Die Philosophie in Star Trek - Olivia Vieweg - E-Book

Die Philosophie in Star Trek E-Book

Olivia Vieweg

4,5

Beschreibung

In kurzen Essays werden philosophische Fragen behandelt, die in der Star Trek Originalserie thematisiert werden. Ist Spocks Ansicht, dass das Wohl vieler schwerer wiegt, als das Wohl eines einzelnen, der richtige (logische) Weg? Anhand verschiedener Episoden der Originalserie werden Themengebiete bearbeitet, wie die Balance zwischen "Gut und Böse" , ob der Mensch tatsächlich immer im Zentrum stehen muss, ob die "neuen Wege in der Kriegsführung" wirklich ein echter Fortschritt sind oder McCoys Angst vor dem Beamen.

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Wozu brauchtGott ein Raumschiff?

Die Philosophiein StarTrek

Essays: Klaus ViewegIllustrationen: Olivia Vieweg

Impressum: WOZU BRAUCHT GOTT EIN RAUMSCHIFF? – DIE PHILOSOPHIE IN STAR TREKwird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.Verleger: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Autor: Klaus Vieweg; Illustrationen: Olivia Vieweg;verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Andrea Bottlinger und Gisela Schell;Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Olivia Vieweg;

© 2016 by Amigo Grafik GbR. All rights reserved.

ISBN 978-3-86425-865-7 (Mai 2016)

eISBN 9783959812719

WWW.CROSS-CULT.DE

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

Einleitung

I. »Ich habe einen Traum« – Die Idee des Universalismus oder Kosmopolitismus

II. »Ich werde künftig das ganze Universum regieren!« Freiheit contra Tyrannei, Despotie und Diktatur

III. Alle für einen, einer für alle – Musketiere in der Galaxis

IV. Das Sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen – Die Nachhaltigkeit und das Tier

V. »Mord rufen und des Krieges Hund’ entfesseln« – Die Überwindung des Teufelskreises der Rache

VI. »Erfolg und Glück sind auf der Seite der Narren« – Über das Lachen

VII. Pinocchios Nase und Jakob der Lügner

VIII. The Apple – Die Freiheit des Willens oder das verlorene Paradies

IX. Die Logik ist der Anfang aller Weisheit, nicht deren Ende – Spocks vulkanische Philosophie

Glossar

Personenverzeichnis

Ausgewählte Literatur

Fußnoten

Vorbemerkungen

Das Leben ist wie ein Garten. Perfekte Momente können erlebt, aber nicht bewahrt werden, außer in der Erinnerung.

– Leonard Nimoy (23.2.2015)

Die Star Trek-Originalserie aus Hollywoods Filmküche wird in diesem Jahr 2016 50 Jahre alt, sie ist aber in keiner Weise altbacken geworden. Sie gehört keinesfalls in die Rumpelkammer des Films, im Gegenteil: Ihre Storys und die behandelten Themen sind brandaktuell.

Die Autoren dieses Buches kennen und lieben besonders diese ursprüngliche Serie und hatten schon lange die Absicht, Essays und Illustrationen über den philosophischen Gehalt der Geschichten um Kirk, Mr. Spock und Co. der Öffentlichkeit vorzustellen.

Viele der Kerngedanken des Essays sind aus einer speziellen Perspektive entwickelt, nämlich im Anschluss an den Denkkosmos des berühmten deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (geboren 1770 in Stuttgart, gestorben 1831 in Berlin) und in direkter Anknüpfung an zwei Monografien aus der Feder von Klaus Vieweg: Skepsis und Freiheit (2007) und Das Denken der Freiheit (2012). Hegels Gedanken bieten ein geeignetes Navigationsgerät für die Reise in die philosophische Galaxis des Enterprise-Projekts, das Gene Roddenberry bekanntlich als anschauliche Vermittlung seiner philosophischen Weltsicht verstanden hat. Hegel beschrieb sein am Polarstern der Vernunft orientiertes Philosophieren als Entdeckungsreise ins Wissen, seine Logik zeigt erstaunliche Ähnlichkeiten mit der Logik unseres hochgeschätzten Mr. Spock, des Meisterdenkers der Enterprise.

Die Illustrationen stammen von Olivia Vieweg, sie hat schon mehrere Graphic Novels veröffentlicht (u. a. Huck Finn, Antoinette, Endzeit und Schwere See, mein Herz).

Natürlich sind einige Passagen der Essays nicht leicht zu lesen und verlangen wahrscheinlich wiederholte Lektüre und mitunter mühsame Denkbemühungen. Bitte nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, bitte nicht sofort resignieren! Philosophie ist keine leichte oder lockere Sache, sondern eine schwierige und strenge Wissenschaft. Hier kann es keine unzulässigen Trivialitäten oder billige Vereinfachungen geben. Wenn heute Unternehmen, Fußballclubs oder Feuerwehrvereine von »ihrer Philosophie« sprechen, schafft dies gewaltige Missverständnisse, denn Philosophie ist wie die moderne Physik oder die Biologie des 21. Jahrhunderts eine hochprofessionelle Wissenschaft und kein esoterisches Geschwafel, kein leeres Geschwätz am Lagerfeuer. Plattheiten und Banalitäten sind hier fehl am Platz. Aber die Essays versuchen, die Bezüge zu den philosophischen Themen innerhalb der Episoden stets anschaulich und verständlich herzustellen, wenn auch jenseits billiger Trivialisierungen und unzulässiger Vereinfachungen. Auch die Reisen auf der Enterprise waren keine leichtfüßigen Wanderungen, keine Spaziergänge im Weltall, sondern ein höchst anstrengendes und dem Wissen verpflichtetes Unternehmen, mühsam, riskant und ohne Garantie auf ein Gelingen. Auch werden wichtige philosophische Begriffe durch ein im Anhang des Buches zu findendes Glossar kurz und prägnant erklärt, ebenfalls ist ein kleines Personenverzeichnis angefügt.

Dank für die Unterstützung des Buchprojekts geht an den Cross Cult Verlag, an Barbara Vieweg, Michael Möller, Suzanne Dürr und Johannes Korngiebel für die gründliche Lektüre, für Anregungen und Hinweise zum Text sowie an den Physikexperten und Star Trek-Fan Axel Szameit (Jena) für die wichtigen Tipps.

Auf zu den nächsten 50 Jahren Reisen mit dem Raumschiff Enterprise!

Chekov: »Welcher Kurs, Captain?«

Kirk: »Der zweite Stern von rechts, bis zum Morgengrauen. Direkter Kurs.«

Einleitung

Der Denkraum, unendliche Weiten.

Wir schreiben das Jahr 2016. Genau 50 Jahre nach dem Start des Raumschiffs Enterprise versucht ein Denkschiff namens Philosophie, die Sichtweisen und Gedankenwelten der ersten Star Trek-Besatzung um Kirk und Spock zu ergründen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Philosophie in geistige Galaxien vor, die noch nie ein Mensch betreten hat.

Der mit dem Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry befreundete und durch seinen Roman Fahrenheit 451 weltbekannt gewordene Ray Bradbury sah in der Science-Fiction einen der letzten Zufluchtsorte für die Philosophie. Roddenberry, der schon als Kind Jonathan Swifts berühmte Geschichte von Gullivers Reisen kannte, hatte in einem seiner ersten Skripte für Star Trek dem Captain den Namen Gulliver gegeben. Die abenteuerlichen Fahrten des Gulliver zu unbekannten Ländern und anderen Lebensformen bildeten eine echte Fundgrube für die Star Trek-Episoden. Gulliver wird in die seltsamsten und merkwürdigsten Regionen der Welt verschlagen, in die Reiche von Zwergen und Riesen, auf Inseln der Zauberer, in abscheuliche Diktaturen und gar in ein Reich der Pferde. Während seiner spannenden wie gefahrvollen Expeditionen, die mit beißender Ironie und Satire ein kritisches Bild seiner eigenen Gesellschaft zeichnen, trifft Gulliver auf Wesen, die sinnlose Kriege führen, die Häuser von den Dächern her bauen und aus Gurken Sonnenlicht pressen wollen. Im Land der Zauberer kann er sich mit Alexander dem Großen, Hannibal und Julius Cäsar wie auch mit den Philosophen Aristoteles und Descartes unterhalten. Er lernt brutale Despotien und friedlich-harmonische Ordnungen, ja sogar unsterbliche Menschen kennen. Und vor allem: Er findet mehr Verständnis bei Andersgläubigen als bei seinen Christenbrüdern. Nachdem Gulliver dem König der Riesen seine eigene Gesellschaft und Zeit beschrieben hatte, fällt der König folgendes vernichtendes Urteil: Ein Großteil dieser Eingeborenen sind Angehörige »dieser verderblichsten Rasse, die die Natur je auf der Oberfläche der Erde erleiden musste«.

Roddenberry beabsichtigte, mit Star Trek dasselbe »tun zu können wie Jonathan Swift mit Gullivers Reisen. Zu seiner Zeit konnte man wegen religiöser oder politischer Bemerkungen unters Beil kommen«. Trotz der massiven Zensur durch die Fernsehstudios wollte Roddenberry mit seiner Weltraum-Saga der eigenen Gesellschaft den nicht immer Erfreuliches zeigenden Spiegel vorhalten. Wie Swift wollte er das politische System satirisch darstellen und an den Zensoren »vorbeischmuggeln«, als ob kleine lila Leute von einem entlegenen Planeten die Figuren der Serie sein würden. So konnten die kritischen Gedanken »an den Zensoren vorbeigeschleust« werden. Im Sinne von Gullivers Reisen sollte »spektakuläre Unterhaltung mit bedeutungsvollem Drama und etwas Substanziellem kombiniert« werden.1Star Trek als Gullivers Reisen zu den Sternen. Faszinierend! Das waren die Sterne von je her. Eine Schiffsreise zu den Sternen gehört wohl zu den Träumen vieler Erdbewohner.

Nichts will ich als ein schlankes Schiff

Und den weisenden Stern in der Höh’

Kannst Du den Wind in deinem Rücken spüren, und die Wellen unter Dir?

Zweimal rezitiert Captain Kirk diese Zeilen aus dem Gedicht von John Masefield. Roddenberry verstand die Reise wohl auch als »wagon train to the stars«, als Planwagenzug der Siedler in den amerikanischen Westen. Das aus dem Mittelniederdeutsch stammende Wort Trek bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die mit ihren Wagen gemeinsam aus ihrer Heimat in Richtung des »unentdeckten Landes« weggehen oder wegziehen. Doch ist im Sternen-Trek der Bezug zur Seefahrt dominierend, in der Tradition von Homers Odyssee, von Gullivers Seereisen oder Hermann Melvilles Moby Dick. Als Teil einer Flotte ist ein Schiff im Weltenraum unterwegs, mit Kapitän, Erstem Offizier und dem für den Kompass zuständigen Navigator und Erstem Steuermann auf der Brücke des Weltenseglers, dem Schiffsmaschinisten im Maschinenraum, dem Schiffsarzt an Bord und auch für die Schiffskanonen gibt es einen Verantwortlichen. In der Episode Brot und Spiele sagt Kirk, dass »unser Schiff draußen auf See liegt«.

Gene Roddenberry verstand sein großartiges Filmprojekt als seine »soziale Philosophie, sein philosophisches Verständnis des Lebens und der humanen Bedingungen des Menschseins, der conditio humana. Das Filmstudio NBC hatte die Pilotfolge deshalb als »zu intellektuell« abgelehnt. »Es ist wirklich ein gutes Projekt.« Aber, so fügte George Takei, der Darsteller des Sulu, hinzu: »Das Fernsehen respektiert Qualität nicht, echte Qualität ist wie ein Todesstoß.«2 Doch Roddenberry verfolgte zielstrebig und hartnäckig sein Vorhaben, das von »einer optimistischen, entschieden positiven Vision der menschlichen Zukunft« geprägt war. Er hoffte »allein mit seinem Idealismus das Fernsehen zu verbessern«, somit nach den Sternen zu greifen – »Purer Idealismus!«3

Roddenberry ging davon aus, dass seine philosophischen Ansichten über das Medium des Films viel mehr Menschen erreichen würde als die konventionelle Philosophie und er behielt recht! Besonders seine Ideen des Respekts für all die vielfältigen Kulturen und Lebensformen, die Ablehnung jeder Art von Diskriminierung, Sklaverei, Rassismus und anderer Unterdrückung, sein Votum für die Überwindung von Krieg und Armut, seine Positionen gegen tyrannisch-totalitäre politische Ordnungen, gegen Dogmatismus, gegen allen Glauben an Übernatürliches oder Wunder, seine Hochschätzung des Einsatzes der Wissenschaft für friedliche Zwecke – um nur einige der wichtigen Ideen zu nennen – prägen die Gedankenwelt der Helden von der Enterprise.4 Laut George Takei verstand Roddenberry die Enterprise als »eine Art Raumschiff Erde« – »die Abenteuer von Erforschung und Entdeckung sind in die Milchstraße hineinprojiziert, es geht darum, nicht nur die Treffen und Konfrontationen mit fremden Wesen und Zivilisationen zu bestehen, sondern besonders die Auseinandersetzung mit uns selbst.«5 So können die Reisen des Raumschiffes auch als Entdeckungsfahrt in das Universum der Philosophie gesehen werden. Einige wenige Teile dieses Denkraumes sollen hier etwas näher erschlossen und kartografiert werden – ein hoffentlich spannendes, doch auch gefährliches und mühsames Abenteuer. Oder, um in der Seefahrersprache zu bleiben: Es gilt viele Klippen zu umschiffen, vielen Untiefen auszuweichen, viele neue Routen zu finden, es drohen tropische Stürme, es lauern einige Eisberge, von denen man nur die Spitze sehen kann, manches bleibt unentdeckt und dunkel, aber hoffentlich kann der Leser öfters »Land in Sicht!« rufen.

Das Sternenmeer

Noch heute besitzen die Sterne eine besondere Faszination, auf dem Walk of Fame in Hollywood sind die Hauptdarsteller der Enterprise-Crew mit einem Stern verewigt. Jules Verne beschrieb eine Reise zum Mond, berühmt wurde der Film 2001 – Odyssee im Weltraum. Die Raumfahrt begann mit Sputnik 1, und die erste bemannte Weltraummission unternahm Juri Gagarin in Wostok 1. Apollo 11 erreichte den Mond und Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Erdtrabanten, ein kleiner Schritt für den Menschen, ein großer für die Menschheit. Kreative und erfolgreiche Erdenbürger gelten als »Stars«, herausragende Schöpfungen oder Ereignisse in der Geschichte als »Sternstunden«. Je mehr Sterne ein Koch oder Hotel hat, desto besser soll es sein, eine bekannte deutsche Automarke hat einen Stern auf dem Kühler, eine weltweit vertretene Kaffeehauskette aus Seattle hat das Wort Star im Namen, ebenso eine deutsche Wochenzeitung. Aber auch gegen die überzogenen Schwärmereien, etwa gegen den astrologischen Aberglauben mit seinen Sternbilderfantasien und Horoskopen und gegen eine Herstellung von Beziehungen zwischen den Sternen und menschlicher Schicksale waren Roddenberrys Gedanken hilfreich. Aufklärung wird ins Englische ja mit dem Bezug zum Licht der Sterne übersetzt – enlightenment –, eine Sache angemessen beleuchten, Licht ins Dunkel des Nichtwissens bringen, Verständnis schaffen, sich des eigenen Verstandes bedienen. Mit einem Songtitel der Beatles: Here comes the sun.

Die Ägypter verehrten Ra, ihren Gott der Sonne, wie auch die Inkas mit Inti die Sonne als oberste Herrscherin, der erste Inka galt als Sohn der Sonne. Die Azteken bezeichneten die von einem früheren Volk errichtete riesige Pyramide von Teotihuacan als Sonnenpyramide. Die Astronomie entstand als eine der ersten Wissenschaften – »Die Weltbetrachtung begann mit der Sterndeutung« (Kant). Für die alten Griechen war das All der Welt, der Kosmos keineswegs ein chaotischer Haufen, sondern ein geordnetes, harmonisches System von Himmelskörpern. Es galt als das Urbild einer vernünftigen Ordnung, mit deren Gesetzen sich die Kosmologie beschäftigte, ein Teil der Philosophie – der »Logos« war dieses Vernünftige, das Regierende des Universums, wie die Römer diesen Kosmos nannten.

Fasziniert vom Anblick der Sterne soll der erste europäische Philosoph Thales in einen Graben gestürzt sein. Für die großen griechischen Denker wie Heraklit, Platon, Aristoteles und für die späteren Stoiker war das Himmelszelt ein Muster der nach dem Logos, nach vernünftigen Gesetzen, geordneten Natur. Auch stammen weitere Bestandteile unserer Terminologie von den Griechen und Römern: Stern auf Griechisch aster oder astron (da steckt neben Stern auch Star darin), auf lateinisch stella. So sprechen wir etwa vom interstellaren Raum oder von stella mirabilis als einem Stern erster Güte. Zum Verhältnis der Bewegung der Sonne und der Erde gab es unterschiedliche Auffassungen, Aristarchos von Samos vertrat bereits im dritten vorchristlichen Jahrhundert das heliozentrische Prinzip, mit der Sonne im Mittelpunkt, Ptolemäus hingegen das geozentrische, worin die Erde ruhend in der Mitte steht und die Sonne sich um sie dreht. Auch in der frühen Neuzeit trug die Astronomie zu einer Umstürzung des Weltbildes bei. Durch Kopernikus und Galilei wurde die mittelalterlich-geozentrische Sicht widerlegt. Der deutsche Philosoph und Görlitzer Handschuhmacher Jakob Böhme wollte im 17. Jahrhundert ein Curriculum der Sterne verfassen, Johannes Kepler sah im kopernikanisch verstandenen Sonnensystem ein vernünftig-harmonisches Ganzes.

Von Immanuel Kant, der in der Philosophie eine kopernikanische Wende vollzog, gibt es dann eine klassische und vielzitierte Bemerkung über die Sterne: »Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.«6 Den Kosmos sah er als das »Unabsehlich-Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in grenzenlosen Zeiten ihrer periodischen Bewegung«.

In gewisser Distanz zu dieser teilweise etwas überschwänglichen, schwärmerischen Sicht auf den »bestirnten Himmel« reagierte Hegel mit Spockscher Logik und Nüchternheit, obwohl Hegel 1801 an der Universität Jena mit einer Schrift über die Planetenbahnen habilitiert hatte und auf dem Gebiet der Astronomie und ihrer Geschichte bewandert war. Folgende köstliche Anekdote hat Heinrich Heine überliefert, die auch ein Berliner Stadtgespräch wiedergibt: »Eines schönen hellgestirnten Abends standen wir [Heine und Hegel] beide nebeneinander am Fenster und ich sprach mit Schwärmerei von den Sternen, und nannte sie den Aufenthalt der Seligen. Der Meister aber brümmelte vor sich hin: Die Sterne, hum! hum! Die Sterne sind nur ein leuchtender Aussatz am Himmel. Um Gottes willen, rief ich – es gibt also droben kein glückliches Lokal, um dort die Tugend nach dem Tode zu belohnen? Jener aber […] sagte schneidend: Sie wollen also noch ein Trinkgeld dafür haben, dass Sie Ihre kranke Mutter gepflegt und Ihren Herrn Bruder nicht vergiftet haben?«7

Man erzähle in der Stadt herum, so Hegel in einer Vorlesung, dass er die Sterne mit einem Ausschlag am organischen Körper verglichen habe, im Blick auf die unendlich vielen roten Punkte. Nun galten die Sterne schon früher als die am Himmelszelt ausgestreuten, ausgesetzten, die von der Sonne abgefallenen Punkte. Die Ausfüllung des Raumes mit unendlichen vielen Materien und Körpern beschreibt Hegel mit dem Bild vom Ausschlagen, das nicht medizinisch gemeint ist! Ähnlich der Rede, dass es uns dorthin und woandershin verschlagen hat. Er gebraucht dies im Sinne von Ausstrahlen, wie wenn Licht herausstrahlt, die heutige Astrophysik verwendet für ein erstes solches »Ausschlagen« von Materien die Metaphorik des Urknalls, und kaum einer nimmt daran Anstoß. Die Sterne sind dann eine Art resultierende Kristallisationspunkte, ihr Aufbau, ihre Bewegung, ihre Konstellation eine Sphäre der unendlichen Vielfalt, worauf die Zufälligkeit wesentlichen Einfluss hat.

Und im Geiste von Mr. Spock verweist der Philosoph darauf, dass es einen Unterschied macht, ob man die Welt oder den Kosmos vom philosophischen Standpunkt aus betrachtet oder vom Standpunkt des menschlichen Gefühls und der Empfindung: Unermessliche Räume und unvorstellbare Sternzeiten beeindrucken die Vernunft nicht, sind für sie nicht bewunderungswürdig, für unser Gefühl ist dies anders. Hingegen interessieren die Vernunft sehr wohl die Figurationen und Konstellationen der Sterne, in denen sie zueinander in Beziehung stehen. Unserem Wissen geht es um eine Art »Geometrie und Kartografie der Sterne« – etwa vom Sonnensystem als ein erstes System von Vernünftigkeit in der Natur, vom Kosmos als das umfassende Ganze.

Der Astronom Johannes Kepler hat sich mit der Entdeckung der Gesetze der Himmelskörperbewegungen, mit seinem Verständnis des Kosmos als Harmonie beweglicher Sphären unsterblichen Ruhm erworben. Und nach Kepler wurde 2015 ein von der NASA entdeckter erdähnlicher Planet benannt, ein »älterer Cousin der Erde«, der in 385 Tagen um seine Sonne kreist, die unserer ebenfalls ähnlich ist. Dort könnte sich durchaus Leben entwickelt haben, und am Verstehen von Leben hatten ja Hegel und die Enterprise-Mission besonderes Interesse. Nur liegt Kepler-452b im 1400 Lichtjahre entfernten Sternbild Cygnus, und ein heutiges Raumschiff würde dahin schlappe 22 Millionen Jahre benötigen. Mit der Enterprise und Warp 9 wäre man natürlich erheblich schneller. Zweitens ging es in der Hegelschen Anekdote nur um einen Vergleich der unlebendigen Natur, für welche die Sterne standen, mit einem Meerestropfen, der selbst ein »lebendiger Erdball« sei. Drittens wollte Hegel die Schwärmerei und die religiöse »Aufladung« des Himmels ironisieren – Ort der Seligen? Die Reisen der Enterprise dienten der Erforschung des »bestirnten Himmels« und führten oft an ganz andere Plätze, die von Seligkeit oder dem Himmlischen weit entfernt scheinen. Kosmos, dies ist nicht einfach nur die Welt da draußen von den Quasaren und Superhaufen über die Galaxien und Planeten, sondern eine zu erforschende Welt-Ordnung.

Von einem Ende des Weltalls ans andere

In seinem Hinweis auf das Orientieren am Stern der Vernunft verbindet Hegel ähnlich wie in der Weltraumsaga die Bilder aus der Seefahrt mit denen aus dem Weltraum: Beim Philosophieren handelt es sich um einen Aufbruch »in einen uferlosen Ozean, alle Stützpunkte sind verschwunden, alle sonstigen freundlichen Lichter ausgelöscht. Nur der eine Stern, der innere Stern des Geistes leuchtet; er ist der Polarstern«.8 Im Meer wie im Weltall gibt es keine Leuchttürme, wir bewegen uns in einem Medium des Unbekannten und des Risikos, entdecken das bislang nicht Gekannte, ähnlich der Irrfahrten des altgriechischen Helden Odysseus oder der frühen Völker von Seefahrern. Bei einer solchen Reise ins Wissen »weiß man noch nicht, worauf es hinauswolle, wohin man komme«. Der Geist fürchtet aber nicht, etwas zu verlieren, sondern hofft, Wissen zu gewinnen, ganz im Sinne der Enterprise-Mission.

Die menschliche Intelligenz, der menschliche Geist konstituiert neuartige innere Welten, einen Kosmos des Entstehens und Vergehens von Möglichkeiten, unzählige innere »Welt-Bilder«. Die Intelligenz gilt als unerschöpfliche Einbildungs- oder Bildgebungskraft, als der unermüdlich-geschäftige innerliche Bildschöpfer oder »Bild-Hauer«, und unsere Fantasie als ein freies Spiel mit Möglichkeiten, als die Schatzkammer des Kreativen. Laut dem schottischen Philosophen David Hume gibt es nichts Bewunderungswürdigeres als die Bereitschaft, mit der diese Einbildungskraft ihre Vorstellungen herbeiholt. Die Fantasie »eilt von einem Ende des Weltalls zum anderen, um die Vorstellungen zusammen zu holen, die zu einem Gegenstand gehören«.9 Es geht darum, den Denkraum zu bereisen und zu erforschen, der umfassender als der Weltraum sein kann, da unsere Fantasie eben noch viele andere, fiktive Welten zu schaffen vermag. Dies geschieht immer gemäß dem Motto der Sternenflottenakademie, der Ausbildungsstätte unserer Enterprise-Crew: From The Stars, Knowledge – Wissen von den Sternen.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel bezeichnete seine in Jena geschriebene Phänomenologie des Geistes als seine Entdeckungsreise in das Universum des Wissens, als einen Versuch den »ganzen Umkreis des menschlichen Wissens zu bereisen«. Der unumstrittene logische Star der Enterprise, der spitzohrige Mr. Spock, war auch ein philosophisches Schlitzohr. Hegel wäre von ihm fasziniert gewesen – »Logik ist der Anfang der Weisheit, nicht deren Ende« – dem hätte der deutsche Philosoph ohne jede Einschränkung zugestimmt: Die Logik bildet den Anfang und das Fundament seines Denkgebäudes. Hegel hätte über Spock mitunter auch geschmunzelt, über den Vulkanier und Halbmenschen als einen Mann der Logik und Vernunft, der in entscheidenden Momenten auch Gefühle wie etwa Freundschaft zeigt und oft im Hochziehen der rechten Augenbraue Lachen äußert. Spock auf der anderen Seite hat – wie man hört – insgeheim den großen Logiker Hegel bewundert und wollte in seinen späteren Lebensjahren ein vulkanisch-eruptives Buch über Hegels Logik schreiben …

Unsere kleine Odyssee im Denkraum auf einem Hegelschen Schiff wird nach dem Start von der Raumstation Jena-Weimar-Seattle – dort sind die Idee und das vorliegende Buch entstanden – einige wenige Quadranten dieses Universums in der irdischen Sternzeit 2015–2016 durchfahren, dabei die entfesselten Hund’ des Krieges bellen hören; die Lügen-Nase Pinocchios wachsen sehen; das kalte Gericht der Rache servieren; im verlorenen Paradies wandeln; Freiheit in Diktaturen verlangen; an dem Ast, auf dem wir sitzen, sägen; mit den Musketieren des Weltalls »Einer für alle und alle für einen« rufen und zusammen mit Don Quijote und William von Baskerville auf die Suche nach dem Lachen gehen – machen wir uns auf den Weg! Mit den Worten von Friedrich Nietzsche: »Es gibt noch eine andere Welt zu entdecken – und mehr als eine! Auf die Schiffe, ihr Philosophen!«

Scotty, Energie!

Olivia und Klaus Vieweg Weimar und Jena im Dezember 2015

»Ich habe einen Traum«

Die Idee des Universalismus oder Kosmopolitismus

Laut George Takei, Darsteller des Sulu, war Gene Roddenberry, davon überzeugt, dass »jedes menschliche Wesen etwas Besonderes besitzt, das mit der Einzigartigkeit der Anderen wunderbare Ergebnisse erzielen kann«.10 Der 1968 von einem rassistischen Fanatiker ermordete Bürgerrechtler Martin Luther King, der gegen Rassendiskriminierung und für die Bürgerrechte kämpfte, formulierte seine Gedanken besonders eindrucksvoll in seiner berühmten Rede I had a dream. Etwas von diesem Traum konnte er bereits in der Star Trek-Serie erkennen, die Enterprise als (T)Raumschiff der Gleichheit und des gegenseitigen Respekts. Martin Luther King hat Nichelle Nichols, die Darstellerin von Uhura, motiviert, doch an Bord der Enterprise zu bleiben, da er in dieser Fernsehserie die Zukunft für Harmonie und gleichberechtigte Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe vorweggenommen sah: »You don’t have a black role. You have an equal role.« Diese Einschätzung des schwarzen Bürgerrechtlers kann als Schlüsselaussage für einen tragenden Gedanken der gesamten Saga angesehen werden – die Vision der Gleichheit der so vielfältigen vernunftbegabten Lebewesen. Die Schauspielerin Whoopi Goldberg sagte in einem Interview, sie sei schon Star Trek-Fan gewesen, bevor sie überhaupt Whoopi Goldberg war. Die Trennung in Rassen oder Völker war in Star Trek schon längst überwunden. Als Kind konnte sie nur in Star Trek schwarze, asiatische und russische Menschen zusammenarbeiten sehen. Das gab es sonst nirgendwo im Fernsehen, und es vermittelte ihr etwas sehr Wichtiges: Hoffnung. In einem anderen Interview erzählte Nichelle Nichols, dass Whoopi Goldberg als Kind durch das Haus ihrer Eltern gerannt sei, nachdem sie Nichelle Nichols in einer Raumschiff Enterprise-Folge im Fernsehen gesehen hatte. Dabei schrie sie, dass sie eine schwarze Frau im Fernseher gesehen habe, die kein Dienstmädchen war. Für diesen Gedanken der Gleichheit steht auch der Schauspieler George Takei. Der Darsteller des Sulu wurde wegen seiner japanischen Herkunft nach dem II. Weltkrieg in einem US-amerikanischen Internierungslager festgehalten. 2008 heiratete er als homosexueller Buddhist seinen Partner, eskortiert von den Trauzeugen Nichelle Nichols (Uhura) und Walter Koenig (Chekov) – welch Lebensweg und welch eindrucksvolles Sinnbild für den Geist von Star Trek!

Auf der Kommandobrücke der Enterprise standen oft neben dem japanischen Navigator Hikaru Sulu (George Takei) und der Suaheli sprechenden Kommunikationsoffizierin Nyota Uhura (Nichelle Nichols) der Russe Pavel Andreievich Chekov (Walter Koenig), der aus Riverside im Bundesstaat Iowa stammende Captain James Tiberius Kirk (William Shatner) und der eigentliche Star, der Halbvulkanier und Halbmensch sowie Erster und Wissenschaftsoffizier Mr. Spock (Leonard Nimoy). Über den Maschinenraum herrschte der mitunter im schottischen Kilt auftretende Whisky-Trinker Montgomery Scott (James Doohan), liebevoll Scotty genannt, über die Krankenstation wachte 27 Jahre lang der in den US-Südstaaten geborene Dr. Leonard McCoy (DeForest Kelley) mit Scherznamen Bones (Knochen), ins Deutsche mit Pille übersetzt. Die glorreichen Sieben auf der Brücke, die sieben Zwerge auf dem Raumschiffriesen. Und welch Skandal für die im Todesjahr von Martin Luther King noch stark rassistisch geprägten Vereinigten Staaten: Mit Uhura und Kirk küssen sich zum ersten Mal eine Schwarze und ein Weißer im US-Fernsehen. Fernsehsender aus den Südstaaten der USA verweigerten nach diesem endlich vollzogenen Tabubruch die Ausstrahlung dieser Episode!

Jeder Einzelne des multikulturellen Kommandoteams der Enterprise hat im 23. Jahrhundert den Status eines Bürgers der Vereinigten Föderation der Planeten, die Mitte des 22. Jahrhunderts gegründet wurde. Wie in der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung festgehalten, sind alle Bürger gleich, alle mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet wie Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Alle, egal ob Japaner, Russe, Amerikaner oder Schotte, egal ob aus den US-Südstaaten, ob Suaheli sprechend oder von einem anderen Planeten stammend. Der Typ mit den spitzen Ohren hat gar die zweithöchste Position an Bord inne. Wie kann man einem solchen Fremden mit solchen Augenbrauen das gestatten? Auch soll der Kerl grünes Blut haben! Das Raumboot war doch voll mit anständigen Erdenbewohnern und der spitz- und schlitzohrige Migrant nahm den Einheimischen sogar eine Spitzenposition weg, vielleicht hätte man ihn wieder auf seinen Heimatplanten Vulkan abschieben sollen!?

Der Traum eines Martin Luther King und eines Gene Roddenberry beinhaltet die prinzipielle Gleichheit in der Vielfalt von Individuen, Völkern, Ethnien, Kulturen, Religionen, von Geschlecht, Sprache, körperlicher Verfasstheit wie etwa der Hautfarbe – wechselseitiger Respekt und gegenseitige Anerkennung.11 Es werden unterschiedliche Ideen und Lebensformen nicht nur toleriert, sondern man empfindet besondere Freude daran. Ziel sind der kategorische Ausschluss von Diskriminierung und die prinzipielle Gleichstellung aller Bürger, ob nun eines Staates, der Erde, der »Föderation« oder des ganzen Universums – die alles umfassende kosmische Gleichheit. In der Weltraumsaga steht für diesen Gedanken musterhaft die fest verankerte Freundschaft zwischen einem Menschen und einem »Halbmenschen«, zwischen Kirk und Spock.

Die Freundschaft gilt Hegel als Anerkennungsbeziehung und als konkrete Freiheit in Gestalt der Empfindung, wobei das Verhältnis von Empfindung und Gefühl ja eigentlich als ein spezifisches Problem Spocks angesehen wird. Jeder ist nicht einseitig bei sich, weiß sich aber in der Beziehung zum anderen als bei sich selbst und somit frei. Freundschaft stellt so eine besondere Form des wechselseitigen Beisich-selbst-seins im anderen dar. Als Gegenmodell zur Freundschaft steht die Feindschaft, so treten in der Episode Bele jagt Lokai zwei Humanoide auf, die einander tödlich hassen, und zwar weil das Gesicht des einen links weiß und rechts schwarz ist, beim anderen jedoch umgekehrt. Beiden gelingt es trotz beschwörender Appelle aus der Enterprise