DIE SAGA VON EISEN UND BLUT - FRANK BEYER - E-Book
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DIE SAGA VON EISEN UND BLUT E-Book

Frank Beyer

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Beschreibung

ORKS! Sie kämpfen, brandschatzen und plündern - was braucht es mehr? Bei Eisen und Blut! Nach Jahrzehnten des Friedens fällt eine Horde Orks in die Grenzlande ein. Wehe den Menschen, die sich den blutrünstigen und gewissenlosen Kriegern entgegenstellt. Wer sich wehrt, wird gnadenlos erschlagen, Frauen und Kinder verschleppt. Hinter sich lassen sie eine blutige Spur von Tod und Vernichtung und ziehen tiefer in das Gebiet der Menschen. Doch es gibt Hoffnung für die Verschleppten! Vier Überlebende machen sich an die Verfolgung der Orks, bereit, bis an ihre Grenzen zu gehen und Rache zu üben. Unterwegs müssen sie erkennen, das Unheil hat größere Ausmaße, als sie auch nur erahnen konnten. Auf sich allein gestellt versuchen sie, das unmögliche möglich zu machen. Damit nimmt DIE SAGA VON EISEN UND BLUT ihren Lauf!

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FRANK BEYER

DIE SAGA VON EISEN UND BLUT

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Eisen und Blut – Der lange Marsch

 Seit Jahrzehnten lebten die Menschen in den Grenzlanden in Frieden. Die nahen Orklande waren längst zu einem Schatten der Bedrohung verblasst. Dann, im Dunkel der Nacht, brach das Entsetzen über das Dorf Mittenwald ein. Eine Horde blutlüsternder Orks brannte den Ort nieder und raubte Frauen und Kinder. Die letzten vier überlebenden Dorfbewohner versuchen, die Entführten zu befreien. Unterwegs erkennen sie, dass das Unheil weitaus größere Ausmaße hat, als sie auch nur erahnen konnten. . .

 

Kapitel 1 – Der Angriff

Das letzte Leuchten des Vollmondes erhellte die Nacht. Bald würde die Sonne aufgehen. Ungeduldig verharrten mehrere Dutzend Orks zwischen den Bäumen unweit des Dorfes Mittenholz. Ihre Klingen waren mit Kohle geschwärzt, um sich nicht durch Reflexionen des Mondlichtes zu verraten. Gragh, der Anführer der Gruppe, war in eine schwere Rüstung gehüllt. In seiner Hand hielt er einen gewaltigen Krummsäbel. Ideal, um Köpfe abzuschlagen. Neben ihm ragte der nackte Oberkörper eines Ogers empor. Er war voller Ungeduld, wie man seinem Knurren entnehmen konnte. Gragh und seine Krieger warteten auf die Stunde des Zwielichtes. Die Morgendämmerung sollte ein Erwachen mit Schrecken für die Bewohner des Dorfes bringen. Gragh rückte seinen Helm zurecht, verbarg seine geflochtenen Zöpfe und gab endlich das vereinbarte Zeichen. Nahezu lautlos verschwanden zwei Schemen im Dunkel der Nacht.

 

Genüsslich gähnte Erlend, einer der beiden Wächter auf dem Palisadenwall von Mittenholz. „Müde, wa?“, meinte sein Gefährte Irion. „Du nicht?“, erwiderte Erlend. „Die liebe lange Nacht hocken wir hier und nichts tut sich. Wie gerne wäre ich bei meinem Weib im warmen Bett.“ „Besser, es passiert nichts. Mir ist Ruhe lieber“, sagte Irion. Erlend nickte müde und gähnte wieder. Als Nächstes entzündete er eine neue Fackel, weil die alte bald abgebrannt sein würde.

 

Geduckt schlichen zwei Krieger auf den Palisadenwall des Dorfes zu. Bisher hatte keiner der Wächter Alarm geschlagen. Und so sollte es bleiben, zumindest war das der Plan von Gragh. Mit einem Pfeil in der Stirn brach Erlend zusammen. Der zweite Schütze verfehlte sein Ziel und Irion sah die drohende Gefahr. „ALARM! Wir werden angegriffen! ALA....“ – ein Pfeil in seinem Hals ließ ihn gurgelnd zu Boden gehen. Schnell überwanden die Orks den Zaun und stießen das Tor auf.

Gragh gab das Signal zum Angriff. „Blut! Holt sie Euch, ihr Hunde!“ Die erste Rotte stürmte voran und drängte in den Ort. Eine zweite Gruppe folgte knapp dahinter, unter ihnen Gragh und sein Oger. Verhaltene Schreie waren zu hören und das Klirren von Stahl auf Stahl. Feuer züngelte von einem der Häuser. Die Todesschreie der Menschen schienen das wütende Gebrüll der Orks noch anzufachen. Wer sich ihnen in den Weg stellte, fand einen schnellen Tod. Zerfetzte Körper zeugten von der Blutgier der Orks.

 

Eine Riege von Wächtern formierte sich. Edwin, ihr Truppführer, versuchte sich einen Überblick zu verschaffen und gab hastig Befehle. Einige schlaftrunkene Bewohner verließen die Häuser. Bevor sie wussten, wie ihnen geschah, waren die Orks mit ihren krummen Säbeln über ihnen und schlachteten sie ab. Ihre sterbenden Körper fielen achtlos in den Staub. Laut erklang das Alarmhorn der Stadt. Endlich erhielten die wenigen Wächter Verstärkung durch die Dorfwehr. Angeführt von dem Schmied Gebhard stellten sich die Mittenholzer den Orks entgegen. Es gelang ihnen, die Angreifer zurück zum Dorfplatz zu drängen. Edwin frohlockte und schlug einen der Grünhäute mit seiner Klinge nieder.

Plötzlich sah er sich einem großen Ork in schwarzer Panzerung gegenüber, der ihn hasserfüllt und zähnefletschend ansah. Gerade wollte er ihn angreifen, als ihn von der Seite eine gewaltige Keule in die Magengrube traf. Keuchend ging er in die Knie. Als er aufblickte, sah er nackte, grünliche Knie vor sich. Ein riesiger Oger stand vor ihm und ehe Edwin sich versah, fuhr eine gewaltige Keule auf seinen Kopf nieder. Er hörte seinen Schädel bersten, Blut schoss ihm in die Augen. Das letzte, was er sah, war, wie der Oger ihn triumphierend ansah und mit einem Fuß zerquetschte. Dunkelheit umfing Edwin und der Tod beendete seinen Schmerz.

Gebhard sah den Truppführer fallen und bemerkte, dass die Orks sie in eine Falle gelockt hatten. Auf dem Dorfplatz herrschte ein wüstes Durcheinander von Verteidigern und Angreifern. Blut und Tod waren allgegenwärtig. Allen voran hieb ein Oger mit seiner Keule um sich. Ein Mittenholzer nach dem anderen fiel. Verzweifelt wehrte sich Gebhard gegen angreifende Orks mit seinem Schmiedehammer. Es gelang ihm, einen von ihnen zu fällen, als ihn ein Pfeil in die Brust traf. Pfeifend entwich die Luft aus seinen Lungen. Der große Ork kam mit einem triumphierenden Lächeln auf ihn zu. „Gut gekämpft, Mensch! Gragh wird dich töten und deinen Kopf nehmen! Vorher sollst du leiden!“ Langsam bohrte er seine Klinge tief in den Bauch von Gebhard und riss sie nach oben bis zu den Rippen. Gebhard stöhnte auf, sein Blick brach. Blut und Gedärme traten aus der Wunde. Hämisch grinsend holte Gragh mit der blutigen Klinge aus. Blut spritzte und Gebhards Kopf kullerte über den Boden.

 

Zufrieden blickte Gragh auf das allmählich abklingende Gemetzel. Was er sah, gefiel ihm: Zerschmetterte Körper, abgetrennte Gliedmaßen und überall Blut. Den Kriegsgöttern war genüge getan. „Plündert alles und fackelt das Dorf ab! Frauen und Kinder werden Sklaven! Der Meister macht guten Preis!“, trieb Gragh seine Krieger an, die johlend die letzten Verteidiger niederschlugen und Fackeln auf Häuser warfen. Ein Gebäude nach dem anderen ging in Flammen auf. Abseits der Brände hockten wimmernde Frauen und Kinder auf dem Boden, bewacht von waffenstarrenden Orks. Kurze Zeit später war der Spuk vorbei und die ersten Sonnenstrahlen fielen auf das brennende Dorf.

Kapitel 2 – Rückkehr mit Schrecken

Seit Stunden war Botho unterwegs und kontrollierte seine Fallen. Der Weg hatte ihn weit von zuhause weggeführt, aber hatte sich gelohnt. Eine Handvoll Kaninchen war seine Beute und er konnte zufrieden sein. Das frühe Aufstehen lange vor dem Morgengrauen war nie leicht, von daher war er froh, nicht mit leeren Händen nach Hause gehen zu müssen. Sobald er angekommen war, würde er seine Morgenmahlzeit zu sich nehmen. Hager wie er war, achtete sein Weib Tonda sorgsam darauf, dass er genügend aß. Sie würde wahrscheinlich bereits auf ihn warten. Vor kurzem waren sie in das friedliche Dorf Mittenholz gezogen. Seit sie sein Kind in sich trug, sorgte er sich um ihre Sicherheit. Und Tonda würde hocherfreut sein über die Beute, denn sie nähte mit wachsender Begeisterung Kleidung für den Nachwuchs. Botho hoffte sehr, es würde ein Sohn werden. Ein Sohn, dem er das Jagen und Fallen stellen beibringen würde, wie es einst sein Vater ihn gelehrt hatte. Gegebenenfalls eine Tochter, die ohne Zweifel ebenfalls eine gute Jägerin abgeben würde. Außerdem war er gespannt, ob sein Kind die gleichen feuerroten Haare wie er haben würde.

Während er über die Zukunft sinnierte, übersah er zunächst die vielen tiefen Fußspuren, die im Waldboden waren. Als er zu der Weide kam, auf dem die Schafherde des Dorfes stehen sollte, traute er seinen Augen kaum. Dort wo sonst die Tiere friedlich grasten, lagen blutige Kadaver. Irgendjemand hatte grausam unter den Schafen gewütet. Die Wunden an den Kadavern deuteten auf Waffengewalt hin, nicht etwa auf Wölfe oder gar Bären. Erst jetzt sah er die vielen schweren Fußabdrücke, die Spuren im Gras hinterlassen hatten.

Unruhe erfasste Botho und er eilte in Richtung Mittenholz. Noch bevor er das Dorf sehen konnte, roch er Rauch und Feuer. Einen Moment später sah er das Dorf, wie es lichterloh brannte. „Wie ist das möglich?“, dachte er sich. Schnell ließ er die Kaninchen fallen, rannte los und stürzte durch das qualmende Tor. Voller Entsetzen schaute er sich um. Die Angreifer hatten schrecklich gewütet und der Dorfplatz war voller Leichen! Niemand rührte sich mehr. Allerdings war keine Leiche von Angreifern zu sehen. Die Dorfbewohner hatten furchtbare Wunden davongetragen, einige waren enthauptet. Was hier passiert war, musste schnell geschehen sein. Voller Panik rannte Botho zu seiner kleinen Hütte. Die Tür war eingeschlagen worden und hing schief in den Angeln. Immerhin brannte das Haus noch nicht.

„Tonda! Wo bist du? Tonda!“, rief er. Es kam keine Antwort und stürzte in das Haus. Das Innere war komplett verwüstet. Tisch und Stühle waren umgeworfen, das irdene Geschirr zertrümmert. Schlimmes ahnend ging er in die Schlafkammer und dort fand er Tonda oder besser das, was von ihr übrig war. Sie lag mit blutüberströmtem Gesicht auf ihrem Bett, die Beine in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Ihr Gewand hatte einen Riss, als hätte man ihr mit einer Klinge den Bauch aufgeschlitzt. Neben ihr lag eine kleine Hose sowie ein Knäuel Wolle. Überall war Blut.

Bei diesem Anblick blieb Botho die Luft weg. Tränen schossen ihm in die Augen. Erst stieg Brechreiz in ihm auf, dann unbändige Wut. Mit den Fäusten hämmerte er auf die Tür ein bis ihm die Hände schmerzten. „Nein! Nein! Das darf nicht sein!“ Der Schmerz machte ihm klar, er war zu spät gekommen.

Völlig außer sich rannte Botho nach draußen und schrie seine Wut heraus. „Ihr Götter! Wieso tut Ihr mir das an? Warum?“ In seiner Verzweiflung hämmerte er mit der bloßen Faust an die Wand seines kleinen Hauses. Mit einem Mal hörte er eine leise Stimme rufen. „Hilfe!“ rief die Stimme.

Dieser Ruf ließ Botho ein wenig klarer werden. „Wer ist das?“, schrie Botho. „Und wo bist du?“ Die kraftlose Stimme rief etwas. Botho verstand lediglich „Dach“ und sah sich um. In nächster Umgebung sah er ein Gebäude, bei dem das Dach eingestürzt war: die Schmiede. Sofern der Rufer eingeklemmt war, lag er vielleicht unter dem Dach. Botho ging auf das Gebäude zu und rief erneut. „Ist da wer?“ „Ja! Bitte hilf mir!“, tönte es von innen. Vorsichtig schob Botho einen Balken zur Seite und klettere hinein. „Gebhard? Bist du es? Wo bist du?“, fragte er und schaute angestrengt auf die Trümmer. Außer Schutt und Staub war nichts zu sehen. „Ich bin es, Elimar! Ich bin hier“, sagte die Stimme. Bei diesem Namen sah Botho den Schmiedegesellen vor seinen Augen, der ein bisschen jünger war als er selbst. Und dann sah er eine Hand, die zwischen den Balken hervorguckte und einen blonden Haarschopf. „Ich sehe dich. Bist du verletzt?“ „Bin eingeklemmt. Keine Luft!“ „Halt durch, ich hol dich raus.“ Stück für Stück entfernte er Holzbalken und andere Teile des Daches, bis er Elimar ins Freie ziehen konnte.

Der war rußgeschwärzt und holte erst einmal tief Luft. Als er sich den Staub abklopfte, fing er an, zu reden. „Hab vielen Dank! Ich dachte, ich müsste hier verrecken!“ Betrübt schaut er sich um und sah das Ausmaß der Verwüstung.

„Keine Ursache. Sag an, was ist hier passiert? Wer war das?“, drängte Botho voller Ungeduld.

„Es waren Orks, sehr viele Orks. Meister Gebhard ist raus gerannt und die anderen der Dorfwehr. Ich habe sie kämpfen gehört. Die Orks waren überall.“ Er holte tief Luft und verzerrte das Gesicht vor Schmerzen. „Auu! Das wird noch eine Weile schmerzen befürchte ich. Hast du sonst noch jemand gesehen?“ Mit einem Ruck zog er sich einen daumengroßen Holzsplitter aus dem Oberarm. Trotz seiner Jugend hatte er durch die harte Schmiedearbeit beeindruckende Muskeln.

Voller Verzweiflung sah Botho ihn an und seufzte. „Hier lebt niemand mehr. Diese verfluchten Bastarde haben meine Tonda und unser ungeborenes Kind getötet. Einfach so! Zum Vergnügen! Wäre ich bloß bei ihr gewesen!“

Elimar schaute ihn mitleidig an. „Ich verstehe, was du durchmachst. Es muss schrecklich für dich sein. Doch du hättest ihr niemals helfen können. Es waren zu viele. Viel zu viele. Mag ein schwacher Trost sein, doch du hast überlebt.“

Botho versuchte, die Wut herunterzuschlucken. Er lebte und es erschien ihm wie Segen und Fluch zugleich. Mühsam verkniff er sich die Tränen der Trauer und fasste sich langsam. Er schaute auf Elimar. „Dein Arm gefällt mir nicht. Den müssen wir verbinden. Dann sollten wir uns umschauen und ein paar Dinge retten, bevor alles abfackelt. Ich muss einfach irgendetwas unternehmen, andernfalls werde ich wahnsinnig.“

 

Kurze Zeit später war Elimars Arm verbunden und sie hatten begonnen, Vorräte zusammengetragen. Die meisten Feuer brannten noch, denn zu zweit war es unmöglich, alles zu löschen. Egal in welche Hütte sie sahen, das Ausmaß der Plünderung war entsetzlich. Bei der vergeblichen Verteidigung mussten sich Dramen abgespielt haben. Anders waren die verzerrten Gesichter der Toten nicht zu deuten. Alle ihre Nachbarn, Freunde und Bekannten hatten den Tod gefunden. Botho kämpfte mit den Tränen. Aufmunternd klopfte Elimar ihm auf die Schulter und zog ihn mit sich. Alles was sie fanden, waren noch mehr grausam verstümmelte und entstellte Körper. Lebenszeichen zeigte niemand mehr und der Tod war allgegenwärtig. Die Orks waren mehr als gründlich gewesen.

 

Auf der Suche nach Vorräten kamen sie zum „Tonkrug“, dem Gasthaus des Dorfes. Die Tür war eingeschlagen und Ethwald, der Wirt, lag mit gespaltenem Schädel am Eingang. Eine Lache aus Blut und Hirnmasse zierte den Boden. „Armer Narr! Er dachte, er könne sein Gasthaus alleine verteidigen“, sagte Elimar. „Wenigstens war er hier und hat es versucht“, erwiderte Botho verbittert. „Ich hingegen...ach, lass uns drinnen nachsehen. Vielleicht finden wir noch was Brauchbares.“ Er machte einen großen Schritt, rutschte auf dem Blut aus und stolperte vorwärts. „Hast du dir was getan?“, fragte Elimar besorgt und ging ebenfalls hinein.

Innen war, wie in den anderen Gebäuden, alles verwüstet. Geschirr und Trinkbecher lagen zerschlagen am Boden. Ein Fass mit Bier war eingeschlagen und sein Inhalt hatte sich über den Boden ergossen. Zu ihrem Erstaunen sahen sie einen Ork am Boden liegen, daneben der reglose Körper von Aleta, der jungen Tochter des Wirtes. Ihre langen schwarzen Haare bedeckten ihr Gesicht, dennoch erkannte Elimar sie sofort.

Botho sah sich aufmerksam um. „Merkwürdig. Sonst war keine Orkleiche zu finden.“ Dann sah er, dass sich der Brustkorb von Aleta langsam hob und senkte. „Sie lebt!“ sagte er und kniete sich neben sie. „Dafür ist der hier mausetot“, sagte Elimar, nachdem er gegen den Ork getreten hatte. „Ist scheinbar in der Bierpfütze ausgerutscht.“

„Aleta, wach auf. Aleta“, redete Botho auf sie ein und schüttelte sie sanft an der Schulter. Tatsächlich bewegte sie sich und schlug die Augen auf. „Auuu! Mir brummt der Schädel! Wo ist Vater? Was ist passiert?“, fragte sie und richtete sich mühevoll auf.

„Das haben wir gehofft, von dir zu erfahren“, sagte Botho. „Dieser Unhold hat mich angefasst“, erklärte Aleta angewidert und deutete auf den Ork. „Irgendwie muss ich gestolpert sein. Ich kann mich nicht erinnern, was dann passiert ist.“ Sie stand langsam auf und streckte Arme und Beine. Dabei staunte Elimar über ihre, für eine Frau kräftigen Oberarme. Offensichtlich durch die Arbeit in dem Gasthaus.

„Du hattest verdammtes Glück. Der Kerl ist scheinbar in dem Bier ausgerutscht und hat sich das Genick gebrochen“, erwiderte Botho. „Kannst du aufstehen?“

„Ja, ich glaube schon.“ Aleta erhob sich mühevoll auf und schaute sich besorgt um. „Wo ist Vater?“, fragte sie ängstlich.

„Dein alter Herr hatte weniger Glück als du“, sagte Botho verbittert. „Er liegt vor der Tür. Jemand hat ihm den Schädel eingehauen. Die anderen hat es alle erwischt. Draußen sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld.“

„Vater ist tot? Und die anderen alle? Wie schrecklich!“, schluchzte Aleta.

„Eines ist klar: Wir müssen hier weg. Wohin, wissen wir noch nicht. Das Dorf brennt und hier lebt niemand mehr“, meinte Botho.

Elimar war sichtlich erschüttert von der Aussicht, Mittenholz verlassen zu müssen. „Weg von hier? Wo sollen wir hin? Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht.“

„Das ist eine gute Frage“, sagte Aleta schniefend. „Ich war bisher nur selten außerhalb des Dorfes.“

„Hab keine Sorge“, sagte Elimar. „Ich passe auf dich auf.“

Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Danke. Wo können wir hin?“

„Genau weiß ich das noch nicht“, erwiderte Botho. „Ich vermute, die Orks haben die Überlebenden verschleppt. Wir sollten ihnen nach und versuchen, sie zu retten.“

„Das klingt nach einem Plan“, erwiderte Elimar. „Ich bin dabei. Wo immer uns das Schicksal hinbringen wird.“

Aleta ließ ihren Blick über das Gasthaus schweifen, welches bisher ihr Leben bedeutet hatte. Sie sah die Verwüstung und verstand, dass sie nicht bleiben konnte. Angesichts der Leiche ihres Vaters wischte sie sich eine Träne aus dem Auge.

„Dann werde ich euch begleiten. Ich will Rache für meinen Vater und die anderen. Diese Orks sollen dafür büßen, was sie heir angerichtet haben. Außerdem müssen wir wenigstens versuchen, die Gefangenen zu befreien.“ Auf einmal senkte sie den Blick und verdrückte ihre Tränen. „Helft ihr mir, Vater unter die Erde zu bringen?“

„Keine Frage, ich helfe dir gerne“, sagte Elimar betrübt. „Das ist das mindeste, was wir tun können.“

Kapitel 3 – Die Schafweide

Nach der Beerdigung von Aletas Vater auf einer Waldlichtung blieb Aleta noch einen Moment zurück, um sich in Ruhe verabschieden zu können.

„Meinst du, wir können sie alleine lassen?“, fragte Elimar besorgt.

Botho nickte. „Klar, sie ist ein tapferes Mädchen. Komm, untersuchen wir die Umgebung nach Spuren. Ich will wissen, wo diese Unholde hin sind.“ Sie gelangten zur Schafweide und Botho berichtete, was er zuvor dort gesehen hatte.

„Wie die Tiere haben sie gewütet! Würde mich nicht wundern, falls sie kein einziges Schaf lebend gefangen haben. Diese grünhäutigen Bastarde kennen kein Erbarmen“, regte er sich auf.

„Weswegen kamen sie hier her? Ich meine, viel gab es bei uns wahrlich nicht zu holen“, fragte Elimar. „Gibt es keine besseren Ziele in der Nähe?“

„Die Grenze zu ihren Landen ist nahe und die nächste Stadt weit entfernt. Seit Jahren herrschte Ruhe. Damit ist es offensichtlich vorbei. Der Vater meines Vaters hat uns Kindern früher von den Orkkriegen erzählt. Das liegt viele Jahre zurück“, erklärte Botho. „Komm, vielleicht finden wir noch ein lebendes Schaf.“

 

An der Weide angekommen sahen sie die traurigen Überreste der einst stolzen Herde. Dazwischen lagen ebenfalls die Kadaver der drei großen braunen Hütehunde, die mit Pfeilen gespickt waren. Mit Wölfen hatten diese Hunde keine Sorgen, gegen bewaffnete Orks waren sie chancenlos gewesen.

„Was liegt dort bei den Hunden? Ist das etwa der Hirte?“, fragte Elimar.

„Sieht mir zu stämmig aus für den Hirten. Lass uns nachsehen.“

Als sie näher kamen, erkannten sie schnell, dass es sich um einen Ork handelte. Seine Schläfe war blutverkrustet, der Boden neben ihm getränkt mit Blut.

„Der ist mausetot“, sagte Elimar unnötigerweise.

„Bloß wer hat ihn getötet? Was ist hier passiert?“, fragte Botho laut.

„Das kann ich erklären“, erklang eine leise Stimme hinter ihnen. Als sie sich umdrehten, sahen sie einen wettergegerbten Mann mittleren Alters. Sein drahtiger Körper steckte in einer Weste aus Wolfsfell und Wollhosen. In den Händen hielt er eine Schleuder. „Ihr habt Glück, dass ihr Menschen seid. Wäret ihr Orks gewesen, also es wäre euch nicht gut bekommen. Würdet jetzt tot im Dreck liegen.“

„Jabar!“, entfuhr es Botho. „Welche Freude! Du lebst?“

„Sieht so aus. Es war verdammt knapp. Diese grünhäutige Bande kam in aller Frühe. Wären meine Hunde nicht gewesen, hätten sie mich erwischt. Wenigstens einen von ihnen konnte ich erledigen“, erklärte er und sah verächtlich auf den toten Ork.

„Du hattest mehr Glück als die meisten in Mittenholz. Das Dorf steht in Flammen. Außer uns drei hat niemand überlebt“, erwiderte Botho.

„Das hatte ich befürchtet.“ Er stockte. „Wieso drei? Ich zähle zwei. Wer ist noch bei euch?“

„Aleta, die Wirtstochter hatte mehr Glück als die meisten. Sie ist beim Grab ihres Vaters“, sagte Elimar betrübt. „Sonst sind leider alle tot.“

„Verstehe“, antwortete Jabar. „Trotzdem es gibt noch Hoffnung. Ich konnte beobachten, wie die Orks Gefangenen gemacht haben. Sie haben sie aneinandergebunden und schleifen sie mit sich.“ Er kratzte sich über sein stoppeliges Kinn. „Seltsamerweise habe ich lediglich Frauen und Kinder gesehen.“

„Das haben wir uns gedacht, es sind nämlich beinahe keine Frauenleichen zu finden. Wir wollen ihnen hinterher und sie befreien“, erklärte Elimar eifrig.

„Ein guter Plan. Wer weiß, was diese Kerle ihnen antun. Ich meine, wir müssen ihnen helfen. Lasst uns nach Aleta suchen. Es wird bald dunkel und wir brauchen einen Platz zum Schlafen.“

 

Später fanden sie Aleta, die erfreut war, mit Jabar noch einen Überlebenden zu sehen. Botho machte den Vorschlag, in der ehemaligen Behausung von ihm und seiner Frau im Wald eine Rast einzulegen. Zumindest hatten sie dort ein Dach über dem Kopf. Vorräte hatten sie für ein paar Tage retten können, ebenso ein bisschen Ausrüstung. Erschöpft von dem anstrengenden Tag saßen sie abends noch eine Weile zusammen und schmiedeten Pläne.

„Wir müssen herausfinden, wo sie hingegangen sind. Mit den Gefangenen können sie nicht allzu schnell sein“, sagte Botho.

„Sie haben jedenfalls einen deutlichen Vorsprung“, erwiderte Jabar. „Und wie sollen wir sie befreien? Ich meine, es sind viele Orks. Ich glaube kaum, dass die uns zu sich einladen und die Gefangenen freiwillig herausgeben.“

„Die sollen alle sterben, dafür was sie uns angetan haben. Koste es, was es wolle“, sagte Botho verbittert.

„Beruhige dich. Wir alle haben unsere Lieben verloren. Trotzdem muss es weitergehen. Irgendwie.“ Sie seufzte unbewusst und ihr trauriger Blick sagte mehr als tausend Worte. „Uns selbst zu opfern hilft den Gefangenen überhaupt nicht“, meinte Aleta. „Auch ich bin voller Trauer. Trotzdem dürfen wir nicht nur an uns denken.“

„Womit sie Recht hat“, sagte Elimar. „Vielleicht sollten wir zur nächsten Stadt gehen und dort den Überfall melden. Soldaten können diese Orks besser bekämpfen.“

„Und dadurch die Spuren der Ork verlieren? Bis zur nächsten Stadt sind es mehrere Tagesreisen. Ich sage, wir müssen direkt hinterher. Sonst sind sie verloren“, erwiderte Botho.

Elimar ließ den Kopf hängen. „Ich befürchte, du hast Recht. Lasst uns schlafen. Morgen sieht alles besser aus. Die erste Wache werde ich übernehmen. Verlasst euch auf mich. Ich habe ein Auge auf euch.“ Er zwinkerte Aleta zu, die prompt errötete.

Kapitel 4 – Die Geister des Waldes

Über Nacht hatte es geregnet und alle Spuren waren verwischt. Zwar war kaum noch zu erkennen, wo die Orks gelaufen waren, dafür war das Feuer im Dorf gelöscht und die Blutspuren größtenteils verwischt. Dennoch oder gerade deswegen bot das niedergebrannte Dorf einen traurigen Anblick. Botho stand mit den anderen drei vor den Überresten. Sie konnten das Unglück, was ihnen widerfahren war, immer noch nicht fassen. Ihr bisheriges Leben hatte sich innerhalb kurzer Zeit maßgeblich verändert.

„Wohin soll wir weitergehen? Die Spuren sind schwer zu lesen.“ Damit warf Elimar eine berechtigte Frage auf.

„Trotzdem müssen wir es versuchen. Lasst uns in diese Richtung gehen.“ Botho deutete auf den Rand des Waldes, wo die Orks zuerst aufgetaucht waren. „Alles deutet darauf hin, dass sie aus dieser Richtung gekommen waren. An der Schafweide sind sie auf dem Rückmarsch vorbei. Bestimmt sind sie wieder auf dem Heimweg. Mit all den Gefangenen können sie eigentlich noch nicht weit sein.“

Die nächsten Stunden liefen sie durch den urwüchsigen Wald. Botho war ein kundiger Fährtenleser und fand selbst dort noch Hinweise, welche die anderen übersehen hätten. Unterwegs lief Aleta dicht hinter Elimar, der ihr Zweige beseite bog und fortwährend auf Stolperfallen aufmerksam machte. Jabar trottete ihnen hinterher und schwieg. Je tiefer sie in den Wald gelangten, desto unwirtlicher wurde es. In dem Bodenbewuchs waren Schleifspuren zu sehen, als ob einer der Gefangenen schlapp gemacht und gezogen worden wäre. Keiner der vier war Willens sich ausmalen, welche Dramen sich dort abgespielt haben mussten. Während sie vorangingen, ertönte ein Stück weit vor ihnen eine laute, seltsam hell klingende Stimme.

„Halt!“, rief die Stimme. „Wagt euch weiter und ihr werdet es bereuen! Die Geister des Waldes werden euch strafen!“

Furchtsam bleiben Botho und die anderen stehen und suchten mit den Augen den Wald ab, sahen allerdings niemanden. Als Elimar einen Schritt nach vorne machte, ertönte die Stimme erneut.

„Halt, habe ich gesagt! Sonst wird es dein Verderben sein!“

„Sei lieber vorsichtig“, sagte Aleta verängstigt. „Wer weiß, vielleicht sind es wirklich Geister. Ich möchte nicht, das dir was passiert.“

„Weshalb sollten uns die Geister Waldes warnen? Und warum klingen diese Geister derart merkwürdig? Ich glaube, jemand will uns Angst machen.“ Elimar sprach zwar mutig, aber als er langsam einen Fuß vor den anderen setzte, überkam ihn ein mulmiges Gefühl. Aufmerksam beobachte er die Umgebung, sah jedoch noch immer nichts. Jabar hatte einen Stein in seine Schleuder gelegt, bereit einem etwaigen Feind zu begegnen. Nichts tat sich und die Stimme war verstummt. Nach ein paar Schritten sah Elimar ein Sprachrohr neben einem Baum liegen. Er hob es auf und sprach dadurch zu den anderen. Seine Stimme klang verzerrt und der Geisterstimme nicht unähnlich.

„Huhu! Ich bin der Geist des Waldes! Fürchtet meinen Zorn“, alberte er herum und fing an zu lachen. Erleichtert atmeten Botho und die anderen auf.

„Da will uns jemand verjagen“, meinte schließlich Botho. Er ging ein Stück in den Wald hinein und sah etwas. Langsam spannte er seinen Jagdbogen und rief „Hallo, Geist des Waldes! Zeig dich! Komm heraus, sonst werde ich dich holen!“

In einem Gebüsch raschelte es und heraus trat eine schmale junge Frau mit langen, verfilzten Haaren, in erdfarbenen Gewändern gekleidet. „Bitte tut mir nichts!“, flehte sie ängstlich.

„Keine Sorge“, sagte Botho und ließ seinen Bogen sinken. „Wir werden dir kein Leid antun. Wer bist du? Und wieso hast du versucht, uns zu verjagen?“

„Was bin ich froh, dass ihr nicht zu denen gehört. Mein Name ist Hilde und ich wohne hier mit meiner Lehrerin. Gestern habe…“ – der Rest ihres Satzes ging in Tränen unter.

„Ist gut“, sagte Aleta, trat an sie heran und strich ihr die braunen Locken aus dem Gesicht. Eine Woge penetranten Geruches streifte ihre Nase. „Beruhige dich und berichte uns, was passiert ist. Wer sind die, zu denen wir offenbar nicht gehören? Und, iihh, was in alles in der Welt riecht hier derart widerlich?“

Hilde ignorierte die letzte Frage und schluchzte für einen Moment. Sie fasste sich, holte tief Luft und begann zu erzählen.

„Es kamen viele grünhäutige Scheusale in den Wald. Sie hatten zahlreiche Menschen bei sich, alle gefesselt. Meine Lehrerin hat versucht, den armen Frauen und Kindern zu helfen. Diese Scheusale ließen nicht mit sich reden und griffen sie an. Und sie haben...“ Hilde liefen die Tränen runter und es dauerte einen Moment, bis sie sich fing.

„Sie haben sie getötet, nicht wahr?“, fragte Aleta. Hilde nickte und schaute sich hilflos um.

„Wir verfolgen diese Scheusale. Sie werden Orks genannt“, erklärte Botho.

„Zuvor waren sie bei uns in dem Dorf Mittenholz und haben es geplündert. Die Gefangenen sind die Frauen und Kinder von dort“, sagte Aleta. „Wir wollen sie befreien. Sag an, wer ist deine Lehrerin?“

Hilde schaute sie mit großen Augen an und überlegte für einen Moment. „Sie hatte viele Namen. In Mittenholz kennt man sie als die Kräuterfrau.“

„Die alte Kräuterfrau?“, fragte Jabar erschrocken. „Ja, natürlich kennen wir die. Sie war häufiger bei uns im Dorf. Sie half, sobald meine Schafe krank waren oder nicht lammen konnten“, erzählte Jabar. „Und den Frauen half sie häufiger bei schweren Geburten“, fügte Aleta hinzu. „Außerdem verstand sie sich auf das Heilen von Verletzungen. Sie wusste alles über Kräuter.“

„Ja, das klingt nach meiner Lehrerin, wie ich sie stets genannt habe. All das gehörte zu meiner Ausbildung. Ich befürchte, sie hat ihre Geheimnisse mit in den Tod genommen“, sagte Hilde traurig.

„Wie lange hast du bei ihr gelebt?“, erkundige sich Elimar. „Wir haben dich niemals im Dorf gesehen.“

Hilde überlegte kurz. „Vor fünf Wintern kam ich zu ihr. Seitdem habe ich viel Zeit mit der Zubereitung von Kräutern und Tinkturen verbracht. Mitgenommen hat sie mich bisher nie. Ich sei noch nicht bereit dafür, sagte sie.“

„Heißt das, du kennst dich mit Kräutern und derlei Dingen aus?“, fragte Botho voller Interesse.

„Das will ich meinen. Es gibt kaum eine Pflanze im Wald, die ich nicht kenne. Darüber hinaus habe ich noch viele andere Dinge gelernt“, erklärte Hilde voller Stolz.

„Ich kann mir vorstellen, was das war“, erwiderte Aleta. „Die Alten im Dorf bei uns in der Taverne haben gesagt, die alte Kräuterfrau sei eine Hexe. Wer zu viel Bier getrunken hatte, erzählte noch ganz andere Dinge. Und ich weiß, woher ich diesen Geruch kenne. Bestimmt hat sie dir die Hexenkunst beigebracht. Stimmt es oder habe ich Recht?“

Hilde ignorierte den Seitenhieb wegen ihres strengen Geruches. „Du liegst richtig. Sie hat mich gewarnt, dass viele Leute ihr deshalb nicht trauen. Ihr müsst mir glauben, sie hat nie Böses getan. Wir nutzen unsere Kräfte ausschließlich für das Gute“, ergänzte sie im flehenden Tonfall.

„Hab keine Furcht, wir glauben dir. Tun wir doch, nicht wahr?“, fragte Elimar und schaute zu dem Jäger.

„Ich sehe keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Zumindest habe ich nie schlechtes über die alte Kräuterfrau gehört. Dafür viel Gutes“, erwiderte Botho.

„Das freut mich zu hören. Es ist nicht leicht für mich, müsst Ihr wissen. Das war es nie. Ich werde klarkommen.“ Hilde schaute gedankenverloren zu den anderen und seufzte leise.

„Was hast du auf dem Herzen? Frei heraus damit“, ermuntere Aleta sie.

„Nun, es ist so“, druckste Hilde herum. „Nachdem meine Lehrerin tot ist, bin ich alleine hier und weiß nicht, was ich machen soll. Und ich dachte, eventuell könnt ihr, falls es euch nichts ausmacht, versteht sich, also vielleicht...“ „Du möchtest mit uns kommen, habe ich Recht?“, fragte Aleta. „Ja“, strahlte Hilde. „Das würde ich gerne. Darf ich? Bitte darf ich?“

Aleta schaute zu Botho. Der sah zu den anderen und nickte lächelnd. „Natürlich kannst du mit uns kommen. Uns ist jede helfende Hand willkommen.“ Er zögerte einen Moment. „Außerdem können wir dich schlecht hier zurücklassen, bloß weil du streng riechst...“

„Oh prima“, freute sich Hilde und sah sich aufmerksam um. „Wohin geht ihr eigentlich?“

Kapitel 5 – Sklavenzug

Eifriges Hämmern tönte aus der Schmiede. Zwischen den Schlägen erklärte der Schmied Gebhard seinem Gesellen, worauf es beim Schmieden ankam. „Kräftige, gezielte Schläge! Nicht zu sehr am Rand, sonst bricht es schnell und wir müssen von vorne beginnen. Ja, genau so, gut!“ Elimar gab sein bestes und der Schweiß floss ihm in Strömen den Körper hinunter. Sein Schlagarm war schwer wie Blei und er überlegte bereits, aufzugeben, als sein Meister ihn endlich aufhören ließ. „Lass es gut sein! Das muss reichen. Sieht fast aus wie ein Schwert, nicht wahr?“ Gebhard lachte herzhaft und griff mit einer Zange nach der Klinge. „Dir fällt bald der Arm ab. Ruhe dich aus! Einarmig nützt du mir nichts.“ „Ja, Meister“, erwiderte Elimar und legte den schweren Schmiedehammer beiseite. Mit Stolz betrachtete er die erste Klinge, die er geschmiedet hatte.

„Meister Gebhard, sei mir gegrüßt“, ertönte eine Stimme von außen.

Gebhard drehte sich um und begrüßte seinen Kunden. „Halwin, bist früh heute. Willst deine Axt abholen, nicht wahr?“

„So ist es. War total stumpf, das gute Stück.“

„Nicht mehr. Elimar hat ganze Arbeit geleistet und das Teil auf Vordermann gebracht. Hier nimm!“ Er reichte Halwin die geschliffene Axt, der sie eingehend betrachtete und mit einem Finger die Schärfe prüfte. „Wohl getan! Was bekommst du?“

„Lass gut sein. Nächstes Mal wieder. War nicht viel Arbeit“, sagte Gebhard.

„Hab Dank. Du bist zu großzügig“, antwortete Halwin erfreut.

„Du weißt, eine Hand wäscht die andere. Sobald du einen gut gewachsenen Baumstamm hast, weißt ja, wo du mich findest.“

„Das wohl! Wir sehen uns!“, nickte Halwin und ging seiner Wege.

„Gebhard, mein liebster, aus dir wird nie ein guter Kaufmann“, neckte ihn Freja. „Und ich hoffe, das bleibt so.“

„Sei still Weib“, sagte Gebhard und strahlte seine Frau an. „Wir haben, was wir brauchen und können in Frieden leben. Kann es etwas Schöneres geben?“

„Kaum, und deswegen liebe ich dich so sehr“, antworte Freja und warf ihm einen Kussmund zu.

 

Das Jammern eines Kindes holte Freja unsanft in die Realität zurück. Die friedlichen Zeiten waren vorbei. Genau wie die anderen Frauen und Kinder aus Mittenholz war sie mit sechs anderen Gefangenen aneinandergefesselt. Insgesamt gab es zehn solcher Gruppen. Beinfesseln machten es ihnen unmöglich, schnell zu laufen oder zu rennen. Insbesondere für die Kinder war es schwer, Schritt zu halten. Bald nach Beginn ihres Marsches brachen sie in Tränen aus. Für die Mütter war es eine schreckliche Tortur, ihre Kleinen weinen zu hören und nichts unternehmen zu können. Vor kurzem hatten sie sich von der Haupttruppe der Orks getrennt, die in eine andere Richtung gezogen waren. Eine Schar von vier Unteranführern und etwa einem Dutzend niederer Ork wachten an den Flanken über die Kolonne der Gefangenen. Einer von ihnen schwang eine Peitsche, von der er regen Gebrauch machte.

„Los, ihr elenden Mistbratzen! Bewegt euch, sonst mache ich euch Beine!“ Bluurz scherte sich nicht um das Gejammer der Frauen und Kinder und schwang seine Peitsche dicht über ihren Köpfen. Als Anführer des Sklavenzuges fühlte er sich seinem Ziel, Unterhäuptling zu werden, ein Stück weit näher. Trotzdem war seine Laune schlecht. Es war ihm zuwider, sich mit dem Menschenabschaum beschäftigen zu müssen. Nicht genug, dass die Sklaven zu langsam liefen und alles aufhielten, er war ihr fortwährendes Gewinsel einfach nur noch leid. Gragh hatte es bei Strafe verboten, sonst wäre längst manch einer der Gefangenen mit umdrehten Hals liegengeblieben. Normalerweise half das, um andere ruhig zu bekommen.

 

Mittlerweile waren sie seit vielen Stunden unterwegs. Nicht einmal, wenn sich einer der Gefangenen erleichtern musste, hielt die Kolonne. Die Orks waren in der Hinsicht unbarmherzig und verhöhnten ihre Gefangenen noch. Selbst als diese um Essen oder Wasser bettelten, blieben die Orks hart.

„Wasser gibt es erst bei der nächsten Rast. Und gerastet wird nicht vor Sonnenuntergang“, blaffte Gnatz. In seinem vernarbten Gesicht war keine Spur von Mitleid zu erkennen. „Hört auf mit dem Gejammer, andernfalls muss Bluurz euch das ausprügeln.“

„Was ihm Freude machen wird“, ergänzte Gnupp, der kleinste und hinterhältigste der Orkbande. Ständig spielte er mit einem scharfen Dolch herum und jagte den Kindern Angst ein. Zwar krümmte er ihnen kein Haar, alleine das Herumfuchteln mit der scharfen Klinge sorgte für Angstschreie. Daran ergötzte er sich und lachte dreckig.

Der vierte der Orks war Buup. Selbst für einen Ork war er groß und trug einen Speer mit sich. Diesen nutze er dazu, Frauen, die zu langsam liefen, ins Gesäß zu pieken. „Frischfleisch anstechen“ nannte er es. Sobald eine der Frauen schmerzerfüllt aufstöhnte, lachten die Orks sie zusätzlich aus. „Lauf schneller, mein Schönchen“ oder „Schwing deine Hüften, du Kuh“ waren noch die harmlosen Bemerkungen.

Ein ums andere Mal versuchte Freja, die Kinder und anderen Frauen zu beruhigen. Ihr Wehklagen verstummte nicht. Sie selbst wollte nicht verzweifeln, versuchte, mit ihrer Stärke ein Vorbild für die anderen sein. Vor Allem weil Buup es mit seinem Speer häufig auf sie abgesehen hatte, und sie ihm die Freude von Schmerzenslauten nicht gönnte. Sie biss auf die Zähne, sobald sie einen Stich abbekam und freute sich, ihre Peiniger missmutig knurren zu hören. Sie wusste nicht, was ihrem Mann widerfahren war. Falls er noch lebte, würde er sie retten. Sie mussten einfach durchhalten. Als abermals die Peitsche auf ihren Rücken knallte, verkniff sie sich mühsam die Tränen.

„Bist eine ganz Starke, was? Hoffst, dein Mann wird dich retten, häh?“ Bluurz lachte dreckig.

„Die sind sicher schon unterwegs. Es sind viel zu viele gewesen, wir sind geflohen“, ergänzte Gnupp und schüttelte sich vor Lachen.

„Was? Wie? Wir sind geflohen?“, fragte Buup erstaunt. „Waren alle mausetot. Hab selber die letzten aufgespießt. Oder haben wir einen vergessen?“

Das dreckige Lachen der anderen Orks ließ Freja nicht mehr zweifeln und fortan ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

 

Nach qualvollen Stunden hielten die Orks die Kolonne der Gefangenen endlich an. Einige der Frauen und Kinder fielen auf der Stelle um, entkräftet wie sie waren. Die meisten der Kinder waren derart erschöpft, dass sie nicht mal mehr Kraft zum Jammern hatten. Bluurz und Buup verteilten Wasserschläuche und hartes Brot, während Gnatz und Gnupp sich abseits der anderen unterhielten.

„Wie weit müssen wir diese Plagen noch treiben?“, erkundigte sich Gnupp ungeduldig.

Bluurz knurrte ihn missmutig an. „Wie oft fragst du das noch? Wir sollen sie an den Grenzlanden übergeben und zu den anderen zurückkehren. Ist das so schwer?“

„Nein“, entgegnete Gnupp. „Ich will wissen, wann und wo wir unsere Belohnung kriegen. Schließlich müssen wir uns hier mit den Gefangenen rumplagen und dürfen die Weiber nicht mal anrühren. “

„Gragh hat gesagt, wir bekommen unsere Belohnung, sobald wir die Gefangenen abgeliefert haben. Sein Wort reicht mir. Dir nicht?“ Zähnefletschend zog er einen Krummsäbel. Gnupp machte einen Schritt zurück. „Gragh ist ein großer Häuptling. Sein Wort zählt!“ Er schaute zu den Gefangenen und danach fragend zu Bluurz. „Und ein bisschen Spaß mit den Weibern ist nicht drin?“

„Versuch es! Ich schwöre, ich schneide dir alles ab, mit dem du Spaß haben kannst und lass es dich fressen!“

Gnupp machte eine abwehrende Geste. „Schon gut. Man wird doch noch fragen dürfen“, sagte er und ging zu den Gefangenen zurück.

Kapitel 6 – Die Hütte im Wald

Hilde hatte ihre neuen Freunde tiefer in den Wald zu der Hütte geführt, die sie mit der alten Kräuterfrau bewohnt hatte. „Ein paar Dinge möchte ich mitnehmen“, hatte sie erklärt und die anderen waren ihr gefolgt. Immer tiefer gelangten sie in den Wald und es war, als wäre hier nie zuvor ein Mensch gewesen. Schließlich standen sie vor zwei alten Baumriesen. Mit ihren mächtigen Ästen wirkten diese Bäume, als würden sie sich umarmen. Dazwischen schmiegte sich eine kleine, mit Efeu und zahlreichem Gestrüpp bewachsene Hütte. Hätte Hilde sie nicht auf den Verschlag hingewiesen, wären sie daran vorbeigelaufen.

„Hier haben wir gewohnt“, sagte Hilde und hielt auf den linken Baumriesen zu.

„Wo gehst du hin?“ fragte Aleta. „Die Hütte liegt zwischen den Bäumen.“

Hilde lachte. „Ich weiß. Allerdings habe ich abgeschlossen und den Schlüssel hier versteckt. Diese Tür darf niemals offen stehen.“ Aus dem Geäst am Baum fischte sie einen kleinen Schlüssel, mit dem sie die Tür öffnete. Sie knarrte leise, wie um Hilde willkommen zu heißen. „Los, tretet ein“, sagte Hilde und ging voran.

 

Im Inneren der Hütte herrschte Zwielicht. Der Duft von Dutzenden von verschiedenen Kräutern lag in der Luft. Durch zahlreiche Ritzen in den Wänden trat gerade genug Licht ein, um die eigene Hand vor Augen sehen zu können. Es dauerte einen Moment, bis sich die Augen aller an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Zielsicher ging Hilde auf einen kleinen Tisch zu und deckte eine schimmernde Kugel auf. Ihr Licht reichte vollkommen aus, den Raum zu erhellen. Und es gab einiges zu sehen. Die kleine Hütte war vollgestopft mit den merkwürdigsten Dingen. An einer Wand stand eine Art Werkbank mit zahlreichen Pflanzenresten, daneben ein Mörser mit Stößel und eine Unzahl von kleinen und größeren Flaschen. Die anderen Wände standen voller Regale, in denen Beutel, Kästchen und kleine Bastkörbe standen. Von der Decke hingen zahlreiche Pflanzen sowie getrocknete Überreste von Tieren. Auf einer Feuerstelle stand ein Kessel, aus dem eine Schöpfkelle hervorragte. Der hintere Bereich der Hütte war mit einem Vorhang abgedeckt.

„Willkommen in meinem Heim“, sagte Hilde und lächelte, als sie die erstaunten Gesichter der anderen sah. „Ich weiß, es wirkt vielleicht seltsam auf euch. All das hier benötigen wir, um kranke oder verletzte Tiere und Menschen zu versorgen.“

„Ihr nutzt also euer Wissen ausschließlich, um zu helfen. Und ihr könnt heilen? Das ist fantastisch!“, sagte Botho. Hilde nickte und leerte eine Ledertasche aus, um darin andere Dinge zu verstauen.

„Heilen sagst du? Ich glaube, du solltest einen Blick auf Elimars Arm werfen“, meinte Aleta. „Seine Wunde schmerzt ihn mehr als er zugeben will.“

Widerwillig entblößte Elimar seinen verletzten Oberarm. Die Wunde war rot angelaufen. „War ein Holzsplitter“, sagte er bedrückt. „Es zieht bis zur Schulter hoch.“

Hilde betrachtete die Stelle und legte vorsichtig eine Hand darauf. „Warm. Wie ich es mir dachte. Sieht nicht gut aus. Keine Sorge, ich weiß, was zu tun ist.“ Sie kramte in einem der Regale, sammelte eine Handvoll Kräuter zusammen und zerkleinerte sie in dem Stößel. Anschließend füllte sie die Kräuter in eine kleine Schüssel, fügte Wasser und andere Zutaten aus kleinen Tiegeln hinzu und rührte eine Paste daraus. Gebannt sahen alle ihr zu, bis sie die fertige Paste auf Elimars Arm verteilte. „So, das sollte reichen. Die nächsten zwei Tage behandle ich die Wunde damit, dann sollte alles gut sein.“

„Es geht schon und tut nicht mehr weh“, sagte Elimar erfreut.

„Freu dich nicht zu früh. Die Kräuter dämpfen das Gefühl und den Schmerz. Kannst froh sein, dass es kein böses Blut gegeben hat“, erklärte Hilde.

„Danke“, sagte Aleta und strahle erst Hilde, danach Elimar.

„Keine Ursache“, erwiderte Hilde. „Ich werde ein paar Sachen packen. Wir wollen weiter. Schaut euch um. Falls euch etwas gefällt, könnt ihr es gerne mitnehmen. Ich kann alleine nicht alles tragen.“

„Auch die leuchtende Kugel? Die wäre praktisch“, erkundigte sich Jabar und griff danach, als Hilde ihn aufhielt.

„Nein, die nicht. Sie gehört zu den Bäumen und muss hier bleiben. Draußen würde sie ohnehin nicht leuchten.“

„Wie meinst du das? Sie gehört zu den Bäumen?“, fragte Aleta neugierig.

Hilde seufzte. „Du willst es offensichtlich genau wissen. Unter Umständen hast du es nicht bemerkt: Das sind zwei besondere Bäume. Sie sind sehr alt, älter als der ganze Wald sagt man. Das Leuchten wird von ihrer Lebenskraft gespeist. Ohne die Bäume gibt es kein Leuchten. So einfach ist das.“

Aleta nickte verständig und zog Jabar weg, der die Kugel gierig beäugte.

Kurz darauf hatte Hilde alles eingepackt, was sie für notwendig hielt. Unter anderem hatte sie sich eine Auswahl Kräuter zusammengesucht, die hilfreich sein konnten. Als sie alle vor der Hütte standen, verschloss Hilde die Tür sorgfältig und versteckte den Schlüssel in dem linken der Bäume. „Sollte eine neue Kräuterfrau den Weg hier her finden, wird sie den Schlüssel finden. Und wer die Hütte aufbricht, wird sich wundern. Möge sein Körper dem Kreislauf des Lebens zugeführt werden“, sagte sie geheimnisvoll.

„Lasst uns aufbrechen“, sagte Botho und deutete tiefer in den Wald hinein. „Falls mich nicht alles täuscht, müssen wir in diese Richtung. Hilde, du kennst die Umgebung hier besser als wir. Was befindet sich dort?“

Hilde überlegte kurz. „Lange Zeit nichts als noch mehr Wald soweit ich weiß. Eine Tagesreise entfernt von hier liegt ein kleines Dorf. Meine Lehrerin war ab und an dort, um nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht haben die Orks dieses Dorf übersehen.“

„Nun, das werden wir das sehen. Aufhalten können wir sie nicht. Nicht ausgeschlossen, Spuren dieser Unholde zu finden“, sagte Botho.

Kapitel 7 – Das gebrandschatzte Dorf

Bis zum Sonnenuntergang hatten Botho und die anderen ein großes Stück des Waldes durchquert. Das dichte Blätterdach schützte sie vor dem Regen, der den ganzen Tag andauerte. Je tiefr sie in den Wald gingen, desto dichter und urwüchsiger wirkte er. Selbst von den Orks war keine Spur zu sehen. Es schien, als wäre hier nie zuvor ein Mensch gewesen. Sie hofften sehr, dass das kleine Dorf, von dem Hilde berichtet hatte, verschont geblieben war. Gegen Abend schlugen sie nahe einer kleinen Quelle ein Lager für die Nacht auf. Mit der Dunkelheit kehrte eine unheimliche Stille ein.

 

Mit den ersten Sonnenstrahlen kam Leben in den Wald. Der Himmel war aufgeklart und es war keine Regenwolke zu sehen. Vögel sangen ihre Lieder, hier und dort zeugte ein Rascheln in den Blättern von der Anwesenheit kleinerer und größerer Tiere. Botho trieb die kleine Gruppe zur Eile an, denn er hoffte, das Dorf bald zu erreichen. Um die Mittagszeit lichtete sich der Wald und es fanden sich erste Spuren von Menschen. Als Nächstes erreichten sie den Rand des Waldes und sahen ein abgeerntetes Feld. Frohen Mutes gingen sie eine Reihe von primitiven Hütten zu. Allerdings bewegte sich dort niemand und als sie näherkamen, wussten sie weshalb. Anstelle eines Dorfes fanden sie Ruinen vor, einige halb verweste Leichen lagen zwischen den Hütten.

„Wir kommen zu spät“, sagte Aleta traurig und rückte unbewusst näher an Elimar heran. „Die hat es auch erwischt.“

Botho trat auf den ersten Leichnam zu und schüttelte den Kopf. „Sieht aus, als wären die schon länger tot. Seht! Mehrere Knochen sind gebrochen.“

Elimar bückte sich und inspizierte eine der Leichen. „Und das hier sieht mir nach Spuren einer Axt aus. Das müssen Orks gewesen sein.“

 

Aleta war tiefer in das Dorf gegangen und hatte einen grausigen Fund gemacht. „Wie schrecklich! Seht, hier hinten liegen noch mehr Leichen.“

Beruhigend legte Elimar ihr die Hand auf die Schulter. „Ist schon gut. Ich bin bei dir.“

Dankbar sah sie ihn an und atmete erleichtert auf.

„Sie haben sich tapfer gewehrt, hatten gleichwohl keine Chance“, beurteilte Botho die Lage. Hilde sah sich die Leichen näher an und warf einen Blick in ein paar Hütten. Die anderen blieben fassungslos stehen und betrachten die Überreste des Dorfes. Als Hilde zu ihnen zurückkam, hatte sie etwas zu berichten.

„Es ist, wie ich es mir gedacht habe. Beinahe alle Leichen sind Männer. Versteht ihr, was das bedeutet?“

„Sie waren ausschließlich hinter Frauen und Kindern her! Verdammt! Wie bei uns zuhause! Was steckt dahinter?“ Aleta wirkte verunsichert. „Beinahe hätte ich das gleiche Schicksal gehabt. Mir wird übel bei dem Gedanken.“

„Denk besser nicht darüber nach. Du lebst und das ist die Hauptsache“, versuchte Hilde sie zu beruhigen.

„Du hast Recht“, erwiderte Aleta. „Wir müssen nach vorne blicken und das beste aus der Lage machen.“

„Gut“, sagte Jabar. „Lasst uns schauen, ob wir noch irgendetwas brauchbares finden. Ich finde, jeder von uns sollte irgendeine Waffe haben.“

Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden und sie machten sich auf die Suche. Um Zeit zu sparen, gingen sie getrennt. Gerade wollte Botho eine größere Hütte betreten, als ein Schrei erklang.

„Das war Hilde!“, rief Botho und rannte in Richtung des Schreis. Jabar und Aleta folgten ihm und sahen, wie Hilde mit bleichem Gesicht vor einer Hütte auf sie wartete.

„Was ist passiert?“, fragte Botho.

„Drinnen“, sagte Hilde mit dünner Stimme und musste sich übergeben.

Botho zog seinen Dolch und betrat die Hütte. Beißender Verwesungsgeruch schlug ihm entgegen. Im Inneren sah er, worüber Hilde sich erschrocken hatte. Mehrere madenzerfressende Leichen lagen hier. Durch die Bewegung der Maden wirkte es, als würden die Toten sich bewegen. Außerdem fiel ihm auf, dass diese durchweg von alten Menschen stammten und eine Vielzahl an Wunden aufwiesen. Es schien, als ob die Orks sie auf besondere Weise gequält hätten. Angewidert verließ Botho die Hütte.

„Geht nicht rein. Ist kein schöner Anblick, Gefahr hingene droht freilich keine. Habt ihr anderen etwas gefunden?“, fragte er in die Runde.

Allgemeines Kopfschütteln, bis auf Jabar, der stolz mit einer Klinge fuchtelte.

„Seht her, was ich habe. Ein altes Breitschwert! Ist nicht mehr allzu scharf, deswegen haben die Orks es wahrscheinlich liegen gelassen. Besser als nichts.“

„Stimmt. Bis auf Hilde hat also jeder von uns wenigstens einen Dolch. Das ist ein Anfang. Wo hast du es gefunden?“, fragte Botho.

„Um ehrlich zu sein, ich habe es in der Hand einer der Leichen gefunden. Genützt hat es ihm nicht“, erklärte Jabar. „Er braucht es nicht mehr. Und mir nützt es eher.“

„Verstehe. Los, wir verlassen diesen Ort des Grauens“, meinte Botho. „Das dort vorne scheint zumindest ein Weg zu sein. Wir werden sehen, wo der hinführt.“ Er ging voran, hinter ihm Jabar und Aleta. Mit Abstand folgte Hilde und Elimar bildete das Schlusslicht. Der gestampfte Lehmboden glich nach dem Regen der letzten Tage einem Schlammbad. Nach einer Weile führte der Weg zu einer kleinen Kreuzung mit einem großen Baum. Es war Botho, der die anderen auf die Zeichen an dem Baum aufmerksam machte.

„Das ist ein Waldläuferzeichen. In dieser Richtung scheint ein Gasthof zu liegen.“

„Ein Gasthof? Das klingt gut. Womöglich bekommen wir dort was Warmes zu essen“, sagte Aleta.

„In welche Richtung sind die Orks marschiert? Kannst du irgendetwas erkennen, Botho?“, fragte Jabar. Der betrachte den Boden und ging ein Stück auf und ab. „In dem Matsch hier kann ich alle möglichen Spuren erkennen. Sie führen in verschiedene Richtungen. Ich vermute, die sind in Richtung Gasthof.“

„Musst du einem alles mies machen?“, fragte Aleta betrübt. „Du meinst, den Gasthof können wir abschreiben.“

„Das wird sich zeigen“, meinte Elimar. „Ich lass mich nicht entmutigen.“

„Ich gebe dir Recht. Lasst uns nachsehen“, sagte Botho und ging voraus. Schweren Herzens folgten ihm die anderen. Bis zum Sonnenuntergang gingen sie den Weg entlang. Abseits des Weges richteten sie sich für die Nacht ein und hielten abwechselnd Wache.

Kapitel 8 – Der Gasthof

Herzhaft gähnte Hilde und beobachtete, wie die Nacht langsam dem Morgengrauen wich. Als endlich die Sonne aufging, schälte sie sich aus der Decke, die sie sich übergelegt hatte und schüttelte die Müdigkeit ab. In der Nacht war es unangenehm kühl geworden. Zu Wachen während die anderen schliefen, war ihr nicht leichtgefallen. Bis auf nächtliche Vögel war zum Glück alles ruhig geblieben. Es war an der Zeit, die anderen zu wecken.

 

Nach einer kargen Mahlzeit setzten sie ihre Wanderung fort. Der Regen hatte aufgehört und das abfließende Wasser hinterließ ein Schlammbad. Bis zur Mittagszeit kamen sie gut vorwärts druch den Matsch. Der Pfad machte einen Knick und auf Entfernung war ein größeres Gebäude zu sehen. Ein bescheidener Steinbau mit zwei Stockwerken türmte sich vor ihnen auf. Daneben lagen ein paar Stallungen. Ein Turm krönte das Dach des Hauses. Offensichtlich hatte man von dort aus einen guten Überblick.

„Hab ich zu viel versprochen? Das muss der Gasthof sein“, sagte Botho.

Jabar blickte skeptisch. „Dennoch sollten wir vorsichtig sein. Feuer brennt jedenfalls keines. Es sieht ruhig aus. Wer weiß, ob die Orks schon hier waren. Das Dorf sah ruhig aus“, mahnte er.

Vorsichtig gingen sie an Stallungen vorbei bis sie das Eingangstor sahen. Es stand offen.

„Vorsicht!“, mahnte Botho leise. „Hier ist was faul.“

Von innen hörten sie dumpfe Schläge, als ob Gegenstände umgeworfen würden. Im nächsten Moment waren die kehligen Laute mehrerer Orks zu hören.

„Gibt kein Gold hier. Aber zu fressen!“, grunzte ein Ork.

„Und Bier!“, grölte ein seiner Kameraden und rülpste lautstark. Seine Kameraden lachten laut.

„Ist das Menschenweib noch am Leben? Hat sie das Gold versteckt?“, fragte einer der Orks. „Wir sollten sie befragen.“

„Bestimmt lebt sie noch. War sanft mit ihr“, grunzte der erste Ork wieder und lachte boshaft.

„Sie haben eine Gefangene! Wir müssen sie befreien“, flüsterte Aleta. „Wir können sie nicht diesen Unholden überlassen.“

„Das werden wir nicht. Ich geh voran und versuche, sie heraus zu locken. Ihr lauert ihnen hier vor der Tür auf und erledigt sie. Klar?“ fragte Botho und legte einen Pfeil in seinen Bogen ein. Die anderen nickten, nur Aleta flüsterte ihm noch ein „Sei vorsichtig!“ zu, ehe sie ihren Dolch zückte.

Botho trat in den Eingang. Vor ihm lag der Schankraum, in dem sich einige Orks an den Biervorräten gütlich taten. Andere durchwühlten die Küche und dahinter liegende Räume.

„Was treibt ihr hier, ihr grünhäutigen Schweine“, rief Botho ihnen auffordernd entgegen und zielte mit seinem Bogen auf den nächsten Ork. Verwundert schauten die Orks sich um, als der Pfeil von Bothos Sehne schnellte und sich in den Hals einer der ihren bohrte. Gurgelnd brach er zusammen. Die anderen Orks zogen ihre Waffen und stürzten sich wutbrüllend auf Botho. Der legte einen zweiten Pfeil ein, traf jedoch bloß einen der Tische. Schnell legte er einen dritten Pfeil auf, der in der Eile daneben ging. „Mist“, fluchte Botho und zog sich zurück. Die Orks stürzten nach draußen. Als Hilde sie sah, rannte sie ängstlich schreiend davon.

„Hilde bleib!", rief Botho ihr nach. Es war zwecklos, die Orks waren zu viel für sie.

Elimar, Jabar und Aleta hatten mit ihren Waffen an den Seiten der Tür gelauert. Sobald die Orks nach draußen kamen, sanken drei von ihnen hinterrücks erschlagen zu Boden. Vier Orks blieben und stellten sich wutschnaubend zum Kampf. Schlag folgte auf Schlag. Jabar wirbelte mit seinem Breitschwert umher und hielt zwei Gegner auf Abstand. Diesen Vorteil hatte Aleta mit ihrem Dolch nicht. Sie war gezwungen, einen Ork, der gut einen Kopf größer war als sie, nahe an sich heran zu lassen. Mit seiner Axt schwang er wild um sich. Einige Male wich sie mit Mühe aus. Ihr fiel auf, der Ork schuf sich mit seinen Axtschwüngen selber ein Problem. Er achtete nur auf Aleta und übersah, was seitlich von ihm passierte. Deshalb lockte sie ihn näher an Jabars Gegner heran. Ihr Plan ging auf, als die Axt in den Rücken eines anderen Ork fuhr. Verwundert hielt Aletas Gegner inne. Den Moment nutze sie für eine Attacke. Ihr Dolch stach tief in seinen rechten Arm und durchtrennte seine Sehnen. Der Ork brüllte vor Schmerz und ließ die Axt fallen. Im nächsten Moment zuckte Aletas Dolch vor und bohrte sich tief in in seinen Hals. Gurgeldn brach er zusammen. Den verbleibenden Gegner erwischte Jabar mit einem Schwerthieb an der Seite, als nächstes am Kopf.

Elimar sah sich mit seinem Hammer einem Ork und seiner Keule gegenüber. Einer hieb nach dem Anderen. Die schwerfälligen Waffen machten ausweichen einfach, das Treffen des Gegners schwieriger. Beim Schmieden war Elimar geübt, den Hammer zu schwingen, die ungewohnten Bewegungen im Kampf waren anstrengend. Um besser greifen zu können, umfasste er seine Waffe bald mit beiden Händen. Mit dem Mut der Verzweiflung stürmte er auf den Ork ein und traf ihn prompt am Waffenarm. Der taumelt zurück. Elimar setzte nach und traf ein Bein. Sein Gegner stolperte und es knackte laut, als Elimars Hammer seinen Schädel zertrümmerte.

„Das war leicht!“, freute sich Aleta.

„Freu dich nicht zu früh. Auflauern ist einfach. Drin sind sicher noch mehr“, warnte Botho.

Beileibe war aus dem Inneren das Trampeln schwerer Stiefel zu hören. Ein dumpfer Schlag erklang. Ehe sie sich versahen, standen vier weitere Orks zwischen ihnen. Zwar gelang es Botho einen von ihnen mit einem Pfeil auszuschalten, die anderen gingen in den Nahkampf über. Jabar erwehrte sich mit seinem Schwert mehr oder weniger erfolgreich gegen seinen Gegner, während Elimar mit seinem Hammer einen Ork mit Schlägen eindeckte. Einzig Aleta geriet in Bedrängnis, weil sich das Breitschwert ihres Gegners mit ihrem Dolch kaum abblocken ließ. Gekonnt wich sie ein ums andere Mal aus und ließ sich in das Innere des Hauses drängen. Botho ließ seinen Bogen fallen und eilte ihr mit seinem Dolch zur Hilfe, kam jedoch nicht an Jabars Gegner vorbei, der mit zwei Klingen umher wirbelte. Gerade riss Jabar sein Schwert hoch, um die Hiebe zu parieren, als ihn eine Klinge am Waffenarm traf. Schmerzerfüllt schrie er auf und ließ das Schwert fallen. Wäre Botho nicht dazwischen gegangen, hätte der Ork ihm den Rest gegeben. Nun war es an Botho, den Schlägen auszuweichen und Jabar Freiraum zu verschaffen. Der hob das Schwert mit der linken auf und drängte auf den Ork ein. Für einen Moment sah es aus, als würde der Ork beide erschlagen. Sie sahen, wie sein Blick brach. Blut lief aus seinem Mund und er sackte in die Knie. Hinter ihm stand Aleta mit einem blutigen Dolch in der Hand.

„Ihr hattet Hilfe nötig, wenn ich mich nicht irre?“, sagte sie und grinste.

„Du kamst gerade rechtzeitig“, antwortete Botho während Jabar seine Wunde zudrückte. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. „Ja, danke. Wie hast du...?“

„Später, vorher müssen wir Elimar helfen“, fluchte sie und bedrängte den letzten Ork. Der sah sich zwei Gegnern gegenüber und registrierte, dass alle seine Kameraden gefallen oder verschwunden waren. Hämisch grinsend hieb er nach Aleta und erwischte sie an der Seite. Sie stöhnte auf und im nächsten Moment war ihr Wams blutdurchtränkt. Der Ork hielt für einen Moment inne und lachte. Dieses Zögerns nutzte Elimar aus und drängte wütend nach. „Du verdammter Dreckskerl! Lass ab von ihr!“ Sein Hieb traf den Ork an der Schulter. Knackend brach das Gelenk und der Ork ließ schmerzerfüllt die Waffen fallen. Trotz ihrer Wunde war Aleta im Nu über ihm und wollte ihm den Hals durchschneiden, als Botho rief. „Lass ihn leben. Vielleicht kann er uns etwas Nützliches sagen.“ „Hast Glück gehabt“, murmelte Aleta dem Ork zu und verpasste ihm mit dem Dolchgriff einen Schlag an die Schläfe. Bewusstlos brach er zusammen.

„Es reicht, Aleta, der hat genug“, ermahnte sie Botho.

„Ich hasse diese elenden Biester. Ich hasse sie wirklich!“, meinte Aleta und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

„Das hast du uns mehr als deutlich gemacht“, erwiderte Botho. „Nicht, dass es mir anders gehen würde. Für den Fall, dass er uns etwas verraten kann, was uns weiterbringt, sollten wir ihn leben lassen.“

„Beruhig dich bitte“, sagte Elimar und zog sanft ihren Waffenarm zurück. „Der tut dir nichts mehr.“

Sie sah ihn mit großen Augen an und nickte langsam. Bevor sie von dem Ork abließ.

„Wie konntest du den Kerl mit der Axt überwinden?“, fragte Elimar interessiert. „Ich habe mir echt Sorgen um dich gemacht.“

Aleta grinste frech. „Das war einfach. In Vaters Taverne habe ich gelernt, mich gegen aufdringliche Kerle zur Wehr zu setzen. Und ihr Männer habt alle einen Schwachpunkt.“

Elimar verzog das Gesicht und nickte verständig, was Aleta zum kichern brachte.

„Los, fesseln wir den Lump und sehen nach, wie es drinnen aussieht“, sagte Botho und war froh, schnell das Thema wechseln zu können.

„Die Frau ist tot. Die Bastarde haben sie aufgeschlitzt wie ein Schwein“, erklärte Aleta verbittert und setzte sich auf einen Baumstumpf. Schwer atmend fasste sie sich an die Seite, während die Männer im Gebäude verschwanden.

Die eingeschüchterte Hilde tauchte wieder auf und setze sich zu Aleta. „Tut es weh?“ Aleta nickte stumm und Hilde betrachte die Wunde. „Darf ich?“, fragte sie vorsichtig und erst Aleta erneut nickte, schnitt sie das Wams mit einem Messer auf und wusch die Wunde mit Wasser aus. Sodann legte sie ihre Hand auf die Wunde und schloss ihre Augen.

„Was tust du?“, fragte Aleta sichtlich irritiert.

„Psst! Vertraue mir. Es wird dir guttun“, flüsterte Hilde. „Sei ruhig und halte still.“

Leise sprach sie ein paar seltsame Worte und atmete tief aus. Schlagartig öffnete sie die Augen. Aleta sah, wie Ränder der Wunde von einem grünlichen Flimmern umgaben waren. Eine Welle von Wärme durchflutete ihren Körper und sie fühlte sich besser. Schließlich legte Hilde einen Kräuterverband auf und verband sie fachgerecht. Erst danach redete sie.

„Ich habe dir mit der Kraft der Natur geholfen. Die ganze Wunde vermochte ich nicht zu verschließen, indes ist es ein guter Anfang“, sagte sie und lächelte ihn an.

„Erstaunlich!“, murmelte Aleta. „Danke. Das war irgendwie merkwürdig.“

„Es tat nicht weh, oder?“, fragte Hilde und lächelte.

„Nein, im Gegenteil. Es fühlte sich wunderbar an.“

„Das freut mich zu hören“, erwiderte Hilde. „In Zukunft wirst du hoffentlich anders über Kräuterfrauen und Hexen denken.“

„Sicherlich, obwohl du streng riechst“, sagte sie und grinste. Hilde rollte mit den Augen, sagte dessen ungeachtet nichts.

 

Im Inneren des Gasthofes fanden die drei Männer die Leiche des Orks mit der Axt. Sein Hals war durchgeschnitten. Ein paar Schritte daneben lag die Leiche einer Frau. Ihr Kopf war halb abgetrennt und eine Blutlache umgab sie. Die Inneneinrichtung war verwüstet, einzig ein offenes Bierfass und mehrere Trinkhumpen waren stumme Zeugen für das Tun der Orks. In den hinteren Räumen fanden sich noch die Leichen von mehreren Männern und Frauen, darunter einem Säugling. Offenkundig die Betreiber des Gasthofes. Alle anderen Räume waren geplündert worden.

„Augenscheinlich waren noch mehr Orks hier gewesen. Die ganze Beute ist weg. Wir hätten nicht mehr helfen können“, merkte Jabar überflüssigerweise an.

Als sie nach draußen gingen, fanden sie Aleta und Hilde fröhlich plaudern vor.

Kapitel 9 – Die Übergabe

„Los! Rüber mit euch! Lauft! Sonst mache ich euch Beine“, schnauzte Bluurz die Gefangenen an und trieb sie unter höhnischem Gelächter der anderen Orks zu einer kleinen Lichtung. Mühsam schleppten sich Frauen und Kinder voran. Zwar waren sie fast alle mit ihren Kräften am Ende, wollten allerdings nicht noch mehr Schläge von ihren Peinigern riskieren. Niemand von ihnen konnte vergessen, wie eine der Frauen zusammengebrochen war und sich von Gnatz ohne Widerstand über den Boden schleifen ließ. Er scherte sich wenig darum geschert, ob Steine im Weg lagen und zu guter Letzt war sein Opfer mit einer Unzahl an Brüchen regungslos liegengeblieben. Selbst als Buup sie mehrfach mit seinem Speer stach, hatte sie sich nicht gerührt. Daraufhin hatte Gnatz ihr die Bauchdecke aufgeschlitzt und sie einfach liegen lassen. Falls sie nicht bereits tot war, ist sie schnell verblutet. Bluurz war verdächtig ruhig geblieben. Allem Anschein nach, hatte ihm das Verhalten von Gnatz nicht gefallen. „Auf diese Weise hatte sie die Tortur hinter sich“, dachte Freja und fluchte leise vor sich hin. Irgendwie musste sie durchhalten. Nach einer kurzen Rast trieben sie Orks sie wieder an.

 

Sie marschierten für Stunden. Um sie herum war eine karge Landschaft mit wenig Pflanzen auszumachen. Bald ging der lehmige Untergrund in eine dichte Graslandschaft über. Anschließend folgten Sümpfe bis zum Horizont. Bluurz und die anderen Orks wussten, sie waren nahe an ihrer Heimat. Dennoch legten sie eine Rast ein, denn das Gelände vor ihnen würde das Fortkommen zusätzlich erschweren. Ihre Gefangenen waren für jede Rast dankbar.