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Endlich beginnen die lang ersehnten Sommerferien auch für Anna, Sophie, Max und Paulina. Die vier Freunde haben sich zu einer Kinderbande zusammengeschlossen. Wieder einmal haben ihnen die rivalisierenden Mitglieder der Falken ihr Lager im Wald komplett zerstört. Doch dieses Mal lassen sie diese Gemeinheit nicht ungesühnt, die vier rächen sich an den Jungs und finden obendrein am Areal der alten Museumsbahn ein neues Geheimquartier. Immer ausgefeilter und gemeiner werden die Streiche, die sich die verfeindeten Banden liefern, bis es schließlich zum großen Showdown am alten Bahnhofsgelände kommt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Das neue Geheimquartier
Der Falkenhorst
Nächtlicher Überfall
Die »S«-Bande
Entführt
Rache ist süß
Entdeckt
Mäuseplage
Mit vereinten Kräften
Die Urkunde
Über die Autorin
Impressum
Klaudia Lehner · Die Schnackerlbahnbande
Klaudia Lehner
Die Schnackerlbahn- Bande
Showdown am alten Bahnhofsgelände
ENNSTHALER VERLAG STEYR
www.ennsthaler.at
3. Auflage 2024
ISBN 978-3-85068-890-1
Klaudia Lehner • Die Schnackerlbahnbande: Showdown am alten Bahnhofsgelände
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2012 by Ennsthaler Verlag, Steyr Ennsthaler
Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich
Satz: Ennsthaler Verlag, Steyr Umschlaggestaltung: www.traxl-thomas.at Fotos: Berthold Heindl & Klaudia Lehner Druck und Bindung: Print Group, EU
Sophie liegt in ihrem Bett, sie kann noch nicht einschlafen, zu viele Gedanken jagen ihr durch den Kopf. Morgen ist der erste lang ersehnte Ferientag. Endlich ausschlafen, für keinen Test lernen und sie kann sich täglich mit Freunden treffen, ohne dass ihre Mutter nörgelt. Plötzlich vernimmt das Mädchen leise Schritte, sie weiß sofort, wer sich ihrer Zimmertür nähert.
»Sophie, schläfst du schon?«, hört sie ihre kleine Schwester Anna flüstern. Und sogleich steht der freche Blondschopf mitten im Zimmer, berührt mit der Hand Sophies Beine und zieht kräftig an deren Tuchent.
»Was ziehst du denn so? Ich bin eh noch wach«, zischt Sophie leise und setzt sich in ihrem Bett auf.
»Mir ist da etwas eingefallen, das muss ich dir unbedingt erzählen!« Anna macht es spannend, sie setzt sich aufs Bett und redet nicht mehr weiter.
»Na, sag schon, was ist dir denn eingefallen?«, will ihre elfjährige Schwester jetzt endlich wissen.
»Hör zu. Wir haben doch letztes Mal im Wald bei unserem Lagerplatz ausgemacht, dass sich jeder von uns Gedanken über ein neues Geheimquartier machen sollte. Mir ist ein wirklich tolles eingefallen, das gefällt bestimmt auch Max und Paulina«, erklärt die Neunjährige aufgeregt. Sofort ist die Schwester hellwach, ein neues Geheimquartier für die vier Freunde war dringend notwendig geworden. Zu oft hatten ihnen die Falken, eine rivalisierende, ziemlich böse Bubenbande aus der Nachbarschaft, ihr Lager im Wald komplett zerstört. Erst vorgestern standen sie wieder wutentbrannt vor den Trümmern ihres mühevoll errichteten Baumhauses, nicht einmal zwei Wochen hatte es gehalten. Es reichte nun wirklich! Ihr Vater hatte unzählige Male geduldig beim Wiederaufbau geholfen. Mutter hatte ihnen für den Baumhausboden einen weichen Teppich gekauft und Paulinas Mama kuschelige Sitzpolster genäht. Max hatte von seinem Großvater eine gut ausgestattete Werkzeugkiste fürs Lager geschenkt bekommen. Schließlich war er der einzige Bub in der Kinderbande und für anfallende Reparaturen zuständig. Zwar stellte der für sein Alter von fast zwölf Jahren noch ziemlich kleine Junge sich öfters ungeschickter als die Mädels an, doch ließen ihn diese gerne im Glauben, ein toller Handwerker zu sein. Die Freundinnen nahmen Max in ihre Bande auf, nachdem ihn die Falken aus ihrer Clique verstoßen hatten. Zu wenig cool und draufgängerisch war ihnen Max gewesen, außerdem setzte der sich einige Male besonders für Sophie ein, die er im Geheimen ziemlich verehrte, doch der schüchterne Bub hätte seine Gefühle für das hübsche, groß gewachsene Mädchen nie zugegeben.
»Liegt der Platz in der Nähe unseres alten? Dann können wir es nämlich gleich vergessen, die drei Jungs finden uns garantiert und wieder einmal ist die ganze Plagerei umsonst gewesen. Papa hilft uns bestimmt auch nicht mehr«, räumt Sophie nachdenklich ein.
»Nein, nein, der Platz ist ganz woanders, ziemlich weit weg von hier, wir müssen mit den Rädern hinfahren, zu Fuß ist es zu weit. Es wird dir dort bestimmt gefallen, wir sind erst gestern mit Mama dran vorbeigefahren, als sie uns von Oma abgeholt hat. Wenn wir aufpassen, finden uns die Jungs bestimmt nicht. Aber mehr verrat ich dir jetzt nicht. Ich schicke Max und Paulina ein SMS, dass wir uns morgen nach dem Mittagessen beim alten Lagerplatz im Fichtenwald treffen.«
Anna lässt ihre große Schwester weiterhin im Unklaren. Die Kleine hüpft vom Bettrand hoch und schlüpft zur Tür hinaus.
»Ich bin gespannt, was Anna wieder ausheckt!«, murmelt Sophie schlaftrunken. Sie dreht sich auf die linke Seite und rollt sich wie ein Rollmops ein, um nun endlich einschlafen zu können.
»Schlingt doch nicht so! Ihr esst, als ob ihr tagelang keinen Bissen bekommen hättet«, ärgert sich die Mutter und sieht kopfschüttelnd zwischen ihren beiden Töchtern hin und her, während diese die Spaghetti hastig in sich hineinstopfen.
»Papa, hast du ein altes Vorhängeschloss, das du uns schenken könntest?«, würgt Anna mit vollem Munde hervor, während sie mit dem Saftkrug ihr Glas füllt.
»Muss ich nachsehen. Ein altes Fahrradschloss ist in der Garage, das könnt ihr haben.«
»Danke Papa, das nehmen wir«, freut sich Anna, die es vor lauter Tatendrang bei Tisch nicht mehr aushält. Das Mädchen schnappt ihren geleerten Teller und räumt ihn in den Geschirrspüler.
»Komm schon Sophie, die warten bestimmt auf uns!« Vor lauter Ungeduld zappelt das Mädchen am Stand.
»Ich komm ja schon!« Schnell ziehen die Schwestern ihre Schuhe an und eilen in die Garage, um das Schloss zu holen. Sophie hat zwar keine Ahnung, wofür sie dieses noch brauchen werden, doch sie vertraut ihrer kleinen Schwester und bindet das Fahrradschloss um ihren Lenker.
»Um fünf seid ihr wieder zu Hause, da gibt es Jause! Habt ihr gehört?«, schreit ihnen die Mutter aus dem geöffneten Küchenfenster nach.
»Ja-a-a-a!«, schallt es aus der Ferne.
Als ginge es um Leben und Tod radeln die beiden Richtung Fichtenwald. Die letzten Meter bis zum Lagerplatz müssen sie ihre Räder ein Stückchen weit durchs Dickicht schieben, im Jungwald steht Fichte an Fichte, die beiden kämpfen sich mit ihren Rädern durch. Normalerweise sind sie hier nur zu Fuß unterwegs, doch Anna hat im SMS geschrieben, dass alle unbedingt das Fahrrad mitnehmen sollen. Endlich kommen die Schwestern zum Lagerplatz, Paulina und Max erwarten sie bereits.
»Hallo Paulina, hallo Max! Seid ihr schon lange da?«, will Sophie wissen.
»Nein, erst seit fünf Minuten. Mir ist jedes Mal zum Heulen, wenn ich die Trümmer unseres schönen Baumhauses liegen sehe. Sogar unseren Teppich und unsere Polster haben sie zerschnitten, diese Rotzlöffel!«, ärgert sich Paulina.
»Diesmal müssen wir uns wirklich rächen, bis jetzt haben wir immer alles tatenlos hingenommen, wenn die Falken uns etwas zerstört haben. Das können wir uns nicht mehr länger gefallen lassen!«, wettert Max und wird dabei vor lauter Wut ganz rot im Gesicht.
Alle sind sich einig, die Bubenbande ging bei ihrem letzten Streich wirklich zu weit. Sie zerstörte das Lager samt Einrichtung und stahl obendrein Max’ Werkzeugkoffer, in dem sich sein Leatherman befindet. Das teure Multifunktionstaschenmesser hatte er von seinem Vater zu Weihnachten geschenkt bekommen und der Junge weiß genau, wer es darauf abgesehen hatte – Luk, der Anführer der Falken.
»Ja, ja, wir werden uns schon noch rächen, aber erst später. Zuerst einmal brauchen wir ein sicheres Geheim- quartier, wo sie uns nicht mehr aufspüren können. Dort werden wir dann Pläne schmieden, wie wir es den Jungs heimzahlen können, und deinen Leatherman holen wir uns auch zurück, versprochen«, meint Anna.
»Und wo sollen wir dieses nicht aufzufindende Geheimquartier bauen, bitte schön?«, will Max wissen.
»Deshalb habe ich euch gestern Abend die Mitteilung geschickt. Ich habe da so eine Idee, mal sehen, ob sie euch auch gefällt. Los, schnappt eure Räder, damit wir keine Zeit vertun, ich zeig euch den genialen Platz!«
Schnell greifen sich die vier Kinder ihre Räder und kämpfen sich damit durchs Unterholz. Bei der Straße angelangt, schwingen sie sich auf den Drahtesel und radeln Anna hinterher. Streckenweise führt der Weg steil bergab, sie entfernen sich immer weiter vom Ortszentrum. Dem Jungen dauert die Fahrt bereits zu lange, er fährt zu Anna auf und fragt sie:
»Sag, ist es noch weit? Wir kommen bald schon zur Grenze von Aschach.«
»Gleich sind wir da«, gibt ihm Anna zur Antwort. Sie macht es bewusst spannend, sie freut sich schon sehr auf den Augenblick, wenn sie den anderen den Platz zeigen kann, sie werden aus dem Staunen nicht rauskommen und Anna wird wohl der Star des Tages in der Clique sein. Nun sind sie am sogenannten Bahnberg angekommen. Die Kinder lassen ihre Räder laufen. Am Fuße des Berges müssen sie etwas abbremsen, weil eine Linkskurve naht. Im Flachen angekommen, schleift Anna zusammen. Über die die Straße querenden Gleise fährt sie vorsichtig, blickt nach hinten und gibt das Handzeichen fürs Linksabbiegen. Ihre Freunde folgen ihr nach. Auf einmal wird das Mädchen immer langsamer.
»Kommt, wir müssen unsere Räder dort hinten am Waldrand verstecken, damit uns keiner sieht!«, ruft es den anderen zu.
»Oje, was hat sie nur vor? Hoffentlich dürfen wir überhaupt hier sein!«, jammert Sophie vor sich hin, während sie ihr Rad die letzten paar Meter zum Waldrand schiebt. Sie blickt dabei etwas ängstlich und nervös um sich. Keiner ist zu sehen. Nachdem jedes Kind sein Rad an einen Baum gelehnt hat, blicken sie sich alle neugierig um.
»Und hier sollen wir unser neues Lager errichten? Du spinnst wohl, Anna!«, meint Max und schüttelt dabei ungläubig den Kopf.
»Wir werden mächtig dicke Oberschenkel vom Bergauffahren bekommen«, jammert Paulina, die bereits jetzt an die anstrengende Heimfahrt denkt, die sie so gar nicht freut.
»Also Anna, das kann wirklich nicht dein Ernst sein, jetzt sind wir so weit gefahren und du zeigst uns einen Wald, den man echt schlecht als Wald bezeichnen kann! Sieh doch, hier stehen kaum Bäume – nur Stauden! Wo sollen wir denn da ein Baumhaus errichten? Außerdem ist das Gelände extrem steil, ich kann kaum stehen. Du spinnst wirklich, aber das habe ich mir ja gleich gedacht, dass dir nichts Gescheites einfällt. Kommt, wir fahren zu unserem alten Platz! Eine Menge Arbeit wartet dort auf uns!«, wettert Sophie, die sich ziemlich aufregt und dabei wild mit ihren dünnen, langen Armen herumfuchtelt.
So fort eilen Max, Paulina und Sophie zu ihren Rädern. Nur Anna bleibt ganz ruhig stehen und schaut runter auf den alten Bahnhof der Steyrtalbahn.
»Jetzt komm schon! Was bleibst du denn stehen wie ein störrischer Esel?«, schreit Sophie ihre kleine Schwester an.
»Macht doch endlich eure Augen auf und hört zum Jammern auf! Wir brauchen hier kein Lager mehr zu bauen, es befindet sich direkt vor eurer Nase. Jetzt schaut doch mal genauer hin! Hier ist es einfach perfekt. Keiner wird uns je finden!«, schwärmt Anna und geht langsam den Hügel hinab und erreicht schließlich die verrosteten Gleise, zwischen denen Grasbüschel herauswachsen. Das Mädchen zeigt dabei mit ihrer Hand Richtung Bahnhof. Ungläubig blicken ihr die Kinder nach, sie können einfach kein Quartier erkennen.
Vor ihnen liegt der alte Bahnhof, nur ein Raum wurde von der Bahngesellschaft notdürftig als Warteraum restauriert, der Rest des Gebäudes sieht verfallen und schäbig aus. Die Witwe des letzten Bahnschaffners hatte hier das Wohnrecht, doch Frau Hattner starb bereits vor zwanzig Jahren. Im Bahnhofsgebäude sieht es aus, als wäre die Zeit stehen geblieben. Durch die verstaubten Holzfenster kann man die Kücheneinrichtung samt herumstehendem Geschirr der alten Dame erkennen. In einem Eck des Wohnzimmers neben dem Tischherd befindet sich eine Bettcouch und davor steht jetzt noch der bestimmt viel benützte Nachttopf, denn Frau Hattner hatte nur im Freien ein Plumpsklo, gleich rechts neben der Eingangstür gegenüber vom Hasenstall.
»In den alten Bahnhof willst du einbrechen und dort unser Quartier errichten? Ohne mich, Anna! Wenn uns Mama da draufkommt, sperrt sie uns die ganzen Ferien ein, darauf kann ich echt verzichten.«
Sophie reicht es nun endgültig, sie schwingt sich aufs Rad, blickt Max und Paulina an und deutet ihnen ihr zu folgen.
»Wartet doch! Ich habe nicht gesagt, dass wir im Bahnhofsgebäude unser Quartier aufschlagen. Kommt mit mir, ich zeig euch jetzt unser neues Lager!« Anna hat es nun eilig, zu lange hat sie die anderen schon auf die Folter gespannt. Sie läuft über die Gleisanlage am Bahnhof vorbei zu den Abstellgleisen. Mehrere Waggone rosten hier seit Jahren vor sich hin und warten darauf, restauriert zu werden. Gleich nebenan steht die hölzerne Werkstatthalle, die erst vor einem Jahr errichtet wurde. Geschwind klettert sie auf den mittleren Waggon, der sich gut versteckt zwischen den anderen befindet. Die Kleine schiebt mit Mühe eine Holzschiebewand auf und verschwindet blitzschnell im dunklen Inneren des Waggons.
»Kommt herein, hier ist es einfach toll!«, hört man Anna mit gedämpfter Stimme schreien. Nun hat sie es geschafft, die Neugier ihrer Freunde zu wecken. Auch ihre Schwester Sophie nähert sich vorsichtig dem offenen alten Waggon und stiert hinein. Nacheinander klettern die Kinder ins Innere.
Anna springt vor lauter Freude auf und ab und schreit dabei:
»Ist das nicht ein tolles Quartier! Die gemeinen Falken werden uns nicht finden! Sie werden uns vergeblich suchen!«
»Beruhig dich doch. Sonst hört uns noch jemand«, versucht die vernünftige Paulina die Neunjährige zu beruhigen.
»Dürfen wir das überhaupt? Ist das nicht Einbruch?«, macht sich Sophie schon wieder Sorgen.
»Ach was, die Waggons stehen hier seit Jahren, kein Mensch beachtet sie. Warum sollten wir hier nicht sein dürfen? Die Steyrtal Museumsbahn fährt sowieso nur in den Sommermonaten am Wochenende und im Winter in den Weihnachtsferien. Wenn wir aufpassen, entdeckt uns hier keiner. Kaputt machen wir ja auch nichts. Außerdem sehen wir es von Weitem, wenn sich dem Waggon jemand nähert«, räumt Anna ein und sieht dabei zu Max, der noch nichts gesagt hat. Sie hofft auf seine Unterstützung.
»Ich finde, Anna hat recht. Mir gefällt der Waggon wirklich sehr gut. Bei geschlossener Tür wird es halt verdammt finster drin sein und ein bisschen weit weg von zu Hause steht er auch, aber er ist ohne Zweifel der perfekte Lagerplatz. Respekt, Anna!«, schwärmt Max.
»Okay, lasst uns abstimmen! Wer für den Waggon als Lagerplatz ist, der hebt nun seine Hand«, fordert Anna eine sofortige Entscheidung. Augenblicklich reißen Max und die Neunjährige die Hand in die Höhe. Sophie hebt nur zögerlich ihre Hand. Paulina sieht nacheinander ihre Freunde an, seufzt und hebt schließlich doch noch ihren Arm und meint dazu:
»Okay, ich bin auch dafür. Aber bedenkt, wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Jeder muss helfen, dass es ein gemütliches Geheimquartier wird. Und Freunde, wir müssen verdammt vorsichtig sein, dass uns keiner entdeckt!«
Die vier schlagen auf das neue Quartier ein, dabei schwören sie, keinem außerhalb ihrer Bande etwas von dem neuen Lagerplatz zu erzählen.
»Heiliges Ehrenwort! Wer es entweiht, dem drohen Rausschmiss, Ärger und Streit!«, sprechen die Kinder den Bandenschwur gemeinsam laut. Sie freuen sich aufs Her- richten des alten Waggons. Voller Eifer teilen sie ein, was jeder von ihnen bis morgen aufzutreiben hat. Dabei vergeht die Zeit wie im Fluge.
»Komm Sophie, wir müssen jausnen heim, es ist Viertel vor fünf, sonst gibt es Ärger!« Hastig verlassen die Kinder den Waggon. Anna schiebt von außen die ziemlich streng gehende Tür zu, sie verschließt sie mit dem mitgebrachten Fahrradschloss und hüpft vom Waggon. Sie laufen zu ihren Rädern und treten die anstrengende Heimreise an. Nach zwanzig Minuten schweißtreibendem Bergauffahren erreichen sie das Elternhaus von Max.
»Bis morgen Paulina, Anna, Sophie! Holt mich gegen eins ab!«, schreit ihnen Max noch nach, während die Mädels heimwärts weiterradeln.
Am Abend liegen die Kinder in ihren Betten und denken an ihr neues Geheimquartier. Immer wieder schicken sie sich per Handy Nachrichten bis spät in die Nacht hinein. Schließlich sind sie so müde, dass sie einschlafen.
Das neue Geheimquartier
Am nächsten Vormittag sucht jedes der vier Bandenmitglieder daheim nützliche Sachen für das neue Quartier zusammen. Besonders den älteren Mädchen Paulina und Sophie sind Aussehen und Gemütlichkeit ihres Lagers sehr wichtig. Max macht sich vor allem über die Sicherheit Gedanken und Anna schmiedet bereits Pläne, wie man es den Falken heimzahlen könnte. Gegen ein Uhr treffen sie nacheinander beim alten Bahnhof ein, verstecken ihre Räder wieder beim Waldrand und laufen voll bepackt Richtung Waggon.
»Hallo zusammen!«, empfängt sie Max gut gelaunt, der bereits seit halb eins beim Geheimquartier auf die Mädchen wartet. Er lehnt lässig an der Holzschiebewand des Waggons, streckt ihnen die flache Hand entgegen, auf der vier Schlüssel liegen und spricht dabei: »Ich habe etwas für euch. Seht her, jeder von uns bekommt einen Schlüssel. Mein Vater hat mir nach langem Betteln dieses alte eiserne Schloss überlassen, da braucht einer schon einen Bolzenschneider, um es aufbrechen zu können. Sei nicht beleidigt, Anna, aber dein altes Fahrradschloss ist echt nicht sicher genug. Schau her, ich habe die Zahlenkombination innerhalb weniger Minuten einfach so durch geschicktes Probieren erfühlt und es öffnen können.«
»Ich bin nicht beleidigt, mein Papa hatte kein anderes zu Hause. Natürlich nehmen wir deines, es sieht verdammt massiv und sicher aus. Kommt, lasst uns in unser Versteck gehen, ich möchte euch meine mitgebrachten Sachen zeigen.« Der Junge öffnet das neue Schloss mit seinem Schlüssel, schiebt die Schiebetür auf und die Kinder klettern nacheinander ins Innere ihres zirka 8 Quadratmeter großen, ziemlich finsteren Quartiers.
»An die Arbeit!«, ruft Paulina aufgeregt, während sie mit der rechten Hand in ihrem Rucksack herumkramt.
»Wir brauchen dringend Licht, denn die Tür müssen wir auf jeden Fall immer schließen, sonst kann man uns hören. Viele Leute gehen gern in der Gegend rund ums Bahnhofsgelände spazieren. Schaut mal, ich habe eine Dynamotaschenlampe, die leuchtet extrem hell und Batterien braucht sie auch keine, die leer werden könnten. Man kurbelt einfach, wenn das Licht schwach wird, um sie wieder aufzuladen. Max, sieh zu, dass du morgen Hammer und Nägel mitnimmst, damit wir sie gleich neben der Tür aufhängen können. Weil das Licht aus der Taschenlampe aber den finsteren Raum nicht erhellen kann und ziemlich blendet, habe ich außerdem noch eine Metalllaterne und einige Kerzenstumpen mit. Ich werde sie gleich mal anzünden.«
Paulina holt die Laterne aus ihrem Rucksack hervor, stellt sie auf den Bretterboden des Eisenbahnwaggons, öffnet sie und zündet mit einem Feuerzeug die Kerze an. Sofort erhellt sich der Raum mit wohligem Licht.
»Oh je, wir haben wirklich viel zu tun!«, entfährt es erschrocken Sophie, die etwas beklommen in die Winkel des Waggons blickt. Überall hängen Spinnweben herunter, der Holzbretterboden ist total verstaubt und der Wind hat wohl in den letzten Jahren bei den Ritzen Laub hereingeblasen, das sich in den Ecken des Waggons zentimeterdick sammelte.
»Gut, dass ich Bartwisch und Schaufel mitgenommen habe. Wir müssen heute noch den Waggon putzen, ich setz mich bestimmt nicht in den Dreck!«, meint Sophie entschlossen und stampft dabei mit ihrem rechten Fuß energisch auf. Das Mädel wirbelt so den alten Staub auf und hustet theatralisch. Geschwind holt Sophie das Putzzeug aus ihrem Rucksack und legt es auf den schmutzigen Boden.
»Schaut einmal, Mama hat mir Kunststoffbecher samt verschließbarem Saftkrug mitgegeben und obendrein noch eine Metallkeksdose gefüllt mit meinen Lieblingsorangenkeksen, die werden uns bestimmt schmecken. Ich lass lieber alles im Rucksack drinnen, sonst werden sie staubig, wenn Sophie, putzwütig wie sie ist, ihren Bartwisch schwingt«, meint Anna, die in Sachen Sauberkeit ihre große Schwester gar nicht verstehen kann. Sie fürchtet keinen Dreck, ihre Fingernägel sind stets schwarz und zum Händewaschen muss die Mutter sie immer ermahnen. Auch die Frau Lehrer in der Schule hat im Sachunterricht einmal gesagt, dass der Mensch Dreck braucht.
»Ohne ihn werden wir öfter krank«, hat sie den Schülern erklärt und die kleine Anna will auf gar keinen Fall krank werden, darum nimmt sie es mit der Sauberkeit nicht so genau.
»Mir hat meine Oma noch einen alten Fleckerlteppich geschenkt, den können wir auf den Bretterboden legen. Ich fürchte, es wird sonst ordentlich ziehen in unserem Waggon, ein paar Holzlatten sind schon ziemlich morsch und ausgebrochen.«
Max lehnt den mitgebrachten zusammengerollten Teppich in eine Ecke.
»Okay Freunde, mit was fangen wir an?«, will Sophie wissen.
»Mit dem, was du so gerne tust, putzen!«, meint Paulina keck. Sofort machen sich die Kinder an die Arbeit. Sophie und Paulina sind die Größeren, deshalb entfernen sie die Spinnweben von der Decke und kehren die Wände mit dem Bartwisch ab. Max und Anna reinigen den Boden. Zuerst einmal entfernen sie das herumliegende Laub mit Schaufel und bloßen Händen aus dem Waggon. Danach machen sie sich daran, die Schiebetür zu ölen, damit sie nicht mehr so streng auf- und zugeht. Nach nicht einmal einer Stunde ist das Lager so sauber, dass Paulina den Teppich ausrollen kann.
»Uff, geschafft! Jetzt haben wir uns eine Stärkung verdient«, stöhnt Anna und schnappt ihren Rucksack. Sie drückt die geöffnete Keksdose Max in die Hand und verteilt die Kunststoffbecher. Die Kinder setzen sich im Schneidersitz auf den Teppich und Anna schenkt jedem Saft ein.
»Wir haben es echt gemütlich hier. Wenn wir noch ein paar Sitzkissen und Polster auftreiben könnten, wäre es perfekt«, gibt Paulina von sich.
»Ja, ja, du bekommst schon noch ein Kissen für dein zartes Popschal«, lästert Max, dem Paulina schon öfters wegen ihrer übertriebenen Ansprüche auf die Nerven gegangen ist. Nie passte ihr auf Anhieb etwas, aber so war das verwöhnte Einzelkind nun einmal. Beleidigt sieht Paulina zu dem Jungen rüber und senkt ihren Kopf. »Jetzt fangt bloß Lager einzurichten. Es muss nicht gleich alles heute schon perfekt aussehen. Ich finde, wir haben viel Wichtigeres zu tun«, lenkt Sophie die Streithähne ab.
»Da hast du recht. Also, denkt mal gut nach, wie wir uns die Werkzeugkiste samt Leatherman zurückholen können«, wirft Anna ein. Schweigend essen die vier Freunde die Kekse und trinken Saft dazu. Jeder von ihnen denkt angestrengt nach, nur die kleine Anna hat bereits einen genialen Plan in ihrem Kopf, wie sie ins gut gesicherte Lager der Falken einbrechen könnten.
Auf einer Anhöhe, unweit von Lukas’ Elternhaus entfernt, liegt der sogenannte Falkenhorst der Bubenbande. Der Vater des Anführers ist Bauer und ein leidenschaftlicher Jäger. Vor einem Jahr hat er Lukas, kurz genannt Luk, zum Geburtstag einen Jägerhochstand auf eigenem Grund beim Waldrand gebaut. Da Max bis vor drei Monaten zu den Falken gehörte, wissen die Mädchen von seinen Erzählungen genau, wie der Horst von innen und außen aussieht und welche Sicherheitsvorkehrungen Luk, Sebastian und Tobias, die drei Mitglieder der Bande, installiert haben. Eine Holzleiter führt zur verriegelten Eingangstür des zirka sechs Meter hohen Hochstandes. Von außen ist die Holztür mit einem wuchtigen Schloss gesichert und die Jungs können die Tür auch von innen einbruchsicher verriegeln. Im relativ engen Innenraum des Horstes stehen vier alte Stühle. Max’ Sessel, der keine Verwendung mehr hat, funktionierten die Jungs als Tisch um. Sowohl der Boden als auch die Wände und die Decke sind mit einem dicken, windundurchlässigen Teppichbodenmaterial ausgekleidet. Im Winter wäre es sonst im Horst sehr ungemütlich. Sie verfügen sogar über einen nicht gerade brandsicheren Miniofen. Sebastian, der sehr erfinderisch ist, hat ihn aus einem alten Kupferrohr und einem Gurkenglas gebaut. Im Gurkenglas befindet sich eine Kerze, die bei Bedarf angezündet wird. Auf das Glas steckte der Bub das Kupferrohr, an dessen Ende befestigte er den Deckel des Gurkenglases, damit die Hitze nicht einfach so nach oben hin entweichen kann, sondern das Kupferrohr erhitzt wie einen Heizkörper. Der Kerzenrauch kann durch zwei Löcher ganz oben im Kupferrohr raus. Außerdem hat der Jägerhochstand auf drei Seiten lange Schlitzfenster zum In-die-Weite-Spähen, die sich auch öffnen lassen. Über einem Fenster hängt im Inneren ein Feldstecher, den Luk von seinem verstorbenen Großvater geerbt hat. Auf den Gucker ist der Bub besonders stolz. Nur selten erlaubt er einem der Jungs, ihn zu verwenden. Das absolute Highlight des Horstes ist aber die Feuerwehrrutschstange, über die die Jungs zurück auf den Erdboden gelangen. Durch eine von innen zu öffnende Falltüre genau in der Mitte des Hochstandes kann man sie erreichen. Zu gerne würde Max diese Stange wieder einmal runterrutschen, aber das wird wohl so bald nicht geschehen.
»Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass sie den Werkzeugkoffer samt Inhalt in ihren Horst gebracht haben. Da werden wir wohl nicht reinkommen. Meinen Leatherman kann ich mir abschminken, den werde ich wohl nie mehr zurückbekommen.«
Max weiß nur zu gut, dass die Falken mit Argusaugen über ihr Quartier wachen. Von keiner Seite kann man sich unentdeckt anschleichen, da der Hochstand ziemlich frei steht.
»Denk nach, Max! Es muss einfach eine Möglichkeit geben. Was ist, wenn wir uns von der Waldseite heranschleichen, da können sie uns nicht sehen, weil die Fenster auf den anderen drei Seiten liegen. Vom Bauernhof aus kann man die Rückseite des Horstes ebenso wenig einsehen. Unentdeckt würden wir die Leiter raufklettern und dann könnten wir das Schloss aufbrechen und schon wären wir drin«, überlegt Sophie laut.
»Ganz so leicht wird es wohl leider nicht gehen. Das
Schloss ist viel zu massiv, das bringen wir nie und nimmer auf«, meint der Junge. Auch Paulina macht einen Vorschlag, wie man ihrer Meinung nach den Horst erstürmen könnte.
»Wir müssen ganz bald in der Früh zum Horst schleichen und mit einer Axt die Tür aufbrechen. Mir ist es echt egal, wenn wir dabei ihre Tür kaputt machen. Schließlich haben sie uns bereits mehrmals alles zerstört und bestohlen haben uns diese Gauner obendrein.«
»Paulina, das wird leider auch nicht funktionieren«, bremst Max das Mädchen, »Luks Vater hat einen scharfen Jagdhund, den er täglich frühmorgens frei laufen lässt. Dem möchte ich nicht unbedingt begegnen. Auch wenn wir uns mitten in der Nacht dem Horst nähern, würde der Hund im Hof, wo sich sein Zwinger befindet, sofort anschlagen, wenn er uns hört.« Auch diesen Plan müssen die Kinder somit wieder verwerfen.
»Was ist mit dir, Anna? Fällt dir heute gar nichts ein?«, wendet sich Sophie ihrer Schwester zu, die ruhig am Teppich sitzt, genüsslich in ein Orangenkeks beißt und so tut, als ob sie mit ihren Gedanken grad ganz woanders wäre. Die Kleine kaut ihr Keks fertig, schluckt runter und beginnt nach einer kurzen Pause zu sprechen:
»Okay. Max, du hast anscheinend gar keinen Plan, wie wir uns das Gestohlene zurückholen können, obwohl du den Falkenhorst am besten kennst. Das ist echt schwach! Naja, die Pläne von Sophie und Paulina sind auch nicht gerade toll. Möchte nicht unbedingt vom Jagdhund gefressen werden. Seid froh, dass ihr mich in eurer Bande habt. Ich weiß längst, wie wir unerkannt in den Horst gelangen können, ohne dass wir etwas zerstören und Spuren hinterlassen.«
Ungläubig schauen die Kinder Anna an, die absolut nicht vorhat, die anderen in ihre geheimen Pläne jetzt schon einzuweihen.
»Also, wer von euch ist heute in der Nacht dabei?«, will Anna wissen und blickt ihnen nacheinander in die Augen.
»Mein Plan ist total sicher, ihr braucht euch nicht fürchten«, fügt sie noch hinzu, weil sich keines der Bandenmitglieder meldet.
»Du musst uns schon sagen, wie du das anstellen möchtest, Anna! Einfach nur zu sagen, du hättest einen Plan, ist zu wenig!«, protestiert Max lautstark.
»Mehr verrat ich jetzt aber nicht, entweder ihr vertraut mir und kommt mit, oder ich hol den Werkzeugkoffer eben alleine zurück«, gibt die Neunjährige patzig und wild entschlossen zur Antwort. Sie liebt es, die anderen im Unklaren zu lassen. Ihre Schwester meldet sich als Erste zu Wort:
»Ich komme auf jeden Fall mit. Alleine lass ich dich nicht gehen, das ist viel zu gefährlich.« Auch die anderen beiden schließen sich Anna an, ohne dass sie wissen, was sie heute Nacht vorhat. Eilig erklärt Anna allen das Vorgehen an diesem Abend:
»Wir treffen uns um zehn Uhr zu Fuß beim alten Lagerplatz, lasst euch was einfallen, wie ihr ungesehen von zu Hause wegkommt. Zieht euch schwarze Kleidung an. Sophie und ich müssen jetzt los, wir haben Luks Vater noch einen dringenden Besuch abzustatten.«
»Was müssen wir? Davon weiß ich aber gar nichts, Anna! Was tun wir denn bei dem?« Sophie versteht wieder einmal nur Bahnhof. Mit einem viel versprechenden Grinsen im Gesicht verabschiedet sich Anna von den anderen und schnappt ihre Schwester bei der Hand. Die beiden laufen zum Waldrand, um ihre Räder zu holen.
»Ui, das wird eine spannende Nacht! Hoffentlich geht auch alles gut«, murmelt Max vor sich hin, während er den Waggon absperrt.
»Jetzt sag schon, warum wir zum Löberbauern müssen? Ich mag ihn ganz und gar nicht, er ist mir unheimlich. Luks Vater schaut immer so grimmig und er läuft den halben Tag mit der umgehängten Büchse rund um den Hof. Da bekommt man echt Angst.«
»Ach was, Sophie, der tut keinem was. Wahrscheinlich schaut er immer so böse, weil er nichts mit seiner Flinte trifft. Papa sagt, dass der blind wie die Nacht ist und der schlechteste Schütze Aschachs sowieso«, versucht Anna ihre Schwester zu beruhigen. Den Grund des Besuches verrät sie wieder nicht. Zu Hause angekommen, verstauen die Mädchen ihre Räder in der Garage. Sogleich verschwindet Anna im Bad. Von innen verschließt sie die Badezimmertür und macht sich am Medikamentenschrank zu schaffen. Natürlich weiß sie, dass sie das unter gar keinen Umständen tun darf. Wenn das ihre Mutter wüsste, würde es eine saftige Strafe hageln. Endlich findet Anna, was sie gesucht hat. Vorsichtig öffnet sie die Verpackung und gibt das braune Fläschchen raus, in dem sich mehrere kleine weiße Pillen befinden. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass sie das Richtige gefunden hat, liest sie den Beipackzettel durch.
»Passt! Ich nehme zwei Pillen raus. Nein, doch lieber drei, wer weiß, wie viel Gewicht der hat«, überlegt Anna laut, lässt die drei Pillen in ihrer Hosentasche verschwinden und verlässt das Bad. Vor der Tür wartet Sophie auf Anna, die sie mit einem fragenden Blick anstarrt. Aber das Mädchen reagiert nicht drauf und läuft rüber in die Küche zu seiner Mutter, die mit dem Herrichten der Jause beschäftigt ist.
»Hast du heute auch solchen Heißhunger auf Knacker, Sophie?«, fragt Anna ganz nebenbei.
»Eigentlich nich…«, erwidert Sophie und bekommt sogleich Annas Ellbogen in die Rippe. Böse schaut sie ihre kleine Schwester an und kapiert sofort, dass dies zu ihrem Plan gehört.
»Jetzt wo du es sagst, ja. Ich habe auch solchen Appetit auf Knacker«, antwortet Sophie und erntet dafür einen anerkennenden Blick von der Kleinen.
»Im Kühlschrank ist eine Packung, legt drei Knacker auf einen Teller raus und sagt eurem Vater, dass die Jause fertig ist.«
Bevor sich Mutter und Vater zum Tisch setzen, greift Anna hastig nach den Knackern, legt ihrer Schwester und sich selbst eine auf das Jausenbrett und lässt die dritte unter ihrem Leiberl verschwinden. Fast hätte das Kind laut aufgeschrien, weil die Knacker aus dem Kühlschrank so kalt auf seinem Bauch liegt, aber Anna verkneift es sich tapfer. Dann beginnen die Schwestern zu essen.
»Sagt, Kinder, wer von euch hat denn schon eine ganze Wurst verdrückt?«, fragt die Mutter ganz ungläubig.
»Ich, Mama. Ich habe solchen Hunger vom Spielen im Freien. Ich werde wohl auch noch die zweite verspeisen«, lügt Sophie wie gedruckt und isst genüsslich ihre Knacker.
»Vergesst nicht, ihr müsst noch Eier von der Bäuerin holen, das habe ich euch heute Morgen schon angeschafft. Nehmt meine Geldbörse mit, sie liegt dort drüben auf der Anrichte«, erinnert sie die Mutter.
»Machen wir sofort«, verspricht Anna.
Nach der Jause laufen die Schwestern raus und machen sich auf den Weg. Sophie will schon so wie immer die Abkürzung durch den Wald zur Bäuerin Maria einschlagen, doch Anna zieht sie bei der Kreuzung, an der sie normalerweise rechts abbiegen müssten, am Ärmel einfach weiter.
»Hast du nicht gehört, wir müssen Eier holen!«, meckert Sophie und wehrt sich gegen das Gezerre.
»Heute holen wir die Eier einmal vom Löberbauern. Der hat recht große, sagen die Leute«, erwidert ihr die Schwester und geht die Straße entlang weiter zum Hof von Luks Vater.
Sophie ahnt Schlimmes und fragt: »Was hast du denn vor? Du gehst mir vielleicht auf die Nerven mit deiner ständigen Geheimnistuerei!«
»Du wirst schon sehen!«, gibt ihr die Schwester knapp zur Antwort.
Nach einer Viertelstunde kommen die Mädchen beim Hof an. Sie blicken sich um, aber keiner von den Falken ist Gott sei Dank zu sehen. Die Geschwister öffnen die Hoftür, sofort hört man wildes Hundegebell. Sophie erschrickt, aber sie betreten trotzdem den gepflasterten Innenhof. Am Hundezwinger müssen sie vorbeigehen, um zum Abhofverkaufsraum zu gelangen. Direkt hinter den Gitterstäben steht der Jagdhund, bellt sich die Seele aus dem Leib und zeigt dabei seine kräftigen weißen Beißerchen.
Anna geht ganz dicht am Zwinger vorbei, greift unters Leiberl und will die mitgebrachte Knacker zum Hund hineinwerfen, doch plötzlich nähert sich von hinten der Löberbauer und spricht sie forsch an:
»Geh lieber nicht so weit an den Hund heran, sonst frisst er dich noch!