Die Saga von Thale - Monika Felten - E-Book
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Die Saga von Thale E-Book

Monika Felten

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Beschreibung

Sechzehn Jahre ist es her, dass Sunnivah in der Nacht der Zwillingsmondfinsternis geboren wurde. Kurz vor der Weihe zur Priesterin erfährt Sunnivah, dass sie die Auserwählte ist, die die Menschen in Thale von den dunklen Mächten befreien muss. Sie verlässt ihre Heimatstadt und macht sich auf den Weg nach Nimrod, um sich im Heer des finsteren Herrschers zur Kriegerin ausbilden zu lassen. Dort tritt sie ihren Feinden zum ersten Mal mit Schwert und Magie gegenüber, ein scheinbar ungleicher Kampf. Doch sie findet Verbündete, die bereit sind, für die Erfüllung der Prophezeiung ihr Leben zu lassen und die Mächte der Finsternis aus Thale zu vertreiben. Folge II der spannenden Fantasy-Reihe »Die Saga von Thale« von Monika Felten. Der Krieg zwischen dunklen Mächten und den friedlichen Völkern beherrscht das Reich Thale. Druiden, Elfen und Menschen fallen dem finsteren Herrscher zum Opfer. Doch die auserwählte Sunnivah, die Priesterin Kyani und die Nebelelfe Naemy stellen sich ihnen mutig entgegen, um das Reich Thale von der Herrschaft der Finsternis zu befreien. Eine packende Fantasy-Saga um den uralten Kampf zwischen Gut und Böse. Die Romanserie »Die Saga von Thale« besteht aus folgenden Bänden: I. Das Mal der Zwillingsmonde II. Die Schwertpriesterin III. Die Nacht der Lichter IV. Nimrod V. Caira-Dan VI. Tun-Amrad VII. Sieg der Finsternis VIII. Fedeon IX. Die Rückkehr der Nebelelfen

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Seitenzahl: 246

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Monika Felten

Die Saga von Thale

Folge II:Die Schwertpriesterin

Roman

Für Sabine Streufert,meine Schwester und Freundin

Was davor geschah in Folge I

Das Mal der Zwillingsmonde

In der Nacht, in der beide Monde sich verdunkeln, bringt eine einfache Frau ein Mädchen zur Welt. Sie nennt das Kind Sunnivah. Niemand weiß, dass der finstere Herrscher vom Reich Thale alles versucht hat, sie zu töten, denn nachdem er alle Elfen und Druiden ermordet und die Gütige Göttin vertrieben hat, prophezeite ihm der letzte Druide die Ankunft eines Retters. Sunnivah ist die Auserwählte. Wird sie ihre schwierige Aufgabe bewältigen und das Reich Thale vor der Finsternis befreien?

1

Der körperlose Wächter beendete seine Runde und gesellte sich zu seinem Bruder. Schweigend schwebten sie nebeneinander in der undurchdringlichen Dunkelheit, die den einzigen erleuchteten Ort dieser Dimension von allen Seiten umschloss. Unmittelbar hinter ihnen erhob sich die magische Außenhülle einer gewaltigen Kugel, deren phosphoreszierendes Leuchten es den Wächtern unmöglich machte, einen Blick ins Innere des Gefängnisses zu werfen, das sie nun schon eine Ewigkeit bewachten.

Die Wächter kannten nur ihre Aufgabe und besaßen kein Gedächtnis. Sie konnten sich nicht daran erinnern, dass die Kugel einmal transparent gewesen war. Damals hatten sie die beiden Gefangenen, die sich im Innern der Kugel befanden, noch deutlich sehen können, doch dann begann das Licht ganz allmählich immer stärker zu werden und verwehrte ihnen schließlich jeden Einblick. Sie hätten es melden müssen, aber die Veränderung verlief so langsam, dass sie es gar nicht bemerken konnten.

Irgendwann begann der zweite Wächter mit seinem Rundgang. Aufmerksam tasteten seine Sensoren die magische Hülle der Kugel ab, während er gleichzeitig in ihrem Inneren nach den Gefangenen suchte. Deutlich spürte er die Aura der beiden Frauen. Alles schien in Ordnung. Erst als er die Runde schon fast beendet hatte, entdeckte er den feinen Riss in der Außenhülle. Oranges Licht floss in einem feinen Rinnsal aus der Kugel und zog sich wie ein langer leuchtender Faden durch die Unendlichkeit der Dimension.

Es war bereits der dritte Vorfall dieser Art. Und auch ihn vermerkte der Wächter in seinem Protokoll. Dann verschloss er den Riss sorgfältig, beendete seine Runde und sandte seinen Bericht an das Medium in Nimrod.

Aufmerksam, jedoch ohne Eile verfolgten die beiden Jäger die glänzende Blutspur auf dem feuchten Waldboden. Sie waren zufrieden, denn sie hatten gut gezielt. Die große graue Wölfin, die seit einigen Mondläufen in den Wäldern von Daran herumgestreift war und das wenige und daher kostbare Vieh der Bauern gerissen hatte, war schwer verwundet.

Sie war auf der Flucht, bewegte sich jedoch nur noch langsam vorwärts. Die Jäger wussten, dass es lediglich eine Frage der Zeit sein würde, bis sie das erschöpfte Tier eingeholt hatten.

Wenig später sahen sie die Wölfin.

Sie lag auf einer kleinen Lichtung im hohen Gras. Die beiden Pfeile der Jäger steckten noch immer in ihrer Flanke und ihr helles Bauchfell glänzte rot. Auf dem Boden hatte sich bereits eine dunkle Blutlache gebildet, die sich rasch vergrößerte. Aber das Tier lebte noch. Zwar ging ihr Atem nur flach und stoßweise, doch ihre schwarzen Augen funkelten die Jäger auch jetzt noch gefährlich an.

Die Männer hatten keine Eile. Geduldig verharrten sie am Rande der Lichtung und warteten darauf, dass die erschöpfte Wölfin starb. Als es endlich so weit war, machten sie sich daran, sie als Beweis ihrer erfolgreichen Jagd mitzunehmen.

Einer der Jäger ging zurück in den Wald, um einen dicken Ast aus dem Unterholz zu schneiden, während der andere neben der Wölfin niederkniete, um ihre Pfoten mit einem Lederband zusammenzubinden. Plötzlich hörte er ein merkwürdiges sirrendes Geräusch über sich. Es war nicht sehr laut, aber in der Stille des Waldes deutlich zu vernehmen. Verwundert schaute der Jäger nach oben.

Überwältigt von dem unglaublichen Anblick sah er, wie sich eine leuchtende orange Kugel lautlos durch das grüne Blätterdach der Bäume herabsenkte und langsam auf ihn zuschwebte. Erschrocken sprang der Jäger auf und wich einige Schritte zurück. Die Kugel war etwa so groß wie ein Apfel, doch ihre leuchtende Aura ließ sie weitaus größer erscheinen. Über dem noch warmen Körper der Wölfin verharrte die Kugel regungslos, während sich ihr Glanz weiter dehnte und streckte, bis er das Tier schließlich ganz einhüllte. Nun setzte sich auch die Kugel wieder in Bewegung. Zielstrebig schwebte sie über das dichte graue Fell, bis sie schließlich über dem Schädel der Wölfin erneut stehen blieb. Gleichzeitig begann sie zu rotieren. Zunächst langsam, dann immer schneller wirbelte sie um ihre eigene Achse, während sich das seltsame Sirren und Vibrieren immer weiter verstärkte.

Starr vor Schrecken beobachtete der Jäger das unheimliche Geschehen und wagte nicht sich zu rühren. Erst als sich die rotierende Kugel in einen kleinen wirbelnden Strudel verwandelte und geräuschlos im Schädel der Wölfin verschwand, erwachte er aus seiner Erstarrung. Den Blick noch immer auf das tote Tier gerichtet, tastete er sich vorsichtig rückwärts auf das schützende Unterholz des Waldes zu.

Das Leuchten war fort und mit ihm die Geräusche. Für einen winzigen Moment lag die Wölfin da, als sei nichts geschehen. Dann bewegte das Tier plötzlich seinen Kopf. Ein eisiger Schrecken durchfuhr den Jäger, als die tot geglaubte Wölfin plötzlich die Augen öffnete und ihn aus orange glühenden Augen anstarrte. Das Lederband entglitt seinen Händen. Ein nie gekanntes Grauen ließ ihn herumfahren und schreiend in den Wald hineinstürzen.

Im selben Augenblick trat der zweite Jäger aus dem Unterholz. Er hörte seinen Kameraden schreien und warf einen raschen Blick auf die Wölfin. Als er erkannte, dass sie wieder zum Leben erwacht war, weiteten sich seine Augen in grenzenlosem Entsetzen. Voller Panik ließ er den Ast fallen und folgte seinem Freund in heilloser Flucht.

Die Wölfin sah den Männern nach, folgte ihnen aber nicht. Sie wusste, sie würden nicht zurückkommen. Gelassen wandte sie den Kopf und zog die beiden Pfeile aus ihrem Körper. Zufrieden beobachtete sie, wie sich die Wunden schlossen und der Blutstrom versiegte. Dann säuberte sie mit ihrer rauen Zunge das Fell vom Blut. Als sie damit fertig war, hob sie ihre feine Nase witternd in den Wind und sah sich um.

Der Ort war gut gewählt.

Die Wölfin gähnte. Sie hatte noch viel Zeit. Erst wenn die Monde über den Bäumen erschienen, würde sie sich auf den Weg machen. Langsam erhob sich das graue Tier und schritt gemächlich zu einer mit weichem Gras bewachsenen Stelle zwischen zwei jungen Bäumen. Eine lange Reise lag vor ihr und ihre Aufgabe würde nicht leicht werden. Ein lang gezogener Seufzer drang aus der Kehle der Wölfin. Dann rollte sie sich im Schatten zusammen, um noch etwas zu schlafen.

Die Sonne würde bald untergehen.

Über dem kleinen Weiher in den riesigen, undurchdringlichen Wäldern von Daran lag silbern schimmernder Dunst. Mannshohes Schilfgras wiegte sich sanft in der leichten Abendbrise und die tiefgrünen Blätter der Ufererlen raschelten leise. Und während das letzte Licht des milden Spätsommerabends immer schneller schwand, verdichtete sich der Dunst über dem Weiher zu einem bizarren Gespinst aus dünnen Nebelschwaden.

Sunnivah saß auf einem alten, morschen Eichenstamm und blickte über das dunkle Wasser. Seufzend schloss sie die Augen, zog die kühle, feuchte Luft tief in ihre Lungen und versuchte eins zu werden mit dem Frieden, der sie von allen Seiten umgab. Sie liebte diesen Ort. Er war ihre Zuflucht, so lange sie zurückdenken konnte, und sie suchte ihn auf, wann immer sie allein sein wollte.

Es war die letzte Nacht, die sie in der vertrauten Umgebung des Hauses der Novizinnen verbringen würde. Schon morgen Abend gehörte sie zu den Priesterinnen. Der Gedanke daran jagte ihr einen leichten Schauer über den Rücken und sie schalt sich wegen ihrer kindischen Furcht. Gedankenverloren brach sie einige Stücke von der losen Rinde des Baumstamms ab und warf sie ins Wasser. Wie kleine Boote trieben sie auf dem Weiher, wo sich ihre ringförmigen Wellen immer weiter ausbreiteten.

In einer gewohnten Geste wanderten Sunnivahs Hände durch den schmalen Halsausschnitt ihres Gewandes zu dem kunstvoll eingefassten Stein, den sie an einem dünnen Lederband um den Hals trug. Er war ein Geschenk ihrer Mutter und das Einzige, was sie von ihr besaß. Traurig drehte sie den orangefarbenen Stein in den Händen und fragte sich, was ihre Mutter wohl für eine Frau gewesen sein mochte.

Es gab nicht viel, was Sunnivah über sie wusste. Man hatte ihr nur gesagt, dass sie eine junge Priesterin gewesen sei, die bei ihrer Geburt gestorben war.

Auch ihren Vater kannte Sunnivah nicht, doch das war unter den Priesterinnen nicht ungewöhnlich, denn dort, wo sie zu Hause war, gab es keine Männer.

Als An-Rukhbar vor mehr als dreißig Sommern die Druiden besiegt und die Gütige Göttin verbannt hatte, waren die überlebenden Priesterinnen an diesen geheimen Ort geflohen. Sie hatten ihm den Namen In-Gwana-Thse gegeben, was in der alten Sprache der Druiden so viel bedeutete wie: »Der Göttin geweiht«. Ein mächtiger Elfenzauber verbarg sie seitdem vor den Augen An-Rukhbars und schützte sie vor seinen Kriegern.

Doch die Sommer vergingen und die Zahl der Priesterinnen wurde immer geringer. Niemand fand den Weg zu ihnen, denn nur die Nebelelfen kannten die verborgenen Pfade, auf denen In-Gwana-Thse zu erreichen war. Um das Wissen der Priesterinnen zu erhalten und ihren Fortbestand zu sichern, hatte sich die Priesterinnenmutter vor zwanzig Sommern zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. In jedem Jahr wählte sie zwei junge Priesterinnen aus, die ihre Heimat für kurze Zeit verlassen sollten, um sich in Daran einen Gefährten zu suchen. Dort wurden sie von einer Heilerin namens Mino-They aufgenommen, die sie als ihre Schülerinnen ausgab. Sobald die Priesterinnen ein Kind empfangen hatten, kehrten sie in ihre Heimat zurück, um ihre Kinder hier zur Welt zu bringen. Es waren ausnahmslos Mädchen. Keine Priesterin hatte jemals einem Jungen das Leben geschenkt.

Eine plötzliche Bewegung auf der anderen Seite des Weihers riss Sunnivah aus ihren Gedanken. Aufmerksam lauschte sie auf die Geräusche des Abends, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Müde erhob sie sich und streckte ihre steifen Glieder. Es war bereits dunkel, Zeit, sich auf den Heimweg zu machen.

Erst als das Geräusch ihrer Schritte in der nächtlichen Stille verklungen war, trat die nebelgraue Wölfin an den Weiher. Das Licht der aufgehenden Monde ließ ihr dichtes Fell schimmern, während sie ihren Durst stillte. Dann trottete sie langsam zu dem alten Baumstamm hinüber und nahm mit ihrer empfindlichen Nase den Geruch des rothaarigen Mädchens in sich auf. Anschließend wandte sich die Wölfin wieder dem Wasser zu und suchte witternd den Boden ab. Die Fährte des Mädchens war noch frisch. Aber die Wölfin brauchte ihr in dieser Nacht nicht zu folgen. Sie würde das Mädchen jederzeit wiedererkennen.

Sunnivah hatte die Tempelstadt fast erreicht und spähte aufmerksam voraus. Und wie so häufig, wenn sie ihre Heimat betrachtete, kam ihr der Gedanke, dass die bescheidene Ansammlung der zehn runden Hütten auf der großen, von hohen Bäumen gesäumten Lichtung ihren hochtrabenden Namen eigentlich nicht verdiente.

Die hölzernen Bauten unterschiedlicher Größe dienten den Priesterinnen als Schlaf- oder Vorratshäuser und waren kreisförmig um ein großes rundes Gebäude, das Gebetshaus, errichtet worden. Von jeder Hütte führte ein steinerner Weg dorthin, denn das Gebetshaus war der zentrale Ort in der Gemeinschaft der Priesterinnen. Alle Zeremonien und Rituale wurden dort abgehalten und vor Sonnenuntergang versammelten sich dort alle Bewohner In-Gwana-Thses zum Gebet.

Leise ging Sunnivah durch den kleinen Kräutergarten hinter dem Haus der Novizinnen. Die Geschöpfe der Nacht waren inzwischen erwacht. Fledermäuse jagten im Mondlicht zwischen den Hütten nach großen Faltern, die den Tag im Schatten der Bäume verschlafen hatten. Hoch oben in den Baumkronen riefen zwei Eulen und die leuchtenden Augen eines Fuchses blitzen kurz hinter einem Gebüsch auf.

Sunnivah nahm all dies überdeutlich war, während sie mit ihren nackten Füßen langsam über die warme, feuchte Erde auf dem schmalen Weg zwischen den Beeten auf das Haus zu schritt. Doch die kleine Tür, die vom Garten aus ins Haus führte, war von innen verriegelt und sie sah sich gezwungen die Eingangstür zu benutzen.

Als Banya-Leah, die Priesterinnenmutter der Gütigen Göttin, ihren Blick für einen Moment von den Aufzeichnungen erhob und aus dem Fenster sah, erkannte sie Sunnivah, die im hellen Mondlicht hinter dem Haus der Novizinnen hervorkam. Das weiße Gewand des Mädchens schimmerte silbern und ihr langes rotes Haar flutete über die Schultern bis zur Hüfte hinab. Nachdenklich beobachtete die Priesterinnenmutter, wie Sunnivah die Tür des Schlafhauses öffnete und leise hineinschlüpfte.

Morgen schon!

Der Gedanke jagte ihr einen schmerzhaften Stich durch den Körper. »Oh, Göttin, warum schon morgen?« Sie seufzte leise, legte die Pergamente aus der Hand und schaute zu den Sternen hinauf.

Wie schnell die Jahre doch vergangen waren. Aus dem winzigen, hungrig schreienden Säugling, den ihr die Nebelelfe Naemy vor sechzehn Sommern in die Arme gelegt hatte, war viel zu schnell eine junge Frau geworden. Damals war Banya-Leah noch nicht Priesterinnenmutter gewesen und hatte, nur wenige Sonnenläufe bevor die Nebelelfe in In-Gwana-Thse erschien, ihre eigene kleine Tochter im Alter von nur einem Mondlauf verloren.

Man hatte ihr nichts verschwiegen. Von Anfang an hatte sie gewusst, welches Schicksal ihrer Pflegetochter bestimmt war, auch wenn Sunnivah selbst noch nichts davon ahnte. Traurig hoffte die Priesterinnenmutter, dass Sunnivah verstehen würde, warum sie ihr stets die Wahrheit vorenthalten hatte. Denn morgen würde auch sie alles über ihr Schicksal erfahren.

Sunnivah hatte kaum geschlafen. Immer wieder war sie in wirre Träume und Visionen geglitten, an die sie sich jedoch nicht mehr erinnern konnte.

Noch vor dem Morgengrauen stand sie auf und kleidete sich so geräuschlos an, dass sie keine der anderen Novizinnen weckte. Leise ging sie in den Garten hinaus und setzte sich hinter dem Haus auf eine Bank. Es war kühl. Die Vögel erwachten gerade. Auch wenn sie so spät im Sommer nicht mehr sangen, huschten sie doch geschäftig in den Büschen zwischen den Hütten umher.

Sunnivah gähnte und blinzelte die Müdigkeit aus ihren Augen. Sie fühlte sich unausgeschlafen und ärgerte sich darüber. Was für ein schlechter Anfang für diesen Tag, dachte sie mürrisch und sah zu den Bäumen hinauf. Dort schickte die niedrig stehende Sonne gerade ihre ersten rotgoldenen Strahlen durch die Baumkronen und bedeckte den Boden mit einem komplizierten Muster aus Licht und Schatten. Müde lehnte Sunnivah ihren Kopf an die Hauswand und schloss noch einmal die Augen.

»Ein schöner Morgen!«

Sunnivah erschrak. Offenbar war sie noch einmal eingeschlafen, denn die Sonne stand schon über den Bäumen, und ihr Nacken schmerzte.

»Ich habe dich gesucht.« Kyany, ihre beste Freundin, trat aus dem Haus und setzte sich zu ihr auf die Bank. Unter ihrem dünnen Mantel trug sie nur ein leinenes Nachtgewand und ihre schulterlangen, widerspenstigen Locken kringelten sich noch ungebändigt in alle Richtungen. »Bist du schon lange wach?«, fragte sie.

»Ja, ich habe sehr schlecht geschlafen.« Sunnivah streckte sich ausgiebig.

»Ich habe auch so gut wie gar nicht geschlafen«, erklärte Kyany. »Und wenn, dann habe ich nur wirres Zeug geträumt. Ich habe sogar gehört, als du dich ins Haus geschlichen hast. Und ich glaube, dass Roven dich auch bemerkt hat. Aber sie hat so getan, als ob sie schliefe.«

Sunnivah lächelte. »Gute, alte Roven. Ich glaube, ich werde unsere strenge Lehrerin vermissen.«

»Das freut mich zu hören!« Die rundliche Gestalt Rovens erschien in der geöffneten Tür zum Kräutergarten. Ihre grauen, fast weißen Haare waren noch nicht geflochten, doch sie war schon fertig angekleidet.

»Es ist an der Zeit, dass meine Schülerin mit den Vorbereitungen für das Ritual beginnt«, sagte sie feierlich und setzte sich neben Sunnivah auf die Bank. »Du weißt, dass du bis zum Abend im Haus bleiben musst, um zu fasten und die rituellen Reinigungen vorzunehmen.« Sie legte ihren Arm um Sunnivahs Schulter und bedeutete ihr sich zu erheben.

»Komm mit, Sunnivah«, sagte sie freundlich und führte das Mädchen zur Tür. »Es ist so weit.«

Als die vollen runden Scheiben der Monde hoch am östlichen Himmel standen und ihre silbernen Strahlen über die Wälder von Daran sandten, verließ Sunnivah gemessenen Schrittes das Haus der Novizinnen und ging den vertrauten Weg zum Gebetshaus entlang. Ihr langes Haar war zum ersten Mal in der Art der Priesterinnen geflochten und ihr weißes Gewand fiel gürtellos bis zum Boden.

Zu beiden Seiten des schmalen Weges waren große Feuer entzündet worden. Ihr flackerndes Licht ließ die Schatten der Priesterinnen, die schweigend neben dem Weg Aufstellung bezogen hatten, unstet auf und ab tanzen.

Sunnivah hielt den Blick gesenkt und schritt langsam über die Schatten. Sie brauchte ihre ganze Aufmerksamkeit, um nicht zu schwanken, denn das Fasten hatte sie geschwächt und der quälende Hunger machte sie schwindelig. Aber sie war bereit.

Sunnivah erreichte das Gebetshaus und sprach leise die rituellen Worte, mit denen sie um Einlass bat. Zwei Priesterinnen mit verhüllten Gesichtern öffneten das große Tor und nahmen sie in ihre Mitte. Schweigend führten sie Sunnivah durch den von unzähligen Fackeln erhellten Versammlungsraum in eine kleine Kammer. Der herbe Geruch verbrannter Kräuter erfüllte den Raum, in dem ein kleines Talglicht vergeblich versuchte, das Dunkel zu vertreiben.

Die Priesterinnen begleiteten Sunnivah zu einem Stuhl. Sie reichten ihr einen Becher mit einem dampfenden Getränk und banden ihr ein schwarzes Tuch vor die Augen.

Sunnivah zögerte nicht. Sobald ihre Augen verbunden waren, setzte sie den Becher an die Lippen und ließ die heiße, brennende Flüssigkeit durch ihre Kehle rinnen, bis der Becher völlig geleert war.

Vor dem Gebetshaus hatten sich inzwischen alle Priesterinnen der Tempelstadt um die Feuer versammelt und stimmten einen uralten Gesang an. Sein gleichmäßiger Rhythmus drang durch das geschlossene Fenster in die Kammer und verband sich mit der rasch einsetzenden Wirkung des Trankes.

Sunnivah spürte nicht mehr, dass die Priesterinnen sie stützten und ihr das Tuch von den Augen nahmen. Ihr Bewusstsein glitt weit fort, sanft getragen von dem monotonen Rhythmus des Gesanges.

… Einsam watete Sunnivah durch einen endlosen, dichten Nebel. Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte.

»Sunnivah!« Der gellende Schrei wurde von dem dichten Nebel gedämpft, aber Sunnivah wandte sich sofort um. Sie lauschte. Doch der Schrei wiederholte sich nicht.

Als sie schon weitergehen wollte, lichtete sich nicht weit vor ihr der Nebel. Ein Wald tauchte auf. Eine junge Frau lag zwischen den Bäumen auf dem Boden und eine andere kniete neben ihr. Sunnivah sah, wie die kniende Frau einen winzigen Säugling in eine Decke wickelte und ihn an jemanden weiterreichte, dessen Gestalt vom Nebel verdeckt wurde.

»Sunnivah!« Die am Boden liegende Frau bäumte sich auf und streckte ihre Hand nach dem Kind aus.

In diesem Moment lief Sunnivah los, doch bevor sie die Stelle erreichte, war das Bild verschwunden. Wohin sollte sie jetzt gehen? Unschlüssig machte sie ein paar Schritte in die eine, dann wieder in die andere Richtung. Schließlich blieb sie einfach stehen und starrte in den Nebel.

Ohne Vorwarnung begann sich die Luft vor Sunnivah zu kräuseln und sie erkannte die Gestalt eines weißhaarigen, alten Mannes. Er trug einen langen Bart und hielt einen Stab in seiner Hand. Ein Druide! Sunnivah war noch nie zuvor einem begegnet, doch sie erkannte ihn sofort. Der Druide hob seinen Stab und rief etwas, das Sunnivah zunächst nicht verstand. Als die Worte endlich wie aus weiter Ferne zu ihr drangen, verblasste die Gestalt bereits wieder. »… Wenn To und Yu sich verdunkeln, wird einer das Licht der Welt erblicken, der das Mal der Monde trägt … wird die unschuldigen Menschenleben rächen … wird die Macht besitzen, unsere geliebte Göttin zu befreien und dich zu vernichten …«

Wieder war sie allein. Oder nicht?

Irgendetwas schien sie aus dem Nebel zu beobachten. Sunnivah fühlte es ganz deutlich. Zuerst war es vor und dann hinter ihr.

»Komm heraus und zeige dich!« Sunnivah fuhr herum und schrie die Worte dem heimlichen Beobachter entgegen. Doch in dieser unwirklichen Welt blieb ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern.

Plötzlich sprang eine riesige graue Wölfin aus dem Nebel hervor, deren Augen in dem spärlichen Licht wie glühende Kohlenstücke leuchteten. Sunnivah erschrak. Ihr Herz raste und sie floh. Blind vor Furcht und Entsetzen irrte sie ziellos umher, in der verzweifelten Hoffnung, dem Ungetüm zu entkommen.

Längst hatte sie jedes Zeitgefühl verloren.

Irgendwann hörte sie den Hufschlag eines Pferdes. In vollem Galopp preschte ein Streitross heran, dessen Reiter sein Tier erst im letzten Moment vor dem erschrockenen Mädchen zügelte. Wortlos zog er sein mächtiges Schwert aus der Scheide und hob es in die Höhe. Sunnivah erstarrte, doch der Reiter schlug nicht zu. Während er die Klinge mit seiner behandschuhten Hand ergriff, senkte er das Schwert und bot Sunnivah den kunstvoll verzierten Griff dar. Sunnivah wollte nach dem Schwert greifen, doch ihre Hand glitt durch den Schwertgriff hindurch – und die Vision verschwand.

Sunnivah hastete weiter. Ihre Schritte erzeugten keine Geräusche auf dem mit dichten grauen Schwaden bedeckten Boden. Die vollkommene Stille drohte sie zu erdrücken.

Doch dann lichtete sich der Nebel für einen Augenblick und sie sah zwei Gestalten auf dem Rücken eines riesigen Vogels durch die Luft reiten. Ein lautes Donnergrollen zerriss die Stille und ließ Sunnivah erschrocken herumfahren. Unmittelbar hinter ihr erhob sich plötzlich ein gewaltiger Berg. Auf seinem schneebedeckten Gipfel tobte ein heftiger Sturm. Felsen und Steine polterten mit zerstörerischer Kraft von den Hängen in die Tiefe, doch sie erreichten Sunnivah nicht. Und schließlich begann der Berg um sie herum zu kreisen. Schneller und schneller drehte er sich, bis Sunnivah den Boden unter den Füßen verlor und wie von einem gewaltigen Wirbel emporgerissen wurde.

Unendlich langsam öffnete Sunnivah die Augen.

Die beiden Priesterinnen hockten noch immer neben ihr und stützten sie. Das Talglicht war heruntergebrannt und der monotone Gesang vor dem Haus verstummt.

Jemand klopfte leise an die Tür. Die Priesterinnen erhoben sich und halfen Sunnivah beim Aufstehen. Aber ihre Beine wollten sie nicht tragen und sie hätte sich gern noch ein wenig ausgeruht, doch ihre Begleiterinnen drängten sie zu gehen.

Die Tür zur Kammer der Priesterinnenmutter stand offen. Sunnivah wurde hineingeführt und durfte sich auf das vorhandene Bett legen. Erleichtert schloss sie die Augen, während die beiden anderen Frauen lautlos den Raum verließen. Kurze Zeit später betrat die Priesterinnenmutter in ihrem dunkelblauen Zeremoniengewand den Raum und setzte sich zu ihr.

»Mutter, ich …«, begann Sunnivah. Doch Banya-Leah legte ihr sanft den Finger auf die Lippen und ermahnte sie zu schweigen.

»Du hast den Trank der Göttin getrunken, meine Tochter«, sprach sie die rituellen Worte. »Nun berichte mir, was du gesehen hast.«

Stockend begann Sunnivah zu erzählen.

Die Priesterinnenmutter spürte, wie sehr sie die Visionen verängstigt hatten. Am liebsten hätte sie Sunnivah in die Arme geschlossen. Doch in diesem Moment war Sunnivah nicht ihre Tochter, sondern eine Novizin in der Weihe, und ihre Aufgabe war es, die Visionen der Novizin zu deuten und zu erkennen, welchen Weg die Göttin ihr bestimmte.

»Sagt mir, ehrwürdige Mutter, was haben meine Visionen zu bedeuten?« Sunnivah hatte ihren Bericht beendet und sah ihre Pflegemutter erwartungsvoll an.

Es ist so weit, dachte Banya-Leah und seufzte. »Die Göttin hat dich für eine besondere Aufgabe erwählt«, erklärte sie und ihre Stimme bebte. »Es ist ihr Wille, dass du diesen Ort verlässt, um ihr außerhalb unserer Gemeinschaft zu dienen.« Sunnivahs erschrockener Gesichtsausdruck bereitete ihr großen Kummer, doch jetzt war nicht die richtige Zeit für lange Erklärungen, denn draußen warteten die Priesterinnen, um Sunnivah als eine der Ihren zu begrüßen.

»In einer der Visionen reicht dir ein Krieger sein Schwert. Das bedeutet, dass die Göttin dich als ihre Schwertpriesterin erwählt hat.«

»Ihre Schwertpriesterin?«, fragte Sunnivah verwirrt.

»Die Göttin erteilt dir damit eine ehrenvolle, aber schwierige Aufgabe, mein Kind«, erklärte Banya-Leah und bemühte sich um eine feste Stimme. »Wie du weißt, haben wir uns zu einem Leben in Bescheidenheit und Demut verpflichtet und der Gebrauch von Waffen ist uns verboten. Dennoch kann die Göttin in schweren Zeiten eine oder mehrere aus unseren Reihen erwählen, die das Schwert für sie tragen soll.« Sie sah Sunnivah ernst an. »Du bist die Erste, die diese Aufgabe erhält, Sunnivah. Niemals zuvor hat es eine Schwertpriesterin gegeben.«

Der Ausdruck in Sunnivahs Augen brach ihr fast das Herz. Oh Göttin, warum ausgerechnet meine Tochter, dachte sie verbittert und ließ sich in einer plötzlichen Anwandlung von Zärtlichkeit dazu hinreißen, Sunnivah in die Arme zu schließen. Für einen kurzen Moment war sie nicht mehr die Priesterinnenmutter, sondern nur noch eine Mutter, die ihr geliebtes Kind schon bald verlieren würde.

»Wir alle dienen der Göttin, mein Kind«, sagte sie leise. »Dein Weg ist dir schon lange vorausbestimmt und es steht nicht in unserer Macht, dies zu ändern.«

Sunnivah entzog sich der Umarmung und fragte bestürzt: »Muss ich denn wirklich fort? Selbst wenn ich es nicht will? Kann ich nicht …«

»Nein, Sunnivah. Es ist deine Bestimmung!«, unterbrach sie die Priesterinnenmutter und sah Sunnivah ernst an. »Niemand kann sich gegen sein Schicksal auflehnen. Auch wenn du dich mit aller Kraft dagegen wehrst, wirst du es niemals abwenden können. Du musst es annehmen.«

Doch Sunnivah konnte sich nicht so leicht damit abfinden. Die Ungeheuerlichkeit dessen, was die Visionen ihr offenbarten, war für sie nur schwer zu begreifen.

Ohne auf Banya-Leah zu achten, die sie zurückhalten wollte, stand sie plötzlich auf, öffnete die Tür und lief hinaus. Tränen verschleierten ihren Blick. Sie hörte nicht auf die erstaunten Rufe der Priesterinnen, die im Schein der großen Feuer auf sie warteten, und achtete auch nicht auf die Hände, die sich ihr vor dem Gebetshaus entgegenstreckten.

Sie musste allein sein.

Die nebelgraue Wölfin hörte Sunnivah, lange bevor sie sie sah. Das Mädchen gab sich keine Mühe, leise zu sein, und der Lärm, den sie verursachte, schmerzte in ihren empfindlichen Ohren. Langsam erhob sie sich von ihrem nächtlichen Lager am Weiher und zog sich in den Schutz der Bäume zurück.

Ich werde nicht fortgehen! Sie können mich nicht dazu zwingen. Die Worte kreisten unaufhörlich in Sunnivahs Kopf und ließen keinen Raum für andere Gedanken. Ihre Füße fanden den Weg zum Weiher wie von selbst. Erschöpft setzte sie sich neben der Eiche auf die taufeuchte Erde und lehnte ihren Rücken an den vertrauten Stamm.

Die Visionen konnten alles Mögliche bedeuten. Wie konnte sich Banya-Leah nur so sicher sein? Schwertpriesterin! Ausgerechnet sie, die noch nicht einmal zusehen konnte, wenn Roven ein Huhn schlachtete, sollte kämpfen.

Sunnivah lachte bitter und wischte ihre Tränen mit dem Ärmel ihres neuen Priesterinnengewandes fort. Außerhalb der Tempelstadt gab es nur Not und Elend. Niemals würde sie freiwillig dorthin gehen. Wie konnte ihre Pflegemutter nur so etwas von ihr verlangen!

2

Dünne Schleierwolken verdeckten das verräterische Mondlicht über den kargen, felsigen Hängen der Valdor-Berge.

Vhait sah erleichtert nach oben. Ein leichter Wind blies ihm ins Gesicht und brachte den Geruch verbrannten Holzes mit sich. Vorsichtig spähte der junge Hauptmann über die niedrige Anhöhe, die seine Männer noch von dem Lager der Rebellen trennte. Sie hatten Glück. Die elf Männer hatten sich rund um das Feuer zum Schlafen gelegt und schienen sich sicher zu fühlen. Weiter unten auf einem großen Felsen erkannte Vhait einen einzelnen Wachtposten. Doch der wandte ihnen den Rücken zu und spähte hinunter ins Tal.

Der junge Hauptmann lächelte siegesgewiss. Wie er vorausgesehen hatte, rechneten die Rebellen nicht mit einem Angriff von den Hängen und bewachten nur den unteren Teil ihres Lagers.

Der mühselige Aufstieg hatte sich gelohnt. Auch wenn ihn seine zwölf Krieger mehr als einmal dafür verflucht hatten, dass er sie in ihren schweren Rüstungen zu Fuß die steilen Hänge hinaufgetrieben hatte.

Es würde ein kurzer und leichter Kampf werden. Die meisten Rebellen würden nicht einmal erwachen, wenn ein Schwerthieb ihr Leben beendete. Langsam hob Vhait seine Hand und gab seinen Männern das Zeichen zum Angriff. Die Krieger reagierten sofort und liefen los. Jede Deckung ausnutzend, rückten sie rasch auf das Rebellenlager vor.

Während er ging, sah Vhait immer wieder zu dem Wachtposten hinunter, doch dieser hatte die Gefahr noch nicht bemerkt und rührte sich nicht. Auch die Rebellen lagen noch in tiefem Schlaf. Alles verlief wie geplant.

Plötzlich zerriss ein markerschütternder Schrei die Stille. Von einer der schroffen Felswände im Osten stieß ein gewaltiger Schatten auf das Lager herab. Augenblicklich waren die Rebellen auf den Beinen und griffen nach ihren Waffen. Als sie die Angreifer bemerkten, entbrannte ein heftiger Kampf, den die schlecht ausgerüsteten Rebellen sicher verloren hätten. Doch das riesige Ungetüm half den Rebellen aus der Luft und hackte mit seinem scharfen Schnabel immer wieder nach den Angreifern. Einige von ihnen packte der Vogel mit seinen Klauen und schleuderte sie wie Spielzeug durch die Luft.

Bestürzt musste Vhait mit ansehen, wie seine Männer starben, und er sah sich bald gezwungen den Angriff abzubrechen.

Mit einem kurzen kräftigen Hieb seines Schwertes brachte er einen Rebellen zu Fall, der ihn mit seiner Axt bedrängte, und blies in sein Signalhorn. Die Krieger reagierten sofort und traten den Rückzug an. Doch viele von ihnen schafften es nicht. Am Ende erreichten nur Vhait und zwei seiner Krieger die schützenden Bäume am Fuße der Hänge.

Für die anderen gab es kein Entkommen. Der riesige Vogel wütete unter ihnen wie ein Berserker. Immer wieder stieß er auf die Flüchtenden herab und verwundete sie schwer. Sobald einer von ihnen stürzte, waren die Rebellen heran und beendeten das blutige Werk.

Vhait konnte kaum glauben, was er sah. Zwar hatte er schon vereinzelt Berichte über einen geflügelten Drachen gehört, der wie ein Dämon mitten im Kampf auftauchte und den Rebellen beistand, doch bisher gab es noch keinen Beweis für diese Berichte und er hatte die Geschichten deshalb nie wirklich ernst genommen.

Etwas zischte dicht an seinem Kopf vorbei.

Der Krieger an seiner Seite gab einen gurgelnden Laut von sich und brach zusammen. Ein Pfeil hatte seine Kehle durchbohrt und erinnerte Vhait daran, dass sie noch lange nicht in Sicherheit waren.

»Wir müssen hier weg, Kerym!«, sagte er leise zu dem jungen Krieger neben sich. Dann wandte er sich um und verschwand in dem schützenden Dickicht zwischen den Bäumen. Der Krieger folgte ihm.

Sie hatten Glück. Die Wolkendecke begann sich aufzulösen. In immer längeren Abschnitten sandten To und Yu ihr Licht auf den Wald hinab und erleichterten ihnen die Flucht.