Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht - Max Weber - E-Book

Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht E-Book

Max Weber

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Beschreibung

Dieses eBook: "Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Max Weber (1864-1920) war ein deutscher Soziologe, Jurist und Nationalökonom. Er gilt als einer der Klassiker der Soziologie sowie der gesamten Kultur- und Sozialwissenschaften. Global wird Webers Werk übergreifend von verschiedenen politischen und wissenschaftstheoretischen Lagern anerkannt. Er nahm mit seinen Theorien und Begriffsdefinitionen großen Einfluss auf die Wirtschafts-, die Herrschafts- und die Religionssoziologie sowie auf weitere spezielle Soziologien. Außerdem ist das Prinzip der Wertneutralität auf ihn zurückzuführen. Er zählt neben Karl Marx Simmel zu den bedeutenden Klassikern der Wirtschaftssoziologie. Inhalt: Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats- und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens Der grundsteuerfreie römische Boden in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung Das öffentliche und steuerbare Land und die Besitzstände minderen Rechts Die römische Landwirtschaft und die Grundherrschaften der Kaiserzeit

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Max Weber

Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht

Sozialgeschichte und Wirtschaftsgeschichte

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-1801-4

Inhaltsverzeichnis

Einleitung.
I. Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats- und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens.
II. Der grundsteuerfreie römische Boden in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung.
III. Das öffentliche und steuerbare Land und die Besitzstände minderen Rechts.
IV. Die römische Landwirtschaft und die Grundherrschaften der Kaiserzeit.
Anhang. Die Inschrift von Arausio C. I. L., XII, 1244 (cf. Additamenta eod.).
Litteratur.

Einleitung.

Inhaltsverzeichnis

Die nachstehenden Untersuchungen können wohl nicht den Anspruch erheben, vollkommen das zu halten, was der Titel verspricht. Sie behandeln verschiedene Erscheinungen des römischen Staats- und Privatrechts unter einem einseitigen Gesichtspunkt: dem ihrer praktischen Bedeutung für die Entwickelung der agrarischen Verhältnisse.

Die ersten Kapitel versuchen den Zusammenhang der verschiedenen Aufmessungsformen des römischen Ackers mit dessen staats- und privatrechtlichen Qualitäten und die praktische Bedeutung dieser letzteren klar zu legen; sie unternehmen es auch, durch Rückschlüsse aus späteren Erscheinungen eine Anschauung von den Ausgangspunkten der agrarischen Entwickelung Roms zu gewinnen, und ich bin mir bewusst, bezüglich dieser Partien der Darstellung dem Vorwurfe mich auszusetzen, vielfach wesentlich konstruktiv verfahren zu sein. Indessen dass die Konstruktion auf diesem Gebiet entbehrlich sei, wird nach Lage der Quellen niemand behaupten wollen, und gerade auf dem Gebiet der Agrargeschichte gibt es Fälle, wo man mit Schlüssen aus der »Natur der Sache« weiter kommt und relativ sicherer geht als auf anderen Gebieten. Die Organisation agrarischer Gemeinschaften bietet eben, wenn gewisse Grundlagen feststehen, nur eine beschränkte Zahl von Möglichkeiten. Es war nun hier die Aufgabe, rein experimentell zu untersuchen, ob, wenn man diejenigen Saiten des römischen Agrarwesens, welche unter dem Schutt der Jahrtausende für uns noch erreichbar zu Tage liegen, gemäss den jedem Agrarhistoriker geläufigen Begriffen anschlägt, welche die Grundlage anderer indogermanischer Agrarverfassungen bilden, sie Accorde ergeben, oder ob sie sich stumm oder geradezu disharmonisch dazu verhalten – und ich möchte glauben, den Eindruck erreicht zu haben, dass ersteres der Fall ist. Es ist zunächst der Nachweis versucht worden, dass die Art der feldmesserischen Behandlung des römischen Bodens überhaupt in festem Zusammenhang steht einerseits mit den öffentlichrechtlichen Beziehungen der betreffenden Territorien, andrerseits mit den privatrechtlichen Verhältnissen der Grundstücke. Inwieweit es dabei gelungen ist, die Art dieser Beziehungen im einzelnen nachzuweisen, ist mir zweifelhaft, es scheint mir aber schon ein Gewinn, wenn – wie ich glauben möchte – der Nachweis, dass ein Zusammenhang überhaupt besteht und zu ermitteln ist, als gelungen gelten kann. Stimmt man dem bei, so wird man, hoffe ich, auch den bunten Strauss von Hypothesen, welcher an diesem Punkte in die Darstellung hineingeflochten ist, und zahlreiche, viel leicht in der Form nicht immer vorsichtig gefasste Bemerkungen allgemeinerer Art mit in den Kauf nehmen oder doch milder beurteilen: das Bestehen eines Zusammenhanges zwischen zwei historischen Erscheinungen lässt sich nun einmal nicht in abstracto, sondern nur so zur Anschauung bringen, dass eine in sich geschlossene Ansicht über die Art, wie dieser Zusammenhang sich konkret gestaltet habe, vorgetragen wird.

Wenn ich vorstehend versucht habe, den vielfach konstruktiven Charakter der ersten drei Kapitel dieser Schrift einigermassen zu rechtfertigen, so habe ich zu einer solchen Entschuldigung bei dem letzten Teil derselben, welcher den Versuch einer wirtschaftsgeschichtlichen Betrachtung der römischen Landwirtschaft bietet und auf die seit Savigny nicht wieder entschlafene Streitfrage über die Entwickelung des Kolonats eingeht, wohl weniger Veranlassung. Denn, wie bekannt, hat auf diesem Gebiete die aprioristische nationalökonomische Hypothese seit Rodbertus äusserst vielseitige Blüten getrieben, und die Epigonen des grossen Denkers, dessen überreiche Phantasie selbst bei grandiosen Fehlhieben instinktiv doch immer wieder den festen Boden eminent praktischer Anschauung gewann, haben hier fast zu viel des Guten an allgemeinen nationalökonomischen Betrachtungen gethan. Es sind, wie ich glaube, namentlich die staats- und verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkte nicht in dem Masse, wie es nach Lage der, wenn auch spärlichen, Quellen geschehen konnte, herangezogen worden. Im übrigen versteht es sich, dass die Hypothese an sich auch hier unentbehrlich ist, denn auch die relativ sichersten Ergebnisse müssen hier in den Augen strenger Forschung Hypothesen bleiben. Was würde man, wenn es sich um eine Frage der mittelalterlichen Rechts- und Wirtschaftsgeschichte handelte, von Ergebnissen halten, welche für eine über den kultivierten Erdball sich verbreitende, ein halbes Jahrtausend umfassende Entwickelung aus einigen Dutzend zum Teil mehrdeutigen Stellen aus Urkunden und Schriftstellern gewonnen werden? Der Begriff der Sicherheit ist eben ein relativer und die historische Forschung muss sich nach der Decke strecken.

Nun sind übrigens auch allgemeine wirtschaftshistorische Schlüsse aus Einzelthatsachen für die römische Kaiserzeit keine solche Ungeheuerlichkeit, wie dies bei dem Umfange des Wirtschaftsgebietes scheinen könnte; denn dies Wirtschaftsgebiet war immerhin in verhältnismässig hohem Grade ein einheitliches trotz der enormsten Differenzen zwischen den einzelnen Teilen in deren Entwickelungsstufe. Verhält sich beispielsweise Italien zu den Grenzprovinzen in Bezug auf die Bevölkerungsbewegung ähnlich wie die City einer Grossstadt zu den Vororten, so dass also zum Teil direkt entgegengesetzte Erscheinungen zu Tage treten, so ist es doch m. E. wissenschaftlich korrekt zu sagen: dass eine in der City bereits herrschende Entwicklungstendenz für die Vorstädte noch nicht zur Wirksamkeit gelangt sei, weil sie eben vorerst durch entgegenstehende Tendenzen überwogen wird. Man kann das Entwickelungsgesetz als allgemeines feststellen in dem Sinne, dass derartige »Gesetze« eben Tendenzen darstellen, die durch lokal stärker wirkende gekreuzt werden können. So schien es mir methodisch richtig, eine in der agrarischen Entwickelung der höchstentwickelten Provinzen des Reichs sich zeigende Erscheinung hier zunächst ohne weitergehende Detailuntersuchung zu verfolgen, und es ist deshalb für jetzt von einer Ausbeutung des z.B. von Jung mehrfach benutzten Materials, welches die patristische und ähnliche Litteratur für die ländlichen sozialen Zustände bietet, abgesehen worden.

»Tralaticische« Quellencitate habe ich thunlichst beschränkt verwendet und die Litteratur, ausser wo dies unumgänglich war, im Interesse des äussern Umfanges des Buches nicht citiert – man wird unschwer erkennen, wo und wie die Ergebnisse der früheren Arbeiten benutzt sind, und ich habe vorgezogen, für denjenigen, welcher sich über den Stand der Fragen informieren will, am Schluss ein keinerlei Vollständigkeit prätendierendes Verzeichnis von Monographien beizufügen.

Dem Sachkundigen braucht auch nicht besonders gesagt zu werden, dass in der Methode der Untersuchung die nachfolgenden Abhandlungen lediglich auf dem festen Fundamente stehen oder doch zu stehen versuchen, welches vor allen andern Mommsen für die Erforschung des römischen Staats- und Verwaltungsrechtes für alle Zeit gelegt hat. Wohl aber glaube ich die angenehme Verpflichtung zu haben, zu bekennen, welche Fülle von praktischen Gesichtspunkten für die agrarhistorische Forschung mir seiner Zeit die Unterweisung von seiten meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimen Reg.-Rats Professor Dr. Meitzen, und seitdem die häufige persönliche Berührung mit ihm, deren ich mich erfreuen durfte, zum Verständnis gebracht hat. Es ist nach Lage unseres Materials sicher, dass niemals für das Altertum eine Agrar- und Besiedelungsgeschichte derart wird geschrieben werden können, wie sie uns demnächst sein grosses Werk für Deutschland bieten wird, – aber allerdings habe ich den Versuch gemacht, bei Betrachtung der Erscheinungen, welche uns das römische Agrarrecht zeigt, von der Ermittelung ihrer praktischen Bedeutung für die daran Interessierten auszugehen, eine Methode, deren Werth ich nirgends so wie bei ihm kennen und schätzen zu lernen Gelegenheit hatte.

Nicht möglich war es, den Stoff der nachfolgenden Abhandlung in historischer Aufeinanderfolge zur Darstellung zu bringen. Schon deshalb nicht, weil fast durchweg die Methode des Rückschliessens angewendet werden und deshalb die historisch vorangehenden Zustände vielfach als Schlussfolgerungen aus den uns überlieferten späteren vorgetragen werden mussten. Ebenso war es mehrfach nötig, einheitlichen Erscheinungen von verschiedenen besonderen Seiten aus sich zu nähern, und es konnte deshalb der Eindruck mannigfacher Wiederholungen nicht vermieden werden.

Wir versuchen zunächst diejenigen Probleme der römischen Geschichte, zu deren Beantwortung die Agrargeschichte an ihrem bescheidenen Teil beizutragen sich berufen halten kann, kurz zu skizzieren.

Während die ältesten sicheren Nachrichten, welche wir über die Geschichte Roms haben, uns die Stadt in überseeischen Beziehungen und anscheinend in einer maritimen Politik grossen Stiles begriffen zeigen, beginnt später vor unseren Augen das gewaltige Schauspiel der römischen kontinentalen Eroberungspolitik, welche nicht nur eine Erweiterung der politischen Machtstellung der Stadt, sondern zugleich eine fortwährende Vergrösserung des der römischen Besiedelung und kapitalistischen Ausbeutung unterliegenden Areals bedeutete, während die maritime Machtstellung Roms mit dieser Entwickelung zum mindesten nicht gleichen Schritt hielt. Es entsteht die Frage: wer führte diese Eroberungskriege? – d.h. nicht: woher kamen die militärischen Kräfte? obwohl auch diese Frage der Erörterung wert ist, denn wenn das römische Weltreich gegen den Ansturm der germanischen Völkerwanderung ein ähnliches Aufgebot zur Verfügung gehabt hätte, wie 600 Jahre früher Italien gegen die keltische, so wäre der Ausgang wohl derselbe gewesen, – sondern: welche sozialen Schichten und wirtschaftlichen Interessengruppen bildeten politisch die treibende Kraft, und also auch: welchen Tendenzen ist die erwähnte augenscheinliche Verschiebung des Schwerpunktes der römischen Politik zuzuschreiben, ist sie namentlich das bewusste Produkt von Bestrebungen bestimmter Interessentengruppen?

Wir sehen ferner, dass in der Zeit der Parteikämpfe das eigentliche Kampfobjekt, den Preis des Siegers, das öffentliche Land, der ager publicus bildete. Wohl niemals ist in einem grossen Staatswesen die politische Herrschaft so unmittelbar geldeswert gewesen. Dass dem schon in älterer Zeit so war, lag unbestritten in der höchst eigenartigen Stellung, welche der ager publicus in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht einnahm, und es entsteht die weitere Frage, welchen Grundgedanken diese Stellung entsprungen ist. Der schroffe Gegensatz einer der öffentlichen Gewalt gegenüber de jure rein prekären Besiedelung des öffentlichen Landes, welche Rechtsschutz nur gegen Angriffe genoss, die nach unsern Begriffen krimineller Ahndung unterliegen würden, und eines Privateigentums an Grund und Boden, welches die individualistischen Motive der freien Verfügung des Eigentümers und der thunlichsten Beweglichkeit in die äussersten Konsequenzen durchführte, trägt den Stempel des Bewussten und Modernen an der Stirne, – und wir gelangen zu der Frage: welchen wirtschaftlichen Gedanken entsprach auf dem Gebiete des Agrarwesens dieser Eigentumsbegriff, welcher noch heute unser juristisches Denken beherrscht, von den einen wegen seiner logischen Konsequenz bewundert, von den andern als Wurzel alles Uebels auf dem Gebiet unsers Grundbesitzrechtes befehdet?

Wenn nun, wie bemerkt, die Ausdehnung der römischen Herrschaft ständig begleitet ist von einer Ausdehnung des römischen Wirtschaftsgebietes, man kann geradezu sagen: des römischen Flurbezirks, so dass dieser schliesslich einen grossen Bruchteil Italiens umfasste, so muss gefragt werden: wie wurde über dies gewaltige Areal disponiert? Bekannt ist, dass es wenigstens zum Teil zur Kolonisation benutzt wurde und dass diese Kolonisation zugleich das unvergleichlich wirksame Mittel der Befestigung der römischen Herrschaft und, neben vielen negativen – wie Frumentationen, Schuldenerlasse – die einzige positive sozialpolitische Massregel grossen Stiles war, mit welcher der römische Staat den konvulsivischen Krankheitsäusserungen seines sozialen Körpers entgegentrat. Von jeher ein gefährliches Zugmittel in der Hand demagogischer Agitatoren, wurde die Besiedelung des ager publicus in den Dimensionen, welche die Gracchen ihr gaben, zu einer Umwälzung aller, wenngleich rechtlich prekären, so doch thatsächlich festgewurzelten Besitzstände, eine agrarische Umsturzmassregel, so dass die lex agraria von 643 u. c. den Krater wenigstens in Italien und auf der Provinzialdomäne in Afrika und Korinth zu schliessen suchte, indem sie die prekären und neugeschaffenen Besitzstände in Privateigentum umwandelte und durch Fixierung der Rechtsverhältnisse auch bei den Besitzständen minderen Rechtes, sowie endlich durch Abschaffung der alten Formen der Entstehung prekären Besitzes auf dem öffentlichen Lande, in summa also durch Erlass einer Art von Realstatut für Italien, Ruhe zu schaffen suchte. Allein die beginnende Monarchie und die Bürgerkriege führten besonders unter Sulla und den Triumvirn durch gewaltige Konfiskationen, Aufkäufe und Neuverteilungen an die siegreichen Heere zu einer neuen Umwälzung aller Besitzverhältnisse an Grund und Boden, und es ergibt sich, alles in allem, innerhalb des letzten Jahrhunderts der Republik eine Bevölkerungsverschiebung, deren Dimensionen in quantitativer Beziehung nur von der Völkerwanderung erreicht worden sind. Es entsteht die Frage, in welchen Formen, wirtschaftlich und rechtlich betrachtet, diese Kolonisation sich vollzogen hat.

 Nachdem dann infolge der Absorption des öffentlichen Landes in Italien – teils durch Assignation, teils durch Ueberweisungen an die Einzelgemeinden – die daraus geflossenen Einkünfte zu Anfang der Kaiserzeit versiegt waren, lag der Schwerpunkt der Finanzkraft des Reiches in den Steuern der Provinzialen, unter welchen, wie im ganzen Altertum, die in mannigfachster Form erhobenen Abgaben von Grund und Boden die wichtigsten waren. Wenn nun auch die Formen, unter denen die Römer die Provinzen besteuerten, zweifellos vielfach lediglich aus der früheren Steuerverfassung der betreffenden Länder von ihnen übernommen, jedenfalls aber die allermannigfaltigsten waren, so entsteht doch die Frage, ob sich nicht da, wo die Umgestaltung der Verhältnisse bei der Einverleibung eine tiefer greifende war, gewisse gleichmässige Tendenzen in der Verwaltungspraxis nachweisen lassen, und ob nicht in der Behandlung des Provinzialbodens Anknüpfungen an Formen, welche man schon in Italien benutzt hatte, zu konstatieren sind.

Vor allem aber verlohnt es sich schliesslich, zu untersuchen, wie sich denn der Wirtschaftsbetrieb des römischen Landwirts unter den eigentümlichen rechtlichen und sozialen Verhältnissen des Grund und Bodens gestaltet und welche Wandelungen er im Lauf der Jahrhunderte erfahren hat. Wir haben es da namentlich mit dem Wachsen und der Organisation des Grossbetriebes, in der Kaiserzeit aber ferner mit einer Erscheinung zu thun, die unzweifelhaft vor allem in ihren wirtschaftlichen Gründen verstanden werden will: dem Auftreten höriger, an die Scholle gefesselter Bauern im Kolonat. Dies viel besprochene Rechtsverhältnis hat Befremden und eine umfassende Erörterung namentlich deshalb hervorgerufen, weil man meist vergebens versuchte, es mit den Formen des römischen Privatrechts in Beziehung zu setzen. Es muss aber – neben der Untersuchung der wirtschaftlichen Gründe seiner Entstehung – vielmehr gefragt werden, welche Stellung ihm im Verwaltungsrecht des Reiches, überhaupt öffentlichrechtlich, zukam, denn darüber kann ein Zweifel nicht obwalten, dass auf dem Boden des Privatrechts und der Vertragsfreiheit ein solches Institut nicht hätte entstehen können. Damit hängt dann die Frage der Bedeutung der Grundherrschaften im römischen Kaiserreich, welche in ihren letzten Ausläufern in das frühe Mittelalter hinüberleitet, untrennbar zusammen.

Die Agrargeschichte wird sich nicht vermessen wollen, die vorstehend präzisierten Probleme ihrerseits lösen zu können – soweit nach dem Stande der Forschung ein Bedürfnis nach weiterer Lösung überhaupt besteht – sie hat nur festzustellen, welche Stellung sie ihrerseits auf Grund der ihr zu Gebote stehenden Begriffe und praktischen Gesichtspunkte dazu einnimmt.

Die nachstehende Erörterung insbesondere kann sich gewiss nicht der Illusion hingeben, über diese Fragen irgend welches unvermutete Licht zu verbreiten oder dem Kundigen wesentlich Neues sagen zu können, – derartige Ergebnisse wären nur auf Grund einer Vermehrung des Quellenmaterials zu gewärtigen, denn soweit auf Grund des vorhandenen Materials Antworten auf die obigen Fragen zu geben sind, stehen dieselben in ihren wesentlichen Zügen bereits fest. Wohl aber lässt sich über die Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit mancher Momente für die Entwickelung zur Zeit noch streiten, und hier können durch eine Kombination an sich bekannte Erscheinungen und deren Betrachtung nach der Seite ihrer praktischen agrarpolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung, wie ich glaube, einige weitere Gesichtspunkte gewonnen werden, welche m. E. der Erörterung wert sind.

Für eine Untersuchung von diesem Ausgangspunkte aus stehen uns an Quellen, abgesehen von nicht sehr erheblichen Bemerkungen der Historiker und einigen allerdings besonders wertvollen Aufschlüssen, welche die Inschriften geben, namentlich zu Gebote die zuletzt, von Lachmann unter dem Namen »Schriften der römischen Feldmesser« edierten Materialien, enthaltend teils Handbücher der Feldmesskunst aus der Feder agrimensorischer Praktiker, teils Excerpte aus geometrischen Schriften, Gesetzesfragmente und die unter dem Namen libri coloniarum bekannten Verzeichnisse der vorhandenen formae des aufgeteilten italischen Landes, und ferner, für die wirtschaftliche Seite der Untersuchung, namentlich die scriptores rei rusticae, Kompendien der Landwirtschaft für angehende Landwirte, deren Verfasser, von Cato abgesehen, freilch, wie an manchen Punkten zu Tage tritt, es möglicherweise nicht über ein gewisses Dilettantentum auf diesem Gebiet hinausgebracht haben. Bei beiden letztgenannten Quellenkomplexen macht sich der offenbar sehr starke Bestandteil tralaticischen und deshalb zeitlosen Materials bei der Benutzung störend geltend, insofern man häufig genötigt ist, zunächst die Angaben des Schriftstellers undatiert zu analysieren und dann die ungefähre Zeit, für welche sie praktisch sind, zu ermitteln, was oft nur bis zu einem problematischen »früher« oder »später« gelingen kann. Was die Agrimensoren anlangt, so ist nur das sicher, dass alle technischen Angaben auf uralten praktischen Handgriffen beruhen müssen, da die gänzliche Sterilität in Beziehung auf Geometrie bei ihnen wie bei den Römern überhaupt unmittelbar ersichtlich ist.

Wir versuchen in der Darstellung zunächst den Zusammenhang der Aufteilungsformen mit den rechtlichen Ackerqualitäten darzuthun, um dann auf die letzteren im einzelnen einzugehen.

I. Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats- und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens.

Inhaltsverzeichnis

Die Agrimensoren teilen bekanntlich von ihrem Standpunkte aus den Grund und Boden in drei Hauptkategorien1:

1. ager divisus et assignatus, seinerseits wieder zerfallend in

a) ager limitatus, per centurias div. et assignatus,

b) ager per scamna et strigas divisus et assignatus,

2. ager per extremitatem mensura comprehensus,

3. ager arcifinius, qui nulla mensura continetur.

Man wird es als ohne weiteres wahrscheinlich ansehen dürfen, dass die Verwendung dieser verschiedenen Aufteilungsarten auch in irgend welcher Weise den rechtlichen Verhältnissen des betreffenden Territoriums entsprach. In welcher aber? – das ist mit Sicherheit nur zum geringen Teil zu sagen, zum überwiegenden dagegen nur durch Rückschlüsse hypothetisch zu ermitteln. Es muss indes in Betracht gezogen werden, dass auch die zweifellosesten Rechtsprinzipien sich in der Praxis zu Regeln mit Ausnahmen gestalten, unter Umständen mit so viel Ausnahmen, dass das Prinzip nur subsidiär zur Anwendung gelangt. Gleichwohl würde es ein Verzicht auf juristisches Erfassen der historischen Erscheinungen sein, wenn man aus diesem Grunde ganz von Aufsuchung des Prinzips absehen wollte, und soll daher der Versuch, dasselbe festzustellen, gemacht werden.

Am einfachsten gestaltet sich die Unterbringung der Extreme. Einerseits ist zweifellos, dass der Grund und Boden des Auslandes, d.h. aller der Gemeinden des Reiches, welche laut eines foedus von unmittelbarer Einwirkung der Reichsgewalt wenigstens theoretisch eximiert waren, nur ager arcifinius sein konnte. Die foedera mit souveränen Gemeinden, z.B. mit Astypalaea2, enthalten denn auch keinerlei Bestimmungen über den Acker derselben, auch nicht die, dass das bisherige Gebiet ihnen verbleiben solle; schon das wäre als eine Art politischer capitis deminutio empfunden worden. Andrerseits ist ebenso unzweifelhaft, dass der Acker aller wirklich deduzierten coloniae civium Romanorum und der sonstigen Ackeraufteilungen auf römischem Boden zum ager divisus et assignatus gehörte. Die Unterbringung der zahlreichen Zwischenglieder aber und die Feststellung der Verwendung der einzelnen Formen erfordert einen Blick auf die technische Seite der römischen Aufteilung und Assignation.

Regelmässig sind die römischen Ackerparzellen, resp. deren Grenzen nach den Himmelsgegenden orientiert und wurde dies bewerkstelligt durch ein primitives Diopterkreuz, vermittelst dessen man zuerst – offenbar weil man nachts nicht visieren und deshalb die Mittagslinie nicht feststellen konnte – durch Visieren nach dem Sonnenaufgang approximativ3 die Linie OW, den decimanus (= »Teiler«), dann die Senkrechte darauf, den cardo (= Axe, Himmelsaxe), feststellte und absteckte. Dies war die Regel, doch kam es auch vor, dass man je nach den Verhältnissen des Terrains den decimanus in dessen grösste Längenausdehnung oder, an der Küste, in der Richtung nach dem Meer, oder auch in die Mittagslinie legte. Bei dem weiteren Verfahren haben wir die Aufteilung per strigas et scamna von der per centurias zu unterscheiden. Beiden gemeinsam ist die geradlinige Aufteilung, der Unterschied beider wird mehrfach von den Agrimensoren und nach ihnen von den Neueren in dem Gegensatz der quadratischen zu der oblongen Parzellenform gefunden. Wir werden sehen, dass diese Differenz weder die einzige noch die wesentliche ist.

Was zunächst den ager per scamna et strigas assignatus anlangt, so ist uns das Aufteilungsverfahren im einzelnen nur bei einem später zu erörternden Spezialfall bekannt, das Resultat der Aufmessung aber ist stets die Zerlegung der Flur in rechteckige Stücke, welche, wenn sie ihre grösste Längenausdehnung in der Richtung NS haben, strigae, wenn in der Richtung OW, scamna heissen. Es konnten nur eine oder auch beide Kategorien auf einer und derselben Flur vorkommen. Die Aufteilung nur nach scamna scheint häufiger gewesen zu sein4. Dass für die Parzellen bei dieser Teilungsart eine bestimmte Grösse üblich gewesen sein sollte, ist nicht überliefert, auch nicht, dass alle Parzellen derselben Flur untereinander gleich gewesen seien, die Figur bei Frontin5 (deren Alter natürlich dahinsteht) nimmt das Gegenteil an. Schon der Gegensatz, in dem diese Form zum ager limitatus genannt wird, ergibt, dass ein Wegesystem von typischer Form, wie wir es beim ager limitatus in den limites finden werden, nicht zum Wesen des ager scamnatus gehört. Die einzelnen strigae und scamna wurden dann, soviel zu schliessen ist, den einzelnen Perzipienten, wir wissen nicht in welchem Verfahren, zugewiesen und auf der zu entwerfenden Flurkarte eingezeichnet.

Je der fünfte cardo und decumanus, der quintarius, bleibt als actuarius in grösserer Breite – in der Kaiserzeit meist 12 Fuss – offen; das von diesen actuarii eingeschlossene Land, 25 centariae, heisst technisch in der Kaiserzeit saltus6; noch grösser ist die Breite des cardo und decumanus maximus. Die letzteren beiden und die quintarii sind öffentliche Wege und dürfen nicht occupiert werden, die übrigen limites sind entweder blosse linearii, also Linien ohne jede Breitenausdehnung, oder sie sind doch nur subruncivi, Vicinalwege, für deren Aufrechterhaltung die öffentliche Gewalt nicht sorgte. Mit dieser Aufmessung wird fortgefahren, soweit Areal zur Verfügung steht und Bedürfnis nach Landlosen vorliegt. An den äusseren Grenzen der Flur bleiben zwischen der Flurgrenze und den rektangulären Grenzen der zuäusserst liegenden Quadrate Schnitzel, subsiciva, und, wenn das verfügbare Land den Bedarf stark übersteigt, umfangreichere Ackerpartien – ager extra clusus – übrig. Die entstandenen centuriae werden sodann an den Ecken versteint und demnächst die Flur kartiert. Auf der Flurkarte – forma – werden die gezogenen limites und die äussere Grenze der Flur eingezeichnet, so dass auch der ager extra clusus und die an den Rändern entstehenden subsiciva zur kartographischen Darstellung gelangen7. Werden gewisse Grundbesitzungen von der Assignation ausdrücklich ausgenommen – loca excepta und relicta –, so werden auch deren Grenzen eingezeichnet8, desgleichen bei sorgfältiger Kartierung auch dasjenige Land, welches innerhalb der Centurien überschüssig bleibt und ebenfalls subsiciva genannt wird9.

Alsdann beginnt die Verteilung unter die an der Assignation Beteiligten, deren Verlauf in späterer Zeit Hygin (De condic. agr. p. 117) schildert. Es werden auf dem Acker sortes für je zehn Ansiedler und aus den Ansiedlern durch das Los decuriae gebildet, zunächst dann jeder decuria eine sors und sodann innerhalb derselben jedem Ansiedler sein Landlos – accepta – zugelost. Oder es werden – dies Verfahren kommt bei Veteranenansiedelungen vor, wo in der Kaiserzeit anscheinend regelmässig pro Veteran ein Drittel einer Centurie als Los gegeben wurde – je drei Ansiedler in jede Centurie eingelost und diesen die Absteckung ihrer Lose überlassen.10

Zur rechtlichen Perfektion gelangt das Geschäft alsdann durch die Notierung der Ansiedler auf der Flurkarte. Ihre Namen werden in diejenigen Centurien, in welchen sie Land erhalten haben, hineingeschrieben und bei dem Namen der modus – in jugera – vermerkt, sowie auch anscheinend in der Regel, von welcher Kulturart – species – (Acker, Wald, Wiese) der betreffende Boden ist. Diese Notierung heisst technisch adsignatio. Die Centurien werden dabei, ebenso wie die termini an ihren Ecken, in der Art bezeichnet, dass der Beschauer auf dem Schnittpunkt des cardo und decumanus maximus gegen Osten gerichtet steht und nun die cardines und decumani nach rechts und links bezw. vor- und rückwärts gezählt werden. Die Centurie wird dann danach bezeichnet, rechts bezw. links vom wievielsten decumanus und jenseits (nach vorwärts zu) oder diesseits (nach rückwärts zu) vom wievielsten cardo sie gelegen ist11.

Anders musste naturgemäss die Verteilung vor sich gehen, wenn unter den Perzipienten sich bisherige Bewohner des Besiedelungsareals befanden und nicht – wie es anscheinend bei Antium, dem ältesten bekannten derartigen Fall, geschah – einfach zu gleichem Recht unter die Neusiedler eingestellt, sondern nach Verhältnis ihres Besitzes beteiligt werden sollten. Alsdann musste eine Feststellung dieses Besitzes auf Grund ihrer professio vorausgehen. Derselben gemäss konnten sie dann entweder im Besitz ihrer Grundstücke einfach belassen, dieselben also nicht in die Teilungsmasse eingeworfen werden: in diesem Fall wurde auf der forma zu der Jugerazahl ihres Besitztums vermerkt: redditum suum, – oder sie erhielten statt dessen nach Bonitierung ein dem Taxwert nach gleiches Los: commutatum pro suo, – oder teils das eine teils das andre: redditum et commutatum pro suo12. In allen diesen Fällen war natürlich die oben gedachte Verlosungsart nicht ohne Modifikation anwendbar. Es ist aber ferner auch zweifelhaft, inwieweit die Einweisung nach dem Lose überhaupt Anwendung fand.

Zweifellos fanden unter Umständen Assignationen ohne Verlosung statt, so diejenige des ager Campanus und campus Stellatis durch Cäsar nach Suetons Notiz13. Die lex agraria von 643 behandelt von den gracchischen Assignationen denjenigen Acker speziell, welcher »sortito ceivi Romano« angewiesen war14. Die erstgedachte Assignation ist zweifellos eine Viritanassignation15, von der letzteren Stelle nimmt Mommsen16 an, dass sie von kolonialen Assignationen spreche und gerade durch das Merkmal der stattgefundenen Verlosung dies klarstellen wolle.

Nun ist offenbar, dass die Anwendung des Loses auf die Absicht schliessen lässt, die einzelnen Landlose und deren Empfänger als untereinander streng gleichwertig und gleichstehend zu markieren. Ein Bedürfnis hierzu musste politisch gerade bei neuen Gemeindebildungen oder -Umbildungen, wie die Kolonien es waren, bestehen. Hiernach muss die Verteilung durch das Los für die Kolonien als Regel angesehen werden und es ergibt sich noch eine fernere Eigentümlichkeit derselben als wahrscheinlich, welche die Grösse der Landlose betrifft.

Dass die ersten coloniae der Zeit einer gemeinwirtschaftlichen Agrarverfassung noch angehören oder naheliegen, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit schon aus der Bezeichnung von Mommsen17 geschlossen worden. Beim Uebergang zur Individualwirtschaft musste bezüglich der Teilung das gleiche Problem auftreten, welches bei allen nicht autokratisch organisierten Agrargemeinschaften18 in diesem Fall entsteht: dass gleiche Fläche nicht gleichen Wertes ist und also durch einfache Zuteilung des gleichen Areals nicht jeder das Gleiche erhält. Dass die deutsche Besiedelung das Problem löste, indem sie die Flur in »Gewanne« zerschlug und jedem in jedem Gewann eine Parzelle gab, ist bekannt. Nun finden sich, wie später nachgewiesen werden soll, Anhaltspunkte dafür, dass ähnlich auch in Italien zu einer den Anfängen unsrer Ueberlieferung naheliegenden Zeit verfahren worden ist – wie denn der Gedanke an sich bei genossenschaftlichem Zusammenhalt, solange man nicht bonitiert, kaum zu umgehen ist –, und es kann sein, dass die mehrfach vorkommende, ihrer Art nach nicht näher bekannte Aufteilung in laciniae (= »Schnitzel«) diese Form darstellt19. Aber die Aufteilung, wie sie dem Immobiliarrecht schon der XII-Tafel-Zeit entspricht, ist dies nicht und es ist – was in seiner Bedeutung noch näher zu erörtern sein wird – überliefert, dass auf dem ager assignatus stets geschlossenes Areal zugewiesen wurde. Dann aber konnten die Landlose, sollten sie gleichwertig sein, nicht gleich gross gebildet werden, sondern die Grösse musste sich nach einer vorherigen Bonitierung richten und je nach der Güte des betreffenden Teils der Flur verschieden sein. Eine solche Bonitierung, die überdies ziemlich roh gewesen sein mag, war, da nur schon kultiviertes Land assigniert wurde, nicht allzu schwierig. In der That überliefern uns die Agrimensoren, dass sich der Umfang der acceptae nach der Bonitität gerichtet habe (Lachmann p. 156, 15, cf. 222, 13; 224, 12)20. Wenn hiernach für die kolonialen Assignationen die Verlosung der acceptae als Regel anzusehen ist, so ist sie bei den Viritanassignationen der älteren Zeit wahrscheinlich die Ausnahme gewesen und zweifellos ist an Stelle der sorgfältigen Bonitierung und Bemessung des Areals der acceptae nach dem Wert des Bodens bei ihnen die mechanische Verteilung in gleichen Parzellen durchaus die Regel, denn wir erfahren von Viritanassignationen bekanntlich regelmässig mit dem Zusatz, dass pro Person ein bestimmtes Areal zur Verfügung gestellt worden sei. Auch ist dies der Sachlage angemessen. Die Kolonen werden, falls nicht genügende Freiwilligenmeldung stattfindet, ausgehoben und formell zwangsweise zum Gliede eines neuen Gemeindeorganismus gemacht; in älterer Zeit dem Domizilzwang unterworfen, blieben sie später in der Freizügigkeit nur soweit unbeschränkt, als diese zwischen den verschiedenen Gemeinden überhaupt stattfand. Wer dagegen ein viritim ihm zugewiesenes Landlos nahm, handelte aus freier Entschliessung, er konnte die gebotene Parzelle nehmen oder nicht, und nahm er sie, so hatte dies für ihn nur die Bedeutung, dass er Grundbesitzer, adsiduus, wurde, ohne dass er im übrigen irgendwelche neuen Verpflichtungen übernahm.

Als Unterschied zwischen den bisher behandelten beiden Assignationsformen, derjenigen per centurias und derjenigen per strigas et scamna, haben wir bisher nur das Vorhandensein der limites bei der ersteren kennen gelernt: nur wo limites zur Verwendung kommen, heisst das aufgemessene Teilstück centuria. Nun finden wir aber bei den Gromatikern eine Verbindung beider Systeme, einen limitierten ager scamnatus, welcher in centuriae aufgemessen ist. Es ist an sich klar, dass dies eine späte Zwitterbildung ist, zur Erkenntnis der Motive für Aufstellung dieser Form müssen wir aber in die Technik derselben näher eindringen. Eine Notiz bei M. Jun. Nipsus (p. 293) besagt, dass die centuria beim ager scamnatus 240 jugera betrage. Da es sich bei der näheren Schilderung, welche Hygin (De lim. const.) in einer der Interpretation nach recht schwierigen Stelle (p. 206) von dem Verfahren bei dieser Aufteilungsart entwirft, um Herstellung von Parzellen unter sich gleichen Areals handelt, werden wir davon auszugehen haben, dass diese 240 jugera drei Lose à 80 jugera darstellen.

Hygin bemerkt nun in der gedachten Stelle vorweg, dass es sich um Aufmessung von ager arcifinius provincialis handle, und fährt, nachdem er daraus mit einer Begründung, auf welche wir noch zu sprechen kommen, die Notwendigkeit, anders als bei der gewöhnlichen Aufmessung per centurias zu verfahren, hergeleitet hat, fort:

»Mensuram per strigas et scamna agemus. Sicut antiqui latitudines dabimus decimano maximo et k. pedes viginti, eis limitibus transversis inter quos bina scamna et singulae strigae interveniunt pedes duodenos itemque prorsis limitibus inter quos scamna quattuor et quattuor strigae cluduntur pedes duodenos, reliquis rigoribus lineariis ped. octonos. Omnem mensurae hujus quadraturam dimidio longiorem sive latiorem facere debebimus: et quod in latitudinem longius fuerit, scamnum est, quod in longitudinem, striga.«

Die Centurien – denn dies bezeichnet quadratura – sollen also einhalbmal länger als breit resp. umgekehrt sein, also betragen ihre Seiten 20 und 30 actus, ihr Inhalt also 300 jugera, jedes Landlos 100. Vielleicht aber steckt auch ein Irrtum darin und hat Hygin die Centurien des Nipsus von 20 × 24 actus im Auge. Es handelt sich nun darum, dass in diesen centuriae die drei Landlose durch Kombination von strigae und scamna dargestellt und dann aus diesen Centurien von je 1 striga und 2 scamna (oder umgekehrt) grössere Komplexe zusammengelegt werden, welche die Stelle des saltus im gewöhnlichen ager centuriatus vertreten und an deren einer Seite, den decumanus entlang, nach Hygin 4 strigae und 4 scamna, an der andern, den cardo entlang, 2 scamna und 1 striga an den limes grenzen. Unter dieser Voraussetzung und wenn man eine Corruption der Stelle dahin annimmt, dass p. 206 Z. 10 bezw. 12 die Worte »prorsis« und »transversis« miteinander vertauscht sind, ergibt sich als das Hygin vorschwebende Flurbild eine der in der Anlage 2 beigegebenen Figuren, von denen die eine unter der Voraussetzung, dass Hygins Angabe – 20 × 30 actus, stimmt, die andre für die Centurie des Nipsus von 24 × 20 actus konstruiert ist.

Diese Figuren stimmen mit dem, was sich aus den allerdings sehr korrumpierten Zeichnungen (Fig. 198, 200, 201, 204, 205), wie sie Lachmann wiedergibt, entnehmen lässt, immerhin leidlich überein. Man hat die oblonge Centurie, statt sie in drei parallele Streifen – strigae oder scamna – zu zerschneiden, so zerlegt, dass man ein Drittel der Länge noch als striga abteilte und sodann den Rest, statt ebenfalls der Länge nach, quer teilte und so 2 scamna gewann23. Jedenfalls ist das Charakteristische, mag nun die Zeichnung der Wahrheit nahe kommen oder nicht, die Verwendung von scamna und strigae im limitierten und mit Centurien aufgemessenen Acker und in der Art, dass sie Teile der Centurien bilden. – Und diese Eigentümlichkeit lässt die Frage entstehen: aus welchem Grunde man zu einer so künstlichen Kombination gegriffen habe, welche ihrerseits wieder zu der ferneren, nunmehr zu erörternden Frage führt: in welchen Fällen überhaupt die Aufteilung per scamna et strigas zur Verwendung kam. Um dies zu ermitteln, stellen wir zunächst fest, worin der wesentliche Unterschied der Adsignation per centurias von derjenigen per scamna et strigas bestand. Augenscheinlich nicht resp. nicht in erster Linie in dem Vorkommen bezw. Fehlen der limites, denn diese können in der für uns in Betracht kommenden Zeit, wie die eben erörterte Stelle ergibt, auch beim ager scamnatus verwendet werden, ohne dass er seine Eigenschaft als solcher einbüsst. Auch nicht in der oblongen Form, denn auch die Centurien können, wie gezeigt wurde, andre als quadratische Form haben. Die Differenz liegt vielmehr offenbar in etwas anderm.

Wir sahen, dass beim ager limitatus auf der forma nichts weiter enthalten ist als die äussere Grenze der Feldflur, die cardines und decumani, und die Notiz, wieviel jugera jedem Empfänger in jeder Centurie zu gewiesen worden sind, der modus agri. Da die Grenzen der Centurien keineswegs mit den Besitzgrenzen zusammenfallen, so ist eine kartographische Darstellung der dem einzelnen gehörigen Besitzungen auf der forma regelmässig nicht enthalten, wie dies auch deutlich aus folgender Stelle hervorgeht (p. 121):

Nuper ecce quidam evocatus Augusti, vir militaris disciplinae, professionis quoque nostrae capacissimus, cum in Pannonia agros veteranis ex voluntate et liberalitate imperatoris Trajani Augusti Germanici adsignaret, in aere, id est informis, non tantum modum quem adsignabat adscripsit aut notavit, sed et extrema linea unius cujusque modum comprehendit: Uti acta est mensura adsignationis, ita inscripsit longitudinis et latitudinis modum. Quo facto nullae inter veteranos lites contentionesque ex his terris nasci poterunt. Namque antiqui plurimum videbantur praestitisse, quod extremis in finibus divisionis non plenis centuriis modum formis adscripserunt. Paret autem quantum hoc plus sit, quod, ut supra dixi, singularum adsignationum longitudinem inscripserit, subsicivorumque quae in ceteris regionibus loca ab assignatione discerni non possunt, posse effecerit diligentia et labore suo. Unde nulla quaestio est, quia, ut supra dii, adsignationem extrema quoque linea demonstravit.

Also: Dass auf der Flurkarte eines ager centuriatus die Besitzgrenzen zum Vorschein kamen, betrachtete man als Neuerung, die kartographische Veranschaulichung des Einzelbesitzes war gar nicht Zweck der forma, wie denn auch erst Augustus angeordnet24 hat, dass auch die einzelnen acceptae künftig durch termini roboris abgegrenzt werden sollten, während vorher nur die centuriae versteint worden waren und man den Empfängern von Land überlassen hatte, sich über die Setzung von termini »comportionales« oder anderer Grenzzeichen zu verständigen. Gegenstand der Assignation und der öffentlichen Garantie war nur der assignierte modus agri25. Anders beim ager scamnatus. Wir sehen darüber klar, wenn wir hören, dass der ager scamnatus »per proximos possessorum rigores« assigniert ist26, d.h. nach »den nächstliegenden Besitzesgrenzen«. Hier enthielt also die Flurkarte die Grenzen der Einzelbesitzungen, es waren die einzelnen zugewiesenen Grundstücke darauf eingezeichnet und notiert, wem dieselben überwiesen waren.

Welcher Sinn kann diesem Unterschiede zu Grunde liegen? Darüber belehrt uns Hygin im Eingang der bereits früher (p. 23) teilweise interpretierten Stelle p. 204. Es heisst dort: Agrum arcifinium vectigalem ad mensuram sic redigere debemus ut et recturis et quadam terminatione in perpetuum servetur. Multi huius modi agrum more colonico decimanis et cardinibus diviserunt, hoc est per centurias, sicut in Pannonia: mihi (autem) videtur huius soll mensura alia ratione agenda. Debet (enim aliquid) interesse inter (agrum) immunem et vectigalem. Nam quem admodum illis condicio diversa est, mensurarum quoque actus dissimilis esse debet. Nec tam anguste professio nostra concluditur, ut non etiam per singulas provincias privatas limitum observationes dirigere possit. Agri (autem) vectigales multas habent constitutiones. In quibusdam provinciis fructus partem praestant certam alii quintas alii septimas, alii pecuniam, et hoc per soli aestimationem. Certa (enim) pretia agris constituta sunt, ut in Pannonia arvi primi, arvi secundi, prati, silvae, glandiferae, silvae vulgares, pascuae. His omnibus agris vectigal est ad modum ubertatis per singula jugera constitutum. Horum aestimio nequa usurpatio per falsas professiones fiat, adhibenda est mensuris diligentia. Nam et in Phrygia et tota Asia ex huius modi causis tam frequenter disconvenit quam in Pannonia. Propter quod huius agri vectigalis mensuram a certis rigoribus comprehendere oportet, ac singula terminis fundari.

Also: Die Steuerbarkeit des Bodens ist nach Hygin der Grund, weshalb die Aufteilung per scamna et strigas Platz zu greifen hat und weshalb er, damit nicht Konfusion entstehe, »a certis rigoribus« limitiert werden muss. Dies lässt sich nur so erreichen, dass man die rigores, die Besitzesgrenzen, auf der Karte zur Anschauung bringt27. Vermutlich ist derselbe Grund für jene Neuerung, welche Hygin bei der pannonischen Limitation als »nuper« durch einen evocatus Augusti eingeführt hervorhebt, ausschlaggebend gewesen. Man wollte die Besitzgrenzen auf der Flurkarte haben und verwendete deshalb innerhalb der Centurien diejenige Aufteilungsart, deren Wesen in der Feststellung und Kartierung der Besitzgrenzen bestand: die scamna und strigae.

Der Grrund ist klar: Wo eine eigentliche Grundsteuer bestand, d.h. eine bestimmte Leistung in Geld, Naturalien oder Ertragsquoten einem bestimmt begrenzten Grundstück auferlegt war, hatte die Staatsverwaltung an der öffentlichen Feststellung der Lage dieses Grundstücks behufs Identifikation des steuerpflichtigen Objekts ein Interesse. Ein solches Interesse bestand da nicht, wo der Grund und Boden nicht als solcher in Form einer Grundsteuer belastet war, sondern nur, wie andere Vermögensobjekte des steuerpflichtigen Subjektes, zur allgemeinen Vermögenssteuer herangezogen wurde, mochte auch bei dieser Vermögenssteuer der Grundbesitz des Besteuerten das weitaus wesentlichste Steuerobjekt bilden. Bekanntlich war letzteres der Fall beim römischen Bürgertribut. Auf demjenigen Boden, welcher nur zu dieser Steuer herangezogen wurde – resp. theoretisch dazu herangezogen werden konnte –, die Abgrenzung der einzelnen Grundstücke auf der forma erkennen zu können, hatte für die Verwaltung keinen Wert. Beim Census wurde die Zahl der jugera – der modus28 – angegeben, die gleiche Angabe enthielt die forma für die ersten Assignatare, und es konnte mithin durch Vorlegung der Mancipationsurkunden eine für die Zwecke des Census genügende Kontrolle geübt werden. Nach alledem und da Frontin (p. 4) speziell bemerkt, dass die Aufteilung per scamna et strigas die Form sei, in der »arva publica in provinciis coluntur«, werden wir nicht zweifeln, dass diese Aufteilung nach gromatischer Theorie angewendet werden sollte, wenn öffentliches Land vergeben wurde, ohne ager optimo jure privatus zu werden, und zwar speziell in den Fällen, wo Land gegen Zins vergeben wurde oder eine Grundsteuer oder andere Leistung auferlegt war, während, wenn die Auslegung zu vollem Eigentum geschah, die Limitation und Assignation per centurias eintreten sollte. Per centurias zu assignieren waren also jedenfalls: die coloniae civium Romanorum juris Italici, ferner diejenigen viritim vergebenen Lose, an welchen volles römisches Bodeneigentum verliehen wurde.

Per strigas et scamna wären nach dieser Theorie zu assignieren gewesen: alle agri vectigales, welche von den römischen Beamten als solche ausgethan waren und deren vectigal dem Staat zustand, ferner solches Provinzialland, welches den bisherigen oder neuen Besitzern gegen einen von dem einzelnen Grundstück zu leistenden Geldzins oder eine Naturallieferung, überhaupt unter Vorbehalt einer demselben reallastartig aufgelegten Leistung, überlassen wurde. Wenn wir noch weiter gehen wollen, so werden wir geneigt sein, aus Frontins Angabe, dass die scamna und strigae für arva publica verwendet wurden, zu schliessen, dass diese Aufteilungsform ursprünglich diejenige war, in welcher öffentliches Land, welches zu Zeitpacht vergeben wurde, aufgemessen zu werden pflegte, so dass die gromatisch hybride Form der Verbindung von Limitation und Skamnation der juristisch ebenso hybriden des »ager privatus vectigalisque« entspricht.

Dass der von Staats wegen verpachtete Acker ordnungsmässigerweise in formae gebracht werden sollte, geht aus einer Stelle des Granius Licinianus (p. 15) hervor, wo es von einem mit Revision des teilweise von Privaten unbefugt occupierten ager Campanus vom Senat beauftragten Kommissar, dem Prätor P. Lentulus – nach Mommsens Ergänzung im C. I. L., X p. 386 – heisst:

Agrum (e)u(m) in (fundos) minu(t)os divisum (mox ad pr)et(i)um indictu(m locavit et mu)lto plures (quam speraverat agros ei rei) praepositus reciperavit formamque agrorum in ae(s) incisam ad Libertatis fixam reliquit, quam postea Sulla corrupit.

Höchst wahrscheinlich waren hier dem Zweck der Kartierung entsprechend die Grenzen der einzelnen fundi auf der forma angegeben, da andernfalls der Zweck der Kartierung leicht schnell wieder hätte vereitelt werden können. Der ager Campanus war denn auch noch zu Cäsars Zeit ager vectigalis (Suet., Div. Jul. c. 20). Es ist jedenfalls wahrscheinlicher, dass man zu jener Aufmessung strigae und scamna, als dass man die Limitation verwendete. Eine Limitation im eigentlichen Sinne war überhaupt, da es sich nur um einen Verwaltungsakt auf Grund eines Senatuskonsults handelte, nicht möglich.

Wenn wir hiernach annehmen, dass die Skamnation schon ziemlich früh, namentlich aber in späterer Zeit, hauptsächlich für die Aufmessung von öffentlichem und halböffentlichem Land benutzt wurde, so ist damit nicht gesagt: 1. dass sie nur hierzu verwendet wurde, noch auch 2. dass solcher Boden nur in dieser Form aufgeteilt wurde. In beiden Beziehungen ist vielmehr das Gegenteil nachweisbar.

Von Frontin wird die Skamnation als die Form der Assignation »more antiquo« überhaupt bezeichnet. Wir finden nun die scamna und strigae, abgesehen von einer Anzahl Municipien, über welche noch zu reden sein wird, auch in zwei Bürgerkolonien verwendet: Ostia29 und Suessa Aurunca30. Erstere ist die älteste bekannte Bürgerkolonie Roms oder, wenn man ihr für die ältere Zeit die Kolonialqualität bestreitet, jedenfalls der Ort, von welchem uns zuerst berichtet wird, dass Deduktionen dorthin stattgefunden haben, und ausserdem ist sie Kolonie des Augustus, – letztere war latinische Kolonie, seit dem Bundesgenossenkrieg municipium, dann Kolonie der Triumvirn. Was nun zunächst Suessa anlangt, so scheint für die Anwendung der Skamnation ein spezieller Grund vorgelegen zu haben. Frontin berichtet (p. 48, 16):

»et sunt plerumque agri, ut in Campania in Suessano, culti, qui habent in monte Massico plagas silvarum determinatas.«Mithin scheint aus irgend einem Grunde hier die Notwendigkeit vorgelegen zu haben, die Waldnutzung so zu regulieren, wieFrontinangibt, also einzelne bestimmte Schläge bestimmtenGrundstückenzuzuweisen und um dies zu können, musste man allerdings die Grenzen sowohl des berechtigten Landes wie der Waldparzelle auf der forma feststellen, also zu scamna et strigae greifen. Uebrigens wissen wir nicht, wann und von wem diese Aufteilung vorgenommen worden ist, da bei dem tumultuarischen Verfahren der Triumvirn die einfache Uebernahme vorgefundener Aufteilungen durchaus möglich ist31.

Was Ostia anlangt, so könnte man versucht sein – wenn man sich auf Hypothesen einlassen will, – und wie wären solche hier zu umgehen? – die Aufteilung in scamna und strigae hier mit der tribus urbana, welche wenigstens anscheinend ein Teil der Einwohner von Ostia und ausserdem nur der zweite grosse italische Getreidehafen, die 560 u. c. deduzierte Bürgerkolonie Puteoli, und ein fernerer Hafenplatz, Turris Libisonis in Korsika, führten, in Verbindung zu bringen und anzunehmen, dass eben eine in der Skamnation zum Ausdruck gelangende besondere rechtliche Qualität des Ackers es gewesen sei, welche die Aufnahme der betreffenden Besitzer in die Landtribus verhinderte und dass diese Ackerqualität ihrerseits wieder im Zusammenhang gestanden habe mit Leistungen, welche den betreffenden Besitzern bei der Getreideversorgung der Hauptstadt nach Art der viasii vicani und der navicularii auferlegt waren und dass die Landlose dieses Vorbehaltes wegen nicht in den Formen des ager privatus assigniert worden seien32. Die übrigen italischen Orte, bei welchen der liber coloniarum die teilweise Assignation in scamna vermerkt, sind folgende: Aletrium (centuriae und strigae)33, Anagnia (strigae)34, Aequicoli (strigae et scamna in centuriis)35, Aufidena (centuriae und scamna)36, Terventum (praecisurae und strigae)37, Histonium (centuriae und scamna)38, Bovianum – vetus wahrscheinlich – (centuriae und scamna)39), Atina (teilweise lacineis et per strigas)40, Reate und Nursia (strigae et scamna in centuriis)41. Alle diese Orte sind später municipia; eine Anzahl von ihnen hat das Zwischenstadium der praefecturae nachweislich durchgemacht, nämlich Anagnia, Reate, Nursia, Atina, auch bei den Aequicoli scheint dies der Fall gewesen zu sein, während wir über Bovianum vetus überhaupt nicht informiert sind. Wir wissen nicht, ob erst bei der Veteraneneinweisung die strigae und scamna ausgelegt wurden oder die Aufteilung vorgefunden und übernommen worden ist, und ebensowenig, ob auch hier spezielle Gründe für diese Art der Auslegung vorhanden waren. Dies würde z.B. dann der Fall sein, wenn es sich um Vergebung zu unveräusserlichem Besitz gehandelt hätte – und dass solche Assignationen von Augustus nicht vorgenommen worden wären, ist keineswegs zu unterstellen. Denn bekanntlich wurde diese Unveräusserlichkeit durch ein aufgelegtes Rekognitionsvektigal rechtlich ausgedrückt. Der Acker der Aequicoli ferner war nach ihrer Niederwerfung jedenfalls publiziert, aber, soviel bekannt, nicht viritim assigniert, also wahrscheinlich verpachtet und deshalb skamniert. Wenigstens teilweise ähnlich wird die Sache in den Präfekturen liegen, welche meist ebenfalls kriegerischen Ereignissen ihr Dasein verdanken und in welchen daher ein Stand von Besitzern zu widerruflichem Bodenrecht wahrscheinlich bestanden hat. Bovianum vetus konnte bei der Deduktion von Bovianum Undecimanorum sehr wohl als vicus der alten Besitzer zu Vektigalrecht ausgelegt sein. Von Reate erwähnt Siculus Flaccus – p. 136, 20 – das Vorhandensein zahlreicher agri vectigales, ebenso für Picenum, wohin vielleicht die scamna von Histonium gehören. Eine endliche Möglichkeit ist, dass in einem Teil der Orte, nämlich da, wo von dem liber coloniarum die Aufteilung durch centuriae und durch strigae und scamna erwähnt wird, einfach die oben (p. 4) behandelte Konternation der Veteranen stattgefunden hat und in der Weise ausgeführt wurde, dass man die Centurie in drei parallele Streifen zerlegte, welche man dann je nach der Längsrichtung strigae oder scamna nannte, dies wieder vielleicht deshalb, weil damals die von Hygin als neu erwähnte42 Methode, die Besitzgrenzen auch beim ager centuriatus auf der forma zu verzeichnen, schon allgemein angewendet wurde.

Jedenfalls zeigen diese Beispiele, wie namentlich dasjenige von Suessa Aurunca, dass wohl sicher auch ager privatus in strigae und scamna assigniert werden konnte, lassen aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass dies dann meist auf besondere Gründe zurückzuführen war.

Dass andrerseits nicht jeder zu geringerem Recht vergebene Acker in scamna und strigae assigniert wurde, ist ebenfalls sicher. Von den späteren Assignationen steuerbaren Provinziallandes bezeugt Hygin in der früher citierten Stelle ausdrücklich, wenn auch missbilligend, dass sie häufig in der gewöhnlichen Form per centurias mit limites geschehen sei. Anscheinend gibt uns ein Beispiel dafür die im Anhang besprochene Inschrift, welche, wie dort bemerkt, offenbar einen Teil der Kopie einer Flurkarte darstellt.

Dass die Aufteilung per centurias stattgefunden hat, ist aus den Bezeichnungen der Abschnitte ersichtlich. Die Maasse der Seiten der Centurien entsprechen der Relation, wie sie bei den von Nipsus für skamnierten Acker erwähnten Centurien von 240 jugera angewendet sein muss (6:5). Nipsus identifiziert hier offenbar skamnierten mit steuerbarem Acker, denn in scamna ist Arausio, wie die Karte zeigt, nicht assigniert, sondern es ist offenbar dem einzelnen Besitzer ein je nach der Bonität verschiedener modus in den verschiedenen Centurien zugewiesen, ganz wie bei der Aufteilung bei steuerfreier Kolonialassignation. Nach Mommsens zweifelsfreier Ergänzung kehrt ferner in jeder Centurie die Wendung wieder: »ex trib(utario) – worauf eine Zahl folgt – red(actus) in col(onicum)« – worauf wieder eine Zahl folgt. Es handelt sich also gerade um den Fall, von welchem die p. 27 wiedergegebene Stelle Hygins spricht: Bisher unvermessenes (arcifinisches) steuerbares Provinzialland wird aufgemessen und in limitierten Acker der (nicht immunen) Kolonie Arausio umgelegt. Arausio ist Kolonie Cäsars; ob die Umlegung des gesamten Ackers damals erfolgt ist, steht dahin, der Inschriftstein braucht nicht notwendig so alt zu sein wie die forma, deren Kopie er ist.