Die Rosen von Cornwall - Schicksalslied - Joanna Hines - E-Book
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Die Rosen von Cornwall - Schicksalslied E-Book

Joanna Hines

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Beschreibung

Schön wie eine Blume, doch das Herz einer Löwin: Die Familiensaga »Die Rosen von Cornwall – Schicksalslied« von Joanna Hines als eBook bei dotbooks. Eine Sehnsucht, so endlos wie der weite Himmel über Cornwall im 17. Jahrhundert … Die junge Lady Perdita kennt die Glanz- und Schattenseiten ihres reichen Erbes: Nur hinter vorgehaltener Hand wagt man über ihre uneheliche Herkunft zu wispern, einen »Makel«, den ihr Vater mit Ansehen und Macht übertüncht. Doch in ihrem Herzen ist Perdita zutiefst einsam, über ihre Mutter spricht in ihrer Familie niemand Als sie ihren Vater zu seinem alten Stammsitz in Cornwall begleitet, scheint sie der Wahrheit jedoch näher zu sein als je zuvor. Im nahen Dorf erzählt man sich noch immer von einer tragischen Liebesgeschichte, die sich vor vielen Jahren in Trecane Manor ereignet haben soll. Je mehr Perdita in Erfahrung bringt, desto mehr begreift sie: Auch sie wird sich bald entscheiden müssen zwischen Sicherheit und Wohlstand – und bedingungsloser Liebe … »Ein großartiger, wunderschön geschriebener Roman.« Bestsellerautorin M. L. Rose Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der epische Roman »Die Rosen von Cornwall – Schicksalslied« von Joanna Hines ist der zweite Band ihrer Familiensaga, in der alle Romane unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 971

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Über dieses Buch:

Eine Sehnsucht, so endlos wie der weite Himmel über Cornwall im 17. Jahrhundert … Die junge Lady Perdita kennt die Glanz- und Schattenseiten ihres reichen Erbes: Nur hinter vorgehaltener Hand wagt man über ihre uneheliche Herkunft zu wispern, einen »Makel«, den ihr Vater mit Ansehen und Macht übertüncht. Doch in ihrem Herzen ist Perdita zutiefst einsam, über ihre Mutter spricht in ihrer Familie niemand Als sie ihren Vater zu seinem alten Stammsitz in Cornwall begleitet, scheint sie der Wahrheit jedoch näher zu sein als je zuvor. Im nahen Dorf erzählt man sich noch immer von einer tragischen Liebesgeschichte, die sich vor vielen Jahren in Trecane Manor ereignet haben soll. Je mehr Perdita in Erfahrung bringt, desto mehr begreift sie: Auch sie wird sich bald entscheiden müssen zwischen Sicherheit und Wohlstand – und bedingungsloser Liebe …

»Ein großartiger, wunderschön geschriebener Roman.« Bestsellerautorin M. L. Rose

Über die Autorin:

Schon in ihrer frühen Jugend begann Joanna Hines, mit Leidenschaft zu schreiben. Neben ihren Romanen veröffentlichte sie auch Kurzgeschichten und Artikel in »The Guardian« und »The Literary Review«; unter dem Namen Joanna Hodgkin schreibt sie außerdem Biografien. Die Autorin verbrachte viele Jahre mit ihrer Familie in Cornwall; heute lebt und arbeitet sie wieder in ihrer Heimatstadt London.

Bei dotbooks veröffentlichte Joanna Hines ihre Spannungsromane »Das Geheimnis von Chatton Heights«, »Die Frauen von Briarswood Manor«, »Die Schatten von Glory Cottage« und »Das Erbe von Grays Orchard«.

Ebenfalls erschien bei dotbooks ihre historische Familiensaga »Die Rosen von Cornwall« mit den Romanen:

»Sturmjahre – Band 1«

»Schicksalslied – Band 2«

»Sehnsuchtsleuchten – Band 3«

***

eBook-Neuausgabe Mai 2021

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1999 unter dem Originaltitel »The Lost Daughter« bei Hodder & Stoughton, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Die verlorene Tochter« bei Bechtermünz und 2002 unter dem Titel »Tochter der Freiheit« bei Droemer Knaur.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1999 by Joanna Hines

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Helen Hotson, Flex Dreams

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-337-7

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Joanna Hines

Die Rosen von Cornwall – Schicksalslied

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Holger Wolandt

dotbooks.

Für Allison

als Abschluss der Trilogie

Erster TeilPERDITA

März 1661

Kapitel 1

Ein rauer Wind wühlte die Themse auf. Er kam aus den Marschen jenseits von Rotherhithe und brachte die auflaufende Flut in Unruhe. Perdita stieß das hohe Fenster auf, lehnte die Ellbogen auf die Fensterbank und atmete tief durch: Der Geruch von Salz, Fisch und Fäulnis vom Fluss stieg gleichzeitig mit dem Lärm der Karren und Stimmen von der Straße zu ihr herauf. Wenn sie sich nach vorne beugte, konnte sie über den Dächern an der London Bridge Masten wie Bohnenstangen in den Himmel ragen sehen. Auf den meisten Schiffen wehten nur Wimpel, doch eines hatte das Vorsegel gesetzt und kam wie ein weißer Vogel mit ausgebreiteten Flügeln langsam den Fluss hinaufgeglitten.

Perdita neigte den Kopf und genoss den scharfen Wind auf der Haut. In der Tiefe des Zimmers hinter ihr gab Kitty letzte Anweisungen an die Schneiderin und sagte klagend: »Perdita, schließe das Fenster, ehe wir uns alle den Tod holen.«

»Einen Augenblick, Mutter.«

Perdita konnte sich die Rufe vom Deck zum Ufer vorstellen, als sich das Schiff dem Kai näherte. Sie hätte sich ihnen gerne angeschlossen. Sie sehnte sich danach, dieses stickige Zimmer im Obergeschoss zu verlassen und dem endlosen Gerede von Stoffen, Anpassen und Besatz zu entkommen. Der raue Wind brannte auf ihren Wangen. Am Vormittag hatte es geregnet, und die Dächer und Gassen der Stadt glänzten noch immer vor Feuchtigkeit. Über dem Horizont türmten sich Sturmwolken. Und dann, als sie sich noch weiter vorbeugte, um zu sehen, wie das Segelschiff festmachte, brach die Sonne durch, und das breite Segel des heimgekehrten Schiffes leuchtete vor dem tiefdunklen Himmel kupferrot auf. Perdita wurde es plötzlich schwindlig beim Gedanken an den Zauber und das Abenteuer der See.

»Vorsicht, Mistress Treveryan«, sagte die Schneiderin und kam durch das Zimmer auf sie zu. »Erst letzte Woche ist ein Kind in der Nachbarstraße aus dem Fenster gefallen. Hat sich an drei Stellen den Schädel gebrochen und war am nächsten Tag tot.« Als Perdita zurücktrat, schloss die Frau energisch das Fenster, und der Lärm von der Straße wurde schwächer. Was die Schneiderin eigentlich hatte sagen wollen, war Folgendes: Meine Tochter und ich sind diejenigen, die die ganze Nacht aufbleiben müssen, um die Kleider für Eure Reise fertig zu nähen. Wir können es uns nicht leisten, die Wärme so zu vergeuden. Nicht dass Ihr eine Ahnung davon hättet, was es heißt, die ganze Nacht zu arbeiten oder sich mit einer kleinen Schaufel Kohlen einrichten zu müssen, eine feine Dame wie Ihr, die keine anderen Sorgen kennt als moirierte Unterröcke und bestickte Handschuhe. Aber laut sagte sie nur: »Was für eine schöne junge Dame Mistress Perdita geworden ist, Lady Treveryan. Sie wird zweifellos allen Männern in Cornwall den Kopf verdrehen.«

Perdita konnte das Schiff nicht mehr sehen. Sie ließ die Schultern hängen und rieb die nackten Zehen am Rand des Läufers. Sie hatte das Gefühl, den ganzen Nachmittag Kleider probiert zu haben. Sie hatte genug davon und wollte endlich gehen.

Kitty sagte: »Diese beiden Kleider müssen bis morgen Abend fertig sein. Mein Samtenes kann noch einen Tag warten.«

»Reist Ihr nicht auch nach Cornwall, Lady Treveryan?«

»Nein. Perdita fährt alleine mit ihrem Vater.« Kitty presste missbilligend die Lippen zusammen.

Auf dem Weg nach Hause redete Kitty unablässig über Seidenstoffe, Unterröcke und mit Spitze besetzten. Kambrik, und Perditas Gedanken wanderten zu dem heimgekehrten Schiff. Sie wurde nie müde, die Schiffe und ihre mühelosen, fließenden Bewegungen auf dem Wasser anzuschauen. Ihre Ziele waren von geheimnisvoller Schönheit, weit entfernte Orte mit poetischen Namen: Virginia und Cathay, Hispanola und Oporto und Westindien. Ihr Vater hatte seinen Reichtum mit schwer beladenen Schiffen gemacht, die den Eisschollen der arktischen Meere und dem Gifthauch der Tropen getrotzt hatten ...

»Wirklich, Perdita, du hörst auch nie ein Wort von dem, was ich sage«, sagte Lady Treveryan verärgert, als sie sich den Weg durch eine belebte Straße bahnten. »Ich finde wirklich, dass diese Massen schlimmer als sonst sind. Wo kommen diese Menschen nur alle her? Wir müssen daran denken, bei Master Ashe vorbeizuschauen, ob er die neuen Pulver schon bekommen hat. Ah, hier ist der Grund für das Gedränge.«

Als sie in die Thames Street einbogen, wurde es noch enger, die Menschen waren jedoch schon wieder auf dem Weg fort von dem Galgen, der an der Kreuzung vor dem Anchor Inn aufgerichtet worden war. Offensichtlich war das Spektakel eben erst zu Ende gegangen. Ein kleines Kind, das auf den Schultern seines Vaters saß, jammerte, dass sie zu spät gekommen seien und deswegen verpasst hätten, sie sterben zu sehen.

Zwei eindeutig tote Körper hingen von dem Querbalken herab. Aus der Entfernung sah es so aus, als würden sie die Köpfe der Schaulustigen mit den Füßen berühren. Zwei Frauen, die eine weißhaarig, die andere etwas jünger. Ihre Köpfe rollten hin und her wie die von Hühnern, die darauf warten, gerupft zu werden, aber allmählich drehten sie sich aufeinander zu, als wollten sie die Unterhaltung fortsetzen, die sie im Schinderkarren, der sie von Bridewell gebracht hatte, begonnen hatten. Ein dünner Regen bedeckte ihre schweren Röcke mit Tropfen. Zwei kleine Jungen warfen Steine auf die Leichen und zielten auf die Füße.

Kitty, Lady Treveryan, schnalzte missbilligend mit der Zunge, als sie vorbeieilten. »Ich sage doch, dass wir die Kutsche hätten nehmen sollen«, sagte sie und würdigte die beiden Frauen kaum eines Blickes. »Immer hält uns irgendetwas auf. Hier ist schon der Laden von Master Ashe. Ich habe gehört, dass seine neue Creme ganz ausgezeichnet für die Hände ist.«

»Ich warte draußen auf dich.«

Perdita hatte das sichere Gefühl, dass sie laut schreien würde, wenn sie eine weitere von Kittys endlosen Unterhaltungen mit einem der Kaufleute erdulden musste. Außerdem hatte eine Hinrichtung immer etwas seltsam Faszinierendes, selbst die von zwei armen Frauen, die ihre Jugend schon hinter sich hatten. Sie fragte sich, was sie wohl für eine Geschichte hatten. Sie waren sicherlich keine Rebellinnen, sonst hätte sie ein schlimmeres Schicksal ereilt als dieses. Hexerei, wahrscheinlich, oder Diebstahl.

Sie wartete vor dem Laden und bemerkte, dass sie beobachtet wurde. Sie war immer sehr aufmerksam, was die. Reaktionen anderer Menschen anging, und spürte sie wie manche Leute eine schwache Brise oder die Wärme eines Feuers. Instinktiv hob sie etwas das Kinn, damit ihre Züge noch besser zur Geltung kamen, und erhaschte gleichzeitig einen Blick ihres Betrachters.

Es handelte sich um einen jungen Mann mit blondem Haar und dem gesunden Aussehen der Leute vom Land, der Pasteten von einem Tablett verkaufte. Perdita stand einen Moment lang reglos da und genoss seine Bewunderung. Sie gewöhnte sich allmählich an die Aufmerksamkeit, die ihr von jungen Männern zuteil wurde, und hatte noch nicht die Zeit gehabt, diese langweilig zu finden. Nicht nur der offenbare Reichtum ihrer Kleider lenkte ihre Blicke auf sie. Mit dunklem Haar, dunklen Augen, heller Haut und schmalem Gesicht entsprach sie überhaupt nicht dem modischen Ideal der fülligen Blondine, aber sie wusste, dass ihre Züge, selbst regungslos, ein Leben und einen Charakter besaßen, die sofort anziehend wirkten. Was sie selbst nicht wusste, der Pastetenverkäufer aber sofort erkannt hatte, war, dass in ihrem Ausdruck auch etwas Ruheloses und Unbefriedigtes lag, ein Hunger, beachtet und bewundert zu werden, der sie von anderen vornehmen jungen Damen unterschied.

Sie ging vorsichtig durch den Schmutz der Straße auf ihn zu. Von dem Tablett stieg der warme Geruch von Butter und Gebäck auf. Verführerisch.

»Nur ein Penny, Mistress«, meinte er. »Vier für Threepence.« Er schaute sie frech an. Seine Jacke war trotz des kalten Märzwindes am Hals offen, und seine muskulösen Schultern und sein blondes Brusthaar ließen sich ahnen. Perditas Augen wanderten, und sie fragte: »Was hatten sie verbrochen?«

»Mord«, sagte er fröhlich, »falls man das so nennen kann.«

»Kann es je Zweifel an Mord geben?«

»Viele Leute würden es einen Dienst nennen, obwohl das natürlich niemand öffentlich zu ihrer Verteidigung sagen würde. Beide waren Hebammen«, und hier unterbrach er sich und betrachtete sie eingehend, ehe er weitersprach, »aber darauf spezialisiert, eine ungewollte Last zu beseitigen, falls Ihr versteht, was ich meine.«

»Eine ungewollte Last?«

»Bastarde.« Er grinste. Er hatte sich, als er seine Rede begonnen hatte, gefragt, wie schnell ihn diese elegante und vornehme junge Dame wohl verstehen würde. Er stellte sich vor, dass sie immer von den brutalen Zwängen verschont geblieben war, denen sich die ausgesetzt sahen, die halb auf der Straße lebten, die Unglücklichen eben, die die Hilfe der Hebammen in Anspruch genommen hatten. Aber sie hatte sofort gewusst, wovon die Rede war, auch wenn sie bei dem Wort ›Bastard‹ zurückgezuckt war. Er fuhr fröhlich fort: »Sie haben die meisten von ihnen erstickt, das behauptet man jedenfalls, obwohl ein paar auch mit der eigenen Nabelschnur erwürgt wurden. Nicht dass ich dem zustimmen würde, versteht sich, aber viele glauben, dass sie allen einen Gefallen getan haben. An unehelichen Kindern herrscht auf dieser Welt kein Mangel. Versucht eine dieser Pasteten, wenn Ihr wollt gebe ich sie Euch zum Sonderpreis. Von meiner Mutter heute Morgen frisch gebacken. Sie wusste, dass hier heute was los sein würde.«

Perdita wich seinem Blick nicht aus, aber ihre Miene war hart und bestimmt. Sie sagte: »Danke, nein. Der Regen hat sie verdorben.« Dann drehte sie sich abrupt um und eilte über die Straße zurück, gerade als Kitty aus dem Laden kam.

»Da bist du«, sagte Kitty. »Ich dachte, du hättest dich wieder davongemacht. Ich scheine dich wirklich dauernd aus den Augen zu verlieren.«

»Gehen wir jetzt nach Hause?«

»Allerdings. Wir können schauen, wie Cullen mit deinem neuen Hut zurechtgekommen ist. Sie kann wirklich gut mit der Nadel umgehen, solange man ihr nicht erlaubt, sich zu beeilen. Daran musst du denken, wenn du sie in Cornwall beaufsichtigen sollst.«

»Ja, Mutter.«

Als sie am Galgen vorbeigingen, achtete Perdita darauf, die Augen abzuwenden. Irgendwo in der Menge weinte ein verlorenes Kind. Kitty sprach von Master Ashes neuer Tinktur und von der Kunst der Hutdekoration. Perdita war bei Kittys Erörterung von Handcremes und Silberborten nun nicht mehr nach Schreien zu Mute: Die Worte des jungen Mannes hatten einen Schrecken wieder erweckt, der ständig nur wenig unter der Oberfläche lauerte. Uneheliche Kinder mussten ermordet, wie unerwünschte Katzenjunge vor die Tür geworfen oder in einem Sack ertränkt werden. Niemanden kümmerte es, was mit ihnen geschah.

Die Magie der Schiffe war verblasst. Es war sicherer, die Rolle der vornehmen jungen Dame zu spielen, die nichts anderes im Sinn hat als Schicklichkeit und schöne Kleider, und nicht an das dunkle Geschäft zu denken, das diese zwei Frauen an den Galgen gebracht hatte.

»Ungewollte Last ...« Diese Worte verfolgten sie. War sie das auch einmal für ihre Mutter gewesen? Für ihre leibliche Mutter, sollte das heißen, nicht für Kitty, Lady Treveryan, die angetraute Frau ihres Vaters, sondern für diese andere Frau, diejenige, die sie zur Welt gebracht und sie dann einer Fremden anvertraut hatte. Sie wusste fast nichts über sie. Sie hatte Geschichten gehört über Magie, die die Diener erzählt hatten, wenn sie glaubten, unbelauscht zu sein, oder vergessen hatten, dass das kleine Mädchen mit dem dunklen Haar und den wachsamen Augen auf der Suche nach Geselligkeit und Wärme in die Küchenregionen geschlichen war.

Kitty war dazu bereit gewesen, das uneheliche Kind ihres Mannes in ihr Heim aufzunehmen, und mehr als das, sie hatte sie mit so viel Liebe erzogen, wie sie vermochte, genau wie ihre beiden eigenen Jungen. Ganz eindeutig war die Hingabe Lady Treveryans an das zweifelhafte Kind ihres Mannes unnatürlich.

Gerüchte hatte es schon wie unerwünschte Paten an der Wiege Perditas gegeben ... Geflüsterte Geheimnisse und Andeutungen waren ihr seither immer wie Schatten gefolgt. Würde sie diese etwa nie abschütteln können?

Sie war trotz ihrer Abstammung als Tochter eines Gentleman erzogen worden und zu stolz, um sich mit dem Zweitbesten zufrieden zu geben. Sie war entschlossen, ihre ganze Intelligenz und Kraft darauf zu verwenden, die gesellschaftliche Stellung einzunehmen, die ihr ihre zweifelhafte Herkunft vielleicht verwehrt hätte. Das wunderschöne Schiff, auf das sie über den Dächern der Stadt einen Blick geworfen hatte, war vergessen. Es war doch weitaus besser, das richtige Grau für ihre Hirschlederhandschuhe zu wählen und den guten Sitz des dünnen Leders zu spüren. Ausgezeichnetes Benehmen und alles, was zu einem legitimen Status gehörte, und jede bekannte weibliche List musste sie zu ihrer Hilfe aufbieten. Eines Tages, das gelobte sie sich in einem stillen Gebet, würde sie so reich und mächtig werden, dass ihr keine üble Nachrede mehr etwas anhaben konnte.

An diesem Abend brachte Kitty ihre Schmuckschatulle in das große Zimmer ihrer gemieteten Londoner Wohnung und nahm daraus ein Paar Ohrringe hervor. »Probier die an, Perdita«, sagte sie. »Mein erster Mann hat sie mir geschenkt, als ich kaum älter war als du jetzt. Nimm sie mit nach Cornwall. Nichts macht sich auf junger Haut besser als Perlen. Ich wurde immer sehr bewundert, wenn ich sie trug.«

Als sie die Ohrringe anprobierte, war Perdita so aufgeregt, dass sie ihre übliche Vorsicht vergaß. »Wie sehe ich aus, Vater? Sind sie nicht elegant?«

Sir Richard Treveryan, der gerade durch das Zimmer ging und das Haus verlassen wollte, blieb stehen, um seine Tochter zu betrachten. Sie fühlte ihr Selbstvertrauen schwinden. Etwas tief in ihr zog sich immer zusammen und wurde hart und böse, wenn sie seinen dunklen Blick auf ihrem Gesicht fühlte, als würde er sie mit einem Bild vergleichen, dem sie nie gerecht wurde.

»Das wird schon gehen.« Aber sein Mangel an Begeisterung war ihm deutlich anzumerken.

Kitty eilte zu Perditas Verteidigung. »Habt Ihr sonst nichts zu sagen, Sir?«, fragte sie mit schriller Stimme. »Wollt Ihr meine ganze harte Arbeit an dem Kind zunichte machen? Was denkt Ihr Euch eigentlich dabei, mit ihr zu dieser Jahreszeit so eilig nach Cornwall aufzubrechen? Und noch dazu zu Pferde, wo doch alle Damen heutzutage mit der Kutsche reisen, zumindest bis Exeter. Ihr Gesicht wird Wind und Regen ausgesetzt sein, und ihr Haar wird vollkommen durcheinander geraten. Ich glaube wirklich, dass Ihr der Schwierigste und eigensinnigste Mann seid, der je das Licht der Welt erblickt hat. Ihr hört nie auch nur ein Wort von dem, was ich sage!«

Ihr schwierigster und eigensinnigster Ehemann unterbrach ihren Redeschwall: »Leider höre ich Euch doch, Kitty, obwohl Ihr Recht habt, dass ich mir alle Mühe gebe, Euch nicht zu hören.«

Sie schaute mit erbostem Gesicht zu ihm auf. »Ihr, Sir, findet es vielleicht amüsant, die ordentliche Kleidung eines Gentleman zu verachten, aber Perdita ist als Dame erzogen worden. Ich will nicht, dass sie wie eine Landstreicherin aussieht.«

Richard schaute zum Fuß der Treppe und auf den Berg von Koffern und Mantelsäcken, in die Perditas Garderobe in den letzten Tagen verpackt worden war, nur um immer wieder umgepackt zu werden. Er sagte trocken: »Eure Ängste, Madam, könnten sich als etwas übertrieben erweisen. Außerdem wünsche ich ebenfalls, dass unsere Tochter wie eine Dame auftritt.«

Kitty ließ sich nicht so leicht besänftigen. Ihre Stirn lag vor Gram in Falten. Ihre Sorge betraf weit mehr als nur Handschuhe und Cremes und ordentliche Kleidung, aber über ihre wahre Ursache durfte nicht gesprochen werden. Dieses junge Mädchen an der Schwelle zur Frau, dieses Kind, dass ihr nichts als Schande hätte bringen sollen und ihr stattdessen die größte Freude bereitet hatte, die sie je gekannt hatte, wurde ihrem Schutz entrissen; und sie konnte nichts tun, um das zu verhindern.

Schlimmer noch, Richard nahm sie mit nach Cornwall. Sie hatte keine Vorstellung, was er mit dieser Reise bezweckte. Sie wusste nur – und dieses Wissen machte ihr das Herz schwer dass sie vor langen Jahren die Liebe ihres Mannes auf den düsteren Mooren und nebligen Landzungen von Cornwall verloren hatte, und jetzt fürchtete sie, auch noch ihre Tochter zu verlieren.

Sir Richard Treveryan eilte aus dem Haus, und die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloss. Da der Verursacher ihres Zornes verschwunden war, begannen nun Kitty und Perdita miteinander zu zanken, bis Perdita wütend das Zimmer verließ und meinte, sie könne es nicht abwarten, nach Cornwall aufzubrechen, worauf Kitty entgegnete, sie sei froh, sie loszuwerden, denn sie sei nur beschwerlich gewesen, seit ihr Vater vor sechs Monaten nach England zurückgekehrt sei.

Während ihrer Kindheit hatte Perdita ihren Vater kaum gesehen. Er hatte sich erst spät den Royalisten angeschlossen und seine Schiffe 1644 in den Dienst des Königs gestellt. Nach der Niederlage Charles' I. und seiner Hinrichtung blieb er mit dem Sohn des Märtyrers im Exil und besuchte seine Familie ein Paar Mal, als er im Auftrag des Königs als Spion nach England kam. Für Perdita, seine Erstgeborene, hatte er damals etwas fast Übermenschliches, es wurde viel von ihm geredet, aber sie bekam ihn kaum jemals zu Gesicht.

Im vergangenen Jahr, 1660, war Charles Stuart, der Sohn des ermordeten Königs, nach London zurückgekehrt und wie ein Held gefeiert worden. Im September war dann auch Richard wieder zu seiner Familie zurückgekommen. Zu Perditas Enttäuschung war er kalt und abweisend, ein ganz anderer, als der weise und liebende Vater, den sie sich ausgemalt hatte. Noch mehr verletzte sie, dass er sich meist ihren jüngeren Halbbrüdern widmete und sie selbst grausam missachtete.

Das dauerte bis zu dem Tage, an dem ihm eine Audienz beim König gewährt wurde. Er wartete mit seiner Familie bei der Menge, die sich immer in den Vorzimmern des königlichen Palastes in Whitehall drängte, als ein Mann, der wie ein Schurke aussah, auf ihn zukam und behauptete, er hätte ihm nach der Niederlage des Königs in Worcester zu seiner Flucht aus England verholfen. Perdita hatte den Wortwechsel zwar gesehen, aber nicht gehört, was gesagt worden war. Sicher wusste sie nur, dass ihr Vater sehr bewegt gewesen war, als sie endlich zum König vorgelassen wurden. Er hatte Perdita extra rufen lassen und gesagt, dass sie sich allein unterhalten müssten. Zum ersten Mal hatte er sie voll Zuneigung angeschaut.

Später an diesem Tag hatte er sie in sein Arbeitszimmer eingeladen und ihr von ihrer leiblichen Mutter erzählt, Margaret Hollar, die in Cornwall gelebt hatte und dort gestorben war. Er hatte ihr gesagt, dass sie ein Kind großer Liebe sei, auch wenn sie nicht innerhalb einer Ehe geboren worden wäre, und deswegen hätte sie keine Veranlassung, sich zu schämen. »Deine Mutter«, hatte er gesagt, »war die beste, beharrlichste, aufrichtigste und tapferste Frau, der ich je begegnen durfte. Sie zu lieben war die große Freude meines Lebens, das Einzige, worauf ich je stolz sein konnte, so wie ich jetzt auf dich stolz bin.«

Perdita konnte ihren Ohren kaum trauen. Sie hatte immer geglaubt, dass er ihre wirkliche Mutter gehasst hätte und sie deswegen stets so unwirsch anschaute. »Warum habt Ihr Euch dann von ihr getrennt?«, hatte sie gefragt. »Warum hat sie mich Eurer Frau anvertraut?«

»Weil ...« An jenem Oktoberabend, nach der Audienz beim König, hatte sich Richard von seinem Sessel erhoben und war langsam zum Fenster gegangen. »Weil alles ein einziges Durcheinander war, und wir nicht klar sahen, jedenfalls noch nicht. Sie dachte, dass sie ihren Sohn retten könnte, wenn sie das aufgeben würde, was die Menschheit Verworfenheit nennt. Und ich war zu stolz und zu skeptisch und außerdem ein armseliger blinder Dummkopf, und für diese Torheit bin ich dann auch ausreichend bestraft worden.«

»Aber warum habt Ihr ...«

»Genug.« Er hatte sein Gesicht abgewandt, aber Perdita hörte, dass er immer noch sehr bewegt war. »Genug für heute. Wir werden darüber ein andermal sprechen. Gehe jetzt bitte.«

Sie hatte nicht weiter gefragt. Sie hatte leise das Zimmer verlassen und ihn mit seinen Erinnerungen, den Erinnerungen eines alten Mannes, allein gelassen. Ihre Neugier war zwar alles andere als befriedigt gewesen, aber sie hatte seine knappen Worte, um sich an ihnen zu erfreuen, und sie war sich sicher, dass sie bald wieder darüber sprechen würden.

In dieser Nacht war ihr Vater jedoch von einem Fieber befallen worden, eines von denen, die ihn immer wieder heimgesucht hatten, seit er in jungen Jahren auf seinem eigenen Schiff in den Tropen unterwegs gewesen war. Mehrere Wochen lang hatte sich nur Viney, sein alter Diener, um ihn kümmern dürfen.

Perdita hatte anderes gefunden, um sich abzulenken. In diesem ersten Winter der wieder eingesetzten Monarchie war London eine Stadt der Zerstreuungen, ein idealer Ort für eine junge Dame aus reicher Familie, um sich zu amüsieren. Böse Zungen mochten sie hinter ihrem Rücken als Lady Treveryans Wechselbalg bezeichnen und sich über den Großmut einer Frau verwundern, die das uneheliche Kind ihres Mannes zusammen mit ihren beiden eigenen Söhnen aufzog, doch im direkten Umgang waren die meisten Leute doch höflich zu ihr. Sie entdeckte, dass ihr das Flirten nicht schwer fiel, und bald gab es einige Freier, die ihr den Winter. über die Zeit vertrieben. Die jungen Männer waren jedoch eher zurückhaltend, da es nicht sicher war, ob sich die Nachsicht der Treveryans dem Mädchen gegenüber auch auf ihre Mitgift auswirken würde.

Sobald seine Gesundheit einigermaßen wieder hergestellt war, schickte Richard seine zwei Söhne, die mittlerweile sechzehn und fünfzehn Jahre alt waren, mit einem Hauslehrer und mit der strikten Anweisung, die Zeit nicht mit Glücksspiel und Hahnenkämpfen zu vergeuden, nach Oxford. Er hatte geschäftlich zu tun, und obwohl seine bisherige Kälte Perdita gegenüber nicht zurückkehrte, lud seine Art auch nicht zu Vertraulichkeiten ein. Sie spürte, dass es keinen Sinn hatte, in ihn zu dringen.

Perdita war sich von frühester Kindheit ihrer heiklen Position im Treveryan-Haushalt bewusst gewesen und hatte verstanden, wie wichtig es war, sich die, die ihr am nächsten standen, geneigt zu machen. Andere Töchter konnten es sich erlauben, launisch und ungehorsam zu sein, Perdita nie. Jeden Moment konnte das Kuckuckskind aus dem Nest geworfen werden.

Als Richard auf die beiden jungen Männer aufmerksam wurde, die seiner Tochter den Hof machten, sagte er ihr, es sei ihre Sache, wie sie sich amüsiere, sie solle die zwei jedoch nicht ermutigen; er habe andere und bessere Pläne für sie.

Perdita war neugierig, wusste aber, dass er ihr eher etwas erzählte, wenn sie ihn nicht mit Fragen bedrängte. Jetzt war sie fast achtzehn und hatte damit ein Alter erreicht, in dem diese Angelegenheiten entschieden werden mussten. Ihre eigenen Ansichten über die Ehe wechselten zwischen zwei Extremen. Gelegentlich war sie der Meinung, dass es schön sein müsste, zu lieben und geliebt zu werden, und stellte sich einen gut aussehenden Freier vor, der ihr seine grenzenlose Leidenschaft für sie offenbarte. Dann, besonders wenn man sie geschnitten hatte oder wenn ihr irgendein gemeiner Klatsch zu Ohren gekommen war, versuchte sie sich auch wieder davon zu überzeugen, dass sie sich allein von ihrem Verstand leiten lassen sollte. Eine solide Heirat mit einem reichen Mann, ein guter Name und eine Stellung in der Gesellschaft, nur das zählte. Aus Liebe heiraten war ein Luxus, auf den nur adlige Frauen hoffen konnten. Im Augenblick war sie jedoch zufrieden, mit jedem Mann flirten zu können, der ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, und abzuwarten, was ihr Vater für sie geplant hatte.

Sie vermutete, dass sie nicht mehr allzu lange zu warten bräuchte. Mit dieser Reise nach Cornwall musste ihr Vater einfach einen bestimmten Zweck verfolgen.

Zwei Tage später, in der grauen Kälte der Märzdämmerung, waren sie endlich zum Aufbruch bereit. Perdita hatte eine neue kastanienbraune Stute, einen pelzverbrämten Reitmantel und warme Handschuhe. Richard Treveryan saß auf einem großen Braunen. Sein Diener Viney war in Anbetracht des langen Rittes, der ihnen bevorstand, sehr bedrückt. Adam, der Stallbursche, war aufgeregt, und Perditas Zofe Cullen, die noch nie in ihrem Leben London verlassen hatte, hatte Angst vor dem unwirtlichen Land und den seltsamen Leuten, denen sie wahrscheinlich begegnen würden. Kitty war geschäftig und nervös. Die beiden Packponys warteten mit hängenden Köpfen, als das Gepäck aufgeladen und festgebunden wurde. Richard konnte seine Ungeduld nur schwer unterdrücken.

Und dann ritten sie schließlich mit klappernden Hufen die Straße entlang und auf die grünen Felder jenseits des St. James's Palace zu. Bald lagen der Lärm, die Geschäftigkeit und Gerüche der Hauptstadt hinter ihnen. Nach weniger als einer Stunde war die Stadt London mit ihren engen Gassen, überlaufenden Rinnsteinen, phantastischen Stadtpalästen und stickigen Kellerwohnungen, mit all ihrer lauten, schmutzigen und glanzvollen Einzigartigkeit nur noch ein grauer Fleck Rauch am fernen Horizont, der schließlich ganz aus der Sicht verschwand.

Eine Melodie kam Perdita in den Sinn: Ein Lied, das von einer Reise nach Westen, Richtung Sonnenuntergang und zu möglichen Abenteuern handelte.

Am folgenden Morgen, als sie aus der Wärme ihres Gasthauses traten und zu den Ställen gingen, wo ihre Pferde warteten, war jeder Gedanke an Abenteuer verflogen. Perdita war so steif, dass sie kaum laufen konnte, und wieder auf ihr Pferd Nimble aufzusteigen war reine Tortur. Aber sie nahm sich zusammen und brachte sogar ein gleichmütiges Lächeln zu Stande, als ihr Vater auf ihre Höhe kam. »Bist du wund geritten, Tochter?«

»Keinesfalls.« Perdita fiel das Sprechen schwer, weil ihre Zähne klapperten und alle ihre Glieder schmerzten. »Ich freue mich schon auf den heutigen Ritt.«

Er lachte. »Das Lügen steht dir«, meinte er und tätschelte ihre behandschuhte Hand.

Cullen hatte keinen Grund, Stärke zu zeigen und schniefte laut, als sie den Hof des Gasthauses verließen. Sie war hinter dem Stallburschen Adam aufgesessen und konnte sich nicht rühren.

Sie ritten nach Westen. Der Himmel wurde dunkler, und es wurde kälter. Cullens Gejammer ging in ein rhythmisches Stöhnen im Takt der Pferde über. Ein- oder zweimal ritt Richard etwas langsamer, um zu sehen, wie es seiner Tochter ging, und sie versicherte ihm, sie sei guter Dinge, da Gleichmütigkeit offenbar das war, was auf dieser Reise verlangt wurde.

Etwa acht Meilen vor Reading setzte Schneeregen ein, und die feuchte Kälte drang Perdita bis auf die Knochen. Halb betäubt erinnerte sie sich an Geschichten von Seeleuten, die man tot, festgefroren an der Takelage ihrer Schiffe gefunden hatte. Sie musste ihre ganze Kraft zusammennehmen, um aufrecht im Sattel sitzen zu bleiben. Die Kälte war jetzt die größere Qual, die sie ihre schmerzenden Glieder vergessen ließ. Obwohl sie sich einen Schal um das Gesicht gebunden hatte, stach ihr der Schneeregen in die Augen und schmerzte auf der Haut. Sie hatte keine Vorstellung mehr davon, wo sie sich befanden, und es verging einige Zeit, ehe sie merkte, dass ihr Vater erneut zurückgeblieben war, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Sie versuchte ihm zu versichern, es gehe ihr gut, aber ihr Arm war so kalt, dass sie ihn nicht mehr heben konnte, um sich den Schal vom Mund zu ziehen, und deswegen verstand er sie nicht.

Sie sah, wie Richard die Stirn runzelte und ihre Zügel ergriff, um ihre beiden Pferde zum Stehen zu bringen. Er schien sie dazu aufzufordern, abzusteigen, aber sie hatte sich in dem Bemühen, aufrecht im Sattel sitzen zu bleiben, so verspannt, dass sie sich kaum noch bewegen konnte. Er rief den anderen etwas zu, stieg dann ab und trat an ihre Seite. Er hob die Arme, aber Perdita bewegte sich immer noch nicht.

Er packte sie bei der Taille und zog sie herunter. Ein neuer Schmerz schoss durch ihre Beine, als ihre Füße den Boden berührten, und in plötzlicher Dunkelheit setzte sie den Weg nach unten fort. Richard fing sie auf und hielt sie an sich gepresst. Sie hörte seine Stimme: »Das Kind ist halb tot vor Kälte.« Zu Viney sagte er. »Warum hat sie mir kein Wort gesagt?« Und dann zu ihr: »Hier, trink das.«

Sie spürte kaltes Metall an den Lippen und dann eine seltsame Flüssigkeit im Mund, die in der Kehle brannte. Perdita hustete und riss die Augen auf. Ihr Vater betrachtete sie mit grimmigem Gesicht. »Danke«, sagte sie mit schwacher Stimme.

»Kannst du dich bewegen? Hier, tritt fest mit den Füßen auf. So. Bewege jetzt die Arme.«

Sie tat, was er verlangte. Nach ein paar Minuten war ihr warm genug, um sagen zu können: »Das ist besser. Jetzt geht es wieder.« Obwohl die Worte seltsam klangen, da ihre Zähne klapperten. Sie ging auf Nimble zu, um aufzusteigen, aber Richard hielt sie zurück.

»Du bist wirklich zäh, das muss ich zugeben«, sagte er, »aber ich denke, du solltest den Rest des Tages besser auf meinem Pferd mitreiten.« Er hob sie auf seinen Braunen, setzte sich dann hinter sie und legte Mantel und Arme um sie. Die kleine Kavalkade setzte sich erneut in Bewegung. Perdita hatte sich noch nie so froh gefühlt.

»Ist es dir jetzt wärmer?« Sie hörte die Frage direkt hinter sich.

»Viel wärmer. Aber ich hätte gerne noch etwas von diesem vorzüglichen Stärkungsmittel.«

Er lachte. »Wir werden dich schon mit Glühwein wieder aufheitern, wenn wir ins Gasthaus kommen. Du kannst nicht schon am zweiten Tag unserer Reise auf den Geschmack für Branntwein kommen. Das würde mir deine Mutter nie verzeihen. Stärkungsmittel, aber wirklich.«

Perdita lehnte ihre Wange gegen die raue Oberfläche seines Ledermantels und atmete den warmen Geruch von Leder und Tuch ein, von Pferd und Mann. Sie hatte den Mantel ihres Vaters halb über das Gesicht gezogen und sah deswegen nur sehr wenig. Von Zeit zu Zeit tauchten die gefleckten Nüstern von Vineys kräftigem, gedrungenem Pferd neben ihr auf und blieben dann wieder zurück. Sie konnte die Hand ihres Vaters sehen, die in einem dicken Stulpenhandschuh steckte und die Zügel hielt, und den Schneeregen, der von einem bleigrauen Himmel fiel, und die trostlose Landschaft, die Wagenspuren, Pfützen und Schlaglöcher auf der Straße. Sie spürte, dass der Mann hinter ihr immer glücklicher wurde, und nach einer Weile begriff sie, warum.

Sie kamen zu den ersten Häusern von Reading, und Richard sagte zu seinem Diener: »Wir müssen in kürzeren Etappen reisen, wenn dieses schlechte Wetter anhält. Leider. Gut, wieder nach Westen zu reisen, was, Viney?«

»Wirklich lange her«, war die einsilbige Antwort – eine lange Rede für den schweigsamen Viney.

Richard musste seine Ungeduld jedoch nicht sehr lange zügeln. Jener zweite Tag mit Schneeregen und Schlamm war bei weitem der schlimmste. Am dritten Morgen schien die Sonne auf eine frostige Landschaft, und am vierten, als sie sich auf den Weg nach Newbury machten, hatte sich sogar Cullen mit der endlosen Reise ausgesöhnt und schaute sich mit verhaltener Neugier um. Perdita ihrerseits begann einiges Verständnis für den Abscheu ihres Vaters vor dem Reisen mit der Kutsche aufzubringen. Als ihre Glieder sich an die langen Stunden im Damensattel gewöhnt hatten, fand sie diese Reise angenehmer als die mit ihrer Mutter von Plymouth nach London im vorangegangenen Sommer. Im stickigen Innern einer Mietkutsche durchgeschüttelt hatte sie qualvolle Übelkeit und Langeweile erdulden müssen. Jetzt saß sie auf ihrer freundlichen Stute und folgte zufrieden dem Mann auf dem großen Braunen, der immer ein kleines Stück vor ihr her ritt.

Dem Mann, den sie kaum kannte, der aber ihr Vater war.

Kapitel 2

Ihre Reise führte sie über die Ebene von Somerset, eine traurige Gegend mit gewaltigem Himmel und vereinzelten Vögeln. Die wenigen Behausungen schauten kaum über das Ried, und es gab keinen Schutz vor dem schneidenden Wind. Perdita schaute nach oben, um einem Zug Gänse mit dem Blick zu folgen, die auf dem Weg zu dem fernen Horizont waren.

Ihr erster Gedanke war, dass Nimble gestolpert sein musste. Sie versuchte Ordnung in die Zügel zu bringen, aber der Kopf eines Mannes tauchte auf der Höhe ihres Knies auf, und die Hand eines anderen hatte die Zügel ergriffen. Zwei Augen schauten aus einem Antlitz zu ihr herauf, das so borstig war wie das eines Wildschweins.

»Steigt schon ab, Mistress«, sagte er und atmete dabei schnell und schwer. »Wir bekommen das Pferd, und dann könnt Ihr sehen, dass Ihr weiterkommt.«

Perdita hörte Cullens entsetzten Schrei und das Wutgebrüll ihres Vaters. Ein halbes Dutzend Männer musste sich im Graben versteckt haben und gleichzeitig aufgesprungen sein. Mindestens zwei versuchten mit Treveryan fertig zu werden.

»Verschwinde!«, schrie sie.

Der Mann bekam ihre Röcke zu fassen, um sie herabzuziehen. Instinktiv trat sie mit dem Stiefel nach ihm und traf ihn an der Schulter. Er fluchte fürchterlich und packte sie am Knöchel. Nimble tänzelte hin und her und warf sich dann vor, und Perdita lehnte sich zur Seite, klammerte sich an der Mähne fest und trat, so fest sie konnte, aber der Mami ließ nicht los. Sie begann zu Boden zu gleiten. Überall um sie herum waren die Geräusche des Kampfes zu hören.

Ein Schuss wurde nahe an ihrem Ohr abgefeuert. Ein Reiter tauchte neben ihr auf und hatte den Arm zum Schlag erhoben. Richard hielt seine Pistole am Lauf und schlug ihrem Angreifer den Kolben mit solcher Kraft auf den Schädel, dass er sofort losließ und zurückwankte. Blut floss aus einer tiefen Wunde über seinem Ohr. Perdita, die halb vom Pferd gefallen war, krabbelte, so gut es ging, zurück in den Sattel, packte die Zügel und riss das Pferd herum, um zu sehen, was vorging.

Viney hatte sich keine Sekunde im Sattel halten können; er taumelte die Straße entlang und einem alten Mann hinterher, der, so schnell er konnte, sein Pferd wegführte. Inzwischen hatten die Straßenräuber, die bei einer kleinen Gruppe Reisender nie mit so viel Widerstand gerechnet hatten, ihren fluchtartigen Rückzug angetreten.

Plötzlich stieß Perdita einen erschrockenen Schrei aus. Während sie vom Kampf abgelenkt worden waren, hatten zwei der Straßenräuber die Packpferde losgemacht und rannten jetzt über das Moor. Die beiden beladenen Ponys trotteten mit gestrecktem Hals hinter ihnen her. Perdita war entsetzt, die Taschen und Mantelsäcke mit ihren wertvollen Hüten, Röcken und Unterröcken einfach verschwinden zu sehen. Ihr Vater, der immer noch mit dem Unhold beschäftigt war, der Vineys Pferd stehlen wollte, hatte nichts bemerkt. Aber da gab der Stallknecht Adam seinem Pferd die Sporen und ritt im Galopp ihrer verschwindenden Habe hinterher. Cullen saß dabei im Damensattel hinter ihm und kreischte bei dem plötzlichen Galopp vor Angst. Sie klammerte sich an ihm fest und presste ihr Gesicht an seinen Rücken. Plötzlich hatte ihre eben noch so gefährliche Lage etwas Komisches, und Perdita, die sah, dass ihre Habseligkeiten gerettet werden würden, brach in lautes Gelächter aus.

Adam trabte wieder zur Landstraße zurück, die Packpferde führte er am Zügel. Cullen jammerte immer noch vor Angst und klammerte sich an ihm fest wie Efeu an einen Baumstamm. Adams Hut saß schief und er keuchte und grinste gleichzeitig triumphierend.

Richard ritt auf seine Tochter zu. Sie betrachtete ihn mit glänzenden Augen. »Gefallen dir Abenteuer?«, fragte er. »Ich wusste nicht, dass du so tapfer bist.«

Perdita wünschte, sie würde nicht immer noch vor Schreck zittern. »Ich hatte überhaupt keine Angst«, sagte sie, fügte dann jedoch wahrheitsgemäß hinzu: »Ich dachte, ich würde welche haben.«

Richard nickte. »Jetzt müssen wir entscheiden, was wir mit unseren Gefangenen machen sollen.« Er betrachtete die beiden Männer mit Abscheu. Der Unhold, der Perdita angegriffen hatte, lag immer noch auf den Knien und hielt sich den Kopf mit den Händen. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor. Der andere, ein älterer Mann mit weißem Haar und einem grauen Bart, schaute mit leerem Blick zu Richard auf. Dieser lehnte sich vor. »Bist du der Anführer?«

»Wir haben keinen Anführer«, erwiderte der Alte mit fester Stimme, »aber ich bin mit Abstand der Älteste. Bestraft mich, aber lasst die anderen gehen.«

»Ich tue, was ich für richtig halte«, sagte Richard nachdenklich. »Bist du hier aus der Gegend?«

»Geboren und aufgewachsen in Lancashire, Sir. Landarbeitersohn, aber niemand will mir eine Arbeit geben, da ich zwanzig Jahre lang Soldat war.«

»In der Armee Cromwells?«

»Für König Charles bis Marston Moor. Dann auf Seiten des Parlaments. Ich war viele Jahre in Irland.«

Richard wandte sich an Perdita. »Nun, Tochter, was sollen wir mit diesen Schurken tun? Sollen wir sie der Gerichtsbarkeit überantworten?«

»Natürlich, Vater. Auspeitschen ist für sie noch zu gut. Sie haben verdient, für ihre Verbrechen zu hängen.«

Er betrachtete sie nachdenklich. »Du gehst sehr großzügig mit Menschenleben um«, meinte er. »Deine Mutter hätte sie wahrscheinlich noch für ihre Unverschämtheit belohnt. Habe ich Recht, Viney?«

Viney fing den Blick seines Herrn auf und fuhr sich mit der Hand über den Mund, aber wie gewöhnlich sagte er nichts.

Perdita konnte das nicht fassen. Noch vor einem Monat hatte Kitty einen Diener geschlagen, weil dieser einen Klacks Butter gestohlen hatte. Aber dann wurde ihr klar, dass ihr Vater von dieser anderen Frau gesprochen hatte, ihrer leiblichen Mutter, und sie sagte nichts; sie dachte jedoch, dass diese eine sehr seltsame Frau gewesen sein musste, wenn sie nicht an eine richtige Bestrafung von Verbrechern geglaubt hatte.

Richard wurde plötzlich ungeduldig. Er riss sein Pferd herum und gab den anderen ein Zeichen, ihm zu folgen. Zu den beiden Übeltätern sagte er: »Geht, fort mit euch. Ich sollte euch den Richtern in Taunton vorführen, aber das würde mich nur aufhalten. Ich beabsichtige jedoch, Bericht zu erstatten, also kümmert euch um eine ehrliche Arbeit, und zwar weit weg von hier.«

Die beiden Männer starrten ihn etwas dumm an und konnten es erst gar nicht glauben, dass sie auf freien Fuß gesetzt wurden. Adam gab dem jüngeren einen Stoß mit der Stiefelspitze. Cullen schaute die beiden über seine Schulter hinweg an.

Plötzlich kam der ältere Mann wieder zur Besinnung. Er hob seinen Hut auf, der während des Kampfes auf die Erde gefallen war, fasste seinen verwundeten Kameraden am Ellbogen und ging langsam von der Landstraße weg. In kurzer Zeit waren sie in einer Senke verschwunden. Die Reisenden setzten ihren Weg fort.

Perdita setzte ihre Stute in Trab, um ihren Vater einzuholen. »Warum habt Ihr sie gehen lassen?« Er zuckte mit den Schultern.

»Ihr habt dabei doch an sie gedacht?«

»Vielleicht.«

»Warum habt Ihr gesagt, sie hätte sie auch noch belohnt? Das kann doch nicht sein.«

»Frag Viney.«

»Der wird mir nichts sagen. Der sagt doch nie ein Wort.«

»Das ist seine größte Tugend.«

»Bitte sagt es mir, Vater.« Die Aufregung des Angriffs hatte Perdita ihre Selbstbeherrschung für den Augenblick vergessen lassen.

»Du bist sehr beharrlich.«

»Sonst würde ich nie etwas erfahren.«

»Das stimmt. Nun denn. Viney kam aus dem Haushalt deiner Mutter zu mir. Die Art, wie sie ihn angestellt hat, war etwas unorthodox.« Während er sprach, drehte sich Richard zu seinem Diener um, der geradeaus vor sich hin starrte, als würde ihn seine Vergangenheit nichts angehen.

»Wie das?«, fragte Perdita.

»Sie begegneten sich zum ersten Mal, als er ihr Haus überfiel. Ich glaube, dass er damals einfach Hunger hatte. Sie gab ihm etwas zu essen, kleidete ihn ein und behielt ihn.«

»Warum ließ sie ihn nicht bestrafen?«

»Soweit ich mich erinnere, hatte das damit zu tun, dass er sie an ein schwarzes Schaf erinnerte.«

»Aber das ist doch Unsinn!«

»Das sagten damals auch alle. Besonders ich.«

»Ich meine, Vater, wirklich ...« Perdita war so entsetzt, dass sie ganz außer Atem geriet. »Wenn alle das täten, wo würde das enden?«

»Ja, wo? Reg dich nicht auf, Perdita. Glücklicherweise hat dich Kitty so erzogen, dass du weißt, was du von allem zu halten hast. Du bist ihr wirklich zum Verwechseln ähnlich.«

Die Art, wie er das sagte, zeigte Perdita, dass sie ihn enttäuscht hatte. Sie spürte, dass ihm diese andere, verrückte Frau lieber gewesen war, die Räuber in ihr Haus einlud, aber ihr eigenes Kind einfach weggab. Diese unsinnige Reaktion ihres Vaters machte ihr mehr Angst als der Überfall der Räuber.

Da wurde sie plötzlich wütend. Sie wollte nicht mit jemand anderem um seine Zuneigung buhlen müssen, diese Zuneigung, die sie geahnt hatte, als er sie für tapfer und zäh hielt, die aber jetzt wieder schwand. Und das alles wegen irgendeiner eigensinnigen Frau, die nicht gewusst hatte, was anständig und richtig war.

Auf der Ebene von Somerset schien die Dunkelheit der Abenddämmerung aus dem Boden zu steigen. Die Aufregung, hervorgerufen durch die Begegnung mit den Straßenräubern, ließ nach, und Perdita war tief in Gedanken.

Als sie Taunton erreichten, war es fast ganz dunkel. Perdita liebte es, neben ihrem Vater in eine fremde Stadt zu reiten. Sir Richard Treveryan verachtete ja vielleicht modische Kleidung, aber er war trotzdem ganz offensichtlich ein reicher und mächtiger Mann, bei dessen Anblick die Menschen in ihren Verrichtungen innehielten, um ihm und seinen Begleitern hinterherzuschauen. Ungeachtet ihrer Müdigkeit, saß Perdita dann immer ganz aufrecht im Sattel und strich den Pelzbesatz ihrer Haube zurück, um mit den Perlenohrringen anzugeben, die ihr Kitty gegeben hatte. Dann zog sie die Falten ihres Umhangs etwas hoch, damit auch alle ihre Röcke, Unterröcke und eleganten Lederstiefel bewundern konnten.

Am Abend nach ihrer Begegnung mit den Straßenräubern, als sie gerade in die gepflasterte Seitenstraße einbogen, die zum Mitre Inn führte, bemerkte sie, dass sie nicht allein die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zogen. Neben der Tür des Gasthauses standen von einer flackernden Fackel beleuchtet zwei Männer auf einer rohen Holzkiste. Der eine trug einen Hut mit einer breiten Krempe und einen weiten, schäbigen Mantel. Auf der Geige spielte er eine muntere Melodie. Der andere, der etwa in Perditas Alter war, schlug auf einer kleinen Trommel den Takt und gab in einem seltsamen Singsang bekannt, dass genau an diesem Abend im Hof des Mitre Inn eine Vorstellung gegeben würde. »Musik, Jongleure und Theaterspiel ... kommt und seht, kommt und seht ...«

Und dann sah Perdita etwas, was sie überhaupt nicht verstand. Als Richard zu der Durchfahrt ritt, die in den Innenhof führte, blickte der Geiger stirnrunzelnd zu ihm auf. Dann wandte er sich hastig ab und verbarg sein Gesicht unter der breiten Hutkrempe. Als hätte er Angst, erkannt zu werden.

Es lief Perdita kalt den Rücken herunter. Steckte er etwa mit den Straßenräubern, die sie angegriffen hatten, unter einer Decke? Im nächsten Augenblick war Richard unter dem Torbogen verschwunden, und der Geiger drehte sich um und schaute sie direkt an.

Perdita hielt den Atem an. Das war wirklich ein sehr seltsames Gefühl. Sie war sich ganz sicher, dass sie den Mann noch nie in ihrem Leben gesehen hatte – dieses Gesicht mit den dunklen, leicht schrägen Augen und dem großen, empfindsamen Mund hätte sie nie vergessen –, und doch schaute er sie an, als würde er sie kennen. Sein Blick schien tief in ihr Herz zu dringen, obwohl er nicht lächelte oder grüßte. Es war unmöglich, sich von diesen allsehenden, allwissenden Augen abzuwenden.

Dann war sie an ihm vorbei, und Nimbles Hufe klapperten auf den Pflastersteinen des Hofs. Pferdeknechte und Schankjungen kamen angelaufen, um sich um sie zu kümmern. Perdita ließ sich vom Pferd gleiten und folgte ihrem Vater in die Schankstube, in der sich bereits zahlreiche Bewohner der Stadt drängten, die auf die abendliche Vorstellung warteten.

Ein paar Stunden später, nachdem Cullen Perditas Hände und Füße in einem Bottich heißen Wassers gewaschen hatte und sie und ihr Vater ein gutes Mahl vor einem prasselnden Feuer verzehrt hatten, hatte Perdita den Vorfall vor dem Mitre beinahe vergessen. Wenn sie überhaupt daran dachte, dann führte sie ihre Reaktion auf die Anstrengungen und Aufregungen des Tages zurück. Inzwischen drängte sich eine ausgelassene Menge auf dem Innenhof, Fackeln brannten, um das Dunkel der Nacht zu vertreiben, und die Vorstellung hatte begonnen. Perdita beugte den Kopf vor, um besser durch die winzigen Fensterscheiben sehen zu können.

»Willst du das Stück sehen?« Richard betrachtete sie.

»Sehr gerne. Können wir es nicht anschauen, Vater?«

»Ich muss den Richter aufsuchen und die Männer melden, die uns angegriffen haben.« Er schaute auf Cullen, die vor Erschöpfung eingeschlafen war, und dann auf Viney, der betrübt in seinen leeren Ale-Krug starrte. Er sagte: »Du kannst es dir anschauen, wenn du willst, aber sieh zu, dass du Viney immer an deiner Seite hast. Auf dem Land kann es so wüst zugehen wie in jeder billigen Londoner Schenke, wenn erst einmal eine Menge zusammengekommen ist.«

Cullen wachte auf und beteuerte, sie sei überhaupt nicht müde. Sie wolle das Spektakel mit den anderen anschauen. Richard ging. Viney begleitete Perdita zu der Menge und verschaffte ihr einen Platz vorne auf einer wackligen Bank.

Die Vorstellung fand auf einer Bühne auf einem uralten Karren statt. Das Publikum lachte und feuerte die Schauspieler lautstark an. Ein fetter Mann mit einem kahlen glänzenden Schädel schwenkte eine Keule und jagte einen jungen Mann über die Bühne. Der junge Mann, der in Frauenkleidern steckte, tat so, als hätte er große Angst. Er kreischte, stolperte über seine Röcke und sprang wild herum. Der Menge gefiel das, und bald lachte Perdita so laut wie alle anderen.

Unvermittelt verstummte ihr Gelächter. Im Schatten auf einer Seite der Bühne stand der langbeinige Mann, der sie angestarrt hatte, als sie an diesem Nachmittag in den Hof des Mitre Inn geritten waren. Sein Gesicht erschien im tanzenden Licht der Fackeln wie aus einer anderen Welt. Er hielt seine Geige in einer Hand und schien den Possen der beiden Schauspieler auf der Bühne zu folgen. Und doch hätte Perdita darauf schwören können, dass er sich ihrer Anwesenheit in der ersten Reihe bewusst war und dass er, ohne sie anzusehen, wusste, wann sie lachte oder ernst war. Sie merkte das an einem Kribbeln und daran, wie ihre Kehle trocken wurde.

Während sie noch den großen Geiger betrachtete, hatte der Junge mit den Röcken dem kahlköpfigen Riesen die Keule abgenommen und tat nun so, als würde er ihn besinnungslos prügeln, sehr zur Freude der Menge, die ihn anfeuerte. Dann verließen beide eilig die Bühne, und der Geiger trat ins Licht vorne an der Rampe.

Er klemmte sich die Geige unters Kinn und begann eine trällernde Melodie zu spielen, die die Zuschauer schnell als einen der Märsche der Royalisten aus den letzten Kriegen erkannten. Alle begannen mitzusingen, einige mit sehr lauter, trunkener Stimme, andere – vielleicht die, die Freunde oder Verwandte im Kampf verloren hatten – mit Tränen in den Augen. Perdita schaute auf Cullen. Wie die meisten Londoner war die Familie ihrer Zofe während der gesamten Auseinandersetzung auf Seiten des Parlaments ergeben gewesen, und es dauerte eine ganze Weile, bis Cullen sich dazu überwinden konnte, bei dem Lied, zu dem die Feinde ins Feld gezogen waren, mitzusingen. Dann schaute Perdita auf Viney. Dieser sang ebenfalls nicht: Er starrte den Geiger an. Ausnahmsweise hatte sich das schwermütige Gesicht des Dieners in besorgte Falten gelegt.

Zwei weitere Lieder folgten, und bei Beginn des dritten kehrten die beiden Schauspieler wieder auf die Bühne zurück. Der junge Mann war übertrieben wie eine Dame von Welt gekleidet. Er tat geziert und lächelte den Riesen zuckersüß an, der jetzt den langen Mantel des modebewussten Gentleman trug. Die Kostüme der beiden waren jedoch so schmutzig und zerknittert, dass alles grotesk wirkte. Sie begannen damit, einen verwickelten Tanz aufzuführen, eine Parodie auf die höfische Mode. Diese Satire erfreute das Publikum.

Weitere Tänze folgten. Der mädchenhafte Junge flirtete mehr und mehr, und die Annäherungen des geckenhaften Riesen wurden immer obszöner. Nur der große Geiger wirkte von dem Aufruhr vollkommen unberührt. Er war in seine Musik versunken. Schließlich sprang der Riese vor, packte die Röcke zwischen den Beinen seines Partners und klammerte sich dort fest, während die ›Maid‹ vorgab, schockiert und erfreut ohnmächtig zu werden.

Da wandte sich der Geiger plötzlich dem Publikum zu und richtete seinen Blick auf Perdita. Er musste sich nicht erst nach ihr umsehen, um sie zu finden, genau wie sie vermutet hatte. Er hatte von Anfang an gewusst, wo sie saß, und er hatte nur auf diesen Augenblick gewartet. Wieder spürte Perdita, wie sein Blick bis in ihr Innerstes vordrang. Sie schnappte nach Luft und wurde über und über rot. Da zeigte er die Spur eines Lächelns, eine kaum sichtbare Bewegung der Lippen. Fast ein heimliches Lächeln, das nur sie, sie allein sehen sollte. Und doch war es kein freundschaftliches Lächeln – weit entfernt davon. Aber es war auch nicht direkt feindselig, eher ein wissendes Lächeln.

Perdita hatte das Gefühl, dass ihr eine Gefahr bevorstand, die weitaus größer war als die Straßenräuber, die sie an diesem Tag angegriffen hatten. Denn hier handelte es sich um eine Gefahr, die ihr beinahe willkommen war.

Die Vorstellung war zu Ende. Eine seltsame Unruhe befiel sie, und sie hatte das Gefühl, einer Ohnmacht nahe zu sein wie die unechte Maid auf der Bühne. Und doch wusste sie, dass sie hellwach war und dass ihr nichts entgehen würde.

Die Bühne war leer, der Applaus verebbte allmählich, und die Zuschauer zerstreuten sich. Perdita stand auf und wurde sich plötzlich bewusst, dass die Luft klar und kalt war und nach Frost roch. Die Kälte ließ sie zu sich kommen. Es war dumm gewesen, sich einzubilden, dass sie in Gefahr sein könnte. Cullen ging hinter und Viney vor ihr her. In diesem Augenblick kam ihr Vater vermutlich von seinem Treffen mit dem Richter zurück, und sie war nur von einer Menge lärmender, freundlicher Städter umgeben. Sie brauchte nicht zu fürchten, im Hof des Mitre Inn zu Schaden zu kommen.

Als sie in die stickige Wärme des Schankraumes kamen, gähnte Cullen, stöhnte und sagte: »Ich bin so müde, dass ich einen Monat lang schlafen könnte.«

Und eine Männerstimme ließ sich ganz deutlich vernehmen: »Viney, alter Freund, einen Augenblick deiner Zeit.«

Perdita schaute sich eilig um, aber es war so voll, dass sie den, der gesprochen hatte, nicht ausmachen konnte. Viney sagte mit leiser Stimme: »Geht schon zu Bett, Mistress Perdita. Cullen wird Euch begleiten. Ich warte hier auf den gnädigen Herrn.«

Erst als sie ein paar Stufen die Haupttreppe hinaufgegangen war und sich umdrehte, um einen Blick in den überfüllten Raum unter ihr zu werfen, war Perdita in der Lage, den Mann auszumachen, der eben gesprochen hatte. Viney stand mit einem Pint Ale in der Hand am Feuer, der Geiger hatte sich neben ihn gestellt. Sie sah, wie dieser Viney einige Münzen in die Hand drückte, dann umarmten sie sich. Perdita war verblüfft und blieb abrupt stehen.

Cullen ging schwerfällig weiter die Treppe hinauf. »Ich gehe schon einmal vor und lüfte Eure Betten, Mistress. Ich schlafe sonst noch im Stehen ein.«

»Geh schon, Cullen. Ich komme gleich«, sagte Perdita zerstreut.

Die Zofe verschwand den Gang entlang, der zu ihrem Zimmer führte, und ließ Perdita allein, die weiter in die Schankstube hinunter schaute. Sie sah, wie sich die beiden Männer ein weiteres Mal umarmten. Dann leerte Viney mit der Schnelligkeit, für die er berühmt war, seinen Krug und ging auf den Wirt zu, um ihn erneut füllen zu lassen. Der Geiger verschwand durch eine Seitentür.

Wie seltsam, dachte sie, seltsam und auch ärgerlich. Alle wussten, dass Viney kein Geld in die Finger bekommen durfte, da er es sofort vertrank. Der loyale, schweigsame alte Mann betrank sich jedes Mal bis zur Besinnungslosigkeit. Ihr Vater würde außer sich geraten, wenn er davon erfuhr, und Viney würde am nächsten Morgen fürchterliche Kopfschmerzen bekommen, und es würde ihm übel sein. Die Etappe des nächsten Tages würde ganz sicher für alle beschwerlich werden.

Plötzlich fest entschlossen hob Perdita ihre Röcke und drehte sich um, um in die Schankstube zurückzugehen und Viney vom Trinken abzuhalten. Obwohl sie immer etwas Angst vor dem Diener ihres Vaters gehabt hatte, war das ganz klar der Augenblick, in dem sie ihre Autorität durchsetzen musste.

Eine Männerstimme, die vom Treppenabsatz über ihr kam, hielt sie auf. »Mistress Perdita, wollt Ihr Eure Geschichte erfahren?«

Kapitel 3

Perdita drehte sich so hastig um, dass sie fast die Treppe heruntergefallen wäre.

Er stand auf dem Treppenabsatz über ihr. Ein großer, schlanker Mann, dessen Züge nur spärlich von dem flackernden Talglicht, das an der Wand hing, beleuchtet wurden. Sie musste an ihm vorbei, um zu ihrem eigenen Zimmer zu kommen. Aus der Nähe sah sie, dass seine Kleider abgetragen und seine Hände und sein Gesicht nicht ganz sauber waren. Aber er sprach mit dem sanften Tonfall aus Cornwall, an den sie sich von Dorcas erinnern konnte, der Frau, die sich um sie gekümmert hatte, als sie noch ganz klein gewesen war. Sie sah auch, dass er älter war, als sie zuerst gedacht hatte, vielleicht dreißig oder noch mehr Jahre. Er war alles andere als gut aussehend, aber seine schrägstehenden Augen und seine vollen Lippen waren durchaus anziehend.

»Nun, Mistress Perdita«, sagte er, als sie nicht antwortete, »seid Ihr nicht neugierig?«

»Ihr erlaubt Euch wirklich große Freiheiten mit meinem Namen, Bursche. Wenn Ihr mit mir sprechen wollt, müsst Ihr mich Mistress Treveryan nennen.«

»Warum? Das war nie Euer wirklicher Name, Perdita Hollar.«

Sie musste sich am Treppengeländer fest halten. »Wie könnt Ihr es wagen, mich so zu nennen?«

»Schämt Ihr Euch des Namens Eurer Mutter?«

»Wer seid Ihr?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ein Vermittler, Miss Nennt-Euch-wie-Ihr-wollt. Aber ich kenne eine Frau, die manchmal von unruhigen Geistern aufgesucht wird. Heute ist einer dieser Geister an sie herangetreten, weil er mit Euch sprechen will. Es war auch diese Geisterseherin, die mir Euren richtigen Namen verraten hat. Sie wird Euch jetzt empfangen, falls Ihr das wünscht.«

Perdita bekam auf einmal Angst. Dieser Mann gehörte genau zu jener verschlagenen Sorte, die sich in den Grauzonen auskannte, wo sich Lebende und Tote begegnen. Sie drehte sich nervös um. Viney war nirgends zu sehen, und ihr Vater war noch nicht zurückgekehrt. Trotz ihrer Neugier wollte sie sich nicht allein auf schwarze Künste einlassen. Sie bemühte sich um einen Hochmut, den sie überhaupt nicht empfand.

»Ich glaube kein Wort von dem, was Ihr sagt. Lasst mich vorbei, oder ich rufe den Wirt und lasse Euch vor die Tür werfen.«

Er musste lächeln. Das veränderte ihn vollkommen. Plötzlich erschien er nicht bedrohlicher als ein Kind, und Perdita kam auf den Gedanken, dass sie ihm vielleicht doch trauen konnte. Er sagte: »Warum? Habt Ihr Angst, die Wahrheit über Euch zu erfahren? Die Worte der Frau zu hören, die möglicherweise Eure eigene Mutter ist? Seid Ihr so feige?«

Perdita starrte ihn an. Sie spürte, wie ihr Herz unter ihrem Mieder schlug. Sie hasste es, feige genannt zu werden, und zweifelte auch nicht daran, dass das, was er sagte, möglich war. Ihr ganzes Leben lang hatte Perdita Geschichten von Gesprächen mit Toten gehört, von Geistern und Kobolden und von den Streichen, die von Babys gespielt wurden, die noch vor der Taufe gestorben und dazu verdammt waren, in alle Ewigkeit unter Qualen über die Erde zu streifen. Kitty und die meisten ihrer Bekannten suchten häufig Astrologen und weise Männer auf, um sich bei Problemen beraten zu lassen. Sie erinnerte sich daran, wie der Fremde sein Gesicht abgewandt hatte, damit Richard ihn nicht sehen würde. Und doch war ihre Neugier übermächtig.

Während sie noch zauderte, war der Geiger näher gekommen. Er beugte sich vor und nahm ihre linke Hand. Dann streifte er ihr den hirschledernen Handschuh von den Fingern.

Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen. »Was tut Ihr da?«

Er ließ sie nicht los, sondern drehte ihre Hand um und betrachtete eingehend ihre Handfläche. »Man kann viel aus den Handflächen der Menschen lernen.« Er sprach mit dem trällernden Akzent aus Cornwall. »Gerade auch aus denen der Frauen.«

»Was seht Ihr in meiner?«

»Ich habe nicht so viel Erfahrung wie manche andere ... aber ich sehe, dass Ihr auf dem Weg zu dem Glück, das Ihr sucht, vielen Schwierigkeiten begegnen werdet. Und – ja, schaut – hier steht, dass Ihr heute Abend sehr viel erfahren werdet, was Euch von Nutzen sein wird.«

»Das habt Ihr eben erfunden.«

Er hob die Augen und schaute sie mit dieser unheimlichen Direktheit an, die sie so beunruhigend fand, aber er lächelte wieder. Ein sanftes Lächeln, das ihr sagen sollte, dass sie keinen Grund hatte, ihn zu fürchten. »Vielleicht habe ich das wirklich nicht in Eurer Handfläche gelesen, aber es ist deswegen nicht weniger wahr. Wollt Ihr Goody Carbin aufsuchen?«

»Wer ist das?«

»Die Frau, die mit den Geistern verkehrt.«

»Wo ist sie?«

Er verstand diese Frage offenbar als Zustimmung und sagte: »Ich zeige es Euch.« Er hielt sie immer noch bei der Hand und führte sie den Gang entlang, an ihrem Zimmer vorbei, indem Cullen jetzt auf sie wartete, und an dem ihres Vaters und an allen einfacheren Zimmern, die hinten im Haus lagen. Er hielt eine Kerze hoch in seiner freien Hand und ging mit ihr eine Wendeltreppe hinunter, die vermutlich im ältesten Teil des Hauses lag, und blieb dann abrupt vor einer niedrigen Tür stehen. »Wartet hier«, befahl er.

»Wohin geht Ihr?«

»Ich will Goody Carbin sagen, dass Ihr sie aufsucht.« Und ehe sie noch etwas einwenden konnte, war er um eine Ecke verschwunden und ließ Perdita allein in der eisigen Dunkelheit zurück.

»Wartet!«

Er war fort. Nirgends ein Lichtschein. Durch mehrere dicke Wände drangen wie Ebbe und Flut ferne Stimmen und fernes Gelächter, wie die Wellen eines entlegenen Meeres, aber um sie herum war nur diese unheimliche Stille und diese Kälte, bei der alles erstarrte. Perdita war wütend, weil er sie so unvermittelt stehen gelassen hatte. Er war nichts weiter als ein Musikant, und man musste ihm erst einmal Respekt vor einer richtigen Dame beibringen.