Die richtige Corporate Governance - Fredmund Malik - E-Book

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Fredmund Malik

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Beschreibung

Der Bestechungsskandal bei Siemens und die VW-Affäre zeigen, dass Wirtschaft und Management nicht reibungslos funktionieren. Doch wie gelingen die wirksame Aufsicht und Leitung eines Unternehmens? Diese Frage nach der richtigen Corporate Governance wird immer dringlicher.

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Veröffentlichungsjahr: 2008

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LESEPROBE

Fredmund Malik

Die richtige Corporate Governance

Mit wirksamer Unternehmensaufsicht Komplexität meistern

LESEPROBE

www.campus.de

Information zum Buch

»Fredmund Malik ist der führende Managementexperte in Europa. Er ist die wichtigste Stimme – in  Theorie und Praxis des Managements.« Peter Drucker

Kritiklos-naive Propagierung und Übernahme des US-Modells der Corporate Governance sowie falsche Wirtschaftstheorien haben die geschichtlich größte Fehlsteuerung von Management, Unternehmensführung und Wirtschaft verursacht. Ungezählte Consulting Firmen aller Art und große Teile von Akademia haben zur Verbreitung und Legitimierung falscher Orientierungsgrößen, falscher Strategien und falscher Personalpolitik beigetragen. So ist eine reduktionistisch-geldgetriebene Karikatur von Unternehmensführung entstanden, welche die entscheidende Ursache von Unternehmens- und Finanzkrisen ist.

Maliks Hauptthese lautet: Die gängige Auffassung von Corporate Governance ist falsch und bedarf einer radikalen Neuorientierung. In diesem Buch entwickelt er die neuen ganzheitlichen Lösungen für funktionierendes Top-General-Management. Er definiert die Schlüsselaufgaben der Spitzenorgane, entwirft die Regeln ihres verlässlichen Funktionierens sowie die Grundsätze für richtige oberste Personalentscheidungen. Malik beschreibt die große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, behandelt die Herausforderungen für die oberste Führungsebene und zeigt, wie diese organisiert sein muss, um in der Komplexitätsgesellschaft des 21. Jahrhunderts richtig zu handeln.

»Viele Praktiker hängen an seinen Lippen und schätzen seine klare Sprache.« Wirtschaft und Weiterbildung

»Malik findet Gehör, denn noch nie war Managementwissen so wichtig wie heute.« Süddeutsche Zeitung

Informationen zum Autor

Professor Dr. Fredmund Malik ist habilitierter Professor für Unternehmensführung, international ausgezeichneter Managementexperte sowie Gründer und Chairman von Malik Management, St. Gallen, der führenden Knowledge-Organisation für ganzheitlich-kybernetische Management Systeme. Malik Management ist mit rund 300 Mitarbeitern, internationalen Niederlassungen und Partnerschaftsnetzwerken für Kybernetik und Bionik die größte Wissensorganisation mit zuverlässig funktionierenden Lösungen für alle Organisationen und ihre komplexen Lenkungsfragen. Tausende von Führungskräften werden dort in ganzheitlichen General Management Systemen weitergebildet und beraten.

Malik ist mehrfach ausgezeichneter Bestsellerautor von mehr als zehn Büchern, darunter der Klassiker Führen Leisten Leben, regelmäßiger Kolumnist meinungsbestimmender Medien und gehört zu den profiliertesten Managementvordenkern. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen das Ehrenkreuz der Republik Österreich für Wissenschaft und Kunst 2009 und der Heinz von Foerster Preis für Organisationskybernetik der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik 2010.

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2008 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Umschlaggestaltung: Hißmann, Heilmann, Hamburg

Abbildungen: Alex van de Hoef, Dreieich

ISBN der Printausgabe: 978-3-593-38696-6

E-Book ISBN: 978-3-593-40477-6

www.campus.de

|9|Vorwort

Dieses Buch habe ich für Praktiker geschrieben, besonders für jene mit Verantwortung für die Gesamtführung von Unternehmen, die diese durch richtige und gute Führungsarbeit gewissenhaft wahrnehmen wollen, egal in welcher Funktion: als Verwaltungs- und Aufsichtsräte oder exekutive Topmanager und deren Aktionäre. Es richtet sich vor allem an jene Praktiker, die mit der Erfüllung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht allein nicht zufrieden sein wollen, sondern deren Maßstab der unternehmerische Erfolg als solcher ist.

Die heutige Corporate Governance genügt dafür bei weitem nicht. Ich behaupte nicht weniger, als dass praktisch alle Wirtschaftsflops ab Mitte der neunziger Jahre in der einen oder anderen Weise durch die seither entstandene Art der Corporate Governance verursacht wurden. Durch die heutige Corporate Governance-Theorie wurde falsche Unternehmensführung als Best Practice legitimiert, und verbreitet wird sie durch fahrlässiges Consulting, Executive Searching, Governance-Rating, durch Wall-Street-Marketing, MBA-Programme und viele Wirtschaftsmedien. Fahrlässig deshalb, weil man im Gegensatz zur verbreiteten Meinung sehr genau sagen kann, was richtige Unternehmensführung ist. Was ich darunter verstehe, steht in diesem und meinen anderen Büchern.

Erfolgreiche Unternehmen sind deswegen erfolgreich, weil sie in wesentlichen Punkten – ohne Regeln zu verletzen − genau umgekehrt geführt werden, als die heutige Corporate Governance es empfiehlt. Für richtiges und nachhaltiges Wirtschaften sind daher radikale Reformen nötig: Heutige Corporate Governance muss um 180 Grad gedreht werden, gerade wenn das Interesse der echten Aktionäre im Gegensatz zum Investorentyp des Aktionärs geschützt und ein hoher Return erzielt werden soll.

Solche Aussagen würde ich nicht wagen ohne jahrelange persönliche Erfahrungen als Mitglied und Vorsitzender von Topmanagement- und |10|Governance-Organen, wo ich sehen konnte, was richtig und was falsch gemacht wird, was möglich ist und was nicht. Denn von außen lassen sich Professionalität und Effektivität solcher Gremien nicht beurteilen, und schon gar nicht kann man sich eine zutreffende Meinung aufgrund von veröffentlichten Zahlen bilden. Externe Ratings sind anmaßend. Aber auch vermeintlich wissenschaftliche Umfragen, selbst wenn sie sich auf Interviews mit erfahrenen Personen stützen, lassen kein sachgerechtes Urteil zu.

Ich behaupte, dass sich ohne persönliche Erfahrung keine Kenntnis über das Funktionieren von Topmanagement-Organen und Corporate Governance erwerben lässt und dass daher weder eine Beurteilung derselben noch praktikable Verbesserungsvorschläge möglich sind. Die dafür nötigen Informationen erhält man – von den erforderlichen Theoriekenntnissen ganz abgesehen − nur über mehrjährige, selbst verantwortete praktische Mitarbeit in solchen Gremien, übrigens vorzugsweise nicht nur in Schönwetterperioden, sondern auch in Krisensituationen. In solchen befand ich mich selbst mehrfach, und darunter gab es auch Fälle, wo letztlich die Probleme nicht mehr gelöst werden konnten, weil frühere Fehler und Versäumnisse schon zu viel Schaden angerichtet hatten.

Erst in solchen Situationen erlebt man die tatsächlichen Wirklichkeiten der Unternehmensführung, der Corporate Governance, und erst dann zeigt sich die wahre Natur der involvierten Menschen, deren Fähigkeiten, Charakterzüge und Persönlichkeitsstrukturen. Dann erweisen sich Mut und Feigheit, Kompetenz und Versagen, und es zeigt sich in aller Deutlichkeit, was richtige Leadership wirklich ist, im Gegensatz zu den naiv-illusionären Modetheorien, denn nur in der Krise kann sich diese erweisen. Man sieht, was funktioniert und was nicht, und zwar unter den komplexesten, dynamischsten und risikoreichsten Umständen. Man lernt die Kenntnisse über Naturgesetze zu schätzen, die uns helfen, Komplexität zuverlässig zu meistern und auch dort noch Lösungen zu finden, wo andere längst aufgeben müssen. Mit heutiger Corporate Governance und den Führungsorganen dadurch auferlegten Zwängen kann weder eine Krise bestanden werden, noch können unternehmerische Chancen genutzt werden, was ebenso wichtig ist.

Dieses Buch entstand bereits zu Beginn der intensiven Phase der Corporate Governance-Diskussion, weil ich schon damals praktische Topmanagement-Erfahrung hatte, die aus der engen Zusammenarbeit mit Unternehmern und Unternehmensführern resultierte, aus der Mitwirkung in |11|obersten Führungsgremien sowie aus meinen eigenen unternehmerischen Aufgaben. Das Buch ist auch heute immer noch gültig.

In wichtigen Punkten hat man in der Praxis meine Vorschläge übernommen, zum Beispiel betreffend Größe und personelle Zusammensetzung von Aufsichtsorganen, ihr inneres Funktionieren und ihre Führung. Ebenfalls realisiert ist zu einem großen Teil die nötige Zweistufigkeit der Corporate Governance, die sich in England inzwischen vollständig durchgesetzt hat, nicht jedoch in den USA. In entscheidenden Fragen vor allem des Inhaltes für richtiges und gutes Management ist die heutige Corporate Governance aber auf Irrwegen geblieben oder hat sich nicht getraut, klare Aussagen zu treffen.

Dem Buch habe ich eine neue Einführung als 1. Kapitel vorangestellt. So kann man sehr gut sehen, welche Entwicklung seit Erstveröffentlichung des Buches eingetreten ist und welche versäumt wurde.

Unveränderte Gültigkeit und Aktualität des Buches haben neben seinem Praxisbezug ihren Grund darin, dass es hier um eine ganz andere Fragestellung geht als in der sonstigen Corporate Governance-Diskussion. Im Zentrum steht die Frage: Was ist richtige und gute Unternehmensführung? Es geht also darum, wie Topmanager handeln müssen, damit das Unternehmen richtig geführt wird.

Das ist etwas anderes als die von juristischen und finanzwirtschaftlichen Perspektiven geprägte vorherrschende Governance-Sicht. Mir geht es nicht um formale Regeln und Wiederholungen des Aktiengesetzes, sondern um das richtige Funktionieren von Unternehmen und somit der ganzen Wirtschaft in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft und Welt.

Selbstverständlich bewegt sich richtige Gesamtunternehmensführung innerhalb des gesetzlichen Rahmens und hat finanzwirtschaftliche Überlegungen zu berücksichtigen. Beide müssen jedoch abgeleitet werden aus einem Konzept richtiger Gesamtführung und nicht umgekehrt. Denn der Erfolg von Unternehmen ergibt sich aus ihrer Bewährung am Weltmarkt der globalisierten und sich rascher als je wandelnden Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie und aus den Umständen einer sich radikal transformierenden Gesellschaft, und nicht aus der Befolgung von Gesetzen, deren Grundprinzipien trotz vieler Novellierungen aus der alten Welt des frühen 20. Jahrhunderts und zum Teil aus dem 19. Jahrhundert stammen.

Anders gesagt: Die Gesetze und Corporate Governance Codes werden sich an die Funktionsprinzipien von Unternehmen als Teile hochkomplexer |12|globaler Systeme anpassen müssen und nicht umgekehrt. Die Funktionsprinzipien für das Meistern von Komplexität sind genauso naturgesetzlich wie diejenigen der Technik. Mit juristischen Gesetzen und Codes kann man Naturgesetze nicht ändern.

Wo man das nicht akzeptiert, wird es bald weder eine Wirtschaft noch eine Gesellschaft geben, die funktioniert, weil andere Länder ihre Regeln mit Blick auf die Zukunft gestalten können und ihre Unternehmen auf die komplexen Umstände des 21. Jahrhunderts ausrichten statt auf die Vergangenheit.

Dieses Buch und meine ganze Arbeit für richtiges und gutes Management sind geprägt von meiner täglichen Zusammenarbeit mit Praktikern, mit Topmanagern, Unternehmern und deren engsten Mitarbeitern sowie durch meine eigene Tätigkeit als Unternehmer und Inhaber des größten Schweizer Unternehmens auf dem Gebiet von General Management Consulting und Education, wo dieses Unternehmen führend ist.

In über 30 Jahren habe ich möglicherweise mehr Führungskräfte als andere kennengelernt, mit ihnen gearbeitet, sie beraten und ausgebildet in allen Fragen der Unternehmensgesamtführung, der Unternehmenspolitik und -strategie, in Struktur- und Organisationsfragen, der Unternehmenskultur und im Aufbau von Topmanagement-Teams und funktionierenden Governance-Organen. Die Positionen, die ich in diesem Buch vertrete, haben sich in Hunderten von Anwendungen gemeinsam mit Managern und Unternehmern als richtig erwiesen. Die wissenschaftlichen Grundlagen dafür habe ich in meiner Habilitationsschrift 1976 über die »Strategie des Managements komplexer Systeme« gelegt. Dort habe ich auch begründet, warum die Kybernetik als Lenkungs-, Regulierungs- und Steuerungswissenschaft die einzig gültige Grundlage für funktionierendes Management ist und warum die Wirtschaftswissenschaften dies nicht leisten können.

Seither habe ich auf den damals geschaffenen Grundlagen aufbauend ein umfassendes, universelles und modulares General Management System entwickelt und erprobt, in mehreren Büchern publiziert und die für die praktische Anwendung erforderliche Organisation mit dem weltweit größten Stab an General Management Experten an internationalen Standorten geschaffen.

Die rasant steigende Komplexität aller Systeme der Gesellschaft erfordert Professionalität im Beruf des Managements mit kopf- und handwerklichen Standards, wie sie in allen hochentwickelten Berufen längst |13|selbstverständlich sind. Falsche Theorien, Moden und faule Kompromisse haben hier keinen Platz. Zuverlässiges Funktionieren unter Bedingungen hoher und steigender Komplexität ist die Maxime des 21. Jahrhunderts, damit Evolution nicht durch Stagnation oder Revolution zerstört wird.

Fredmund Malik

Juni 2008

|15|Kapitel 1

Neue Einführung 2008: Radikalkur für funktionierende Corporate Governance

Corporate Governance muss sich zu funktionierendem Management wandeln

Corporate Governance und dafür geeignete Corporate Governance Codes müssen sich an den inhaltlichen Prinzipien richtiger und guter Unternehmensführung, das heißt an funktionierendem Management und nicht nur an Formalregeln orientieren, die inhaltlich beinahe beliebig gefüllt werden können.

Wie sie heute verstanden wird, ist Corporate Governance ein zwar vieldiskutierter, aber großteils falscher Schritt in der Geschichte der neueren Unternehmensführung. Richtig ist der Schritt bezogen auf die Bedeutung, die dem Topmanagement und besonders der Aufsichtsfunktion im Gegensatz zu früher zugemessen wird. Hingegen ist heutige Corporate Governance ein dreifach falscher Schritt, nämlich bezüglich des Inhaltes der Corporate Governance-Funktion, somit auch bezüglich der konkreten Aufgaben der Topmanagement-Organe und folglich ihrer Ausgestaltung und Arbeitsweise.

Der regelmäßig vorgebrachte Einwand, man könne nicht sagen, was richtige Unternehmensführung sei, scheint aus Unkenntnis über Management zu resultieren, denn die Inhalte richtiger Unternehmensführung können heute in großem Umfange für praktische Zwecke ausreichend definiert werden. Es gibt also keinen Grund, darauf zu verzichten oder sie gar aus den Corporate Governance Codes systematisch auszuklammern.

Heutige Corporate Governance muss daher neu orientiert und in ihren wesentlichen Punkten tiefgreifend und radikal reformiert werden, damit sie wirksam richtiges Management sicherstellt und zu effektiv funktionierenden Unternehmen, zu einer leistungsfähigen Wirtschaft und einer lebensdienlichen Gesellschaft unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts beiträgt.

Für richtige Unternehmensführung muss als Erstes die innere Kausalität |16|der Corporate Governance um 180 Grad gedreht werden: Shareholder Value als inhaltliche Ausrichtung ist falsch. Richtig ist Customer Value. Inhaltliche Ausrichtung auf Wertsteigerung ist falsch; richtig ist Ausrichtung auf Wettbewerbsfähigkeit. Die Logik des Wirtschaftens erlaubt hier keine Kompromisse.1

Zweck des Unternehmens ist es, zufriedene Kunden zu schaffen. Obwohl es jedermann freisteht, den Zweck der wirtschaftlich produktiven Institution der Gesellschaft anders und auch falsch zu definieren, wird man es verantwortungsvoll nicht tun können, ohne die Folgen zu bedenken, die in jeder anderen Definition mit innerer Logik zu gravierenden Fehlentwicklungen der Wirtschaft führen.

Diese Zweckbestimmung, die am Kunden orientiert ist, deckt simultan sowohl Customer Value als auch Konkurrenzfähigkeit ab. Nur wenn dieser Zweck erfüllt ist, kann das Unternehmen – dann aber umso besser – seine Shareholder befriedigen und für diese Wertsteigerung bewirken, und es kann bestmöglich auch die Stakeholder zufriedenstellen − als Resultat der richtigen Ziele. Umgekehrt hingegen geht es nicht.

Das heutige Verständnis von Corporate Governance hat seinen Ursprung in den Wall-Street-Exzessen der neunziger und frühen zweitausender Jahre. Diese führten zu teilweise irreparablen Schädigungen von börsennotierten Unternehmen und ihren Aktionären sowie von Reputation und Glaubwürdigkeit ihres Managements.

Darüber hinaus drohten sie, die Wirtschaft generell in Verruf zu bringen, und schufen im Kontext des Neoliberalismus eine neue Wirtschaftsskepsis, zum Teil Wirtschaftsfeindlichkeit in der Gesellschaft.

Der derzeitige Stand von Corporate Governance, wie er in den verschiedenen Corporate Governance Codes zum Ausdruck kommt, ist also nicht Ergebnis systematischer Durchdringung der Sachfragen, sonderndern|17| Folge von akuten und kritischen Anlässen, die bekanntlich selten zu guten Lösungen führen.

Die Folge der Orientierung an den Akutfällen war, dass Corporate Governance in ihrer heutigen Form einseitig von juristischen und finanzwirtschaftlichen Überlegungen dominiert wird, weil die Skandale in ebendiesen Kategorien in Erscheinung traten. Juristische und finanzorientierte Disziplinierungsmittel waren damals der einzige Weg, die Exzesse rasch genug einzudämmen.

Weitgehend unbeachtet blieb dabei die Tatsache, dass es in allen entwickelten Ländern zahlreiche Firmen gab und gibt, die ausgezeichnet funktionieren, unabhängig davon, ob sie an Börsen notieren oder nicht. Statt von diesen zu lernen, wie man es richtig macht, wurden Regeln erfunden, um Falsches zu verhindern.

Falsches zu verhindern bedeutet nun keineswegs, dass damit schon das Richtige getan wird. Hinzu kommt, dass die Corporate Governance-Diskussion die Positionen des vorherrschenden Zeitgeistes, nämlich des Neoliberalismus und der Börsen- und Finanzeuphorie, weitgehend unkritisch als Grundlage übernahm. Viele dieser Positionen sind beweisbar falsch, für das Management systematisch irreführend und für das Unternehmen schädlich.

Bisherige Korrekturbestrebungen reichen für richtiges und gutes Corporate Management nicht. In den folgenden zwölf Thesen sind die notwendigen Reformen dargestellt, die ich in diesem Buch erläutere.

Zwölf Reformthesen für funktionierende Corporate Governance

Funktionierende Corporate Governance kann nur und ausschließlich aus den Anforderungen an richtiges Management und an die Funktionsfähigkeit komplexer Systeme abgeleitet werden. Alles andere ist langfristig unternehmensschädigend. Corporate Governance muss somit inhaltlich aus der Lenkungs- und Führungsperspektive ausgestaltet sein. Sie ergibt sich weder aus juristischen noch finanzwirtschaftlichen Formalregeln, die heute die Corporate Governance Codes dominieren. Solche Regeln sind nötig, aber nicht hinreichend. Sie können ihren Zweck erst und nur dann erfüllen, wenn sie auf die Inhalte richtiger Unternehmensführung angewandt werden.

|18|Corporate Governance muss mit Unternehmenspolitik und Unternehmensstrategie eine Einheit bilden. Gemeinsam schaffen sie die konstitutive Basis für das richtige Handeln der Spitzenorgane eines Unternehmens.

Corporate Governance muss kompromisslos auf das Unternehmen selbst und auf dessen Leistungsfähigkeit im Markt ausgerichtet sein. Corporate Governance darf sich nicht an Interessengruppen orientieren, weder an Shareholdern noch Stakeholdern. Die Orientierung an Interessengruppen führt systematisch zu falschen Entscheidungen des Topmanagements und somit zur Fehlentwicklung eines Unternehmens.

»Best Practice« und »Good Governance«, zwei Schlüsselbegriffe im heutigen Verständnis, sind keine wirksamen Maßstäbe. Sie können trotz perfekter Beachtung weder verhindern, dass ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt, noch können sie Erfolg und Funktionsfähigkeit des Unternehmens herbeiführen. Manche Regelungen der heutigen Corporate Governance, besonders die finanzwirtschaftlichen, erhöhen sogar systematisch das Risiko des Misserfolges, weil sie irreführende Orientierungsgrößen vorgeben oder empfehlen, nämlich Shareholder Value und Wertsteigerung.

Dass für richtige Unternehmensführung strikte finanzwirtschaftliche Disziplin unabdingbar ist, ist evident. Diese ist für den Unternehmenserfolg zwar das Fundament, aber sie ist nicht dessen Ursache. Die Ursachen unternehmerischen Erfolges liegen in anderen Größen wie Marktstellung, Innovationsleistung und Produktivität sowie in der Professionalität des Managements.

Die einzig tauglichen Orientierungsgrößen für richtiges Topmanagement-Handeln sind Kundennutzen und Konkurrenzfähigkeit. Diese allein sind erfolgsschaffend, und es sind die einzigen Größen, die nicht manipulierbar sind. Shareholder Value, Wertsteigerungsdoktrin und generell an den Finanzmärkten orientierte Kriterien müssen für die Steuerung eines Unternehmens zwar beachtet werden. Für das strategische Handeln der Unternehmensspitze sind sie aber ungeeignet.

In ihrer heutigen Form verursacht Corporate Governance nachhaltig gesamtwirtschaftliche Fehlallokation von Ressourcen. Im heutigen Verständnis ist Corporate Governance investitions- und innovationsfeindlich. Damit schädigt sie heutige und zukünftige Erfolgpotenziale eines Unternehmens. Sie unterminiert erfolgsentscheidende Performancebereiche, schwächt die Konkurrenzfähigkeit und erreicht somit |19|das Gegenteil dessen, was sie anstrebt, nämlich die Verbesserung der langfristigen Ertragskraft. Tatsächlich schädigt sie diese.

Wegen der Schädigung der nachhaltigen Ertragskraft verfehlt Corporate Governance letztlich auch die Interessen ihrer erklärten Zielgruppe, der Aktionäre. Dies unter anderem deshalb, weil angenommen wird, alle Aktionäre hätten dieselbe Interessenlage. Heutiges Corporate Governance-Verständnis kann der sozioökonomischen Struktur von Aktionären nicht gerecht werden und schädigt die Interessenlage der heute wichtigsten Aktionärsgruppe, nämlich der zukünftigen Pensionisten. Diese sind heute die Hauptkapitalgeber in Gestalt der Pensionsfonds. Die Manager dieser Fonds sind aber auf Basis der gegenwärtigen Corporate Governance gezwungen, den Interessen ihrer Anleger zuwiderzuhandeln.

Heutige Corporate Governance begünstigt und rechtfertigt systematisch personelle Fehlbesetzungen der Topmanagement-Organe. Sie ermöglicht es, dass der Typus des geldgetriebenen und ausschließlich in Geldkategorien denkenden Managers in oberste Führungsfunktionen kommen kann. Unter anderen Bedingungen hätte dieser Typus keine Chance, weil ein Unternehmen zu führen etwas radikal anderes ist, als Geld zu managen. Wenn außerdem, wie üblich, das Einkommen von Managern allein an finanzielle Größen wie den Aktienkurs gebunden ist, entsteht ein Teufelskreis, der das Unternehmen systematisch und programmiert in Schwierigkeiten bringt.

Heutige Corporate Governance führt zu falscher Ausbildung des Managernachwuchses. Weil Corporate Governance vordergründig plausibel ist und Management simplizistisch auf ein paar wenige Geldgrößen reduziert, wird sie weltweit in den MBA-Programmen gelehrt. Damit wird eine falsch ausgebildete Generation von potenziellen Führungskräften herangezogen, die sich existierender Alternativen nicht einmal bewusst ist. Sie wird fundamental umlernen müssen.

Corporate Governance von heute beruht auf Missverständnissen über Wesen und Zweck einer funktionierenden Wirtschaftsordnung, des Marktes und des Unternehmens. Das zeigt sich erstens in den falschen Ideologien von Neoliberalismus und »Asset-Driven Economy«, zweitens im Fehlverständnis des Unternehmens als Gewinnmaximierungssystem und drittens in der Vorstellung, richtiges Management beruhe auf Verfügungsgewalt und Macht.

Denk- und Begriffskategorien heutiger Corporate Governance entstammen |20|dem 20. Jahrhundert und sind somit an der Vergangenheit ausgerichtet. Sie können wachsende Vernetzung und Komplexität des globalen Wirtschaftens nicht erfassen. Der fundamentale wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel macht diese Denkweisen immer schneller bedeutungslos. Das entscheidende Kapital im 21. Jahrhundert ist nicht Geld, sondern Information und Wissen, die für das Meistern der Komplexität des globalen Wirtschaftens nötig sind.

Wirklich gute Führungskräfte wissen um die Schwächen der Corporate Governance Codes und können diese mit Erfahrung, Zivilcourage und persönlicher Glaubwürdigkeit kompensieren. Für weniger kompetente und als Persönlichkeiten weniger starke Manager sind die Regeln der Corporate Governance Codes eine offene Einladung und Rechtfertigung, den Versuchungen des kurzsichtigen und falschen Managements nachzugeben. Corporate Governance Codes sind in unkundigen Händen eine Gefahr.

Einer der besten CEOs der letzten 20 Jahre, Chef eines global operierenden Unternehmens mit einer Umsatzgrößenordnung von fast 100 Mrd. Euro, brachte das in einem Gespräch Ende 1998, als der Bull Market fast den Gipfel erreicht hatte, auf den Punkt. Er sagte, er müsse zurzeit einen Riesenspagat machen, und er wisse nicht, wie lange er das durchhalten könne. Am Morgen müsse er zur Financial Community das sagen, was diese hören will, und am Nachmittag müsse er dafür sorgen, dass man in der Firma das Gegenteil davon mache, ohne dass sie es draußen merkten.

Besser kann man das Dilemma zwischen falscher Corporate Governance und richtiger Unternehmensführung nicht beschreiben. Er hatte Glück, weil ab Mai 2000 deutliche Zweifel an den Denkmälern der Finanzwelt aufkamen und der Druck zusammen mit den sinkenden Börsenkursen zurückging.

Warum heutige Corporate Governance ihren Zweck nicht erfüllen kann

Komplexe Probleme und Systeme entwickeln sich geschichtsabhängig. Meine Überlegungen zur Corporate Governance verlangen daher in einem ersten Schritt nach einem historischen Überblick. Die Entstehungsgeschichte |21|von Corporate Governance zu verstehen ist die Voraussetzung für ein sinnvolles Gestalten der Zukunft.

Akutversorgung im Feldlazarett statt in moderner Klinik

Corporate Governance in ihrer heutigen Form ist eine amerikanische Erfindung, die Aktionäre davor schützen soll, von korrupten Managern ausgeraubt zu werden. Ausgangspunkt der heute dominierenden Vorstellung von Corporate Governance waren die beispiellosen Fälle von Missmanagement und Selbstbereicherung durch oberste Führungskräfte börsennotierter Unternehmen in den USA seit Mitte der neunziger Jahre.

Die anonymen Shareholder der amerikanischen Publikumsgesellschaften waren wehrlose Opfer einer Gesetzgebung, die es ermöglichte, eine wirksame Kontrolle des Managements zu unterlaufen. In der Euphorie des Börsenaufschwungs trugen Aktionäre selbst aktiv zum Missmanagement ihrer Unternehmen bei, weil sie − irregeführt von der Theorie des Shareholder Value − die Illusion hegten, dies alles geschehe zu ihrem Besten. Akademia, Finanzindustrie, Wirtschaftsprüfungs- und Consultingfirmen bestärkten sie darin und begründeten damit nebenbei für sich selbst honorarträchtige Geschäftsgebiete.

Weil Gesetzesreformen selbst nach Megabankrotten mit Totalverlusten für die Aktionäre in den angelsächsischen Ländern nur mühsam vorankamen, entstand gewissermaßen als ambulante Notfallmaßnahme ein Mittel der freiwilligen Selbstverpflichtung: das Instrument des Corporate Governance Codes. Außerhalb des angelsächsischen Raumes verbreitete sich der Code weniger aus sachlicher Notwendigkeit denn aus medial geschürter Angst vor dem Ausbleiben von Investoren und weil es ohnehin Mode war, amerikanische Gepflogenheiten selbst dann als Fortschritt anzusehen, wenn sie der Entwicklung hinterherhinkten.

Systematische und breitflächige Bereicherungs- und Missmanagement-Exzesse der amerikanischen Art gab es in Ländern mit angelsächsischem Recht. Hingegen kamen nur vereinzelt Fälle in Deutschland vor, das ein gänzlich anderes Aktienrecht hat. Der Grund ist einfach: Im angelsächsischen und auch im schweizerischen Recht können Manager sich selbst beaufsichtigen. Trotz aller Skandale gilt dort noch immer das einstufige Unternehmensmodell. Das deutsche Aktienrecht schreibt |22|aber das zweistufige Modell vor und schließt dadurch die Selbstüberwachung aus.

Hier ist das entscheidende Prinzip für eine wirksame Unternehmensaufsicht längst Praxis, nämlich die strikte personelle Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat. Im Wesentlichen ist das eine Folge der bitteren Erfahrungen aus der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. Gegen bewusste Umgehung der Aufsicht oder betrügerische Machenschaften ist man allerdings in keinem System wirklich geschützt.

In der Praxis des angelsächsischen Raumes hat sich inzwischen das zweistufige Modell, allerdings gegen heftigen Widerstand, ebenfalls zu verbreiten begonnen, weil man nach langem Zögern erkannt hat, dass die deutsche Rechtsordnung in diesem entscheidenden Punkt der Unternehmensaufsicht deutlich überlegen ist. Das Umdenken ist in England am weitesten fortgeschritten, Amerika hinkt dramatisch hinterher.

Der erste Corporate Governance-Schritt stand unter dem unglücklichen Stern eines Zusammentreffens mehrer Ereignisse: Explosion der Finanzmärkte und massenpsychologische Börsenmanie, alles überlagerndes Finanzdenken als Folge des Neoliberalismus mit seiner Geldorientierung des gesamten Wirtschaftsgeschehens, die kindlichen Illusionen einer New Economy, die Reduktion von Unternehmensführung auf den Shareholder Value als vermeintlich einziger relevanter Steuerungsgröße und die damit verbundenen Finanzexzesse und zum Teil kriminellen Manöver in vielen Topetagen.

Der Neoliberalismus beruht auf bemerkenswerten Irrtümern bezüglich des Funktionierens von Markt und Gesellschaft und auf grotesken Missverständnissen des echten Liberalismus. Er ist naiv in seinem Urvertrauen auf die Leistungsfähigkeit des Marktes und unterschätzt die heute weitaus besseren Navigationsmöglichkeiten von Unternehmen mithilfe moderner Strategiekenntnisse und Informationstechnologie.

Weil Gewinne und relative Preise früher und über Jahrhunderte die einzigen Orientierungssignale für unternehmerische Entscheidungen waren, musste die Theorie des Marktes mit diesen vorliebnehmen, denn sie hatte nichts Besseres. Darüber scheinen aber die Fortschritte in Verfügbarkeit und Nutzungsmöglichkeit von Information und Wissen übersehen worden zu sein. Allein die empirische Strategieforschung hat seit den siebziger Jahren so enorme Fortschritte gemacht, dass Preise, Kosten und Gewinne als Signalgrößen nur noch für die operative Steuerung des Unternehmens eine Rolle spielen. Für die strategische Steuerung sind diese hingegen weitgehend |23|bedeutungslos geworden, weil gänzlich neue Orientierungs- und Steuerungsgrößen entdeckt und verfügbar gemacht wurden.2

Weil Corporate Governance nun gerade die zukunftsbestimmenden Entscheidungen zu verantworten hat, ist neoliberale Nostalgie dafür wenig nützlich. Bildhaft entspricht eine darauf beruhende Corporate Governance der Seenavigation des 18. Jahrhunderts mit dem Sextanten im Gegensatz zur modernen Satellitennavigation. Den Anforderungen der heutigen Unternehmensführung in der Komplexität des globalen Wirtschaftens kann diese Art von rückwärts orientierter Corporate Governance nicht gerecht werden.

Die aktuelle Corporate Governance ist also das Ergebnis damals nötiger Notfallmaßnahmen. Die heutigen Corporate Governance Codes aus den frühen zweitausender Jahren wurden nötig, um auf eine akute Krise der Unternehmensführung zu reagieren. Rasche Abhilfe wäre ohne Improvisation nicht möglich gewesen. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit richtiger und guter Unternehmensführung, professionellem Topmanagement sowie den erforderlichen Konfigurationen funktionierender Unternehmen war unter den gegebenen Umständen keine Zeit. Es liegt also, metaphorisch gesagt, eine Corporate Governance aus den Möglichkeiten eines bescheidenen Feldlazaretts vor, die die schlimmsten Wunden versorgt hat. Der Transfer des Patienten in eine voll ausgerüstete Unfallklinik, die die Wiederherstellung völliger Gesundheit und Lebensfähigkeit samt Rehabilitation ermöglicht, ist noch nicht vollzogen.

Einige der Pioniere der ersten Corporate Governance Codes waren sich dieser Umstände und ihrer Bedeutung voll bewusst. Auch ihre Arbeit, nicht nur die der Manager, stand unter dem Terror von Finanzanalysten, Medien und Fundmanagern. In dieser Situation musste eine Corporate Governance zwangsläufig auf halber Strecke steckenbleiben und zum Teil |24|in die falsche Richtung gehen. Der Weg in die Kliniken war sozusagen durch Zeitdruck und massenpsychologisch verzerrtes Wirtschaftsdenken versperrt. Die anstehenden Probleme mussten quasi rasch und vor Ort gelöst werden. Die Voraussetzungen für ein seriöses Durchdringen der Materie waren damit ausgeschaltet.

Vordergründig waren die Probleme finanzieller und rechtlicher Natur, und für diese brauchte es sofort wirkende Lösungen. Aus diesem Grunde waren vorwiegend Juristen und Finanzfachleute an der Corporate Governance-Diskussion beteiligt. Experten für Unternehmensführung waren kaum involviert. So orientierte man sich an Managementvorstellungen der achtziger und neunziger Jahre, die im Grunde schon überholt waren. Unkritisch übernommen wurden auch die Denkweisen des Neoliberalismus, der Finanzmärkte und des Shareholder Value, die unmittelbare Ursachen der Unternehmensskandale waren, wie dieses Buch zeigen wird.

Weitsichtigen Führungskräften war bewusst, dass ein gründliches Herangehen an die Lösung des Corporate Governance-Problems weg von den Symptomen und hin zu den Ursachen geführt hätte: zur Frage, was richtige Unternehmensführung sein kann und sein muss. Die Antworten darauf hätten weit über die juristischen und finanzwirtschaftlichen Regelungen hinausgeführt, die heute nun Schwerpunkt der Corporate Governance sind.

Das ergibt sich schon daraus, dass die Exzesse und Bankrotte der neunziger Jahre zwar durch falsche Unternehmensführung verursacht waren, aber nur in Ausnahmen wurden dabei rechtliche Vorschriften verletzt! Deshalb kamen nur wenige Fälle von schlechter Unternehmensführung vor Gericht, und nur ein kleiner Teil endete mit Verurteilungen. Das Problem war also nicht, dass die gültigen Rechtsvorschriften nicht eingehalten wurden. Das Problem war, dass die Gesetze Exzesse zuließen, die durch Corporate Governance nicht verhindert wurden. Falsches Handeln war nicht verboten, es wäre aber Aufgabe richtiger Unternehmensführung, vor allem der Unternehmensaufsicht gewesen, ein solches Handeln, auch wenn es erlaubt ist, zu verhindern. Im Zuge der Börsenmanie wurde erwiesenermaßen unternehmensschädigendes Handeln sogar als Maßstab für besonders fortschrittliches Management hochstilisiert, vorwiegend von Leuten, die kaum über nennenswerte Managementerfahrung verfügten, nämlich von Finanzanalysten, Medienleuten und Consultants, die den gerade herrschenden Zeitgeist repräsentierten.

|25|Mit »Best Practice« in den Bankrott? Erfolg »contre ordre«

Corporate Governance nach den Maßstäben sogenannter »Best Practice«, wie sie in Corporate Governance Codes festgeschrieben ist, kann direkt in den Bankrott führen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das geschieht, ist sogar relativ groß. Warum, erläutern der folgende Abschnitt und weitere Kapitel des Buches.

Solange keine klaren inhaltlichen Vorstellungen darüber existieren, was richtige und gute Unternehmensführung ist, wird Best Practice vom Zeitgeist definiert: von der momentanen Wirtschaftslage, von den Finanzmärkten und von dem, was Medien für »Best« halten und wonach sie daher in ihrer Berichterstattung Manager be- und verurteilen.

Insoweit nicht inhaltlich klargestellt ist, was richtige Unternehmensführung bedeutet, ist »Best« Practice von heute »Worst« Practice von morgen, und solange auf verbindliche Kriterien verzichtet wird, ist »Best Practice« Mode und Mainstream. »Best Practice« ist dann das, was die Mehrheit tut, und das ist in der Wirtschaft auf Dauer selten erfolgreich.

Formale Regeln sind wichtig, aber sie genügen nicht. Wenn eine Corporate Governance nicht an Managementinhalten orientiert ist, muss sie sich zwangsläufig in formale Allgemeinplätze flüchten. Anders kann man sie dann nicht gestalten.

Wie erwähnt, kann die inhaltliche Bestimmung richtiger und guter Unternehmensführung problemlos geleistet werden, und zwar für alle relevanten Felder, nämlich Unternehmenspolitik, Unternehmensstrategie, Unternehmensstruktur und Unternehmenskultur. Außerdem kann sehr genau gesagt werden, worin richtige und gute Menschenführung besteht und wie man diese handwerklich-professionell umsetzt. In meinen anderen Büchern habe ich diese Themen ausführlich behandelt.3

Die Tragik der unter dem beschriebenen Situationsdruck entstandenen Corporate Governance ist, dass sie unbeabsichtigt schlechter, zum Teil sogar falscher Unternehmensführung Vorschub leistet. Die aktuelle |26|Corporate Governance bestärkte den größten Irrweg der neueren Wirtschaftsgeschichte, nämlich die Orientierung am Shareholder Value. Sie ermöglichte und forcierte die Beförderung ungeeigneter Personen an die Unternehmensspitzen, nämlich den Typus des geldgetriebenen Managers, der die Welt, sich selbst und sein Handeln nur in Geldkategorien wahrnehmen und bewerten kann. Sie legitimiert den »performance related turnover« von CEOs, der seit Mitte der neunziger Jahre um mehrere hundert Prozent zugenommen hat, wobei mit Performance praktisch ausschließlich Finanzperformance gemeint ist. Dass diese bei den heutigen Renditeerwartungen regelmäßig die Investitions- und Innovationskraft des Unternehmens schädigt, bleibt unbeachtet, denn dafür haben die Corporate Governance Codes kein Regulativ.

Unter den genannten Umständen bekommt »Best Practice« eine höchst heikle Bedeutung, nämlich: das Falsche zu tun, das aber bestmöglich, denn »Best« Practice heißt keineswegs »Right« Practice. Wirtschaftsjuristen wissen, dass selbst die peinlich genaue Einhaltung aller Rechtsvorschriften den Bankrott eines Unternehmens nicht verhindern, unter Umständen aber geradezu herbeiführen, jedenfalls aber beschleunigen kann. Warum? Weil die Rechtsordnungen zwar die »Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters« fordern, aber nicht den unternehmerischen Erfolg. Um genau diesen muss es aber gehen. Das Erfüllen der juristisch verstandenen Sorgfaltspflicht ist eine notwendige, aber bei weitem nicht hinreichende Bedingung für das wirksame Führen eines Unternehmens.

Der Begriff »Best Practice« ist also nicht nur inhaltsleer, er schafft unter Umständen das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist. Was ist also dieser Maßstab für »Best Practice« in der Corporate Governance? Er ist, juristisch-logisch betrachtet, ein an sich interessanter Trick: Es wird eine Leerstelle geschaffen, deren Inhalt von der Wirklichkeit selbst immer wieder neu definiert werden soll, und zwar von jener Wirklichkeit, die sich durch die Corporate Governance Codes jeweils entwickelt.

Die Definition von Best Practice ist selbstreferenziell. Sie sagt mehr über die, die Best Practice definieren, als über das Problem von Corporate Governance bzw. solider Unternehmensführung unter verlässlichen Maßstäben. Nach aktuellem Verständnis wird die Performance eines Unternehmens an Börsen- bzw. Finanzparametern orientiert. Warum sollten diese richtig sein? Was sagen sie darüber, wie das Unternehmen morgen und übermorgen dastehen wird? Warum sollte gerade der |27|gegenwärtige Zeitgeist Best Practice definieren? Was sagt er über die Zukunft?4

Wirtschaft und Gesellschaft brauchen Firmen, die richtig geführt sind. Die meisten Orientierungsmarken dafür sind naturgemäß zukunfts- und nicht vergangenheitsorientiert, weil ein Erfolg von heute noch lange nicht den von morgen sichert. Die wirklich erfolgskritischen Aufgaben der obersten Organe werden in den Corporate Governance Codes kaum genannt, und nur wenige der darin aufgeführten Aufgaben sind erfolgsentscheidend.

Den weiteren Ausführungen vorgreifend erwähne ich hier nur die in den Corporate Governance Codes stark betonte Finanzplanung und die extensiven Bestimmungen für die Abschlussprüfung. Beide sind wichtig, aber nur, wenn sie im Kontext von richtiger Unternehmensführung stattfinden. Eine falsche Strategie mündet ebenso in eine Finanzplanung wie eine richtige Strategie. Mit der Finanzplanung kann aber die eine nicht von der anderen unterschieden werden, weil sich die Richtigkeit einer Strategie nicht in in finanziellen Größen präsentiert. Deshalb waren die Finanzpläne der New Economy-Firmen nicht von ungefähr nur der besonders schnelle, dafür umso mehr bejubelte Weg in den Bankrott. Die Abschlussprüfung ist zwar wichtig, dient aber nur der Feststellung des Unternehmenserfolges. Für dessen Verursachung und Entstehung ist sie bedeutungslos.

Wo die Inhalte falsch sind, muss es zu Fehlsteuerung kommen. Ein Unternehmen kann auch bei bester Einhaltung der Regeln des Corporate Governance Kodex in eine Schieflage geführt werden, und umgekehrt kann ein Unternehmen hocherfolgreich sein, ohne dass es einen Corporate Governance Kodex hat bzw. einhält.

Der berühmte Orden der österreichischen Kaiserin Maria Theresia wurde an Offiziere verliehen, die gegen einen Befehl handelten und dadurch einen militärischen Erfolg erzielten. Es wurden also Militärs belohnt, die sich nicht am Gesetz, sondern an aktuellen Notwendigkeiten orientierten. In einer ähnlichen Situation befinden sich derzeit Manager börsennotierter Unternehmen. Viele Unternehmen funktionieren nur deshalb, weil es in ihnen genügend Manager gibt, die »contre ordre« handeln, also das Gegenteil von dem tun, was sie gemäß Corporate Governance Codes tun |28|sollten. Die Aufsichtsorgane werden trotzdem zufriedengestellt, weil gute Ergebnisse erzielt wurden, gerade weil das Gegenteil von dem gemacht wurde, was die Corporate Governance Codes vorsehen.

Es ist häufig zu sehen, dass von Topmanagern und Aufsichtsräten Lippenbekenntnisse zu den Corporate Governance Codes abgegeben werden, das wirkliche Handeln aber richtigerweise ein anderes ist. Ein Vorstandsvorsitzender eines höchst erfolgreichen Unternehmens meinte in diesem Zusammenhang, dass die Schlüsselmanager der Firma glücklicherweise kompetent und mutig genug seien, das Richtige zu tun, auch wenn die Reglemente etwas anderes vorschrieben.

Wenn Corporate Governance mit gutem Management verwechselt wird

Einige Beispiele aus der zeitgenössischen Wirtschaft sollen das Dilemma derzeitiger Corporate Governance verdeutlichen.

Der amerikanischen Autoindustrie kann man nicht vorwerfen, dass sie die Regeln der Corporate Governance nicht einhält. Erfolgreich sind ihre Firmen zurzeit aber nicht. Ihre Manager und Aufseher versagen deshalb, weil sie elementare Grundgesetze richtiger und wirksamer Unternehmensführung seit Jahrzehnten nicht beachten.

Wer, wenn nicht die Unternehmensaufsicht, hätte dafür sorgen können und müssen, dass Entscheidungen inhaltlich so getroffen werden, dass sie die Zukunft der Unternehmen sichern, dass die richtigen Autos gebaut und die Kundenwünsche erfüllt werden, dass man gegen die europäische, vor allem gegen die japanische Konkurrenz wirksam vorgeht? Wo, wenn nicht in den Corporate Governance Codes, wäre die Verpflichtung dazu unmissverständlich festzulegen gewesen, und zwar inhaltlich und nicht nur formal?

Der nächste Konjunkturabschwung, nicht zu reden von der Fortsetzung des Bear Markets an den Börsen, wird dramatisch die Schwächen vieler Unternehmen aufdecken, in denen Corporate Governance mit gutem Management verwechselt wird.

Ein weiteres Beispiel: Die zumeist ausführlichen Empfehlungen in den Corporate Governance Codes über die Ausschüsse von Aufsichtsorganen sind weder für Kunden, Aktionäre noch Mitarbeiter von Bedeutung, |29|solange zum Beispiel auch über falsche Investitionen, untaugliche Organisationen und exzessive Löhne für Manager in Ausschüssen entschieden wird. Ausschüsse zu installieren garantiert keine richtigen Entscheidungen, häufig das Gegenteil. Die gut gemeinte Aufforderung in einem der deutschsprachigen Corporate Governance Codes, die Organe der Unternehmensaufsicht mögen sich fortbilden, könnte allgemeiner, leerer und unverbindlicher kaum formuliert werden.

Ein anderes Beispiel: Es mag nützlich sein, wenn in einem Corporate Governance Code nochmals wiederholt wird, was ohnehin im Aktiengesetz steht, zum Beispiel dass der Vorstand Unternehmensziele und Unternehmensstrategie festzulegen hat, aber es findet sich gar nichts über die richtigen Inhalte. Der frühere Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler hat den Corporate Governance Code umso höher gehalten, je mehr Kapital er vernichtete. Die Corporate Governance war perfekt, man hatte auch eine Strategie, nur hat niemand die ruinös falsche Strategie rechtzeitig korrigiert. Dass es an Finanzplanung nicht mangelte, darf vorausgesetzt werden. Richtige Unternehmensführung hat zu tun mit richtiger Strategie, den richtigen Investitionen und mit hochwertiger Marktleistung für Kunden. Die »Schiedsrichter« für gute Unternehmensführung sind zufriedene Kunden, nicht Börsenpublikum und Finanzanalysten. Das beste Kapital kommt von den Kunden, nicht von den Finanzmärkten.

Weitere unverzichtbare Elemente richtiger Unternehmensführung sind professionelles Innovationsmanagement, eine funktionierende Unternehmensstruktur und eine robuste Unternehmenskultur. Dazu findet sich in den Codes wenig bis nichts. Absolut kritisch sind die Personalentscheidungen für die Schlüsselpositionen, die Kriterien, nach denen sie zu besetzen sind, und das Verfahren für die Auswahl von Führungskräften. Lediglich Anforderungsprofile für Personalentscheide zu fordern, wie es einige Corporate Governance Codes tun, ist zu wenig, denn auch für die Versager unter den Managern gibt es Anforderungsprofile, bevor sie angestellt werden, und die Entscheidungen werden ebenfalls in Ausschüssen getroffen.

Der relativ größte Raum wird in den Corporate Governance Codes noch immer jenen Aufsichtsaufgaben gewidmet, die in Wahrheit der Blick in den Rückspiegel sind, nämlich den Fragen der Rechnungslegung. Abschlussprüfung und Publizität sind zwar wichtig, aber sie sind vergangenheitsorientiert. Einen der wichtigen Beiträge für eine Verbesserung der Corporate Governance hat in jüngerer Zeit der langjährige Chef der Porsche |30|AG, Wendelin Wiedeking, geleistet, indem er sich weigerte, Quartalsabschlüsse zu publizieren. Manchmal braucht es Mut statt eines Codes, oder auch Mut gegen einen Code. »Best Practice« war das Handeln Wiedekings sicher nicht, denn niemand sonst hat es gemacht, und er risikierte, dass die Aktie aus dem Index eliminiert wird. Es war nicht »Best« Practice, dafür aber »Right« Practice im Sinne richtiger Unternehmensführung.

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|41|Kapitel 2

Grundlegende Reorientierung9

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|63|TEILI

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|167|TEILII

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|295|Nachwort

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|297|Anhang

Schein und Wirklichkeit97

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|309|Anhang 2008

Deutschland – gesünder als man meint98

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|323|Literatur

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|325|Register

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