins ein weiterer Jungmissionar auf der Insel eingetroffen war. Dessen Familie aber war bei Weitem nicht so wohlhabend wie die Perells, und so beschloss sie, alles daranzusetzen, Hiram Perell für ihre Heather zu gewinnen.

2.

Ruth war froh, als sie Wiggles’ Haus verlassen konnte, und fragte sich bang, ob sie es aushalten würde, drei oder vier Jahre lang täglich zum Nachmittagstee bei Mistress Wiggles zu erscheinen.

»Solange der Tee und der Kuchen so gut sind, schaffe ich das schon«, sagte sie leise zu sich selbst und nahm sich vor, sich in der nächsten Zeit etwas mehr um Heather zu kümmern. Die junge Frau war fast so alt wie sie, benahm sich aber wie ein ängstliches Schulmädchen und brachte keinen einzigen Satz ohne Ähs und Mmmhs heraus. Ruth wünschte sich, dass Heather etwas munterer würde, denn sie hätte gerne eine Freundin, mit der sie das, was ihr auf dem Herzen lag, teilen konnte. Das kannst du auch mit Aipua, mahnte sie sich. Außerdem hatte diese weitaus mehr Anspruch auf ihre Fürsorge als die Missionarstochter. Ohne Hinrichs Tod und ihre Flucht von Hiva Oa hätte Aipua ihr Kind gesund zur Welt bringen können. Dies war eine Schuld, die nur schwer zu begleichen war. Ruth musste daran denken, wie sie selbst ihr erstes Kind verloren hatte und darüber fast verzweifelt war.

Ruths Weg zu dem kleinen Häuschen, das Reverend Wiggles ihr zur Verfügung gestellt hatte, war kurz, denn es gehörte noch zu der Siedlung der Missionare. Wie die Häuser der meisten Inselbewohner bestand es aus einem Balkengestell mit Palmblattdach. Gewebte Bastmatten, die man abnehmen konnte, bildeten die Außenwände. Es gab nur einen einzigen Raum, doch auf dem Boden liegende Matten zeigten an, wo gegessen und wo geschlafen wurde.

Tahitoa und Aipua hatten kein Haus erhalten, doch Ruths Diener hatte sich darangemacht, neben ihrem Haus eine Heimstatt zu bauen. Bis dahin schlief Aipua bei Ruth. Im Augenblick saß sie auf einer Matte, hielt Jan in den Armen und sang leise ein Lied.

»Geht es dir besser?«, fragte Ruth sanft.

Aipua sah traurig zu ihr auf. »Ihr seid alle so lieb zu mir – du, Tahitoa und auch der kleine Ianoa. Er spürt, dass mein Herz schwer ist, und hat mich gestreichelt.«

»Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen!«, brach es aus Ruth heraus.

»Du darfst dir keine Vorwürfe machen! Viele Frauen verlieren ein Kind. Ich hätte es auch in meiner Heimat verlieren können. So ist es mir lieber, als wenn Hinrich und mit ihm auch Tahitoa aufgegessen worden wären.«

Aipua setzte Jan ab, fasste nach Ruths Händen und hielt sie fest. Eine Träne floss ihre Wange herab, doch auf ihren Lippen lag der Anflug eines Lächelns. Sie liebte Ruth fast ebenso, wie sie Tahitoa liebte, und bedauerte, dass ihre Freundin ihretwegen traurig war.

»Ich mache mir aber Vorwürfe! Du hast auf Hiva Oa oft gesagt, dass du nicht verstehst, weshalb ich über so viele Dinge nachsinne. Es ist nun einmal meine Art.« Ruth setzte sich zu Aipua und legte einen Arm um sie. »Ich wünsche mir so sehr, dass du wieder glücklich wirst.«

»Wenn Ianoa auf meinem Schoß sitzt, bin ich es fast.« Erneut huschte ein Lächeln über Aipuas Gesicht, das sich verstärkte, als Ruth den Kleinen aufhob und ihn ihr reichte.

Während Aipua den Jungen wiegte, steckte Tahitoa den Kopf zur Tür herein, sah Ruth und grinste. »Sind Sie dem alten Drachen entkommen, Madam?«

»Wenn du mit diesem Ausdruck Mistress Wiggles meinst, ist es sehr ungehörig«, tadelte Ruth ihn mit einer gewissen Nachsicht, da sie die Frau des Missionars nicht anders genannt hätte.

Tahitoa winkte ab. »Sie war früher schon ein Ekel und soll, wie Sally mir erzählte, in der Zwischenzeit noch schlimmer geworden sein. Erst vor ein paar Tagen hat sie neben ihr auch Mary und die anderen Dienerinnen aus Strafe wegen eines zu kalten Tees verprügeln lassen.«

»Sie hat sie verprügeln lassen?« Aipua verstand, wenn jemand zornig wurde und eine Schlägerei anzettelte. Dass Schläge als Strafe verabreicht werden konnten, war ihr jedoch fremd. »Jemandem absichtlich Schmerzen zufügen, ist schlecht«, sagte sie mit Nachdruck.

Ruth nickte. »Das ist es! Dennoch werden wir mit Mistress Wiggles leben müssen.« Sie wandte sich Tahitoa zu. »Weißt du schon, was du in Zukunft machen willst?«

Auf Hiva Oa hatte er ihrem Mann als Dolmetscher gedient. Hinrich aber war tot, und sie selbst hatte die Sprache von Tahiti mit seiner Hilfe gut genug gelernt, um zurechtzukommen.

Tahitoa zögerte. Eigentlich wusste er selbst nicht, was er wollte. Er hätte wie früher in einer einfachen Hütte schlafen, fischen und ein wenig Gemüse ziehen können. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, auf einem Walfänger oder einem anderen Schiff anzuheuern. Dafür aber hätte er Aipua zurücklassen müssen, und das wollte er ihr, nachdem sie das Kind verloren hatte, nicht antun.

»Am liebsten«, sagte er daher nach einiger Zeit, »wäre es mir, wenn ich bei Ihnen als Diener und Aipua als Dienerin bleiben könnten, Madam.«

Ruth war von seiner Treue gerührt, vor allem, da sie ungern auf Aipua verzichtet hätte. Auch fühlte sie sich für die Hanatea-Frau verantwortlich, weil sie sie von ihrer Heimat Hiva Oa nach Tahiti gebracht hatte. Das einzige Problem war, dass sie kaum Arbeit für einen Diener hatte. Allenfalls konnte Tahitoa Fische für sie fangen. Wenn es ihr gelang, ein wenig Land zu pachten, konnte er es gemeinsam mit Aipua bestellen, so dass sie stets frische Taroknollen und Süßkartoffeln hatten.

»Es wäre mir sehr lieb«, sagte sie daher. »Wir müssen nur zusehen, wie wir zurechtkommen. Es wird ein paar Jahre dauern, bis Jan und ich Tahiti verlassen können.«

»Sie werden auch dann einen Diener und eine Dienerin brauchen, Madam«, erklärte Tahitoa.

Ruth nickte. »Gewiss. Nur müssen wir erst die nächsten Jahre hinter uns bringen und danach ein Schiff suchen, das uns nach Europa bringt.«

Seit Hinrichs Tod spürte sie wachsende Sehnsucht nach der Heimat. Wäre Jan nicht gewesen, hätte sie ein Schiff zu finden versucht, das zu einem europäischen Hafen segelt. Da dies nicht möglich war, musste sie überlegen, wie sie die Jahre auf Tahiti gestalten konnte. Bereits auf Hiva Oa hatte sie über einen gewissen Mangel an Beschäftigung geklagt. Dabei hatte sie dort gelernt, im Meer zu schwimmen, Matten und Körbe zu flechten und einiges mehr.

All das zählte jedoch nicht zu den Tätigkeiten, denen eine weiße Frau auf Tahiti nachgehen konnte, ohne als äußerst verschroben zu gelten. Hier waren die Frauen denselben Einschränkungen unterworfen wie in England, allerdings ohne die Abwechslungen, die es dort gab. Wenn sie sich Mildred Wiggles zum Vorbild nahm, würde sie bald noch an Langeweile eingehen, dachte sie und ließ sich von Tahitoa eine Banane reichen, um Jan damit zu füttern.

»Wir werden noch einiges zu bereden haben, mein Freund. Da du diese Insel kennst, wirst du mir hoffentlich raten können«, sagte sie zu Tahitoa und hoffte, dass er wenigstens eine versteckte Bucht kannte, in der sie von Zeit zu Zeit schwimmen gehen konnte.

3.

Nicht nur Ruth machte sich ihre Gedanken. Kaum hatte diese Wiggles’ Haus verlassen, als dessen Frau ihre Tochter bat, ihre Freundinnen zusammenzurufen. Heather wusste nicht, was ihre Mutter vorhatte, erfüllte aber brav den Auftrag, so dass sich wenig später fünf Damen um Mistress Wiggles versammelten, von denen zwei ebenfalls Mütter heiratsfähiger Töchter waren.

»Heather, geh du bitte zu Abigail und besticke mit ihr das Altartuch, welches ihr beide Vater versprochen habt!«, beschied Mildred Wiggles ihrer Tochter und wartete, bis diese gehorsam das Haus verlassen hatte.

Danach befahl sie Sally und Mary, auch für die neu hinzugekommenen Gäste Tee zuzubereiten und Kuchen aufzutragen.

Nachdem der Tisch gedeckt war und die Damenrunde sie fragend ansah, ergriff Mildred Wiggles das Wort. »Liebe Freundinnen! Gott ist mein Zeuge, dass ich euch aus ehrlicher Sorge zu mir rufen ließ. Wie ihr wisst, ist vor einer Woche ein Kanu gelandet und diesem die Witwe eines von heidnischen Wilden brutal ermordeten Missionars entstiegen. Auch wenn Mr Henry Mensing nicht unserer eigenen erhabenen Missionsgesellschaft angehörte, sondern einer anderen, so bedauern wir seinen Tod aus tiefstem Herzen.«

»So ist es!«, stimmte ihr Harriet Baker zu. Abigails Mutter hatte ebenso wie ihre Gastgeberin Hiram Perell als möglichen Ehemann für ihre Tochter ins Visier genommen. Seit Ruths Ankunft hatte Perell jedoch nur noch Augen für die Fremde, und allein die Kürze ihrer Witwenschaft schien ihn daran zu hindern, seine Bewunderung für sie deutlicher zum Ausdruck zu bringen. »Auch wenn Mr Mensing nicht zu unserer Missionsgesellschaft zählte, so hätte ich ihm doch gewünscht, er hätte die gesamten Marquesas-Inseln bekehren können!«, setzte sie hinzu.

»Sie meinen, dann wäre seine Frau auf diesen Menschenfresserinseln geblieben und nicht hierhergekommen?«, warf die Jüngste der Runde ein. Da sie keine Tochter, sondern nur einen halbwüchsigen Sohn hatte, konnte sie über die Sorgen von Mildred Wiggles und Harriet Baker lächeln.

Harriet Baker aber dachte nicht daran, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Wenn Sie mich so ehrlich fragen, meine Liebe, so sage ich Ja! Mistress Mensing ist nun einmal keine Britin, sondern eine Ausländerin, und wir wissen, dass deren Manieren nicht mit den unseren zu vergleichen sind. Ich will ihr nichts Schlechtes nachsagen, doch ich fürchte, es wird noch die eine oder andere Kalamität mit ihr geben. Erinnert euch nur, in welchem Aufzug sie nach Tahiti gekommen ist! Natürlich war sie auf der Flucht, doch selbst dafür hätte sie sich passender kleiden können!«

»Sie ist sehr schön, aber noch in Trauer! Doch diese wird sich legen, und so befürchte ich, dass sie das Mitgefühl des einen oder anderen Herrn falsch auslegen und diesen in Gewissenskonflikte bringen wird«, fügte Mildred Wiggles hinzu. Auch sie war bereit, ihre Karten auf den Tisch zu legen, benötigte sie doch die Hilfe ihrer Freundinnen, wenn sie die jungen Missionare von Ruth fernhalten wollte.

»Ich will meinen Gatten nicht tadeln, denn er handelte aus christlicher Nächstenliebe, als er der Witwe Obdach bot. Für die Zeit, bis das nächste Schiff nach England fährt, würde ich dies auch gutheißen. Nur will diese jedoch fünf und vielleicht noch mehr Jahre auf Tahiti bleiben, angeblich mindestens so lange, bis ihr Sohn alt genug für die Reise ist. Ich befürchte, dass die Ritterlichkeit einiger junger Herren diese dazu zwingen wird, der schönen, jungen und hilflos erscheinenden Witwe ihren Schutz anzubieten.«

»Mit diesen jungen Herren meinen Sie wohl die Herren Perell und Collins«, sagte die Mutter des dritten heiratsfähigen Mädchens bei den Missionarsfamilien mit schiefer Miene. Ihre Tochter war zwar hübscher als Heather und Abigail, doch diese waren verwandt mit Adelskreisen und daher für junge, aufstrebende Herren interessanter als die Enkelin eines Grobschmieds aus Colchester. Da aber das Wunder geschehen und sich einer der unverheirateten Missionare in ihre Tochter verlieben könnte, sah auch sie Ruth als unerwünschte Konkurrenz an. Doch wie man diese Frau loswerden konnte, wusste sie nicht. Man konnte sie wohl kaum zwangsweise auf ein Schiff schleppen, das in Richtung Europa fuhr.

»Ich habe nichts gegen Mistress Mensing«, ergriff wieder Mildred Wiggles das Wort. »Auch wenn sie selbst eine Ausländerin ist, so war ihr Ehemann doch der Sohn einer Engländerin, nämlich Heather Bartletts, der Schwägerin der Tochter des Earls of Huttonsfield.«

»Ganz recht! Ich habe Lady Ellinor bei einem Ball in London kennengelernt. Eine wundervolle Frau, sage ich euch! Ein Jammer, dass ihr Vater sie wegen seiner Schulden an diesen Krämer Bartlett verkaufen musste!« Harriet Baker liebte es, mit ihren Bekanntschaften in England zu prahlen, auch wenn sie es dabei mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm. Vor allem Mildred Wiggles hatte sie schon einige Male spüren lassen, dass ihre Beziehungen höher reichten als die der Wiggles.

Auch jetzt zuckte es kurz auf Mistress Wiggles’ Gesicht. Sie beherrschte sich jedoch und sah die Damen auffordernd an. »Wir sind Gefangene unserer eigenen Höflichkeit! Es ist uns unmöglich, Mistress Mensing aus unserer Gesellschaft auszuschließen. Die Herren würden es nicht verstehen und wir uns in ein ungünstiges Licht setzen.« Sie schnaubte leicht, und das galt nicht zuletzt ihrem Ehemann, der vor Mitleid mit der jungen Witwe förmlich zerfloss. Wenn Ruth Mensing bereits auf ihn, der immerhin ein gesetzter und prinzipientreuer Mann war, einen solchen Einfluss ausübte, wie würde es dann erst bei jungen Männern wie Perell und Collins sein?

Dieselbe Frage bewegte auch die anderen Frauen. Die Mütter bangten um die Aussichten ihrer Töchter und mehrere Frauen um die Moral ihrer Männer. Immerhin war Ruth Mensing eine Ausländerin, und was man von solchen zu halten hatte, wussten alle.

»Wir können sie weder von der Insel vertreiben, noch können wir sie vergiften. Daher sollten wir uns überlegen, auf welch andere Weise wir sie dem Augenmerk der Herren entziehen können«, erklärte Harriet Baker.

»Wir sollten sie nicht mehr einladen«, schlug die Jüngste vor.

Mildred Wiggles schnaubte erneut. »Dann würden wir vor unseren Männern und allen anderen als missgünstige Kreaturen ohne Mitleid mit einer armen Witwe dastehen!«

»Sie bräuchte eine Beschäftigung, die sie von uns fernhält«, setzte die Jüngste im Kreis ihre Überlegungen fort. »Es wäre auch in ihrem Interesse, da eine Betätigung – was auch immer es sein mag – den Kummer über den Verlust ihres Gatten lindern wird.«

»Was soll sie tun? Altartücher besticken? Wenn sie diese Aufgabe übernimmt, tut sie das hier bei uns und gewiss nicht an einer Stelle, die unsere Männer nicht betreten«, fuhr Harriet Baker auf.

Mildred Wiggles hingegen rieb sich die Stirn. »Vor ein paar Tagen haben wir doch mit Landers den Leiter der Handelsstation zu Grabe getragen!«

»Er war ein Sauf- und Raufbold, den man bereits vor Jahren zum Verlassen der Insel hätte zwingen müssen«, stieß Harriet Baker angewidert aus.

»Er hat den einzigen Laden auf dieser Insel geführt. Auch war er für den Verkauf von Proviant an die Walfänger verantwortlich. Nun haben wir niemanden, der seinen Posten übernehmen kann«, erklärte Mistress Wiggles.

»Soviel ich weiß, hatte er einen chinesischen Helfer. Kann der nicht diese Aufgabe übernehmen?«

»Einem Gelben kann man nicht trauen!« Mildred Wiggles hob die Hand. »Da Mistress Mensing einige Jahre auf Tahiti bleiben will, braucht sie Geld für neue Kleider und andere Dinge des täglichen Bedarfs – und natürlich für die Heimreise. Schon aus diesem Grund muss sie sich einen Gelderwerb suchen. Eine Möglichkeit wäre, Gesellschafterin bei Ihrer Majestät, der Königin, zu werden, eine andere, als Gouvernante bei einer unserer Familien zu wirken.«

»Ich lehne beide Vorschläge ab, da sie die Witwe Mensing nicht aus unserem Kreis ausschließen würden«, widersprach Harriet Baker resolut.

Mildred Wiggles hatte es nicht anders erwartet. Auf ihr Gesicht trat ein spitzes Lächeln, als sie weitersprach. »Da Ruth Mensing die Tochter eines Krämers aus Hamburg ist und dort gewiss bereits im Laden gestanden hat, wäre sie meiner bescheidenen Meinung nach geeignet, Landers’ Handelsstation zu übernehmen!«

»Aber sie ist doch eine Frau!«, wandte eine Nachbarin ein.

Eine andere schüttelte ablehnend den Kopf. »Außerdem betrieb Landers nicht nur den Laden, sondern auch anrüchigere Geschäfte. Denkt nur an diese Kaschemme, für die er die Konzession erhielt, um die Matrosen der einlaufenden Schiffe aus dem Ort fernzuhalten. Außerdem soll er dafür gesorgt haben, dass diese ungewaschenen Seeleute mit einheimischen Frauen – verzeihen Sie mir, wenn ich dies erwähne – Unmoral betreiben konnten.«

Es lag Mildred Wiggles auf der Zunge zu sagen, dass Ruth Mensing ihretwegen selbst hinter der Schanktheke stehen und den Matrosen Schnaps einschenken sollte, wenn sie die Witwe damit als Konkurrenz für ihre Tochter verhindern konnte. Außerdem, sagte sie sich, lag der Handelsposten ein Stück außerhalb des Ortes, und die Witwe würde sich als dessen Leiterin dort ansiedeln müssen. Damit würde sie Mr Perell kaum mehr unter die Augen kommen.

Ganz ähnliche Gedanken schossen Harriet Baker durch den Kopf. »Ich finde den Vorschlag gut! Mistress Mensing braucht Geld, und mit der Handelsstation kann sie es verdienen!«, sagte sie mit der festen Überzeugung, dass Hiram Perell und Archibald Collins sich gewiss nicht für eine Kneipenwirtin interessieren würden, und etwas anderes sollte Ruth in ihren Augen nicht sein.

»Wir können dies jedoch nicht selbst empfehlen. Die Herren wären darüber schockiert«, wandte eine der Frauen ein.

»Das habe ich bereits bedacht«, sagte Mildred Wiggles lächelnd. »Daher werde ich mich an einen der Berater der Königin wenden. Ari’iheiva hasst Mistress Mensings Diener, da dieser es gewagt hat, seine Tochter zu deflorieren. Also wird er mir gewiss den Gefallen erweisen, den ich von ihm erhoffe.«

Im Allgemeinen mied sie die Bekanntschaft mit den Einheimischen. Der Kreis um die Königin war jedoch davon ausgenommen, und Ari’iheiva zählte zu diesem Kreis. Wie etliche andere im Hofstaat der Königin wusste er, dass allein die Musketen der Europäer ihm Rang und Einfluss sicherten, und würde schon aus diesem Grund offen sein für einen Wunsch, den sie an ihn richtete. Mit diesem Gedanken beendete Mildred Wiggles die Versammlung und sagte sich, dass Ruth Mensing im Kreis sündiger Matrosen am besten aufgehoben war.

4.

Ruth ahnte nichts von der sich gegen sie anbahnenden Verschwörung und hätte in ihrem Leid wohl auch kaum darauf geachtet. Obwohl sie selbst des Trostes bedurft hätte, musste sie sich um Aipua und Tahitoa kümmern, die den Verlust ihres Kindes nur schlecht verkrafteten. Als Ruth dann auch noch zu Ohren kam, der tahitianische Edelmann Ari’iheiva habe erklärt, er gönne Tahitoa dieses Unglück, war sie kurz davor, den Mann aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Denn selbst wenn der Adelige mit Tahitoa verfeindet war, war dies kein Grund, dessen Frau eine Fehlgeburt zu wünschen.

Ruth musste sich daher wieder dem Leben stellen. Auch wenn Hinrichs Tod furchtbar war, so bedurfte zudem Jan, der nun ohne Vater aufwachsen würde, all ihrer Kraft und ihrer Aufmerksamkeit.

»Ich wünschte, mein Kleiner wäre schon etwas älter«, sagte sie am Abend zu Aipua.

Ihre Freundin seufzte tief. »Dann würdest du noch eher von hier fortgehen!«

»Sagen wir es so: Ich müsste Mistress Wiggles’ Teegesellschaften und die ihrer Freundinnen weniger lange ertragen, wenn Jan ein paar Jahre mehr zählen würde. Ich weiß nicht, ob ich es auf Dauer aushalten werde, stets das gleiche Geschwätz zu hören.«

»Ist es so schlimm?«

Ruth nickte. »Es ist noch schlimmer! Sie beginnen mit den Klagen über das Personal, das nicht so gut sei wie das in England, danach werden die kleinen Fehler der Ehemänner durchgekaut, aber nur die kleinen, denn schließlich sind sie Missionare Gottes und damit eigentlich frei von Sünden. Da dies nicht lange dauert, werden die Vorzüge der eigenen Kinder herausgestellt, wobei man nicht zögern darf, eifrig zuzustimmen, damit einem die Gastgeberin gewogen bleibt.«

»Dann sollten Sie ein paarmal nicht zustimmen, damit Ihnen diese Einladungen in Zukunft erspart bleiben«, schlug Tahitoa vor.

Wäre die Trauer um Hinrich nicht gewesen, hätte Ruth gelacht. So aber schüttelte sie nur den Kopf. »So einfach, wie du dir das vorstellst, ist es nicht. Die Europäer und vor allem die Missionare bilden nur eine kleine Gruppe auf Tahiti, aber sie sind sehr einflussreich. Sich gegen sie zu stellen, würde bedeuten, auf Tahiti nicht willkommen zu sein.«

Tahitoa zuckte schuldbewusst zusammen. »Ich hoffe, Sie verzeihen mir, wenn ich es jetzt erwähne, Madam, aber Sie müssen um eine Audienz bei Königin Aimata Pomare IV. ansuchen. Diese – oder, besser gesagt, ihre Berater – werden entscheiden, ob Sie auf Tahiti bleiben dürfen. Das ist nicht so einfach, da Ari’iheiva zu diesen Beratern zählt, und er hat seinen Zorn auf mich nicht vergessen. Wenn es nicht anders geht, werde ich die Insel verlassen, damit er Ruhe gibt.«

»Nein, nicht!«, rief Aipua erschrocken.

Ruth ballte verärgert die Faust. »Du bleibst! Sollte Ari’iheiva versuchen, dich oder uns zu vertreiben, werde ich …«

»Was tun?«, unterbrach Aipua sie.

»Bei Ihrer Majestät um eine Audienz ansuchen und mich über Ari’iheiva beschweren. Vielleicht hilft das. Sonst müssen wir uns eine andere Insel suchen, auf der sein Einfluss geringer ist, Moorea oder Bora Bora zum Beispiel.«

Auf Ruths Gesicht lag ein entschlossener Zug, der Aipua und Tahitoa verriet, dass sie dies nur im Notfall ins Auge fassen würde. Da die Schiffe aus fernen Ländern hier vor Tahiti Anker warfen, bestand nur an diesem Ort die Möglichkeit, eine Botschaft in die Heimat zu senden.

Ruth überlegte kurz und sah dann Tahitoa an. »Du wirst zum Palast gehen und in meinem Namen um eine Audienz bitten. Auch wenn Ari’iheiva dich hasst, kann er nicht verhindern, dass ich vor Königin Aimata trete.«

»Sehr wohl, Madam!« Tahitoa war erleichtert, dass Ruth aus der Erstarrung, die sie nach dem Tod ihres Mannes erfasst hatte, wieder zu erwachen begann.

Ruths Gedanken wanderten zu ihrem ersten Aufenthalt auf Tahiti. Damals hatte Hinrich noch gelebt und auf dem Thron ein kleiner Junge gesessen, der lieber mit anderen Kindern gespielt hätte, als stillsitzen und Leute empfangen zu müssen. Der Knabe war verstorben, und seine Schwester nahm seine Stellung ein. Ihres Wissens war Aimata Vahine Pomare IV. zwölf oder dreizehn Jahre alt, und das erschien ihr viel zu jung, um den Aufgaben gerecht zu werden, die die Herrschaft über Tahiti und die Inseln mit sich brachte.

Sie tat diesen Gedanken mit einer kurzen Handbewegung ab. Das Mädchen mochte den Titel einer Königin von Tahiti führen, doch die wichtigen Entscheidungen wurden von anderen getroffen. Da waren zum einen die Missionare als ihre religiösen Lehrer sowie Aimatas Angehörige, zu denen auch Ari’iheiva zählte. Damit ihr Sohn und sie unbehindert auf Tahiti leben konnten, musste sie sich gegen diesen Mann durchsetzen.

Sie schickte Tahitoa los, beendete dann das Essen und nahm Aipua in die Arme, um sie zu trösten. Die junge Frau aus Hiva Oa spürte jedoch, dass auch Ruths Herz eine offene Wunde war, und spendete ihr ebenso Trost.

5.

Die dramatischen Umstände von Ruths Ankunft sowie das Schicksal ihres Ehemanns hatten sich auf Tahiti herumgesprochen. So war es nicht nur christliche Nächstenliebe, sondern auch ein gerütteltes Maß an Neugier, das ihr zu einer raschen Audienz bei der Königin verhalf.

Wie zu ihren Besuchen bei den Missionarsfrauen der Missionare wählte sie ein europäisches Kleid. Und Aipua hatte sich Mühe gegeben, ihre Haare aufzustecken und darüber ein kleines Strohhütchen zu befestigen. Dieses war nach dem Vorbild eines Hutes in einer Modezeitschrift geflochten worden, die eine der Damen aus England mitgebracht hatte. Ob Hüte dieser Art in London überhaupt noch Mode waren, bezweifelte Ruth. Hier aber schien es unabdingbar, so gekleidet bei Hof zu erscheinen.

Als Ruth am Rand der Halle darauf wartete, zur Königin geführt zu werden, stellte sie fest, dass sich in den mehr als zwei Jahren, die seit ihrem ersten Aufenthalt auf Tahiti vergangen waren, einiges geändert hatte. Wohl gab es am Hof der Königin immer noch Adelige wie Ari’iheiva, die sich nach alter Sitte kleideten und europäische Kleidung ablehnten. Aber die Zahl derer, die in Hosen, uniformartigen Röcken und hohen Hüten erschienen waren, war sichtlich größer geworden. Ein Vetter der Königin trug den dunkelblauen Rock eines Marineoffiziers mit den Epauletten eines Admirals und einen Zweispitz, dessen sich auch der Lord der Admiralität in London nicht hätte schämen müssen.

Die Königin war ebenfalls europäisch gekleidet und hatte den Gürtel aus roten Federn, der allein ihr als Herrscherin zukam, genauso umgelegt, wie ein christlicher Monarch seine Schärpe trug. Auch ihre Krone hätte von einem Goldschmied aus Europa stammen können, war aber mit roten Blumen und Perlmuttscheiben drapiert. Die Zahl der Perlmuttscheiben wies auf die Anzahl der großen Inseln hin, über die Aimata als Königin herrschte. Die kleineren Inseln wurden durch Perlen symbolisiert.

Aimata wirkte somit königlicher als ihr Bruder, fand Ruth. Sie war auch kein Kind mehr, sondern stand an der Schwelle zur Frau. Sie war groß und kräftig gebaut, die Haut relativ hell, und ihr Haar glänzte in einem makellosen Schwarz, gegen das sogar Rabenfedern blass gewirkt hätten.

Eine Handbewegung des Zeremonienmeisters zeigte Ruth an, dass sie nun an der Reihe war. Sie wandte sich zu Tahitoa um, der vor dem Eingang stand. »Komm mit!«, forderte sie ihn auf.

»Das wird nicht gut sein!«, wehrte er ab. »Ari’iheiva …«

»… muss akzeptieren, dass du in meinen Diensten stehst«, antwortete Ruth.

Tahitoa folgte ihr unglücklich. Er glaubte nicht, dass Ari’iheiva sich Ruth so leicht geschlagen geben würde.

In den Augen des Adeligen war es ein Affront, dass Ruth den Diener mit in die Halle der Königin brachte. Er wollte schon einschreiten, begriff dann aber, dass er damit Aimata verärgern könnte, und beließ es bei einer gemurmelten Verwünschung.

Ruth sank vor der Königin in ihren tiefsten Knicks und erhob sich erst auf deren Aufforderung wieder.

»Wir haben von deinem großen Verlust gehört und bitten Gott, dass er sich deiner und deines Sohnes annimmt«, sprach die Königin Ruth in gutem Englisch an.

»Mauruuru roa – herzlichen Dank«, antwortete Ruth in der Sprache der Tahitianer und rief damit Verwunderung hervor.

Die Missionare und deren Frauen verlangten von ihren Bediensteten, aber auch von den einheimischen Helfern, dass sie sich der englischen Sprache befleißigten. Diese übersetzten dann auch für den Rest der Bewohner, die kein Englisch konnten.

Es entspann sich eine Unterhaltung, in der Königin Aimata ihre Fragen auf Englisch stellte und Ruth sie auf Tahitianisch beantwortete. Rasch wurde ihr klar, dass die Königin, von den Missionaren beeinflusst, eine abschätzige Meinung von den Stämmen auf Hiva Oa besaß, die für Reverend Wiggles schlicht und einfach Wilde und Menschenfresser waren. Andererseits war Aimata so stolz auf ihre Heimat und ihre Dynastie, dass sie sich nicht in einen engmaschig christlichen Käfig einsperren lassen wollte. Auch wenn der überwiegende Teil des Hofstaats europäische Kleidung vorzog, so trugen die Dienerinnen und Diener einheimische Tracht. Zwar waren bei den Frauen die Brüste und die Beine bis zu den Knien bedeckt und die Kleider aus Stoffen genäht und keine Tapamatten. Doch die Federn, Blumen und Muscheln schmückten sie so, wie es wohl schon bei den Bediensteten von König Pomare I. der Fall gewesen war.

Nach einer Weile forderte Aimata einen Diener auf, Ruth einen Stuhl zu bringen. Während Ruth sich mit Dankesworten setzte, verzog Ari’iheiva verärgert das Gesicht. In seinen Augen war Hinrichs Scheitern auf Hiva Oa in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass dieser den üblen Sünder Tahitoa mit dorthin genommen hatte. Am liebsten hätte er durchgesetzt, dass der Kerl Tahiti und das Reich der Inseln für immer verlassen musste. Tahitoa galt aber als Diener dieser Missionarswitwe, und diese zeigte wenig Neigung, auf ihn zu verzichten.

Mehrere Missionarsfrauen hatten bereits angedeutet, sie sähen es gerne, wenn die junge Witwe das nächste Schiff nach Europa bestieg. Bis jetzt hatte er gehofft, dies in die Wege leiten zu können. Eine Frau jedoch, der Königin Aimata einen Stuhl hatte anbieten lassen, konnte er nicht einfach aus ihrem Haus holen und auf ein Schiff schaffen lassen.

Ari’iheiva war froh, als Ruth sich endlich verabschiedete. Statt jedoch den Nächsten zur Audienz bitten zu lassen, befahl die Königin, die Musiker zu holen, und unterhielt sich mit Freundinnen. Auf Ari’iheiva wirkte sie dabei wie eine kichernde Göre. Dabei war ihre Macht groß genug, jemanden in den exklusiven Kreis ihres Hofstaats aufzunehmen oder auszuschließen, auch wenn ihre Berater für sie Regierungsaufgaben übernahmen. Da Ari’iheiva nicht nur Freunde an ihrem Hof hatte, bestand auch für ihn die Gefahr, als Berater entlassen zu werden, und so verließ er die Halle mit der Ausrede, sich um etwas kümmern zu müssen.

6.

Ari’iheiva folgte Ruth und Tahitoa in einem gewissen Abstand. Für ihn war es eine Niederlage, dass er nichts gegen den jungen Mann unternehmen konnte. Dieser stand unter dem Schutz der Missionarswitwe und diese wiederum unter dem Schutz der Königin.

Als Ruth und Tahitoa den Bereich des Ortes erreichten, in dem die Missionare mit ihren Familien lebten, kam ihnen ein junger, hagerer Mann mit schwarzem Rock entgegen und lüpfte bei Ruths Anblick seinen Zylinder. »Guten Tag, Mistress Mensing! Sie kommen wohl von einer Audienz bei der Königin?«

Ruth blieb stehen. »Sie gehen richtig in der Annahme, Mr Perell. Ihre Majestät, Königin Aimata, war so freundlich, mich zu empfangen.«

»Werden Sie jetzt bald nach Hause fahren? Soviel ich gehört habe, hofft Captain Smyth von der Hesione, bald abgelöst zu werden. Ich hoffe, es ist noch nicht geschehen, denn sein Schiff war schon mehrere Wochen nicht mehr in Tahiti.«

In Wirklichkeit hoffte Hiram Perell, dass die Hesione bereits nach Europa unterwegs war, damit Ruth bleiben und er seine Bekanntschaft mit ihr vertiefen konnte. Sie war nicht nur weitaus hübscher als die jungen Mädchen, die hier lebten, sondern hatte in seinen Augen als Witwe eines von den Wilden ermordeten Missionars einen besonderen Anspruch auf den Schutz eines gottesfürchtigen Mannes wie ihn.

Ruth bemerkte nicht einmal, wie sehr sie Perell gefiel, während Tahitoa ein spöttisches Grinsen zeigte. Gegen einen Mann wie Hinrich Mensing war Perell ein linkischer Bursche, der einer Frau wie Ruth niemals imponieren konnte. Kopfschüttelnd ging er weiter und trat wenig später ins Haus.

Dort wechselte Aipua gerade Jans Windeln. Tahitoa schnupperte und zog sich bis an die Tür zurück. Als seine Frau es sah, schüttelte sie in gespielter Verzweiflung den Kopf.

»Manchmal weiß ich nicht, was mit euch Männern ist! Du bist zwar bereit, mit einem Hai zu kämpfen, aber vor den Ausscheidungen eines kleinen Kindes weichst du zurück.«

»Ein Hai stinkt nicht.« Tahitoa grinste, wurde aber rasch wieder ernst. »Dieser elende Ari’iheiva treibt sich draußen herum. Mögen Oro und Gott geben, dass er bei seiner nächsten Bootsfahrt ins Wasser fällt und von einem Hai gefressen wird.«

Aipua blickte nun ebenfalls hinaus und sah Ari’iheiva weggehen.

»Das ist kein guter Mensch«, sagte sie allein schon aus dem Grund, weil er Tahitoas Feind war.

Unterdessen war es Ruth mit einer gewissen Mühe gelungen, Hiram Perell abzuschütteln. Ari’iheiva war ihr nicht aufgefallen, auch bemerkte sie nicht, dass Mildred Wiggles vor ihrem Haus stand und mit verbissener Miene hatte zusehen müssen, wie Hiram Perell mit der »rothaarigen Witwe«, wie sie Ruth insgeheim nannte, gesprochen hatte. Als sie jetzt Ari’iheiva entdeckte, schickte sie Heather, um Harriet Baker zu holen. Sie selbst gab vor, einen Spaziergang zu unternehmen, und näherte sich unauffällig dem tahitianischen Edelmann.

»Oh, guten Tag, Mr Ari’iheiva!«, grüßte sie freundlich.

Auch wenn dieser sich noch immer wie ein Wilder kleidete und seine Haut etliche Tataus trug, so war er ein eifriges Mitglied der Kirchengemeinde ihres Mannes und hatte den christlichen Taufnamen George nach dem englischen König erhalten.

»Guten Tag!«, antwortete Ari’iheiva höflich. Er war öfter bei Wiggles zu Gast und hatte diesem einen Teil seines Einflusses zu verdanken.

Da er zu den Adeligen Tahitis gehörte, empfand Mistress Wiggles eine gewisse Achtung vor ihm. Zwar war auch er ein »Kanake«, wie ihr Mann gelegentlich zu sagen pflegte. Doch man brauchte Leute wie ihn, um das Volk zu beherrschen und dazu zu bewegen, brav sein Scherflein zu bezahlen, damit Missionare nicht nur leben, sondern sich gelegentlich auch ein wenig Luxus aus England kommen lassen konnten.

»Darf ich Sie zu einer Tasse Tee einladen?«, fragte sie, nachdem sie sich mit einem raschen Blick überzeugt hatte, dass Heather eben Harriet Baker in ihr Haus geführt hatte.

»Mit größtem Vergnügen!«, antwortete Ari’iheiva und folgte ihr ins Haus.

Dort hatte Harriet Baker im Teesalon Platz genommen und sah verwundert auf, als ihre Gastgeberin mit dem Berater der Königin hereinkam.

»Guten Tag, Mr George Ari’iheiva«, begrüßte sie ihn und sprach dabei seinen Namen eingekürzt auf englische Weise als »Erihieiwa« aus.

Mildred Wiggles klatschte in die Hände und befahl ihren herbeihuschenden Dienerinnen, Tee zu bereiten und zusammen mit Kuchen zu servieren.

Danach sah sie Ari’iheiva mit einem listigen Blick an. »Der Tee wird gleich gebracht werden. Nun zu etwas, das für uns alle von Interesse ist. Wie ich hörte, soll Mr Landers, der den Laden und … nun ja, auch das Gasthaus geführt hat, verstorben sein. Haben Sie schon einen Nachfolger für ihn ausgewählt? Es ist ein wichtiger Posten. Der Leiter der Handelsstation versorgt immerhin die Walfänger mit Vorräten und anderen wichtigen Dingen.« In Gedanken sah Mildred Wiggles gefüllte Becher vor sich, die alkoholische Getränke enthielten.

Ari’iheiva war verwundert, denn diese Frage hätte er eher von ihrem Mann erwartet. Da er annahm, dass diesem die Sache ebenfalls am Herzen lag, hob er bedauernd die Hände. »Wir hatten gehofft, dass Mr Reverend Wiggles uns einen geeigneten Nachfolger empfehlen kann. Ein großer Teil der Einnahmen des Königreichs stammen von der Handelsstation. Daher muss diese von einem zuverlässigen Mann betrieben werden.«

Reverend Wiggles hätte ihm sofort zugestimmt, da der »Zehnte« dieser Einnahmen an die Missionare ging und ihnen in Verbindung mit den Abgaben der einfachen Leute ein angenehmes Leben ermöglichte. Seiner Frau jedoch ging es darum, zu verhindern, dass Ruth zu einer Konkurrenz für ihre Tochter wurde. Zudem war sie ihr als Ausländerin suspekt, und da hörte ihre christliche Nächstenliebe auf.

»Muss es unbedingt ein Mann sein?«, fragte sie.

»Nun, ich denke doch …«, brachte der verblüffte Tahitianer mit einer gewissen Mühe heraus.

»Es gibt mehrere Bedingungen für den Leiter der Handelsstation: Er muss absolut zuverlässig sein und darf nicht in seine eigene Kasse wirtschaften. Bei Mr Landers hatte mein Ehemann so seine Bedenken. Zweitens muss diese Person etwas vom Handel verstehen, um gute Geschäfte machen zu können, und zum Dritten muss sie in der Lage sein, sich gegen Walfänger und anderes Gesindel durchzusetzen.«

Mildred Wiggles hob mahnend die Hand, damit Ari’iheiva sie auch richtig verstand. Zwar hielt sie Ruth für halbwegs zuverlässig, glaubte aber nicht, dass diese sich im Laden und in der Schenke gegen Rabauken würde durchsetzen können. Wenn Ruth den Handelsposten jedoch nicht so führen konnte, wie die Tahitianer es erwarteten, würden Königin Aimatas Getreue rasch dafür sorgen, dass sie von ihrem Posten abberufen wurde und die Insel mit dem nächsten Schiff verlassen musste, das von hier aus in die Ferne fuhr.

»Ich frage nicht ohne Grund, ob es ein Mann sein muss, denn ich kenne derzeit niemanden, der mir dafür geeignet erscheint. Allerdings hat die Witwe Mensing mir erzählt, sie sei die Tochter eines Händlers und habe bereits selbst hinter dem Ladentisch gestanden. Vielleicht könnte sie den Handelsposten übernehmen, bis ein ehrlicher, gottesfürchtiger Mann dafür aus England geholt worden ist.«

Zunächst konnte Ari’iheiva mit Mildred Wiggles’ Vorschlag nichts anfangen. Er hielt die Ehefrauen von Missionaren zwar für ehrbar, aber auch von geringem Verstand. Dann aber begriff er die Chance, über Ruth auch Tahitoa zu treffen. Wenn die Frau versagte, musste sie Tahiti verlassen und ihn mitnehmen. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass Tahitoa schon vorher mit einem betrunkenen Walfänger aneinandergeriet und von diesem erstochen wurde. Damit wäre er diesen Kerl endlich los.

»Es wäre zu überlegen«, antwortete er daher mit einem Lächeln. Ruth Mensing hatte ihn brüskiert, indem sie Tahitoa mit zur Audienz bei Aimata mitgenommen hatte. Sich dafür rächen zu können, war fast so schön, wie auf Tahitoas Leichnam zu blicken. Beides hoffte er, in Kürze erleben zu können.

7.

Nach Hinrichs Tod hätte Ruth sich nicht vorstellen können, sich je nach Hiva Oa zu sehnen. Aber nach nicht einmal zwei Wochen auf Tahiti war es so weit. Im Hanatea-Tal auf Hiva Oa hatte sie einheimische Freundinnen besucht, mit diesen geredet, Matten geflochten oder war im Meer schwimmen gegangen. Hier war ihr dies alles unmöglich. Zum einen kannte sie keine Insulanerinnen, die sie hätte besuchen können, und zum anderen fürchteten viele, sie könnten sich Ari’iheivas Zorn zuziehen, wenn sie mit ihr gesehen wurden. Tahitoa stand in ihren Diensten, und diesen hatte der Adelige bereits früher mit seinem Zorn verfolgt. Auch im Meer zu baden war ihr nicht möglich, denn noch hatte sie keine abgeschiedene Bucht gefunden.

Ruth fehlte auch ihr »Badezimmer« auf Hiva Oa. Dort hatte sie durch einen Schuppen und eine Mattenwand geschützt unter einem kleinen Wasserfall nackt baden können. Hier musste sie sich mit dem Wasser aus einem Eimer säubern, da dies den Vorstellungen von Reverend Wiggles und seinen Missionaren zufolge zivilisierter wäre und sich für Menschen aus Europa gehörte.

»Entweder haben mich die beiden Jahre auf Hiva Oa verwildern lassen oder was auch immer …«, sagte sie, als sie sich an diesem Abend in ihrer Hütte wusch.

Die Tür war geschlossen und die Mattenwände wieder angebracht. Anders als Mistress Wiggles und die anderen Engländerinnen entfernte sie am Morgen einen Teil davon, damit ein gewisser Luftzug Erleichterung brachte. Nun staute sich die Luft wieder, und Ruth beschloss, einen Teil der Wand noch einmal zu öffnen, wenn sie mit ihrer Körperpflege fertig war.

»Mögen die Missionarsfrauen sich doch darüber das Maul zerreißen!«

Sie sprach Deutsch, doch Aipua hatte genug gelernt, um sie zu verstehen. »Es sind seltsame Weiber, nicht wahr?«, sagte sie. »Mein Volk hätte sie spätestens nach drei Tagen ins Meer geworfen und zugesehen, wie die Haie sie fressen.«

Aipua stammte von Hiva Oa und war das Christentum tahitianischer Prägung nicht gewohnt. Auch begriff sie den Hochmut der Engländerinnen nicht, die über ihresgleichen hinwegsahen, als wären sie Schmutz unter ihren Füßen.

»Ganz so schlimm sollten wir nicht über Mistress Wiggles und ihre Gefährtinnen urteilen«, mahnte Ruth sie und wollte noch etwas hinzufügen, als jemand draußen an der Tür kratzte.

»Ich bin es, Mary! Ich bringe das Abendessen«, vernahm Ruth und gab Aipua einen Wink, die junge Frau hereinzulassen.

Sie trocknete sich ab und zog den Morgenmantel über, den Mildred Wiggles ihr großzügig geschenkt hatte. Er war aus brauner Jägerwolle und kratzte, aber bei einem überraschenden Besuch wie jetzt erwies er sich als äußerst praktisch.

Mary balancierte ein großes Tablett herein und stellte es ab. Danach kam sie auf Ruth zu und fasste nach deren Hand. »Sie sind immer so freundlich zu mir. Daher muss ich es Ihnen sagen!«

»Was?«

»Mistress Wiggles mag Sie nicht und will Sie weghaben!«

Im ersten Augenblick schüttelte Ruth den Kopf. Dann aber erinnerte sie sich an die eine oder andere Spitze, die Mildred Wiggles ihr versetzt hatte, und auch an den einen oder anderen nicht allzu freundlichen Blick.

Sie seufzte und sah Mary fragend an. »Was bringt dich darauf?«

»Sie will, dass Sie den Handelsposten übernehmen. Da sie nicht glaubt, dass Sie damit fertigwerden, hofft sie, dass Sie deswegen von Tahiti fortgeschickt werden.«

Ruths Gedanken wirbelten. »So gemein kann sie nicht sein! Ich habe ihr gesagt, dass mein Sohn noch zu klein ist, um eine so lange Seefahrt zu überstehen.«

»Sie ist böse!«, erklärte Mary eifrig. »Um Sie loszuwerden, hat sie sich mit Ari’iheiva zusammengetan. Dieser hasst Tahitoa und will Sie bestrafen, weil Sie ihm helfen.«

Ruth brauchte einige Augenblicke, um das alles fassen zu können. Sie begriff nicht, aus welchem Grund Mildred Wiggles sie loswerden wollte. Zudem fand sie es in höchstem Maße schäbig, dass Ari’iheiva seinen Zorn auf Tahitoa an ihr und ihrem Sohn auslassen wollte. Wenn ihr nicht rasch etwas einfiel, würden die beiden sie zwingen, Tahiti lange vor der Zeit zu verlassen, die sie angedacht hatte. Für Jan würde dies verheerend enden.

Ihr Blick suchte den Jungen, der fröhlich krähend in einer Ecke mit einem Holzfisch spielte. Teomo, der beste Holzschnitzer von Hiva Oa, hatte das Ding gefertigt, und es war irgendwie in das Bündel geraten, das sie auf ihrer Flucht mitgenommen hatte. Erneut kam Sehnsucht nach dem Hanatea-Tal in ihr auf, obwohl sie wusste, dass sie es niemals wieder würde betreten können. Wohl hatte sie Erinnerungen an schöne Zeiten dort, doch dass ihr Mann in jenem Tal sein Leben hatte lassen müssen, würde das stets überlagern. Nun galt es, sich hier auf Tahiti zu behaupten. Doch wie sollte sie das, wenn sie in Mildred Wiggles und dem Höfling Ari’iheiva zwei Feinde hatte, die auf dieser Insel so viel mehr Einfluss besaßen als sie?

»Erzähle mir genau, was du gehört hast«, forderte sie Mary auf.

Diese nickte, fügte jedoch hinzu, dass sie nicht viel Zeit habe, weil sie bei Wiggles den Tisch decken müsse.

Ruth beschränkte sich daher auf wenige Fragen und begriff nach und nach, dass Mistress Wiggles sie als Ausländerin verabscheute. Der Erwähnung der beiden jungen Missionare Perell und Collins maß sie weniger Bedeutung zu, da sie nicht ahnte, dass diese beiden der ausschlaggebende Grund für diese Intrige waren. Hinrichs Tod lag noch zu kurz zurück, als dass sie auch nur einen Gedanken auf eine Verbindung mit einem anderen Mann verschwendet hätte.

Eine Überlegung beherrschte nun ihr Denken: Sie musste auf Tahiti bleiben, bis sie mit Jan zusammen in die Heimat zurückkehren konnte. Doch wie sollte ihr dies gelingen, wenn von ihr verlangt wurde, den Handelsposten zu führen? Davon verstand sie nun einmal nichts.

»Halt!«, mahnte sie sich selbst. »Ich kann lesen, schreiben und rechnen. Auch weiß ich, wie ein Rechnungsbuch geführt wird, und habe zu Hause genug über Verträge und Geschäfte gehört, um mich zurechtzufinden.«

Nach Marys Weggang bat sie Aipua, Tahitoa zu holen. »Bringe ihn aber erst herein, wenn ich mich vollständig angezogen habe«, setzte sie hinzu und suchte ihre Kleidung zusammen. Ihr Kopf verfolgte dabei eigene Wege, denn sie grübelte, wie sie dieser Intrige die Spitze abbrechen konnte.

8.

Zu Ruths Verwunderung dauerte es ein wenig, bis Tahitoa erschien. Er wirkte bedrückt. »Sie haben mich rufen lassen, Madam?«

»Du hast doch schon früher auf Tahiti gelebt. Was weißt du über den Faktor Landers?«

»Sie wissen es also schon?«

»Was?«

»Nun, das mit dem Handelsposten! Ich habe vorhin mit Lu Po gesprochen, dem Chinesen, der Landers im Handelsposten geholfen hat. Dieser hat erfahren, dass Sie als Landers’ Nachfolgerin vorgesehen sind. Angeblich will man Ihnen die Gelegenheit bieten, ein wenig Geld zu verdienen, um in der Heimat nicht auf die Fürsorge der Verwandten angewiesen zu sein.«

Es war ein vorgeschobener Grund, das war Ruth klar. »Kannst du mir mehr über diesen Lu Po berichten. Ist er zuverlässig?«

Tahitoa wiegte unschlüssig den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, ob er ein wenig in die eigene Tasche arbeitet, so muss ich das bejahen. Landers selbst hat das allerdings in weit höherem Maße getan. So zahlte er der Krone weniger als die Hälfte dessen, was sie hätte bekommen müssen. Sein gespartes Geld ist jedoch verschwunden. Lu Po glaubt, dass Reverend Wiggles es an sich gebracht hat.«

»Diese Insel ist ja das reinste Schlangennest!«, entfuhr es Ruth, und sie forderte Tahitoa auf, weiterzuerzählen. Dabei wurde rasch klar: Ihr Diener mochte Lu Po und schien ihm zu vertrauen.

»Glaubst du, dass Lu Po auch für mich arbeiten wird?«, fragte sie.

Tahitoa nickte eifrig. »Das wird er gerne tun! Er sagt, Madam müssten sich um gar nichts kümmern. Da Landers zuletzt kaum noch etwas anderes getan hat, als zu trinken, habe er den Handelsposten so gut wie alleine geführt.«

Ruth wurde ruhiger. Wenn es Lu Po wirklich gelang, den Handelsposten für sie zu führen, bedeutete dies, dass Jan und sie auf der Insel bleiben konnten. Sie nahm sich allerdings vor, die Bücher zu prüfen und nach dem Rechten zu sehen, damit ihr von jenen, die sie abschieben wollten, keine Steine in den Weg gelegt werden konnten.

»Ich will selbst mit ihm sprechen«, erklärte sie.

Tahitoa wiegte unschlüssig den Kopf. »Weiße Damen gehen nicht persönlich zum Handelsposten, sondern haben immer jemanden zu Landers geschickt, damit dieser ihnen die Waren bringen lässt. Wenn er etwas von einem Schiff kaufen oder eintauschen konnte, kam er auch von selbst auf die Frauen der Missionare zu. Diese haben ihn zwar verachtet, waren aber auf ihn angewiesen, so wie sie jetzt auf Sie angewiesen sein werden, Madam.«

»Wenn ich den Handelsposten übernehmen soll, muss ich ihn mir wohl auch ansehen und vor Ort sein«, erwiderte Ruth mit harter Stimme.

»Es gibt noch einen Grund, weshalb Mistress Wiggles und die anderen Engländerinnen den Handelsposten meiden: Es gehört eine Schenke dazu. Die Matrosen, die sich dort aufhalten, sind oft betrunken und haben Mistress Baker belästigt, als diese doch einmal in den Laden gehen musste. Mistress Baker, aber auch Mistress Wiggles und einige andere forderten damals, Landers die Konzession zu entziehen. Es kam jedoch nicht dazu, da es niemanden gab, der ihn hätte ersetzen können.«

Auch Tahitoas Bericht vermochte Ruth nicht abzuschrecken. »Ich will mit Lu Po reden, um mehr über die Handelsstation zu erfahren. Man kann mit Handel viel Geld verdienen, aber auch verlieren. Daher ist es wichtig, ein Auge darauf zu haben.«

Auch wenn Tahitoa das verstand, wandte er ein, dass Ruth die Handelsstation erst dann aufsuchen dürfe, wenn sie zu deren Verwalterin ernannt worden sei. »Es könnte Madam in jenes schlechte Licht setzen, in dem die Frauen der Missionare Sie sehen wollen. Das heißt aber nicht, dass Sie sich nicht mit Mr Lu Po treffen können. Sie haben mir doch gesagt, dass Sie Tuch für ein neues Kleid brauchen. Es wird sich niemand etwas dabei denken, wenn Mr Lu Po mit zwei oder drei Stoffballen hierherkommt, damit Sie sich etwas aussuchen können.«