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Beschreibung

Johannes Mandakuni, Katholikos und Patriarch der Armenier, lebte im 5. Jahrhundert nach Christus. In diesem Band sind die wichtigsten seiner Schriften enthalten, darunter "Unterweisungen über das Bekenntnis eines sündhaften Lebens", "Brief über die Buße", "Unterweisung über die Tugendübung des Fastens", "Über das wohlgefällige und nicht wohlgefällige Gebet", "Ein Brief über die Barmherzigkeit gegen die Armen", "Unterweisung über die Früchte und Opfer und das Almosen", Über die Darlehen und Zinsen", "Vom Trost der Armen", "Unterweisung von der Aufsicht der Priester über das Volk", u.a.

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Seitenzahl: 326

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Die Reden des Johannes Mandakuni

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Die Reden des Johannes Mandakuni

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849659745

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Unterweisungen über das  Bekenntnis eines sündhaften Lebens.2

Brief über die Buße.9

Unterweisung über die Tugendübung des Fastens.17

Über das wohlgefällige  und nicht wohlgefällige Gebet.24

Ein Brief über die Barmherzigkeit  gegen die Armen.33

Unterweisung über die Früchte  und Opfer und das Almosen.42

Über die Darlehen und Zinsen.48

Vom Trost der Armen.56

Unterweisung von der Aufsicht  der Priester über das Volk.64

Von den Verleumdern und der  Enthaltung des Urteils über die Lehrer.75

Über die Liebe, den Neid und die Eifersucht.83

Über den Charakter der Zornmütigen.88

Über die Gehässigen und Rachgierigen.95

Rede über die kleinen Diebstähle,  für welche man keine Buße tut.102

Über die schlimme Gewohnheit des Schwörens.106

Über die Lasterhaftigkeit der Trinker.113

Über die sündhaften und dämonischen Schauspiele.119

Brief über die Ehescheidung.126

Über jene, welche die Sünde der Bestialität begehen. Über Weichlinge und Päderasten.130

Über die Unterlassung freundschaftlicher Liebeserweise gegen die Feinde Gottes.138

Über die furchtbaren Hagelschläge.145

Über die Andacht und Ehrfurcht beim Empfange des heiligen Sakramentes.154

Trostbrief über die aus der Welt Geschiedenen.164

Gebete.172

Ein Brief über die teuflischen  Zaubereien und die gottlosen Beschwörungen.176

Fußnoten. 195

 

 

Die Reden des Johannes Mandakuni

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Reden des (Katholikos) Johannes Mandakuni (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Reden des (Katholikos) Johannes Mandakuni In: Ausgewählte Schriften der armenischen Kirchenväter / aus dem Armenischen übers.; hrsg. von Simon Weber. (Ausgewählte Schriften der armenischen Kirchenväter Bd. 2; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 58) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1927. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann und Rudolf Heumann

 

 

 

Unterweisungen über das Bekenntnis eines sündhaften Lebens.

 

1.

 Jene, die sich sehnen nach dem Heiligen Geiste und nach der Liebe Gottes streben, hoffen auf die Ankunft des Sohnes Gottes und verlangen nach unsterblicher Herrlichkeit. Immerfort denken sie an die höhere Welt und sehnen sich fortwährend nach den Freuden des Jenseits. Auf das Vergängliche verzichten sie und schätzen es gering und wachsen Tag für Tag nicht nur in der Wahrheit des Glaubens, sondern auch in tugendhaftem Lebenswandel. Immer sind sie bedacht auf die Heiligung des Herzens, immer bereit zur (Reinigung) Läuterung des Geistes. Wohl wandeln und leben sie in der Welt, aber nicht nach den Grundsätzen der Welt, sondern wie Fremdlinge und Umherirrende1 und Kinder einer andern Welt fühlen sie sich unbefriedigt und belästigt von vielen Nöten. Sie stärken sich in der Hoffnung auf die (Verheißung). „Wo ich bin, dort soll auch mein Diener sein2.“ Das ist die Würde derer, die im Geiste wandeln und die Vergeltung derer, die Gott lieben.

  

2.

Ich aber bin verwundet von vielen Pfeilen des Bösen, bin besiegt und der Schuld verfallen. Ich bekenne meine Schuld und gebe meine Gottlosigkeit zu erkennen; ich offenbare meine zahllosen Sünden, und leiste für meine furchtbare Ungerechtigkeit Abbitte. Denn die Schmerzen meiner Wunden zwingen mich zu sprechen, und die Unruhe über mein Unglück drängt mich abzubitten, Heilmittel für meine Wunden zu suchen und ein Quellen allzeit meiner Tränen, um dadurch meine Sünden abzuwaschen und meine Wunden zu heilen. Inständig bitte ich darum immerdar, und mit heißer Sehnsucht fort und fort verlange ich nach diesen Klagen  des Propheten3. Mit seinen Worten möchte ich klagen, unter Tränen möchte ich unaufhörlich meine flehende Stimme in Innigkeit erheben und sprechen: „Wenn doch jemand mein Haupt zu einem Behälter vieler Wasser und meine Augen zu einem reichen Tränenquell machte, damit ich Tag und Nacht, fort und fort trauerte, meine Lasterhaftigkeit bitterlich beweinte, meine Bosheit abwendete, die Menge meiner Ungerechtigkeiten beweinte4, immerdar ob meiner Sünden klagte, fortan ob meiner unermeßlichen Vergehen seufzte, meine unberechenbare Uneinigkeit laut beklagte, den furchtbaren Ruin beweinte und bitterlich klagte ob der Leiden und Qualen. Denn der Stachel meiner Sünden quält (erdrückt) mich fort und fort, und meine schlimmen Taten foltern mich andauernd, wenn ich die unzählbare Menge meiner Sünden betrachte und die Verkehrtheit meiner furchtbaren Laster. Das verzehrt fortwährend meinen Leib und macht meine Gebeine erzittern, zerreißt mein Herz und durchwühlt meine Eingeweide und meine Seele erbebt vor Furcht und lähmt fort und fort alle meine Glieder. Denn in den Schmerzen meiner Wunden bange ich und mein entsetzter Geist verhärtet sich; da ich wohl das Gute kenne, aber das Böse tue; kenne die Gerechtigkeit, tue aber die Ungerechtigkeit, ich rede von Rechtschaffenheit und denke an Lasterhaftigkeit; erscheine rein nach außen, stürze mich aber in Unreinigkeit; ich kenne die Wahrheit, huldige (folge) aber dem Irrtum; ich sehe das Licht, sehne mich aber nach Finsternis.

  

3.

Wer aber wird mich beweinen, oder wer wird mich beklagen, mich, der ich den Tod der Sünde gestorben bin und verdorben durch die Lasterhaftigkeit, hinabgestürzt in den Abgrund der Finsternis und in die Tiefen der Gottlosigkeit? Denn meine Missetaten quälen mich, und es tötet mich meine Unreinigkeit. Wie soll ich also weinen oder die Menge meiner zahllosen Sünden beklagen, nachdem ich krank geworden bin in meinen Vergehen und Schmerzen leide infolge meiner  Trägheit? Unsterblichkeit wurde mir versprochen, ich aber verbleibe im Tode; hinauf zum Himmel hat man mich eingeladen, ich aber stürze hinab in den Abgrund der Hölle; er hielt für mich bereit das liebreizende Paradies, und ich erwählte die stechenden Dornen, Leben und ewige Herrlichkeit, und er tötete mich durch meine Sünden. Welche Trauer könnte also hinreichen für all dieses, oder welches Wehklagen und welch tränenvolles Klagen oder welche Gebetsseufzer, welche Bußübungen oder welche Tugendwerke vermöchten meine Wunden zu heilen, denn sie sind zahllos und unberechenbar. Meine Seele erlahmt in Schlaffheit, sie ist niedergeschlagen ob der Menge der furchtbaren Sünden und ohne Tatkraft; sie ist erschüttert und erbebt vor dem unauslöschlichen Feuer der Hölle. Denn wenn ich mich erinnere an den großen Tag des furchtbaren Gerichtes und an die Schrecken des furchtbaren Richterstuhles, dann zittert meine Seele vor Furcht, und mein Geist erstarrt vor Entsetzen. Mein Herz ringt nach Seufzern, und meine Augen verlangen nach Tränen. Die Furcht vor dem schrecklichen Gerichte eifert mich an zur Buße, und die Gaukeleien des Bösen machen mich immer wieder träge. Siehe, von beiden Seiten bin ich bedrängt und verfolgt in allen (Richtungen) Dingen, denn in Sünden verbrachte ich meine Tage, und in Ungerechtigkeit verzehrte sich mein Leben; niemanden habe ich Gutes erwiesen, nie mir Tugend erworben, sondern alle meine Glieder durch meine vielen Vergehen verdorben und zugrunde gerichtet. Meinen Mund habe ich verunreinigt durch Lästerungen und meine Zunge durch nutzlose Worte befleckt; meine Ohren durch Anhörung der Bosheit und meine Augen durch unreine Blicke, mein Herz durch unreine Gedanken, und meine Seele ließ ich immerdar verweilen in unlauteren Gewohnheiten. In keiner Hinsicht bewahrte ich unversehrt meinen Leib und wahrhaft mein Herz; infolge meiner Sünden bin ich in Schmerzen, und infolge meiner Vergehen bin ich in Krankheiten verfallen.

  

4.

Ich will bereuen und bekennen, aber der Feind hält mich zurück; ich will ein Leben der Buße führen,  aber der Feind nimmt mir die Kraft; ich will vor Gott mich niederwerfen, aber der Feind hält mich ferne; ich will inständig flehen und bitten, doch der Feind verhärtet mich; ich möchte seufzen und Ströme von Tränen vergießen, doch der Feind vertrocknet mich; ich möchte wohltätig sein gegen die Armen, doch der Feind erinnert mich an meine Armut; ich möchte mich verzehren in Fasten, doch der Feind erinnert mich an den Verlust meiner Leibeskräfte; ich möchte mich verdemütigen und dem Bruder gehorchen, doch mein Herz verhärtet sich in Stolz; so finde ich also alles, wodurch ich mich von meinen Sünden befreien könnte, vorgelegt als Fallstrick der Bosheit des Feindes.

  

5.

So bin ich bedrängt von allen Seiten und meine Seele seufzt beständig. Ich zittere vor Schrecken, wenn ich meiner vielen Sünden gedenke und werde verwirrt wegen meiner häßlichen Gedanken. Schaue ich hin auf meine Unreinigkeit, so klage ich in einem fort, und führe ich meine Gottlosigkeit mir zu Gemüte, so befallen mich Schrecken und Unruhe und die Schmerzen der Beängstigung schlagen mich nieder. Denn immer sehe ich die Angst vor dem furchtbaren Gerichte und die Schrecken vor dem drohenden Richterstuhle, vernehme ich den Schall der Trompete und die furchtbare Stimme des Erzengels, das (Wogen und) Flammen des Feuerbrandes und dessen Umsichgreifen auf der ganzen Erde, die Erhöhung der Gerechten und das Zurückbleiben der Sünder; sehe, wie die Sünder sich versammeln und Rechenschaft ablegen über Worte und Werke, sehe das furchtbare Antlitz des Richters und den unerbittlichen Tag des Gerichtes, die schlimme Schmach der Sünde und die bitteren, unaufhörlichen Qualen in alle Ewigkeit.

  

6.

Ob alldem seufze und weine ich bitter und beklage fort und fort meine Sünden; denn ich schaue die furchtbar drohenden Schrecken der Hölle und die Verteilung des schrecklichen Unheils (der Strafen). Da hilft kein Reichtum und kein Flehen, dort nützen weder Weinen noch Tränen etwas; nicht (mehr) nötig sind Seufzer  und Bitten. Die Gerechten bitten nicht, und die Heiligen legen keine Fürbitte ein für jene, die in Sünden wandelten. Unbekannt bist du den Bekannten, getrennt von den Verwandten; gehaßt bist du von den Geliebten, und Feind bist du den Freunden; allen bist du fremd und fern von allen. Niemand kannst du bitten, und niemand erkennt dich. Du seufzest und weinst flehentlich, aber niemand denkt an dich. Im glühenden Durst frierst du, und niemand hat Erbarmen mit dir. Immerfort brennst du und findest kein Mittel gegen den Brand. Umhüllt von Finsternis stehst du im Feuerofen, vom Dunkel umgeben in der finsteren Hölle, in dunklen Gräben und in der Tiefe des Tartarus, im Pestgeruch und Schlangengewürm; flammendes Feuer von innen, furchtbare Feuerfächer von oben, welche anschwellend im Strudel hinabfluten in die Feuerströme, wo greifbare Finsternis herrscht. Auch kannst du durchaus niemand sehen, denn du bist verhüllt von dunkler Wolke und mitten in die Blitze hineingeschleudert, weinst und klagst du immerfort und beklagst allein die Unruhe, denn in dem furchtbaren Unglück deiner Schmerzen glaubst du, du seist allein in den qualvollen Leiden. Du klagst in einem fort und weinst bitterlich, bist unruhig und trostlos. Pein und Qual und ewiges Leid, fortwährende Schmerzen und erbarmungslose Bedrängnis, unaussprechliche Schmerzen und unvergleichliches Weh, allüberall Verwirrung, allüberall Zweifel. Heulen und Weheklagen ist dort die einzige Sprache. Bitten und Flehen hörst du dort nur und Weinen und Seufzen, Klagen und Bedrängnis. Immerdar Weinen und Klagen, kein Mitleid ist zu finden, sondern in einem fort verzehrst du dich in Qualen und reibst dich fort und fort auf in Bedrängnis mit Tränen und Flehen, auf die aber niemand achtet. Keiner hört auf deine Bitten, denn vorüber ist die Zeit. Dagegen ist hienieden Zeit zum Weinen und Jammern; hier ist Zeit zum Klagen und Seufzen; hier ist Zeit zum Bitten und Wünschen und um Verzeihung zu flehen, hier haben die Tränen einen Wert und die Gebete einen Nutzen; hier ist der Same der Barmherzigkeit und die Frucht der Buße; hier ist die Zeit zu seufzen und um Barmherzigkeit zu rufen.

  

7.

 Laßt uns darum hienieden eintauschen die nutzbringende Bedrängnis des Fleisches für die Qualen der unvergänglichen Strafen. Denn durch geringe Mühe zur Enthaltung von der Welt werden wir uns vor den Feuerflammen und den schrecklichen Blitzen der Hölle bewahren; durch ein wenig Wachen für das Gebet werden wir uns retten vor den überströmenden Feuerbächen; durch ein wenig nutzbringende Trauer werden wir uns erretten von den furchtbaren Flammen und von den Bissen der Giftzähne der Schlangen. Durch Weinen und Seufzen hienieden werden wir uns dort retten vor den bitteren Peinen und der dunklen Finsternis; durch ein wenig Weinen und Tränenvergießen hienieden werden wir uns erretten vor immerwährendem Weinen und beständigem Seufzen dort. Für eine geringe Buße hienieden werden wir uns dort retten vor Finsternis und Dunkel, vor einem bitteren Tode und ewiger Schmach.

  

8.

Meine vielsündige Seele! Wenn du das alles beherzigest, dann sei nicht träge im Fasten und nachlässig im Gebete! Laß nicht ab von der Reue und zögere nicht mit dem Bekenntnis und werde nicht mutlos in der Bußübung und müde in der Wohltätigkeit. Laß nicht nach zu weinen und ruhe nicht aus vom Klagen. Warte nicht bis zum Ende und vertröste dich nicht auf das mühselige Greisenalter und rechne nicht mehr auf viele Jahre für dich in der Welt und denke nicht: Später tue ich Buße! Der (böse) Feind ist ein Dieb und Betrüger; er betrügt dich und richtet dich zugrunde, indem er dich so zum Aufschub verleitet. Jetzt, sagst du, will ich arbeiten, später will ich Buße tun; in der Jugend will ich ruhen, sagst du, und im Alter büßen; heute will ich leben und lustig sein, sagst du, und morgen will ich fasten; jetzt, sagst du, will ich ausgelassen sein und später sittsam; jetzt will ich sammeln, sagst du, später will ich austeilen an die Armen. — — — —

Das sind die Listen des Feindes, wodurch er uns betrügt und ins Verderben stürzt, indem wir es Jahr um Jahr so machen und die Ausübung des Guten von einem Zeitpunkt auf den andern hinaussetzen.

  

9.

 Lassen wir uns darum durch diese falschen Einflüsterungen nicht betrügen. Ungewiß ist der Tag des Todes, unbekannt der Austritt aus der Welt. Wie Geburtswehen überfällt er dich und du findest keine Zeit zur Reue und zur Buße. Er kommt wie ein Dieb in der Nacht und gibt dir keine Zeit zu weinen und zu büßen; wie das Netz der Vogelsteller ergreift er dich plötzlich und gibt dir keine Zeit zum Weinen, Klagen und zur Wohltätigkeit. Wie ein Löwe stürzt er sich auf dich, brüllt und beraubt dich, und du erreichst nichts mehr5. Was wirst du also tun, meine Seele, oder was wirst du anfangen, du, die du an das Gute denkst, es aber nicht übst, Wohltaten spenden willst, es aber verschiebst, die du angeblich bereuen willst, aber nicht wie David dein Lager mit Tränen benetzest? „Asche aß ich“, sagt er; „wie Brot, und meinen Trank mischte ich mit Tränen6“. (Alle) Ganze Nächte hindurch klagte er und weinte bitterlich in einem fort. Du bist bereit zum Fasten, gehst aber nicht in Sack und Asche wie die Niniviten7, sie sind auch zurückgekehrt von ihren Wegen und von ihren sündhaften Pfaden, die sie eingeschlagen hatten, heißt es8. Du möchtest Tränen vergießen und weinen, aber du klagst nicht mit einer Ergriffenheit wie die Ehebrecherin9; du willst den Bedrängten Wohltaten spenden, aber nicht wie die Witwe10, die alles aufwendete. Der Feuereifer der Buße nun liegt darin, daß jemand weder das Vermögen schont noch mit Anstrengungen den Leib, sondern sich quält, aufreibt und streng ist gegen sich und nur nach Verzeihung der Sünden verlangt und nach der Heilung der Krankheit der Seele; damit werden auch wir unsere Sünden auslöschen und unsere Seelenwunden heilen. Denn durch Fasten und enthaltsames Wachen sind die Sünden zu tilgen; auch durch Gebet und Flehen und innige Bitten sind die Sünden  zu tilgen; durch Sack und Asche auch und durch Lager (Liegen) auf der Erde sind die Sünden zu tilgen; durch Weinen und Seufzen und Mitleid mit den Armen sind die Sünden zu tilgen; auch durch Klagen und Seufzen und unablässiges Jammern sind die Sünden zu tilgen; durch Milde, Demut und Gehorsam sind auch die Sünden zu tilgen; durch Armut, Dürftigkeit und Nacktheit sind die Sünden auch zu tilgen; durch gute Werke auch und Wohltun gegen alle sind die Sünden zu tilgen; auch durch Bruderliebe und Gottesfurcht sind die Sünden zu tilgen; durch rechte Unterweisung und Belehrung auch sind die Sünden zu tilgen gemäß dem Worte: „Wer einen abwendet vom Weg des Bösen, errettet seine Seele vom Tode und bedeckt die Menge seiner Sünden11.“ Aber auch die wahrhafte Umkehr allein und das richtige Bekenntnis reichen hin zur Rettung und Gerechtigkeit12 nach dem Ausspruch: „Bekenne zuerst deine Ungerechtigkeit, damit du gerechtfertigt werdest13!“

  

10.

Was hast nun du zu sagen, meine vielsündige Seele, wenn du mit diesen Mitteln nicht geheilt wirst? Darum eile und zögere nicht! Wache auf aus dem bitteren Schlaf, aus deinem Schlummer, kehre zurück von dem verderblichen Wege! Zerstreue die Finsternis deiner Unwissenheit; von deinem törichten Irrtume mache dich frei und gehe in dich! Wirf ab von dir die Schwere deiner Sünden; erleichtere dich von der Last und dem Druck der Ungerechtigkeit! Tilge die zahllose Menge deiner Vergehen, heile die schlimmen Wunden deiner Verletzungen und wasche ab den verpesteten Schlamm der Gottlosigkeit, damit du geheiligt und geläutert an der Seele, geschmückt und helleuchtend am Leibe, frei und freudig hinübergehst zu der Menge der königlichen, gewaltigen (furchtbaren), endlosen Schar, um zu weilen vor dem furchtbaren, großen Richterstuhle Gottes, um von ihm das süße Wort der Seligsprechung zu hören (und) vor der ganzen weltoffenen  Versammlung: „Kommet ihr Gesegneten meines Vaters14, tretet ein und empfanget die Freuden der himmlischen Güter mit dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste! Ihm sei Ruhm und Ehre in alle Ewigkeit. Amen.

 

 

 

 

Brief über die Buße.

 

1.

Die Wurzeln der Heilkräuter der Ärzte (heilen) die Leiden des Körpers, und die Flut der (Buß)-tränen heilt die Seele von den Sündenwunden; besonders gilt das von solchen, die ihre Bußübungen noch unterstützen durch Werke der Barmherzigkeit und des Mitleids gegen die Armen.

Es gibt nun allerdings viele Wurzeln, welche, vermischt in den Heilmitteln der Ärzte, die Leiden vertreiben; einige jedoch erweisen sich am wirksamsten zur Linderung der Schmerzen. So gibt es auch unter (Seelen)arzneien für diese mancherlei asketische Bußübungen zur Reinigung von Sünden; jedoch die Barmherzigkeit gegen die Armen ist geeigneter und wirksamer als alle (andern) Tugendübungen zur Tilgung der Sünden und Heilung der Wunden samt den Klagen, Seufzern und den Tränen des Mitleids.

  

2.

Zögert darum nicht und verschiebt die Rückkehr und Buße für die Sünden nicht von einem Morgen auf den andern; wartet nicht bis auf den letzten Tag mit dem Almosen der Barmherzigkeit aus euern Gütern gegen den Nächsten. Denn dieser Tag ist ein Dieb, ein Räuber ist der letzte Tag. Unvermerkt kommt der Weggang aus der Welt; er kommt unerwartet und gewaltsam; er gewährt keine Frist zum Bitten und Bestürmen, zum Weinen und Klagen, zur Wohltätigkeit oder zu Bußwerken. Er erfaßt wie ein Fallstrick, raubt wie ein Löwe, und wie ein gefangener Sklave wirst du ohne Erbarmen abgeführt; du magst flehen unter Tränen und bitterlich klagen, du findest keine Hilfe. Denn du hast von einer Stunde auf die andere gezögert und die Zeit zur Buße  verstreichen lassen, in welcher du Gelegenheit hattest, deine Sündenlast zu erleichtern, den Unrat der Sünde auszufegen, unter die Schar der Gerechten aufgenommen zu werden, ein Kind des himmlischen Vaters und Erbe der ewigen Güter zu werden.

  

3.

Laßt uns also eilends Buße tun, sei es aus Verlangen nach den ersehnten Freuden, sei es aus Furcht vor den angedrohten schrecklichen Qualen; häufen wir nicht Lasten auf Lasten und fügen wir nicht fürder Leid auf Leid! Auch soll uns der Teufel nicht durch Einflüsterungen täuschen, als, wir hätten noch lange zu leben; noch soll er uns durch unsere Jugend verführen, als könnten wir im Alter Buße tun. Warten wir doch nicht bis das unerbittliche Ende kömmt und bis man uns erbarmungslos abruft! Nicht wollen wir müßig und träge sein, verdienstlos ankommen! Nein, sühnen wir unsere Vergehen und büßen wir für unsere Sünden. Laßt uns nacheifern dem Starkmut der Starken und den Tugenden der Tugendhaften! Ihr Herz ist ja gereinigt, ihr Verstand erleuchtet, frei von Sünden sind sie und frei von Ungerechtigkeit. Ihr Sinn ist immer nach oben gerichtet, und um das Höhere sind sie ständig besorgt. In ihrem irdischen Leibe führen sie ein Leben wie Engel. Sie haben nicht (erst) Schriften zur Belehrung oder Darbietung von Vorbildern nötig. Denn besser als ein Buch offenbaren sie, worin die Rechtschaffenheit des Geistes15 und die Tugendhaftigkeit der Sitten besteht.

  

4.

 Abgekehrt sind wir vom rechten Wege, fremd sind uns geworden Sitte und Tugend. Verstrickt sind wir ins Netz des Feindes, befleckt vom Kot der Sünden, wir brauchen Belehrung und Unterweisung und die Darbietung von Vorbildern. Vielleicht regt sich in uns noch die Angst bei dem furchtbaren Schrecken des verzehrenden Feuers, vielleicht verstehen wir die Lehre der Vorbilder und Beispiele. Lernen wir aus dem Leiblichen für das Geistige, und ziehen wir aus dem Sichtbaren Lehren für das Unsichtbare! Buße wollen wir üben (bereuen wollen wir) aus Furcht vor den schrecklichen Qualen und aus Sehnsucht nach den unvergänglichen Gütern16. Die Buße muß für die Schmerzen  der Seelenwunden die Schmerzen der Leibeswunden zum Vorbild nehmen. An einem fort klagt ja der Kranke über die Bedrängnis und Unruhe der Körperschmerzen und immer weint er bitterlich über die unablässigen und heftigen Leiden, beständig seufzt und stöhnt er über die bangen und furchtbaren Heimsuchungen; und so ergreift sein Flehen und Jammern auch die Hartherzigen. Denn bei seinen heftigen Schmerzen und Wunden17 freut ihn nicht die Liebe seiner Freunde, noch regt er sich auf über die Beleidigungen seiner Feinde. Nicht gedenkt er der Freuden des Lebens, nicht kümmert er sich um Schmuck und Schönheit: Alle Ehren, allen Glanz der Welt verachtet er und hält ihn für nichts in seinen bangen Schmerzen. Er verharrt in seiner Trauer, in seinen Tränen und seiner klagenden Stimmung; er fleht nur inständig in der (unheilvollen) Bedrängnis der Gefahr und viele seiner Verwandten werden zu Tränen und Mitleid gerührt und beeilen sich, Ärzte herbeizuholen und durch Heilkräuter die anhaltenden Schmerzen zu vertreiben. Den Ärzten versprechen sie eine Belohnung und setzen einen Preis aus für Heilkräuter, um die Schmerzen rasch zu stillen.

  

5.

Und all diese Mühen läßt man sich kosten nur des verweslichen Leibes wegen, der ja doch sterben muß, mag er (jetzt) auch geheilt werden. Was aber sollen wir anfangen angesichts der ewigen Schmerzen des furchtbaren Höllenfeuers, welches bereit steht für unsere so vielfach verwundete Seele, welche beständig an den Sünden leidet und auf dem Krankenlager für das Vergehen der Sünde hingestreckt liegt ohne Heilung. Dabei verletzen und verwunden die Vergehen und Sünden immer mehr und die schmerzlichen Aufregungen der Leiden peinigen auch schärfer. Und trotzdem seufzen und klagen wir nicht, beten nicht beharrlich zu Gott, wir klagen nicht über unsere Sündenschmerzen  und waschen uns nicht frei von den Wunden, die uns unsere Vergehen und Sünden geschlagen; wir unterlassen es, unsere Gottlosigkeiten beharrlich zu beweinen und zu beklagen die ewigen, qualvollen Schrecken. Nein, wir häufen Wunden auf Wunden in einem fort und heilen sie nicht durch das Heilmittel der Buße. Wir suchen keinen Arzt auf und erforschen keine Heilmittel. Wir wenden nichts auf, bieten kein Entgelt für die Heilung unserer Wunden und für die unerträglichen Leiden der Ungerechtigkeit. Und schmerzen uns nicht bloß Eingeweide oder der Unterleib, sondern unser ganzer Körper ist bedeckt mit Sündenwunden. Unsere Augen sind verwundet durch lüsterne Blicke; unsere Ohren sind schmerzerfüllt, weil wir unehrbare Dinge mit Wohlbehagen anhören; unsere Zunge ist krank wegen unserer Schmähreden und unseren Schwüren; unser Herz ist verwundet durch die bösen Begierden und unreinen Gedanken; unsere Hände sind krank von Diebstahl und Räubereien; unsere Füße sind krank, weil wir die Theaterspiele aufsuchen und auf unehrbarem Wege uns begeben; unser ganzer Körper ist aufgetrieben durch Sünden und angeschwollen durch Ungerechtigkeit. So sind also alle unsere Glieder erfüllt mit Wunden und Sündenschmerzen, und doch gehen wir nicht zum Seelenarzt und suchen nicht das Heilkraut der Buße. Die Last der Sünden peinigt uns, und doch heilen wir uns nicht durch Reuetränen. Das häßliche Geschwür der Sünden entfernen wir nicht durch Seufzer und waschen den Eiter der Fäulnis nicht ab durch Tränen. Wenn jemand sich hier nicht heilt durch Gebete, Fasten und Werke der Barmherzigkeit, dem steht für das Jenseits das furchtbare Feuer bevor und der unauslöschliche Brand der Höllenflammen. Bereit stehen schon die Fluten der Feuerströme, der Tartarus, die Finsternis und dunkle Nacht; gerüstet sind schon die grausamen Schergen und erbarmungslosen Quäler. Viele Leiden und Unglück, furchtbare Schrecken der Qualen ohne Erbarmen, welche ihrer warten und für sie bereit stehen auf den großen Tag des furchtbaren Gerichtes.

  

6.

 Das alles steht uns also bevor und doch leben wir bequem und behaglich dahin und sündigen furchtlos weiter; wir schwelgen in allen irdischen Gütern und lassen alles sorglos vorübergehen. Wir essen, trinken und schlafen sorglos und erwerben uns vielen überflüssigen Vorrat, gleich als lebten wir (hier) endlos und ewig; nie denken wir an den Tag18, nicht an das furchtbare Gericht, nicht an die bittere, ewige Schmach. Ja auch daran denken wir bei alledem nicht, daß wir nach dem Tode etwas zu leiden haben. Auch sind wir nicht immer vorsichtig und furchtsam und achten nicht darauf, daß der böße Feind auf jegliche Weise uns bekämpft, daß er fort und fort im Verborgenen uns angreift und unablässig uns verwundet, ohne daß wir es wahrnehmen. Wir ahnen es nicht und nehmen uns nicht in acht vor seinen verderblichen Geschossen und schmerzlichen Schlägen. Ganz sorglos ergötzen wir uns in allen Vergnügungen und schlafen ahnungslos weiter. So leben wir weiter in unserer Trägheit und Gleichgültigkeit, gleich als gäbe es keine Leiden, keine Hölle, keinen gestrengen Richter, kein unnachsichtiges Gericht, gleich als würden unsere Taten nicht geprüft und unsere Gedanken nicht erforscht, unser Lebenswandel nicht untersucht, unsere unnützen Worte nicht geprüft.

  

7.

All diese Nachlässigkeiten sind zurückzuführen auf die schlimmen Einflüsse Satans, der uns zeitlebens nachstellt und die Schlinge des Todes bereitet. Denn der Teufel schadet nicht allein durch böse Dinge, sondern auch dadurch, daß er die guten Bräuche in schlechte verkehrt; die rechtschaffenen Künste (Betätigungen), die er bei den Menschen sieht, benützt er zu Schlingen des Todes. Du schlägst etwas für gering an und tust darum keine Buße dafür; er aber bringt dich damit ins Verderben. Er richtet (nämlich) den zugrunde, der aus Heuchelei fastet und seine Abtötung zur Schau stellt; ferner den, der beim Gebet unehrerbietig  vor Gott tritt und seine Gedanken umherschweifen läßt, den Barmherzigen, der die Kranken nicht besucht. Er stürzt durch Lehre die Lehrer ins Verderben, die heuchlerisch unterrichten, die nicht mit großer Furcht den Willen Gottes lehren. Zugrunde richtet Satan den Psalmensänger, wenn er sich nicht hütet vor dem schlimmen Laster des Hochmuts, sondern, um gesehen zu werden und von den Zuhörern Lob zu ernten, singt, anstatt Gottes Wort und sein Lob zu verkünden und ihn nicht wie Lobpreisende zu verherrlichen. Zugrunde richtet Satan die, welche die Offenbarungen Gottes, sein Wort und seine Lehre gehört haben, weil sie jene mit Trägheit und Geringschätzung vernehmen. Zugrunde richtet Satan die Arbeit derer, die darüber ungehalten sind, ferner jene, die sich den Faulen gegenüber hoch erheben, indem sie lang und breit von ihrer Dienstleistung erzählen, und allen es zu wissen tun möchten, wie sie unablässig sich abgemüht. Ein solcher Mensch findet aber keine Ruhe wie die Mühseligen, sondern wie die Murrenden und Verworfenen wird er angeklagt. Der Teufel richtet die Reichen zugrunde, die sich nur abmühen, um zusammenzuraffen, nicht aber, um den Armen auszuteilen; sie werden sich durch ihre Güter nicht zu retten vermögen, sondern sie werden als Hartherzige und Geizige verurteilt werden. Zugrunde richtet der Teufel auch die Armen, die jammern und klagen, anstatt Gott zu danken, der sie mit den ewigen Gütern bereichern möchte. Ins Verderben stürzt die Kunstgeübten der Satan auch, wenn sie sich über Gebühr für ihre Arbeit belohnen lassen, oder wenn sie aus Neid und Eifersucht das Talent der Kunst jenen vorenthalten, die sich darum bemühen. Sie werden als solche verurteilt, die das Talent vergraben haben. Ins Verderben stürzt Satan die, welche harte Herrschaft üben und grausamen Herzens das Volk in Schrecken setzen oder eines schönen Gesichtes oder Geschenkes wegen den Gerechten um sein Recht bringen. Er richtet auch die zugrunde, welche der Herrschaft unterstehen, wenn sie nicht wie Diener Gott gehorchen und seine Gebote nicht in Furcht erfüllen. Er richtet die Steuereinnehmer zugrunde, wenn sie mehr fordern als der  König befahl, und wenn sie die Bedrängten quälen …..19 und entfachen das Feuer der Hölle.

  

8.

[Forts. v.  ] Auf diese Weise legt der Teufel allen eine Schlinge zum Tode und bringt sie ab von der rechten Ordnung und dem Leben nach Gott. Bös ist die Frucht und schlimm der Lohn dafür; womit sie das Reich zu erlangen suchen, ernten sie Pein. Ja, so sehr blendet sie der Teufel, daß er sie sündigen macht, selbst wenn sie beten, fasten, Almosen geben. Aber trotzdem gaben wir uns keine Mühe, uns freizumachen von der Betäubung Satans, und versöhnen uns nicht mit dem Herrn durch Gebet und Werke der Buße. Denn die Buße vermag, die durch die Sünde Geschwärzten weiß zu waschen, die Befleckten zu reinigen, die durch die Sünde Umnachteten zu erleuchten und die Menge der Vergehungen zu tilgen. Dies weiß aber der Teufel; deswegen macht er sich an den heran, der Buße tun will, und verhärtet ihn, damit er gar nicht mit der Buße beginnen mag. Denn er weiß, daß die aufgewendete Mühe für die Buße versüßt wird, wenn der Anfang gelingt. Darum geht er mit allen Mittel darauf aus, daß wir lässig sind mit dem Beginn der Buße und sie Tag für Tag verschieben.

  

9.

Da wir nun diese Dinge wissen, wollen wir mit allem Eifer den Anfang machen mit der Buße; denn nur im Anfang erscheint sie lästig (schwer), hernach aber bringt die Anstrengung Freude, wird süß und begehrenswert. Wie beim Beginn des Abc und der Schrift, wer lernen will, sich nicht getraut, die geschriebenen Namen des Buches zu wiederholen, sondern die Namen verstümmelt und zerreißt, dann (nach und nach aber Buchstabe mit Buchstabe verbindet und mühelos die Silbe hervorbringt, so erlangt man auch bei der Buße Gnade durch das Bekenntnis, wenn man nur im Anfang die Geduld bewahrt, und durch die Gnade kommt dem Verstande die Erleuchtung; man fühlt die Furcht vor den Qualen und die Furcht rührt einen zu Tränen und  zur Trauer; die Trauer lehrt das Fasten, das Fasten führt zum Gebet. Das Gebet aber ermuntert zur Barmherzigkeit, nach und nach steigt man immer höher von Stufe zu Stufe und gelangt leicht in den Himmel.

  

10.

[Forts. v.  ] Doch wenn du willst, kannst du auch schon durch eines dieser Heiligungsmittel gerecht werden. Viele wurden schon durch ein richtiges Bekenntnis gerettet; viele wieder sind erlöst worden durch Trauer und Klage; viele haben nur in Sack und Asche Buße getan, manche haben sich mit Gott durch Tränen und Seufzer ausgesöhnt; manche haben Buße getan durch Fasten und Gebet; manche haben durch Werke der Barmherzigkeit bei Gott Barmherzigkeit gefunden; manche haben durch Menschenfreundlichkeit dadurch Verzeihung (Buße) gefunden, daß sie den Schwachen in liebevoller Weise Dienste erwiesen; manche haben durch Demut und Gehorsam Verzeihung der Sünden erlangt.

Denn wie es verschiedene Sündenpfade gibt, so sind auch die Heilmittel der Buße verschieden, wodurch du von deinen Sündenkrankheiten vollständig geheilt werden kannst. Nicht durch eine Anzahl von Jahren, nicht durch die Lebenszeit, und wäre sie auch noch so lang, kannst du Rettung finden, sondern allein dadurch, daß du aufrichtig umkehrst und dich von Herzen vom Laster lossagst.

  

11.

Das wissen wir nun alles, darum wollen wir Buße tun für unsere Sünden und Sühne leisten! Denn die unreinen Sünden werden nicht nur am furchtbaren Tage uns verdammen, sondern hier schon quälen sie uns infolge der Lastertaten durch die Gewissensbisse, durch die Furcht vor den Menschen, die einen im Geheimen beschleicht, durch den Verdacht bei Bekannten, durch die Scham vor den Freunden, durch die Verachtung, bei den Feinden, durch die Drohungen der Richter, durch die Furcht vor den Fesseln und den Strafen, durch die Androhungen (den Tadel) der Gebote Gottes und durch den Schrecken vor den furchtbaren Peinen. Wer aber ist erst imstande, hinüberzugehen und dann die ewigen, unerbittlichen Leiden und Qualen zu schildern,  die sie dort leiden durch Feuerqual während sie sich in Schmach und Schande verzehren.

  

12.

[Forts. v.  ] Aber auch an den Früchten der Buße erfreust du nicht allein im Himmel, sondern erntest sie hienieden schon durch hundertfältige Freude, durch Freiheit von Sorgen, durch das Lob der Gesetze, durch die Freude eines guten Gewissens, weil du sein kannst ohne Scheu vor den Menschen, weil du nicht verdächtig wirst bei Bekannten, nicht getadelt von den Feinden, nicht beschämt vor den Freunden, weil du unerschrocken sein kannst auf öffentlichen Plätzen, ohne Furcht vor den Richtern, frei bist der Strafen, ist dir beschieden ein frohes Leben, ein süßer Tod, die Hoffnung auf die ewige und ersehnte Glückseligkeit. Wer aber wäre imstande, erst die Freuden der unaussprechlichen Wonne und Seligkeit dort oben zu schildern?

  

13.

Wohlan! Das ist der Lohn für die Gerechtigkeit, das ist die Frucht der Buße. Darum scheue dich nicht, dich Bußwerken zuzuwenden nach der Menge der Sünden! Zu Gott allein nimm deine Zuflucht. Er ist nicht Richter, sondern Arzt, nicht der tötende Henker, sondern der zärtliche Vater. Er kommt dir entgegen wie dem verschwenderischen Sohne. Er fällt dir um den Hals, der du dich zur Buße bekehrst. Augen und Mund küßt dir der himmlische Vater. Das erste Kleid der Unschuld läßt er dir anlegen, mit Schuhen rüstet er dich aus20 gegen ein zweites Gift des Feindes. Beim Opfer genießest du vom Leib des Gottessohnes; mit dir freuen sich beim Opfer die auserwählten Diener und alle Heiligen singen und jubeln, weil du von der Ausschweifung dich wieder abgewandt hast21. Darüber war das erste Volk, das mit Beschneidung berufene Volk ein wenig erstaunt, eiferte dagegen und wollte an dem Freudenopfer des Gottessohnes nicht teilnehmen, als bei ihm der wesenhafte Gott im Fleische erschien22, um den Juden, der an den Vater glaubte, zu ermahnen zum  Glauben den bußfertigen Heiden zu rufen und sich zu freuen über die Rückkehr des verschwenderischen Bruders und so beide gemeinsam teilzuhaben am Opfer des Gottessohnes und erben den Genuß der ewigen Güter mit dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, dem Ruhm und Ehre sei in alle Ewigkeit.

 

 

 

 

Unterweisung über die Tugendübung des Fastens.

 

1.

[Forts. v.  ] Ratsam, nützlich und wichtig ist die Übung des Fastens und die Bewahrung vor Unmäßigkeit, ganz besonders, wenn man sich mit Freiheit und Überlegung dazu entschließt und richtig erkennt, welchen Gewinn die Beobachtung des Fastens bringt. Solche, welche dasselbe nicht beobachten, müssen aber aus den (sichtlichen) Dingen erkennen, wie rein die Mäßigkeit macht und wie verderblich die Überfüllung des Leibes wirkt. Man weiß (ja), daß, wie trockene Felder keine verschiedenartigen23 Pflanzen treiben, so auch der abgehärtete, ausgetrocknete Leib keine unreine Gedanken anregt. Wie aber die feuchte Erde allerlei Kräuter (mächtig) hervortreibt (und trägt), so erregt auch das Fleisch beständig unreine Gedanken, wenn es durch reichliche Speisen verzärtelt ist; ja, die feuchte Erde zeitigt Würmer, und ein gefräßiger Bauch die Laster der Unlauterkeit. (Denn) Wer an Leckerbissen sich ergötzt, läßt auch seinen Gedanken freien Lauf; wer sich dagegen mit etwas wenig Nahrung begnügt, der beherzigt die Qual des Hungers; ein fetter Leib bringt keine guten Gedanken hervor, dagegen das Fasten bedeckt die Sinne des Leibes mit einem Mantel (Hülle). Wer dem Bauche frönt, kann unmöglich ein treuer Diener Gottes sein. Solche dagegen, die durch Fasten sich vergeistigen (verfeinern) und sich läutern, diese läutern sich nicht allein von den Befleckungen und der Sündhaftigkeit, sondern führen den heiligen Gott selber in die Wohnung ihrer Seele ein.

  

2.

 Das ist die Bedeutsamkeit des Fastens und der Tugend der Enthaltsamkeit, daß sie alle Glieder des Leibes zügelt und die ungeordneten Leidenschaften und die unreinen Gedanken bezähmt und gar häufig den Anschlag der bösen Feinde, die darauf ausgehen, die reinen Herzen zu verwirren (betören) und zu verunstalten, vertreibt. Wie mit eisernen Sehnen festigt das Fasten, erhält die Tugend und gute Sitte und die Kraft des Glaubens; ein fester Turm gegen den Feind ist es und eine sichere Burg gegen die Pfeile Satans. Weil die Tugend des Fastens (der Enthaltsamkeit) für unsere Natur so wichtig ist und viele Fehler durch demütiges Fasten gebessert werden, darum wappnete Gott gleich bei der Erschaffung des Menschen unsere Natur durch ein Fastengebot und gab so dem ersten Menschen als erstes Gebot das Gesetz des Fastens: (nämlich) nicht von dem Baume zu essen. Hätte er das Fastengebot beobachtet, dann wäre sein Anteil ein müheloses, unsterbliches, sündenloses Leben gewesen und im Himmel die Himmelsgüter. Und viele, die das Fasten treu beobachteten, blieben von manchen Heimsuchungen verschont.

  

3.

[Forts. v.  ] Dank (dieses) dem gehorsamen Fasten blieb auch der große Daniel verschont von den Zähnen der Löwen; denn sogar die (Raub)tiernatur scheute sich, dem heiligen Leibe des Fastenden sich zu nahen. Dafür, daß er selbst sich hütete, dem Tische des Königs sich zu nahen, der durch unreine Opfer beschmutzt war, scheuten sich auch die wilden Tiere, dem heiligen Leibe des Fastenden sich zu nähern24. Auch die drei Jünglinge wurden durch das treue Fasten aus der lodernden Flamme errettet25; sie bezähmten das leidenschaftliche Verlangen nach Speise und begnügten sich mit ein wenig Linsen; während nun innen der erfrischende Tau die Fastenden labte, verstärkte sich außen die lodernde Flamme gegen die Ausschweifenden und tötete alle in der Umgebung von neunundvierzig Ellen.

  

4.

 Gerade durch das Fasten wurde auch die reichbevölkerte Stadt der Niniviten gerettet26; denn sie ließen ab von aller Ungerechtigkeit und von den Wegen der Schlechtigkeit; in Sack und Asche lenkten sie die schweren Drohungen des göttlichen Zornes von sich ab; sie schonten sich nicht und quälten sich durch Fasten und Bittgebete, durch Schluchzen, durch Jammern und Weinen; so verschonte sie Gott an Seele und Leib.

  

5.

Auch Moses erlangte durch das gleiche Fasten die Gesetzestafeln Gottes27. Denn durch das vierzigtägige Fasten reinigte er sich und würdigte sich, dem Makellosen zu nahen und von Mund zu Mund mit Gott zu sprechen wie mit einem Freunde.

Durch eben dieses strenge Fasten heiligte sich auch Elias, der Thesbite, und er öffnete und schloß mit seines Mundes Wort den Himmel und ließ Feuer vom Himmel fallen28.

Was soll ich noch von der Tugend des Fastens weiter sagen? War es (das strenge Fasten) doch selbst für den Leib des Herrn notwendig, der doch sündelos und makellos ist: nur um für uns ein Vorbild zu sein. Auch unsere Vorfahren (Altväter) erstarkten dadurch in der Tugend und offenbarten im menschlichen Leibe ein Leben der leiblosen Engel. Den irdischen Wünschen erstarben sie auf der Erde und lebten mit der Seele im Himmel. Sie bewahrten sich rein vor den vergänglichen Sinnesgenüssen, um unvergängliche Güter zu erben; von Haus und Besitz trennten sie sich, sie erduldeten viele Prüfungen und mancherlei Pein. In Hunger und Durst und ärmlicher Kleidung übten sie Abtötung: manche unter ihnen begnügten sich allein mit Pflanzenkost, manche nährten sich nur von Früchten. Manche aßen die Schosse der Baumzweige und die Wurzeln der Kräuter. Manche begnügten sich mit etwas Gemüse, manche mit drei Unzen Brot von Zeit zu Zeit, manche mit dem vierten Teil eines Brotes, manche mit dem sechsten; manche  bereiteten sich Speise aus Kornkleie; manche stillten ihre Hungerqual nur mit dem Futter für die Schweine. Manche hielten die tägliche Teilnahme an der geistlichen Speise genügend für die Bedürfnisse des Leibes; dagegen war in ihnen die Lust nach jeder anderen Speise erstorben. So genossen manche nur von Zeit zu Zeit etwas, manche erst nach drei, manche nach sieben Tagen; bei manchen währte es noch länger, bis sich bei ihnen der Gedanke an Speise wieder einstellte. Auch das (Wenige) aßen sie nur nach bestimmtem Gewicht und tranken das Wasser nach bestimmtem Maß. Beständig seufzten sie und beteten und verherrlichten Gott; ganze Nächte verbrachten sie in Tränen und Schluchzen; durch inständiges Gebet und Seufzen versöhnten sie Gott. Manche umgürteten sich mit Stricken und so schliefen sie. Manche durchwachten stehend die Nacht; manche setzten sich nur ein wenig, manche hielten bis zum Morgen die Hände ausgebreitet; manche (beugten) den Hals und harrten so aus bis Tagesanbruch, manche verfaßten lange Gebete. Manche redeten nichts, sondern beteten nur Psalmen; manche redeten nur, wenn sie gefragt wurden; manche sprachen bloß, wenn es sich um den Nutzen ihres Freundes handelte, unter ständiger Arbeit und Gebet verbrachten sie den Tag; um sich geistliche Unterweisung zu verschaffen, machten sie weite Wege, ihre Feinde liebten sie wie Freunde; in ihrer Demut schätzten sie ihren Nächsten höher als sich, gehorsam gingen sie sogar ins Feuer und traten wilden Tieren entgegen; sie boten sich zum Dienste an für ihre Mitmenschen und fristeten mit ihrer anhaltenden Arbeit das Leben der Armen und Kranken. Durch Mäßigung (hielten) sie ihren Leib in Gewalt und legten dem Geiste Zügel an. So pflegten sie durch mancherlei und vielfache Abtötung die Tugend des Fastens.

  

6.

Denn das alles ist die enge Pforte und der steile Weg, der zum ewigen Leben führt. Kraft dieser Läuterung und des echten Fastens konnten sie Zeichen und Wunder wirken, Teufel austreiben, Kranke heilen, Tote auferwecken, über das Wasser laufen, den Lauf der Sonne zum Stillstand bringen, ja noch viel Größeres als  das hat das strenge Fasten schon vollbracht. Denn wenn die heiligen Vorfahren sich Gott nähern wollten, dann läuterten sie sich vorerst durch Fasten. Dann nahten sie dem Reinen und durften Gott schauen. Wer aber dem Fasten aus dem Wege geht, der verliert die Gnade und verdirbt sich durch allerlei Unglück. Siehe, Adam vernachlässigte die Pflicht des Fastens und kam vom Paradies auf die dornige Erde. Die Zeitgenossen des Noe vernachlässigten die Übung des Fastens und fanden den Tod in der allgemeinen Flut durch Ertrinken. Das jüdische Volk ließ ab vom Fasten, und gerade die Vornehmen unter ihnen mußten sterben. Die Bewohner von Sodoma vernachlässigten das Fasten, und ein Feuerregen ging nieder über ihren Stätten. Alle die, welche über das Fasten lästerten, lästerten über Gott und gingen seiner Erbarmung verlustig.

  

7.

[Forts. v.  ] Doch müssen auch die, welche das Fasten beobachten, eine richtige Auffassung davon haben. Denn der Teufel sucht auch solche, die fasten, zu verderben, dadurch nämlich, daß er sie veranlaßt, über Unenthaltsame zu lästern, sich über andere erhaben zu zeigen oder die Speisen selber als unrein zu betrachten, oder dadurch, daß er fastet unter Heuchelei, wie wenn einer vor den Augen der andern sein strenges Fasten verbergen wollte, um nicht eitel und heuchlerisch zu erscheinen, und doch wünschte, daß seine Enthaltsamkeit von den andern gerühmt werde, oder wenn gar niemand darauf achtet, er wenigstens im Verborgenen sein Fasten zu vergrößern sucht, damit sie seine Geduld bemerken und bewundern.