Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch große Schuldenkrisen - Ray Dalio - E-Book
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Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch große Schuldenkrisen E-Book

Ray Dalio

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Beschreibung

Große Schuldenkrisen gibt es immer wieder, sie gehören zum Wirtschaftsleben dazu. Hedgefonds-Legende Ray Dalio hat sich gefragt: Gibt es Gesetzmäßigkeiten, die immer auftreten? Sofern man solche Gesetzmäßigkeiten erkennt, kann man sich nämlich darauf einstellen, diese Krisen besser als andere bewältigen und sein Vermögen sichern – in Dalios Fall 140 Milliarden US-Dollar, die sein Hedgefonds Bridgewater verwaltet. Also untersuchte er die Krisen der letzten 100 Jahre, darunter den großen Crash 1929, die Hyperinflation im Deutschland der 30er-Jahre, die Finanzkrise 2008 – und wurde fündig. Mit beeindruckender Akribie hat er in "Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch große Schuldenkrisen" seine Erkenntnisse zusammengefasst. So kann jeder Leser sich in Krisenzeiten entsprechend positionieren und sein Portfolio optimal schützen.

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Principles: So navigieren Sie Ihr Vermögen durch

GROSSE SCHULDEN KRISEN

RAY DALIO

Die Originalausgabe erschien unter dem TitelPrinciples For Navigating Big Debt CrisesISBN 978-1-7326898-0-0

Copyright der Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Ray Dalio

All rights reserved.

Copyright der deutschen Ausgabe 2021:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Egbert Neumüller

Coveridee: Andrew Greif

Layout: Creative Kong

Satz: Timo Boethelt

Lektorat: Elke Sabat

ISBN 978-3-86470-735-3

eISBN 978-3-86470-736-0

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Danksagung

Ich kann den vielen Menschen bei Bridgewater, die meine Mission mit mir teilen, die Märkte zu verstehen und dieses Verständnis in der wirklichen Welt zu überprüfen, gar nicht genug danken. Ich feiere die bedeutungsvolle Arbeit und die bedeutungsvollen Beziehungen, die wir haben und die zu Erkenntnissen und Grundsätzen geführt haben, die uns auf sehr tiefgreifende Weise bereichern.

Zu der Liste der großartigen Partner gehören Bob Prince, Greg Jensen und Dan Bernstein, die seit Jahrzehnten mit mir zusammenarbeiten, mein derzeitiges Investmentresearch-Team (insbesondere Steven Kryger, Gardner Davis, Bill Longfield, Anser Kazi, Danny Newman, Michael Savarese und Elena Gonzalez Malloy), Angehörige meiner früheren Researchteams (insbesondere Brian Gold, Claude Amadeo, Bob Elliott, Mark Dinner, Brandon Rowley und Jason Rogers) sowie viele andere, die über die Jahre mit mir an Research gearbeitet haben. Auch schulde ich den vielen anderen führenden Researchern von Bridgewater Dank, unter anderem Jason Rotenberg, Noah Yechiely, Larry Cofsky, Ramsen Betfarhad, Karen Karniol-Tambour, Kevin Brennan, Kerry Reilly, Jacob Kline, Avraam Sidiropoulos, Amit Srivastava und unserem hochgeschätzten früheren Kollegen Bruce Steinberg, den wir tragischerweise im vergangenen Jahr verloren haben.

Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Der archetypische große Schuldenzyklus

Teil 2: Detaillierte Fallstudien

Schuldenkrise und Hyperinflation in Deutschland (1918–1924)

Schuldenkrise und Bereinigung in den Vereinigten Staaten (1928–1937)

Schuldenkrise und Bereinigung in den Vereinigten Staaten (2007–2011)

Teil 3: Kompendium aus 48 Fallstudien

TEIL 1:DER ARCHETYPISCHE GROSSE SCHULDENZYKLUS

TEIL 1: DER ARCHETYPISCHE GROSSE SCHULDENZYKLUS

Einführung

Teil 1: Der archetypische große Schuldenzyklus

Meine Gedanken über Kredit und Schulden

Das Muster des archetypischen langfristigen/großen Schuldenzyklus

Unsere Untersuchung des Zyklus

Die Phasen des klassischen deflationären Schuldenzyklus

Die Anfangsphase des Zyklus

Die Blase

Der Höhepunkt

Die „Depression“

Der „schöne Schuldenabbau“

„Vergebliche Liebesmüh“

Normalisierung

Inflationäre Depressionen und Währungskrisen

Die Phasen des klassischen inflationären Schuldenzyklus

Die Anfangsphase des Zyklus

Die Blase

Der Höhepunkt und die Verteidigung der Währung

Die Depression (häufig wenn der Währung freier Lauf gelassen wird)

Normalisierung

Die Spirale von einer eher vorübergehenden inflationären Depression hinein in die Hyperinflation

Kriegswirtschaften

Zusammenfassung

Einführung

Ich schreibe dies am zehnten Jahrestag der Finanzkrise 2008, um die Perspektive eines Investors zu bieten, der sich gut durch die Krise manövriert hat, denn ich hatte ein Muster entwickelt, um zu verstehen, wie alle Schuldenkrisen funktionieren. Ich teile hier dieses Muster mit Ihnen in der Hoffnung, die Wahrscheinlichkeit künftiger Schuldenkrisen zu senken und dazu beizutragen, dass sie besser bewältigt werden.

Als Investor habe ich eine andere Perspektive als die meisten Volkswirte und Politiker, denn ich setze mittels der Märkte, die wirtschaftliche Veränderungen widerspiegeln, auf diese Veränderungen und bin somit gezwungen, mich auf relative Bewertungen und Kapitalflüsse zu konzentrieren, die Kapitalbewegungen antreiben. Diese wiederum treiben die betreffenden Zyklen an. Bei dem Versuch, mich durch sie hindurchzumanövrieren, habe ich festgestellt, dass nichts mit dem Leid vergleichbar ist, das man empfindet, wenn man sich geirrt hat, oder mit der Freude, wenn man richtiggelegen hat – als globaler Makro-Investor, der praktische Lehren über Volkswirtschaften liefert, die in Lehrbüchern nicht enthalten sind.

Nachdem ich wiederholt von Ereignissen empfindlich getroffen worden war, die mir noch nie begegnet waren, verspürte ich den Drang, über meine persönlichen Erfahrungen hinauszugehen und alle großen wirtschaftlichen Bewegungen und Marktbewegungen der Geschichte zu untersuchen, und zwar in einer Art und Weise, die sie zu virtuellen Erfahrungen machen würden – also so, dass sie mir vorkommen würden, als würde ich sie in Echtzeit erleben. Auf diese Weise würde ich so auf den Markt wetten müssen, als wüsste ich nur das, was bis zum betreffenden Augenblick geschehen war. Das tat ich, indem ich historische Fälle chronologisch und sehr detailliert untersuchte, sodass ich sie Tag um Tag und Monat um Monat durchlebte. Das verschaffte mir eine viel breitere und tiefere Perspektive, als wenn ich meinen Standpunkt auf meine eigenen unmittelbaren Erfahrungen beschränkt hätte. In meiner eigenen Erfahrung erlebte ich die Erosion und schließlich den Zusammenbruch des Weltwährungssystems („Bretton Woods“) in den Jahren 1966 bis 1971, die Inflationsblase der 1970er-Jahre und ihr Platzen 1978 bis 1982, die inflationäre Depression in Lateinamerika in den 1980er-Jahren, die Japan-Blase Ende der 1980er-Jahre und ihr Platzen 1988 bis 1991, die globalen Schuldenblasen, die in die „Technologieblase“ mündeten, die im Jahr 2000 platzte, und den großen Schuldenabbau 2008. Durch mein Studium der Geschichte erlebte ich den Zusammenbruch des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert, die Schuldenrückführung der Vereinigten Staaten 1789, die Weimarer Republik in den 1920er-Jahren, die Weltwirtschaftskrise/Große Depression, den Krieg, der viele Länder von 1930 bis 1945 verschlang, und viele andere Krisen.

Meine Neugier und mein Drang, zu wissen, wie solche Dinge funktionieren, damit ich sie in Zukunft überleben würde, veranlassten mich zu dem Versuch, die Ursache-Wirkungs-Mechanismen zu verstehen, die hinter ihnen stehen. Ich merkte, dass ich, indem ich viele Fälle jedes Typs von ökonomischem Phänomen (zum Beispiel Konjunkturzyklen, Schuldenabbau) untersuchte und die jeweiligen Zahlen darstellte, die Ursache-Wirkungs-Beziehungen jedes Typs besser visualisieren und untersuchen konnte. So kam ich darauf, Muster beziehungsweise archetypische Modelle jedes Typs zu erstellen – etwa den archetypischen Konjunkturzyklus, den archetypischen großen Schuldenzyklus, den archetypischen deflationären Schuldenabbau, den archetypischen inflationären Schuldenabbau et cetera. Und indem ich dann die Unterschiede zwischen den einzelnen Fällen innerhalb eines Typs vermerkte (zum Beispiel jeder einzelne Konjunkturzyklus im Verhältnis zum archetypischen Konjunkturzyklus), konnte ich sehen, was die jeweiligen Unterschiede verursachte. Indem ich diese Muster zusammenstrickte, gewann ich ein vereinfachtes, aber doch tief reichendes Verständnis aller Einzelfälle und konnte Prinzipien entwickeln, gut mit ihnen zurechtzukommen. Anstatt vieler Einzelereignisse sah ich einige wenige Dinge, die immer und immer wieder geschehen – wie ein erfahrener Arzt, der jeden sich abspielenden Fall eines bestimmten Krankheitsbilds als „noch so einen“ erlebt.

Bei diesen Recherchen und bei der Entwicklung dieses Musters halfen mir viele großartige Partner bei Bridgewater Associates. Dank dieses Musters konnten wir uns besser auf Stürme vorbereiten, in die wir noch nie hineingeraten waren, so wie jemand, der sich mit Jahrhunderthochwassern oder mit Seuchen befasst, sie besser kommen sieht und sich besser darauf vorbereiten kann. Wir nutzten dieses, unser Verständnis, um unsere Prinzipien zu entwickeln und computerbasierte Entscheidungsmodelle zu erstellen, die detailliert darlegten, wie wir auf so gut wie jede Ereignismöglichkeit reagieren würden. Diese Herangehensweise kam uns sehr zugute. So erstellten wir beispielsweise acht Jahre vor der Finanzkrise 2008 ein „Depressionsbarometer“, das darauf programmiert war, auf die Ereignisse der Jahre 2007 und 2008 zu reagieren, die es seit 1929 bis 1932 nicht mehr gegeben hatte. Daher lief es bei uns sehr gut, während es bei fast allen anderen schlecht lief.

Zwar werde ich die Entscheidungssysteme von Bridgewater hier nicht detailliert beschreiben, aber im Rahmen dieser Studie werde ich Folgendes mitteilen: 1) Mein Muster des „archetypischen großen Schuldenzyklus“, 2) „Drei ikonische Fallstudien“, die ich detailliert untersucht habe (USA 2007–2011 einschließlich der „Großen Rezession“; USA 1928–1937, eine deflationäre Depression; Deutschland 1918–1924, eine inflationäre Depression) und 3) ein „Kompendium aus 48 Fallstudien“, das einige der größten Schuldenkrisen der letzten 100 Jahre beinhaltet.* Ich garantiere Ihnen, dass Sie, wenn Sie sich die Mühe machen, jede dieser drei Sichtweisen zu verstehen, große Schuldenkrisen ganz anders betrachten werden als zuvor.

Tag um Tag die Wirtschaft und die Märkte – oder auch so ziemlich alles andere – zu beobachten ist für mich, als befände ich mich in einem Schneesturm, in dem Millionen Informationsschnipsel und -krümel auf mich einstürzen, die ich darstellen und auf die ich gut reagieren muss. Damit Sie verstehen, was ich mit dem Blizzard im Unterschied zu einer darstellenden Betrachtung des Geschehens meine, vergleichen Sie einmal das, was in Teil 1 des Buches vermittelt wird (die am ehesten zusammenfassend darstellende Version/das Muster), mit Teil 2 (der feinkörnigsten Version) und Teil 3 (der Version, die die 48 Fälle in Form von Diagrammen darstellt). Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, dass sich alle diese Fälle im Prinzip auf die gleiche Weise äußern, die im archetypischen Fall beschrieben wurde, aber auch die Unterschiede bemerken, die Sie veranlassen werden, darüber nachzudenken, warum es diese Unterschiede gibt und wie sie sich erklären lassen – und das wird Ihr Verständnis voranbringen. Auf diese Weise werden Sie, wenn die nächste Krise kommt, besser darauf vorbereitet sein, sie zu bewältigen.

Um es ganz klar zu sagen: Ich weiß es zu würdigen, dass verschiedene Menschen verschiedene Sichtweisen haben, dass die meinige nur eine davon ist und dass wir alle nur dann an Verständnis gewinnen können, wenn wir unsere Sichtweisen vorstellen und zur Diskussion stellen. Genau deshalb teile ich diese Studie mit Ihnen.

*Teil 3 enthält ein Glossar mit ökonomischen Begriffen, und als allgemeinen Überblick über die in der vorliegenden Studie enthaltenen Konzepte empfehle ich mein 30-minütiges animiertes Video „How the Economic Machine Works“, das man sich auf www.economicprinciples.org ansehen kann.

Der archetypische große Schuldenzyklus

Meine Gedanken über Kredit und Schulden

Da wir häufig die Begriffe „Kredit“ und „Schulden“ verwenden werden, möchte ich damit anfangen, was das jeweils ist und wie sie funktionieren.

Kredit ist die Vergabe von Kaufkraft. Diese Kaufkraft wird im Austausch gegen ein Rückzahlungsversprechen gewährt, und das ist eine Schuld. Durch Bereitstellung von Kredit die Möglichkeit zu verleihen, etwas zu kaufen, ist für sich genommen eindeutig eine gute Sache, und es kann eine schlechte Sache sein, nicht die Möglichkeit zu verleihen, Dinge zu kaufen und Gutes zu tun. Ein Beispiel: Wenn wenige Baudarlehen vergeben werden, wird sehr wenig gebaut, und das ist schlecht. Schulden werden dann zum Problem, wenn sie nicht zurückgezahlt werden können. Anders ausgedrückt: Die Frage, ob schnelles Kredit-/Schuldenwachstum gut oder schlecht ist, hängt davon ab, was der Kredit produziert und wie die Schulden zurückgezahlt werden (also wie die Schulden bedient werden).

Es ist fast schon per Definition so, dass finanziell verantwortungsvolle Menschen nicht gern viele Schulden haben. Diese Sichtweise verstehe ich, weil ich sie teile.1 Mein Leben lang, auch als ich überhaupt kein Geld hatte, war mir Sparen viel lieber, als Schulden zu machen, denn ich fand, dass die Vorteile von Schulden ihre Nachteile nicht aufwiegen; ich nehme an, diese Sichtweise habe ich von meinem Vater geerbt. Ich identifiziere mich mit Menschen, die finden, wenige Schulden zu machen sei besser als viele zu machen. Aber im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass das nicht zwingend so sein muss, vor allem nicht auf die Gesellschaft als Ganzes (im Unterschied zu Einzelpersonen) bezogen, denn diejenigen, die für die Gesellschaft Politik machen, haben Steuerungsmöglichkeiten, die Einzelpersonen nicht haben. Aus meinen Erfahrungen und Forschungen habe ich gelernt, dass zu wenig Kredit/Schulden genauso schlimme oder noch schlimmere wirtschaftliche Probleme erzeugen können, wobei der Preis dafür entgangene Gelegenheiten sind.

Allgemein formuliert: Da Kredit sowohl Kaufkraft als auch Schulden erzeugt, hängt die Frage, ob mehr Kredit wünschenswert ist oder nicht, davon ab, ob das geliehene Geld ausreichend produktiv verwendet wird, um genug Einkommen für den Schuldendienst zu generieren. Geschieht das, wurden die Mittel gut verwendet und sowohl der Kreditgeber als auch der Kreditnehmer profitieren davon wirtschaftlich. Geschieht das nicht, sind weder der Kreditgeber noch der Kreditnehmer zufrieden, und sehr wahrscheinlich wurden die Mittel dann schlecht verwendet.

Wenn man dies für die Gesellschaft als Ganzes beurteilen möchte, muss man neben den primären/unmittelbaren/direkten ökonomischen Folgen auch die sekundären/mittelbaren/indirekten ökonomischen Folgen bedenken. So wird zum Beispiel manchmal nicht genug Geld/Kredit für so offenkundig kosteneffiziente Dinge wie eine gute Ausbildung unserer Kinder (die sie produktiver machen und gleichzeitig die Kriminalität sowie die Inhaftierungskosten senken würde) oder die Ersetzung ineffizienter Infrastruktur verwendet, weil ein fiskalischer Konservatismus darauf beharrt, für solche Dinge Kredite aufzunehmen sei schlecht für die Gesellschaft – aber das stimmt nicht.

Ich möchte ganz klar sagen, dass Kredit beziehungsweise Schulden, die so viel wirtschaftlichen Nutzen bringen, dass sie sich selbst bezahlen, eine gute Sache sind. Doch manchmal ist der Ausgleich nicht so leicht zu erkennen. Wenn die Kreditvergabestandards lockerer sind, kann das zwar zu mehr Entwicklung führen, aber auch schwere künftige Schuldenprobleme schaffen, die den Nutzen wieder zunichtemachen. Sehen wir uns diese und ein paar andere gängige Fragen zu Schulden und Schuldenzyklen an.

Wie kostspielig sind Schulden im Verhältnis dazu, die mit den Schulden finanzierten Ausgaben nicht tätigen zu können?

Nehmen wir an, als zuständiger Politiker würden Sie beschließen, ein U-Bahn-Netz zu bauen, das eine Milliarde Dollar kostet. Sie finanzieren es mit Schulden, von denen Sie erwarten, dass Sie sie mit den erwarteten Einnahmen zurückzahlen können, aber es zeigt sich, dass die wirtschaftlichen Gegebenheiten so viel schlechter als erwartet sind, dass nur die Hälfte der erwarteten Einnahmen anfällt. Dann müssen die Schulden zu 50 Prozent abgeschrieben werden. Bedeutet das, dass Sie die U-Bahn nicht hätten bauen sollen?

Anders formuliert fragt sich, ob das U-Bahn-Netz 500 Millionen Dollar mehr wert ist als ursprünglich veranschlagt, oder ob es – pro Jahr gerechnet – zwei Prozent mehr wert ist als veranschlagt, wenn man von einer Lebensdauer des U-Bahn-Systems von 25 Jahren ausgeht. So gesehen kann man durchaus zu der Einschätzung kommen, dass das U-Bahn-Netz zu diesen Kosten viel besser ist als kein U-Bahn-Netz.

Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, was das für eine ganze Volkswirtschaft bedeuten kann: Wirklich schlimme Schuldenverluste traten auf, wenn circa 40 Prozent eines Kreditwerts nicht zurückgezahlt werden konnten. Solche faulen Kredite stellen rund 20 Prozent aller ausstehenden Kredite dar, sodass sich die Verluste auf etwa acht Prozent der Gesamtverschuldung belaufen. Diese Gesamtverschuldung wiederum entspricht rund 200 Prozent des Einkommens (zum Beispiel des BIPs), sodass der Ausfall circa 16 Prozent des BIPs entspricht. Werden diese Kosten „sozialisiert“ (also mittels Steueroder Geldpolitik von der Gesellschaft getragen) und über 15 Jahre verteilt, dann ergibt das etwa ein Prozent pro Jahr, was erträglich ist. Natürlich wären die Kosten untragbar, wenn man sie nicht zeitlich verteilen würde. Aus diesem Grund behaupte ich: Wie groß die Verlustrisiken sind, wenn man erhebliche Schulden hat, hängt sehr von der Bereitschaft und der Fähigkeit der Verantwortlichen ab, die aus faulen Schulden resultierenden Verluste zu verteilen. Ich habe das bei allen Fällen gesehen, die ich erlebt und untersucht habe. Und ob die Verantwortlichen das machen können, hängt von zwei Faktoren ab: 1) davon, ob die Schulden in der Währung notieren, die sie kontrollieren, und 2) davon, ob sie Einfluss darauf haben, wie Gläubiger und Schuldner miteinander umgehen.

Sind Schuldenkrisen unvermeidlich?

Im Laufe der gesamten Geschichte haben nur einige wenige disziplinierte Länder Schuldenkrisen vermieden. Das liegt daran, dass die Kreditvergabe niemals perfekt abläuft und häufig schlecht abgewickelt wird, je nachdem, wie sich der Zyklus auf die Psyche der Menschen auswirkt und Blasen und Crashs produziert. Die Politiker versuchen zwar grundsätzlich, das richtig zu machen, aber meistens gehen sie mit der Kreditvergabe eher zu locker um, weil die kurzfristige Belohnung (schnelleres Wachstum) dies zu rechtfertigen scheint. Auch lassen sich lockere Kreditbedingungen (etwa durch Garantien oder durch Lockerung der Geldpolitik) politisch leichter durchsetzen als straffe. Das ist der Hauptgrund, weshalb große Schuldenzyklen auftreten.

Weshalb treten Schuldenkrisen zyklisch auf?

Ich stelle fest, dass die Menschen stets die Augenbrauen hochziehen, wenn ich anfange, über Zyklen zu sprechen, vor allem über große, langfristige Zyklen. Ich rufe damit ähnliche Reaktionen hervor wie diejenige, die ich erwarten würde, wenn ich über Astrologie spräche. Deshalb möchte ich betonen, dass ich über nichts anderes als über logisch bedingte Ereignisfolgen spreche, die in Form von Mustern auftreten. In einer Marktwirtschaft bewirken Expansionen und Kontraktionen des Krediteinkommens Konjunkturzyklen, die aus vollkommen logischen Gründen auftreten. Die Muster ähneln sich zwar, aber die Abfolgen sind nicht dahingehend vorherbestimmt, dass sie sich in exakt der gleichen Weise oder über exakt den gleichen Zeitraum abspielen.

Um diese sehr komplizierten Sachverhalte ganz einfach zu formulieren: Im Prinzip erzeugt man jedes Mal, wenn man sich Geld leiht, einen Zyklus. Etwas zu kaufen, das man sich nicht leisten kann, bedeutet, dass man mehr ausgibt, als man einnimmt. Man nimmt dabei nicht nur bei seinem Kreditgeber eine Anleihe auf, sondern auch bei seinem eigenen zukünftigen Ich. Im Prinzip erschafft man eine in der Zukunft liegende Zeit, in der man weniger ausgeben muss, als man einnimmt, damit man die Schuld zurückzahlen kann. Das Muster, dass man einen Kredit aufnimmt, mehr ausgibt, als man einnimmt, und dann weniger ausgeben muss, als man verdient, bekommt ganz schnell Ähnlichkeiten mit einem Zyklus. Dies trifft auf eine Volkswirtschaft genauso zu wie auf eine Einzelperson. Wenn man sich Geld leiht, setzt man eine mechanische, vorhersehbare Reihe von Ereignissen in Gang.

Wenn man das Spiel Monopoly verstanden hat, dann versteht man auch ganz gut, wie Kreditzyklen auf der Ebene einer Volkswirtschaft funktionieren. Am Anfang des Spiels haben alle viel Geld und nur wenige Immobilien, sodass es sich lohnt, sein Geld in Immobilien umzusetzen. Wenn die Spieler im weiteren Verlauf des Spiels immer mehr Häuser und Hotels bauen, muss immer mehr Geld aufgebracht werden, um die Mieten zu bezahlen, die anfallen, wenn man auf einem Grundstück mit vielen Objekten landet. Manche Spieler müssen dann Immobilien billiger verkaufen, um sich dieses Geld zu beschaffen. Daher gilt zu Beginn des Spiels „Grundstücke sind Trumpf“, später hingegen „Geld ist Trumpf“. Die besten Monopoly-Spieler wissen, wie sie im Verlauf des Spiels die richtige Mischung aus Immobilien und Cash erzielen können.

Und jetzt stellen wir uns vor, wie Monopoly funktionieren würde, wenn man es der Bank erlauben würde, Darlehen zu vergeben und Einlagen anzunehmen. Dann könnten sich die Spieler Geld leihen, um Immobilien zu kaufen, und anstatt ihr Geld untätig herumliegen zu lassen, würden sie es bei der Bank einzahlen, um Zinsen zu kassieren, und dies wiederum würde der Bank mehr Geld verschaffen, das sie verleihen könnte. Stellen wir uns außerdem vor, die Spieler könnten einander gegenseitig auf Kredit Immobilien abkaufen und verkaufen (indem sie versprechen, das Geld zu einem späteren Zeitpunkt mit Zinsen zurückzuzahlen). Würde man Monopoly auf diese Weise spielen, dann wäre es ein annähernd perfektes Modell der Funktionsweise unserer Wirtschaft. Die Menge an schuldenfinanzierten Ausgaben für Hotels würde schnell auf ein Vielfaches des vorhandenen Geldes anwachsen. Im Laufe der Zeit geht den Schuldnern, denen die Hotels gehören, das Bargeld aus, das sie brauchen, um ihre Mieten zu bezahlen und ihre Schulden zu bedienen. Und auch die Bank gerät in Schwierigkeiten, weil der wachsende Bargeldbedarf ihrer Einleger dazu führt, dass sie Geld abheben, während gleichzeitig immer mehr Schuldner mit ihren Zahlungen in Verzug geraten. Wird nichts unternommen, nicht eingegriffen, machen sowohl die Bank als auch die Schuldner Pleite und die Wirtschaft schrumpft. Da solche Zyklen der Expansion und der Kontraktion immer wieder auftreten, entstehen die Bedingungen für eine große, langfristige Schuldenkrise.

Kreditvergabe erzeugt von Natur aus sich selbst verstärkende Aufwärtsbewegungen, die irgendwann in sich selbst verstärkende Abwärtsbewegungen umschlagen – die ihrerseits auch wieder umschlagen müssen. Während der Aufschwünge stützt die Kreditvergabe die Ausgaben und die Investitionen, und diese stützen die Einkommen und die Anlagepreise; steigende Einkommen und Anlagepreise stützen weitere Kreditaufnahme und Ausgaben für Waren und Finanzanlagen. Im Prinzip lässt die Kreditaufnahme die Ausgaben und die Einnahmen über das stetige Produktivitätswachstum der Wirtschaft hinaus steigen. Kurz vor dem Höhepunkt des Aufschwungs basiert die Kreditvergabe auf der Erwartung, das über dem Trend liegende Wachstum werde sich unendlich fortsetzen. Aber natürlich kann das nicht sein, und irgendwann fallen die Einnahmen unter die Kreditkosten.

Volkswirtschaften, deren Wachstum wesentlich vom schuldenfinanzierten Aufbau von Sachwerten, Immobilien und Infrastruktur getragen wird, sind besonders anfällig für große Ausschläge, denn das hohe Tempo, in dem diese langlebigen Vermögenswerte aufgebaut werden, ist nicht dauerhaft tragbar. Wenn man besseren Wohnraum braucht und ihn baut, dann sinkt natürlich der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum. Wenn die Ausgaben für Wohnraum sinken, geht auch der Einfluss der Wohnungsbauwirtschaft auf das Wachstum zurück. Nehmen wir an, man hat jährlich zehn Millionen Dollar ausgegeben, um ein Bürogebäude zu bauen (um Arbeiter zu bezahlen, Stahl und Beton zu kaufen und so weiter). Wenn das Gebäude fertig ist, sinken die Ausgaben auf null Dollar pro Jahr, und das Gleiche gilt für den Bedarf an Arbeitskräften und Baustoffen. Ab diesem Zeitpunkt hängen das Wachstum, die Einnahmen und die Fähigkeit, die Schulden zu bedienen, von einer anderen Nachfrage ab. Diese Art von Zyklus – bei der auf einen kräftigen, durch schuldenfinanzierte Ausgaben für Immobilien, Sachanlagen und Infrastruktur angetriebenen Aufschwung des Wachstums ein Abschwung folgt, der durch einen mit Schulden belasteten Nachfragerückgang bedingt ist – ist typisch für Entwicklungs- und Schwellenländer, weil diese so viel zu bauen haben.

Der zyklische Charakter von Schwellenwirtschaften wird noch dadurch verstärkt, dass sich ihre Wettbewerbsfähigkeit durch relative Änderungen ihrer Einnahmen ändert. Normalerweise haben sie billige Arbeitskräfte und eine schlechte Infrastruktur, sodass sie Infrastruktur aufbauen und somit einen Exportboom sowie steigende Einkommen verzeichnen. Aber das Wachstumstempo des Exports geht von Natur aus zurück, wenn die Einkommen steigen und die Wettbewerbsfähigkeit der Löhne im Vergleich zu anderen Ländern sinkt. Für diese Art Zyklus gibt es viele Beispiele (zum Beispiel das, was Japan in den vergangenen 70 Jahren erlebt hat).

Wenn „Blasen“ auftreten, ergeben unrealistische Erwartungen und leichtsinnige Kreditvergabe eine kritische Masse an faulen Krediten. In einem der verschiedenen Stadien wird dies den Banken und Notenbanken klar, und die Blase beginnt, abzuschwellen. Ein klassisches Warnsignal dafür, dass sich eine Blase anbahnt, ist, dass immer mehr Geld für den Schuldendienst aufgenommen wird, wodurch natürlich die Verschuldung der Kreditnehmer noch größer wird.

Wenn das Wachstum von Geldmenge und Kreditaufkommen gedrosselt wird und/oder strengere Kreditvergaberichtlinien erlassen werden, verlangsamt sich das Wachstum der Kreditvergabe und der Ausgaben, und es kommt zu weiteren Problemen mit dem Schuldendienst. An diesem Punkt steht der Höhepunkt der Anstiegsphase des Schuldenzyklus bevor. Wenn die Notenbanken merken, dass das Kreditwachstum gefährlich hoch ist, straffen sie die Geldpolitik, um es einzudämmen, und dies beschleunigt häufig den Abschwung (der ohnehin eingetreten wäre, nur eben ein bisschen später). In beiden Fällen kippt der zyklische Aufschwung, sobald die Kosten für den Schuldendienst größer werden als der Betrag, der für Finanzausgaben ausgeliehen werden kann. Dadurch geht nicht nur die Neuvergabe von Krediten zurück, sondern es nimmt auch der Druck auf Schuldner zu, ihre Zahlungen zu leisten. Je klarer es wird, dass die Schuldner schwer zu beißen haben, umso weniger Kredit wird vergeben. Die sinkenden Ausgaben und Investitionen, die sich daraus ergeben, bremsen das Einkommenswachstum noch mehr und die Anlagepreise fallen.

Wenn die Kreditnehmer ihre Verbindlichkeiten aus dem Schuldendienst an Kreditinstitute nicht mehr erfüllen können, dann können die Kreditinstitute ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern nicht mehr erfüllen. Die Verantwortlichen müssen zuerst bezüglich der Kreditinstitute etwas unternehmen. Den extremsten Druck erleiden normalerweise diejenigen Kreditgeber, die am höchsten verschuldet sind und die meisten Kredite an bankrotte Kreditnehmer vergeben haben.

Diese Kreditgeber stellen das größte Risiko dar, dass ein Dominoeffekt entsteht, der sich auch auf kreditwürdige Käufer erstreckt und sich durch die gesamte Volkswirtschaft fortpflanzt. Dabei handelt es sich zwar üblicherweise um Banken, aber da das Kreditwesen inzwischen dynamischer geworden ist, ist ein breiteres Spektrum von Kreditgebern entstanden, unter anderem Versicherungen, Vermögensverwaltungen, die keine Banken sind, Brokerhäuser und sogar Zweckgesellschaften.

Die beiden bedeutendsten langfristigen Probleme, die sich aus derartigen Schuldenzyklen ergeben, sind die folgenden:

1)Die Verluste, die daraus entstehen, dass die erwarteten Zahlungen für den Schuldendienst nicht erfolgen. Wenn versprochene Schuldendienst-Zahlungen nicht geleistet werden können, kann das zu geringeren regelmäßigen Zahlungen und/oder zur Abschreibung/zum Erlass des Schuldbetrags (Einigung auf einen geringeren Betrag) führen. Wenn man mit einem jährlichen Schuldendienst von vier Prozent gerechnet hat, aber es gehen nur zwei Prozent oder null Prozent ein, entsteht in jedem Jahr eine Lücke; wenn hingegen die Schulden herabgesetzt werden, fällt der Verlust im betreffenden Jahr viel größer aus (zum Beispiel 50 Prozent).

2)Der Rückgang der Kreditvergabe und der Ausgaben, die damit mit Blick auf die Zukunft finanziert wurden. Sogar nachdem eine Schuldenkrise gelöst wurde, ist es unwahrscheinlich, dass diejenigen Akteure, die zu viel Kredit aufgenommen hatten, in Zukunft ebenso viel ausgeben können wie vor der Krise. Das hat Konsequenzen, die man bedenken muss.

Lassen sich die meisten Schuldenkrisen so managen, dass es nicht zu großen Problemen kommt?

Manchmal fallen solche Zyklen bescheiden aus, etwa wie Schlaglöcher, und manchmal extrem, sodass es zu Crashs kommt. In der vorliegenden Studie untersuchen wir extreme Zyklen – alle Zyklen der letzten 100 Jahre, die einen Rückgang des realen BIPs um mehr als drei Prozent hervorriefen. Aufgrund meiner Untersuchungen und aufgrund der Funktionsweise der Maßnahmen, die den Verantwortlichen zur Verfügung stehen, bin ich überzeugt, dass die Verantwortlichen die Möglichkeit haben, solche Zyklen in fast allen Fällen, in denen die Schulden in der eigenen Landeswährung vorliegen, gut zu managen. Das liegt daran, dass die Verantwortlichen in diesem Fall die schädlichen Folgen so verteilen können, dass große Schuldenprobleme nicht zu wirklich großen Problemen werden. Die meisten wirklich schlimmen durch Schuldenkrisen verursachten wirtschaftlichen Probleme traten auf, bevor die Verantwortlichen Schritte unternahmen, um sie zeitlich zu strecken. Sogar die größten Schuldenkrisen der Geschichte (zum Beispiel die Große Depression der 1930er-Jahre) wurden überwunden, sobald die richtigen Anpassungen vorgenommen worden waren. Meine Untersuchung dieser Fälle hat ergeben, dass die größten Risiken nicht von den Schulden an sich herrühren, sondern a) daher, dass es die Verantwortlichen unterlassen, die richtigen Maßnahmen zu treffen, und zwar wegen mangelnder Kenntnis und/oder mangelnder Befugnisse, oder b) von den politischen Folgen von Maßnahmen, die manchen Menschen schaden, während sie anderen helfen. Ich habe die vorliegende Studie in dem Wunsch geschrieben, einen Beitrag zur Senkung dieser Risiken zu leisten.

Dazu zwei Anmerkungen. Ich möchte betonen, dass es 1) dann, wenn die Schulden nicht in Landeswährung, sondern in Fremdwährungen vorliegen, den in einem Land Verantwortlichen viel schwerer fällt, Dinge zu tun, die die Schuldenprobleme zeitlich verteilen, und dass 2) die Tatsache, dass sich Schuldenkrisen gut managen lassen, nicht bedeutet, dass sie für manche Menschen nicht äußerst kostspielig wären.

Der Schlüssel zum guten Umgang mit Schuldenkrisen liegt darin, dass die Verantwortlichen wissen, wie sie ihre Maßnahmen gut einsetzen können, darin, dass sie auch die dazu erforderlichen Befugnisse haben, darin, dass sie wissen, auf welchen jährlichen Betrag die Belastungen gestreckt werden müssen, und darin, dass sie wissen, wer in welchem Maße darunter leiden wird – damit die politischen und sonstigen Konsequenzen erträglich sind.

Es gibt viererlei Maßnahmen, die die Verantwortlichen treffen können, um die Verschuldung und den Schuldendienst im Verhältnis zu den Einnahmen und zum Niveau des Cashflows so weit zu senken, dass sie bedient werden können:

1)Sparmaßnahmen (also weniger Ausgaben)

2)Zahlungsausfälle/Umschuldungen

3)Dass die Notenbank „Geld druckt“ und Käufe tätigt (oder Bürgschaften gewährt)

4)Verschiebung von Geld und Kredit von denjenigen, die mehr haben, als sie brauchen, zu denjenigen, die weniger haben

Jeder dieser Hebel hat andere Auswirkungen auf die Wirtschaft. Manche sind inflationär und regen das Wachstum an (zum Beispiel wenn „Geld gedruckt“ wird), während andere deflationär sind und zur Senkung der Schuldenlast beitragen (zum Beispiel Sparmaßnahmen und Zahlungsausfälle). Der Schlüssel, um einen „schönen“ Schuldenabbau zu erzielen (Senkung des Schulden-Einkommen-Verhältnisses bei erträglichen Inflations- und Wachstumsraten – das werde ich später noch erläutern), liegt darin, das richtige Gleichgewicht zwischen den Maßnahmen zu finden. Im glücklichen Szenario sinken die Schulden-Einkommen-Verhältnisse, während gleichzeitig die Wirtschaftsaktivität zunimmt und die Preise von Finanzanlagen steigen, sodass das nominale Einkommenswachstum nach und nach über den Nominalzins hinaus steigt.

Es ist unterschiedlich, wer von den Maßnahmen profitiert, wer darunter leidet und wie lange. Die Verantwortlichen stecken in der politisch schwierigen Lage, dass sie dies entscheiden müssen. Das hat zur Folge, dass sie selten dafür gewürdigt werden, selbst dann nicht, wenn sie die Schuldenkrise gut bewältigen.

Das Muster des archetypischen langfristigen/großen Schuldenzyklus

Das nun folgende Muster beruht auf meiner Untersuchung von 48 großen Schuldenzyklen, die alle Fälle beinhalten, bei denen das reale BIP in großen Ländern um mehr als drei Prozent zurückgegangen ist (das bezeichne ich als Depression). Aus Gründen der Klarheit habe ich die betroffenen Länder in zwei Gruppen unterteilt: 1) diejenigen, in denen nur ein kleiner Teil der Verschuldung in Fremdwährungen vorlag und die keine inflationäre Depression durchgemacht haben, und 2) diejenigen, in denen ein Großteil der Verschuldung in Fremdwährungen vorlag und die eine inflationäre Depression durchmachten. Da eine Korrelation von 75 Prozent zwischen dem Anteil der Fremdwährungsverschuldung und der Höhe der Inflation besteht (was nicht überrascht, denn die Tatsache, dass ein Großteil der Schulden in Fremdwährungen vorlag, gehörte zu den Ursachen, weshalb die jeweiligen Depressionen inflationär waren), erschien es mir sinnvoll, diejenigen mit höherer Fremdwährungsverschuldung in die gleiche Gruppe zu stecken wie diejenigen mit inflationären Depressionen.

Normalerweise entstehen Schuldenkrisen, weil die Verschuldung und der Schuldendienst schneller wachsen als die Einnahmen, die zu ihrer Bedienung notwendig sind, sodass es zu einem Schuldenabbau kommt. Eine normale Schuldenkrise kann die Notenbank lindern, indem sie die realen und nominalen Zinsen senkt; eine schwere Schuldenkrise (also eine Depression) entsteht, wenn das nicht mehr möglich ist. Üblicherweise ergeben mehrere kurzfristige Schuldenzyklen (also Konjunkturzyklen) einen langfristigen Schuldenzyklus, weil jedes kurzfristige zyklische Hoch und jedes kurzfristige zyklische Tief ein höheres Schulden-Einkommen-Verhältnis aufweist als das vorherige – bis die Zinssenkungen, die zum Schuldenwachstum beigetragen haben, nicht mehr weitergehen können. Der unten stehende Chart zeigt die Schulden- und Schuldendienst-Belastung (durch Zins und Tilgung) der Vereinigten Staaten seit 1910. Sie werden sehen, dass die Zinszahlungen stabil bleiben oder gar sinken, während die Schulden noch wachsen, sodass die Kosten für den Schuldendienst nicht so hoch sind wie die Zunahme der Verschuldung. Das liegt daran, dass die Notenbank (in diesem Fall die Federal Reserve) so lange die Zinsen senkt, um die schuldenfinanzierte Expansion am Laufen zu halten, bis das nicht mehr geht (weil der Zins bei null Prozent angelangt ist). Wenn das passiert, beginnt der Schuldenabbau.

Der Chart vermittelt zwar einen guten Überblick, aber ich möchte klarstellen, dass er in zweierlei Hinsicht unzureichend ist: 1) Er zeigt nicht die Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren, auf die sich die Gesamtzahlen beziehen, obwohl man die unbedingt kennen sollte, und 2) zeigt er nur das, was als Schulden bezeichnet wird, also keine Verbindlichkeiten wie diejenigen für Renten- und Krankenversicherungen, die allerdings viel höher sind. Dieser höher auflösende Blick ist sehr wichtig, um die wunden Punkte eines Landes zu beurteilen, aber meistenteils gehen solche Fragen über den Rahmen des vorliegenden Buches hinaus.

Gesamte Schuldenlast der Vereinigten Staaten (in % des BIPs)

Unsere Untersuchung des Zyklus

Bei der Ausarbeitung des Musters werden wir uns auf den Zeitraum im Vorfeld der Depression, auf das Depressionsstadium an sich und auf die Phase des Schuldenabbaus konzentrieren, die auf den Tiefpunkt der Depression folgt. Da es zwei Grundtypen von großen Schuldenkrisen gibt – deflationäre und inflationäre (was weitgehend davon abhängt, ob ein großer Teil der Verschuldung eines Landes in Fremdwährungen vorliegt oder nicht) –, untersuchen wir sie getrennt voneinander.

Die Zahlen, die in den Charts der Phasen dargestellt werden, entsprechen dem Durchschnitt aus 21 deflationären und 27 inflationären Schuldenkrisen. Sie beginnen fünf Jahre vor dem Tiefpunkt der Depression und enden sieben Jahre danach.

Auffallend ist, dass langfristige Schuldenzyklen in vielfacher Hinsicht kurzfristigen Schuldenzyklen ähneln, außer darin, dass sie extremer sind, weil sowohl die Schuldenbelastungen höher sind als auch die geldpolitischen Maßnahmen, durch die sie bewältigt werden können, weniger wirksam sind. Kurzfristige Schuldenzyklen verursachen meistens nur Dellen – Mini-Aufschwünge und Mini-Rezessionen –, während große, langfristige Schuldenkrisen große Auf- und Abschwünge hervorrufen. Im vergangenen Jahrhundert machten die Vereinigten Staaten zwei langfristige Schuldenkrisen durch – einmal den Boom der 1920er-Jahre samt der Großen Depression der 1930er-Jahre und dann den Boom Anfang der 2000er-Jahre und die Finanzkrise ab 2008.

Im kurzfristigen Schuldenzyklus werden die Ausgaben nur durch die Bereitschaft der Kreditgeber und Kreditnehmer eingeschränkt, Kredite zu vergeben beziehungsweise aufzunehmen. Wenn Kredit problemlos verfügbar ist, findet eine konjunkturelle Expansion statt. Ist er nicht problemlos verfügbar, findet eine Rezession statt. Die Verfügbarkeit von Kredit wird vor allem von der Notenbank gesteuert. Die Notenbank ist im Allgemeinen in der Lage, die Volkswirtschaft aus der Rezession herauszuholen, indem sie die Zinsen senkt, um den Zyklus wieder anzukurbeln. Aber im Laufe der Zeit enden Tief und Hoch des Zyklus bei höherer Wirtschaftsaktivität als im vorigen Zyklus und mit mehr Schulden. Warum? Weil die Menschen sie anschieben – sie neigen dazu, sich mehr Geld zu leihen und mehr Geld auszugeben, anstatt ihre Schulden zurückzuzahlen. Das liegt in der Natur des Menschen. Das hat zur Folge, dass über längere Zeiträume die Schulden schneller steigen als die Einkommen. Dies erzeugt den langfristigen Schuldenzyklus.

Während des Aufschwungs des langfristigen Schuldenzyklus vergeben die Kreditgeber freigebig Kredite, während sich die Menschen immer mehr verschulden. Das liegt daran, dass sich der Prozess nach oben selbst verstärkt – die steigenden Ausgaben erzeugen steigende Einkommen und wachsende Vermögen, was die Kreditaufnahmefähigkeit der Kreditnehmer erhöht, sodass mehr Käufe und Ausgaben möglich werden, und so weiter. Fast alle sind bereit, größere Risiken einzugehen. Recht oft entwickeln sich dann neue Arten von Finanzvermittlern und neuartige Finanzinstrumente, die außerhalb der Beaufsichtigung und des Schutzes von Regulierungsbehörden liegen. Somit sind sie in einer attraktiven Wettbewerbsposition und können höhere Renditen anbieten, sich höher verschulden und Darlehen vergeben, die eine höhere Liquidität oder ein größeres Bonitätsrisiko beinhalten. Wenn reichlich Kredit vorhanden ist, geben die Kreditnehmer normalerweise mehr aus, als tragbar ist, sodass sie einen wohlhabenden Eindruck machen. Im Gegenzug genießen die Kreditgeber die guten Zeiten und sind nachlässiger, als sie es sein sollten. Aber die Schulden können nicht ewig schneller steigen als die Geldmenge und die Einkommen, die für ihre Bedienung notwendig sind, sodass sie auf ein Schuldenproblem zusteuern.

Wenn die Grenzen des Schuldenwachstums im Verhältnis zum Einkommenswachstum erreicht werden, läuft der umgekehrte Prozess ab. Die Anlagepreise fallen, Schuldnern fällt es schwer, ihre Schulden zu bedienen, und Anleger werden ängstlich und vorsichtig, was sie dazu veranlasst, ihre Darlehen zu verkaufen oder nicht zu verlängern. Dies wiederum führt zu Liquiditätsproblemen, und das bedeutet, dass die Menschen ihre Ausgaben herunterfahren. Und da die Ausgaben der einen Person die Einnahmen einer anderen sind, beginnen die Einkommen zu sinken, sodass die Menschen noch weniger kreditwürdig werden. Die Anlagepreise fallen, was die Banken weiter in die Enge treibt, während die Schuldenrückzahlungen steigen und somit die Ausgaben noch weiter zurückgehen. Die Börse crasht, und die sozialen Spannungen nehmen zusammen mit der Arbeitslosigkeit zu, weil Unternehmen, denen es an Kredit und Geld mangelt, ihre Ausgaben senken. Nun beginnt die ganze Angelegenheit, sich in der anderen Richtung selbst zu speisen, sodass eine üble, sich selbst verstärkende Kontraktion entsteht, die sich nicht so leicht beheben lässt. Die Schuldenlasten sind einfach zu groß geworden und müssen vermindert werden. Anders als in Rezessionen, in denen man die Geldpolitik durch Zinssenkungen und Liquiditätssteigerungen lockern kann, was wiederum die Kapazitäten und Anreize für Kreditvergabe erhöht, können in Depressionen die Zinsen nicht gesenkt werden. Sie stehen bereits bei null oder fast bei null, und die Liquidität beziehungsweise die Geldmenge lässt sich durch die üblichen Maßnahmen nicht erhöhen.

Das ist die Dynamik, die langfristige Schuldenzyklen erzeugt. Sie existiert schon, seit es Kredite gibt, also bereits seit vorrömischer Zeit. Schon im Alten Testament ist von der Notwendigkeit die Rede, alle 50 Jahre die Schulden zu erlassen, im sogenannten Erlassjahr oder Jubeljahr. Wie die meisten Dramen entsteht und wirkt auch dieses auf Arten und Weisen, die sich im Laufe der Geschichte immer wieder wiederholt haben.

Bedenken Sie, dass Geld zwei Zwecke erfüllt: Es ist ein Tauschmittel und ein Mittel der Wertaufbewahrung. Und da es zwei Zwecke hat, dient es auch zwei Herren: 1) denjenigen, die es für den „lebensnotwendigen Bedarf“ verdienen wollen, normalerweise indem sie für Geld arbeiten, und 2) denjenigen, die ein an seinen Wert gebundenes Vermögen aufbewahren. Im Laufe der Geschichte wurden diese beiden Gruppen mit verschiedenen Namen belegt, zum Beispiel die erste Gruppe als Arbeiter, als Proletariat oder als Besitzlose, und die zweite als Kapitalisten, Anleger und besitzende Klasse. Der Einfachheit halber bezeichnen wir die erste Gruppe als arbeitendes Proletariat und die zweite als kapitalistische Anleger. Die arbeitenden Proletarier verdienen ihr Geld, indem sie ihre Zeit verkaufen, und die kapitalistischen Anleger verdienen ihr Geld, indem sie dessen Nutzung an andere verleihen, und zwar entweder a) im Austausch gegen das Versprechen der Rückzahlung eines Geldbetrags, der größer als der Darlehensbetrag ist (ein Schuldinstrument), oder b) im Austausch gegen eine Beteiligung am Geschäft (Eigenkapital oder Aktien) beziehungsweise einen Anteil an einem anderen Vermögenswert (zum Beispiel einer Immobilie). Diese beiden Gruppen und der Staat (der die Regeln festlegt) sind die Hauptdarsteller dieses Dramas. Zwar profitieren im Allgemeinen beide Gruppen von der Kreditaufnahme und Kreditvergabe, aber manchmal bringt die Transaktion der einen Gruppe Gewinn und der anderen Verlust. Das gilt insbesondere für Schuldner und Gläubiger.

Der finanzielle Aktivposten der einen Person ist der finanzielle Passivposten einer anderen (Zahlungsversprechen). Wenn die Ansprüche auf Finanzanlagen im Verhältnis zu dem verfügbaren Geld so hoch sind, dass sie nicht erfüllt werden können, muss ein großer Schuldenabbau stattfinden. Dann funktioniert die Finanzierung von Ausgaben durch das marktwirtschaftliche Kreditsystem nicht mehr richtig und bewirkt sozusagen im Rückwärtsgang einen Schuldenabbau, sodass der Staat im großen Stil eingreifen muss; die Notenbank wird zum großen Aufkäufer von Schulden (als Kreditgeber der letzten Instanz), und der Staat verteilt die Ausgaben und die Vermögen um. Zu solchen Zeiten muss eine Umschuldung stattfinden, durch die Ansprüche auf künftige Ausgaben (also die Schulden) im Verhältnis zu dem, worauf Ansprüche bestehen (also Geld), gesenkt werden müssen.

Dieses grundlegende Ungleichgewicht zwischen der Höhe der Geldforderungen (Schulden) und der Geldmenge (dem Cashflow, der für die Bedienung der Schulden benötigt wird) ist im Laufe der Geschichte schon viele Male aufgetreten und wurde immer durch eine Kombination der vier Maßnahmen gelöst, die ich oben beschrieben habe. Dieser Prozess ist für alle Beteiligten schmerzhaft, manchmal so sehr, dass es zu einem Kampf zwischen dem arbeitenden Proletariat und den kapitalistischen Anlegern kommt. Das kann so schlimm werden, dass die Kreditvergabe behindert oder sogar gesetzlich verboten wird. Laut Historikern waren die Probleme, die durch Kreditschöpfung entstehen, der Grund, weshalb Wucher (Geldverleih gegen Zinsen) sowohl im Katholizismus als auch im Islam als Sünde galt.2

In dieser Studie werden wir die großen Schuldenzyklen untersuchen, die zu großen Schuldenkrisen führen. Dabei werden wir erforschen, wie sie funktionieren und wie man richtig mit ihnen umgeht. Doch bevor wir damit beginnen, möchte ich noch die Unterschiede zwischen den beiden wichtigsten Typen erklären: deflationäre und inflationäre Depressionen.

In deflationären Depressionen reagieren die Verantwortlichen auf die erste konjunkturelle Kontraktion mit Zinssenkungen. Aber wenn die Zinsen etwa null Prozent erreichen, ist diese Maßnahme keine wirksame Möglichkeit mehr, die Wirtschaft anzukurbeln. Umschuldungen und Sparmaßnahmen herrschen vor, ohne dass sie durch entsprechende Anreize ausgeglichen würden (vor allem durch Gelddruck und Abwertung der Währung). In dieser Phase wächst die Schuldenlast (Schulden und Schuldendienst in Prozent des Einkommens), weil der Einkommensrückgang schneller erfolgt als die Umschuldung, weil Schuldentilgungen den Schuldenstand senken und weil viele Kreditnehmer gezwungen sind, noch mehr Schulden zu machen, um die höheren Zinskosten zu decken. Wie schon gesagt, treten deflationäre Depressionen üblicherweise in Ländern auf, in denen der größte Teil der untragbaren Schulden im Inland in Landeswährung finanziert wurde, sodass der irgendwann eintretende Einbruch der Schulden zwar zu Zwangsverkäufen und zu Zahlungsausfällen führt, nicht aber zu Problemen mit der Währung oder mit der Zahlungsbilanz.

Inflationäre Depressionen treten üblicherweise in Ländern auf, die auf Kapitalflüsse in Fremdwährungen angewiesen sind und daher eine beträchtliche Menge an Schulden in Fremdwährung angehäuft haben, die nicht monetarisiert (mit von der Notenbank gedrucktem Geld aufgekauft) werden kann. Wenn die Kapitalflüsse in Fremdwährungen nachlassen, verwandelt sich die Kreditschöpfung in eine Kreditkontraktion. Bei einem inflationären Schuldenabbau lassen die Kapitalentnahmen die Kreditvergabe und die Liquidität versiegen, während gleichzeitig der sinkende Währungskurs Inflation hervorruft. Inflationäre Depressionen, bei denen ein Großteil der Schulden in Fremdwährungen vorliegt, sind besonders schwierig zu managen, weil die Möglichkeiten der Verantwortlichen, das Leiden zu strecken, stärker eingeschränkt sind.

Beginnen wir mit den deflationären Depressionen.

Die Phasen des klassischen deflationären Schuldenzyklus

Der unten stehende Chart veranschaulicht die sieben Phasen eines archetypischen langfristigen Schuldenzyklus, indem er die Gesamtverschuldung der Volkswirtschaft als prozentualen Anteil am Gesamteinkommen der Volkswirtschaft (BIP) und den Gesamtbetrag der Schuldendienst-Zahlungen im Verhältnis zum BIP über einen Zeitraum von zwölf Jahren darstellt.

Ich werde in diesem Teil des Buches noch weitere ähnliche „archetypische“ Charts zeigen, die auf Durchschnitten aus Beispielen für deflationären Schuldenabbau beruhen.3

1) Die Anfangsphase des Zyklus

In der Anfangsphase des Zyklus wachsen die Schulden auch dann nicht schneller als die Einkommen, wenn sie schnell wachsen. Das liegt zum Teil daran, dass das Schuldenwachstum zur Finanzierung von Aktivitäten genutzt wird, die zu einem schnellen Einkommenswachstum führen. So kann beispielsweise geliehenes Geld in die Expansion eines Unternehmens fließen und es produktiver machen – und dies stützt das Einkommenswachstum. Die Schuldenlast ist gering, und die Bilanzen sind gesund, sodass der privatwirtschaftliche Sektor, der Staat und die Banken viel Spielraum haben, um Schuldenhebel anzusetzen. Schuldenwachstum, Wirtschaftswachstum und Inflation sind weder überhitzt noch unterkühlt. Man nennt das auch die „Goldilocks“-Zeit.

2) Die Blase

Im ersten Stadium der Blase steigen die Schulden schneller als die Einkommen, und das führt zu schnell steigenden hohen Anlagerenditen und anziehendem Wachstum. Dieser Prozess verstärkt sich normalerweise selbst, weil die steigenden Einkommen, Vermögen und Anlagewerte die Kreditaufnahmekapazität der Kreditnehmer erhöhen. Das geschieht, weil die Kreditgeber anhand folgender Kriterien ermitteln, wie viel sie verleihen können: 1) voraussichtliches Einkommen/Cashflow der Kreditnehmer, um die Schulden zu bedienen, 2) ihr Vermögen/ihre Sicherheiten (die wachsen, wenn die Anlagepreise steigen) und 3) ihre eigenen Kapazitäten, Kredite zu vergeben. Alle diese Faktoren steigen gemeinsam. Allerdings ist diese Kombination von Bedingungen nicht nachhaltig, weil die Schulden schneller wachsen als die Einkommen, die zu ihrer Bedienung notwendig sind; die Kreditnehmer fühlen sich reich, geben deshalb mehr aus, als sie verdienen, und kaufen Anlagen zu hohen Preisen und mit Schuldenhebel. Hier ein Beispiel dafür, wie das ablaufen kann:

Nehmen wir an, Sie verdienen im Jahr 50.000 Dollar und haben ein Vermögen von 50.000 Dollar. Sie haben die Möglichkeit, sich im Jahr 10.000 Dollar zu leihen, sodass Sie einige Jahre lang 60.000 Dollar ausgeben könnten, obwohl Sie nur 50.000 Dollar verdienen. In einer Volkswirtschaft können mehr Kreditaufnahme und höhere Ausgaben zu höheren Einkommen und zu Wertsteigerungen von Aktien und anderen Anlagen führen, sodass die Menschen Sicherheiten haben, auf die sie Schulden aufnehmen können. Dann leihen sich die Menschen immer mehr Geld, aber solange diese Kreditaufnahme das Wachstum antreibt, ist sie erschwinglich.

In dieser Aufwärtswelle des langfristigen Schuldenzyklus nehmen die Zahlungsversprechen (also die Schuldenbelastung) sowohl im Verhältnis zur in der Gesamtwirtschaft vorhandenen Geldmenge als auch im Verhältnis zu der Geld- und Kreditmenge zu, die bei den Schuldnern ankommt (über Einkommen, Kreditaufnahme und Verkauf von Anlagen). Diese Aufwärtswelle dauert meist mehrere Jahrzehnte, wobei Veränderungen vor allem durch die regelmäßigen Straffungen und Lockerungen der Kreditbedingungen seitens der Notenbanken zustande kommen. Das sind kurzfristige Schuldenzyklen, und eine Ansammlung davon ergibt gewöhnlich einen langfristigen Schuldenzyklus.

Ein Hauptgrund, wieso der langfristige Schuldenzyklus so lange durchgehalten werden kann, ist die Tatsache, dass die Notenbanken nach und nach die Zinsen senken, sodass die Anlagepreise steigen und damit aufgrund der Auswirkungen der Zinssenkungen auf die Anlagepreise auch die Vermögen der Menschen wachsen. Dies verhindert, dass die Belastung durch den Schuldendienst steigt, und es senkt die monatlichen Raten für Artikel, die auf Kredit gekauft werden. Das kann aber nicht ewig so weitergehen. Irgendwann sind die Zahlungen für den Schuldendienst genauso hoch oder höher als der Betrag, den sich die Schuldner leihen können, und so werden die Schulden (also die Zahlungsversprechen) im Verhältnis zu der vorhandenen Geldmenge, die bezahlt werden kann, zu groß. Wenn die Zahlungsversprechen (also die Schulden) im Verhältnis zu dem eingehenden Geld und Kredit steigen, findet der umgekehrte Prozess statt und der Schuldenabbau beginnt. Da Kreditaufnahme schlicht bedeutet, Ausgaben zeitlich vorzuziehen, muss jemand, der im Jahr 60.000 Dollar ausgegeben, aber nur 50.000 Dollar verdient hat, bei sonst gleichen Bedingungen über genauso viele Jahre, wie er 60.000 Dollar ausgegeben hat, seine Ausgaben auf 40.000 Dollar zurückfahren.

Das ist zwar etwas stark vereinfacht, beschreibt aber die grundlegende Dynamik, die zum Anschwellen und Abschwellen einer Blase führt.

Beginn einer Blase: die Hausse

Normalerweise beginnen Blasen als überzogene Fortschreibungen gerechtfertigter Haussen. Zunächst sind diese Haussen dadurch gerechtfertigt, dass niedrigere Zinsen Geldanlagen wie Aktien und Immobilien attraktiver machen, sodass sie steigen und sich die konjunkturellen Bedingungen bessern, was wiederum zu Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen führt, zu gesünderen Bilanzen und zu der Möglichkeit, mehr Schulden aufzunehmen – und all das steigert den Wert der Unternehmen.

Wenn der Wert von Geldanlagen steigt, wachsen die Vermögen, und die Ausgaben sowie die Einkommen steigen. Anleger, Geschäftsleute, Finanzvermittler und Politiker vertrauen zunehmend auf den fortgesetzten Wohlstand, und dies stützt den Prozess der Schuldenfinanzierung. Auch ermuntert der Aufschwung neue Käufer, die das Geschehen nicht verpassen und in den Markt einsteigen wollen, und dies speist die Entstehung einer Blase. Oft kommt es zu unökonomischer Kreditvergabe und zu einer Blase, weil der Staat ausdrücklich oder stillschweigend Garantien bietet, die Kreditinstitute zu leichtsinniger Kreditvergabe verleiten.

Wenn neue Spekulanten und Kreditgeber den Markt betreten und die Zuversicht wächst, sinken die Kreditvergabestandards. Der Fremdkapitalanteil der Banken steigt, und neuartige, weitgehend unregulierte Kreditinstitute entstehen (man bezeichnet diese Nichtbanken insgesamt als „Schattenbankensystem“). Diese Schattenbanken werden normalerweise vom staatlichen Schutzmantel weniger abgedeckt. In solchen Zeiten werden häufig neue Kreditinstrumente erfunden, und es findet viel Financial Engineering statt.

Die Kreditgeber und die Spekulanten verdienen viel schnelles Geld, was die Blase stärkt, indem es das Kapital der Spekulanten erhöht, sodass sie genug Sicherheiten haben, um neue Darlehen zu bekommen. An diesem Punkt halten die meisten Menschen das nicht für ein Problem, im Gegenteil, sie glauben, das Geschehen sei eine Wiedergabe und Bestätigung des Aufschwungs. Diese Phase des Zyklus speist sich üblicherweise selbst. Beispiel Aktien: Steigende Aktienkurse führen zu mehr Ausgaben und Investitionen, dadurch steigen die Gewinne, was wiederum die Aktienkurse steigert, sodass die bonitätsabhängigen Zinsaufschläge sinken, was wiederum zu mehr Kreditaufnahme ermutigt (wegen des gestiegenen Wertes der Sicherheiten und wegen der höheren Einnahmen); dies wirkt sich auf das Tempo der Ausgaben und Investitionen aus und so weiter und so fort. In solchen Zeiten halten die meisten Menschen die Anlagen für fabelhafte Schätze und meinen, jeder, der sie nicht besitzt, verpasse etwas. Infolge dieser Dynamik bauen alle möglichen Akteure Long-Positionen auf. Große Diskrepanzen zwischen Aktiva und Passiva nehmen in folgenden Formen zu: a) Aufnahme kurzfristiger Kredite zur Vergabe langfristiger Kredite, b) Eingehen liquider Verbindlichkeiten zwecks Investition in illiquide Anlagen, c) Investition in riskantere Schuldinstrumente oder sonstige riskante Anlagen mit geliehenem Geld und/oder d) Kreditaufnahme in einer Währung und Kreditvergabe in einer anderen, um die wahrgenommene Differenz mitzunehmen. Während all dessen steigen die Schulden schnell, und die Kosten für den Schuldendienst steigen noch schneller. Die unten stehenden Charts bilden das anschaulich ab.

Wenn an einem Markt ein Konsens besteht, wird dieser eingepreist. Normalerweise wird der Konsens für ein ganz gutes grobes Bild dessen gehalten, was da kommen wird, auch wenn die Geschichte zeigt, dass sich die Zukunft wahrscheinlich anders abspielt als erwartet. Anders gesagt: Der Mensch neigt (wie die meisten Tierarten) von Natur aus dazu, sich mit der Menge zu bewegen und kürzlich gemachte Erfahrungen höher zu bewerten als angebracht. Dadurch und weil sich die übereinstimmende Meinung im Preis niederschlägt, findet meist eine Fortschreibung statt.

Zu solchen Zeiten steigt das Schulden-Einkommen-Verhältnis sehr schnell. Der folgende Chart zeigt den archetypischen Verlauf der Verschuldung in Prozent des BIPs bei den Beispielen für deflationären Schuldenabbau, aus denen wir den Durchschnitt gebildet haben. Bei der typischen Blase wächst die Verschuldung im Schnitt etwa in drei Jahren um 20 bis 25 Prozent des BIPs. Die blaue Linie zeigt den Verlauf des langfristigen Schuldenzyklus in Form der Gesamtverschuldung der Volkswirtschaft geteilt durch das Gesamteinkommen der Volkswirtschaft in den verschiedenen Phasen. Die rote Linie zeigt die Summe der Schuldendienst-Zahlungen im Verhältnis zum Gesamteinkommen.

Am wahrscheinlichsten treten Blasen auf Höhepunkten des Konjunkturzyklus, des Zahlungsbilanzzyklus und/oder des langfristigen Schuldenzyklus auf. Wenn sich eine Blase ihrem Höhepunkt nähert, ist die Wirtschaft am anfälligsten, obwohl sich die Menschen dann am reichsten und am bullishsten fühlen. In den von uns untersuchten Fällen betrug das Verhältnis der Schulden zum Einkommen durchschnittlich 300 Prozent des BIPs. Hier nun ein paar grobe Durchschnittszahlen, die grundsätzliche Hinweise bieten, wie die archetypische Blase aussieht:

Bedingungen während der Blase

 

Veränderung während der Blase

Spanne

1Schulden wachsen schneller als Einkommen

40 %

14 % bis 79 %

Schulden wachsen schnell

32 %

17 % bis 45 %

Hohes Einkommenswachstum, jedoch langsamer als Schuldenwachstum

13 %

8 % bis 20 %

2Aktienmärkte setzen Erholung fort

48 %

22 % bis 68 %

3Zinskurve wird flacher (kurzfristig – langfristig)

1,4 %

0,9 % bis 1,7 %

Die Rolle der Geldpolitik

In vielen Fällen trägt die Geldpolitik eher dazu bei, die Blase aufzublähen, statt sie einzudämmen. Das gilt insbesondere dann, wenn sowohl die Inflation als auch das Wachstum gut sind und die Anlagerenditen sehr gut sind. Solche Perioden werden normalerweise als Produktivitätsboom interpretiert, der den Optimismus der Anleger stärkt, sodass sie Schulden aufnehmen, um Geldanlagen zu kaufen. In solchen Fällen widerstrebt es den Notenbanken häufig, die Geldpolitik ausreichend zu straffen. So geschehen in Japan Ende der 1980er-Jahre und in großen Teilen der Welt Ende der 1920er- und Mitte der 2000er-Jahre.

Dies ist bei den meisten Maßnahmen von Notenbanken eines der größten Probleme – weil die Notenbanker entweder auf die Inflation oder auf Inflation und Wachstum abzielen, aber nicht auf das Management von Blasen; und das Schuldenwachstum, das sie ermöglichen, kann in die Finanzierung der Erzeugung von Blasen fließen, wenn die Inflation und das reale Wachstum nicht allzu hoch erscheinen. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass die Notenbanken auf das Schuldenwachstum abzielen und darauf achten, es auf einem erträglichen Niveau zu halten – also auf einem Niveau, bei dem das Einkommenswachstum wahrscheinlich hoch genug ist, um die Schulden zu bedienen, unabhängig davon, welcher Kredit für Käufe genutzt wird. Notenbanker sagen manchmal, es sei zu schwierig, Blasen zu erkennen, und es sei nicht ihre Aufgabe, sie zu beurteilen und zu kontrollieren – vielmehr sei es ihre Aufgabe, Inflation und Wachstum zu kontrollieren.4 Was sie jedoch wirklich kontrollieren, sind Geldmenge und Kredit, und wenn Geldmenge und Kredit in Schulden münden, die nicht zurückgezahlt werden können, dann hat das schwere Konsequenzen für das künftige Wachstum und die künftige Inflation. Die schwersten Depressionen treten auf, wenn Blasen platzen; und wenn die Notenbanken, die die Schulden produzieren, die Blasen aufblähen, diese nicht kontrollieren, wer soll es dann tun?

Der wirtschaftliche Schmerz, der entsteht, wenn man es zulässt, dass eine große Blase entsteht und dann platzt, ist so groß, dass es von den Verantwortlichen unklug ist, sie zu ignorieren, und ich hoffe, dass sich ihre Sichtweise ändern wird.

Zwar straffen die Notenbanken normalerweise in einem gewissen Maße die Geldmenge, und im Schnitt steigen die kurzfristigen Zinsen, wenn sich Inflation und Wachstum zu sehr zu überhitzen beginnen, aber die üblichen geldpolitischen Maßnahmen reichen nicht aus, um Blasen zu managen, denn Blasen treten in manchen Teilen der Wirtschaft auf, in anderen hingegen nicht. Was die Gesamtwirtschaft angeht, so hinken die Notenbanken in solchen Perioden meistens dem Geschehen hinterher, und die Kreditnehmer werden durch die höheren Kosten für den Schuldendienst noch nicht sonderlich in die Enge gedrängt. In diesem Stadium decken sie ihre Zinszahlungen zunehmend durch zusätzliche Kreditaufnahme anstatt durch Einkommenswachstum – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Trend unhaltbar ist.

Das Ganze kehrt sich um, wenn die Blase platzt und die gleichen Zusammenhänge, die die Blase aufgebläht hatten, dazu führen, dass sich der Abschwung selbst verstärkt. Sinkende Anlagepreise senken den Wert sowohl des Eigenkapitals als auch der Sicherheiten verschuldeter Spekulanten, und dies führt dazu, dass sich Kreditgeber zurückziehen. Das zwingt die Spekulanten zum Verkauf, was die Preise noch tiefer drückt. Außerdem „flüchten“ Kreditgeber und Anleger nun vor riskanten Finanzmittlern und aus riskanten Investments, was ihnen Liquiditätsprobleme beschert. Gewöhnlich sind die betroffenen Märkte so groß und so sehr mit Schulden versehen, dass die Verluste aus den angehäuften Schulden zu einer systemischen Bedrohung werden – soll heißen, dass sie drohen, die gesamte Volkswirtschaft kippen zu lassen.

Die Erkennung von Blasen

Die Einzelheiten mögen von Fall zu Fall verschieden sein (zum Beispiel die Größe der Blase, ob sie bei Aktien, Immobilien oder anderen Anlagen auftritt,5 wie genau die Blase platzt und so weiter), aber die Ähnlichkeiten zwischen den vielen Blasen sind viel größer als die Unterschiede, und jeder Fall ist das Ergebnis logischer Ursache-Wirkungs-Beziehungen, die man untersuchen und verstehen kann. Wenn man eine gute geistige Landkarte der Bildung von Blasen hat, fällt es einem viel leichter, sie zu erkennen.

Um eine große Schuldenkrise zu erkennen, bevor sie eintritt, schaue ich mir alle großen Märkte an und sehe nach, ob sich welche in Blasen befinden. Dann schaue ich, was mit ihnen zusammenhängt und was betroffen wäre, wenn sie platzen würden. Ich werde hier zwar nicht exakt beschreiben, wie das funktioniert, aber die wichtigsten kennzeichnenden messbaren Eigenschaften von Blasen sind folgende:

1)Die Preise sind im Vergleich zu ihren traditionellen Niveaus hoch.

2)In die Preise sind künftige schnelle Preisanstiege vom derzeitigen hohen Niveau aus eingepreist.

3)Allgemein herrscht Bullenstimmung.

4)Käufe werden durch hohe Schuldenhebel finanziert.

5)Die Käufer haben vieles mit Blick auf die Zukunft gekauft (zum Beispiel Vorräte angesammelt, Material bestellt und so weiter), entweder um zu spekulieren oder um sich gegen künftige Preisanstiege abzusichern.

6)Neue Käufer (die vorher nicht am Markt vertreten waren) haben den Markt betreten.

7)Die stimulierende Geldpolitik droht, die Blase noch weiter aufzublähen (sodass eine Straffung sie platzen lassen kann).

Wie Sie in der nun folgenden Tabelle unserer systematischen Kennzahlen sehen, lagen bei früheren Blasen alle oder die meisten dieser Hinweise vor („k.A.“ bedeutet, dass keine brauchbaren Daten vorliegen).

Anwendung des Betrachtungsrahmens auf frühere Blasen

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass es ein Fehler wäre, zu glauben, eine dieser Kennzahlen könne als Indikator für eine bevorstehende Schuldenkrise fungieren. Das Schulden-Einkommen-Verhältnis der gesamten Volkswirtschaft oder gar das Verhältnis zwischen den Schuldendienst-Zahlungen und dem Gesamteinkommen der Volkswirtschaft – was besser ist – sind zwar sinnvolle, aber letztlich unzureichende Kennzahlen. Um eine Schuldenkrise richtig vorherzusehen, muss man sich die spezifische Fähigkeit einzelner Akteure ansehen, ihre Schulden zu bedienen, und diese geht aus den gezeigten Durchschnittszahlen nicht hervor. Genauer gesagt ist ein hohes Verhältnis der Verschuldung oder des Schuldendienstes zum Einkommen weniger problematisch, wenn sich der Durchschnitt gleichmäßig über die Volkswirtschaft verteilt, hingegen problematisch, wenn es sich auf gewisse Bereiche konzentriert – vor allem wenn es sich auf entscheidende Akteure konzentriert.

3) Der Höhepunkt

Wenn die Preise durch viele schuldenfinanzierte Käufe in die Höhe getrieben wurden und sich der Markt vollständig long positioniert hat sowie überschuldet und überteuert ist, dann ist er reif für eine Wende. Darin schlägt sich ein allgemeines Prinzip nieder: Wenn die Lage so gut ist, dass sie nicht mehr besser werden kann – aber alle glauben, dass sie noch besser wird –, dann überschreiten Märkte Höhepunkte.

Zwar werden Höhepunkte durch unterschiedliche Ereignisse ausgelöst, aber meistens treten sie dann auf, wenn die Notenbank zu straffen beginnt und die Zinsen steigen. In manchen Fällen wird die Straffung durch die Blase selbst hervorgerufen, weil Wachstum und Inflation steigen, während sich die beschränkten Kapazitäten schmerzhaft bemerkbar zu machen beginnen. In anderen Fällen wird die Straffung von außen angetrieben. So führt beispielsweise in einem Land, das sich an die Kreditaufnahme bei externen Gläubigern gewöhnt hat, der Abzug der Darlehen aufgrund äußerer Ursachen zu einer Verknappung der Liquidität. Eine Straffung der Geldpolitik der Währung, in der die Schulden vorliegen, kann schon ausreichen, damit ausländisches Kapital abgezogen wird. Dies kann aus Gründen geschehen, die nichts mit den Bedingungen der Binnenwirtschaft zu tun haben (zum Beispiel können zyklische konjunkturelle Bedingungen in einem Land mit Reservewährung dazu führen, dass die in dieser Währung vorliegende Liquidität sinkt, oder eine Finanzkrise kann zum Abzug von Kapital führen und so weiter). Auch kann ein Anstieg der Währung, in der die Schulden vorliegen, im Verhältnis zu der Währung, in der die Einkommen vorliegen, eine besonders schwere Klemme verursachen. Manchmal können unvorhergesehene Cashflow-Ausfälle aus beliebigen Gründen Schuldenkrisen auslösen.

Wodurch auch immer die Knappheit des Schuldendienstes verursacht wurde, sie schadet den Anlagepreisen (zum Beispiel den Aktienkursen), was einen negativen Vermögenseffekt6 hat, weil die Kreditgeber zu befürchten beginnen, dass sie das Geld von denjenigen, denen sie es geliehen haben, nicht mehr zurückbekommen werden. Die Kreditnehmer werden in die Enge getrieben, weil ein wachsender Teil ihrer neuen Kreditaufnahme in die Bedienung von Schulden fließt und/oder nicht weiterläuft, sodass sie weniger Geld ausgeben. In der Regel kommt es dazu, weil die Menschen aufgrund ihrer übertrieben optimistischen Annahmen über den künftigen Cashflow Geldanlagen zu hohen Preisen und mit Schuldenhebel kaufen. Normalerweise tauchen solche Kredit-/Schuldenprobleme etwa ein halbes Jahr vor dem Höhepunkt der Wirtschaft auf, und zwar zunächst in den Bereichen, die am anfälligsten und am stärksten überhitzt sind. Die riskantesten Schuldner lassen die ersten Zahlungen ausfallen, die Kreditgeber beginnen sich Sorgen zu machen, die Zinsaufschläge bei geringer Bonität gehen nach und nach in die Höhe, und die Vergabe von riskanten Krediten lässt nach. Die Flucht aus riskanten in weniger riskante Anlagen zieht an, und dies trägt dazu bei, dass die Kontraktion auf breiterer Front stattfindet.

Typischerweise verengt oder beseitigt der Anstieg der kurzfristigen Zinsen in den Anfangsstadien des Hochs die Differenz zu den langfristigen Zinsen (also die zusätzlichen Zinsen, die man für längerfristige statt kurzfristiger Leihen bekommt), sodass der Anreiz, Geld zu verleihen, statt es bar vorzuhalten, kleiner wird. Da die Zinskurve nun flach oder invertiert ist (also die langfristigen Zinsen im Verhältnis zu den kurzfristigen am niedrigsten sind), haben die Menschen kurz vor dem Platzen der Blase einen Anreiz, in Bargeld umzuschichten, sodass das Kreditwachstum nachlässt und die zuvor beschriebene Dynamik hervorruft.

Zu Beginn des Höhepunkts leiden manche Teile des Kreditsystems, andere bleiben hingegen robust, sodass nicht klar ist, dass die Konjunktur nachlässt. Während also die Notenbank immer noch die Zinsen erhöht und den Kredit strafft, wird schon der Keim für die Rezession gelegt. Am schnellsten wird die Straffung üblicherweise fünf Monate vor dem Börsenhoch. Dann läuft die Wirtschaft in hohem Tempo, und die Nachfrage drückt die Produktionskapazitäten nach oben. Die Arbeitslosigkeit befindet sich normalerweise auf einem zyklischen Tief, und die Inflationsrate steigt. Die steigenden Zinsen machen Bargeldpositionen attraktiver, und dadurch steigt auch der Zinssatz, mit dem der künftige Cashflow von Anlagen abgezinst wird, während die Kreditvergabe nachlässt. Außerdem werden dadurch auf Kredit gekaufte Artikel teurer, sodass die Nachfrage sinkt. Üblicherweise überschreiten die kurzfristigen Zinsen wenige Monate nach dem Börsenhoch ihren Höhepunkt.

Je mehr Schulden vorhanden sind und umso höher die Preise sind, desto weniger Straffung ist notwendig, um die Blase anzustechen, und desto größer wird der nachfolgende Zusammenbruch. Um das Ausmaß des wahrscheinlich stattfindenden Abschwungs zu erkennen, ist es weniger wichtig, das Ausmaß der Straffung zu verstehen als die Sensitivität jedes einzelnen Sektors für Straffungen und den Kaskadeneffekt der Verluste. Das sieht man am besten, wenn man sich statt Durchschnittswerten der Gesamtwirtschaft alle wichtigen Wirtschaftssektoren und deren wichtigste Akteure anschaut.

In der Zeit unmittelbar nach der Blase wirkt sich der Vermögenseffekt der Bewegungen der Anlagepreise stärker auf die Wachstumsrate der Wirtschaft aus als die Geldpolitik. Die Menschen neigen dazu, die Auswirkungen dieses Effekts zu unterschätzen. In den Anfangsstadien des Platzens einer Blase, wenn die Aktienkurse fallen, aber die Unternehmensgewinne noch nicht zurückgegangen sind, halten die Menschen den Kursverfall fälschlicherweise für eine Kaufgelegenheit und die Aktien sowohl im Verhältnis zu den vergangenen als auch zu den erwarteten Gewinnen für günstig, weil sie das Ausmaß des Gewinnrückgangs nicht berücksichtigen, der wahrscheinlich aus dem kommenden Geschehen resultiert. Aber die Wende verstärkt sich selbst. Wenn zunächst das Vermögen sinkt und dann die Einnahmen sinken, verschlechtert sich die Kreditwürdigkeit, was die Kreditvergabe einschränkt; diese wiederum beeinträchtigt die Ausgaben und senkt die Investitionsquoten, und gleichzeitig wird es dadurch weniger attraktiv, sich für den Kauf von Finanzanlagen Geld zu leihen. Dies verschlechtert die Fundamentaldaten der Anlagen (zum Beispiel führt die schwächere Wirtschaftstätigkeit dazu, dass die Unternehmensgewinne chronisch enttäuschen), was die Menschen veranlasst, zu verkaufen und die Preise noch weiter zu drücken. Dies hat einen beschleunigenden Effekt auf die Anlagepreise, auf das Einkommen und auf das Vermögen.

4) Die „Depression“

Bei normalen Rezessionen (bei denen die Geldpolitik noch wirkt) lässt sich das Ungleichgewicht zwischen der Geldmenge und dem für den Schuldendienst nötigen Geld dadurch zurechtrücken, dass man die Zinsen weit genug senkt, um 1) einen positiven Vermögenseffekt zu erzielen, 2) die Konjunktur anzukurbeln und 3) die Belastung durch den Schuldendienst zu vermindern. In Depressionen gelingt das nicht, weil sich die risikofreien Zinsen nicht mehr wesentlich senken lassen, denn entweder haben sie bereits fast null Prozent erreicht oder – wenn die Devisenabflüsse und Währungsschwächen groß sind – die Untergrenze für die Zinsen liegt aufgrund von Bonitäts- oder Währungsrisiken höher. Gleichzeitig sind die Zinsaufschläge für riskante Kreditvergaben* höher.