Die Ravensdale-Skandale - Erpresst von einem Playboy (4-teilige Serie) - Melanie Milburne - E-Book

Die Ravensdale-Skandale - Erpresst von einem Playboy (4-teilige Serie) E-Book

Melanie Milburne

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Beschreibung

VORSICHT: VERFÜHRERISCHES VERLANGEN!
Julius Ravensdale erkennt sich selbst nicht wieder: In Hollys Nähe kann der sonst so beherrschte, bindungsscheue IT-Millionär plötzlich nur noch an Sex denken - an wilden, hemmungslosen Sex. Dabei soll die geheimnisvolle junge Frau vorübergehend seine Haushälterin unterstützen, statt das wohlgeordnete, ruhige Leben auf seinem Luxusanwesen komplett durcheinanderzuwirbeln! Doch nach einem berauschend heißen Kuss kann er sein Verlangen nicht länger bändigen. Bis auf einmal Ungeheuerliches ans Licht kommt ...

DEIN KUSS WECKT MEIN VERLANGEN
Nie wieder verschenke ich mein Herz! schwört Miranda, als ihre Jugendliebe stirbt. Weshalb ihr neuer Job in Nizza eine Herausforderung ist: Denn für den umwerfend gutaussehenden Milliardär Leandro Allegretti katalogisiert sie eine Kunstsammlung. Jeder Tag in der malerischen Villa mit diesem schweigsamen Traummann bringt ihren Schwur ein bisschen mehr in Gefahr! Verzweifelt versucht sie, ihre erwachenden Gefühle zu unterdrücken. Zu schrecklich war damals der Schmerz! Doch dann küsst Leandro sie einfach, und alle Vorsätze sind vergessen ...

VERLOBT MIT EINEM SEXY PLAYBOY?
Es war nicht fair, dass ein Mann so viel Sexappeal hatte. Es war wie ein Sog, dem sie sich nicht entziehen konnte. Warum heiraten immer nur die anderen? Als auch noch Jasmines Verlobter eine Beziehungspause von ihr verlangt, bittet sie verzweifelt Jake Ravensdale um Hilfe. Eigentlich hasst sie ihn, seit er sie als junges Mädchen brüsk zurückwies. Aber wenn dieser umschwärmte Playboy mit ihr flirtet, wird ihr Verlobter sicher rasend eifersüchtig und macht ihr einen Heiratsantrag, oder? Doch Jaz täuscht sich. Denn Jake spielt seine Rolle so überzeugend, dass er in ihr eine längst vergessene Sehnsucht weckt: Hat sie sich etwa in ihren Erzfeind verliebt?

SINNLICH ERPRESST VON DEINEN KÜSSEN
Schockiert sieht Kat, wer ihr neuer Nachbar im eleganten Notting Hill ist: der charmante Promi-Anwalt Flynn Carlyon, der sie schon eine ganze Weile zu umgarnen versucht! Dabei will sie mit dem erfolgsverwöhnten Frauenliebling nichts zu tun haben. Sie beschließt, ihn zu ignorieren, aber das ist unmöglich: Als sie ihn bei einem Unfall leicht verletzt, verlangt Flynn allen Ernstes, dass Kat sich persönlich um ihn kümmert. Glatte Erpressung - aber warum? Um sie zu verführen? Oder was führt dieser gerissene Traummann im Designeranzug im Schilde?

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Melanie Milburne

Die Ravensdale-Skandale - Erpresst von einem Playboy (4-teilige Serie)

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Melanie Milburne Originaltitel: „Ravensdale’s Defiant Captive“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 052018 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: SAS

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733709990

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Sobald seine Haushälterin ihm sein Lieblingsdessert servierte, wusste Julius Ravensdale, dass sie etwas im Schilde führte.

„Queens Pudding?“ Er hob eine Augenbraue. „Dessert gibt es doch nur zu besonderen Anlässen.“

„Es ist ein besonderer Anlass.“ Mit leicht zerknirschter Miene stellte Sophia das Schüsselchen vor ihn hin. „Ich habe jemanden dazugeholt, der mir mit dem Haushalt helfen wird. Nur für einen Monat, bis diese vermaledeite Sehnenscheidenentzündung ausgeheilt ist. Das zusätzliche Paar Hände brauche ich, und ich tue gleichzeitig etwas Nützliches für die Gemeinschaft – also eine Win-win-Situation.“

Julius’ Blick ging zu der Lederbandage an Sophias Handgelenk. Schon zwei Wochen trug sie den Verband. Die Frau arbeitete zu viel, er wusste, sie konnte dringend Unterstützung gebrauchen. Aber er hatte lieber weniger Personal. Nicht etwa, weil er geizig wäre. Er würde sogar dafür zahlen, dass ihn alle in Ruhe ließen und er ungestört arbeiten konnte. „Wen?“, fragte er knapp.

„Ein junges Ding, das einen Stups in die richtige Richtung braucht.“

Julius stöhnte stumm auf. Von allen Haushälterinnen der Welt hatte ausgerechnet er die argentinische Version von Mutter Theresa eingestellt!

„Sonst landet sie im Gefängnis“, fuhr Sophia fort.

„Gefängnis? Sie holen eine Kriminelle ins Haus? Was hat sie verbrochen?“

„Sie hat den Sportwagen des Typen mit dem Schlüssel zerkratzt.“

„Und vermutlich behauptet, es wäre keine Absicht gewesen, oder?“ Er dachte sofort an seinen Aston Martin, der in der Garage stand.

„Nein, sie hat es zugegeben, und der Mann hat es auch verdient. Außerdem hat sie Unkrautvernichter über seinen Rasen geschüttet.“

„Entzückend.“

„Also … habe ich Ihre Erlaubnis, sie ins Haus zu holen?“

Sarkasmus war an Sophia verschwendet, die Frau war gutmütig und großzügig und würde ihr letztes Hemd für andere geben, immer bereit zu helfen. Julius wusste, sie vermisste ihre Kinder, aber die beiden waren längst erwachsen und lebten ihr eigenes Leben. Also, warum sollte er ihr nicht den Gefallen tun? Er hatte so oder so genug zu erledigen, musste noch die letzten kleinen Probleme bei seiner Software ausbügeln, bevor er das Programm dem Forschungsteam vorlegen konnte.

Kaum hatte er knapp genickt, erschien auch schon ein glückliches Lächeln auf Sophias Gesicht. „Oh, warten Sie nur, bis Sie sie sehen. Sie werden hingerissen sein.“

Holly überlegte ernsthaft, ob sie sich nicht besser wieder umdrehen sollte, als der Kleinbus vor der Villa vorfuhr. Das Haus war groß. Nein, riesig. Mit dem weitläufigen gepflegten Park und den endlosen Rasenflächen hatte dieses Anwesen wahrscheinlich sogar eine eigene Postleitzahl! Auf jeden Fall hatte es nichts mit der staatlichen Besserungsanstalt zu tun, die sie erwartet hatte. Keine Gitter, kein Stacheldraht, auch keine Wachen mit dem Maschinengewehr im Anschlag. Es machte eher den Eindruck eines abgeschiedenen Luxushotels, ein ruhiges Urlaubsressort für die Reichen und Schönen. Sie fragte sich, was sie hier sollte.

„Nur für einen Monat.“ Natalia Varela, die für sie zuständige Sozialarbeiterin, fuhr durch das schmiedeeiserne Tor, das wie durch Geisterhand aufschwang, auf die lange Auffahrt. „Sie sind glimpflich davongekommen. Ich kenne viele, die liebend gern mit Ihnen tauschen würden.“

Holly schnaubte nur, verschränkte die Arme vor der Brust und presste die Lippen zusammen. Sollte sie sich jetzt auch noch bedanken, dass man sie in diesem riesigen alten Kasten zusammen mit einem Mann einpferchte, den sie nie zuvor gesehen hatte?

Ein ganzer Monat mit einem Fremden. Einunddreißig Tage mit einem Mann, der sich großmütig bereit erklärt hatte, sie zu „bessern“. Ha! Als ob da eine Chance bestünde! Wer war der Typ überhaupt? Man hatte ihr nur gesagt, er sei irgendein Computergenie aus England, der sich hier in Argentinien bis ganz nach oben gearbeitet hatte. Angeblich entwickelte er die Software für die großen Weltraumteleskope, die in der Atacama Wüste im benachbarten Chile standen. Ach ja, und ledig war er auch.

Holly verdrehte die Augen. Und der Knilch hatte aus reiner Nächstenliebe zugestimmt, eine alleinstehende junge Frau in Schwierigkeiten in sein Haus aufzunehmen? Hatten die Behörden ihm das tatsächlich abgekauft? Unfassbar. Holly wusste alles über Männer und ihre dubiosen Motive!

Die Tore schlossen sich hinter dem Transporter.

„Julius Ravensdale hat dem Arrangement nur zugestimmt – höchst unwillig übrigens –, weil seine Haushälterin eine Sehnenscheidenentzündung hat und Unterstützung braucht. Sie werden ihr unterstehen. Das ist eine fantastische Gelegenheit, praktisch wie eine Berufsausbildung. Machen Sie das Beste daraus“, sagte Natalia.

Ausbildung? Zynisch verzog Holly die Lippen. Sie würde doch nicht Haushälterin werden, nur weil sie ein paar kleinere Dummheiten angestellt hatte! Ihr Widerling von Stiefvater hatte ja regelrecht darum gebettelt! Außerdem war es nur ein blöder Sportwagen, verflixt! Dann musste er das Auto eben neu lackieren lassen und den Rasen neu einsähen, na und?

Nein, sie würde sich nicht zur Sklavin irgendeines reichen Typen machen lassen und auf den Knien Böden schrubben. Die Zeiten, wo sie sich herumschubsen ließ, waren lange vorbei. Dieser Julius Sowieso würde sein blaues Wunder erleben, wenn er sich einbildete, er könnte sie für seine niederen Bedürfnisse ausnutzen.

Was, wenn er gar nicht vorhatte, sie in der Küche einzusetzen? Was, wenn er wesentlich schmutzigere Pläne hatte? Soweit sie wusste, bildeten reiche Männer sich ein, sie könnten sich alles erlauben. Von wegen „unwillig zugestimmt“! Das musste er ja sagen, wenn er nicht übereifrig wirken wollte. So gab er vor, seinen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten, und in Wahrheit leistete er sich sie!

Tja, versuch’s nur, wirst schon sehen, wie weit du damit kommst! Der Sozialarbeiterin jedoch schenkte Holly ein Lächeln, das kein Wässerchen trüben konnte. „Oh ja, ich werde die Chance bestimmt voll ausnutzen.“

Natalia drückte noch einmal aufs Gaspedal, um endlich das Haus zu erreichen, und stieß einen Seufzer aus. „Das befürchte ich allerdings auch.“

Die Haushältern, die Holly vor ein paar Tagen schon getroffen hatte, begrüßte sie herzlich an der Tür, während Natalia einen dringenden Anruf eines ihrer anderen Schützlinge entgegennahm.

„Ich freue mich, dass Sie hier sind, Holly.“ Sophia lächelte warm. „Nur herein. Señor Ravensdale ist beschäftigt, also werde ich Sie zu Ihrem Zimmer bringen.“

Ein Empfangskomitee mit Musikkapelle hatte Holly nicht unbedingt erwartet, aber wäre es nicht angebracht, dass der Hausherr sie wenigstens begrüßte? Entsprach es nicht der üblichen Höflichkeit, damit sie einander wenigstens von Angesicht zu Angesicht kennenlernten und wussten, mit wem sie es zu tun hatten? „Wo ist er denn?“

„Im Moment darf man ihn nicht stören“, setzte Sophia an. „Ihr Zimmer ist vorbereitet und …“

„Stören Sie ihn bitte“, unterbrach Holly sie. „Jetzt.“

Sophia stutzte. „Man darf ihn aber nicht unterbrechen, wenn er arbeitet. Niemand betritt sein Arbeitszimmer, außer in einem Notfall.“

Holly schob sich durch den Eingang und steuerte zielsicher auf die einzige geschlossene Tür auf dem langen Korridor zu, hinter der sie besagtes Arbeitszimmer vermutete. Sie klopfte auch nicht an, sondern drückte die Klinke herunter und marschierte resolut über die Schwelle.

Der Mann hinter dem großen Schreibtisch sah auf, seine Finger, die über die Computertastatur geflogen waren, hielten in der Luft inne. Das Klicken der letzten Taste hallte in der Stille des Raumes wider wie Donnerhall.

Holly holte Luft, wollte etwas sagen, doch aus irgendeinem Grund versagte die Stimme ihr den Dienst. Das musste der Schock sein, denn der Mann dort hatte nichts mit dem Bild gemein, das sie sich gemacht hatte. Zum einen war er nicht alt, sondern höchstens Mitte dreißig. Und zum anderen sah er aus wie ein Filmstar. Groß, schlank, breite Schultern, olivfarben getönte Haut. Das dunkle, wellige Haar stand ab, als wäre er unzählige Male mit den Fingern hindurchgefahren … oder gerade nach einer heißen Nacht aus dem Bett gestiegen. Ein markantes Kinn, eine gerade Nase und ein sinnlich geschwungener Mund. Prompt wurden Holly die Knie weich.

Jetzt schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. Der Raum schien sofort zu schrumpfen. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Sowohl Ton als auch Haltung drückten aus, dass er nicht die geringste Lust dazu hatte.

Nun, Holly nahm grundsätzlich kein Blatt vor den Mund, und von langwierigem, unnützem Gewäsch hielt sie auch nichts, sie kam immer direkt auf den Punkt. „Wissen Sie, dass es unhöflich ist, gerade angekommene Gäste zu ignorieren?“

Er taxierte sie mit regloser Miene. „Genau genommen sind Sie nicht mein Gast, sondern Sophias.“

Holly hob das Kinn, funkelte ihn mit einem Blick an, der ausdrückte: Ich weiß genau, was Sie vorhaben. „Ich wollte Sie auf jeden Fall von vornherein wissen lassen, dass ich nicht als Ihr Sexspielzeug hier bin.“

Dunkle Brauen wurden bis an den Haaransatz hochgerissen. Bei seinem dunklen Typ hätte sie braune Augen erwartet, stattdessen blitzte strahlendes Saphirblau auf, gerahmt von verboten langen Wimpern. Der Blick aus diesen wunderschönen Augen wanderte jetzt über sie, hielt kurz inne bei dem kleinen Strassstecker in ihrem Nasenflügel und der pinkfarbenen Strähne in ihrem Haar. Dann zuckte es um seine Mundwinkel – unmissverständlich spöttisch.

Ein bitterer Geschmack stieg Holly in den Mund, ihr Magen zog sich zusammen. Wenn sie eines hasste, dann dass man sich über sie lustig machte. Sie nicht ernst nahm. Sie verspottete.

„Wie geht es Ihnen, Miss … äh?“ Fragend sah er zu seiner Haushälterin, die hinter Holly aufgetaucht war.

„Miss Perez, Hollyanne Perez“, antwortete Sophia.

„Holly“, korrigierte Holly düster.

Julius streckte die Hand aus. „Also … wie geht es Ihnen, Miss Perez?“

Holly sah auf die dargebotene Hand, als hielte er ihr eine Viper hin. „Behalten Sie Ihre Griffel besser bei sich.“

Natalia erschien jetzt ebenfalls, hektisch und verlegen. „Ich muss mich entschuldigen, Dr. Ravensdale. Aber da kam ein Anruf von einem meiner anderen Schützlinge …“

Mit gerunzelter Stirn fuhr Holly herum. „Doktor? Niemand hat mir gesagt, dass er ein Doktor ist. Sie meinten nur, er sei irgendein Computernerd.“

Ein entschuldigendes Lächeln Richtung Julius, dann wandte Natalia sich an Holly. „Dr. Ravensdale ist Doktor der Astrophysik, und die Höflichkeit verlangt, ihn mit seinem Titel anzusprechen, wenn er es wünscht.“

Holly drehte sich zu Julius zurück. „Wie wünschen Sie angesprochen zu werden? Mit Sir? Oder Herr Gelehrter? Vielleicht Hoheit?“

Es zuckte um seine Lippen, als müsste er ein Grinsen zurückhalten. „Julius reicht völlig.“

„Wie in Julius Cäsar?“

„Um genau zu sein, ja.“

„Sie begeistern sich für Shakespeare?“ Aus Hollys Mund klang es, als wäre das eine ansteckende Krankheit. Sollte er sie ruhig für ungebildet und gewöhnlich halten. Primitiver Abschaum.

„Ich nicht, aber meine Eltern.“

„Wieso haben Sie mich herkommen lassen?“

„Ich wollte Sie nicht hier haben, nur konnte ich aufgrund der momentanen Situation in diesem Haus nicht ablehnen.“

Holly verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann nicht kochen.“

„Man kann alles lernen.“

„Und ich verabscheue Hausarbeit. Es ist purer Sexismus, von einer Frau zu erwarten, dass sie einem ständig hinterherräumt. Nur weil ich Brüste und Eierstöcke und …“

„Verstehe schon“, unterbrach er sie. Holly fragte sich, ob er fürchtete, sie könnte jetzt alle ihre weiblichen Körperteile auflisten. „Wie auch immer … Sie haben eine Auflage von den Behörden erhalten, die Sie erfüllen müssen, und ich brauche Hilfe im Haus, bis es Sophia besser geht. Also, eine klassische Win-win-Situation.“

Holly gab einen abfälligen Laut von sich, ließ die Arme sinken und lenkte den Blick zu der Sozialarbeiterin. „Haben Sie ihn vorher überprüft? Ist der Mann echt?“

„Ich versichere Ihnen, Holly, Dr. Ravensdale ist absolut vertrauenswürdig“, bestätigte Natalia.

Zweifelnd schürzte Holly die Lippen. „Trinken Sie?“

„Bei gesellschaftlichen Anlässen.“

„Rauchen?“

„Nein.“

„Drogen?“

„Nein.“

Sie trieb es genüsslich auf die Spitze. „Sex?“

„Holly“, schaltete Natalia sich ein, „Sie bringen Dr. Ravensdale in Verlegenheit.“

„Nein, durchaus nicht“, wehrte Julius ab. „Aber eine derart impertinente Frage gedenke ich auch nicht zu beantworten.“

Holly hüstelte. „Heißt wohl, Sie haben keinen Sex, was?“

Er starrte sie an, und sein Blick brachte alles in ihr zum Vibrieren. Julius sah nicht aus wie ein Mann, der irgendetwas anbrennen ließ, sondern wie jemand, der sich seine Frauen problemlos aussuchen konnte. Sinnlichkeit umgab ihn wie ein Kraftfeld.

Bilder schossen ihr durch den Kopf, wie es mit ihm sein musste. Kein hektisches Gefummel, kein gieriges Gegrapsche. Nein, langsam, sinnlich, erotisch. Der Mann würde wissen, wie er die Sinne einer Frau in die Stratosphäre katapultieren könnte, daran ließ das selbstsichere Funkeln in seinen Augen keinen Zweifel.

„Da wir gerade beim Thema sind …“, hob er an. „Ich setze voraus, dass Sie in meinem Haus auf Männerbesuch verzichten.“

„Ah, Sie können Sex haben, aber ich nicht?“ Herausfordernd schnurrte sie: „Es sei denn natürlich … wir könnten auch Sex zusammen haben.“

„Ich muss gehen“, unterbrach die Sozialarbeiterin sie, als ihr Handy schon wieder klingelte. „Tja, ich kann nur hoffen, dass Sie sich benehmen, solange Sie hier sind, Holly. Vergessen Sie nicht, dass das hier Ihre letzte Chance ist. Verbocken Sie es, dann wissen Sie, wo Sie landen.“

„Ja, ja“, tat Holly den Einwand der Frau gespielt gelangweilt ab. Sie richtete den Blick auf eines der Bücherregale. Nein, sie wollte nicht inhaftiert werden, aber sie wollte sich auch nicht vom erstbesten Kerl ausnutzen lassen, der meinte, er hätte Macht über sie. Wenn Julius Ravensdale ein Spielzeug für sich suchte, warum dann nicht eines aus der Herde der Reichen und Schönen? Sie war nicht einmal sein Typ. Wie denn auch, mit ihren billigen Kaufhausklamotten, ganz zu schweigen von ihrer Herkunft. Der Herkunft, der sie noch immer zu entkommen versuchte. Der Makel, der an ihr klebte wie Wagenschmiere und sich nicht entfernen ließ. Kein Schrubben, kein Rubbeln, kein Scheuern würde das je von ihr abwaschen können.

Julius Ravensdale entstammte altem Geldadel. Das sah man schon daran, wie er sich kleidete, an seiner selbstbewussten Haltung. An den Gemälden an der Wänden, dem Mobiliar, den kostbaren Teppichen überall. Er hat seine Kindheit nicht in Angstschweiß gebadet verbracht, er hatte nie ums Überleben kämpfen müssen. Ihm war alles auf dem Silbertablett serviert worden. Wieso also hätte er diesem Arrangement zustimmen sollen, wenn er nicht vorhatte, sie irgendwie auszunutzen? Sie biss die Zähne zusammen. Nein, sie würde sich nicht ausnutzen lassen. Falls überhaupt, würde sie ihn ausnutzen!

„Ich werde mich jeden Tag telefonisch nach dem Stand der Dinge erkundigen.“ Die Sozialarbeiterin schüttelte Julius zum Abschied die Hand. „Es ist wirklich sehr großzügig von Ihnen, dass Sie an diesem Programm teilnehmen. Viele haben dadurch wieder Halt gefunden.“

„Ich bin sicher, es wird schon gut gehen“, erwiderte er. „Sophia wird sie unter ihre Fittiche nehmen.“

„Und nochmals danke, dass Sie Ihr Zuhause zur Verfügung stellen.“

„Es ist ein großes Haus.“ Vielleicht nicht groß genug.

Sophia begleitete die Sozialarbeiterin hinaus, und Holly schwang zu Julius herum, sobald sie allein waren.

„Wie viel zahlt man Ihnen dafür, dass Sie mich aufnehmen?“

„Ich habe darum gebeten, es einem Wohltätigkeitsverein zu spenden.“

„Sehr großmütig.“

Die Hände in die Hüften gestemmt, lehnte er sich an die Fensterbank. Eine lässige Pose, die den Tumult, der Hollys Gegenwart von der ersten Sekunde an in ihm ausgelöst hatte, kaschieren sollte. Das Blut rauschte ihm durch die Adern, wie er es seit seiner Teenagerzeit nicht mehr erlebt hatte. Er studierte ihre trotzige Miene, ihre blitzenden karamellbraunen Augen, den vollen roten Kirschmund. Der kleine Strassstecker in ihrem rechten Nasenflügel funkelte bei jeder Bewegung auf. Zarte Sommersprossen sprenkelten ihre hübsche Stupsnase – wie brauner Zucker auf einer Dessertcreme. Aber da hörte es auch schon auf mit den süßen Vergleichen. Alles an ihr strahlte Feindseligkeit und Verbitterung aus, sie war eindeutig auf Krawall gebürstet.

Gleichzeitig strahlte sie eine ursprüngliche, unverfälschte Sinnlichkeit aus, worauf sein Körper ganz spontan reagierte.

Energisch rief er sich zur Ordnung. Es war ja schon peinlich, wenn eine so aggressive Göre seine Aufmerksamkeit erregen konnte.

Ihre Gesichtszüge waren nicht unbedingt klassisch schön, aber irgendwie außergewöhnlich und fesselnd. Aristokratisch hohe Wangenknochen, lange, dichte Wimpern, makellose samtige Haut. Schulterlange Locken in seidig schimmerndem Braun, wenn man von den pinkfarbenen Strähnen absah.

Julius wartete noch immer darauf, dass sie die Verbindung herstellen würde. Es passierte immer, über die Jahre hatte er sich daran gewöhnt. Oh, Sie sind der Sohn von Richard Ravensdale und Elisabetta Albertini, dem berühmten Schauspielerpaar am Londoner Westend? Ob ich über Sie wohl Autogramme bekommen kann? Oder eine Einladung zur Premiere? Plätze in der ersten Reihe? Einen Bühnenpass?

Miss Holly Perez hatte entweder noch nie von seinen Eltern gehört, oder es war ihr absolut schnuppe.

Seltsam, aber er musste zugeben, dass er ihre Burschikosität erfrischend fand. Eine angenehme Abwechslung zu all den Schmeichlern, die seine Nähe nur wegen seiner Beziehung zur Londoner Theaterelite suchten. Frauen, die an seiner Seite auf dem roten Teppich gesehen werden wollten, in der Hoffnung, sie würden einem Agenten auffallen. Es war nett, jemanden zu treffen, dem es nicht gleichgültiger hätte sein können.

Älter als Mitte zwanzig konnte Holly nicht sein, also vielleicht sieben, acht Jahre jünger als er mit seinen dreiunddreißig Jahren, doch das Leben hatte sie hart gemacht. Ihr Blick warnte davor, sich mit ihr anzulegen. Was trieb sie zu diesen kleinkriminellen Vergehen? Er hatte die Liste gesehen – Diebstahl, Vandalismus, Sachbeschädigung, Graffitis.

Sophias Rettungsmission könnte sich als schwieriger erweisen als angenommen. Er hatte zugestimmt, weil er dem Urteil seiner Haushälterin vertraute, aber vielleicht war sie diesmal auf dem Holzweg. Holly war hier hereingeplatzt wie ein Wirbelwind … Ihn nach seinem Sexleben zu fragen, also wirklich!

Nun, ihm sollte es gleich sein, wie viele impertinente Fragen sie stellte, er hatte nicht vor, die Flaute in seinem Liebesleben öffentlich zu machen. Er arbeitete an einer Top-Secret-Software, und er war nicht wie sein Zwillingsbruder Jake, der Sex hatte, als würde er für die Olympiade trainieren. Auch schlug er nicht nach seinem Vater, dem zu Recht der Ruf vorauseilte, ein Don Juan zu sein.

Julius genoss die Gesellschaft von Frauen, Sex machte ihm Spaß. Doch das damit verbundene Taktieren langweilte ihn. Frauen, die mit einer Agenda ins Schlafzimmer kamen, nervten ihn nur. Er würde allein entscheiden, ob und wann er bereit war, eine Familie zu gründen. Manchmal zweifelte er allerdings daran, dass der Zeitpunkt je kommen würde. Da er die turbulente Beziehung seiner Eltern mit Scheidung und erneuter Heirat hatte miterleben müssen, war er sich keineswegs sicher, ob er sich auf ein solches Chaos einlassen wollte.

Und jetzt die Wirkung, die diese Frau auf ihn hatte. Das heiße Ziehen in seinen Lenden war unmissverständlich, auch wenn er sein Bestes gab, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Ich weiß genau, warum Sie mich aufgenommen haben“, sagte sie jetzt, als wäre sie sich ihrer Wirkung auf ihn bewusst.

Warum hatte er nicht einfach eine Agentur angerufen und eine Hilfe für Sophia angefordert? Eine mit Referenzen und Manieren. Wieso hatte er sich breitschlagen lassen, ein so aggressives junges Ding wie Holly Perez in sein Haus zu holen? „Sie täuschen sich, Miss Perez. Was Frauen anbetrifft, bin ich doch etwas anspruchsvoller.“

„Aber natürlich sind Sie das.“

Sie erlaubte sich ein provozierendes Lächeln, und prompt spürte er die Reaktion seines Körpers. Plötzlich konnte er nur noch an Sex denken. An heißen, wilden, hemmungslosen Sex. Wie lange war das her? Ganz offenbar zu lange, wenn er schon bei harmlosem Geplänkel auf solche Gedanken kam. Holly Perez war eine Unruhestifterin, es stand ihr auf der Stirn geschrieben, und auf so etwas würde er sich nicht einlassen. Er war nicht Sklave seiner Hormone, war es noch nie gewesen.

Mit der Grazie einer Raubkatze bewegte Holly sich durch sein Büro – geschmeidig, lautlos, kontrolliert. Gefährlich, sollte man sie gegen das Fell streicheln. Dabei hatte sie gar keine Krallen, sie kaute an ihren Fingernägeln. Und als sie den Arm hob, um sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen, fiel ihm eine breite Narbe an ihrem Handgelenk auf. „Woher haben Sie die?“ Er zeigte darauf.

Man konnte deutlich sehen, wie die Schotten zuschlugen. „Als Kind habe ich mir den Arm gebrochen.“

Julius erwiderte nichts, beobachtete, wie sie den Ärmel ihres dünnen Pullovers weiter herunterzog und nervös am Saum nestelte. Sie hatte die Brauen zusammengezogen, eine Falte stand auf ihrer Stirn. Es faszinierte ihn, wie rasant sie sich vom verführerischen Vamp zum schmollenden Kind verwandelt hatte.

„Möchten Sie sich die Villa ansehen?“ Eigentlich war er davon ausgegangen, Sophia würde die Führung durchs Haus übernehmen, doch nun würde er es eben selbst machen. Auf diese Weise hatte er Holly im Blick, falls sie etwas in ihrer Tasche verschwinden lassen oder seine Antiquitäten zerkratzen wollte. Himmel, warum nur hatte er dem zugestimmt? „Höre ich da einen leichten britischen Akzent bei Ihnen?“, fragte er, als er sie zu seinem Büro hinausbegleitete.

„Wir zogen nach England, als ich noch ein Kind war. Mein Vater war Argentinier.“

„War?“

„Er starb, da war ich drei. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an ihn, Sie brauchen also nicht sentimental zu werden.“

„Lebt Ihre Mutter noch?“

„Nein.“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Hat Natalia Ihnen denn nicht meine Akte überlassen?“

Doch, hatte sie. Aber er hatte die Unterlagen nur kurz überflogen. Schließlich hatte er nicht damit gerechnet, persönlich in die Sache hineingezogen zu werden. Außer zu Sophia pflegte er keinen engeren Kontakt zum Personal. Die Leute verrichteten ihre Arbeit, er erledigte seine. Hollys Akte hatte ihn nicht wirklich interessiert. Stand dahinter eine Geschichte? Manche Menschen wurden mit schlechtem Charakter geboren, anderen spielte das Leben übel mit, sodass sie schlecht wurden. Wie mochte das bei Holly gewesen sein?

„Sie hat sich umgebracht, da war ich gerade siebzehn.“

„Tut mir leid.“

Holly zuckte nur mit den Schultern. „Und Ihre Eltern?“

„Beide gesund und wohlauf.“ Und sie trieben ihn schier in den Wahnsinn. Wie üblich.

Holly blieb stehen, um ein Landschaftsgemälde zu betrachten. Miranda, seine kleine Schwester und von Beruf Restauratorin, hatte Julius grünes Licht gegeben, es auf einer Auktion zu erstehen. Noch ein Ravensdale-Sprössling, der zum Leidwesen der Eltern überhaupt nichts mit den Brettern, die die Welt bedeuteten, zu tun haben wollte.

Holly ging weiter, nahm dieses und jenes Teil in die Hand, stellte es wieder ab. Julius hoffte nur, dass sie sich keine Strichliste im Kopf machte, was sie später alles mitgehen lassen wollte.

„Haben Sie Geschwister?“, fragte sie.

Es war komplett neu für Julius, einen Menschen zu treffen, der nichts von seiner Familie wusste. Las sie denn keine Zeitung? Hatte sie keinen Zugang zum Internet? „Einen Zwillingsbruder und eine Schwester, die zehn Jahre jünger ist.“

Sie blieb wieder stehen, sah ihn an. „Eineiige Zwillinge?“

„Ja.“

Ihre Augen begannen schelmisch zu funkeln, Grübchen erschienen in ihren Wangen, als sie grinste. Es veränderte ihr Gesicht völlig. „Spielen Sie auch die typischen Verwechslungsspielchen?“

„Früher, heute nicht mehr.“

„Konnten Ihre Eltern Sie auseinanderhalten?“

„Heute schon, früher hatten sie da Schwierigkeiten.“ Weil sie nie lange genug zu Hause gewesen waren, stets mehr interessiert an ihrer Karriere als an ihren Kindern. Verbittert war er deswegen nicht. Zumindest nicht allzu sehr. „Und Sie? Haben Sie Geschwister?“

„Nein.“ Ihr Lächeln erstarb, die Falte erschien wieder auf ihrer Stirn. „Ich bin Einzelkind.“

Etwas in ihrem Ton verriet unendliche Einsamkeit. Er hätte nie damit gerechnet, Mitgefühl für sie zu empfinden. Julius hatte sehr genaue Vorstellungen von Manieren und gutem Benehmen. Hatte auch strikte Prinzipien. Und eine traurige Kindheit war keine Entschuldigung, um Gesetze zu brechen. Dennoch … etwas an ihr fesselte ihn. Sie war wie Licht und Schatten. Ein kompliziertes Rätsel, für das man Zeit brauchte, um es zu lösen.

Die Rettungsmission seiner Haushälterin könnte vielleicht doch noch interessant werden.

Holly blieb vor einem Fenster stehen, schaute hinaus in den gepflegten Park. „Leben Sie allein hier?“

„Nun, das Personal wohnt auf dem Anwesen, aber sie haben alle ihre eigenen Quartiere. Nur Sophia hat eine Wohnung im Haus.“

Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Ziemlich groß für eine Person, oder?“

„Ich schätze meine Privatsphäre.“

„Muss ein Vermögen kosten, das zu unterhalten.“

„Ich komme zurecht.“

„Geld beeindruckt mich nicht.“ Holly drehte sich wieder zum Fenster.

„Was dann?“

Jetzt sah sie ihn an, verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein und ließ eine Schulter hängen, sodass der billige Pullover verrutschte und samtige Haut freigab. Die Lider halb gesenkt, die Lippen aufgeworfen … Julius hatte das Gefühl, dass sie ihn auf die Probe stellen wollte, und er tat sein Bestes, nicht in die Falle zu tappen.

„Mich beeindruckt es, wenn ein Mann sich mit dem Körper einer Frau auskennt.“

Glaubte sie tatsächlich, er wollte ihre Situation ausnutzen? War das ihre generelle Meinung über Männer? Er war kein Grobian, drängte sich niemals auf. Manchmal konnte er sicher arrogant und stur sein, doch Frauen behandelte er grundsätzlich mit Respekt. Gewalt gegen Frauen war ihm ein absoluter Gräuel.

„Mehr nicht? Nur, ob er liefern kann?“

„Natürlich. Man kann viel daran erkennen, wie ein Mann im Bett ist. Ist er egoistisch oder rücksichtsvoll, lässig oder verklemmt.“ Sie tippte sich mit einer Fingerspitze gegen die Lippen. „Nehmen wir Sie zum Beispiel.“

Besser nicht, dachte er. „Ihre Theorie ist sicher interessant, aber …“

„Sie sind ein Mann, der absolute Kontrolle über sein Leben braucht. Sie mögen es geordnet und überschaubar. Keine Überraschungen. Ihr Leben ist bis ins Detail durchgeplant. Habe ich recht?“

Es passte ihm nicht, dass er so leicht zu durchschauen sein sollte. Ein Stereotyp. Ein Klischee. Sein Charakter hatte nämlich Facetten. Viele. Man musste sich nur die Mühe machen, die herauszufinden.

Er öffnete die Tür zur Bibliothek. „Suchen Sie sich ruhig etwas zu lesen aus, aber achten Sie bitte darauf, keine Eselsohren zu hinterlassen. Und stellen Sie die Bücher wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück.“

„Sehen Sie?“ Sie lachte spöttisch auf. „Ich habe voll ins Schwarze getroffen.“

Nach einem vernichtenden Blick in ihre Richtung schob er die nächste Tür auf. „Das Musikzimmer.“

„Lassen Sie mich raten …“ Wieder grinste sie. „Ich darf auf dem Klavier klimpern, solange ich keine klebrigen Finger habe und keine Krümel in die Tastatur fallen lasse.“

Das Bild, das sie da von ihm zeichnete, fand er immer unangenehmer. So, wie sie ihn darstellte, war er nichts als ein zwanghaft ordnungsbesessener Hausbesitzer. „Spielen Sie ein Instrument?“

„Nein.“

„Würden Sie es gern lernen?“ Musik besänftige doch angeblich sogar wilde Tiere. Klavierstunden würden sie auf jeden Fall beschäftigt halten.

Herausfordernd blitzte sie ihn an. „Wollen Sie mir etwa in einem Monat das Klavierspielen beibringen?“

„Ich habe auch noch andere Instrumente.“

„Das glaube ich Ihnen gern.“

Konsterniert starrte er sie an. „Querflöte, Blockflöte, Saxofon …“

„Beeindruckend.“ Sie zog einen Mundwinkel hoch. „Einen Mann, der gut mit dem Mund und den Händen ist, muss man einfach lieben.“

Julius schob die Hände lieber in die Taschen, denn er war ernsthaft versucht, ihr genau zu zeigen, wie gut er war. Wieso provozierte sie ihn derart? Um ihm klarzumachen, dass er ebenso durchschaubar war wie alle anderen Männer? Was brachte ihr das ein? War sie auf der Suche nach Trophäen? Männer, die sie mit ihrer ursprünglichen Sinnlichkeit bezirzte? Für solche Spielchen hatte er keine Zeit. Sie mochte ihn ja für ein Klischee halten, aber in dieser Beziehung war er das ganz bestimmt nicht. Sollte sie ruhig flirten, er würde ihr nicht auf den Leim gehen.

„Ich werde Sophia Bescheid geben, dass sie Sie auf Ihr Zimmer bringt“, meinte er kühl.

Spöttische Funken tanzten in ihren Augen, „Wollen Sie mich denn nicht in mein Schlafzimmer begleiten?“

„Ich weiß nicht einmal, wo Sophia Sie untergebracht hat.“

Hoffentlich nicht in der Nähe seines Zimmers.

2. KAPITEL

Holly sah Julius hinterher, wie er über den breiten Korridor verschwand. Nach dem kleinen Schlagabtausch mit ihm fühlte sie sich seltsam atemlos, ihr Puls raste. Wie das Herz eines gefangenen Vogels, den man in der Hand hielt. Ihre Reaktion auf den Mann verwirrte sie.

Männer hatten normalerweise keine solche Wirkung auf sie, auch nicht die gut aussehenden. Viel besser als Julius Ravensdale konnte ein Mann nicht aussehen. Er könnte auf jeder Titelseite eines Hochglanzmagazins abgebildet sein, Werbung für Aftershave oder Männermode machen. Mit seiner Größe und den breiten Schultern strahlte er fesselnde Autorität aus. Etwas an ihm kam ihr bekannt vor. Hatte sie irgendwo ein Foto von ihm gesehen? Oder vielleicht war ja sein Zwillingsbruder berühmt. Auch sein Name … irgendetwas klingelte da, sie konnte nur nicht den Finger drauflegen.

Sein Zerstreuter-Professor-Look sprach sie unglaublich an. Er hatte sich heute Morgen ganz sicher rasiert, aber der Nachmittagsbartschatten stand ihm schon wieder auf Kinn und Wangen. Testosteron in rauen Mengen. Es hatte sie ja auch gleich angesprungen, kaum dass sie die Tür zu seinem Arbeitszimmer geöffnet hatte. Wuchtig. Überwältigend. Ursprünglich. Sie war sich ihres Körpers bewusst geworden wie selten zuvor. Vielleicht wie nie zuvor.

Julius rührte etwas tief in ihr an. Etwas Instinktives. Das Bedürfnis, seine kühl-gefasste Fassade zum Bröckeln zu bringen, war geradezu zwingend. Sie wollte den primitiven Mann hinter der geschliffenen Maske hervorlocken. Seine Selbstbeherrschung war erstaunlich, er wirkte so unnahbar. Sie wollte die Mauer einreißen, die er um sich aufgebaut hatte, um jeden auf Distanz zu halten. Sollte sie es wagen? Ob er dann noch immer in der Lage wäre, sich so eisern zu kontrollieren?

Ein kleines Lächeln spielte um ihre Lippen. Das war ein verlockender Gedanke …

Vielleicht würde der Monat ja gar nicht so schlecht werden. Auf jeden Fall war Julius eine Abwechslung von den Kerlen, mit denen sie bisher gezwungenermaßen hatte umgehen müssen, allen voran ihr widerlicher Stiefvater. Julius dagegen … es amüsierte sie, wenn er den Schulmeister hervorkehrte, und ihn zu provozieren, war aufregend.

Holly war sehr wählerisch bei der Auswahl ihrer Liebhaber. Aber das hieß ja nicht, dass sie nicht ein wenig Spaß haben und an seinen Gitterstäben rasseln konnte, oder? Er war so typisch britisch, stets beherrscht und gefasst. Vielleicht konnte sie sich die Zeit hier kurzweiliger gestalten, indem sie ihm zeigte, dass er zwar ein Genie war und Abschlüsse von Eliteuniversitäten in der Tasche hatte, aber dennoch nicht mehr war als ein Mann. Männer wurden von Hormonen getrieben, wollten ihre Lust befriedigen. Egal, wer gerade zur Verfügung stand. Sie würde ihm beweisen, dass er sich nicht einzubilden brauchte, er wäre etwas Besseres.

Das hier könnte noch richtig lustig werden.

Am Ende des Korridors bog die Haushälterin um die Ecke und kam auf Holly zu. Der Stützverband an ihrem Handgelenk erinnerte Holly an damals, als sie elf Jahre alt gewesen war und ihr Stiefvater ihr das Handgelenk gebrochen hatte. Er hatte sie und ihre Mutter bedroht, jemals die Wahrheit über „den Unfall“ zu sagen. Also hatte sie überall erzählt, sie sei vom Fahrrad gefallen. Ein Fahrrad hatte sie nie besessen. Die Metallstifte in ihrem Arm waren nicht die einzigen Blessuren, die ihr Stiefvater hinterlassen hatte. Ihre Probleme mit Autorität, ihre rebellische Art, ihr Misstrauen gegenüber Männern … Das war das Resultat, wenn man Kindheit und Jugend in ständiger Angst verlebte. Und der Anwalt ihres Stiefvaters hatte es auch noch so hingestellt, als wäre sie die Kriminelle!

„Kommen Sie, Holly.“ Sophia zeigte zur Treppe. „Nun, was sagen Sie zu dem Haus?“

„Soweit ganz in Ordnung.“ Wozu engere Kontakte mit den Hiesigen knüpfen? Sophia schien ganz nett zu sein, aber der Aufwand lohnte nicht. In vier Wochen würde Holly ja wieder von hier verschwinden. Falls sie sich nicht schon früher absetzte.

„Ich musste Señor Ravensdale die Daumenschrauben anlegen, damit wir Sie hier aufnehmen können. Nicht, dass er keine gemeinnützige Arbeit leisten will, im Gegenteil. Er unterstützt viele Projekte. Aber er will in Ruhe gelassen werden, um konzentriert arbeiten zu können.“

„Hat er eine Freundin?“

Sophia presste die Lippen zusammen. „Meine Stelle ist mir zu wichtig, als dass ich über derart persönliche Dinge klatsche.“

„Mir scheint er doch ziemlich langweilig zu sein. Immer nur Arbeit und kein Vergnügen …“

„Er ist ein wunderbarer Arbeitgeber und ein Ehrenmann mit Prinzipien. Sie haben Glück, dass ich ihn überreden konnte.“

„Na, da habe ich ja das große Los gezogen, was?“

Sophia bedachte sie mit einem tadelnden Blick. „Ich hoffe, Sie machen ihm keinen Ärger.“

Wer, ich? Holly schmunzelte in sich hinein. So, Julius Ravensdale hatte also Prinzipien? Wie lange würde es wohl dauern, bis seine hehren Motive sich als das erwiesen, was sie in Wirklichkeit waren? Sie hatte doch den Blick gesehen, mit dem er sie taxiert hatte. Er mochte ja hyperintelligent und bestens erzogen sein, aber er hatte die gleichen Bedürfnisse wie jeder andere Mann. Schließlich stand er in der Blüte seiner Jahre, wie es so schön hieß, oder? Er würde die Situation auszunutzen versuchen, ganz bestimmt. Sie war nicht eitel, aber sie wusste, welche Macht sie über Männer hatte. Es war die einzige Macht, die sie besaß. Weder Geld noch Privilegien, geschweige denn einen Stammbaum … aber ihren Körper.

„Was ist denn mit Ihrem Handgelenk?“, fragte sie, um die Stille zu durchbrechen.

„Eine Sehnenscheidenentzündung. Ich muss die Hand ruhig halten, dann heilt es schon wieder. Das sind die Alterswehwehchen, fürchte ich.“

Holly folgte der Haushälterin in den dritten Stock. Überall kostbare Teppiche, dick und weich, Originalgemälde italienischer und französischer Meister an den Wänden. Porträts, Landschaften, Stillleben. Marmorne Büsten und Statuen, Kristalllüster an den Decken. Nie hatte Holly solche Pracht gesehen. Doch nirgendwo etwas Persönliches. Keine Familienfotos, keine Souvenirs. Dieses Anwesen war ein Museum, kein Zuhause.

„Das hier ist Ihr Zimmer, mit eigenem Bad und Balkon.“

Balkon?

Abrupt blieb Holly stehen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, Panik jagte ihr von Kopf bis Fuß einen eiskalten Schauder über den Körper. Die zarten Vorhänge vor den offenen Balkontüren bauschten sich in der Nachmittagsbrise wie das Gewand eines Geistes.

Wie oft war sie in ihrer Kindheit auf den wackligen Balkon geschleift und ausgesperrt worden, bei jedem Wetter! Und dann hatte sie von dort draußen mit ansehen müssen, wie ihre Mutter misshandelt worden war. Schnell hatte Holly begriffen, dass sie sich still zu verhalten hatte. Denn je lauter sie weinte, desto härter hatte der Mistkerl bei ihrer Mutter zugeschlagen.

Aber innerlich hatte sie laut geschrien. Genau wie jetzt auch. Auf ihrer Brust lag ein unerträglicher Druck, die Kehle war ihr so eng, dass sie kaum Luft bekam.

„Atemberaubend, nicht wahr?“ Die gute Sophia, wenn sie wüsste! „Es ist kürzlich erst renoviert worden. Man riecht sogar noch die Farbe.“

Holly befürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Ihr brach der kalte Schweiß aus. „Ich … ich brauche kein so großes Zimmer“, brachte sie krächzend heraus. „Eine Etage tiefer sind wir an einem kleinen Zimmer vorbeigekommen, das reicht völlig für mich. Ich brauche keinen eigenen Balkon.“

„Aber von hier haben Sie einen ganz großartigen Blick über das Anwesen, zudem auch viel mehr Privatsphäre. Es ist das hübscheste Zimmer im …“

„Der Blick ist mir völlig schnuppe.“ Rasch ging Holly rückwärts, bis sie wieder auf dem Gang stand, neben einer Marmorstatue, die ebenso kalt war wie ihr eigener Körper.

„Sehen Sie sich doch wenigstens ein wenig um. Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung ja noch …“

„Nein!“ Sie schwang herum und spurtete los, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her, rannte die Treppen hinunter, Stufe um Stufe, Etage um Etage, hielt hektisch nach einer Tür Ausschau, die sie nach draußen ins Freie führen würde. Erst als sie im strahlenden Sonnenschein stand, sog sie tief die Luft ein. Den Oberkörper vorgebeugt, die Hände auf die Knie gestützt, atmete sie rasselnd, und ihre Lungen brannten.

Oh nein, sie würde nicht in einem Zimmer mit Balkon schlafen.

Niemals!

Julius stand gerade in seinem Arbeitszimmer am Fenster, als er Holly mit ausholenden Schritten zum See marschieren sah, der jenseits der Parkanlage lag. Was denn, schon? Bei der ersten Gelegenheit ergriff sie die Flucht? Es war abgemacht, dass er in diesem Fall sofort die Sozialarbeiterin verständigte. Er sah zum Telefon, dann wieder zurück zum Fenster hinaus. Holly verharrte am Seeufer. Hätte sie weglaufen wollen, hätte sie doch sicher die andere Richtung eingeschlagen, oder? See und dichter Wald waren praktisch wie eine Grenze, die niemand überqueren konnte.

Jetzt beugte sie sich vor, hob einen Kieselstein auf, holte aus und ließ ihn über die Wasseroberfläche hüpfen. Etwas unendlich Trauriges umgab die einsame Gestalt da draußen am Seeufer.

Es klopfte. Auf sein „Herein“ betrat Sophia den Raum.

„Señor, Holly weigert sich, das Zimmer zu beziehen, das ich für sie vorbereitet hatte.“

„Wieso?“

„Sie sagt, es sei ihr zu groß. Man sollte meinen, ich hätte sie im Stall untergebracht! Könnten Sie vielleicht ein Wort mit ihr reden?“

„Ich habe schon die letzte halbe Stunde mit ihr geredet. Wessen Idee war es noch mal, sie herzuholen?“

„Ich bin sicher, mit der Zeit gewöhnen Sie sich an sie. Sie ist wirklich ein energiegeladenes Geschöpf, nicht wahr?“

„So kann man es auch nennen.“

„Oh bitte, sprechen Sie mit ihr.“ Sophia stand kurz vor der Pensionierung, aber den flehenden Blick einer Fünfjährigen beherrschte sie noch immer. Oder sie hatte jahrelang daran gefeilt.

„Was soll ich denn zu ihr sagen?“

„Bestehen Sie darauf, dass sie das Zimmer nimmt. Wo soll ich sie denn sonst unterbringen? Sie sagten doch, Sie wollen sie nicht auf Ihrer Etage.“

Er seufzte. „Na gut, ich rede mit ihr. Und halten Sie den Erste-Hilfe-Kasten bereit.“

„Aber, aber … Sie tun doch keiner Fliege etwas zuleide.“

„Ich nicht, aber unserem jungen Gast traue ich zu, dass sie mir ein Messer zwischen die Rippen rammt und lachend zusieht, wie ich verblute.“

Holly stand noch immer am See und ließ Steine hüpfen, als Julius sich zu ihr gesellte. Auf dem steinigen Ufer musste sie seine Schritte gehört haben, aber sie drehte sich nicht zu ihm um. Mit eiserner Konzentration warf sie flache Kiesel über die Wasseroberfläche, und sie war sogar richtig gut darin.

„Wie ich höre, sind Sie mit Ihrer Unterbringung nicht zufrieden.“

Der nächste Kiesel landete im hohen Bogen mit einem lauten „Plumps“ im Wasser. „Ich brauche keine Luxussuite. Ich gehöre ins Zwischendeck.“

„Sollte das nicht der Hausherr zu entscheiden haben?“

Jetzt drehte sie sich doch um. Argwöhnisch schaute Julius auf den großen Kieselstein in ihrer Hand. „Was soll das hier eigentlich werden? Ein Pygmalion-Experiment? Nun, Mr. Higgins, aus mir machen Sie bestimmt keine Fair Lady, das bin ich nämlich nicht.“

„Nein, Sie sind eher ein störrisches Kind, das die Hand wegschlägt, die es füttern will.“

Heftig atmend funkelte sie ihn an, als könnte sie ihre Wut kaum beherrschen. „Sie wollen mich ebenso wenig hier haben, wie ich hier sein will.“

„Stimmt. Aber da das Arrangement getroffen wurde, ist es wohl vernünftig, dabei zu bleiben, meinen Sie nicht auch?“

„Wie erklären Sie meine Anwesenheit hier Ihren schicken Freunden und Ihrer noblen Familie?“ Sie warf den Stein. Mit einem lauten Knall traf er einen Baumstamm.

„Ich habe es nicht nötig, mich jemandem zu erklären.“

„Muss toll sein.“

Wo war die aufmüpfige Provokateurin abgeblieben? Hier stand eine Frau vor ihm, in der hilflose Rage brodelte. Rage, die nahezu greifbar war, drückend wie die elektrisch aufgeladene Luft vor einem Gewitter.

Er nahm einen flachen Kiesel auf, ließ ihn über den See hüpfen, zählte die Sprünge mit. „Hey, fünfzehnmal. Das ist meine persönliche Bestleistung. Schaffen Sie das auch?“

Lauernd musterte sie ihn. „Und was ist mit Ihrer Freundin? Was wird sie dazu sagen, dass ich bei Ihnen wohne?“

Er hob den nächsten Stein auf, begutachtete ihn. „Im Moment habe ich keine feste Beziehung.“

„Wann hatten Sie denn die letzte?“

Mit zusammengekniffenen Augen sah er sie an, bevor er den Stein warf. „Sie stellen eine Menge Fragen.“

„So, wie Sie mich da vorhin in Ihrem Arbeitszimmer angestarrt haben, kann man davon ausgehen, dass Sie nicht schwul sind“, meinte sie abschätzend. „Sie haben Interesse an mir.“

Julius bückte sich erneut. „Ihr Ego ist ebenso haarsträubend wie Ihre Manieren.“

Bitter lachte sie auf. „Ihnen braucht wohl keine ohne Uni-Abschluss zu kommen, was? Wie hört sich denn das Bettgeflüster bei Ihnen an? Reden Sie über Quantenphysik? Relativitätstheorie?“

Er studierte ihr Gesicht. Das spöttische Grinsen hatte wieder diese süßen Grübchen in ihre Wangen gezaubert. Allerdings ahnte er, dass das alles nur Show war. Er kannte sich aus mit Theaterspielen, seine Eltern gehörten zu den Besten, das musste sogar er zugeben. Und diese Unruhestifterin hier lieferte eine preisverdächtige Vorstellung ab. Sie hatte definitiv Talent.

„Warum wollen Sie nicht in dem Zimmer wohnen, das Sophia für Sie hergerichtet hat?“, wollte er wissen.

Das freche Funkeln in ihren Augen erlosch, sie wurde wieder zum schmollenden Kind. „Ich will nicht auf dem Speicher dieser Geistervilla versteckt werden, weil Sie Angst haben, ich könnte mich vor Ihren schnieken Freunden danebenbenehmen. Vermutlich erwarten Sie, dass ich auch dort oben in meinem Kämmerlein essen soll. Oder in der Küche mit dem Gesinde.“

„Ich habe kein Gesinde, sondern gut bezahltes Personal, das entscheidet, wann und wo es seine Mahlzeiten zu sich nimmt.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich erwarte, dass Sie jeden Abend mit mir zusammen dinieren.“ Bist du völlig verrückt geworden? Je weniger Zeit du mit ihr verbringst, desto besser.

„Wozu?“ Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Damit Sie an mir herummäkeln können, wenn ich die falsche Gabel benutze?“

„Wieso glauben Sie eigentlich, jeder wolle Sie kritisieren und persönlich angreifen?“

Sie konnte seinem Blick nicht standhalten, schaute stattdessen über den See hinaus. Ein Muskel zuckte in ihrer Wange. Als sie dann endlich sprach, klang ihre Stimme tief und rau. „Ich will das Zimmer nicht.“

„Warum nicht?“

„Es ist … zu nobel.“

„Also gut. Wählen Sie selbst eines für sich. In diesem Haus gibt es schließlich mehr als genug davon.“

„Danke.“ Nur ein Flüstern, und noch immer sah sie ihn nicht an, aber ihre ganze Haltung drückte Erleichterung aus. Ihre Schultern entspannten sich, sie lockerte die Hände, die sie bisher an den Seiten zu Fäusten geballt gehalten hatte.

Am liebsten hätte Julius ihre Hand genommen und zuversichtlich gedrückt, aber er hielt sich zurück. Wenn auch nur mit Mühe. „Kommen Sie mit ins Haus, oder wollen Sie noch eine Weile hierbleiben?“

„Fürchten Sie denn nicht, ich könnte abhauen, sobald Sie mir den Rücken zukehren?“

Nachdenklich musterte er sie. „Damit würden Sie direkt ins Gefängnis rennen, oder etwa nicht?“

Sie kaute an ihrer Lippe, folgte mit dem Blick einem Vogel, der mitten auf dem See landete und mit seinen paddelnden Füßen konzentrische Kreise über die Wasseroberfläche schickte. Eine leichte Brise wehte ihr feine Haarsträhnen um Hals und Gesicht, abwesend strich sie sie zurück. Julius’ Brust zog sich zusammen, als er erkannte, wie stark ihre Hand zitterte. Nichts mehr war von der wütenden, toughen Frau geblieben, nichts mehr von der großmäuligen Straßengöre. Sie sah einfach nur aus wie das Mädchen von nebenan.

Er hob einen Kiesel auf, drückte ihn ihr in die Hand. „Mein Bruder Jake hält den Rekord hier. Sein Stein ist siebzehnmal gehüpft.“

Als ihre Finger sich berührten, empfand Julius es wie einen elektrischen Schlag. Holly hob den Blick zu ihm auf, und für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Julius verlor jegliches Zeitgefühl. Es hätten Sekunden sein können, Minuten, Tage.

Sein Blick ging zu ihrem Mund. Er registrierte Form und Fülle ihrer Lippen, die glühende Leidenschaft verhießen und gleichzeitig erstaunliche Unschuld. Es war wie eine magnetische Kraft, die ihn unerbittlich, unwiderstehlich anzog, ihn dazu bringen wollte, den Kopf zu senken und … Er musste seine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um dagegen anzukämpfen. Als Holly sich dann auch noch mit der Zungenspitze die Lippen befeuchtete, flammte das Verlangen heiß und lodernd in ihm auf.

Ihm kam der Gedanke, dass er sein ganzes Leben verschlafen hatte, bis zu diesem Moment. Als hätte er in einem Kühlraum gelebt und wäre endlich daraus hervorgekommen und in die Wärme getreten. Das Eis schmolz, er fühlte es. Sein Verstand setzte aus, wich vom gewohnten logischen Pfad ab. Erotische Bilder verursachten Kurzschlüsse in seinen Synapsen. Julius stellte sich vor, wie er mit Holly verschmolz, ihnen beiden innerhalb von Sekunden befriedigende Erlösung verschaffte.

Ob sie den Tumult, der in ihm tobte, ahnte? Wusste sie, welche Wirkung sie auf ihn ausübte? Er wollte in ihren Augen lesen, doch sie hielt die Lider halb gesenkt, starrte auf seinen Mund. Julius hob die Hand und legte sie an ihre Wange, war sich dessen nicht einmal bewusst, bis er ihre samtene Haut spürte. Warm, sinnlich, lebendig. Sanft hob er ihr Kinn an, sodass sie ihn ansehen musste.

Jeden Herzschlag spürte er wie einen Schlag mit dem Vorschlaghammer in seiner Brust. In seinen Lenden pulsierte es heiß. Mit dem Daumen beschrieb er kleine Kreise auf ihrer Wange, und er bemerkte, wie ihre Augen sich verdunkelten. Ihre Lippen teilten sich unmerklich, gerade genug, dass er die Wärme ihres nach Vanille duftenden Atems erhaschte. Wie einfach es doch wäre, die Distanz zu überbrücken, mit seinem Mund über ihren zu streifen. Wie mächtig der Drang war, es zu tun. Aber damit würde er eine Grenze überschreiten. Ein Tabu brechen. Es würde nur Ärger heraufbeschwören.

„Ich werde es nicht tun.“ Er ließ seine Hand sinken.

„Was?“, fragte sie, ganz verkörperte Unschuld. „Sie wissen, dass ich Sie innerhalb eines Sekundenbruchteils Ihre Prinzipien vergessen lassen könnte.“

Julius zog die dunklen Brauen zusammen. „Warum wollen Sie sich Ihre letzte Chance und damit Ihr Leben endgültig ruinieren?“

Ihre Augen glühten. „Um mein Leben in den Griff zu bekommen, brauche ich Sie nicht. Ich brauche niemanden.“

„Hat es auf die Art bisher für Sie funktioniert?“

Mit ihrem Blick erdolchte sie ihn regelrecht. „Wissen Sie, was ich an Männern wie Ihnen hasse? Weil Sie alles haben, setzen Sie ganz selbstverständlich voraus, Sie hätten auch Anspruch auf alles.“

„Hören Sie“, versuchte er sie zu beschwichtigen, „ich kann mir vorstellen, wie schwierig das für Sie ist. Sie wollen nicht hier sein. Aber wie sähe denn die Alternative aus?“

Sie presste die Lippen zusammen. „Nicht ich bin es, der man mit einer Haftstrafe drohen sollte.“

„Ja, ich weiß, in den Gefängnissen sitzen lauter Unschuldige“, spöttelte er. „Aber laut Gesetz sind Diebstahl und Sachbeschädigung – und was Sie sonst noch verbrochen haben – strafbar.“

Sie schwang auf dem Absatz herum. „Ich muss mir das nicht anhören.“

„Holly.“ Julius hielt sie beim Arm fest, zog sie wieder zu sich herum. „Merken Sie denn nicht, dass ich Ihnen helfen möchte?“

Voller Verachtung starrte sie auf seine Hand um ihren Arm, dann in sein Gesicht. „Wie? Indem Sie mir all diesen Luxus zeigen, um mich nach vier Wochen wieder auf die Straße zu setzen?“

Die Falte auf seiner Stirn wurde tiefer. „Haben Sie denn kein Zuhause, wohin Sie zurückkehren?“

Unruhig wandte sie den Blick ab. „Lassen Sie mich los.“

Er lockerte den Griff, hielt aber weiter ihr Handgelenk fest. „Niemand wird Sie auf die Straße setzen.“ Und was genau willst du mit ihr anfangen, wenn der Monat vorüber ist? Wenn sie kein Zuhause hatte, wo würde sie dann hingehen? Wie weit lag das überhaupt in seiner Verantwortung? „Haben Sie etwa auf der Straße gelebt?“

Sie riss sich von ihm los, verschränkte die Arme vor der Brust. „Was interessiert Sie das? Leute wie ich fallen Leuten wie Ihnen doch nicht einmal auf.“

Oh, sie fiel ihm auf. Viel zu intensiv sogar. Seine Haut prickelte noch immer von der Berührung. Ihm fiel auf, wie ihre braunen Augen in der einen Minute Gift sprühten und in der nächsten dunkel vor Sinnlichkeit wurden. Ihm fiel auf, dass sie sich mit der Grazie und Geschmeidigkeit einer reinrassigen Katze bewegte, nur um in der nächsten Sekunde wie eine eingekesselte Straßenkatze zu fauchen und die Krallen auszufahren.

Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er mit ihr umgehen sollte. Aber das war ja auch nicht seine Aufgabe. Die Mission oblag seiner Haushälterin, er hatte zu arbeiten. Sophia war es, die beschlossen hatte, etwas für die Gemeinschaft zu tun und die Streunerin wiedereinzugliedern.

Doch nein, Holly Perez war keine Streunerin, sie war ein aggressiver kleiner Hitzkopf, fest entschlossen, so viel Ärger wie nur möglich für jeden zu kreieren, der ihr zu nahe kam.

„Solange Sie unter meinem Dach leben, trage ich die Verantwortung für Sie“, sagte er. „Aber Sie haben auch eine Verantwortung.“

Ihr Kinn ruckte hoch. „Und welche? Pünktlich in Ihrem Schlafzimmer zum Dienst anzutreten?“

Julius presste die Lippen zusammen. „Nein, das ganz bestimmt nicht.“

Ihr Blick sagte alles. Zynismus hoch zehn! „Na klar, das nehme ich Ihnen auch glatt ab.“

„Ich meine das ernst, Holly. Ich habe nicht die Angewohnheit, junge Frauen, die weder über Manieren noch Respekt oder Anstand verfügen, in mein Bett zu holen.“

Ihr Lachen klang glockenhell. „Oh, es wird mir enormen Spaß machen, Sie im richtigen Moment an Ihre hochtrabenden Worte zu erinnern!“

Mit stoischer Gelassenheit ignorierte er die Lust, die sein Blut zum Kochen brachte. „Wir sehen uns dann beim Dinner. Und keine Flipflops, keine Jeans, kein bauchfreies T-Shirt, auch keine über die Schulter rutschenden Pullover. Wenn Sie keine entsprechende Garderobe besitzen, wenden Sie sich an Sophia. Sie wird Sie mit etwas Passendem versorgen.“

„Aye, aye, Captain.“ Sie salutierte stramm.

Wortlos drehte er sich um und marschierte Richtung Haus. Erst nach gut dreißig Schritten sah er über die Schulter zurück zu ihr, aber Holly hatte sich längst wieder zum See gedreht und warf weiter Kiesel ins Wasser. Der, den sie gerade geworfen hatte, musste groß gewesen sein. Er landete mit einem lauten Platschen im See und schickte wogende Kreise über die ruhige Oberfläche.

3. KAPITEL

Holly wartete, bis Julius nicht mehr zu sehen war, bevor sie den Rückweg antrat.

Welches Recht hatte er, ihr zu sagen, was sie zu tun und zu lassen hatte? Wenn sie Jeans tragen wollte, würde sie Jeans tragen! Ha, am besten knappe Jeansshorts und dazu die unmöglichsten High Heels, die sie besaß! Er erwartete, dass sie sich wie eine seiner schicken Freundinnen ausstaffierte? Da konnte er lange warten! Er mochte ja behaupten, im Moment hätte er keine Freundin, aber ein Mann mit seinem Aussehen hatte immer jemanden in petto.

Oh Mann, vorhin hätte er sie doch fast geküsst. Sie hatte darauf gewartet, dass er es tun würde, hatte ihn durch Kraft ihrer Gedanken dazu bringen wollen. Was für ein Triumph, wenn seine Selbstbeherrschung letztlich doch zusammenbrach. Sie würde es weidlich auskosten, ihn von seinem hohen Ross fallen zu sehen. Was bildete er sich ein, ihr Vorschriften zu machen wie einer Zehnjährigen?

Er hatte es nicht mit einem aufsässigen Kind zu tun, sondern mit einer erwachsenen Frau, die sehr genau wusste, wie sie einen Mann in die Knie zwingen konnte. Oh ja, sie würde ihn in die Knie zwingen, lange bevor er sie zu etwas zwang. Obwohl … die Vorstellung besaß durchaus einen gewissen Reiz. Dabei war er nicht einmal ihr Typ. Er war ein Kontrollfreak, und dafür hatte sie absolut nichts übrig. Wenn er nur nicht so unverschämt attraktiv wäre …

Hm, warum kam er ihr eigentlich so bekannt vor? Auch sein Name … Ravensdale … wo hatte sie den schon gehört?

Und dann wusste sie es plötzlich.

Er war der Sohn – einer der Zwillingssöhne – der weltberühmten Shakespeare-Schauspieler Richard Ravensdale und Elisabetta Albertini. Das Paar gehörte zur Londoner Theateraristokratie. Holly hatte Artikel in den Gesellschaftsmagazinen über die beiden gelesen. Nicht, dass sie sich solche teuren Zeitschriften leisten konnte, aber manchmal lagen veraltete Ausgaben in den Herbergen herum, in denen sie unterkam.

Vor vierunddreißig Jahren hatte das Paar geheiratet, nachdem sich beide bei den Proben für die Inszenierung von „Viel Lärm um nichts“ in London kennengelernt hatten. Der erste Hochzeitstag war von der Geburt der Zwillingssöhne gekrönt worden. Nach sieben turbulenten Jahren hatte es eine sehr hitzige, sehr öffentliche Scheidung gegeben, drei Jahre später eine erneute Heirat mit viel Publicity und unzähligen berühmten Ehrengästen. Genau neun Monate später war ein Mädchen zur Welt gekommen – Miranda.

Holly fragte sich, ob Julius bewusst Argentinien als Heimat gewählt hatte, um genügend Abstand zwischen sich und seine Eltern zu bringen. Der konstante Wirbel um das Paar musste schwer zu ertragen sein, vor allem, wenn man keinerlei Ambitionen hatte, den beiden auf der Bühne nachzueifern.

Störte es ihn deshalb, dass sie hier war? Weil ihre Anwesenheit die Presse auf den Plan rufen könnte? Wenn dann auch noch ihr dubioser Hintergrund aufgedeckt wurde, würde das einen massiven Skandal heraufbeschwören. Sie sah die Schlagzeilen schon vor sich: „Sohn des weltberühmten Schauspielerpaars lebt mit Krimineller zusammen“. Ein vernichtender Schlag für Julius’ Sinn für Anstand und Moral.

Holly schürzte die Lippen. Wenn sie die Presse selbst informierte, würde das nur die Aufmerksamkeit auf sie selbst ziehen. Ihr Widerling von Stiefvater durfte nicht wissen, wo sie sich aufhielt. Obwohl … bei all den hohen Tieren, die er zu seinen Freunden zählte, würde es sie nicht wundern, wenn er längst informiert war. Oder wenn er zumindest alles daransetzen würde, ihren Aufenthaltsort herauszufinden.

Franco Morales’ Einfluss reichte tatsächlich bis in die höchsten Etagen, damit hatte sie weder gerechnet, noch war sie darauf vorbereitet gewesen. Jedes Mal, wenn sie wieder auf die Füße gekommen war, einen neuen Job und eine neue Bleibe gefunden hatte, ging irgendetwas ganz massiv schief. Ihr letzter Chef hatte sie beschuldigt, sich aus der Kasse bedient zu haben. Sie mochte ja Probleme mit Autorität haben und rebellisch sein, aber eine Diebin war sie nicht. Nur war das fehlende Geld tatsächlich in ihrem Portemonnaie gefunden worden. Und ganz zufälligerweise waren an diesem Tag auch die Sicherheitskameras in dem Laden ausgefallen, sodass nichts zu beweisen war.

Aus ihren letzten drei Apartments hatte man Holly hinausgeworfen. Angeblich hatte sie die Wohnungen verwüstet. Sie wusste, wer das getan hatte. Ihr Stiefvater hatte einen seiner Schergen abkommandiert, um das für ihn zu erledigen. Deshalb hatte sie den Lack seines brandneuen Sportwagens zerkratzt, deshalb hatte sie groß und deutlich mit dem Unkrautvernichter „Prügelehemann“ aus dem ach so perfekt gepflegten Rasen herausgeätzt, damit alle Nachbarn es lesen konnten.

Nach Jahren körperlicher, mentaler und emotionaler Misshandlung hatte ihre Mutter sich erst in Alkohol und Pillen geflüchtet, um dann schließlich ihrem Leben ein Ende zu setzen, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Franco hatte absoluten Gehorsam gefordert, von Holly wie auch von ihrer Mutter. Manchmal war Geld im Überfluss vorhanden, dann wiederum blieb der Kühlschrank leer. Oder er wurde verkauft, um den „finanziellen Engpass“ zu überbrücken. Möbel und Gerätschaften verschwanden und wurden wieder neu angeschafft, kleine Dinge, an denen Holly viel lag, landeten im Müll oder verschwanden auf Nimmerwiedersehen.

Holly hatte sich geschworen, sich von Francos Tyrannei nicht brechen zu lassen. Als kleines Mädchen hatte sie Ohrfeigen und willkürliches Ausholen mit dem Handrücken eingesteckt, ohne einen Laut von sich zu geben, ohne eine Träne zu vergießen. Nicht einmal ihre „Auszeiten“ auf dem Balkon hatten sie zum Nachgeben zwingen können. Holly hatte ihre Gefühle eisern unter Verschluss gehalten, war härter und härter im Nehmen geworden, getrieben von dem festen Vorsatz, Franco niemals die Befriedigung zu gönnen, dass er sie gebrochen hatte.

Ihre Mutter war leider nicht so stark gewesen. Oder vielleicht war es zu schwer für sie geworden, sich vor Holly zu stellen. Ihre Mutter hatte immer alles getan, um die Tochter vor dem Stiefvater zu schützen, aber irgendwann hatte sie wohl schlicht keine Kraft mehr dazu gehabt.

Holly war erst vier gewesen, aber sie erinnerte sich noch: Franco Morales hatte die junge Witwe voller Charme und angeblichem Mitgefühl getröstet, nur Monate, nachdem Hollys Vater bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war. Nach der Heirat jedoch hatte er sofort die Kontrolle übernommen.

Zuerst war er noch fürsorglich gewesen, hatte für das Dach über dem Kopf gesorgt und Holly sogar Süßigkeiten und Spielzeug gekauft. Doch dann hatte sich alles geändert, er hatte das Monster herausgekehrt, das er in Wirklichkeit war. Erst war es nur der eine oder andere verbale Ausrutscher, für den er sich dann jedes Mal überschwänglich entschuldigte, natürlich mit dem Versprechen, es würde sich nicht wiederholen. Doch es wiederholte sich, und es wurde immer schlimmer. Mit jedem Tag.

Irgendwann hatte Franco dann Holly aufs Korn genommen. Sie habe gefälligst zu tun, was er ihr sage. Widerspruch und Ungehorsam wurden sofort mit Prügel bestraft. Schließlich hatte sie die Schläge sogar provoziert, damit sie es wenigstens für den Tag hinter sich hatte.

Als Teenager bezog sie dann keine Prügel mehr, dafür kamen Beschimpfungen und Beleidigungen. Wie hässlich sie doch sei, wie dumm, wie wertlos. Kein Mann würde sie je haben wollen. Danach folgten endlose Schimpftiraden unterster Kategorie.

Mit dem Tod ihrer Mutter hatte sie dann noch den letzten Halt verloren. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Sie hatte Dinge getan, die sie zutiefst bereute, hatte sich zur falschen Zeit mit den falschen Leuten eingelassen.

Aber jetzt sollte alles anders werden. Sie wollte ihr Leben wieder in die richtige Bahn dirigieren. Sobald diese vier Wochen hier vorbei waren, würde sie nach England gehen. So weit weg wie nur möglich von ihrem Stiefvater. Zurück in die Heimat ihrer Mutter.

Dann, und nur dann, konnte sie endlich frei sein.

Holly schlenderte über den Rasen zurück zur Villa. Dieser Park war wirklich eine riesige Anlage, es gehörten sogar Weiden dazu, auf denen Pferde im Licht der untergehenden Sonne friedlich grasten. Unterhalb der breiten, zum Haus gehörigen Terrasse lag ein Swimmingpool, auf dessen Wasseroberfläche sich die letzten Sonnenstrahlen glitzernd wie Diamanten brachen.

Dort angekommen, hockte Holly sich an den Beckenrand und hielt die Hand ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen. Perfekt, nicht zu warm, nicht zu kalt, sondern erfrischend kühl. Eine Meisterschwimmerin war sie sicher nicht, aber eine kleine Abkühlung wäre willkommen. Sie könnte so tun, als wäre sie in Urlaub, und sich vorstellen, in einem Luxushotel zu wohnen …

Mit einem Blick Richtung Villa vergewisserte sie sich, ob jemand sie beobachtete. Nicht, dass sie sich davon stören lassen würde. Wenn sie in Unterwäsche in den Pool steigen wollte, wer sollte sie schon daran hindern?

Also kickte sie die Sandalen von den Füßen, schälte sich aus Jeans und Pullover und genoss für einen Moment die Sonnenwärme auf der Haut, Dann holte sie tief Luft und tauchte ins Wasser ein.

Julius hörte Wasser aufspritzen und schob sich mit seinem Sessel vom Schreibtisch zum Fenster zurück. Da benutzte jemand den Pool …?

Nun, er hätte es sich denken können, und er hätte besser nicht hinsehen sollen. Holly in einem durchsichtigen winzigen Bikini. Oder war das ihre Unterwäsche? Die für Logik zuständige Hälfte seines Hirns befahl ihm, sich umzudrehen und weiterzuarbeiten, die für Emotionen zuständige hielt ihn wie gefesselt am Fenster fest, um den Anblick zu genießen.

Sie hatte eine fantastische Figur. Lange, schlanke Glieder, hohe, feste Brüste mit festen Spitzen. Das nasse Haar lag ihr wie der schimmernde Pelz eines Nerzes um den Kopf. Holly tauchte kopfüber ins Wasser, bot ihm so den Blick auf perfekt geformte lange Beine mit schlanken Fesseln. Sie musste sich wohl vom Boden abgedrückt haben, denn im nächsten Moment brach sie geschmeidig durch die Wasseroberfläche. Und bevor sie wieder abtauchte, hörte er ihr glockenhelles Lachen. Pure Lebensfreude.

Nachdem sie wieder aufgetaucht war, stand sie mit dem Rücken zu ihm. Er bewunderte ihre schlanke Rückseite und die definierten Muskeln, die unter der Haut spielten, als sie die Arme hob, um sich das nasse Haar aus dem Gesicht zu streichen und es sich auf dem Kopf zu einem provisorischen Knoten zu drehen. Erneut tauchte sie kopfüber unter, spritzte Wasser mit den zierlichen Füßen auf.

Sie hätte Model für Bademoden sein können. Athletisch, schlank, mit Rundungen an den richtigen Stellen.

Heiß rauschte ihm das Blut durch die Adern, er konnte die Augen nicht abwenden, war wie betäubt, konnte sich nicht regen. Es schien sie nicht zu kümmern, ob jemand sie beobachtete, sie tollte unbeschwert wie ein Kind, dabei war sie definitiv eine Frau.

Jetzt drehte sie sich zum Haus, sah zu seinen Fenstern hinauf, als ahnte sie, dass er sie beobachtete. Ein wissendes Lächeln erschien auf ihren Lippen, sie zog eine Augenbraue in die Höhe. Und dann winkte sie ihm lässig zu.

Mit einem gemurmelten Fluch wandte Julius sich endlich ab. Er hasste seinen Körper dafür, dass der reagierte, obwohl sein Verstand ihm etwas anderes befahl. Jede Zelle in ihm pulsierte, ein Gefühl animalischen Verlangens hielt ihn gefangen. Holly hatte ihn auf ein primitives Level reduziert. Würde sie jetzt jede Gelegenheit dazu nutzen? Wie sollte er vier Wochen überstehen? Und überhaupt … wieso amüsierte sie sich da im Pool? Sie war hier nicht in Urlaub, sondern um zu arbeiten!

Und verdammt, das würde sie auch tun!

Holly hörte, wie energische Schritte sich näherten.