Die Schöne auf dem Biest - Lucy Matoh - E-Book

Die Schöne auf dem Biest E-Book

Lucy Matoh

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Beschreibung

Valerie von Sternsee muss Tag für Tag schwer schuften, während ihre Stiefmutter und deren Töchter sich im Schloss ihres Vaters ausbreiten. Als sie eine Einladung zu einem Ball erhält, schöpft Valerie Hoffnung, die jedoch umgehend von ihrer Stiefmutter zerstört wird. Während sie sich abends in den Schlaf weint, erscheint plötzlich ein junger Mann, der ihr ein ungewöhnliches Angebot unterbreitet ... Tara war nach jahrelanger Sklaverei und Ausbeutung endlich frei - aber nun nagte sie am Hungertuch. Da schien der fremde Kaufmann, der sich mit einem geheimnisvollen Auftrag an Tara wandte, vom Himmel geschickt. Endlich würde sich das Rad für die junge Frau wenden. Doch Tara hätte es besser wissen müssen: denn anstatt für sieben Tage bei einem reichen, exzentrischen Schlossherren Dienst zu tun, um für eine gestohlene Rose zu büßen, gerät sie in das verfluchte Schloss eines Biests. Zwei erotische Märchen für Erwachsene.

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Die Schöne auf dem Biest

Die Schöne auf dem Biest - ArivingDie Schöne auf dem Biest - KnowingDie Schöne auf dem Biest - LearningDie Schöne auf dem Biest - LeavingDie Schöne auf dem Biest - EndingFünf Wünsche für Valerie - Erste Nacht -Fünf Wünsche für Valerie - Zweite Nacht -Fünf Wünsche für Valerie - Dritte Nacht -Fünf Wünsche für Valerie - Vierte Nacht -Fünf Wünsche für Valerie - Fünfte Nacht -Fünf Wünsche für Valerie - Ballnacht -Bitte leise stöhnen ... LeseprobeÜber den ErzählbandÜber die AutorinImpressum

Die Schöne auf dem Biest - Ariving

Der Rosenduft empfing Tara bereits am schmiedeeisernen Tor, das hoch über ihren Kopf mit scharfen Spitzen gen Himmel ragte. Ein betörender, unnatürlich intensiver Duft, der alles um sie herum in süße, liebliche Schwere hüllte. Der Mann an ihrer Seite trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Rede nur, wenn du aufgefordert wirst. Du weißt, was du zu sagen hast?“, fragte er leise, die Hände zu Fäusten geballt. Tara seufzte leise. „Ja, Herr.“ Sie steckte die linke Hand in die versteckte Tasche ihres Kleides und ließ die Finger über die Goldtaler gleiten. Sieben Goldtaler. Einen für jeden Tag, den Tara hier verbringen musste. Noch nie zuvor hatte sie derart viel Geld besessen. Dafür würde sie jede seiner Anweisungen strikt befolgen. „In sieben Tagen hole ich dich wieder ab, dann erhältst du den Bonus. Also benimm dich“, zischte der Mann. Er sah aus, als würde er am Liebsten die Beine in die Hände nehmen und auf und davon laufen. Stattdessen zwang er sich dazu, vor dem Tor zu stehen, und knirschte vor Anspannung mit den Zähnen. Endlich öffnete sich die große Tür des Schlosses und ein einzelner Mann trat heraus. Er stapfte die Stufen hinunter und den gepflasterten Weg entlang zum Tor. Sein Gewand war wahrlich das eines Prinzen, von den glänzenden, schwarzen Stiefeln, die bis zu den Knien reichten, über die dunkelgraue Hose und das weiße Hemd bis zum dunkelgrauen Umhang, der ihm schwer über den Schultern hing und von einer filigran geschmiedeten Metallspange zusammengehalten wurde. Er war schlank und groß gewachsen, eine imposante Erscheinung, sicherlich, doch … je näher er kam, desto deutlicher wurde, dass es sich nicht um einen Mann handelte. Tara hob beide Augenbrauen an und staunte nicht schlecht: sein Gesicht, Hals und Hände waren von einem kurzen, weißen Fell mit schwarzen Flecken überzogen und seine Augen erinnerten an die einer Katze. Anstatt eines Haarschopfs bedeckte das gleiche weiße Fell seinen Kopf, aus dem zwei kleine, runde Ohren ragten. Tara hatte in ihrem Leben schon viel gesehen, doch dies war definitiv neu. Kein Wunder, dass ihr Auftraggeber nervös war. Tara hielt die Rose, die er ihr gegeben hatte, fest in der rechten Hand. Als das Wesen das Tor erreichte und es wie von Geisterhand aufschwang, senkte sie den Kopf, wie es von einer keuschen, demütigen Frau erwartet wurde – obwohl sie viel länger die Gestalt vor ihr genauer in Augenschein genommen hätte. „Du hast dein Wort gehalten“, sagte das Wesen mit rauer Stimme anstatt einer Begrüßung. „Dein Leben soll also verschont bleiben. Gehe den Weg zurück bis zu dem alten Wegweiser im Wald, auf dem zwei Raben sitzen. Dort findest du ein Pferd angebunden. Es soll dir gehören, zusammen mit allem, was sich in den Satteltaschen befindet. Und nun verschwinde.“ Ihr Auftraggeber verbeugte sich so tief, dass seine Nasenspitze beinahe den Boden berührte. Dann richtete er sich hastig auf und lief davon. Tara schämte sich für das feige Verhalten des Mannes. Sie hob den Kopf und bot dem Wesen die Rose dar. „Sie hätte meinetwegen nicht entwendet werden dürfen. Verzeiht“, sagte sie die ihr aufgetragenen Worte. Das Wesen kniff die Augen zusammen, betrachtete zuerst Tara, dann die Rose, und schüttelte schließlich den Kopf. „Sie soll Euch gehören. Pflanzt sie hier in diesem Garten und sie wird wieder Wurzeln schlagen. Zuerst jedoch geleite ich Euch durch das Schloss“, erwiderte es und drehte sich um. Wortlos begann es den Weg zurückzugehen, den es vor wenigen Minuten erst gekommen war. Tara zögerte kurz, bevor sie ausgestreckte Hand zu sich heran zog und die Rose gegen ihre Brust drückte. Dann schritt sie durch das Tor. Ein Schauder erfasste sie, kalt und dunkel, doch er erlosch binnen eines Herzschlags und Tara fragte sich, ob sie sich diesen Moment nur eingebildet hatte. Mit schnellen Schritten folgte sie dem Wesen über den gepflasterten Weg, während sich hinter ihr das Tor von selbst schloss und deutlich hörbar der Riegel einrastete. Denk an das Gold, Tara, sagte sie sich und stieg hinter dem Wesen die Stufen hinauf. Früher mochte es einmal ein beeindruckender Anblick gewesen sein: weiße, lange Marmorstufen und hohe Säulen aus weißem Sandstein. Aber die Zeit hatte keine Gnade gekannt und alles mit einem schmutzigen Grau überzogen, während Efeu an alle Ecken und Enden wucherte. Tara musste auf jeden ihrer Schritte achten, um nicht über eine der Ranken zu stolpern. Im Inneren war es dunkel. So dunkel, dass Taras Augen selbst nach einem Moment der Anpassung und mehrmaligem Blinzeln nichts erkennen konnten. Das Wesen schien keinerlei Schwierigkeiten mit der Dunkelheit zu haben, das Klacken seiner Stiefel hallte rhythmisch durch den Raum. Tara machte versuchsweise einen Schritt vor, tastete sich langsam durch die Dunkelheit, die linke Hand von sich gestreckt. Zwei, drei Schritte weiter stieß sie mit den Fingerspitzen gegen eine Säule und blieb stehen. „Herr?“ Tara schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals. Warum waren keine Kerzen entzündet? Warum war es überhaupt derart dunkel in der Eingangshalle? Sie hatte doch von außen große Fenster gesehen, auch, wenn das Efeu sie nicht verschonte. Dennoch sollte wenigstens ein klein wenig Licht durch die Fenster hereinfallen. Was, wenn er nur mit mir spielt wie eine Katze mit der Maus? Ein grässlicher Gedanke streifte Tara: warum sollte dieses Wesen jemandem ein Pferd und eine Satteltasche voller wertvoller Güter schenken, der ihn bestohlen hatte? Klang das nicht viel mehr nach einer Bezahlung? In einem Anflug von Panik drückte Tara ihren Rücken gegen die Säule und versuchte verzweifelt, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Er wird mich fressen. Jagen, packen, fressen, dumme Gans, die ich bin. Wie hatte sie nur glauben können, das Treffen mit dem fremden Kaufmann sei ein Glücksfall? Eine Wiedergutmachung des Lebens, eine Art zweite Chance als Entschuldigung für die beschissenen Jahre, die sie bisher hatte ertragen müssen? Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann lass die Finger davon, oder du wirst sie dir verbrennen. Warum hatte sie sich nicht an die Worte ihres Vaters gehalten? Er war ein verdammter Mistkerl gewesen, aber er wusste, wie man überlebte. Sie hätte den verdammten Braten riechen müssen, aber die Gier hatte ihre Nase geblendet. Konnte sie zurück zur Tür laufen? Den Weg dorthin finden? Sie hatte erst wenige Schritte gemacht, weit weg war die Eingangstür sicher nicht. Aber würde sie schnell genug nach draußen fliehen können, bevor das Biest sie packte und fraß? Vielleicht konnte sie - „Wo bleibt Ihr? Was steht Ihr an dieser Säule, als würdet Ihr ohne sie umfallen?“ Taras Knie zitterten und ihr Magen revoltierte. Bleib ruhig. Ruhig. Ganz ruhig. „Ich kann nichts sehen, Herr“, antwortete sie und bemühte sich, das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken. „Es ist stockdunkel.“ Quälend langsam verstrich Sekunde um Sekunde, während das Wesen sich in Schweigen hüllte. Schließlich erklangen erneut Schritte auf den steinernen Fliesen, ein Zischen fauchte durch die Stille und ein kleiner Lichtschein blitzte in der Dunkelheit auf. Ein raues Murmeln kroch durch den Raum und mit ihm erhellte sich Taras Umgebung. Kerzen entzündeten sich wie ein Lauffeuer, die kleinen Flammen schienen von einer zur nächsten Kerze zu springen. Tara beobachtete das eigenartige Schauspiel mit offenstehendem Mund in einer Mischung aus Faszination, Staunen und unter der Haut schwelender Furcht. Wo war sie da nur hineingeraten? „Besser?“, fragte das Wesen und betrachtete sie mit zur Seite geneigtem Kopf. Tara nickte schwerfällig. „Habt Dank.“ Sie löste sich widerwillig von der Säule und kam sich mit einem Mal schrecklich albern vor. Wenn er sie fressen wollte, warum hatte er ihr dann erlaubt, die Rose im Garten zu pflanzen? Warum sollte er sie durchs Schloss führen? Er konnte sie doch einfach packen und in ein Verlies oder einen Kerker sperren, bis er Hunger bekam. Die Dunkelheit hat ein ängstliches, kleines Kind aus mir gemacht, dachte Tara bei sich und war froh, dass sie keinen Fluchtversuch gestartet hatte. Das Wesen setzte seinen Weg durch die große Eingangshalle fort und Tara folgte ihm. Zu gerne hätte sie die hohe Kuppel genauer betrachtete, die über ihrem Kopf thronte, doch sie musste sich beeilen mit dem Wesen schrittzuhalten. Hastig betrat sie einen breiten Korridor und schloss zu ihm auf. Zu ihrer Rechten befanden sich leere Bilderrahmen, die vermutlich einmal die Ahnen des Schlossherren beinhaltet hatten. Zu ihrer Linken reihte sich ein spitz zulaufendes Fenster an das andere. Jetzt war Tara auch klar, weshalb kein Licht durch die Fenster hereinfallen konnte – die Scheiben waren von einer dicken, grauen Schmutzschicht bedeckt. Das Schloss hätte sich genauso gut unter der Erde befinden können. Verwundert betrachtete Tara den langen Teppich, der von einem Ende des Korridors zum anderen führte. Der Teppich war von einem kräftigen, dunklen Rotton und ebenso sauber und staubfrei wie die mit Holz getäfelten Wände. Wieso fühlte die Person, die hier drinnen offensichtlich für Ordnung und Sauberkeit sorgte nicht für die Fenster verantwortlich? Gab es vielleicht eine entsprechende Anweisung des Schlossherren? Tara bemühte sich, den Erklärungen des Wesens zu folgen, das kurz und knapp auf jede Tür deutete und sagte, was sich dahinter befand. Dabei machte das Wesen keinen Unterschied zwischen dem Hinweis auf eine Besenkammer oder einem Speisesaal. Im Schnelldurchlauf durchquerten sie das Untergeschoss und schritten dann die Treppe hinauf in das Obergeschoss. Auch dort wurde Tara über jedes einzelne Zimmer informiert. Eines davon würde für die nächste Woche Taras Schlafzimmer sein, ein anderes, einige Meter entfernt, war das Schlafgemach des Schlossherrn. Das Wesen ließ keine einzige Tür aus, bis sie an das Ende eines Ganges gelangten, wo es stehen blieb. „Hier befindet sich die Bibliothek“, sagte es und in seiner Stimme schwang zum ersten Mal etwas mit, das Tara als Stolz deutete. Das Wesen öffnete mit seiner pelzigen Hand die Tür und ließ Tara den Vortritt. Ohne zu wissen, was eine Bibliothek sein sollte, betrat Tara den Raum. Der Schein hunderter Kerzen erleuchtete jeden Winkel des mit Regalen gefüllten Zimmers. Tara brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es sich bei den Gegenständen in den Regalen um Bücher handelte. Sie blieb mitten im Raum stehen und drehte sich langsam um die eigene Achse. Überall. In jedem Regal, auf mehreren Tischen und sogar zu einem hohen Turm gestapelt, Bücher über Bücher, mehr, als Tara je für möglich gehalten hätte. Niemand hatte sich je die Mühe gemacht, Tara das Lesen beizubringen, doch sie hatte schon hin und wieder ein Buch gesehen, ledergebundene Schätze mit goldverzierten Einbänden, in denen in kryptischen Zeichen Geheimnisse notiert waren, die nur Kundige zu entschlüsseln vermochten. Wie sehr hatte sie sich früher gewünscht, lesen zu können und einem Buch seine Geheimnisse zu entlocken. Als Tara sich einmal um sich selbst gedreht hatte, bemerkte sie den belustigten Blick des Wesens. „Verzeiht“, sagte sie und senkte den Blick. „Aber ich habe noch nie eine solche Sammlung an Büchern gesehen.“ Das Wesen verzog seine Lippen zu einem Lächeln. „Wenn Euch nach Zerstreuung zumute ist, fühlt Euch frei, in den Büchern zu lesen.“ Tara schüttelte sachte den Kopf. „Danke Herr, aber das wird nicht möglich sein. Diese Kunst beherrsche ich nicht.“ „Nun, das ist bedauerlich“, erwiderte das Wesen und setzte sich wieder in Bewegung. „Dann lasst uns das letzte Zimmer aufsuchen, bevor ich mich anderen Dingen widmen muss.“ Es marschierte zielstrebig auf eine Tür zu, die nach Taras Orientierungssinn nach draußen führte. Verwundert folgte sie ihm und sah, wie das Wesen die Tür öffnete – und damit plötzlich Licht in den Raum ließ. Kein Kerzen- oder Lampenlicht, nein, echtes Sonnenlicht. Tara beeilte sich und leif beinahe schon zu der Tür, die das Wesen für sie geöffnet hielt. Hastig schlüpfte sie an ihm vorbei und durch einen schmalen, kurzen, gläsernen Gang zur nächsten Tür. „Geht nur hinein“, gestattete ihr das Wesen. Das ließ Tara sich nicht zweimal sagen. Sie öffnete die Tür und betrat eine große, gläserne Kuppel. Das Sonnenlicht hatte den Raum aufgeheizt und tanzte über Taras Gesicht und ihren Körper. Dicht an dicht standen lange Reihen an Tischen und auf den Tischen … Tara ertappte sich dabei, dass sie schon wieder mit offenem Mund staunte. Langsam machte sie einen Schritt vor, als hätte sie Angst, sie könnte die Blumenpracht erschrecken und aufscheuchen wie einen Schwarm exotischer Vögel. Tara trat an einen der Tische heran, auf dem sich acht Blumentöpfe befanden, die allesamt mit wunderschönen Mustern verziert waren. In den Töpfen wuchs, sorgsam gehegt und gepflegt, je eine einzelne Blume. Aber es waren keine Rosen wie draußen im Garten oder Wiesenblumen, wie Tara sie kannte, Storchenschnabel, Margeriten, Ringelblumen oder Hasenglöckchen. Nein, diese Blumen sahen anders aus, sonderlich in Form und Farbe. Und ihr Duft … „Meine eigenen Züchtungen.“ Tara zuckte zusammen. Das Wesen stand direkt hinter ihr, so sah, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte, obwohl es sie nicht berührte. Tara schob nervös ihre linke Hand in die Tasche ihres Kleides. Sie spürte die Goldmünzen und beruhigte sich ein wenig. Sieben Tage. Sieben Tage in diesem Schloss. Das würde sie schon irgendwie überstehen. Der Kaufmann hatte behauptet, es handle sich um einen exzentrischen Schlossherren, dem er eine Rose aus dem Garten entwendet hatte. Er möchte, dass meine Tochter eine Woche Dienst für ihn tut, als Buße für meinen Frevel. Die Rose war für sie gedacht. Aber mein Kind ist noch jung und unschuldig, sie ist ein solch zartes Ding, ich kann sie diesem Exzentriker nicht überlassen. Tara fragte sich, wie viel seiner Rede gelogen war, abgesehen davon, dass es sich bei dem Schlossherren nicht schlicht um einen eigenwilligen Mann handelte. Hatte der Kaufmann überhaupt eine Tochter? Und warum hatte das Wesen im das Pferd geschenkt? Tara atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und kaschierte es mit einem Schnuppern an den Blumen. „Diese hier duftet sehr süß, aber auch … ich weiß nicht. Der Geruch kitzelt in der Nase. Nicht unangenehm, eher frech.“ Tara schüttelte den Kopf. „Verzeiht, das klang sicherlich albern. Von Blumen verstehe ich leider nicht viel.“ Sie senkte den Blick auf die Rose, die sie noch immer an sich drückte. „Wird sie wirklich wieder wachsen, wenn ich sie in Erde pflanze?“ „Wenn Ihr Euch um die Rose bemüht, wird sie auch wachsen“, erwiderte das Wesen und räusperte sich. „Ihr dürft Euch im gesamten Schloss und im Garten frei bewegen. Aber versucht nicht, das Grundstück ohne meine Erlaubnis zu verlassen. Es würde Euch nicht gut bekommen. Ich habe mich um etwas zu kümmern. Tut, wonach Euch der Sinn steht. Aber seid pünktlich um sieben Uhr abends im Speisesaal, um mit mir das Abendessen einzunehmen. In Eurem Gemach findet Ihr Kleider, die Ihr nach Belieben anziehen dürft.“ Tara nickte. „Ich werde die Rose pflanzen, bevor sie verdurstet“, erwiderte sie und trat einen Schritt beiseite. Als sie einen Knicks vollführte, kam sie sich reichlich dämlich vor. Der Kaufmann hatte ihr erklärt, dass es sich gehörte, vor dem Schlossherren einen Knicks zu machen, doch für Tara war es etwas vollkommen Fremdes. Es gehörte nicht in ihre Welt, in der die Männer einfach in ihre kleine Kammer rauschten, sich auszogen und mit ihr … Tara schluckte und hob den Blick. Das Wesen war bereits verschwunden. Sieben Tage mit diesem ungewöhnlichen Wesen. Nichts tun müssen, als mit ihm zu Abend zu essen. Was für eine seltsame Art Buße für den Diebstahl einer Rose sollte dies sein? Vielleicht ist es einfach nur einsam und sah eine Gelegenheit, sich Gesellschaft zu erkaufen. Das wäre nun wirklich nichts Neues für Tara. Sie ließ ihren Blick über das Blumenmeer schweifen. Konnte etwas, das derart Wunderschönes hervorbrachte, grausam und kaltblütig sein? Etwas, das sie sechs Tage lang mästete, um sie am siebten zu fressen? Ja. Aber versucht nicht, das Grundstück ohne meine Erlaubnis zu verlassen. Es würde Euch nicht gut bekommen. Es hätte eine Drohung sein können, sicherlich. Tara war in ihrem Leben schon sehr oft bedroht worden, kannte alle Facetten und Spielarten. Aber seine Worte hatten eher den Beigeschmack einer Warnung. Tara seufzte. Sie konnte den gesamten Nachmittag hier stehen und grübeln – oder wenigsten eine sinnvolle Sache erledigen und die Rose einpflanzen. Vielleicht stimmte sie das Wesen damit ja gnädig, schließlich hatte es eine Vorliebe für Blumen. Also machte Tara sich auf den Weg aus dem Gewächshaus hinaus, schloss sorgfältig die Türen, durchschritt die Bibliothek und trat auf den Gang. Einen Moment der Orientierung später setzte sie sich wieder in Bewegung, lief den Korridor entlang und die Treppe hinunter. Die Dunkelheit im Schloss, die gegen das Licht der Kerzen zu kämpfen schien, legte sich schwer auf Taras Brust. Hastig durchschritt sie die Eingangshalle und trat durch die große Tür hinaus auf die Marmorstufen. Die Sonne schien auf Tara herab, zwar nicht derart gebündelt und warm wie im Gewächshaus, aber dennoch genoss sie die Sonnenstrahlen, die über ihr Gesicht wanderten. Tara sah sich um und entdeckte eine alte, von Efeu überwucherte Bank, die an einem kleinen Ententeich ausharrte. Der Ententeich machte einen traurigen Eindruck, das Wasser war fast vollständig von Seerosenblättern bedeckt, die allesamt bräunliche Flecke aufwiesen. Tara verstand absolut nichts von Pflanzen, aber gesund konnte das jedenfalls nicht sein. Wenn hier nicht überall Efeu wuchern würde, wäre es ein viel hübscherer Ort, dachte Tara bei sich und kniete sich neben die Bank. Sie legte die Rose ins Gras und begann mit bloßen Händen in der weichen Erde ein Loch zu graben. Für den dünnen Stiel musste es weder sehr breit, noch besonders tief sein und so konnte Tara schon bald die Rose hineinstecken. Sie hielt den Stiel mit einer Hand fest und füllte mit der anderen das Loch wieder auf, damit die Rose nicht umfallen konnte. Dann schob Tara ein Seerosenblatt beiseite, formte die Hände zum Kelch und schöpfte etwas Wasser, mit dem sie die Rose goss. Zufrieden lächelnd betrachtete sie ihr Werk. „Sei so gut und wachse wieder. Es wäre zu schade, wenn du verdorrst.“ Als Tara sich wieder erhob, betrachtete sie ihre Hände. Braun von der Erde und feucht und muffig riechend vom Teichwasser. Sie zuckte die Achseln und beschloss, ihr Gemach aufzusuchen. Dort konnte sie sich die Hände waschen und die erwähnten Kleider betrachten. Tara hatte bisher immer nur gebrauchte Kleider getragen, also machte es ihr nichts weiter, dass auch diese Kleider sicher schon eine andere Frau vor ihr getragen hatte. Aber sie hegte die stille Hoffnung, dass diese Gewänder frei von Flöhen waren und weit hübscher aussahen, als die alten Lumpen, in die sie sich für gewöhnlich hüllen musste. Von diesem freudigen Gedanken angetrieben, schickte Tara sich an zu ihrem Gemach zu gelangen. Sie stieg die Stufen in das Obergeschoss des Schlosses hinauf und versuchte angestrengt sich daran zu erinnern, welcher Raum sich hinter welcher Tür verbarg. Sie öffnete zwei falsche Türen – zu einem vollkommen leeren Raum und zu einer Kammer mit Decken jeglicher Art – bevor sie Glück hatte und ihr Gemach entdeckte. Tara trat ein, schloss die Tür hinter sich und betrachtete fasziniert die Möbel: ein großes, breites Bett, in dem eine ganze Familie schlafen konnte; ein Schreibtisch, massiv und mächtig, auf dem Papier und Schreibfedern bereit lagen; ein kleiner Waschtisch mit einer Schüssel, einem Stück Seife und einem Handtuch; ein Schminktisch mit einem hübschen, ovalen Spiegel und vielen kleinen Schubladen; und ein Schrank, der aussah, als könnte er eine ganze Schneiderstube in sich aufnehmen. Tara öffnete die Schranktüren. Der Unterkiefer klappte ihr herunter und ihrer Kehle entkam ein überraschtes: „Oh!“ Mit weit aufgerissenen Augen musterte sie die Kleider, die vor ihr lagen. Lesen konnte Tara nicht, aber sehr wohl zählen. Zwei Dutzend prächtige Gewänder hingen in diesem Schrank und warteten darauf, dass Tara sie anzog. Ihr Herz machte vor Freude einen Hüpfer und beinahe hätte sie das erste Kleid angefasst – aber im letzten Augenblick erinnerte sie sich an ihre schmutzigen Hände. Tara eilte zum Waschtisch, schnappte sich die Seife und tauchte ihre Hände in das Wasser, das sich als angenehm warm herausstellte. Schnell schrubbte Tara Hände und Finger und trocknete sie dann an dem weichen Handtuch ab. In Windeseile kehrte sie zum Schrank zurück und streifte mit den Fingerspitzen über die Stoffe der Kleider. An einem Kobaltblauen Kleid hielt sie inne. Tara hob den Kleiderhaken von der hölzernen Stange und das Kleid aus dem Schrank. Das Dekolleté war breit ausgeschnitten, aber nicht sehr tief. Die Ärmel und die obere Hälfte waren eng geschnitten, ab der Taille wurde das Gewand etwas breiter. Dunkelblauer Samt schloss das Gewand am Dekolleté, den Ärmeln und am Saum des Kleides ab. Tara strahlte über das ganze Gesicht, als sie das Kleid auf das große Bett legte und sich dann entkleidete. Kurz sah sie zu den beiden Fenstern. Zwar war sie es gewöhnt, sich vor fremden Männern zu entkleiden, doch von einer Kaufmannstochter erwartete man sicherlich etwas mehr Zurückhaltung. Die Fenster aber waren hier ebenso verschmutzt und blind wie im Untergeschoss, weshalb sie gefahrlos aus ihrem Gewand schlüpfen konnte. Während Tara sich auszog, begann Wasser zu rauschen. Es klang, als würde jemand eine Wanne einlaufen lassen. Tara, nur noch in Unterhemd und Unterhose, kniff die Brauen zusammen und lauschte. Das Wesen hatte ein Badezimmer im Untergeschoss erwähnt, nicht jedoch hier oben. Dennoch klang das Rauschen derart nahe, dass Tara jeden Eid geschworen hätte, dass es nicht weiter entfernt als im nächsten Raum sein konnte. Die Hände an den Knöpfen ihres Unterhemds, die langen Beine und die Füße nackt, folgte Tara zögerlich dem Geräusch und entdeckte eine Tür in der Ecke neben dem Schminktisch. Neugierig öffnete Tara sie und wurde von warmer, feuchter Luft und dem Duft von teurer Seife empfangen. Kerzenlicht erleuchtete den kleinen Raum, in dessen Mitte eine Badewanne stand. Nicht einer der hölzernen Zuber, in denen Tara alle paar Wochen den gröbsten Schmutz abzuwaschen pflegte. Nein. Eine richtige, elegante Badewanne, die aussah, als sei sie aus weißem Porzellan gegossen, und auf zierlichen Füßchen stand. Eine Badewanne, in die aus goldenen Hähnen klares, dampfendes Wasser lief und in der sich eine fluffige Schicht Schaumblasen türmte. Eine Badewanne, die den Eindruck erweckte, als habe noch nie ein Mensch darin gelegen und ihre wohltuenden Annehmlichkeiten genossen. Hatte das Wesen sich ein Bad eingelassen und würde jeden Augenblick durch eine anderen Tür das Badezimmer betreten? Tara sah sich um, konnte aber keine weitere Tür entdecken. Nein, dieses Badezimmer gehörte zu ihrem Gemach. Bedeutete das … Plötzlich drehten sich die Rädchen an den Hähnen und der Wasserfluss versiegte. Taras Herz pochte wild vor Aufregung. Eine Stimme in ihrem Kopf warnte leise davor, dass es sich um eine Falle handeln könnte, aber Tara brachte sie mit Nachdruck zum Verstummen. Und wenn schon!, fuhr sie die die andere Stimme an. Dann sterbe ich eben in dieser Badewanne. Es gibt schlechtere Orte, um aus dem Leben zu scheiden. Tara fingerte an ihren Knöpfen, streifte das Unterhemd über den Kopf und ließ es zu Boden fallen. Dann schob sie ihr Höschen nach unten und stand nackt vor der zu zwei Dritteln gefüllten Wanne. „Ein richtiges Bad“, flüsterte sie leise, ehrfurchtsvoll. Vorsichtig hielt Tara ihre Hand ins Wasser, um die Temperatur zu fühlen. Es war warm, sehr warm, aber nicht heiß. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen stieg Tara in die Wanne und setzte sich. Die Wärme glitt ihr unter die Haut bis in die Knochen. Tara fuhr mit der Hand in den Schaum und betrachtete die weißen Flöckchen, die auf ihrer Hand ruhten. Sie pustete den Schaum von ihrer Hand und lachte, als die Flöckchen durch die Luft segelten und auf einem Schaumberg landeten, mit dem sie verschmolzen. Wieder und wieder griff Tara in den Schaum, pustete ihn von ihrer Hand und lachte, wenn sich die Flöckchen auf den Weg machten. Schließlich lehnte sie sich zurück, bis ihr Kopf den Rand der Wanne berührte, schloss die Augen und lauschte dem leisen Knistern des Schaums.

Mit ihrer zarten, schlanken Hand fuhr sie behutsam in den Schaumberg und hob eine Portion davon heraus. Dann pustete die junge Frau die Flocken von ihrer Hand und lachte dabei wie ein kleines Kind, das ein neues Spiel für sich entdeckt hatte. Biest lächelte unwillkürlich, als er sie durch seinen Spiegel beobachtete. Ein kalter Hauch huschte an ihm vorbei und flüsterte verschwörerisch: „Sie ist nicht aus gutem Hause. Nein, nein, das ist sie nicht.“ Ein zweiter Hauch wand sich um Biests Körper und fügte gehässig hinzu: „Ihr wurdet betrogen, Herr. Er gab Euch nicht seine Tochter, sondern ein Weib aus der Gosse. Benutzt, weggeworfen, unrein. Schmutzig. Schmutzig!“ Biest lächelte noch immer. „Ich weiß“, erwiderte er gedankenverloren, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Seine Ohren drehten sich vor und zurück, um ihr fröhliches Lachen besser zu hören. Sein Blick streifte ihre bloßen Arme, auf denen sich lange, dünne Striemen von den Schultern bis zu den Ellenbogen wanden. Er hatte bereits am Eisentor vermutet, dass sie nicht die Tochter des Kaufmanns war. Was hatte er doch für große, liebevolle Worte für seine Tochter gehabt, als Biest ihn beim Stehlen erwischte. Und dann, ganz plötzlich, ließ er dieses geliebte Kind ohne Worte des Abschieds einfach am Tor stehen? Überließ sie dem Monster? Sein erster Impuls war es gewesen, sie davon zu jagen. Aber dann … sie hatte ihn angesehen, ohne Scheu, ohne Furcht. Anstatt ihre dargebotene Rose abzulehnen und sie gehen zu lassen, hatte er die junge Frau also zu sich ins Schloss geholt, weil … nun, weil er einsam war. Vielleicht auch ein klein wenig, weil sich seit langer Zeit wieder ein klein wenig Hoffnung in ihm geregt hatte. Warum sollte er nicht einen schönen Abend in der Gesellschaft einer hübschen Frau genießen, bevor er wieder alleine im Schloss zurückblieb, nur umgeben von flüsternden Schatten? Biest verzog das Gesicht, als die junge Frau sich weit vorbeugte und er ihren Rücken zu sehen bekam. Unzählige weitere dünne, weiße Striemen bedeckten die ansonsten glatte Haut. Oh ja, er wusste, wie solche Narben entstanden. Er wusste, welche Schmerzen mit ihrer Entstehung einher gingen. „Werft sie hinaus! Sie ist eine Beleidigung!“, raunte ein Schatten, der sich um den Spiegel schlängelte. „Sie kann Euch keine Liebe bringen! Zu solch einem ehrlichen, aufrichten Gefühl ist sie doch gar nicht fähig! Setzt sie vor die Tür!“, forderte ein anderer Schatten, der aufgeregt zwischen Biest und Spiegel hin und her zischte. Natürlich hatte er die kleine, schwarze Lilie gesehen, die ihr auf der rechten Schulter in die Haut gebrannt worden war. Aber es gab viele Frauen, die zu Unrecht mit diesem Zeichen gebrandmarkt waren. Warum nicht auch sie? Und selbst, wenn sie tatsächlich eine Hure und eine Diebin war … zu einem solchen Leben entschied man sich niemand, der mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Die junge Frau hatte eine Chance verdient. „Möglich, aber ...“, setzte Biest deshalb zu einer Erwiderung an, wurde jedoch sofort wieder unterbrochen. „Sie ist eine Hure und eine Diebin! Sie wird Euch das Herz und Euer Gold stehlen! Sie ist eine Schlange, die ...“ „Genug!“, fuhr Biest die Schatten an. „Sie ist mein Gast und ihr werdet sie zuvorkommend und mit Höflichkeit und Anstand behandeln. Wer eine solche Freude an einem simplen Schaumbad zu empfinden vermag, dessen Herz leuchtet tausendmal heller als es die unseren taten! Also haltet eure unverschämten Zungen im Zaum und versucht euch an die Menschlichkeit zu erinnern, die euch eigen war, als ihr noch keine Schatten wart.“ Kleinlaut kräuselten die Schatten davon und ließen Biest alleine vor dem Spiegel zurück. Ein Seufzer glitt über seine Lippen, Kummer und Sehnsucht, die er tief in seiner Seele begraben geglaubt hatte. Er musste es wenigstens versuchen. Ein gemeinsames Abendessen, ein paar Komplimente und vielleicht entzündete sich ja ein Funke. Wenn nicht, würde er ihr am nächsten Morgen erlauben zu gehen. Sie würde nichts von ihm stehlen müssen, sondern konnte das Schloss mit einem neuen Kleid und einer Tasche voller Gold verlassen. Vielleicht würde sie damit weiser umgehen, als er selbst es getan hatte. Er beobachtete, wie sie sich zurücklehnte und die Augen schloss. Zeit, sie wieder sich selbst zu überlassen. Biest wischte mit seinen befellten Fingern über den Spiegel und das Bild der jungen Frau verschwand. „Zeig mir das Dorf“, bat er den Spiegel. Die glatte Oberfläche zog daraufhin wellenförmige Kreise, als hätte Biest einen kleinen Stein in einen Teich geworfen.