Die Perlstrickerin - Iris Other - E-Book

Die Perlstrickerin E-Book

Iris Other

0,0

Beschreibung

So könnte es sich in einer Kleinstadt am Rande der Schwäbischen Alb zugetragen haben. Man schreibt das Jahr 1922. Nach dem verheerenden Krieg leidet die Bevölkerung im gesamten Deutschen Reich Hunger und Not. Als Cilly erlebt, wie die Mutter am Tod ihres Mannes zugrunde zu gehen droht, erkennt sie schnell die Notwendigkeit, selbst zu handeln. Sie hört von der Perltaschen-Herstellung, die in ihrer Heimatstadt Göppingen schon seit ein paar Jahren eine gute Verdienstmöglichkeit bietet und eignet sich diese Fertigkeit an. Schnell kann sie finanziell zum Wohl der ganzen Familie beitragen. Schließlich begegnet Cilly unverhofft auch der Liebe ihres Lebens. Doch ihre Zweifel wachsen, als sie ihr Leben und Wirken aus der Selbständigkeit heraus in die Hände eines anderen legen soll.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 248

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Iris Other

Die Perlstrickerin

Die Geschichte der Perltaschen Anfang des 20. Jahrhunderts

Oertel+Spörer

PROLOG

»Wenn er stirbt, weiß ich nicht mehr weiter.«

Doktor Hartmann sah in die von Tränen verklärten Augen seiner langjährigen Patientin.

»Nun warten wir mal ab, wie Ihr Mann auf das neue Medikament reagiert, Frau Linnemann«, sagte er und legte seine Hand behutsam auf ihren Arm. »Es wird schon alles gut werden.«

Traudel Linnemann war verzweifelt, und so richtig helfen konnten ihr Doktor Hartmanns tröstende Worte auch nicht. Wie froh und erleichtert hatten sich Traudel und Max damals in die Arme genommen, als er ein Jahr nach diesem unnötigen und verheerenden Krieg endlich und auch noch unverletzt wieder nach Hause gekommen war. Schnell konnte er wieder in seiner alten Firma anfangen. Alles war gut und die schlimme Zeit bald vergessen. Doch dann klagte er immer häufiger über Magenschmerzen, bis er eines Tages Blut spuckte und sein Arbeitgeber ihn wenig später nach Hause schickte. Doch die vom Arzt verordnete Ruhe half nichts, sein Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Und die Angst um ihn, sie war wieder da, genauso bohrend und alles einnehmend wie in den vier schrecklichen Kriegsjahren.

1

Göppingen 1922

Auf dem Marktplatz stand ein alter Mann im schwarzen Anzug. Der Stoff, eher schon grau als schwarz, war an Ellenbogen und Kragen verschlissen. Dem Mann fehlte die rechte Hand. So viele Männer waren aus dem Krieg als Krüppel nach Hause gekommen, und wie viele waren erst gar nicht mehr aus diesem Krieg zurückgekehrt. Der Einarmige drehte mit seiner linken Hand an der Kurbel seiner Drehorgel, aus der ein bekanntes Lied ertönte. Cäcilie, von ihrer Familie liebevoll Cilly genannt, blieb stehen, stellte ihren Korb ab und summte leise mit. Ihre Gedanken kreisten jedoch immer noch um die schwierige Situation, in der sich ihre Familie befand. Was sollte jetzt nur werden? Seit der Beerdigung von Vater vor vier Tagen war Mutter noch nicht aus dem Bett aufgestanden. Wie sollten sie die Miete bezahlen? Von welchem Geld sollten sie Lebensmittel kaufen, um nicht zu verhungern. Sie hob den Kopf und blickte auf die Bäume, die schon lange keine Blätter mehr trugen. Ein letzter Vogelschwarm flog über sie hinweg in Richtung Süden. Die letzten Tage des Herbstes waren angezählt. Cillys Gedanken waren immer noch bei ihrer Familie. Es fehlten Vaters Einkünfte. Wenn erst der Winter endgültig da ist und die Kohlen ausgingen, würde es ganz schnell gehen und sie würden in bitterer Armut leben. Sie wusste, sie musste ihre Schwester Sophie fragen, ob sie ihren Arbeitgeber, Herrn Ottermann, dazu bringen könnte, auch sie, Cilly, mit im Verkauf einzustellen. Sie musste unbedingt auch Geld dazu verdienen. Anders würde es einfach nicht gehen. Die junge Frau zog sich ihre Strickjacke fester um die Schultern, als sie jemanden ihren Namen rufen hörte.

»Cilly!« Sie schaute sich um. Wer rief denn da?

»Cilly, hier bin ich, hier oben. Warte, ich komm schnell runter.«

Aus dem ersten Stockwerk des Rathauses rief Alma, Sophies beste Freundin, nach ihr. Sie arbeitete als Stenotypistin beim Bürgermeister. Cilly nahm ihren Korb hoch und ging auf das große Eingangstor zu, als sich auch schon die schwere Tür öffnete. Alma kam auf Cilly zu und umarmte sie herzlich.

»Ich hab es heute erst im Amt gehört, dass euer Vater gestorben ist.«

Cilly biss die Zähne zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen. Alma sah ihr ins Gesicht und sagte voller Mitleid: »Es tut mir so leid, Cilly. Bitte richte deiner Familie mein Beileid aus, ja?«

Dabei glitzerten auch ihr Tränen in den Augen. Irgendwie mochte Cilly Linnemann diese Alma nicht so recht. Sie hatte schon immer etwas Herablassendes an sich gehabt. Sie, Cilly, war ja auch schließlich nur die kleine Schwester von Almas bester Freundin Sophie. Mit der konnte man schon mal von oben herab schwätzen. Sie holte ihr kleines weißes Taschentuch mit dem zierlich gehäkelten Rand aus der Jackentasche und putzte sich die Nase. Hastig trocknete sie eine Träne weg, die ihr die Wange hinunterlief.

»Cilly, ich hab eine kurze Mittagspause, möchtest du mit mir eine heiße Schokolade trinken gehen?«, fragte Alma nun ganz behutsam.

Doch Cilly brauchte nicht lange überlegen. Ihre Hände waren bei dem scheußlichen Wetter eisig kalt geworden und sie hatte den ganzen Tag noch nichts Heißes zu sich genommen.

»Komm, ich lad dich ein«, sprach Alma, nahm sie bei der Hand und zog sie in das kleine Café nebenan. Sie bestellte zwei Tassen heiße Schokolade und setzte sich mit Cilly an einen kleinen Tisch in der Ecke. »Sag, wie geht es denn bei euch jetzt weiter? Also, jetzt, wo euer Vater nicht mehr da ist. Wie werdet ihr denn zurechtkommen?«

Cilly sah Alma mit ihren großen blauen Augen an. »Ich weiß es auch nicht«, brachte sie noch hervor, ließ ihre Hände in den Schoß sinken und sah auf ihr kleines weißes Taschentuch. Sie bemühte sich sehr, nicht zu weinen zu beginnen.

»Cilly, du kannst doch so gut handarbeiten«, sagte Alma mit Blick auf das weiße Taschentuch in Cillys Schoß. »Könntest du dir vorstellen …«, beide sahen sich an. »Könntest du dir vorstellen, für einen Hersteller von Taschen zu arbeiten? Ich meine, mit deinem Können, damit kannst du bestimmt gutes Geld verdienen!«

»Ach Alma, du meinst in einer Fabrik? An einer Nähmaschine im Akkord?« Ihr lief ein Schauer über den Rücken und sie seufzte. »Nun, es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, oder?«

All ihre Hoffnungen, in eine Bildungsanstalt zu gehen, um sich als Lehrerin ausbilden zu lassen, konnte sie jetzt an den Nagel hängen. Wie schnell waren manche Träume ausgeträumt, wenn das Schicksal so hart zuschlug. Bei dem Gedanken daran konnte sie nun ihre Tränen wirklich nicht mehr zurückhalten. Leise schluchzend saß sie vor Alma und schämte sich für ihre Tränen. Das passte eigentlich so gar nicht zu ihr.

»Ich weiß nicht weiter, Alma. Seit Tagen liegt Mutter im Bett, will nichts essen, nicht aufstehen. Klärchen kümmert sich rührend um sie, gibt ihr immer wieder einige Löffel Brühe und ein paar Schlucke Tee. Entweder Mutter weint oder sie schläft.«

Alma nahm Cillys Hand. »Du, es ist ganz wichtig, sie aus diesem Jammertal wieder herauszuholen. Weißt du was? Ich komme heute Abend mal zu euch. Wir müssen eurer Mutter wieder auf die Beine helfen. Das schaffen wir gemeinsam!« Dann stand sie auf, bezahlte, und die beiden jungen Frauen verabschiedeten sich mit der Verabredung für später.

Klärchen, Cillys jüngere Schwester, saß am Küchentisch und rieb sich die Augen, als Cilly in die Wohnung trat. »Wie gut, dass du da bist! Mutter sagte heute, nachdem sie zur Toilette gegangen war, dass sie endlich aufstehen und etwas essen wolle. Aber dann ist sie weinend zurück ins Bett gegangen und doch nicht aufgeblieben. Ich hab ihr bisher noch nichts zu essen geben können.« Klärchen schlang die Arme um Cillys Hals und fing an, so herzzerreißend zu weinen, dass es Cilly erbarmte. Ganz fest drückte sie ihre kleine Schwester an sich und wischte sich nun selbst eine Träne weg.

So konnte es wirklich nicht mehr weitergehen, Alma hatte recht. Sie ging zum Herd und brühte neuen Tee auf. Schließlich kochte Cilly noch einen Vanillepudding, den die Mutter so gerne aß. Dann ging sie mit ihrer Schwester ins Schlafzimmer. Cilly zog behutsam die schweren Vorhänge auf und öffnete das Fenster. Vor dem Fenster stand eine alte Buche in braungelber, raschelnder Herbstblätterpracht. Hier waren noch nicht alle Blätter der Schwerkraft zum Opfer gefallen. Die Herbstsonne schien auf den Spiegel an der Wand und hüllte das Zimmer in goldenes Licht.

»Mutter, schau, was für ein herrlicher Tag heute ist«, sagte Cilly leise und zog die Decke über die Schultern ihrer Mutter, damit die frische Luft sie nicht krank machte.

»Vater hätte jetzt einen Ausflug auf die Alb vorgeschlagen, um raus in die Natur zu wandern«, erwiderte die Mutter mit dünner Stimme.

»Und wir hätten alle unsere Wanderstiefel aus dem Keller geholt und sie erst einmal kräftig schrubben müssen«, erinnerte sich Cilly.

Klärchen rief aus dem Nebenzimmer rüber: »Und ich würde mir wieder Blasen laufen, weil meine Schuhe schon wieder viel zu klein geworden wären, und Vater müsste mich bis ins Tal zurück auf den Schultern tragen.«

Alle stimmten in ein vorsichtiges Lachen ein, das zwar etwas kläglich klang, aber dennoch ein wenig Mut machte.

Ein Anfang ist gemacht, dachte Cilly. Vielleicht könnte sie ihre Mutter nun tatsächlich zum Aufstehen überreden. Sie half ihr mit dem Waschen und Anziehen. Unterdessen holte Klärchen Mutters warme Schuhe, die sie extra an den Küchenherd gestellt hatte, und dann setzten sie sich an den großen Küchentisch, aßen frisches Brot, das Cilly vom Markt mitgebracht hatte, und tranken Tee dazu. Hin und wieder rührte Cilly das am Vortag schon vorgekochte Eintopfgericht um, das auf dem Herd langsam vor sich hin köchelte und einen verführerischen Duft in der Küche verbreitete.

Am Abend kam Alma wie versprochen und brachte ein halbes Schnitzbrot1 von zu Hause mit. Traudel Linnemann freute sich und drückte Alma ganz fest an sich.

»Lieb, dass du kommst, Alma«, sagte sie und konnte ihre Tränen nicht so schnell verbergen, wie sie es wohl gerne getan hätte.

»Sie sind nicht allein, Frau Linnemann. Sie haben drei wundervolle Töchter, und ich kann auch kommen, wenn Sie Hilfe brauchen. Alles wird wieder gut, bestimmt.« Dann zog Sophie Alma in die Küche und nahm ihre Freundin in die Arme.

»Gut, dass du heute kommen konntest. Eben ist Mutter das erste Mal aufgestanden und hat auch endlich ein bisschen was gegessen. Die letzten vier Tage waren schrecklich, Alma.« Dann setzte Sophie neues Wasser für den Tee auf, während Alma das Schnitzbrot in Scheiben schnitt und mit der mitgebrachten, guten Butter bestrich.

»Wir sind ja selbst so traurig und verzweifelt. Aber das Leben muss doch weitergehen. Mutter ist hoffentlich bald wieder tatkräftig«, sagte Sophie und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Alma schnitt die bestrichenen Schnitzbrotscheiben noch einmal in der Hälfte durch und platzierte die Stücke auf einen großen Essteller.

»Das wird schon wieder, Sophie. Mach dir keine Sorgen. Alles wird immer wieder gut.« Dann gingen beide mit dem großen Teller und dem dampfenden Tee zurück ins Wohnzimmer, wo sich Klärchen und Cilly mit ihrer Mutter schon um den kleinen Ofen gesetzt hatten. Frau Linnemann legte ihre Hände um die Teetasse und machte eine ablehnende Geste, als ihr der Teller gereicht wurde. Doch nachdem Klärchen sie von ihrem Stück abbeißen ließ, griff sie doch zu. Als sie dann ein zweites Stück vom Teller nahm, sagte sie: »Das schmeckt aber gut. Da macht eure Mutter doch noch andere Zutaten rein als gewöhnlich, oder?«

»Also das Schnitzbrot ist eigentlich von meiner Oma, und die macht noch ein wenig Kakaopulver rein«, antwortete Alma und trank schnell einen Schluck Tee, bevor sie weitererzählte. »Meine Oma kommt aus Rottweil, wo das Brot Hutzelbrot genannt wird. Wusstet ihr das? Sie wendet einen kleinen Trick an und legt die Birnen und Zwetschgen über Nacht in Wein ein. Und diesen Sud benutzt sie während des Backens dann noch ein paarmal, wenn sie das Brot damit hin und wieder bestreicht.«

»Aha, das werde ich auch mal ausprobieren«, sagte die Mutter und sah auf das Brot in ihrer Hand.

So saßen sie eine Weile, ohne ein Wort zu sagen, bis Alma merkte, dass Frau Linnemann traurig vor sich hinstarrte.

»Ich habe gerade so viel zu tun im Rathaus, Frau Linnemann«, sagte Alma schnell, um alle wieder auf andere Gedanken zu bringen. »Mein Schreibtisch sieht an manchen Tagen abends genauso voll aus wie am Morgen. Die neue Kleinindustrie wird von immer mehr Menschen angenommen. Jeden Tag melden sich mindestens zehn Leute bei mir an, um sich damit ein wenig Geld verdienen zu können.«

»Und womit genau verdienen die Leute ihr Geld?«, wollte Klärchen wissen.

»Sie arbeiten für die neuen Firmen, die diese wunderschönen Taschen herstellen. Kennt ihr die nicht?« Alle sahen Alma erstaunt und fragend an. »Dazu werden nach Vorlagen Stoffe mit kleinen Perlen besetzt, die dann zu Taschen verarbeitet und nach Amerika ausgeliefert werden«, erzählte Alma weiter und griff dann in ihren Korb, in dem sie auch das Schnitzbrot gebracht hatte. Sie holte einen Teil der heutigen Zeitungsausgabe heraus. »Schaut her, das hab ich heute extra aus dem Büro mitgebracht. In dieser Zeitungsreklame wirbt ein gewisser Johann Häcker für seine Perlentaschen, die in Stuttgart auf der JugosiEdelmesse gezeigt werden.« Und dann las Alma laut vor: »Perltaschen und Perlbeutel, Johann Häcker, Göppingen, Kunstgewerbliches Atelier für feine Perlarbeiten, Spezialität: garantiert handgestrickte Perltaschen und -beutel in modernen und antiken Mustern, Stuttgart, Kronprinzenpalais, Stand 32.« Sie reichte das Papier in die kleine Runde. An der Seite der Anzeige war eine Tasche abgebildet, die ein Blumenmuster aufwies. Am metallenen Bügel waren ein Knipsverschluss und eine Kette zum Tragen zu erkennen. Alle bestaunten die Abbildung.

»Und das sind wirklich alles Perlen? Das glaub ich nicht«, sagte Klärchen ein wenig ungläubig.

»Klärchen, sei nicht so vorlaut!«, schimpfte Mutter.

»Aber sie kann sich das wahrscheinlich nicht vorstellen, dass man mit Perlen so schöne Bildchen herstellen kann, nicht wahr Klärchen? Ich hab mir gedacht, dass ihr das doch vielleicht auch machen könntet. Du, Cilly, hattest doch schon immer so ein Geschick im Handarbeiten. Vielleicht bekommst du von deinen Lieben tatkräftige Unterstützung und ihr habt eine Erwerbsquelle, die noch größer werden kann, je schneller und sorgfältiger ihr seid«, schlug Alma vor.

Cilly hatte sich tatsächlich schon, seitdem sie sich mit der Freundin ihrer Schwester am Mittag im Café getroffen hatte, Gedanken gemacht. Und so erschien ihr diese Sache gar nicht so abwegig.

»Was muss ich tun?«, fragte sie plötzlich und streckte ihren Hals voller Tatendrang: »Wo kann ich mich melden? Ich möchte das gerne machen!«

»Vielleicht können wir uns das mal gemeinsam ansehen in Stuttgart. Die Messe findet am nächsten Sonntag im Kronprinzenpalais statt. Das ist am Schlossplatz. Schau hier steht es«, stieg Alma gleich darauf ein.

»Oh ja, das möchte ich mir auch anschauen«, rief Klärchen wieder begeistert.

»Nein, nein, du bist noch zu klein für so eine Ausstellung«, erwiderte die Mutter, woraufhin Klärchen natürlich schmollte. Zu gerne hätte sie sich so eine Messe mal angesehen. Plötzlich waren alle ganz aufgeregt. Gerade noch waren sie in düstere Lethargie versunken gewesen und auf einmal hatten sie einen Plan.

»Wir müssen den Zug nach Stuttgart nehmen und bis zum Schlossplatz laufen«, sagte Alma. »Dort gibt es dann auch sicherlich die Möglichkeit, mit jemandem Kontakt aufzunehmen. Und dann können wir weitersehen.«

Klärchen klatschte begeistert in die Hände und bat noch einmal, mitfahren zu dürfen. Mit dem Zug in die große Stadt zu fahren, musste ein Riesenspaß sein. Doch Mutter bremste sie in ihrer Euphorie gleich wieder ein: »Lass die jungen Damen mal alleine nach Stuttgart fahren, Klara. Wir beide bleiben hier, es wird sonst zu teuer. Und dann lassen wir uns alles ganz genau erzählen.« Mutter nahm Klärchen an ihre Seite und strich ihr liebevoll übers Haar.

»Bringt ihr mir dann bitte so eine Tasche mit?«, fing Klärchen wieder an. Alle Blicke ruhten schmunzelnd auf dem kleinen Mädchen, das hoffnungsvoll in die Runde sah, und man versprach, zu sehen, was sich machen ließe. Die großen Mädchen besprachen noch die Einzelheiten, bis die dumpfen Schläge der großen Standuhr im Zimmer der Linnemanns auf die späte Stunde hinwiesen und Alma schnell ihren Mantel überzog und sich verabschiedete. Sophie begleitete sie noch die Treppe runter bis zur Haustür. Sie bedankte sich bei ihrer Freundin und winkte ihr nach, bis Alma um die Häuserecke gebogen war. Dann drehte sie den Schlüssel zweimal im Schloss und stieg zum ersten Mal seit ein paar Wochen wieder zuversichtlicher die Treppen zur Wohnung hinauf.

Sonntagmorgen um halb acht setzte sich der Zug von Göppingen über Esslingen nach Cannstatt und dann weiter nach Stuttgart in Bewegung. Die drei jungen Damen, Alma, Sophie und Cäcilie, waren früh aufgestanden, hatten sich dann am Bahnhof getroffen und die Fahrkarten gelöst. In der Bahn erst hatten sie ihre mitgebrachten Butterbrote hervorgeholt.

»Oh, hab ich einen Hunger«, sagte Alma und biss kräftig in ihr Brot.

»Und ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich so aufgeregt bin, oder ob es auch der Hunger ist, dass ich solches Bauchweh habe«, sagte Sophie.

Und auch Cilly biss von ihrem Apfel ab, nachdem sie ihr Brot schon auf dem Bahnsteig aufgegessen hatte, und schaute aus dem Zugfenster über die kahlen Felder. Nebelschwaden waberten über den Boden und einige Krähen, aufgescheucht durch den Zug, flogen hindurch. Um 9.18 Uhr erreichte der Zug endlich den Zielbahnhof Stuttgart. Die vielen kleinen und größeren Bahnhöfe entlang der Strecke hatten den Zug immer wieder anhalten und so die Reisezeit lang werden lassen.

»Wir müssen diese breite Straße, die Königstraße entlang bis zum Schlossplatz gehen«, sagte Alma, die mit ihren Eltern schon oft in Stuttgart gewesen war, um ihre Großeltern zu besuchen. Daher wusste sie auch, dass erst kürzlich der Bahnhof rückversetzt und das neue Bahnhofsgebäude feierlich eröffnet worden war, und nun am Anfang der langen Königstraße lag. Die Sonne schien ihnen entgegen, sodass sie geblendet immer wieder ihre Hände vor die Augen halten mussten, um etwas zu sehen. Sophie erschrak, als plötzlich eine Straßenbahn mit Getöse angerattert kam. Hier war vielleicht was los! Schließlich kamen sie an den Schlossplatz, an dessen Ecke sich das Kronprinzenpalais befand. Viele Leute und auch ein paar Autos standen davor. Als sie vor dem großen Eingang des wunderschönen und imposanten Gebäudes ankamen, wurde es allen dreien nun doch etwas mulmig, aber Cilly ging entschlossen auf den Eingang zu und fragte nach dem Eintrittsgeld.

»Sie haben Glück. Heute ist die Ausstellung für jedermann kostenlos geöffnet, mein Fräulein«, sagte ihr ein Mann in schicker Uniform. »Aber der Goldene Festsaal wird erst um zehn Uhr geöffnet. Sie müssen sich also noch gedulden und sich da hinten anstellen.«

Gehorsam gingen Cäcilie, Alma und Sophie hinaus auf die Straße und stellten sich an das Ende der Menschenschlange. Cilly fror und trat von einem Fuß auf den anderen, während sie sich umsah. Prächtige Gebäude um den Platz, ein Springbrunnen neben einer Säule, der Jubiläumssäule, die zum 25-jährigen Regierungsjubiläum und sechzigsten Geburtstag von König Wilhelm I. von Württemberg errichtet worden war. Das hatte sie alles noch in der Schule gelernt. Nun gab es schon einige Jahre keinen König mehr, aber die Säule stand immer noch. Sie schaute sich die prächtigen Gebäude um den Schlossplatz genau an. Es war überwältigend. Schloss, Königsbau, das Kunstgebäude. Hier hatten vor ein paar Jahren noch namhafte Künstler ausgestellt. Das hatte sie damals in der Zeitung gelesen. Dann kam es zum Putsch in Berlin und die sozialistischen Politiker hatten das Gebäude für ihre Versammlungen eingenommen. Deshalb wurden jetzt die Ausstellungen diverser Künstler, aber auch Messen und Veranstaltungen jeglicher Art eben in dem imposanten Kronprinzenpalais hier durchgeführt. Die Glocke am Kirchturm schlug zehnmal, und die schön gekleideten Damen und Herren setzten sich langsam in Bewegung. Auch der Stil, wie die Damen gekleidet waren, überwältigte Cilly. Viele trugen tatsächlich Hüte ohne Krempe. Das war neu, so etwas hatte sie noch nicht gesehen. Und immer wieder sah Cilly, dass die Damen viel mehr Bein zeigten. Ja, die Kleider wurden hier in der Großstadt um einiges kürzer getragen als zu Hause in Göppingen.

Die drei jungen Frauen gaben ihre Mäntel an einer Garderobe ab und strichen ihre Kleider glatt. Der große Saal war mit Trennwänden unterteilt, und die Händler hatten ihre Waren auf Tischen ausgebreitet. Hutmacher, ein Händler, der zarte Strümpfe darbot, ein Parfumhersteller aus Berlin, Salamander-Schuhwaren, Schmuck, Lederwaren und vieles mehr gab es hier zu betrachten. Und dann kamen sie endlich zu den Perltaschen der Firma Johann Häcker aus Göppingen, die man an den Wänden und auf einem Tisch ausstellte. Allesamt waren sie mit winzigen Perlen verziert, mit Blumenranken, Vögeln, Parkansichten, Landschaften. Nicht nur die drei Mädchen bestaunten die hübschen Taschen. Cilly war ganz begeistert. Die Bilder, die durch die winzigen bunten Glasperlen eine Lebendigkeit bekamen, waren von so einer Feinheit und Präzision, dass Cilly immer näher trat und mit ihren Fingern ganz behutsam über die Taschen strich, als sie merkte, dass sich ein Herr neben sie gestellt hatte.

»Gell, das sind sicher ganz bezaubernde Accessoires für so hübsche Damen wie Sie, habe ich Recht?«

Alle drei drehten sich erschrocken um und sahen eingeschüchtert in das Gesicht des Herrn.

»Ich bin Aaron Kirchheimer«, sagte er freundlich und gab jedem Mädchen höflich die Hand. »Aber sie sind hier im Deutschen Reich leider gar nicht zu erwerben.«

»Ach ja? Die werden alle nach Übersee geliefert?«, fragte jetzt Alma erstaunt.

»Ja«, erwiderte Herr Kirchheimer. »Die sind fast ausschließlich für Amerika bestimmt. Nur ganz vereinzelt werden sie nach Italien und Frankreich ausgeliefert.«

Cilly fand nun auch ihre Sprache wieder. »Nun, ich würde gern wissen, wie diese Taschen hergestellt werden. Und ob ich diese schönen Dinge vielleicht auch herstellen kann.«

Alle Blicke waren auf Cilly gerichtet. Warum musste sie aber auch immer so vorwitzig sein, hätte sie doch besser den Mund gehalten. Wer wusste schon, wie dieser fremde Mann reagieren würde auf so vorlaute Mädchen. Aber Herr Kirchheimer lächelte sie erfreut an und sagte dann: »Bitteschön, nehmen Sie ruhig so eine Tasche mal auf. Schauen Sie sie sich richtig an. Ich denke, sie wird in Ihren zierlichen Händen nicht gleich kaputt gehen. Vielleicht finden Sie ja heraus, wie die Taschen hergestellt werden.«

Cilly nahm vorsichtig eine Tasche mit einem Blumenmuster in die Hand und betrachtete sie aufmerksam. Die gesamte Tasche sah aus, als wären kleine Glasperlen in verschiedenen Farben dicht an dicht auf einen Stoff aufgebracht worden. Aber wie gelangten diese Perlen auf den Stoff? Cilly konnte es nicht genau erkennen. Am unteren Ende waren Perlenschlaufen eingearbeitet. Oben war die Tasche mit einem verzierten Silberbügel mit Druckverschluss und einer feinen Gliederkette versehen. Das Innere war mit feinem Handschuhleder ausgekleidet, wie ihnen jetzt Herr Kirchheimer erklärte. Während Alma sich diese hübschen Schmuckstücke auf dem Tisch ansah, schaute sich Sophie die anderen Taschen und Beutel an, die an den Wänden des Messestandes hingen. Die Taschen waren alle mit einem Silberbügel versehen, während die Beutel mit einer Zugkordel zum Tragen verarbeitet waren. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie sie der nette Herr mit den ausdrucksvollen Augen lächelnd ansah. Sophie schlug verlegen die Augen nieder.

»Herr Kirchheimer, ich weiß zwar nicht, wie sie gemacht werden. Aber ich möchte gern auch so etwas Schönes herstellen«, sagte Cilly voller Begeisterung und strich immer noch vorsichtig über das feine Lederfutter der Tasche.

Großartig, Fräulein … ähm, wie ist noch Ihr Name?«

»Ich heiße Cäcilie Linnemann und komme aus Göppingen.«

»Ja, das ist ja noch großartiger! Diese Taschen werden doch in und um Göppingen hergestellt. Praktisch, nicht wahr? Und wenn Sie sich für diese Arbeit interessieren, dann würde ich Ihnen hier die Adresse von Herrn Häcker aufschreiben. Dann sprechen Sie dort einfach vor.«

Cilly schaute ihn ganz verwundert an.

»Wissen Sie, ich arbeite für die Firma Häcker, allerdings befindet sich mein Arbeitsplatz größtenteils in Amerika. Herr Häcker hat zum Anlass dieser Messe hier in Stuttgart die Möglichkeit genutzt, mit seinen Geschäftspartnern aus Amerika zusammenzukommen. Nun sind die Herren allerdings alle gestern schon wieder abgereist. Aber wenn Sie morgen in die Firma gehen, werden Sie bestimmt Gelegenheit haben, Herrn Häcker dort zu fragen. Soweit ich weiß, sucht er immer wieder Arbeiterinnen, die mit Begeisterung, Fähigkeit und Biss diese zarten Arbeiten ausüben können. Und das können Sie, da bin ich mir sicher.« Er schrieb eine Adresse auf eine Seite seines Notizblocks, riss sie heraus und reichte sie Cilly. »Ich werde heute Abend noch einmal mit Herrn Häcker telefonieren und ihm von Ihrem Besuch morgen erzählen. Dann weiß er schon mal Bescheid. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Fräulein Linnemann.« Dann wandte er sich Alma und schließlich Sophie zu, um sie zu verabschieden. Sophies Hand hielt er einen kleinen Augenblick länger als es üblich war und sprach: »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennengelernt zu haben.« Dabei sah er ihr tief in die Augen. Sophie hatte erst am Ausgang der Messe den Mut, noch einmal zurück zu schauen. Tatsächlich, Aaron Kirchheimer schaute ihnen hinterher und winkte jetzt sehr charmant. Schüchtern tat es Sophie ihm gleich.

1 Früchtebrot

2

»Herr Häcker hat schrecklich viel zu tun, ich kann Sie unmöglich vorlassen«, sagte die Dame im Empfangszimmer des Direktors, eine Frau mittleren Alters, die grauen Haare zu einem Dutt gebunden, und sah Cilly streng an.

»Aber Herr Kirchheimer schickt mich! Ich möchte mich hier vorstellen!«, erwiderte Cilly beherzt.

»Ach, Sie sind das junge Mädchen, das sich in Stuttgart im Kronprinzenpalais so für die Taschen interessiert hat. Wie war noch Ihr Name?«, donnerte die Stimme von Herrn Häcker aus dem Nebenzimmer. Ein stämmiger Mann mit gewaltigem Schnurrbart im Gesicht stand in der offenen Tür und musterte Cilly. Das Mädchen nannte seinen Namen, streckte Herrn Häcker die Hand entgegen und gab ihm den Zettel, den sie von Herrn Kirchheimer in Stuttgart bekommen hatte. »Hochachtungsvoll, Aaron Kirchheimer« stand am unteren Rand der Seite, und das sah Cilly als einen kleinen Eintrittsbonus an.

»Kommen Sie mal mit«, rief Herr Häcker ernst und machte eine Geste, die keinen Widerspruch erlaubte. In seinem Büro ergriff er wieder das Wort: »So, Sie möchten also für die Firma Häcker arbeiten, Fräulein … äh, Fräulein Linnemann!?«

Cilly fühlte sich nun ganz klein, als sie in diesem mächtigen Ledersessel saß, der dem Schreibtisch von Herrn Häcker gegenüberstand.

»Erzählen Sie mir doch mal, Fräulein Linnemann, wie Sie darauf gekommen sind, sich in Stuttgart unsere Auslagen anzuschauen. Und warum Sie glauben, für uns arbeiten zu können.«

Und so erzählte Cilly ihm, wie bisher alles gekommen war, dass sie nun in sein Büro marschiert war. Sie berichtete vom Tod ihres Vaters, von der Verzweiflung ihrer Mutter, von der Erzählung der Freundin und der Begeisterung in Stuttgart. Herr Häcker hörte sich alles aufmerksam an, während er sich eine Zigarre aus einer Metallhülle zog, diese an seine Nase führte und daran roch. Als Cilly zu Ende erzählt hatte, strich er in aller Ruhe ein Zündholz an der rauen Fläche des Zündholzhalters links des mächtigen Schreibtisches an und hielt sich die aufzüngelnde Flamme an seine Zigarre. Dann inhalierte er den Tabakrauch und blies ihn genüsslich wieder aus.

»Fräulein Linnemann. Erst einmal möchte ich Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen. Zum anderen bin ich sehr froh, dass Sie zu mir gekommen sind. Denn solche beherzten Mädels, wie Sie eines sind, konnte ich schon immer gut leiden. Frau Krieger!«, rief er hinaus. »Nehmen Sie bitte Fräulein Linnemann mit in die Fertigung und zeigen Sie ihr alles. Wenn Sie dann wieder zurückkommen, schicken wir sie zu Frau …, na, wie heißt noch mal die gute Frau in der Heerstraße, die so flink arbeitet?«

»Sie meinen Frau Glaser, Herr Direktor«, erwiderte Frau Krieger ergeben.

»Genau!«, rief er und streifte vorsichtig die graue Asche von seiner Zigarre über dem großen Bronze-Aschenbecher in Form eines Vogels herunter. »Dort soll sich Fräulein Linnemann schon mal das Perlstricken anschauen. Und wenn Sie dann immer noch für mich arbeiten wollen«, wandte er sich wieder an Cilly, »dann kommen Sie am nächsten Sonntag ins Hotel Schwanen. Dort findet wieder eine Schulung statt, wo wir herausfinden wollen, ob sich jemand für diese Tätigkeit eignet. Dann sehen wir weiter. So, und nun müssen Sie mich aber entschuldigen, Fräulein Linnemann.« Er verabschiedete sich höflich und ließ Cilly mit Frau Krieger allein.

»Na, dann lassen Sie uns mal gehen. Ich habe heute noch ein paar andere Dinge auf dem Schreibtisch«, sagte Frau Krieger mürrisch, zog sich eine Strickjacke über die weiße Bluse und ging mit Cilly in die Fertigungshalle.

Ganz in Gedanken lief Cilly später über den Markt, und wieder stand der alte Mann mit seinem Leierkasten an der Seite des Rathauses. Wie traurig Cilly ihm noch vor ein paar Tagen hier zugehört hatte. Wie hoffnungslos ihr zumute gewesen war. Und heute? Heute war sie ganz anderer Stimmung. Die Fertigung der Taschen in einer mit ratternden Maschinen vollgestellten Halle fand Cilly sehr beeindruckend. Sie hatte sich immer wieder über die wunderschönen Teile gebeugt, um sie zu bewundern. Jetzt fieberte sie dem nächsten Sonntag entgegen. Sie wollte unbedingt mehr über die Fertigung erfahren. Aber vorher musste sie noch zu dieser Frau Glaser in der Heerstraße, von der Herr Häcker gesprochen hatte. Cilly sah auf die große Uhr am Rathausturm und erschrak. Es war ja schon zwei Uhr! Sollte sie noch einmal nach Hause laufen, um nach dem Rechten zu sehen? Die letzten Tage war Mutter besserer Stimmung und hatte sich auch um die Hausarbeit gekümmert. Was, wenn heute nicht … Sie musste es darauf ankommen lassen, wenn sie vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück sein wollte. Die Heerstraße lag außerhalb des eigentlichen Stadtkerns in Richtung Eislingen. Sie lief schlussendlich fast eine halbe Stunde bis zum Wohnhaus von Frau Glaser. Es war eines von mehreren grauen Mehrfamilienhäusern, aus denen Kindergeplärr zu hören und Küchengerüche wahrzunehmen waren. Beherzt trat sie an das Haus heran und schaute gerade auf die vielen Namensschilder, als sich die Tür öffnete und eine junge Frau heraustrat.

»Ich suche Frau Glaser«, sagte Cilly schnell.

»Die wohnt im ersten Stock rechts. Gehen Sie nur hinauf«, antwortete ihr die junge Frau und hielt Cilly die Tür auf, bevor sie ihren Weg fortsetzte. Cilly stieg die knarzende hölzerne Treppe hinauf und klopfte an der Tür, bis diese durch ein kleines Mädchen in Kittelschürze geöffnet wurde.

»Ist deine Mama zu Hause?«, fragte Cilly freundlich und beugte sich zu der Kleinen hinunter. In diesem Augenblick wurde die Tür weiter geöffnet und eine sympathisch wirkende Frau ließ Cilly eintreten.

»Guten Tag, ich heiße Cäcilie Linnemann. Herr Häcker schickt mich, ich soll mir von Ihnen zeigen lassen, wie Sie die Glasperlentaschen herstellen«, stellte sich Cilly vor.

»Ach, ich bin ja nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Insgesamt ist das ein längerer Weg, bis daraus eine fertige Tasche wird«, erwiderte Frau Glaser fröhlich. »Kommen Sie doch erst mal herein. Ich zeige Ihnen gerne meine Arbeit.«