Die Prinzipien des Erfolgs - Ray Dalio - E-Book

Die Prinzipien des Erfolgs E-Book

Ray Dalio

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Beschreibung

Seine Firma Bridgewater Associates ist der größte Hedgefonds der Welt, er selbst gehört zu den Top 50 der reichsten Menschen auf dem Planeten: Ray Dalio. Seit 40 Jahren führt er sein Unternehmen so erfolgreich, dass ihn Generationen von Nachwuchsbankern wie einen Halbgott verehren. Mit »Die Prinzipien des Erfolgs« erlaubt er erstmals einen Blick in seine sonst so hermetisch abgeriegelte Welt. Seine Beobachtungen aus dem Geschäftsleben hielt Ray Dalio schon als junger Unternehmer in einem Notizbuch fest. Das war die Geburtsstunde seiner gut 200 »Prinzipien«, die mit diesem Buch erstmals gebündelt vorliegen und kaum weniger als die Essenz des geradezu unheimlichen Erfolgs von Ray Dalio und seiner Firma darstellen. Kern dieser Prinzipien ist eine stetige Verbesserung durch radikale Transparenz und Wahrhaftigkeit, eine Art »Ideen-Meritokratie «, also eine Atmosphäre, in der sich die besten Ideen durchsetzen. Die einzigartigen Prinzipien, mithilfe derer jeder den Weg des Erfolgs einschlagen kann, und die mitunter harten Lektionen, die ihn sein einzigartiges System errichten ließen, hat Ray Dalio auf eine bisher noch nie dagewesene, unkonventionelle Weise zusammengetragen.

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Seitenzahl: 808

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RAY DALIO

DIE PRINZIPIEN DES ERFOLGS

RAY DALIO

DIE PRINZIPIEN DES ERFOLGS

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

9. Auflage 2024

© 2019 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Die englische Originalausgabe erschien 2017 bei SIMON & SCHUSTER unter dem Titel Principles. © der Originalausgabe 2017 by Ray Dalio

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Korrektorat: Silke Panten

Übersetzung: Sascha Mattke

Umschlaggestaltung: Covergestaltung in Anlehnung an das Original von Rodrigo Corral (Art & Design), Pamela Machleidt, München

Innenlayout: Rodrigo Corral (Art & Design)

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-123-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-216-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-217-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Barbara – ein tiefempfundener Dank an meine Ehefrau, die mich seit über 40 Jahren liebevoll unterstützt.

TEIL IWOHER ICH KOMME

1 Mein Ruf zum Abenteuer: 1949–1967

2 Überschreiten der Schwelle: 1967–1979

3 Mein Abgrund: 1979–1982

4 Mein Weg der Prüfungen: 1983–1994

5 Die endgültige Segnung: 1995–2010

6 Den Segen weitergeben: 2011–2015

7 Mein letztes Jahr und die größte Herausforderung: 2016–2017

8 Blick zurück von einer höheren Warte

TEIL IIPRINZIPIEN FÜR DAS LEBEN

1 Die Realität anerkennen und mit ihr arbeiten

2 Den Fünf-Schritte-Prozess nutzen, um vom Leben zu bekommen, was Sie wollen

3 Radikal aufgeschlossen sein

4 Verstehen, dass Menschen unterschiedlich verschaltet sind

5 Lernen, wie man effektiv Entscheidungen trifft

Prinzipien für das Leben: Wie alles zusammenhängt

Zusammenfassung und Übersicht der Prinzipien für das Leben

TEIL IIIPRINZIPIEN FÜR DIE ARBEIT

Zusammenfassung und Übersicht der Prinzipien für die Arbeit

DIE RICHTIGE KULTUR . . .

1 Auf radikale Wahrhaftigkeit und radikale Transparenz vertrauen

2 Sinnerfüllte Arbeit und sinnerfüllte Beziehungen kultivieren

3 Eine Kultur schaffen, in der es in Ordnung ist, Fehler zu machen, und inakzeptabel, nicht aus Fehlern zu lernen

4 Sich synchronisieren und synchronisiert bleiben

5 Bei der Entscheidungsfindung nach Glaubwürdigkeit gewichten

6 Verstehen, wie man Meinungsverschiedenheiten hinter sich lässt

DIE RICHTIGEN MENSCHEN . . .

7 Daran denken, dass das WER wichtiger ist als das WAS

8 Richtig einstellen, denn der Schaden durch falsches Einstellen ist riesig

9 Mitarbeiter kontinuierlich schulen, testen, evaluieren und einstufen

IHRE MASCHINE BAUEN UND WEITERENTWICKELN . . .

10 Als Manager vorgehen wie jemand, der eine Maschine bedient, um ein Ziel zu erreichen

11 Probleme wahrnehmen und nicht tolerieren

12 Probleme diagnostizieren, um an ihre Ursachen zu gelangen

13 Verbesserungen für Ihre Maschine entwerfen, um Probleme zu beheben

14 Umsetzen, was Sie sich vorgenommen haben

15 Werkzeuge und Protokolle nutzen, um zu beeinflussen, wie Arbeit erledigt wird

16 Und um Himmels willen nicht die Governance vergessen!

Prinzipien für die Arbeit: Wie alles zusammenhängt

FAZIT

ANHANG: WERKZEUGE UND PROTOKOLLE FÜR DIE IDEEN-MERITOKRATIE BEI BRIDGEWATER

LITERATUR

DANK

ÜBER DEN AUTOR

EINLEITUNG

Bevor ich damit beginne, Ihnen von meinen Gedanken und Ansichten zu erzählen, möchte ich festhalten, dass ich ein ziemlicher Dummkopf bin, der nur sehr wenig weiß im Vergleich zu dem, was er wissen müsste. Welche Erfolge auch immer ich im Leben gehabt haben mag, sie hatten mehr damit zu tun, dass ich wusste, wie ich mit meinem Unwissen umzugehen hatte, anstatt mit irgendetwas, das ich gewusst hätte. Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist eine Herangehensweise an das Leben auf der Grundlage von Prinzipien; sie hilft mir dabei, herauszufinden, was wahr ist und wie ich dann zu handeln habe.

Ich gebe diese Prinzipien weiter, weil ich inzwischen eine Lebensphase erreicht habe, in der ich lieber anderen helfen möchte, erfolgreich zu sein, als mich darauf zu konzentrieren, selbst noch erfolgreicher zu sein. Weil diese Prinzipien mir und anderen so sehr geholfen haben, möchte ich sie mit Ihnen teilen. Sie können für sich selbst entscheiden, wie wertvoll sie für Sie sind und was Sie daraus machen wollen.

Prinzipien sind fundamentale Wahrheiten und können als Grundlage für Verhaltensweisen dienen, durch die Sie vom Leben das bekommen, was Sie möchten. Sie können in ähnlichen Situationen immer wieder verwendet werden, um Ihnen dabei zu helfen, Ihre Ziele zu erreichen.

Jeder von uns ist jeden Tag mit einer Vielzahl von Situationen konfrontiert, auf die er reagieren muss. Ohne Prinzipien wären wir gezwungen, für all die Dinge, die das Leben uns vorsetzt, individuell zu reagieren. Wenn wir stattdessen die Situationen in verschiedene Typen kategorisieren und über gute Prinzipien für den Umgang mit ihnen verfügen, kommen wir schneller zu besseren Entscheidungen und haben in der Folge ein besseres Leben. Ein guter Satz von Prinzipien ist wie eine gute Sammlung von Erfolgsrezepten. Alle erfolgreichen Menschen arbeiten nach Prinzipien, die ihnen dabei helfen, Erfolg zu haben; allerdings strebt jeder sehr unterschiedliche Erfolge an, sodass sich auch die Prinzipien unterscheiden.

Prinzipientreu zu sein, bedeutet, konsequent mit Prinzipien zu arbeiten, die sich unmissverständlich erklären lassen. Leider sind die meisten Menschen dazu nicht in der Lage, und nur sehr selten schreiben sie ihre Prinzipien auf und teilen sie. Das ist ein Jammer. Ich würde liebend gerne wissen, welche Prinzipien Albert Einstein, Steve Jobs, Winston Churchill, Leonardo da Vinci und andere Menschen geleitet haben. Denn dann könnte ich genau verstehen, welche Ziele sie angestrebt und wie sie sie erreicht haben, und ich könnte ihre unterschiedlichen Herangehensweisen vergleichen. Ich wüsste gern, welche Prinzipien am wichtigsten für die Politiker sind, denen ich meine Stimme geben soll, und für alle anderen Menschen, deren Entscheidungen Auswirkungen auf mein Leben haben. Haben wir gemeinsame Prinzipien, die uns aneinander binden – als Familie, Gemeinschaft, Nation oder Freunde über Staatsgrenzen hinweg? Oder haben wir einander widersprechende Prinzipien, die uns trennen? Welche sind das? Lassen Sie uns konkret sein. Wir leben in einer Zeit, in der Klarheit über unsere Prinzipien besonders wichtig ist.

Meine Hoffnung ist, dass die Lektüre dieses Buches Sie und andere dazu bringen wird, sich auf die Suche nach Ihren eigenen Prinzipien zu machen – wo auch immer Sie glauben, sie am besten finden zu können – und sie aufzuschreiben. Dadurch gewinnen Sie und andere Klarheit darüber, was Ihre Prinzipien sind, und Sie werden sich gegenseitig besser verstehen. Außerdem wird es Sie in die Lage versetzen, Ihre Prinzipien fortzuentwickeln, während Sie weitere Erfahrungen sammeln und darüber nachdenken. Das wiederum wird Ihnen dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und besser verstanden zu werden.

DIE EIGENEN PRINZIPIEN FINDEN

Zu unseren Prinzipien gelangen wir auf unterschiedlichen Wegen. Manchmal entdecken wir sie durch eigene Erfahrungen und Überlegungen. Manchmal übernehmen wir sie von anderen oder wir machen uns ganzheitliche Prinzipien-Pakete zu eigen, zum Beispiel die von Religionen oder Rechtssystemen.

Weil jeder von uns seine eigenen Ziele und seinen eigenen Charakter hat, muss jeder von uns passend dazu seine eigenen Prinzipien auswählen. Zwar ist es nicht unbedingt schlecht, die Prinzipien von jemand anderem zu verwenden. Doch wenn Sie ohne nachzudenken Prinzipien anderer übernehmen, besteht die Gefahr, dass Sie im Widerspruch zu Ihren wahren Zielen und Ihrer Natur handeln. Gleichzeitig wissen Sie, genau wie ich, wahrscheinlich nicht alles, was Sie wissen müssten, und Sie sind gut beraten, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Wenn Sie für sich selbst denken können und die Bereitschaft mitbringen, mit klarem Kopf herauszufinden, was für Sie selbst am besten ist, und wenn Sie den Mut aufbringen, das auch zu tun, werden Sie das Optimum aus Ihrem Leben herausholen. Wenn Sie das nicht schaffen, sollten Sie darüber nachdenken, was der Grund dafür ist. Denn darin liegt wahrscheinlich die größte Hürde für Sie, mehr von dem zu bekommen, was Sie vom Leben wollen.

Das bringt mich zu meinem ersten Prinzip:

Denken Sie für sich selbst, um zu entscheiden, 1) was Sie wollen, 2) was wahr ist und 3) was Sie tun sollten, um #1 vor dem Hintergrund von #2 zu erreichen . . .

. . . und tun Sie das mit Bescheidenheit und Aufgeschlossenheit, sodass Sie die besten Überlegungen berücksichtigen können, die Ihnen zur Verfügung stehen. Es ist wichtig, dass Sie sich im Klaren über Ihre Prinzipien sind, denn sie werden jeden Aspekt Ihres Lebens beeinflussen, viele Male am Tag. Wenn Sie zum Beispiel eine Beziehung zu anderen Menschen aufbauen, werden Ihre Prinzipien und die der anderen darüber bestimmen, wie Sie miteinander interagieren. Menschen, die gemeinsame Werte und Prinzipien teilen, kommen gut miteinander aus. Menschen, bei denen das nicht so ist, werden unter ständigen Missverständnissen und Konflikten leiden. Denken Sie an die Personen, die Ihnen am nächsten stehen: Stimmen deren Werte mit Ihren Werten überein? Wissen Sie überhaupt, was deren Werte oder Prinzipien sind? Allzu häufig sind in Beziehungen die Prinzipien der Menschen zueinander nicht klar. Besonders problematisch ist das in Organisationen, in denen Menschen gemeinsamen Prinzipien folgen müssen, um erfolgreich zu sein. Ich bin mir völlig im Klaren über meine Prinzipien, und das ist der Grund dafür, dass ich für jeden Satz in diesem Buch so große Sorgfalt aufgewendet habe.

Die Prinzipien, für die Sie sich entscheiden, können alles sein, was Sie wollen, solange sie authentisch sind, also Ihrem wahren Charakter und Ihren Werten entsprechen. Im Leben sind Sie mit Millionen von Entscheidungen konfrontiert, und die Art und Weise, wie Sie sie treffen, spiegelt Ihre Prinzipien wider. Also wird es den Menschen um Sie herum rasch klar sein, nach welchen Prinzipien Sie wirklich leben. Das Schlimmste, was Sie sein können, ist ein Heuchler, denn dann verlieren Sie das Vertrauen von anderen und den Respekt vor sich selbst. Also müssen Sie sich über Ihre Prinzipien im Klaren sein und ihren Worten Taten folgen lassen. Wenn es Inkonsistenzen zu geben scheint, sollten Sie sie erklären. Am besten ist es, das schriftlich zu machen, denn auf diese Weise können Sie Ihre niedergeschriebenen Prinzipien weiterentwickeln.

Ich werde hier zwar meine eigenen Prinzipien mit Ihnen teilen, möchte aber betonen, dass ich nicht erwarte, dass Sie ihnen blind folgen. Ganz im Gegenteil: Ich möchte, dass Sie jedes einzelne Wort hinterfragen und eine Auswahl aus diesen Prinzipien treffen, damit sie am Ende eine Mischung haben, die zu Ihnen passt.

MEINE PRINZIPIEN UND WIE ICH SIE GELERNT HABE

Ich habe meine Prinzipien im Lauf eines Lebens gelernt, in dem ich viele Fehler gemacht und viel Zeit damit verbracht habe, über diese Fehler nachzudenken. Seit meiner Kindheit bin ich ein neugieriger, unabhängiger Denker, der wagemutige Ziele verfolgt. Ich hatte immer Freude daran, mir vorzustellen, was ich anstreben könnte. Ich erlebte dabei ein paar schmerzhafte Misserfolge, lernte Prinzipien, die mich davon abhalten sollten, dieselbe Art von Fehlern ein zweites Mal zu machen, und veränderte und verbesserte mich; das wiederum hat mich in die Lage versetzt, mir noch wagemutigere Ziele vorzustellen und zu verfolgen, und zwar rasch und wiederholt über einen langen Zeitraum. Für mich sieht das Leben also aus wie die Abfolge, die die folgende Abbildung zeigt.

Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, nicht nur zu wissen, wie man sich viel vornimmt, sondern auch, wie man richtig scheitert. Mit richtigem Scheitern meine ich, in der Lage zu sein, schmerzhafte Misserfolge zu erleben, die bedeutende Erkenntnisse ermöglichen, ohne so verheerend zu sein, dass man aus dem Spiel geworfen wird.

Diese Art, zu lernen und mich zu verbessern, war für mich am geeignetsten, weil ich bin, wie ich bin, und tue, was ich tue. Ich war schon immer schlecht im Auswendiglernen, und ich habe es noch nie gemocht, Anweisungen anderer Menschen zu folgen, aber ich war begeistert dabei, selbst herauszufinden, wie etwas am besten für mich funktioniert. Die Schule hasste ich wegen meines schlechten Gedächtnisses, doch als ich zwölf Jahre alt war, verliebte ich mich darin, an den Märkten zu traden. Um an den Märkten Geld zu verdienen, muss man ein unabhängiger Denker sein, der gegen den Konsens wettet und damit richtigliegt. Denn die Konsensmeinung ist in den aktuellen Kursen schon enthalten. Folgt man ihr, wird man unweigerlich häufig schmerzlich falschliegen. Also ist es für den Erfolg entscheidend, zu wissen, wie man die richtigen Entscheidungen trifft. Gleiches gilt, wenn man ein erfolgreicher Entrepreneur sein will. Auch in dem Fall muss man ein unabhängiger Denker sein, der korrekt gegen die Konsensmeinung wettet – und dabei nicht selten schmerzhaft falschliegen wird. Weil ich sowohl Anleger als auch Entrepreneur war, bildete ich eine gesunde Angst davor aus, falschzuliegen, und entwickelte einen Ansatz für die Entscheidungsfindung, der die Wahrscheinlichkeit dafür maximiert, dass ich richtigliege.

Entscheidungen nach der Glaubwürdigkeit gewichten.

Meine schmerzhaften Misserfolge brachten mich von einer Perspektive des »Ich weiß, dass ich recht habe.« zu einer des »Wie kann ich wissen, ob ich recht habe?«. Sie gaben mir die Bescheidenheit, die ich als Gegengewicht zu meinem Wagemut brauchte. Zu wissen, dass ich schmerzhaft falschliegen konnte, und die Neugier darüber, warum andere intelligente Menschen einen anderen Blickwinkel haben, haben mich dazu gebracht, die Dinge ebenso durch die Augen von anderen zu betrachten wie durch meine eigenen. Dies bot mir die Möglichkeit, viele Dimensionen mehr zu sehen, als wenn ich nur mit meinen eigenen Augen geschaut hätte. Ich hatte gelernt, die Beiträge anderer Menschen so zu gewichten, dass ich die besten davon auswähle – ich lernte also, bei meiner Entscheidungsfindung eine Gewichtung nach der Glaubwürdigkeit vorzunehmen. Das verbesserte meine Chancen, richtigzuliegen, und war aufregend für mich. Gleichzeitig lernte ich Folgendes:

Nach Prinzipien vorgehen . . .

. . . die so klar definiert sind, dass ihre Logik leicht nachvollziehbar ist und Sie und andere sehen können, ob Sie Worten Taten folgen lassen. Die Erfahrung lehrte mich, wie wertvoll es ist, nach jeder Entscheidung über meine Kriterien zur Entscheidungsfindung nachzudenken und sie aufzuschreiben. Also gewöhnte ich mir an, das zu tun. Mit der Zeit wurde meine Sammlung von Prinzipien wie eine Sammlung von Rezepten für das Entscheiden. Indem ich diese Prinzipien mit den Menschen in meinem Unternehmen Bridgewater Associates teilte und sie einlud, mir dabei zu helfen, die Prinzipien in der Praxis zu testen, konnte ich diese kontinuierlich überarbeiten und weiterentwickeln. Tatsächlich war ich in der Lage, sie so weit zu überarbeiten, dass ich etwas Wichtiges erkannte:

Die Entscheidungsfindung systematisieren.

Ich stellte fest, dass das möglich war, indem ich meine Kriterien für die Entscheidungsfindung in Form von Algorithmen ausdrückte, die ich in unsere Computer programmierte. Indem ich beide Systeme zur Entscheidungsfindung – also das System in meinem Kopf und das im Computer – parallel zueinander einsetzte, lernte ich, dass der Computer bessere Entscheidungen treffen konnte als ich, weil er weitaus mehr Informationen verarbeiten konnte als ich, und zwar schneller und ohne Emotionen. Dadurch waren ich und die Personen, mit denen ich arbeitete, in der Lage, im Lauf der Zeit exponentiell Wissen anzusammeln und die Qualität unserer kollektiven Entscheidungsfindung zu erhöhen. Ich entdeckte, dass solche Systeme zur Entscheidungsfindung – vor allem mit einer Gewichtung nach der Glaubwürdigkeit – unglaublich leistungsfähig sind und schon bald grundlegend verändern werden, wie Menschen rund um die Welt Entscheidungen aller Art treffen. Unser auf Prinzipien basierender Ansatz für die Entscheidungsfindung hat nicht nur unsere Entscheidungen bei Fragen von Geschäft, Geldanlage und Management verbessert, sondern uns auch dabei geholfen, in jedem Bereich unseres Lebens bessere Entscheidungen zu treffen.

Ob Sie Ihre eigenen Prinzipien systematisieren/computerisieren oder nicht, ist zweitrangig. Am wichtigsten ist, dass Sie Ihre eigenen Prinzipien entwickeln und im Idealfall schriftlich festhalten, vor allem, wenn Sie mit anderen zusammenarbeiten.

Dieser Ansatz und die Prinzipien, die daraus hervorgingen, waren das, was mich von einem normalen Mittelschichtkind aus Long Island zu einem – legt man die üblichen Maßstäbe an – erfolgreichen Menschen gemacht hat. Zum Beispiel gründete ich aus meiner Zweizimmerwohnung heraus ein Unternehmen und machte es zum (laut Fortune) fünftwichtigsten nicht börsennotierten Unternehmen in den USA, bin einer der (laut Forbes) 100 reichsten Menschen der Welt geworden und gehöre (laut Time) zu ihren 100 einflussreichsten Personen. Dank meiner Prinzipien habe ich eine angenehme Position erreicht, die mir Gelegenheit gegeben hat, Erfolg und das Leben ganz anders zu betrachten, als ich es mir vorgestellt hatte. Und ich habe dadurch die sinnerfüllte Arbeit und die sinnerfüllten Beziehungen gefunden, die mir noch viel wichtiger sind als meine an konventionellen Maßstäben gemessenen Erfolge. Die Prinzipien haben mir und Bridgewater viel mehr gegeben, als ich mir je erträumt hätte.

Bis vor Kurzem wollte ich diese Prinzipien außerhalb von Bridgewater nicht teilen, weil ich öffentliche Aufmerksamkeit nicht schätze und weil ich der Meinung war, es wäre vermessen, anderen zu erzählen, welchen Prinzipien sie folgen sollen. Aber nachdem Bridgewater erfolgreich die Finanzkrise 2008/2009 vorausgesehen hatte, bekam ich viel Aufmerksamkeit von den Medien, und so auch meine Prinzipien und die einzigartige Arbeitsweise von Bridgewater. Weil die meisten Artikel darüber verzerrt und sensationsheischend waren, veröffentlichte ich unsere Prinzipien im Jahr 2010 auf unserer Website, damit die Leute sich selbst ein Urteil darüber bilden konnten. Zu meiner Überraschung wurden sie mehr als drei Millionen Mal heruntergeladen, und ich wurde mit Dankesbriefen aus aller Welt überschüttet.

Ich möchte Ihnen diese Prinzipien in zwei Büchern erläutern. Das erste Buch widmet sich den Prinzipien für das Leben und für die Arbeit; das zweite Buch behandelt die wirtschaftlichen Prinzipien und solche für die Geldanlage.

DER AUFBAU DER BÜCHER

Weil ich den Großteil meines Erwachsenenlebens damit verbracht habe, über Volkswirtschaften und Geldanlage nachzudenken, hatte ich zunächst den Plan, als Erstes über die Prinzipien für Ökonomie und Geldanlage zu schreiben. Dann aber beschloss ich, mit meinen Prinzipien für Leben und Arbeit zu beginnen, weil sie eine stärker übergeordnete Bedeutung haben und weil ich gesehen habe, wie gut sie bei anderen Menschen funktionieren, ganz unabhängig von ihrer Laufbahn. Weil die Prinzipien für Leben und Arbeit gut zusammenpassen, sind sie in dem vorliegenden Buch zusammengefasst, eingeleitet von der kurzen Autobiografie Woher ich komme.

Teil I: Woher ich komme

In diesem Teil berichte ich von einigen meiner Erfahrungen (vor allem von Fehlern), die dazu geführt haben, dass ich die Prinzipien gefunden habe, die jetzt meine Entscheidungsfindung leiten. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen: Ich habe immer noch gemischte Gefühle darüber, meine persönliche Geschichte zu erzählen, weil ich die Sorge habe, dass sie Sie ablenken könnte von den eigentlichen Prinzipien und den zeitlosen und universellen Ursache-Wirkungs-Beziehungen, auf denen diese beruhen. Aus diesem Grund würde es mir nichts ausmachen, wenn Sie beschließen würden, diesen Teil des Buches zu überspringen. Wenn Sie ihn lesen, versuchen Sie, über mich und meine individuelle Geschichte hinauszublicken auf die Logik und die Vorteile der Prinzipien, die ich beschreibe. Denken Sie darüber nach, nehmen Sie eine individuelle Gewichtung vor und entscheiden Sie, wie sehr, wenn überhaupt, sie für Sie und Ihre eigenen Lebensumstände Gültigkeit haben – und konkret, ob sie Ihnen dabei helfen können, Ihre Ziele zu erreichen, worin auch immer sie bestehen mögen.

Teil II: Prinzipien für das Leben

Im Teil Prinzipien für das Leben geht es um die übergeordneten Prinzipien, die meine Herangehensweise an alles bestimmen. Ich erläutere meine Prinzipien eingehend und zeige, dass sie in der Natur ebenso gelten wie in unserem Privatleben und unseren Beziehungen, im Geschäft und in der Politik, und natürlich auch bei Bridgewater. Ich beschreibe den Fünf-Schritte-Prozess, den ich für das Erreichen der eigenen Ziele entwickelt habe, und ich berichte über die Erkenntnisse, die ich in den Feldern Psychologie und Neurowissenschaft gewonnen habe, und wie ich sie in meinem Privat- und Berufsleben angewendet habe. Dies ist der eigentliche Kern dieses Buches, denn er zeigt, wie diese Prinzipien von fast jedem auf fast alles angewendet werden können.

Teil III: Prinzipien für die Arbeit

Im Teil Prinzipien für die Arbeit finden Sie eine Nahaufnahme der ungewöhnlichen Arbeitsweise bei Bridgewater. Ich erkläre, wie wir unsere Prinzipien zu einer Ideen-Meritokratie zusammengefasst haben, deren Ziel es ist, durch radikale Wahrhaftigkeit und radikale Transparenz zu sinnerfüllter Arbeit und sinnerfüllten Beziehungen zu finden. Ich zeige, wie das im Detail funktioniert und wie es sich auf fast jede Organisation anwenden lässt und sie effektiver macht. Wie Sie sehen werden, ist Bridgewater schlicht eine Gruppe von Menschen, die danach streben, exzellent zu sein in dem, was sie tun, und die anerkennen, dass sie relativ zu dem, was sie wissen müssten, über wenig Wissen verfügen. Wir glauben daran, dass sich eine Uneinigkeit zwischen unabhängigen Denkern, die nüchtern in der Sache und persönlich respektvoll ist, in eine die Glaubwürdigkeit betonende Entscheidungsfindung überführen lässt, die intelligenter und effektiver ist als die Summe ihrer Teile. Weil die Kraft einer Gruppe sehr viel größer ist als die einer Einzelperson, glaube ich, dass diese Prinzipien für die Arbeit sogar noch wichtiger sind als die Prinzipien für das Leben, auf denen sie basieren.

Was nach diesem Buch kommt

Dem Ihnen vorliegenden gedruckten Buch folgt ein interaktives Buch in Form einer App, das Sie mitnimmt zu Videos und immersiven Erfahrungen, die Ihren Lernprozess stärker erfahrungsorientiert machen sollen. Außerdem wird die App Sie durch Ihre Interaktionen mit ihr ein wenig kennenlernen, damit sie Ihnen stärker personalisierte Empfehlungen geben kann.

An das Buch und die App schließt sich ein weiterer Band mit zwei Teilen an: Prinzipien für Ökonomie und Prinzipien für Geldanlage. Darin werde ich die Prinzipien weitergeben, die für mich auf diesen Gebieten von Nutzen waren und von denen ich glaube, dass sie auch Ihnen helfen könnten.

Anschließend werde ich keinen Rat mehr geben können, der nicht schon in den beiden Büchern zu finden ist. Damit werde ich diese Phase meines Lebens abgeschlossen haben.

 

Denken Sie für sich selbst!

1) Was wollen Sie?

2) Was ist wahr?

3) Was wollen Sie deshalb unternehmen?

TEIL IWOHER ICH KOMME

Die Zeit ist wie ein Fluss, der uns vorwärtsträgt zu Begegnungen mit der Realität, die von uns Entscheidungen erfordern. Wir können unsere Bewegung diesen Fluss hinunter nicht stoppen, und wir können diese Begegnungen nicht vermeiden. Wir können nur auf eine möglichst gute Weise damit umgehen.

 

Als Kinder werden wir von anderen Menschen, meistens unseren Eltern, geleitet, und dabei lernen wir durch unsere Begegnung mit der Realität. Wenn wir älter werden, fangen wir an, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen. Wir entscheiden, was wir uns vornehmen (unsere Ziele), und das hat Einfluss auf unsere Wege, die wir einschlagen. Wer Arzt werden will, beginnt ein Medizinstudium; wer eine Familie gründen will, sucht sich eine Partnerin oder einen Partner; und so weiter. Während wir uns in Richtung unserer Ziele bewegen, treffen wir auf Probleme, machen Fehler und lernen unsere eigenen persönlichen Schwächen kennen. Wir lernen etwas über uns selbst und über die Realität und treffen neue Entscheidungen. Im Lauf unseres Lebens fällen wir Millionen von Entscheidungen, bei denen es sich im Wesentlichen um Wetten handelt, manche groß und manche klein. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie wir zu diesen Entscheidungen kommen, denn sie sind es, die letztlich über die Qualität unseres Lebens bestimmen.

Wir werden mit (unterschiedlichem) Denkvermögen geboren, aber nicht mit der Fähigkeit zu geschickter Entscheidungsfindung. Aus unseren Begegnungen mit der Realität lernen wir. Zwar ist der Weg, den ich gegangen bin, einzigartig – ich wurde als Kind bestimmter Eltern geboren, verfolgte eine bestimmte Karriere und arbeitete mit bestimmten Kollegen zusammen. Aber ich glaube, dass die Prinzipien, die ich auf diesem Weg gelernt habe, für die meisten anderen Menschen auf den meisten anderen Wegen nicht weniger gut funktionieren werden. Versuchen Sie, wenn Sie meine Geschichte lesen, durch sie und mich hindurchzublicken auf die grundlegenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen, die Entscheidungen, die ich getroffen habe, und ihre Konsequenzen. Schauen Sie sich an, was ich daraus gelernt habe, und wie ich als Folge davon meine Methoden zur Entscheidungsfindung verändert habe. Fragen Sie sich selbst, was Sie wollen, suchen Sie Beispiele von anderen Menschen, die bekommen haben, was sie wollten, und versuchen Sie, die Muster von Ursache und Wirkung hinter ihren Leistungen zu erkennen. Denn dann können Sie diese Muster als Unterstützung dafür verwenden, Ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Um Ihnen dabei zu helfen, zu verstehen, woher ich komme, gebe ich Ihnen eine ungeschminkte Darstellung meines Lebens und meiner Karriere, mit einem besonderen Schwerpunkt auf meinen Fehlern und Schwächen sowie den Prinzipien, die ich daraus gelernt habe.

KAPITEL 1

MEIN RUF ZUM ABENTEUER:

1949–1967

Ich wurde im Jahr 1949 geboren und bin in einem Mittelschichtviertel auf Long Island als einziger Sohn meiner Eltern aufgewachsen. Mein Vater war professioneller Jazz-Musiker, meine Mutter Hausfrau. Ich war ein durchschnittliches Kind in einem durchschnittlichen Zuhause und ein unterdurchschnittlicher Schüler. Ich spielte liebend gern mit meinen Freunden: Touch-Football auf den Straßen und Baseball im Hinterhof eines Nachbarn, als ich ein Kind war; später, als ich älter war, hieß das Spiel »Jagd nach Mädchen«.

Unsere angeborenen Stärken und Schwächen sind in unserer DNA eingeschrieben. Meine offensichtlichste Schwäche war mein schlechtes Gedächtnis. Ich konnte nie – und kann es nach wie vor nicht – Fakten im Kopf behalten, bei denen es keinen Grund dafür gibt, dass sie sind, wie sie sind (wie Telefonnummern), und ich mag es nicht, Anweisungen zu folgen. Gleichzeitig war ich sehr neugierig und liebte es, Sachen selbst herauszufinden, auch wenn das zu dieser Zeit noch nicht so offensichtlich war.

Ich mochte die Schule nicht – nicht nur weil sie viel Auswendiglernen erforderte, sondern auch, weil ich an den meisten Dingen, die meine Lehrer für wichtig hielten, nicht interessiert war. Ich habe nie verstanden, was mir gute Leistungen in der Schule einbringen sollten außer dem Lob meiner Mutter.

Meine Mutter war vernarrt in mich und machte sich Sorgen wegen meiner schlechten Noten. Bis zur Mittelstufe schickte sie mich in mein Zimmer, damit ich ein paar Stunden lernte, bevor ich raus zum Spielen durfte, aber dazu konnte ich mich nicht überwinden. Sie war immer für mich da. Sie faltete die Zeitungen, die ich austrug, und band sie mit Gummiringen zusammen, und sie backte Kekse für uns zwei, die wir aßen, während wir samstagsabends Horrorfilme schauten. Sie starb, als ich 19 Jahre alt war. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder zu lachen. Heute lächle ich, wenn ich an sie denke.

Mein Vater hatte als Musiker späte Arbeitszeiten, ungefähr bis drei Uhr morgens, also schlief er am Wochenende lang. Dadurch hatten wir, als ich klein war, keine große Beziehung, abgesehen davon, dass er mich ständig zu lästigen Arbeiten nötigte, wie den Rasen zu mähen oder die Hecke zu schneiden. Ich hasste es. Er war ein verantwortungsvoller Mann, der es mit einem verantwortungslosen Kind zu tun hatte. Meine Erinnerungen über Interaktionen zwischen uns kommen mir heute komisch vor. Zum Beispiel sagte er einmal zu mir, ich solle den Rasen mähen, und ich beschloss, erst nur den Vorgarten zu machen und den Teil hinter dem Haus für später aufzuheben; dann aber regnete es ein paar Tage lang, und das Gras hinten wurde so hoch, dass ich es mit einer Sichel schneiden musste. Das dauerte so lange, dass, als ich damit fertig war, das Gras im Vorgarten schon wieder so hoch war, dass ich mit dem Rasenmäher nicht mehr durch kam, und so weiter.

Nach dem Tod meiner Mutter kamen mein Vater und ich uns sehr nahe, vor allem, als ich meine eigene Familie gründete. Ich schätzte und liebte ihn. Wie viele Musiker hatte er eine lockere, lustige Art, und ich bewunderte seinen starken Charakter, von dem ich annehme, dass er von seinen Erfahrungen in der Großen Depression und seinem Einsatz als Soldat sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Koreakrieg geprägt war. Ich habe Erinnerungen an ihn aus der Zeit, als er in seinen Siebzigern war. Er zögerte auch dann nicht, mit dem Auto zu fahren, wenn schwere Schneestürme tobten, und schaufelte sich den Weg frei, wann immer er steckenblieb, als wäre es keine große Sache. Nachdem er den Großteil seines Lebens in Clubs gespielt und Platten aufgenommen hatte, begann er mit Mitte 60 eine zweite Karriere als Musiklehrer an der Highschool und an der lokalen Volkshochschule, die er fortsetzte, bis er mit 81 Jahren einen Herzinfarkt erlitt. Danach lebte er noch weitere zehn Jahre, geistig so rege wie eh und je.

Wenn ich etwas nicht tun wollte, sträubte ich mich energisch dagegen, aber wenn ich mich für etwas begeisterte, konnte mich nichts aufhalten. Zum Beispiel weigerte ich mich, im Haushalt mitzuhelfen, jobbte aber eifrig, um Geld zu verdienen. Ab dem Alter von acht Jahren trug ich Zeitungen aus, schaufelte Schnee von den Einfahrten anderer Leute, machte Botengänge, räumte in einem lokalen Restaurant Tische ab und spülte das dreckige Geschirr und räumte in einem Warenhaus in der Nähe Regale ein. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern mich ermuntert hätten, diese Jobs anzunehmen, also kann ich nicht sagen, wie ich an sie gekommen bin. Sehr gut aber weiß ich noch, dass ich viele wertvolle Lektionen gelernt habe, weil ich diese Jobs und etwas Geld hatte, über das ich selbst bestimmen konnte; in der Schule oder beim Spielen wäre nichts davon möglich gewesen.

In meiner Jugend in den 1960er-Jahren war die Stimmung in den USA aufstrebend und inspirierend – man wollte große und hehre Ziele erreichen. Etwas Ähnliches habe ich später nie mehr erlebt. Eine meiner ersten Erinnerungen ist die an John F. Kennedy, einen intelligenten, charismatischen Mann, der lebhafte Bilder davon zeichnete, wie er die Welt zum Besseren verändern wollte: Er wollte das Weltall erkunden, für gleiche Rechte sorgen und die Armut besiegen. Er und seine Ideen beeinflussten stark mein eigenes Denken.

Damals befanden sich die USA gemessen am Rest der Welt auf ihrem Höhepunkt und trugen 40 Prozent zu der gesamten globalen Wirtschaftsleistung bei; heute sind es noch 20 Prozent. Der Dollar war die Weltwährung, und die USA waren die dominierende Militärmacht. »Liberal« zu sein, bedeutete, sich dafür einzusetzen, schnell und fair vorwärtszukommen, und »konservativ« hieß, an alten und unfairen Methoden festzuhalten – zumindest kam es mir und den meisten Leuten um mich herum so vor. Für uns waren die USA reich, fortschrittlich, gut regiert und auf einer Mission, in jeder Hinsicht rasch besser zu werden. Ich mag naiv gewesen sein, aber ich war nicht allein damit.

In diesen Jahren sprach jeder vom Aktienmarkt, weil er sich hervorragend entwickelte und dort viel Geld zu verdienen war. Das galt auch für die Leute, die auf einem lokalen Golfplatz namens Links spielten, wo ich mit zwölf Jahren anfing, als Caddy zu arbeiten. Also nahm ich das so verdiente Geld und begann, an der Börse mitzuspielen. Meine erste Anlage war Northeast Airlines. Ich kaufte die Aktie, weil ich keine andere kannte, die für weniger als 5 Dollar pro Stück zu haben war. Je mehr Aktien ich kaufte, desto mehr Geld würde ich verdienen, hatte ich mir überlegt. Das war eine dumme Strategie, aber trotzdem habe ich mein Geld damit verdreifacht. Tatsächlich sollte Northeast Airlines später pleitegehen und von einem anderen Unternehmen übernommen werden. Ich hatte Glück, aber das wusste ich damals nicht. Ich dachte schlicht, es sei ganz einfach, an der Börse Geld zu verdienen, und kam nicht mehr von ihr los.

Zu der Zeit gab es im Fortune-Magazin einen kleinen Coupon zum Ausschneiden, mit dem man kostenlose Jahresberichte von Fortune-500-Unternehmen bestellen konnte. Ich habe alle geordert. Ich weiß noch, wie der arme Postbote all diese Berichte an unsere Haustür geschleppt hat, und ich habe jeden von ihnen gelesen. Auf diese Weise begann ich, eine Anlage-Bibliothek aufzubauen. Während der Aktienmarkt weiter anstieg, erschienen der Zweite Weltkrieg und die Große Depression wie ferne Erinnerungen, und bei der Geldanlage schien es um nichts weiter zu gehen, als irgendetwas zu kaufen und zuzusehen, wie dessen Wert steigt. Steigen würde der Wert selbstverständlich, so glaubte man damals, weil die Steuerung der Wirtschaft zu einer Wissenschaft geworden war. Schließlich hatten sich die Aktienkurse in den zehn Jahren zuvor fast vervierfacht, und manche Aktien hatten noch viel höhere Gewinne verzeichnet.

Als Folge davon nutzten die meisten Leute eine Strategie namens Cost-Averaging – sie investierten jeden Monat mehr oder weniger dieselbe Summe in den Aktienmarkt, unabhängig davon, wie wenige oder viele Aktien sie dafür bekamen. Natürlich war es noch besser, sich dabei nur für die besten Aktien zu entscheiden, also versuchten ich und alle anderen genau das. Zur Auswahl standen Tausende von Papieren, alle sauber aufgelistet auf den letzten Seiten der Tageszeitung.

Zwar liebte ich das Spielen am Markt, aber ich war auch liebend gern mit meinen Freunden zusammen, ob als Kinder, die im Viertel miteinander spielten, als Teenager, die versuchten, mit gefälschten Ausweisen in Clubs zu kommen, oder heute bei Musik-Festivals oder gemeinsamen Tauchreisen. Ich war schon immer ein unabhängiger Denker und neigte dazu, um der Belohnungen willen Risiken einzugehen – nicht nur an den Märkten, sondern bei fast allem. Außerdem fürchtete ich Langeweile und Mittelmäßigkeit viel mehr als Misserfolge. Für mich ist hervorragend besser als schrecklich, und schrecklich ist besser als mittelmäßig, denn schrecklich gibt dem Leben zumindest Würze. Das Zitat im Highschool-Jahrbuch, das meine Freunde für mich auswählten, war von Henry David Thoreau: »Wenn ein Mann nicht mit seinen Gefährten Schritt hält, kann der Grund dafür sein, dass er einen anderen Rhythmus hört. Lasst ihn zu der Musik gehen, die er hört, was auch immer ihr Takt oder wie weit weg sie ist.«

1966 war mein Abschlussjahr an der Highschool. Die Börse boomte immer noch, und ich verdiente Geld und hatte eine tolle Zeit. Mit meinem besten Freund Phil schwänzte ich die Schule, um surfen zu gehen, und tat das, was vergnügungssüchtige Highschool-Jungs eben tun. Natürlich wusste ich es damals noch nicht, aber in diesem Jahr erreichte der Aktienmarkt seinen Höhepunkt. Anschließend wurde fast alles, was ich über die Märkte zu wissen glaubte, als falsch widerlegt.

KAPITEL 2

ÜBERSCHREITEN DER SCHWELLE:

1967–1979

In meinen neuen Lebensabschnitt trat ich ein mit all den verzerrten Vorstellungen, die darauf basierten, was ich aus meinen Erfahrungen und von den Menschen um mich herum aufgeschnappt hatte. Im Jahr 1966 hatten die Preise an den Börsen den Zukunftsoptimismus der Anleger widergespiegelt. Doch im Zeitraum von 1967 bis 1979 führten negative wirtschaftliche Überraschungen zu erheblichen und unerwarteten Kursrückgängen. Die Wirtschaft und die Märkte verschlechterten sich, und das galt auch für die gesellschaftliche Stimmung. In dieser Zeit zu leben, hat mich gelehrt, dass zwar jeder erwartet, die Zukunft werde eine nur leicht veränderte Version der Gegenwart sein, dass es aber in Wirklichkeit meistens ganz anders kommt. Damals jedoch wusste ich das noch nicht. Im Jahr 1967 war ich überzeugt, dass sich die Aktien irgendwann erholen würden. Also kaufte ich weiter, obwohl der Markt nachgab und ich Geld verlor – bis ich irgendwann herausfand, was falsch lief und wie ich damit umzugehen hatte. Allmählich lernte ich, dass die Kurse die Erwartungen der Menschen widerspiegeln: Sie steigen, wenn die tatsächlichen Ergebnisse besser sind als erwartet, und sie fallen, wenn die Ergebnisse schlechter sind. Und die meisten Leute lassen sich zu sehr von ihren jüngsten Erfahrungen leiten, da diese ihnen noch frisch im Gedächtnis sind.

Im Herbst jenes Jahres begann ich mein Studium an einem lokalen College, dem C. W. Post Campus. Wegen meines bloß befriedigenden Notenschnitts wurde ich zunächst nur unter Vorbehalt angenommen. Im Gegensatz zur Highschool liebte ich das College, weil ich dort etwas über Dinge lernen konnte, die mich interessierten, und nicht lernen »musste«, und so waren meine Noten hervorragend. Außerdem liebte ich es, nicht mehr zu Hause zu wohnen und unabhängig zu sein.

Dass ich zu meditieren gelernt habe, war ebenfalls hilfreich. Als die Beatles im Jahr 1968 nach Indien reisten, um sich im Ashram von Maharishi Mahesh Yogi in transzendentaler Meditation unterweisen zu lassen, wurde ich neugierig darauf und erlernte sie ebenfalls. Meditieren hat mir mein ganzes Leben über enorm geholfen, weil es in mir eine ruhige Aufgeschlossenheit entstehen lässt, die es mir ermöglicht, klarer und kreativer zu denken.

Als Hauptfach auf dem College wählte ich Finanzwissenschaft, wegen meiner Liebe zu den Märkten und weil ich für dieses Fach keine Fremdsprachen brauchte – dadurch konnte ich das lernen, was mich interessierte, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hörsaals. Ein Kommilitone – ein Vietnamveteran, der deutlich älter war als ich und den ich als Person sehr interessant fand – brachte mir viel über Rohstofftermingeschäfte bei. Rohstoffe waren attraktiv, weil sie sich mit sehr niedrigen Margin-Anforderungen handeln ließen – ich konnte also die begrenzte Menge an Geld, die mir zur Verfügung stand, beim Investieren hebeln. Wenn ich die richtigen Entscheidungen traf, was ich natürlich anstrebte, konnte ich mehr Kredit aufnehmen, um noch mehr zu gewinnen. Terminkontrakte auf Aktien, Anleihen und Währungen gab es damals noch nicht. Bei den Rohstoff-Futures ging es ausschließlich um reale Rohstoffe wie Mais, Sojabohnen, Rinder und Schweine. An diesen Märkten begann ich zu handeln und zu lernen.

Meine Zeit am College fiel zusammen mit der Zeit der freien Liebe, der Experimente mit bewusstseinserweiternden Drogen und der Ablehnung traditioneller Autoritäten. Diese Zeit wirkte stark und dauerhaft auf mich und viele andere Mitglieder meiner Generation. Tiefen Einfluss hatte sie zum Beispiel auf Steve Jobs, den ich zusehends immer besser verstand und bewunderte. Genau wie ich praktizierte er Meditation und war wenig daran interessiert, sich belehren zu lassen, liebte es aber, sich in seiner Fantasie verblüffende neue Dinge zu erdenken und dann zu realisieren. Die Zeit, in der wir lebten, führte uns beide dazu, etablierte Vorgehensweisen infrage zu stellen. Die späteren Apple-Werbespots »1984« und »Here’s to the Crazy Ones« brachten Jobs’ Haltung meisterhaft zum Ausdruck – zwei Kampagnen, die mich sehr ansprachen.

Für das Land insgesamt waren es schwierige Jahre, und ein Riss ging durch die Gesellschaft, als immer mehr junge Männer zum Militärdienst in Vietnam eingezogen wurden und immer mehr von ihnen in Leichensäcken zurück nach Hause kamen. Die Reihenfolge der Einberufungen wurde durch eine »Lotterie« ermittelt, bei der die 366 Geburtsdaten vom 1. Januar bis zum 31. Dezember die »Lose« waren. Ich weiß noch, wie ich die Ziehung im Radio verfolgte, während ich mit meinen Freunden Billard spielte. Angenommen wurde, dass nur etwa die ersten 160 Geburtstage eingezogen würden; mein Geburtsdatum wurde als Nummer 48 genannt. Tatsächlich vorgelesen wurden aber alle 366 Geburtstage des Jahres.

Ich war nicht intelligent genug, um Angst davor zu haben, in den Krieg zu ziehen. Naiv, wie ich war, war ich überzeugt, mir würde schon nichts Schlimmes passieren. Trotzdem wollte ich nicht gehen, weil ich mit meinem Leben vorwärtskommen wollte und mir eine zweijährige Unterbrechung wie eine Ewigkeit vorkam. Mein Vater hingegen war vehement gegen den Krieg und wild entschlossen, mich nicht gehen zu lassen, auch wenn er selbst an die zwei vorigen Kriege geglaubt und in ihnen gekämpft hatte. Er ließ mich von einem Arzt untersuchen, der feststellte, dass ich an Hypoglykämie, also an krankhaft hoher Unterzuckerung, litt, sodass ich freigestellt wurde. Ich bin also durch eine Formalie um den Kriegseinsatz herumgekommen – letztlich half mir mein Vater, mich vor dem Wehrdienst zu drücken –, was bei mir im Rückblick gemischte Gefühle hervorruft. Denn ich fühle mich schuldig, nicht meinen Teil beigetragen zu haben, bin andererseits erleichtert, dass mir die schädlichen Folgen erspart blieben, die so viele in dem Krieg erlitten, und bin meinem Vater dankbar für die Liebe, die hinter seinen Bemühungen steckte, mich zu schützen. Ich habe keine Ahnung, was ich machen würde, wenn ich heute als Vater mit derselben Situation wie er damals konfrontiert wäre.

Als sich der Zustand der amerikanischen Politik und Wirtschaft verschlechterte, wurde die Stimmung im Land zusehends deprimiert. Die Tet-Offensive1 im Januar 1968 schien zu zeigen, dass Amerika den Krieg verlieren würde; ein paar Monate später beschloss Präsident Lyndon B. Johnson, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Nach den Wahlen zog Richard Nixon ins Weiße Haus ein, mit dem eine noch schwierigere Phase begann. Zu dieser Zeit ließ der französische Präsident Charles de Gaulle die Dollar seines Landes gegen Gold eintauschen, weil er befürchtete, die USA könnten zur Finanzierung ihrer hohen Ausgaben einfach Geld drucken. Ich beobachtete, wie sich die Nachrichtenlage und die Märkte parallel zueinander bewegten, und begann, das Gesamtbild zu sehen und die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen beidem zu erkennen.

Um 1970 oder 1971 herum stellte ich fest, dass beim Goldkurs ein Anstieg an den Weltmärkten einsetzte. Bis dahin hatte ich, wie die meisten Leute, Devisenkursen keine große Aufmerksamkeit geschenkt, weil das Währungssystem mein ganzes Leben über stabil gewesen war. Doch als in den Nachrichten immer häufiger Ereignisse mit Bezug zu Währungen auftauchten, erregten sie zusehends meine Aufmerksamkeit. Ich erfuhr, dass andere Währungen an den Dollar gekoppelt waren, dass der Dollar an Gold gekoppelt war, dass Amerikaner kein Gold besitzen durften (ich wusste allerdings nicht genau, warum) und dass andere Zentralbanken ihre Papier-Dollar gegen Gold eintauschen konnten, was ihnen garantieren sollte, dass sie nicht in Schwierigkeiten geraten würden, falls die USA zu viele Dollar drucken. Ich hörte, wie unsere Regierungsvertreter die Sorgen um den Dollar und die Aufregung um Gold abtaten und beteuerten, der Dollar sei gesund und Gold nur ein archaisches Metall. Hinter dem steigenden Goldpreis stünden Spekulanten, sagten sie, und die würden ruiniert, wenn sich die Lage erst normalisieren würde. Damals glaubte ich noch, dass Regierungsvertreter ehrlich sind.

Im Frühjahr 1971 beendete ich das College mit einem fast perfekten Notendurchschnitt, mit dem ich an der Harvard Business School angenommen wurde. In den Sommerferien vor meinem Studienbeginn fand ich einen Job als Gehilfe an der New Yorker Börse. Zur Mitte des Sommers hin näherte sich das Dollar-Problem seinem Höhepunkt. Berichten zufolge akzeptierten Europäer keine Dollar mehr von amerikanischen Touristen. Das globale Währungssystem war im Begriff zusammenzubrechen, aber mir war das noch nicht recht klar.

Am 15. August 1971, einem Sonntag, verkündete Präsident Nixon in einer Fernsehansprache, die USA würden ihr Versprechen zurückziehen, Dollar gegen Gold zurückzunehmen, was dazu führte, dass der Dollar abstürzte. Ich hörte Nixons Worten verwundert zu, hatten doch Regierungsvertreter versprochen, den Dollar keinesfalls abzuwerten. Statt die fundamentalen Probleme hinter dem Druck auf den Dollar anzusprechen, gab der Präsident weiterhin Spekulanten die Schuld und wählte seine Worte so, dass es klang, als wolle er den Dollar stützen, obwohl er mit seinen Maßnahmen in Wirklichkeit genau das Gegenteil tat. Die Währung »frei schwanken« zu lassen, wie es Nixon beschlossen hatte, sie dann aber wie einen Stein fallen zu lassen, nun, das sah für mich sehr nach einer Lüge aus. In den seither vergangenen Jahrzehnten habe ich wiederholt erlebt, wie Politiker solche Zusicherungen unmittelbar vor einer Währungsabwertung gegeben haben. Also habe ich gelernt, Vertretern von Regierungen nicht zu glauben, wenn sie beteuern, sie würden keine Währungsabwertung zulassen. Je lauter diese Beteuerungen vorgebracht werden, desto verzweifelter ist wahrscheinlich die Lage, und desto wahrscheinlicher wird eine Abwertung folgen.

Während ich Nixon zuhörte, fragte ich mich, was diese Entwicklungen bedeuteten. Geld, wie wir es bis dahin gekannt hatten – als Coupon mit dem Anrecht zur Einlösung gegen Gold –, gab es nicht mehr. Offensichtlich ging das Zeitalter der Versprechen, für das Kennedy gestanden hatte, zu Ende.

Als ich am Montagmorgen das Parkett der Börse betrat, dachte ich, es würde zu Tumulten kommen. Die gab es tatsächlich, aber nicht so, wie ich es erwartet hatte: Statt zu fallen, sprang der Aktienmarkt um 4 Prozent nach oben, was ein bedeutender Gewinn für einen Tag war.

Weil ich verstehen wollte, was sich da abspielte, verbrachte ich den Rest des Sommers damit, mich mit früheren Währungsabwertungen zu beschäftigen. Wie ich herausfand, hatte es alles, was gerade passierte, schon einmal gegeben – und logische Ursache-Wirkungs-Beziehungen machten diese Entwicklungen unvermeidlich: Eine Währung verliert die Anbindung an Gold und wertet ab, als Reaktion steigt der Aktienmarkt stark an. Vorausgeahnt hatte ich das nicht, und zwar deswegen, weil ich von etwas überrascht worden war, das ich noch nie zuvor erlebt hatte. Es war aber früher schon mehrere Male genau so passiert. Die Botschaft, die mir die Realität übermittelte, lautete: »Du solltest verstehen, was anderen Leuten in anderen Zeiten und an anderen Orten passiert ist, denn wenn du das nicht tust, wirst du nicht wissen, ob diese Dinge auch dir passieren können, und wenn sie passieren, wirst du nicht wissen, wie du damit umgehen sollst.«

Als ich im Herbst an der Harvard Business School begann, freute ich mich darauf, die außergewöhnlich intelligenten Menschen kennenzulernen, die meine Kommilitonen sein würden. Und obwohl ich meine Erwartungen bereits sehr hoch gesteckt hatte, kam es sogar noch besser. Ich wohnte mit Leuten zusammen, die von überall aus der Welt kamen, und wir feierten Partys in einem spannenden, bunt gemischten Umfeld. Es gab keinen Lehrer, der vor einer Tafel stand und uns sagte, was wir uns merken sollten, und es gab keine Tests, um zu prüfen, ob wir es wirklich taten. Stattdessen sollten wir reale Fallstudien analysieren. In den anschließenden Gruppensitzungen wurde diskutiert, wie wir an der Stelle der Protagonisten der Fallstudien handeln würden. Diese Art von Schule mochte ich!

Unterdessen entwickelten sich Wirtschaft und Aktienmarkt prächtig, dank der Welle des Gelddruckens nach der Abkehr vom Goldstandard. Im Jahr 1972 waren Aktien wieder angesagt, und besonders in Mode waren zu dieser Zeit die Nifty Fifty (»die schicken Fünfzig«). Diese Gruppe von 50 Aktien zeichnete sich durch schnelles und stetiges Gewinnwachstum aus und galt weithin als sichere Sache.

Der Aktienmarkt mag heiß gewesen sein, doch ich interessierte mich mehr für den Handel mit Rohstoffen. Daher bettelte ich im Frühjahr beim Chef der Rohstoffabteilung von Merrill Lynch um einen Job für die Sommerferien. Er war überrascht, denn normalerweise interessierten sich Studenten von Universitäten wie der Harvard Business School nicht für Rohstoffe, die damals als obskures Stiefkind der Wall-Street-Broker galten. Soweit ich weiß, hatte noch nie zuvor ein Student der Harvard Business School irgendwo im Bereich Rohstoff-Futures gearbeitet. Bei den meisten Wall-Street-Firmen gab es nicht einmal eine Rohstoffabteilung, und die von Merrill Lynch war klein, in einer Seitenstraße versteckt und mit einfachen Metalltischen möbliert.

Ein paar Monate später war ich für mein zweites Studienjahr wieder an der HBS. Der zweite Ölschock setzte ein, bei dem sich die Preise innerhalb von Monaten vervierfachten. Die US-Wirtschaft schwächte sich ab, die Rohstoffpreise stiegen sprunghaft, und im Jahr 1973 ging der Aktienmarkt auf Tauchkurs. Erneut wurde ich von der Entwicklung überrascht – aber im Rückblick konnte ich erkennen, dass die Dominosteine in einer logischen Reihenfolge gefallen waren.

In diesem Fall hatten sich die mit Schulden finanzierten überhöhten Staatsausgaben der 1960er-Jahre bis in die frühen 1970er-Jahre fortgesetzt. Die Federal Reserve (Fed), das US-Zentralbanksystem, hatte diese Ausgaben mit lockerer Kreditpolitik finanziert, doch indem die USA ihre Schulden mit abgewertetem Papiergeld statt mit goldgedeckten Dollar beglichen, ließen sie die Rückzahlung im Grunde ausfallen. Angesichts des enormen Gelddruckens war es nur folgerichtig, dass der Kurs des Dollar abstürzte. Das ermöglichte mehr lockere Kredite, die wiederum zu mehr Ausgaben führten. Der Inflationsschub, der auf den Zusammenbruch des Währungssystems folgte, ließ die Rohstoffpreise sogar noch weiter steigen. Die Fed reagierte darauf, indem sie im Jahr 1973 ihre Geldpolitik straffte, so wie es Zentralbanken immer tun, wenn Inflation und Wachstum zu heftig werden. Dieses Mal aber waren die Folge die schwersten Kursverluste bei Aktien und die deutlichste Abschwächung der Wirtschaft seit der Großen Depression. Besonders stark erwischte es die Nifty Fifty, die massiv abstürzten.

Die Lektion daraus? Wenn jeder das Gleiche denkt (etwa, was für eine sichere Wette die Nifty Fifty doch sind), ist das fast mit Sicherheit bereits im Kurs berücksichtigt, und weiter darauf zu wetten, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als Fehler erweisen. Ebenso habe ich gelernt, dass jede Aktion (wie etwa lockeres Geld und Kredit) eine Konsequenz hat (in diesem Fall höhere Inflation), die ungefähr proportional zur ursprünglichen Aktion ist und eine entgegengesetzte Reaktion (Straffung der Geld- und Kreditpolitik) und Trendwenden am Markt auslöst.

Langsam begann ich zu begreifen, wie bestimmte Dinge immer wieder passierten, und betrachtete nun fast alles, was geschah, als »noch so ein Fall«: Fast alles war aus logischen Gründen von Ursache und Wirkung zuvor schon mehrmals vorgekommen. Natürlich war es trotzdem weiterhin schwierig zu identifizieren, was genau sich gerade wiederholte, und zugleich die Ursache-Wirkungs-Beziehungen dahinter zu verstehen. Im Rückblick mochte fast alles unvermeidlich und logisch erscheinen, doch in Echtzeit war nichts auch nur annähernd so deutlich zu erkennen.

Weil Menschen jagen, was heiß ist, und sich von dem fernhalten, was nicht heiß ist, kam Geldanlage in Aktien nach 1973 aus der Mode. Stattdessen wurde der Rohstoffhandel attraktiv. Mit meiner Erfahrung in diesem Bereich und meinem Harvard-MBA-Abschluss wurde ich zu einer gefragten »Ressource«. Dominick & Dominick, eine mittelgroße, 100 Jahre alte Broker-Firma, stellte mich für ein Jahresgehalt von 25 000 Dollar als Leiter des Rohstoffbereichs ein; das Gehalt lag nah an der Spitze von dem, was frischgebackene HBS-Absolventen in diesem Jahr verdienen konnten. Mein neuer Chef setzte mich mit einem älteren Kollegen zusammen, der über reichlich Erfahrung im Rohstoff-Brokerage verfügte, und wir bekamen die Aufgabe, eine Rohstoffabteilung aufzubauen. Damit war ich völlig überfordert, aber auch zu arrogant, um das zu erkennen, geschweige denn zuzugeben. Wahrscheinlich hätte ich einige schmerzhafte Lektionen gelernt, wenn ich den Job länger gemacht hätte. Doch der schwache Aktienmarkt ließ Dominick & Dominick untergehen, bevor wir sehr weit gekommen waren.

Als die Wirtschaft aus den Fugen geriet, dominierte der Watergate-Skandal die Schlagzeilen. Noch ein Beispiel dafür, wie Politik und Wirtschaft miteinander zusammenhängen, wobei die Wirtschaft meist vorangeht. Die Abwärtsspirale führte dazu, dass in der Bevölkerung der Pessimismus wuchs; also verkauften die Leute ihre Aktien, und der Markt fiel immer weiter. Viel schlimmer konnte die Lage nicht mehr werden, doch jeder hatte Angst davor, dass es genau so kommen würde. Es war das Spiegelbild von dem, was ich im Jahr 1966 erlebt hatte, als der Markt seinen Höchststand erreichte – und genau wie damals lag die allgemeine Meinung wieder falsch. Wenn die Leute sehr pessimistisch sind, verkaufen sie alles, die Kurse fallen auf ein meist sehr niedriges Niveau, und es muss etwas getan werden, um die Umstände zu verbessern. Wie zu erwarten, lockerte die Fed ihre Geldpolitik, und im Dezember 1974 erreichten die Aktienkurse den Boden.

Damals war ich Single und lebte in New York City. Ich hatte viel Spaß beim Feiern mit Freunden von der HBS und ich hatte viele Dates. Mein Mitbewohner traf sich mit einer Frau aus Kuba und arrangierte ein Blind Date mit einer ihrer Freundinnen, einer Spanierin namens Barbara, die kaum Englisch sprach. Das war kein Problem, denn wir kommunizierten auf andere Weisen. Sie begeisterte mich fast zwei Jahre lang, bevor wir zusammenzogen, heirateten, vier Söhne bekamen und ein wunderbares Leben zusammen führten. Sie begeistert mich noch heute, legt aber viel Wert auf ihre Privatsphäre, sodass ich hier nicht mehr über sie verraten darf.

Während ich im Broker-Geschäft arbeitete, handelte ich gleichzeitig auf eigene Rechnung. Ich hatte zwar mehr Gewinner- als Verliererpositionen, kann mich heute aber nur noch an die Verlustgeschäfte erinnern. Ein großes erlebte ich mit Schweinebäuchen. Mehrere Tage lang erreichte der Markt für sie sein Abwärtslimit – fiel also so weit, dass der Handel eingestellt werden musste. Die Auswirkungen dieser Erfahrung habe ich später gegenüber Jack Schwager beschrieben, dem Autor von Hedge Fund Market Wizards:

In dieser Zeit hatten wir die großen Rohstoffkurstafeln, die klickten, wann immer sich die Kurse änderten. Also sah und hörte ich jeden Morgen den Markt um 200 Punkte herunterklicken, bis zum täglichen Limit. Bei diesem Kurs blieb er stehen, und ich wusste, dass ich noch viel mehr verloren hatte, und die Höhe meiner potenziellen weiteren Verluste war immer noch offen. Das war eine sehr spürbare Erfahrung (…) und durch sie habe ich gelernt, wie wichtig Risikokontrollen sind, denn derartige Schmerzen wollte ich nie wieder erleben. Sie hat meine Angst davor verstärkt, falschzuliegen, und sie hat mich gelehrt, dafür zu sorgen, dass keine Einzelwette und auch nicht mehrere Wetten zusammen mehr Verluste bei mir verursachen können als eine vertretbare Summe. Im Handel muss man defensiv und aggressiv gleichzeitig sein. Wenn man nicht aggressiv ist, wird man kein Geld verdienen, und wenn man nicht defensiv ist, wird man es nicht behalten. Ich glaube, dass jeder, der im Handel Geld verdient hat, irgendwann einmal schreckliche Schmerzen erleben musste. Handeln ist wie das Arbeiten mit Elektrizität: Man kann dabei einen Schlag bekommen. Bei dem Schweinebauch-Geschäft und anderen Geschäften habe ich den elektrischen Schlag und die Angst, die er auslöst, zu spüren bekommen.

Nachdem Dominick & Dominick sein Privatanlegergeschäft geschlossen hatte, wechselte ich zu einer größeren, erfolgreicheren Broker-Firma. Während meiner kurzen Zeit dort übernahm diese Firma viele andere Broker und änderte mehrmals ihren Namen. Am Ende lautete er Shearson, aber die ganze Zeit über stand Sandy Weill an der Spitze.

Shearson übertrug mir die Verantwortung für die Absicherung von Termingeschäften, zu denen sowohl Rohstoff-Futures als auch Finanz-Futures zählten. Ich war derjenige, der Kunden, deren Geschäftstätigkeit Preisrisiken mit sich brachte, dabei half, sie mit Termingeschäften zu steuern. Ich entwickelte einige Kompetenz über die Märkte für Getreide und Lebendvieh, was mich häufig nach Westtexas und in die landwirtschaftlichen Gegenden Kaliforniens führte. Die Shearson-Broker, Rinderzüchter und Getreidehändler, mit denen ich dort zu tun hatte, waren tolle Leute und zeigten mir ihre Welt. Sie nahmen mich mit in Country-Kneipen, zu Taubenjagden und Barbecues. Wir arbeiteten und hatten viel Spaß zusammen, und ich baute mit ihnen ein zweites Leben auf, das mehrere Jahre andauerte – obwohl ich nur etwas länger als ein Jahr lang bei Shearson blieb.

Denn so sehr ich diesen Job und die Menschen mochte, mit denen ich arbeitete, passte ich doch nicht in die Shearson-Organisation. Ich war zu wild. Zum Beispiel habe ich einmal eine Stripperin bestellt, die sich ausziehen sollte, während ich beim Jahrestreffen der California Grain & Feed Association eine Rede hielt – eine Idee, die mir heute ziemlich blöd vorkommt. Außerdem schlug ich meinen Chef mit der Faust ins Gesicht. Dass ich gefeuert wurde, war also keine Überraschung.

Aber die Broker, ihre Kunden und selbst die Leute, die mich rauswarfen, mochten mich und wollten weiterhin von mir beraten werden. Noch besser: Sie waren bereit, mich dafür zu bezahlen. Also gründete ich im Jahr 1975 Bridgewater Associates.

DIE GRÜNDUNG VON BRIDGEWATER

Genau genommen gründete ich das Unternehmen erneut. Direkt nach meinem Abschluss an der HBS und dem Beginn meiner Arbeit bei Dominick & Dominick hatte ich gemeinsam mit meinem Kommilitonen Bob Scott ein kleines Unternehmen gegründet. Zusammen mit ein paar Freunden auf anderen Kontinenten unternahmen wir halbherzig den Versuch, Rohstoffe aus den USA in andere Länder zu verkaufen. Wir wählten den Namen Bridgewater, weil wir »eine Brücke über das Wasser bauten« und weil er gut klang. Im Jahr 1975 war von diesem Rohstoffunternehmen nicht mehr viel übrig, aber auf dem Papier existierte es noch.

Gearbeitet habe ich in meiner Zweizimmerwohnung. Ursprünglich hatte ich mir die Wohnung mit einem HBS-Studienfreund geteilt, und als er auszog, machte ich sein Schlafzimmer zu meinem Büro. Unterstützt wurde ich von einem anderen Freund, mit dem ich auch Rugby spielte, und wir stellten eine tolle junge Frau als unsere Assistentin ein. Das war Bridgewater.

Die meiste Zeit über beobachtete ich die Märkte, wobei ich die Perspektive meiner Kunden einnahm, denn wie sonst hätte ich ihnen zeigen können, wie ich mit den Marktrisiken umgehen würde, wenn ich sie wäre? Natürlich handelte ich auch weiter auf eigene Rechnung. Zusammen mit Freunden auf einer Mission zu sein, die darin bestand, Kunden beim Schlagen der Märkte zu helfen, war viel unterhaltsamer als ein richtiger Job. Solange meine Lebenshaltungskosten gedeckt waren, wusste ich, dass ich glücklich mit dieser Art Arbeit sein würde.

Im Jahr 1977 beschlossen Barbara und ich, ein Kind zu bekommen. Wir heirateten und mieteten in Manhattan ein Reihenhaus, in das ich auch das Unternehmen umsiedelte. Die Russen kauften damals viel Getreide und wollten meinen Rat, also unternahm ich mit Barbara eine Mischung aus Hochzeits- und Geschäftsreise in die Sowjetunion. Am Silvestertag kamen wir in Moskau an und fuhren mit dem Bus vom düsteren Flughafen durch Schneetreiben an der Basilius-Kathedrale vorbei zu einer großen Party mit vielen unglaublich freundlichen, lebensfrohen Russen.

Mein Unternehmen war für mich schon immer eine Möglichkeit, zu exotischen Orten zu reisen und interessante Menschen kennenzulernen. Wenn ich auf solchen Reisen auch noch Geld verdiene, ist das nur das Sahnehäubchen für mich.

MÄRKTE ALS MASCHINEN

Ich tauchte tief in die Welt der Märkte für Lebendvieh, Fleisch, Getreide und Ölsaaten ein. Ich liebte sie, weil sie konkret waren und weniger anfällig für verzerrte Wahrnehmungen des Wertes als Aktien. Während Aktien lange Zeit zu hoch oder zu niedrig stehen konnten, weil es immer »noch größere Idioten« gab, die sie weiter kauften oder verkauften, endete Lebendvieh irgendwann in der Fleischtheke, wo sich der Preis für es danach richtete, was Verbraucher zu zahlen bereit waren. Ich konnte mir die Prozesse vorstellen, die zu diesen Verkäufen führten, und die Beziehungen, die dafür eine Rolle spielten. Weil Vieh Getreide (hauptsächlich Mais) und Sojamehl frisst, und weil Mais und Soja im Wettbewerb um Anbauflächen stehen, hängen diese Märkte eng miteinander zusammen. Ich lernte fast alles über sie, was man sich nur vorstellen kann: die genutzten Flächen und typischen Erträge in jedem der wichtigen Anbaugebiete; wie man die Regenmengen in unterschiedlichen Wochen der Wachstumssaison für Ernteprognosen heranzieht; wie man Erntemengen, Lagerkosten und Lebendviehbestände nach Gewichtsgruppe, Standort und Tempo der Gewichtszunahme vorhersagt; und wie sich Schlachtausbeute, Einzelhändlermargen, Verbraucherpräferenzen für verschiedene Fleischstücke und die Schlachtmengen in jeder Saison vorausberechnen lassen.

Das hatte nichts mit wissenschaftlichem Lernen zu tun. Menschen mit praktischen Erfahrungen in diesem Geschäft zeigten mir, wie die landwirtschaftlichen Prozesse funktionierten. Was sie mir erzählten, fasste ich in Modellen zusammen, die ich benutzte, um die Interaktionen der einzelnen Elemente im Zeitverlauf abzubilden.

Wenn ich zum Beispiel wusste, wie viele Kälber, Hühner und Schweine gefüttert wurden, wie viel Getreide sie fraßen und wie schnell sie Gewicht zulegten, konnte ich prognostizieren, wann und wie viel Fleisch auf den Markt kommen würde und wann und wie viel Mais und Sojamehl gebraucht würden. Ähnlich konnte ich, wenn ich wusste, wie viel Fläche in allen Anbaugebieten mit Mais und Soja bepflanzt wurde, mit Regressionsgleichungen abschätzen, wie Regen den Ertrag in diesen Gebieten beeinflusste, und mit Wettervorhersagen und Daten zu den Regenmengen konnte ich Timing und Qualität der Produktion von Mais und Sojamehl prognostizieren. Für mich war das wie eine elegante Maschine mit logischen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Indem ich die Beziehungen verstand, konnte ich Entscheidungsregeln (oder Prinzipien) entwickeln, die sich modellieren ließen.

Diese frühen Modelle waren weit entfernt von dem, wie wir heute arbeiten. Sie waren auf einem Stück Papier entstandene Skizzen, analysiert und in Computerprogramme umgesetzt mit der Technologie, die ich mir damals leisten konnte. Ganz am Anfang berechnete ich Regressionen mit meinem Taschenrechner vom Typ Hewlett-Packard HP-67, zeichnete Kursgrafiken von Hand mit farbigen Stiften und hielt jede Transaktion in Notizbüchern fest. Als der Personal Computer auf den Markt kam, konnte ich Zahlen eingeben und beobachten, wie in Tabellen ein Bild von dem entstand, was passieren würde. Ich wusste, wie Kälber, Schweine und Hühner die verschiedenen Phasen ihrer Produktion durchliefen, wie sie um das Geld von Fleischkonsumenten konkurrierten, wie viel diese Kunden dafür ausgeben würden und warum, und wie die Gewinnmargen von Fleischgroß- und -einzelhändlern deren Verhalten beeinflussen würden (zum Beispiel, welche Fleischstücke sie besonders bewarben). So konnte ich erkennen, wie die Maschine Preise für Rinder, Schweine und Hühner produzierte, auf die ich wetten konnte.

So einfach diese frühen Modelle auch waren, ich liebte es, sie zu entwickeln und zu überarbeiten – und sie waren gut genug, um damit Geld zu verdienen. Der Ansatz zur Preisbestimmung, den ich nutzte, unterschied sich von dem, den ich in meinen Wirtschaftsvorlesungen gelernt hatte – hier wurden sowohl Angebot als auch Nachfrage anhand der verkauften Mengen gemessen. Als viel praxisgerechter erwies sich für mich, die Nachfrage anhand des ausgegebenen Geldes (statt der gekauften Menge) zu messen und mich damit zu beschäftigen, wer die Käufer und Verkäufer waren und warum sie kauften oder verkauften. Diesen Ansatz werde ich in meinem nächsten Buch Prinzipien für Ökonomie und Geldanlage erklären.

Mein abweichender Ansatz war einer der wichtigsten Gründe dafür, dass ich Wirtschafts- und Marktentwicklungen erwischte, die andere verpassten. Von da an konnte ich, wann immer ich mich mit einem Markt – Rohstoffe, Aktien, Anleihen, Währungen, was auch immer – beschäftigte, Ungleichgewichte erkennen und verstehen, die anderen entgingen, weil sie Angebot und Nachfrage auf die hergebrachte Weise definierten (also als Einheiten, die einander entsprechen).

Komplexe Systeme als Maschinen visualisieren, die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen ihnen herausfinden, die Prinzipien für den Umgang damit aufschreiben und sie in einen Computer eingeben, der dann für mich »Entscheidungen trifft«: All das wurden Standardpraktiken für mich.