Die Rückkehr nach Eleusis - Mathias Bröckers - E-Book

Die Rückkehr nach Eleusis E-Book

Mathias Bröckers

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Beschreibung

Das Mysterium von Eleusis war eines der bestgehüteten Geheimnisse der Antike. Fast zwei Jahrtausende lang, bis zur Zerstörung des Tempels im 3. Jahrhundert, zogen Wallfahrer jedes Jahr im September auf der Heiligen Straße von Athen nach Eleusis, fasteten und umtanzten den der Göttin Demeter geweihten Brunnen im Vorhof des Heiligtums. Die Nacht verbrachten sie in der Mysterienhalle. Priester bereiteten einen "heiligen Trank", den die Teilnehmer gemeinsam zu sich nahmen – und dann geschah es. Eine so unmittelbare und unaussprechliche Erfahrung, dass sie nur "geschaut", aber nicht ausgesprochen werden durfte. Über zwei Jahrtausende haben sich die in Eleusis Initiierten – darunter die Philosophen Sokrates, Platon und Aristoteles sowie der Tragödienautor Sophokles – daran gehalten. Bestseller-Autor Mathias Bröckers verdichtet in diesem brandaktuellen Essay – im September 2021 sollte Eleusis zur europäischen Kulturhauptstadt ernannt werden, coronabedingt nun aber auf 2023 verschoben – die Rolle der Eleusinischen Mysterienspiele, bei denen die Teilnehmer den psychoaktiven Trank Kykeon verabreicht bekamen, ein Entheogen, das vermutlich unter anderem aus Mutterkorn-Alkaloiden bestanden hatte.

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Mathias Bröckers

Die Rückkehr nach Eleusis

Psychedelische Mysterien der Antike

E-Book-Ausgabe

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Herstellung:Bookwire GmbHKaiserstraße 5660329 Frankfurt am MainDeutschland

Verlag:Nachtschatten Verlag AGKronengasse 114500 SolothurnSchweiz

Impressum

Mathias Bröckers

Die Rückkehr nach Eleusis

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

Tel: 0041 32 621 89 49

Fax: 0041 32 621 89 47

[email protected]

www.nachtschatten.ch

© 2021 Mathias Bröckers

© 2021 Nachtschatten Verlag

Der Nachtschatten Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2025 unterstützt.

Umschlaggestaltung: Nina Seiler, Zürich

Redaktion und Lektorat: Markus Berger, Felsberg

Korrektorat: Jutta Berger, Felsberg

Layout: Janine Warmbier, Hamburg; Mitarbeit: Nina Seiler

Druck: Druckerei und Verlag Steinmeier, Deiningen

Printed in Germany

ISBN: 978-3-03788-476-8

eISBN: 978-3-03788-493-5

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.

Inhalt

Die Rückkehr nach Eleusis

Nachwort

Weiterführende Literatur

Über den Autor

Triptolemos zwischen Demeter (l.) und Persephone (Votivrelief aus Eleusis, um 440–430 v. Chr., Archäologisches Nationalmuseum Athen).

Die Rückkehr nach Eleusis

Das Mysterium von Eleusis war eines der bestgehüteten Geheimnisse der Antike. Fast zwei Jahrtausende lang, bis zur Zerstörung des Tempels durch christliche Barbaren im 4. Jahrhundert, zogen Wallfahrer jedes Jahr im September auf der Heiligen Straße von Athen nach Eleusis, fasteten und umtanzten den der Göttin Demeter geweihten Brunnen im Vorhof des Heiligtums. Die Nacht verbrachten sie in der Mysterienhalle, einem großen fensterlosen Saal. Priester bereiteten einen »heiligen Trank«, den Kykeon, den die Teilnehmer gemeinsam zu sich nahmen – und dann geschah es. Eine so unmittelbare und unaussprechliche Erfahrung, dass sie nur »geschaut«, aber nicht ausgesprochen werden durfte – bei strengen Strafen war es verboten, über das Erlebte zu berichten. Über zwei Jahrtausende haben sich die in Eleusis Initiierten daran gehalten, die Philosophen Sokrates, Platon und Aristoteles, der Tragödienautor Sophokles – sie waren, wie alle Griechisch sprechenden Menschen ihrer Zeit, mindestens einmal im Leben nach Eleusis gepilgert. Sophokles schreibt: »Dreifach glücklich sind jene unter den Sterblichen, die, nachdem sie diese Riten gesehen, zum Hades schreiten; ihnen allein ist dort wahres Leben vergönnt.«

Ehrfurchtgebietende, dunkle Äußerungen wie diese liegen in großer Zahl vor, doch was sie rechtfertigte, welche Offenbarung die Teilnehmer derart überwältigte, dass sie selbst den Tod für überwunden glaubten – dieses Geheimnis blieb auch nach dem endgültigen Niedergang der athenischen Kultur im vierten nachchristlichen Jahrhundert verborgen. Selbst römische Kaiser wie Marc Aurel und Hadrian, die zu den Eingeweihten zählten, hielten sich an das Schweigegebot, und von Cicero, der nach Eleusis gepilgert war, ist gleichfalls nur ein raunendes Zeugnis überliefert: »Nicht nur haben wir dort den Grund erhalten, dass wir in Freude leben, sondern auch dazu, dass wir mit besserer Hoffnung sterben.« Tausende von Büchern über die Mythologie Griechenlands wurden seitdem geschrieben, hunderte von Abhandlungen über die eminente Bedeutung der dionysischen Kultur und der eleusinischen Riten verfasst – doch was im Zentrum dieses Mysteriums stand, blieb bis in unsere Tage ein Rätsel.1

Erst Ende der 1970er Jahre gelang es in interdisziplinärer Zusammenarbeit, eine plausible Hypothese aufzustellen: Der Bankier und Ethnobotaniker Gordon Wasson, der Pharmakologe und Chemiker Albert Hofmann und der Altertumsforscher Carl A.P. Ruck vermuteten, dass der »heilige Trank« Kykeon eine Zubereitung aus einem halluzinogenen Pilz sein könnte. Und zwar aus Claviceps purpurea, der im Deutschen »Mutterkorn« genannt wird und als Schmarotzer auf Gerste und Roggen sowie auf anderen Getreidearten wächst; auch die verwandte Art Claviceps paspali käme in Frage. Die Pilze enthalten unter anderem chemische Vorläufer des LSD, des stärksten bekannten Psychedelikums, das Albert Hofmann 1943 zufällig entdeckt hatte, als er mit den Alkaloiden des Mutterkorns experimentierte. In ihrer Studie »Der Weg nach Eleusis« weisen die Autoren nicht nur darauf hin, dass die gewaltige visionäre Wirkkraft des Kykeons in Eleusis höchstwahrscheinlich auf ebendieses Mutterkorn zurückzuführen ist, sie belegen auch, wie eng dieser Pilz mit dem Mythos der Demeter, der Erdgöttin, verflochten ist.

»Jedes Jahr wandelten neue Kandidaten für die Initiation auf jener Heiligen Straße nach Eleusis, Menschen aller Klassen, Herrscher und Prostituierte, Sklaven und Freie. Jeder Schritt auf dem Weg erinnerte an den Aspekt eines alten Mythos, der erzählte, wie die Erdmutter, die Göttin Demeter, ihre einzige Tochter verloren hatte, die beim Blumenpflücken von ihrem Bräutigam, dem Herrn des Todes, geraubt worden war. Wenn die Pilger in Eleusis ankamen, tanzten sie bis tief in die Nacht bei dem Brunnen, an dem Demeter um ihre verlorene Persephone geweint hatte. Sie tanzten zu Ehren dieser beiden Göttinen und ihres geheimnisvollen Gatten Dionysos. Dann durchschritten sie die Tore in den Festungsmauern, hinter denen, abgeschirmt von profanen Blicken, das große Mysterium von Eleusis stattfand. Die antiken Schriftsteller geben einmütig an, dass im großen ›Telesterion‹, der Initiationshalle im Inneren des Heiligtums, etwas zu sehen war. So viel durften sie immerhin sagen. Die Halle war jedoch, wie man heute anhand archäologischer Reste rekonstruieren kann, völlig ungeeignet für Theateraufführungen. Was man dort zu sehen bekam, war kein Spiel von Schauspielern, sondern in Platons Worten, ›phantasmata‹, eine Reihe geisterhafter Erscheinungen. Selbst ein Dichter konnte nur sagen, er habe den ›Beginn und das Ende des Lebens gesehen und erkannt, dass sie eins seien‹.2

Ruinen von Eleusis

Demeter und Kore (Persephone), Marmorrelief, 500–475 v. Chr., Archäologisches Museum von Eleusis

Ähnlich ehrfürchtiges Stammeln erlebte Gordon Wasson in den 50er Jahren, als er die religiösen Rituale mexikanischer Indianer erforschte. Im Mittelpunkt ihres Kults steht die Einnahme eines als heilig verehrten Pilzes, dessen halluzinogener Wirkstoff Psilocybin eng mit dem des Mutterkorns verwandt ist. Ähnlich wie das Meskalin des Peyote-Kaktus, den andere mexikanische Stämme als sakrale Droge verwenden, und der Wirkstoff des Fliegenpilzes, dem »Soma« der archaischen Priester-Schamanen in Sibirien und Indien. Die übereinstimmenden Berichte, auf die der Pilz-Ethnologe Wasson bei diesen Völkern stieß – der Pilz als »Draht« zur Kommunikation mit dem Übernatürlichen –, ließen ihn schon damals vermuten, dass auch das klassische Griechenland in seiner rituellen Festung Eleusis halluzinogene Drogen verwendete. Doch die Altertumsforscher, die er daraufhin ansprach, taten seine Vermutung als völligen Unsinn ab. Das »Gesehene«, von dem die Initiierten berichten, hielten sie für kultische Gegenstände, den »heiligen Trank« für Wein: Nach herrschender Meinung wurde den Pilgern in Eleusis eine sakrale Theateraufführung zuteil, eine Art Oberammergau antik. Selbst wenn ein einfacher griechischer Hirte durch ein solches Mysterienspiel und einen Schluck Wein durchaus zu beeindrucken gewesen sein mag, dürften städtische Intellektuelle wie Platon und Cicero davon kaum derart berührt worden sein. Mit Theater und »Show« waren sie ebenso vertraut wie mit Musik, Tanz und berauschenden Getränken. Dem Wein bei ihren Gelagen und Symposien war häufig Opium zugesetzt, Rausch und Ekstase waren im Griechenland dieser Epoche alles andere als unbekannt. Genauso wenig ist zu erwarten, dass die Philosophen und Schriftsteller ihren kritischen Verstand freiwillig an der Garderobe des eleusinischen Tempels abgaben – nein, sie mussten dort etwas erlebt haben, was selbst den großen Rhetorikern die Sprache verschlug.

Zu Hilfe bei der Aufdeckung des Rätsels kam ein öffentlicher Skandal im Athen des Jahres 415 v.Chr., von dem in fragmentarisch erhaltenen Prozessakten die Rede ist: Das eleusinische Geheimnis war profanisiert worden, aristokratische Bürger hatten ihren Gästen den visionären Trank als Partyvergnügen angeboten und mussten sich dafür vor Gericht verantworten. Einer der Angeklagten war der ruhmreiche Heerführer Alkibiades, der sich nach Sparta absetzte, als man ihn von seinem Kommandeursposten bei der Schlacht von Syrakus zum Prozess nach Athen zurückbeorderte. Er wurde in Abwesenheit zum Tod verurteilt und sein gesamter Besitz beschlagnahmt. Doch es sind nicht nur diese Spuren antiker Acid-House-Partys, auf die sich die Autoren bei ihrer Beweisführung berufen, sie zeigen auch, dass die Bedeutungsstruktur des Demeter-Mythos auf das Geheimnis psychoaktiver Pflanzen verweist. Es sind keine einfachen Blumen, die Persephone pflückt, als sie ins Reich der Toten entführt wird, es ist der hundertköpfige Narkissos, eine Drogenpflanze. In »Der Weg nach Eleusis« heißt es dazu:

Fries mit floralem Motiv (Mohn) und Weizengarbe aus der Kleinen Propyläa

»Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich beim Raub der Persephone um einen drogeninduzierten Anfall handelt. Dieser Umstand ist von den Altertumsforschern nie beachtet worden, obschon er aufgrund unseres Wissens über die Religionen der vorgriechischen Ackerbauvölker absolut zu erwarten ist. Das Zentrum dieser Religionen war der Zyklus von Tod und Wiedergeburt in der Pflanzen- und Menschenwelt. Die Frau war die Große Mutter und die ganze Welt ihr Kind. Das grundlegende Ereignis in diesen Religionen war die Heilige Hochzeit, durch welche die Priesterin mit dem Geisterreich im Inneren der Erde kommunizierte, um den Neubeginn des Ackerbaujahrs, des Lebens, zu bewirken. Ihr Gegenstück war ein Vegetationsgeist; er war sowohl ihr auf der Erde wachsender Sohn als auch der Gemahl, der sie in die befruchtende andere Welt entführte. Unter dem Namen Dionysos überlebte der als Gatte der Muttergöttin assimilierte Zeus bis in die klassische Periode hinein.«

Nicht der dionysische Wein, sondern der psychedelische Gerstentrank der Erdgöttin Demeter stand im Zentrum der griechischen Religion – dieser Befund von Wasson, Hofmann und Ruck rückte die gesamte Fachliteratur zu Eleusis in ein völlig neues Licht.3 Natürlich waren die rauschhaften, ekstatischen Elemente der Demeter- und Dionysos-Rituale keinem Historiker verborgen geblieben, den antiken Interpreten so wenig wie den Wiederentdeckern der hehren Hellenen in der europäischen Klassik. Für Nietzsche steht und fällt sogar die gesamte Kultur mit der Wiederbelebung des Dionysischen, doch so ahnungsvoll er sich als Psychologe hier erwiesen haben mag, so wenig bestand zu seiner Zeit die Möglichkeit einer empirisch-wissenschaftlichen Erforschung »dionysischer« Bewusstseinszustände und pflanzengebundener Ekstasen.

Den Grundstein dazu legte erst der Berliner Pharmazieprofessor Louis Lewin, der 1924 mit seinem Werk Phantastica eine erste systematische Erfassung der »betäubenden und erregenden Genussmittel« versuchte. Die oft anekdotischen Berichte über die bewusstseinsverändernden Wirkungen dieser Pflanzen konnten erst in den folgenden Jahrzehnten einer genaueren wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen werden, als nach und nach die Alkaloide, die chemischen Wirkstoffe von Meskalin, Peyote und den »heiligen Pilzen« identifiziert wurden. Ihre eigentliche Bedeutung aber lässt sich erst seit den 70er Jahren ermessen, als die Gehirnforscher die Rolle der Neurotransmitter für unsere Bewusstseinszustände – die biochemische Steuerung des Gehirns durch drogenähnliche Botenstoffe – entdeckten. Bis dahin blieb den Kultur- und Religionsgeschichtlern also kaum etwas anderes, als angesichts des heiligen Tranks von Eleusis sowie des schamanischen Pflanzengebrauchs im allgemeinen in Rätselraten und Mutmaßungen zu verfallen.

Vor diesem Hintergrund hätte die Arbeit von Wasson, Hofmann und Ruck eigentlich wie eine Bombe einschlagen müssen, de facto aber blieb sie, abgesehen von ein paar journalistischen Rezensionen, in Wissenschaftskreisen nahezu unbeachtet. Daran haben weder das große Renommee der Autoren in ihren jeweiligen Fachgebieten noch die solide Argumentation und Faktenlage etwas geändert, ihr heißes Eisen – die Fundierung des griechischen Geisteslebens, und damit der abendländischen Kultur, in einer mystischen Drogenerfahrung – glüht bis heute im Verborgenen. Ist es wirklich ein Skandal, in das Zentrum des Metaphysischen, Übernatürlichen, Göttlichen eine Ausgeburt des »Reichs des Bösen« – die Droge – zu stellen und den profanen Genuss einer Pflanzensubstanz als Quelle des Heiligen zu identifizieren? Genau betrachtet, räumt das »LSD-Mysterium« von Eleusis dem antiken Griechenland gar keine Sonderstellung ein. Im Gegenteil: Es verbindet die Kulturgeschichte des Abendlandes mit der Kultur- und Religionsgeschichte anderer Erdteile, denn überall auf der Welt haben die Völker für den Blick über den Zaun von Raumzeit und Sterblichkeit auf die Hilfe von Pflanzen zurückgegriffen.4