Die schöne Cassandra. Sämtliche Jugendwerke - Jane Austen - E-Book
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Die schöne Cassandra. Sämtliche Jugendwerke E-Book

Jane Austen.

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Beschreibung

Selbst Liebhaber ihrer sechs Romane wissen häufig nicht, dass Jane Austen schon zwischen ihrem elften und siebzehnten Lebensjahr eine ganze Reihe kürzerer fiktionaler Texte schrieb. Diese blieben lange im Besitz der Familie, die es nicht für angebracht hielt, "diesen Werdegang der Öffentlichkeit zu enthüllen". Janes Jugendwerke wurden deshalb zum allergrößten Teil erst im 20. Jahrhundert zugänglich. Es sind Texte von überbordender Phantasie, einem frechen Humor, einer unbändigen Lust, zu provozieren, die Ursula und Christian Grawe erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt haben.

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Seitenzahl: 405

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Jane Austen

Die schöne Cassandra

Sämtliche Jugendwerke

Aus dem Englischen übersetzt von Ursula und Christian Grawe

Nachwort und Anmerkungen von Christian Grawe

Reclam

2012, 2017 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Umschlaggestaltung: Anja Grimm Gestaltung, Hamburg, unter Verwendung des Farbkupferstichs »Iris Xiphium Variété« von Langlois nach Pierre-Joseph Redouté (1759–1840). akg-images

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961208-9

Inhalt

Erster BandFrederic und ElfridaJack und AliceEdgar und EmmaHenry und ElizaMr. Harleys AbenteuerSir William MountagueMr. Cliffords MemoirenDie schöne CassandraAmelia WebsterDer BesuchDas GeheimnisDie drei SchwesternEine hinreißende Beschreibung der unterschiedlichen Wirkung von Empfindsamkeit auf unterschiedliche GemüterDer großzügige HilfspfarrerOde an das MitleidZweiter BandLiebe und FreundschaftBurg LesleyDie Geschichte Englands von der Herrschaft Henrys IV. bis zum Tode Charles I. Von einer parteilichen, voreingenommenen und unwissenden HistorikerinEine Sammlung von BriefenSchnipselDie PhilosophinDer erste Akt einer KomödieBrief einer jungen Dame, deren überwältigende Gefühle ihre Urteilskraft beeinträchtigten und sie dadurch zu einer Reihe von Irrtümern verleiteten, die ihr Herz missbilligteEine Reise durch WalesEine ErzählungDritter BandEvelynKitty und die LaubeZu den TextenNachwort

Erster Band

Für Miss Lloyd

Meine liebe Martha1,Als kleines Zeichen der Dankbarkeit, die ich Dir für Deine Großzügigkeit schulde, dass Du meinen Musselinumhang fertiggenäht hast, bitte ich Dich, dieses bescheidene Werk entgegenzunehmen von Deiner aufrichtigen Freundin

der Autorin

Frederic und Elfrida

Ein Roman

Erstes Kapitel

Elfridas Onkel war Frederics Vater; mit anderen Worten, sie waren Vetter und Cousine ersten Grades väterlicherseits.

Da beide am selben Tag geboren und beide zur selben Schule gegangen waren, war es kein Wunder, dass sie sich mit etwas mehr als bloßer Höflichkeit betrachteten. Sie waren sich herzlich zugetan, waren aber beide entschlossen, die Regeln des Anstands nicht dadurch zu überschreiten, dass sie sich oder anderen ihre Zuneigung gestanden.

Sie waren außergewöhnlich hübsch und sich so ähnlich, dass nicht alle sie auseinanderhalten konnten. Ja, sogar ihre engsten Freunde wussten nicht, wie sie sie voneinander unterscheiden sollten – außer durch ihre Gesichtsform, ihre Augenfarbe, ihre Nasenlänge und ihren unterschiedlichen Teint.

Elfrida hatte eine enge Freundin, der sie auf Besuch bei ihrer Tante den folgenden Brief schrieb.

An Miss DrummondLiebe Charlotte,Ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir während Deines Aufenthalts bei Mrs. Williamson eine neue, modische Haube kaufen könntest, die zum Teint passt Deiner

E. Falknor

Charlotte, zu deren Charakter es gehörte, allen zu Diensten zu sein, brachte ihrer Freundin, als sie wieder nach Hause kam, die gewünschte Haube mit, und so endete dieses Abenteuer zur großen Zufriedenheit aller Beteiligten.

Bei ihrer Rückkehr nach Crankhumdunberry (in diesem lieblichen Dorf war ihr Vater Pfarrer) wurde Charlotte mit der größten Freude von Frederic und Elfrida empfangen, die ihr, nachdem sie sie abwechselnd an ihren Busen gedrückt hatten, vorschlugen, mit ihr einen Spaziergang in dem Pappelhain zu machen, der von der Pfarrei zu einer üppigen Wiese führte, die prächtig mit vielfarbigen Blumen übersät war und von einem perlenden Bach bewässert wurde, den ein unterirdischer Kanal mit dem Tal von Tempé verband.

In diesem Hain hatten sie gerade erst etwas mehr als neun Stunden verbracht, als sie plötzlich angenehm durch die Laute einer höchst reizvollen Stimme überrascht wurden, die folgende Strophe trällerte.

LiedIch wiegte froh mich in dem Glück,  Dass Damon innig mir gewogen;Nun meidet er stets meinen Blick,  Ich fürchte, er hat mich betrogen.

Kaum war das Lied beendet, da erblickten sie bei einer Abzweigung im Hain zwei elegante junge Damen Arm in Arm, die bei ihrem Anblick sofort einen anderen Weg einschlugen und ihrer Sicht entschwanden.

Zweites Kapitel

Elfrida und ihre Gefährten hatten eindeutig erkannt, dass es sich weder um die beiden Miss Green noch um Mrs. Jackson und ihre Tochter handelte, und konnten deshalb nicht umhin, über ihr Auftauchen ihr Erstaunen zu äußern; und als ihnen schließlich einfiel, dass vor kurzem nicht weit vom Hain eine Familie ein Haus gemietet hatte, beeilten sie sich, nach Hause zurückzukehren, entschlossen, die Bekanntschaft zweier so liebenswürdiger und ehrenwerter Mädchen zu machen, von denen sie zu Recht vermuteten, dass sie zu dieser Familie gehörten.

Kurzentschlossen brachen sie noch am selben Abend auf, um Mrs. Fitzroy und ihren beiden Töchtern ihre Aufwartung zu machen. Als man sie in das elegante Ankleidezimmer bat, das mit Girlanden aus künstlichen Blumen verziert war, waren sie erstaunt über das anziehende Äußere und die schöne Figur Jezalindas, der älteren der beiden jungen Damen; aber schon nach kurzem Beisammensein waren sie von der vor Witz und Charme sprühenden Konversation der liebenswerten Rebecca so gefangen, dass sie alle wie auf Befehl aufsprangen und riefen:

»Du reizende und überaus charmante Schöne, trotz deines Schielens, deines schmutzigen Volants und schwellenden Buckels – hässlicher, als die Phantasie sich ausmalen oder die Feder beschreiben kann – sind wir so hingerissen von deinen fesselnden Geistesgaben, die den Schrecken, den jeder unvorbereitete Besucher bei deinem ersten Erscheinen empfinden muss, entschieden wettmachen.

Deine so noblen Gedanken über die unterschiedliche Qualität von indischem und englischem Musselin und der wohlüberlegte Vorzug, den du ersterem gibst, haben in uns eine Bewunderung erregt, der wir nur dadurch angemessenen Ausdruck geben können, dass wir gestehen, sie entspricht nahezu unserem eigenen Urteil.«

Dann machten sie vor der liebenswerten und verlegenen Rebecca einen tiefen Knicks, verließen das Zimmer und eilten nach Hause.

Seit diesem Ereignis nahm die Vertrautheit zwischen den Familien Fitzroy, Drummond und Falknor täglich zu, bis sie schließlich so weit gediehen war, dass sie nicht davor zurückschreckten, sich bei der geringsten Provokation gegenseitig aus dem Fenster zu werfen.

Während dieser Zeit glückseliger Harmonie entlief die ältere Miss Fitzroy mit dem Kutscher und die liebenswerte Rebecca wurde von Hauptmann Roger aus Buckingsham-shire um ihre Hand gebeten.

Mrs. Fitzroy missbilligte wegen des zarten Alters der jungen Leute diese Verbindung, da Rebecca erst 36 war und Hauptmann Roger die 63 kaum überschritten hatte. Mit Rücksicht auf diese Bedenken einigte man sich zu warten, bis sie um einiges älter waren.

Drittes Kapitel

Inzwischen warben Frederics Eltern bei Elfridas Eltern um die Hand ihrer Tochter – ein Antrag, der freudig angenommen wurde; die Hochzeitskleider wurden gekauft, und lediglich der Hochzeitstag musste noch festgelegt werden.

Da die reizende Charlotte dringend gebeten wurde, ihrer Tante noch einmal einen Besuch abzustatten, entschloss sie sich, die Einladung anzunehmen, und deshalb ging sie zu Mrs. Fitzroy, um von der liebenswerten Rebecca Abschied zu nehmen, die sie umgeben von Pflastern, Pudern, Pomaden und Parfumflakons vorfand, mit denen sie versuchte, den mangelnden Reiz ihrer Züge zu beheben.

»Ich bin gekommen, meine liebenswerte Rebecca, um von dir für vierzehn Tage Abschied zu nehmen, die ich bei meiner Tante verbringen soll. Glaub mir, diese Trennung ist schmerzlich für mich, aber sie ist so unumgänglich wie die Arbeit, mit der du gerade beschäftigt bist.«

»Also, um die Wahrheit zu gestehen, meine Liebe«, antwortete Rebecca, »ich habe es mir in letzter Zeit in den Kopf gesetzt (vielleicht ohne Grund), dass mein Teint nicht zu meinem Gesicht passt, und deshalb habe ich, wie du siehst, zu roter und weißer Schminke Zuflucht genommen, die zu benutzen ich mich sonst weigern würde, da ich alle Künstlichkeit hasse.«

Charlotte, die den Sinn der Rede ihrer Freundin vollkommen begriff, war zu gutmütig und entgegenkommend, um ihr vorzuenthalten, was sie so dringend wünschte – ein Kompliment; und so schieden sie als die besten Freundinnen der Welt.

Mit schwerem Herzen und tränenden Augen bestieg sie das bequeme Fahrzeug – eine Postkutsche! –, die sie von ihren Freunden und ihrem Heim entfernte; aber betrübt wie sie war, ahnte sie kaum, unter welch merkwürdigen und veränderten Umständen sie zurückkehren würde.

Bei ihrer Ankunft in London, wo Mrs. Williamson zu Hause war, erklärte der Postillon, dessen Dummheit verblüffend war – … erklärte einfach ohne alle Scham oder Gewissensbisse, er wisse nicht, in welchem Teil der Stadt er sie absetzen solle, da man ihn nicht darüber informiert habe.

Charlotte, zu deren Charakter, wie wir schon angedeutet haben, es gehörte, allen zu Diensten zu sein, erklärte ihm mit der größten Leutseligkeit und guten Laune, er solle sie nach Portland Place fahren, was er denn auch tat, so dass Charlotte sich bald in den Armen ihrer liebenden Tante fand.

Kaum saßen sie wie gewöhnlich höchst innig vereint auf einem Stuhl, als sich plötzlich die Tür öffnete und ein älterer Herr mit blassem Gesicht und einem alten rosa Mantel der reizenden Charlotte, teils absichtlich und teils aus Schwäche, zu Füßen fiel, ihr seine Liebe gestand und sie auf höchst ergreifende Weise um Erbarmen bat.

Da sie nicht imstande war, sich dazu zu entschließen, jemanden unglücklich zu machen, erklärte sie sich bereit, seine Frau zu werden. Woraufhin der Herr das Zimmer verließ und wieder Ruhe einkehrte.

Diese Ruhe allerdings hielt nicht lange vor, denn nach dem zweiten Öffnen der Tür trat ein hübscher junger Herr in einem neuen blauen Mantel ein und beschwor die reizende Charlotte, ihm zu gestatten, um sie zu werben.

Etwas Gewisses in der Erscheinung des zweiten Fremden nahm Charlotte zu seinen Gunsten ein, und zwar mindestens so sehr wie die Erscheinung des ersten; sie wusste nicht, warum, aber so war es.

Da es ihr Freude machte und ihrem Bedürfnis entsprach, alle glücklich zu machen, versprach sie ihm, am nächsten Vormittag seine Frau zu werden; darauf verließ er sie, und die beiden Damen setzten sich zum Abendessen nieder, das aus einem jungen Hasen, zwei Rebhühnern, drei Fasanen und einem Dutzend Tauben bestand.

Viertes Kapitel

Erst am nächsten Vormittag erinnerte sich Charlotte, dass sie zwei Verlobungen eingegangen war; als ihr aber die Ungeheuerlichkeit ihrer begangenen Dummheit aufging, beschloss sie, sich einer noch größeren schuldig zu machen, und stürzte sich in einen tiefen Bach, der durch den Park ihrer Tante am Portland Place floss.

Sie trieb bis Crankhumdunberry, wo man sie aus dem Wasser zog und beerdigte. Das folgende von Frederic, Elfrida und Rebecca gedichtete Epitaph wurde auf ihr Grab gesetzt.

EpitaphSie konnte nicht auf Erden bleiben,Denn beide Freier wollt sie freien.Man hörte fürchterlich sie schreien.Und weil sie dies Versprechen gab,Das kühle Wasser ward ihr Grab.Durch Portland Place sah man sie treiben.

Diese anheimelnden Zeilen, so pathetisch wie schön, wurden niemals von einem Vorbeigehenden gelesen, ohne einen Tränenstrom auszulösen; und wenn sie dich, lieber Leser, nicht auch zu Tränen rühren, dann bist du ihrer unwürdig.

Nachdem sie ihrer verstorbenen Freundin die letzte Ehre erwiesen hatten, kehrten Frederic und Elfrida zusammen mit Hauptmann Roger und Rebecca zu Mrs. Fitzroy zurück, warfen sich ihr wie auf Befehl gemeinsam zu Füßen und sprachen sie folgendermaßen an:

»Madam, als der liebenswerte Hauptmann Roger die reizende Rebecca um ihre Hand bat, haben Sie allein aufgrund des zarten Alters der Partner der Verbindung Ihre Zustimmung versagt. Dieser Einwand gilt jetzt nicht mehr, da inzwischen sieben Tage – zusammen mit der reizenden Charlotte – dahingegangen sind, seit der Hauptmann sich zuerst an Sie wandte.

Stimmen Sie also ihrer Vereinigung zu, Madam, und als Belohnung soll dieses Riechfläschchen in meiner rechten Hand Ihnen für immer gehören, ich werde es nie zurückfordern. Wenn Sie sich aber weigern, ihnen innerhalb von drei Tagen Ihren Segen zu geben, dann wird der Dolch, den ich mit meiner Linken umfasse, von Ihrem Herzblut getränkt werden.

Sprechen Sie also, Madam, und entscheiden Sie über Ihr eigenes Schicksal und das der beiden.«

Eine so sanfte und zartfühlende Überredung konnte die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlen. Die Antwort, die sie erhielten, lautete folgendermaßen:

»Meine lieben jungen Freunde, die Argumente, die Sie vorgebracht haben, sind zu berechtigt und zu überzeugend, als dass man ihnen widerstehen könnte; Rebecca, in drei Tagen wirst du mit dem Hauptmann getraut werden.«

Diese so überaus zufriedenstellende Mitteilung wurde von allen mit Freude vernommen. Da auf diese Weise überall wieder Friede eingekehrt war, bat Hauptmann Roger Rebecca, sie mit einem Lied zu erfreuen; und nachdem Rebecca ihnen vor Erfüllung dieses Wunsches versichert hatte, dass sie eine schreckliche Erkältung habe, sang sie folgendes

LiedZum Markt macht Mark sich auf die Socken.  Dort kaufte er ein Band für Bess;Das schlang er ihr um ihre Locken,  Wodurch sie aussah riesig kess.

Fünftes Kapitel

Drei Tage später waren Hauptmann Roger und Rebecca vereinigt, und unmittelbar nach der Trauung machten sie sich in der Postkutsche zu Hauptmann Rogers Wohnsitz in Buck-inghamshire auf den Weg.

Obwohl Elfridas Eltern ernsthaft wünschten, sie vor ihrem Tod mit Frederic verheiratet zu sehen, hüteten sie sich, sie dazu zu drängen, weil sie wussten, dass ihr empfindsames Gemüt keinerlei Aufregung vertragen konnte, und zu Recht befürchteten, dass das Festsetzen ihres Hochzeitstages zu viel für sie sein würde.

Tage und Wochen flogen dahin, ohne dass irgendwelche Fortschritte in der Sache erzielt wurden; ihre Kleidung wurde unmodern, und schließlich kamen Hauptmann Roger und seine Frau Gemahlin, um ihrer Mutter einen Besuch abzustatten und ihr ihre hübsche achtzehnjährige Tochter vorzustellen.

Elfrida, die ihre früheren Bekannten zu alt und zu hässlich fand, um weiter mit ihnen umzugehen, begrüßte die Ankunft eines so hübschen Mädchens wie Eleanor mit großer Begeisterung und beschloss, enge Freundschaft mit ihr zu schließen.

Aber das Glück, das sie von ihrer Bekannschaft mit Eleanor erwartete, wollte sich nicht recht einstellen, denn nicht nur musste sie die Demütigung hinnehmen, von ihr kaum anders als eine alte Frau behandelt zu werden, sondern mit wahrem Schrecken musste sie auch eine wachsende Leidenschaft in Frederics Busen für die Tochter der liebenswerten Rebecca wahrnehmen.

Kaum war ihr der erste Verdacht einer solchen Neigung gekommen, da flog sie zu Frederic und überfiel ihn mit dem wahrhaft heroischen Entschluss, am nächsten Tag heiraten zu wollen.

In einer so prekären Lage hätte diese Rede für jemanden mit weniger Courage als Frederic den Tod bedeutet; aber er ließ sich keineswegs einen Schreck einjagen und antwortete kühn: »Verdammt noch mal, Elfrida, du heiratest morgen vielleicht, aber ich nicht.«

Diese Antwort war zu viel für ihre zarte Konstitution. Daher wurde sie ohnmächtig und hatte nacheinander eine solche Reihe von Ohnmachtsanfällen, dass sie kaum Zeit hatte, sich von dem einen zu erholen, bevor der nächste einsetzte.

Obwohl Frederic in jeder erdenklichen Gefahr für Leib und Leben heldenhaften Mut zeigte, war sein Herz in anderer Hinsicht so weich wie Butter; und als er erfuhr, in welcher Lebensgefahr Elfrida sich befand, eilte er zu ihr, und da er sie in einem besseren Zustand als erwartet fand, wurden sie auf immer miteinander vereint.    1787–90

Jack und Alice

Ein Roman

Erstes Kapitel

Es war einmal ein Mr. Johnson, der ungefähr 53 Jahre alt war; zwölf Monate später war er 54, was ihn so entzückte, dass er beschloss, seinen nächsten Geburtstag mit einer Maskerade für seine Kinder und Freunde zu feiern. Also schickte er am Tag, an dem er 55 wurde, Einladungen an alle seine Nachbarn. Seine Bekannten in diesem Teil der Welt waren allerdings nicht sehr zahlreich, denn sie bestanden lediglich aus Lady Williams, Mr. und Mrs. Jones, Charles Adams und den drei Miss Simpson2, die die Nachbarschaft von Pammydiddle ausmachten und die die Teilnehmer der Maskerade bildeten.

Bevor ich dazu übergehe, einen Bericht von dem Abend zu geben, ist es wohl angebracht, meinen Lesern die Personen und ihre Eigenschaften vorzustellen, die Mr. Johnson zu der Gesellschaft eingeladen hatte.

Mr. und Mrs. Jones waren beide ziemlich groß und sehr leidenschaftlich, aber in anderer Hinsicht gutmütige, wohlerzogene Leute. Charles Adams war ein liebenswürdiger, gebildeter und bezaubernder junger Mann von solch blendender Schönheit, dass nur Adler seinem Blick standhalten konnten.

Miss Simpson hatte ein ansprechendes Äußeres, angenehme Umgangsformen und ein ausgeglichenes Temperament; grenzenloser Ehrgeiz war ihr einziger Fehler. Ihre zweite Schwester Sukey war neidisch, gehässig und boshaft. Sie war klein, fett und unausstehlich. Cecilia (die jüngste) war eine vollkommene Schönheit, aber zu affektiert, um zu gefallen.

In Lady Williams vereinigten sich alle Vorzüge. Sie war eine Witwe mit einem hübschen Vermögen und den Rudimenten eines sehr hübschen Gesichts. Obwohl wohlwollend und ehrlich, war sie großzügig und aufrichtig; obwohl fromm und gütig, war sie religiös und liebenswert; obwohl elegant und entgegenkommend, war sie kultiviert und unterhaltsam.

Die Johnsons waren eine liebevolle Familie, und obwohl der Flasche und dem Glücksspiel verfallen, hatten sie viele gute Eigenschaften.

So sah die Gesellschaft aus, die sich im eleganten Salon von Johnson Court versammelte, und unter den weiblichen Masken war die angenehme Erscheinung einer Sultanin die auffälligste. Unter den Männern war eine Sonne die am meisten bewunderte Maske. Die Strahlen, die aus seinen Augen schossen, waren wie die des herrlichen Gestirns – wenngleich ihm unendlich überlegen. So stark waren sie, dass niemand sich traute, näher als eine halbe Meile an ihn heranzutreten; er hatte deshalb den größeren Teil des Saales für sich, denn dieser war nur eine dreiviertel Meile lang und eine halbe Meile breit. Da der Herr fand, dass die Intensität seiner Strahlen dem allgemeinen Gespräch wenig zuträglich war, weil sie die anderen Gäste zwangen, sich in einer Ecke des Saales zusammenzudrängen, senkte er die Lider, woraufhin die Gesellschaft entdeckte, dass es sich um Charles Adams in seinem schlichten grünen Mantel handelte – und zwar ohne Maske.

Als ihr Erstaunen sich einigermaßen gelegt hatte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf zwei Dominos gelenkt, die in beängstigender Leidenschaft nahten; beide waren sehr groß, hatten aber offenbar in anderer Hinsicht viele gute Eigenschaften. »Diese beiden«, sagte der geistreiche Charles, »diese beiden sind Mr. und Mrs. Jones« – und so war es auch.

Alle rätselten, wer wohl die Sultanin war. Erst als sie eine hübsche Flora, die sich in einstudierter Pose auf dem Sofa zurücklehnte, mit den Worten ansprach: »Oh, Cecilia, ich wollte, ich wäre wirklich, was ich zu sein vorgebe«, erriet das niemals versagende Genie von Charles Adams, dass es die elegante, aber ehrgeizige Caroline Simpson war; und bei der Person, an die sie sich gewandt hatte, vermutete er zu Recht, dass es sich um ihre liebenswerte, aber affektierte Schwester Cecilia handelte.

Die Gesellschaft bewegte sich nun auf einen Spieltisch zu, wo drei Dominos (jeder mit einer Flasche in der Hand) ins Spiel vertieft saßen; eine weibliche Gestalt in der Maske der Tugend hingegen entfloh eilenden Fußes dieser schockierenden Szene, während eine kleine fette, den Neid darstellende Frau sich abwechselnd auf den Kopf der drei Spieler setzte. Charles Adams war noch so hellsichtig wie eh und je; er entdeckte bald, dass die Gruppe am Spieltisch die drei Johnsons, der Neid Sukey Simpson und die Tugend Lady Williams waren.

Dann wurden die Masken abgenommen, und die Gesellschaft begab sich ein anderes Zimmer, um an einer eleganten und gut einstudierten Darbietung teilzunehmen, woraufhin die drei Johnsons dem Flascheninhalt ziemlich hemmungslos zusprachen, und auch die übrige Gesellschaft, die Tugend nicht ausgeschlossen, schließlich nach Hause getragen werden musste – und zwar sternhagelblau.

Zweites Kapitel

Drei Monate lang bot die Maskerade den Bewohnern von Pammydiddle reichlich Gesprächsstoff; aber über keinen ließ man sich so ausgiebig aus wie über Charles Adams. Die Einzigartigkeit seiner Erscheinung, die Strahlen, die aus seinen Augen schossen, sein sprühender Witz und das tout ensemble seiner Person hatten die Herzen so vieler junger Damen bezwungen, dass von den sechs bei der Maskerade anwesenden nur fünf zurückkehrten, ohne von ihm bezaubert zu sein. Alice Johnson war die unglückliche sechste, deren Herz der Ausstrahlung seines Charmes nicht hatte widerstehen können. Aber da es meinen Lesern merkwürdig vorkommen mag, dass so viel Verdienst und Vollkommenheit nur ihr Herz erobert hatte, ist es nötig, ihnen mitzuteilen, dass die Miss Simpson gegen diese Ausstrahlung durch Ehrgeiz, Neid und Selbstgefälligkeit gefeit waren.

Carolines Wünsche waren ganz auf einen Mann von Adel gerichtet, während ein beeindruckender Titel in Sukey nur Neid, nicht Liebe auslöste und Cecilia zu ausschließlich in sich selbst verliebt war, um irgendjemand anderem zugetan zu sein. Was Lady Williams und Mrs. Jones angeht, so war die erstere zu vernünftig, um sich in einen viel jüngeren Mann zu verlieben, und die letztere, obwohl sehr groß und sehr leidenschaftlich, hing zu sehr an ihrem Mann, um an dergleichen zu denken.

Doch trotz aller Bemühungen von seiten Miss Johnsons, einen Hauch von Zuneigung zu ihr in ihm zu entdecken, bewahrte das kalte und gleichgültige Herz von Charles Adams, soweit erkennbar, seine angeborene Freiheit; höflich zu allen, aber keiner zugetan, blieb er der löbliche, lebhafte, aber gefühllose Charles Adams.

Als Alice eines Abends dem Wein etwas zu lebhaft zugesprochen hatte (kein sehr ungewöhnliches Ereignis), entschloss sie sich, ihrem wirren Kopf und liebeskranken Herzen durch ein Gespräch mit der klugen Lady Williams Erleichterung zu verschaffen.

Sie fand die gnädige Frau – wie es deren Gewohnheit war – zu Hause, denn sie ging nicht gerne aus, und wie der große Sir Charles Grandison3 verschmähte sie es, sich, wenn zu Hause, verleugnen zu lassen, weil sie die modische Art, unliebsame Besucher nicht zu empfangen, für kaum weniger schlimm hielt als Bigamie.

Trotz des Weins, den sie getrunken hatte, war die arme Alice außerordentlich niedergeschlagen; sie konnte an nichts als an Charles Adams denken, sie konnte von nichts als von ihm reden; kurz und gut, sie sprach so offen, dass Lady Williams bald entdeckte, wie sehr sie an unerwiderter Liebe zu ihm litt, was in ihr ein so heftiges Bedauern und Mitgefühl erregte, dass sie sie folgermaßen ansprach:

»Ich sehe nur zu deutlich, meine liebe Miss Johnson, dass Ihr Herz dem faszinierenden Charme dieses jungen Mannes nicht widerstehen konnte, und ich bemitleide Sie von ganzem Herzen. Ist es Ihre erste Liebe?«

»Ja.«

»Dann tut es mir noch mehr leid. Ich bin selbst ein trauriges Beispiel für das Elend, das im allgemeinen mit einer ersten Liebe einhergeht, und ich bin entschlossen, in Zukunft ähnliches Unglück zu vermeiden. Ich wäre froh, wenn es auch für Sie nicht zu spät wäre und es nicht über Ihre Kräfte ginge, mein liebes Kind, sich aus einer so großen Gefahr zu retten. Eine zweite Liebe hat selten solch ernste Konsequenzen; dagegen habe ich deshalb nichts einzuwenden. Bewahren Sie sich vor der ersten Liebe, dann haben Sie von der zweiten nichts zu fürchten.«

»Sie haben erwähnt, Madam, dass Sie selbst das Unglück erlitten haben, vor dem Sie mich dankenswerterweise bewahren möchten. Wären Sie bereit, mir Ihr Leben und Ihre Abenteuer zu erzählen?«

»Gern, meine Liebe.«

Drittes Kapitel

»Mein Vater war ein recht wohlhabender Gentleman in Birkshire; ich und ein paar andere waren seine einzigen Kinder. Ich war erst sechs Jahre alt, als ich das Unglück hatte, meine Mutter zu verlieren; und da ich damals jung und zartbesaitet war, schickte mein Vater mich nicht zur Schule, sondern stellte eine fähige Gouvernante ein, die meine Erziehung zu Hause betreuen sollte. Meine Brüder wurden auf altersmäßig für sie geeignete Schulen geschickt, und meine Schwestern, die alle jünger waren als ich, blieben unter der Obhut ihrer Amme.

Miss Dickins war eine ausgezeichnete Gouvernante. Sie führte mich auf den Pfad der Tugend; unter ihrer Anleitung wurde ich täglich liebenswerter und hätte sicher bald den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht, wenn meine würdige Lehrerin nicht meinen Armen entrissen worden wäre, bevor ich mein siebzehntes Lebensjahr erreicht hatte. Nie werde ich ihre letzten Worte vergessen. ›Meine liebe Kitty‹, sagte sie, ›ich wünsch dir gut’ Nacht.‹ Ich sah sie nie wieder«, fuhr Lady Williams fort und trocknete ihre Tränen. »Sie brannte noch in derselben Nacht mit dem Butler durch.

Ich wurde im folgenden Jahr von einer entfernten Verwandten meines Vaters eingeladen, den Winter mit ihr in London zu verbringen. Mrs. Watkins war von Familie, Vornehmheit und Vermögen; sie wurde allgemein für eine hübsche Frau gehalten, aber ich persönlich habe sie nie besonders schön gefunden. Sie hatte eine zu hohe Stirn, ihre Augen waren zu klein und ihr Teint war zu dunkel.«

»Wie kann das sein?« unterbrach Miss Johnson und wurde rot vor Ärger. »Finden Sie denn, dass man einen zu dunklen Teint haben kann?«

»Das finde ich, und ich will Ihnen sagen, warum, meine liebe Alice. Wenn eine Frau zu viel Rot in ihrem Teint hat, dann sieht ihr Gesicht meiner Meinung nach zu rot aus.«

»Aber gnädige Frau, kann ein Gesicht denn zu rot aussehen?«

»Natürlich, meine liebe Miss Johnson, und ich will Ihnen sagen, warum. Wenn ein Gesicht zu rot aussieht, dann wirkt es nicht so vorteilhaft, wie wenn es blasser wäre.«

»Fahren Sie bitte in Ihrer Geschichte fort, Madam.«

»Also, wie ich schon sagte, ich wurde von dieser Dame eingeladen, mit ihr einige Wochen in London zu verbringen. Viele Gentlemen hielten sie für schön, aber meiner Meinung nach war ihre Stirn zu hoch, ihre Augen waren zu klein und ihr Teint war zu dunkel.«

»Darin, Madam, müssen Sie sich, wie ich schon sagte, geirrt haben. Mrs. Watkins kann keinen zu dunklen Teint gehabt haben, weil niemand einen zu dunklen Teint haben kann.«

»Entschuldigen Sie, meine Liebe, dass ich in diesem Punkt nicht mit Ihnen übereinstimme. Lassen Sie es mich deutlich erklären; ich denke folgendermaßen darüber: Wenn die Wangen einer Frau zu viel Rot enthalten, dann ist ihr Teint zu dunkel.«

»Aber, Madam, ich bestreite, dass man von einer Frau sagen kann, dass ihre Wangen zu viel Rot enthalten können.«

»Wie, meine Liebe, auch nicht, wenn sie zu dunkel sind?«

Miss Johnson war nun völlig am Ende ihrer Geduld, vielleicht um so mehr, als Lady Williams immer noch so ungerührt kühl blieb. Es muss allerdings daran erinnert werden, dass die gnädige Frau in einer Hinsicht einen erheblichen Vorteil vor Alice hatte – ich meine darin, dass sie nicht betrunken war, denn wenn sie durch Wein erhitzt und von Leidenschaft erregt war, dann hatte sie wenig Kontrolle über ihr Temperament.

Die Auseinandersetzung wurde schließlich so hitzig auf Alices Seite, »dass man von Worten fast zu Taten schritt«,4 als glücklicherweise Mr. Johnson eintrat und sie mit einiger Mühe von Lady Williams und Mrs. Watkins mit ihren roten Wangen trennte.

Viertes Kapitel

Meine Leser glauben womöglich, dass eine enge Beziehung zwischen den Johnsons und Lady Williams nach einer solchen Szene nicht mehr bestehen konnte, aber darin irren sie sich, denn Lady Williams war zu einsichtig, als dass sie sich über ein Benehmen aufgeregt hätte, das sie nur als die natürliche Folge von Trunkenheit begreifen konnte, und Alice hatte zu großen Respekt vor Lady Williams und zu großen Appetit auf ihren Rotwein, als dass sie nicht zu jedem Zugeständnis bereit gewesen wäre.

Ein paar Tage nach ihrer Versöhnung machte Lady Williams Miss Johnson einen Besuch und schlug einen Spaziergang in den Zitronenhain vor, der vom Schweinestall der gnädigen Frau zu Charles Adams’ Pferdetränke führte. Alice wusste Lady Williams’ Freundlichkeit, einen solchen Spaziergang vorzuschlagen, zu sehr zu schätzen und freute sich zu sehr auf die Aussicht, an seinem Ende Charles’ Pferdetränke zu sehen, als dass sie ihn nicht mit sichtbarem Vergnügen angenommen hätte. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie aus ihren erfreulichen Gedanken über das ihr bevorstehende Glück durch Lady Williams’ Bemerkungen gerissen wurde:

»Ich habe mich bisher gehütet, meine liebe Alice, mit der Geschichte meines Lebens fortzufahren, um Ihnen nicht eine Szene ins Gedächtnis zurückzurufen, die (da sie Ihnen eher zur Schande als zur Ehre gereicht) besser vergessen als erinnert wird.«

Alice begann schon die Röte ins Gesicht zu steigen, und sie wollte schon das Wort ergreifen, als die gnädige Frau ihr Missfallen wahrnahm und fortfuhr:

»Ich fürchte, mein liebes Kind, ich habe Sie durch das, was ich gerade gesagt habe, beleidigt; seien Sie versichert, ich wollte Ihnen durch die Erinnerung an etwas, was doch nicht mehr zu ändern ist, nicht wehtun; alles in allem gebe ich Ihnen nicht so viel Schuld wie die meisten Leute, denn wenn jemand betrunken ist, ist er völlig unberechenbar.«

»Madam, das ist unerträglich, ich bestehe darauf …«

»Mein liebes Kind, machen Sie sich nichts daraus; seien Sie versichert, ich habe Ihnen die ganze Geschichte vergeben; ja, ich war in dem Augenblick nicht einmal ärgerlich, weil ich gleich sah, dass Sie sternhagelblau waren. Ich wusste, Sie konnten nichts für die merkwürdigen Dinge, die Sie geäußert haben. Aber ich sehe, ich tue Ihnen weh; ich will deshalb das Thema wechseln und möchte, dass die Sache nie wieder erwähnt wird; seien Sie unbesorgt, alles ist vergessen. Ich will lieber mit meiner Geschichte fortfahren, aber ich werde mich davor hüten, Ihnen noch einmal eine Beschreibung von Mrs. Watson zu geben; es würde nur alte Geschichten aufwärmen, und da Sie sie nie gesehen haben, kann es Ihnen gleichgültig sein, ob ihre Stirn tatsächlich zu hoch, ihre Augen zu klein und ihr Teint zu dunkel sind.«

»Noch einmal, Lady Williams, ich muss Sie bitten …«

So erregt war die arme Alice durch das Aufwärmen der alten Geschichte, dass ich nicht weiß, was für Folgen es gehabt hätte, wenn ihre Aufmerksamkeit nicht auf etwas anderes gelenkt worden wäre. Eine reizende junge Frau, die offenbar in großen Schmerzen unter einem Zitronenbaum lag, war eine viel zu interessante Erscheinung, als dass sie nicht ihr Interesse hätte wecken sollen. Sie vergaßen also ihre eigene Auseinandersetzung, näherten sich ihr mit mitleidigem Zartgefühl und sprachen sie folgendermaßen an:

»Sie leiden anscheinend große Schmerzen, schöne Nymphe, und wir wollen diese gerne lindern, wenn Sie uns mitteilen, was ihre Ursache ist. Sind Sie bereit, uns Ihr Leben und Ihre Abenteuer zu erzählen?«

»Gern, meine Damen, wenn Sie so freundlich sein wollen sich zu setzen.«

Sie nahmen also Platz, und sie begann.

Fünftes Kapitel

»Ich bin in Nordwales geboren, und mein Vater ist einer der angesehensten Schneider dort. Da er eine kinderreiche Familie hat, ließ er sich von einer Schwester meiner Mutter, die als finanziell gutgestellte Witwe ein Wirtshaus im nächsten Dorf unterhält, leicht dazu bewegen, mich ihr auf ihre Kosten zur Erziehung zu überlassen. Daher habe ich die letzten acht Jahre meines Leben bei ihr verbracht, und während dieser Zeit hat sie einige der besten Lehrer für mich angestellt, die mich die Fertigkeiten und Kenntnisse gelehrt haben, die eine junge Frau von Rang braucht. Unter ihrer Leitung lernte ich tanzen, musizieren, zeichnen und verschiedene Sprachen, wodurch ich gebildeter wurde als alle anderen Schneiderstöchter in Wales. Nie gab es ein glücklicheres Geschöpf als mich, bis vor einem halben Jahr … aber ich hätte vorher erwähnen sollen, dass der größte Besitz in unserer Gegend Charles Adams gehört, dem Eigentümer des Klinkerhauses, das Sie dort drüben sehen.«

»Charles Adams!« rief die erstaunte Alice, »sind Sie bekannt mit Charles Adams?«

»Zu meinem Leidwesen, ja, Madam. Er kam vor etwa einem halben Jahr, um die Miete für den Besitz einzuziehen, den ich gerade erwähnt habe. Damals sah ich ihn zum ersten Mal. Da Sie anscheinend mit ihm bekannt sind, Madam, brauche ich Ihnen nicht zu beschreiben, wie charmant er ist. Ich konnte seiner Anziehungskraft nicht widerstehen …«

»Ah, wer kann das schon«, sagte Alice mit einem tiefen Seufzer.

»Da meine Tante mit seiner Köchin aufs engste befreundet ist, beschloss sie auf meine Bitte, durch ihre Freundin herauszufinden, ob Aussicht besteht, dass er meine Zuneigung erwidert. Zu diesem Zweck ging sie eines Abends zum Tee zu Mrs. Susan, die im Verlauf der Unterhaltung die Vorzüge ihres Arbeitsplatzes und die Vorzüge ihres Herrn erwähnte, woraufhin meine Tante sie mit so viel Geschick aushorchte, dass Susan sehr bald gestand, sie glaube nicht, dass ihr Herr je heiraten werde, ›denn (sagte sie) er hat immer und immer wieder erklärt, seine Frau, wer immer sie auch sein mag, muss Jugend, Schönheit, Adel, Geist, Verdienst und Geld besitzen. Ich habe schon oft versucht (fuhr sie fort), ihm seinen Entschluss auszureden und ihn von der Unwahrscheinlichkeit zu überzeugen, eine solche Dame je zu finden; aber meine Argumente hatten keine Wirkung, und er ist entschiedener als je bei seinem Entschluss geblieben.‹ Sie können sich meine Enttäuschung vorstellen, meine Damen, als ich das hörte, denn ich fürchtete, dass er mich, obwohl ich Jugend, Schönheit, Geist und Verdienst besitze und die voraussichtliche Erbin von Haus und Geschäft meiner Tante bin, womöglich für unebenbürtig und seiner nicht würdig halten würde.

Trotzdem war ich entschlossen, einen kühnen Vorstoß zu machen, und schrieb ihm deshalb einen sehr freundlichen Brief, in dem ich ihm mit großem Zartgefühl Herz und Hand antrug. Auf diesen Brief erhielt ich eine zornige und entschiedene Absage. Da ich aber dachte, sie sei lediglich eine Folge seiner Bescheidenheit, setzte ich ihm noch einmal zu. Aber er beantwortete meine weiteren Briefe nicht, und sehr bald darauf verließ er Wales. Sobald ich von seiner Abreise hörte, schrieb ich ihm hierher, um ihm mitzuteilen, dass es mir eine Ehre sein würde, ihm sehr bald einen Besuch in Pammydiddle abzustatten, worauf ich keine Antwort erhielt. Entschlossen, Schweigen als Zustimmung auszulegen, verließ ich deshalb ohne Wissen meiner Tante Wales und kam nach einer ermüdenden Reise heute vormittag hier an. Auf meine Frage nach seinem Haus wurde mir der Weg durch diesen Wald zu dem Haus dort drüben gewiesen. In der beglückenden Aussicht, ihn zu sehen, betrat ich den Wald in gehobener Stimmung und war gerade bis hierher gekommen, als ich mich plötzlich am Bein gepackt fühlte und bei genauerem Hinsehen feststellte, dass ich mich in einer der stählernen Fallen gefangen hatte, wie man sie auf herrschaftlichem Grund und Boden findet.«

»Ah«, rief Lady Williams, »was für ein Glück, dass wir Sie hier treffen, sonst hätte uns womöglich das gleiche Schicksal ereilt.«

»Sie haben wirklich Glück gehabt, meine Damen, dass ich kurz vor Ihnen hier war. Ich schrie, wie Sie sich leicht vorstellen können, bis der Wald widerhallte und ein Diener des unmenschlichen Schurken mir zu Hilfe kam und mich aus meinem schrecklichen Gefängnis befreite – allerdings nicht, ohne dass mein Bein gebrochen war.«

Sechstes Kapitel

Bei dieser melancholischen Erzählung füllten sich Lady Williams’ strahlende Augen mit Tränen, und auch Alice konnte nicht umhin zu rufen: »Oh, grausamer Charles, so die Herzen und Beine aller schönen Mädchen zu brechen!«

Lady Williams griff nun ein mit der Bemerkung, das Bein der jungen Dame müsse ohne weitere Verzögerung geschient werden. Nach Untersuchung des Bruchs begann sie deshalb augenblicklich, die Operation mit großem Geschick vorzunehmen, was um so bewundernswerter war, als sie dergleichen noch nie unternommen hatte. Danach erhob sich Lucy, und als sie feststellte, dass sie ohne Schwierigkeiten gehen konnte, begleitete sie die beiden auf Lady Williams’ ausdrücklichen Wunsch zu deren Haus.

Lucys makellose Figur, schönes Antlitz und gepflegte Umgangsformen gewannen Alices Zuneigung so schnell, dass sie ihr – allerdings erst nach dem Dinner, als sie sich trennten – versicherte, dass sie außer ihrem Vater, Bruder, ihren Onkeln, Tanten, Cousinen und anderen Verwandten, Lady Williams, Charles Adams und ein paar Dutzend weiterer enger Freunde niemanden auf der Welt so sehr liebe wie sie.

Solche schmeichelhaften Versicherungen ihrer Wertschätzung hätten der Adressatin sicher viel Freude gemacht, wenn sie nicht deutlich wahrgenommen hätte, dass die liebenswerte Alice Lady Williams’ Rotwein allzu ausgiebig zugesprochen hatte.

Die gnädige Frau (deren Scharfsinn groß war) las in Lucys klugem Gesicht deren Gedanken über den Sachverhalt und wandte sich, sobald Miss Johnson sie verlassen hatte, mit folgenden Worten an sie:

»Wenn Sie mit meiner Alice vertrauter sind, werden Sie sich nicht wundern, Lucy, dass das gute Geschöpf ein bisschen zu viel trinkt, denn derlei geschieht jeden Tag. Sie hat viele seltene und liebenswerte Eigenschaften, aber Abstinenz gehört nicht dazu. Tatsächlich besteht die ganze Familie aus trostlosen Trunkenbolden. Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass ich nie drei so hemmungslose Glücksspieler gekannt habe wie sie, vor allem Alice. Aber sie ist ein charmantes Mädchen. Nicht gerade mit einem ausgeglichenen Temperament gesegnet, denn ich habe noch nie solche Wutanfälle erlebt. Sie ist aber trotzdem eine reizende junge Frau. Sie werden sie sicher gern haben. Ich kenne sonst niemanden, der so sympathisch ist. Ach, wenn Sie sie nur gestern abend hätten sehen können. Wie sie tobte – und noch dazu wegen einer solchen Lappalie! Sie ist wirklich ein durch und durch gewinnendes Mädchen! Ich werde sie immer gern haben.«

»Nach Ihrer Schilderung, gnädige Frau, hat sie anscheinend viele gute Eigenschaften«, antwortete Lucy.

»Oh, tausende«, entgegnete Lady Williams, »obwohl ich viel für sie übrig habe und vielleicht durch meine Zuneigung zu ihr für ihre wirklichen Fehler blind bin.«

Siebtes Kapitel

Am nächsten Vormittag fand ein Besuch der drei Miss Simp-son bei Lady Williams statt, die sie mit der größten Höflichkeit empfing und ihrer Bekannten Lucy vorstellte, von der die älteste so eingenommen war, dass sie beim Abschied erklärte, ihr ganzer Ehrgeiz bestehe darin, dass Lucy sie nach Bath begleite, wohin sie am nächsten Vormittag für ein paar Wochen fahren wollten.

»Lucy«, sagte Lady Williams, »ist völlig unabhängig, und wenn sie beschließt, eine so freundliche Einladung anzunehmen, dann wird sie hoffentlich nicht aus bloßer Rücksicht auf mich zögern. Ich weiß allerdings nicht, wie ich auf sie verzichten soll. Sie ist nie in Bath gewesen, und ich könnte mir vorstellen, dass es ein höchst angenehmer Ausflug für sie wäre. Was meinen Sie, meine Liebe (sie wandte sich an Lucy), wollen Sie diese Damen begleiten? Ich werde Sie schrecklich vermissen … es wird eine höchst angenehme Reise für Sie werden … ich hoffe, Sie nehmen die Einladung an … aber wenn ja, dann ist das gewiss mein Tod … lassen Sie sich ruhig überreden.«

Lucy bat mit vielen Beteuerungen ihrer Dankbarkeit, die außerordentlich höfliche Einladung der Miss Simpson, sie zu begleiten, ablehnen zu dürfen.

Miss Simpson schien über diese Absage sehr enttäuscht. Lady Williams drängte sie mitzufahren, behauptete, sie würde ihr nie verzeihen, wenn sie es nicht tat, würde es aber nicht überleben, wenn sie es tat, und, kurz und gut, brachte so überzeugende Argumente vor, dass man schließlich beschloss, sie solle mitfahren. Die Miss Simpson holten sie am nächsten Vormittag um zehn Uhr ab, und Lady Williams hatte bald die Genugtuung, von ihrer jungen Freundin die erfreuliche Nachricht von ihrer wohlbehaltenen Ankunft in Bath zu erhalten.

Es ist nun wohl angebracht, zum Helden dieses Romans, Alices Bruder, zurückzukehren, von dem zu sprechen ich bisher kaum Gelegenheit hatte, was zum Teil an seinem unglücklichen Hang zum Alkohol liegen mag, der ihm so völlig den Gebrauch der Fähigkeiten beraubte, mit denen die Natur ihn ausgestattet hatte, dass er niemals etwas Erwähnenswertes tat. Sein Tod ereignete sich kurz nach Lucys Abreise und war die natürliche Folge seines fatalen Lasters. Durch sein Ableben wurde seine Schwester die alleinige Erbin eines sehr großen Vermögens, eine für sie höchst erfreuliche Aussicht, die ihre Hoffnung, Charles Adams doch noch zu heiraten, aufs neue belebte; und da die Wirkung seines Todes so begrüßenswert war, hatte man kaum Grund, diesen zu beklagen.

Ihre Leidenschaft für Charles wurde von Tag zu Tag heftiger, und so vertraute sie sich schließlich ihrem Vater an und bat ihn, Charles die Ehe mit ihr anzutragen. Ihr Vater stimmte zu und machte sich eines Vormittags auf, dem jungen Mann den Vorschlag zu unterbreiten. Da Mr. Johnson ein Mann von wenig Worten war, war sein Auftrag bald ausgeführt und er erhielt folgende Antwort:

»Sir, womöglich erwarten Sie, dass ich angenehm berührt und dankbar für das Angebot bin, das Sie mir gemacht haben, aber lassen Sie mich deutlich sagen, dass ich es als Affront betrachte. Ich halte mich, Sir, für den Inbegriff der Schönheit – wo finden Sie eine vollkommenere Gestalt und bezauberndere Züge? Und dann, Sir, halte ich mein Taktgefühl und meine Umgangsformen für höchst erlesen; sie besitzen eine gewisse Eleganz und ganz besondere Verfeinerung, die ich nirgendwo sonst gefunden habe und nicht beschreiben kann. Bei aller Parteilichkeit übertrifft meine Kenntnis aller Sprachen, aller Wissenschaften, aller Künste und auch alles sonstigen Wissenswerten die aller anderen Menschen in Europa. Mein Temperament ist ausgeglichen, meine Tugenden sind zahlreich, meine Persönlichkeit ist einzigartig. Wie kommen Sie, Sir, bei diesen Eigenschaften auf den Gedanken, dass ich den Wunsch haben könnte, Ihre Tochter zu heiraten? Erlauben Sie mir, Sie und Ihre Tochter kurz zu skizzieren. Ich halte Sie, Sir, für einen im allgemeinen ganz ordentlichen Mann, einen Saufbruder zwar, aber das macht mir nichts. Ihre Tochter, Sir, ist weder schön genug, liebenswert genug, geistreich genug, noch reich genug für mich. Ich erwarte von meiner Frau nur das, was meine Frau in mir findet: Vollkommenheit. Das, Sir, sind meine Empfindungen, und sie gereichen mir zur Ehre. Ich habe eine Freundin und bin stolz darauf, dass es nur eine ist. Sie kocht gerade mein Dinner, aber wenn Sie sie sprechen möchten, wird sie Ihnen gerne bestätigen, dass ich immer so empfunden habe.«

Mr. Johnson war es zufrieden, und als er sich bei Mr. Adams für das so schmeichelhafte Porträt von sich und seiner Tochter bedankt hatte, nahm er Abschied.

Als die unglückliche Alice von ihrem Vater den traurigen Bericht seines Misserfolgs gehört hatte, konnte sie ihrer Enttäuschung kaum Herr werden – sie griff zur Flasche, und so war die Sache bald vergessen.

Achtes Kapitel

Während diese Ereignisse in Pammydiddle stattfanden, eroberte Lucy in Bath alle Herzen. Ein vierzehntägiger Aufenthalt dort hatte Charles’ einnehmende Gestalt fast ganz aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Die Erinnerung an das, was ihr Herz einst durch seinen Charme und ihr Bein durch seine Falle gelitten hatte, erlaubte ihr, ihn einigermaßen schmerzlos zu vergessen, wozu sie entschlossen war; und zu diesem Zweck verwandte sie täglich fünf Minuten darauf, ihn aus ihrem Gedächtnis zu vertreiben.

Ihr zweiter Brief an Lady Williams enthielt die erfreuliche Nachricht, dass ihr dieses Unternehmen zu ihrer vollen Zufriedenheit gelungen sei. Sie erwähnte auch den Heiratsantrag, den sie vom Herzog von … erhalten habe, einem älteren Mann mit glänzendem Vermögen, dessen Gesundheitszustand der Hauptgrund seiner Reise nach Bath war. »Ich bin bedauerlicherweise unentschieden (fuhr sie fort), ob ich seinen Antrag annehmen soll oder nicht. Die Ehe mit einem Herzog bringt tausend Vorteile mit sich, denn neben den weniger bedeutenden wie Rang und Vermögen bietet sie mir ein Zuhause, woran mir mehr als an allem anderen liegt. Ihr freundliches Angebot, gnädige Frau, immer bei Ihnen zu bleiben, ist nobel und großzügig, aber ich möchte nicht eine Bürde für jemanden werden, den ich so liebe und schätze. Dass man nur denen zur Last fallen soll, die man verachtet, ist eine Einsicht, die mir meine schätzenswerte Tante schon in meiner frühen Jugend mit auf den Weg gegeben hat und an die man sich meiner Meinung nach nicht strikt genug halten kann. Die ehrenwerte Frau, von der ich spreche, ist, wie ich höre, wegen meiner unklugen Abreise aus Wales zu empört, um mich je wieder zu empfangen. Mir liegt sehr daran, die Damen, bei denen ich mich augenblicklich befinde, zu verlassen. Miss Simpson ist zwar (abgesehen von ihrem Ehrgeiz) sehr liebenswert, aber ihre zweite Schwester, die neidische und bösartige Sukey, ist zu unerträglich, als dass man mit ihr leben könnte. Ich habe Grund zu der Annahme, dass die Bewunderung, die ich hier in den ersten Kreisen hervorgerufen habe, ihren Hass und Neid geschürt hat, denn sie hat oft gedroht und manchmal sogar versucht, mir die Kehle durchzuschneiden. Sie machen mir sicher keinen Vorwurf, gnädige Frau, dass ich Bath gerne verlassen möchte und mir ein Zuhause wünsche, wo ich bleiben kann. Ich erwarte Ihren Rat wegen des Herzogs mit Ungeduld und bin Ihre ergebene usw.«

Lucy

 

Lady Williams schickte ihr auf ihre Bitte folgende Antwort:

 

Warum zögern Sie, liebste Lucy, auch nur einen Augenblick bezüglich des Herzogs? Ich habe Informationen über seinen Charakter eingezogen und herausgefunden, dass er ein gewissenloser, ungebildeter Mann ist. Niemals soll meine Lucy einen solchen Mann heiraten! Er hat ein fürstliches Vermögen, das mit jedem Tag zunimmt. Wie freigebig werden Sie es ausgeben! Wie werden Sie zu seinem Ansehen beitragen! Welchen Respekt wird er dank seiner Frau in den Augen der Welt genießen!

Aber, meine liebe Lucy, warum wollen Sie die Sache nicht auf der Stelle entscheiden, indem Sie zu mir zurückkehren und mich nie wieder verlassen? Obwohl ich Ihre noblen Empfindungen über das Zur-Last-Fallen teile, sollte Sie das bitte nicht davon abhalten, mich glücklich zu machen. Ihr Daueraufenthalt bei mir wird allerdings erhebliche Ausgaben mit sich bringen; Ihr Unterhalt wird zu kostspielig für mich sein. Aber was macht das im Vergleich zu dem Glück, das mir Ihre Gesellschaft bereitet? Sie wird mich zweifellos ruinieren. Sie werden daher diesen Argumenten nicht widerstehen können oder sich weigern zurückzukehren zu Ihrer höchst zärtlichen usw. usw.

C. Williams

Neuntes Kapitel

Welche Folgen der Rat der gnädigen Frau gehabt hätte, wenn er Lucy je erreicht hätte, ist ungewiss, da er ein paar Stunden, nachdem sie ihren letzten Atemzug getan hatte, in Bath ankam. Sie fiel dem Neid und der Bosheit Sukeys zum Opfer, die sie aus Eifersucht auf ihre überlegenen Reize der bewundernden Welt im Alter von siebzehn mit Hilfe von Gift entriss.

So verschied die liebenswerte und reizende Lucy, deren Leben außer der unklugen Trennung von ihren Tanten von keinerlei Verbrechen befleckt und von keinerlei Makel getrübt war und deren Tod von allen inständig beweint wurde, die sie gekannt hatten. Unter ihren besonders betrübten Freunden waren Lady Williams, Miss Johnson und der Herzog; die ersteren hatten sie besonders geschätzt, vor allem Alice, die einen ganzen Abend in ihrer Gesellschaft verbracht und seitdem nie wieder an sie gedacht hatte. Der Schmerz seiner Gnaden ließ sich ebenfalls leicht erklären, denn er hatte einen Menschen verloren, für den er während der letzten zehn Tage eine tiefe Zuneigung und aufrichtige Wertschätzung entwickelt hatte. Er betrauerte weitere vierzehn Tage lang den Verlust mit ungebrochener Treue, und am Ende dieses Zeitraums befriedigte er den Ehrgeiz von Caroline Simpson dadurch, dass er sie in den Rang einer Herzogin erhob. So machte die Erfüllung ihrer Lieblingsleidenschaft sie schließlich vollkommen glücklich. Ihre Schwester, die durchtriebene Sukey, wurde ebenfalls auf eine Weise erhöht, die sie ehrlich verdiente und anscheinend durch ihre Taten immer angestrebt hatte. Ihr grauenhaftes Verbrechen wurde aufgedeckt, und sie wurde trotz des Einspruchs all ihrer Freunde schnellstens an den Galgen gehängt. Die hübsche, aber affektierte Cecilia war sich ihrer überlegenen Reize zu bewusst, als dass sie nicht geglaubt hätte, wenn Caroline einen Herzog an sich binden könne, dann könne sie, ohne Widerspruch zu erregen, irgendeinen Prinzen erobern, und da sie wusste, dass in ihrem Heimatland nahezu alle vergeben waren, verließ sie England, und ich habe seitdem gehört, dass sie gegenwärtig die bevorzugte Haremsdame des großen Moguls ist.

Währendessen machte ein Bericht von der bevorstehenden Heirat von Charles Adams die Runde und versetzte die Bewohner von Pammydiddle in den Zustand größter Verblüffung und Verwunderung. Der Name der Dame war noch ein Geheimnis. Mr. und Mrs. Jones meinten, es sei Miss Johnson, aber diese wusste es besser; alle ihre Befürchtungen konzentrierten sich auf seine Köchin, als er zu jedermanns Überraschung in aller Öffentlichkeit seine Hochzeit mit Lady Williams feierte.    1787–90

Edgar und Emma

Eine Erzählung

Erstes Kapitel

»Ich begreife gar nicht«, sagte Sir Godfrey zu seiner Gemahlin, »warum wir immer noch in dieser beklagenswerten Wohnung und obendrein in einer so provinziellen Kleinstadt wohnen, wenn wir doch drei solide Häuser in einigen der schönsten Gegenden Englands besitzen, in die wir jederzeit einziehen können!«

»Mein lieber Sir Godfrey«, erwiderte Lady Marlow, »mir geht es schon lange gegen den Strich, dass wir hier seit Jahren wohnen; und warum wir überhaupt hierhergekommen sind, ist mir ein Rätsel, da keins unserer Häuser im geringsten reparaturbedürftig ist.«

»Ach, mein Liebe«, antwortete Sir Godfrey, »du bist die Letzte, die sich darüber beklagen sollte, denn wir sind doch nur dir zuliebe hierhergezogen; du musst dir darüber im klaren sein, welche Unannehmlichkeiten deine Töchter und ich in den zwei Jahren, die wir in so beengten Verhältnissen leben, in Kauf genommen haben, um dir einen Gefallen zu tun.«

»Mein Lieber«, entgegnete Lady Marlow, »wie kannst du die Wahrheit nur so entstellen, wenn du doch genau weißt, dass ich lediglich aus Rücksicht auf dich und die Mädchen unser geräumiges Haus in schönster Lage und bester Nachbarschaft aufgegeben habe, um zwei Jahre lang in einer ungesunden Stadt mit schrecklicher Luftverschmutzung zu leben, eingepfercht in diese Wohnung und noch dazu drei Treppen hoch, in der ich unter ständigem Fieber leide und mir fast die Schwindsucht zugezogen hätte.«

Da sie nach weiterem regen Wortwechsel nicht entscheiden konnten, wer mehr Schuld hatte, ließen sie die Auseinandersetzung klugerweise auf sich beruhen und brachen, als sie ihre Sachen gepackt und die Miete bezahlt hatten, am nächsten Morgen mit ihren beiden Töchtern zu ihrem Landsitz in Sussex auf.

Sir Godfrey und Lady Marlow waren im Grunde genommen sehr vernünftige Leute und wurden, obwohl sie (wie in diesem Fall) wie viele andere vernünftige Leute gelegentlich eine Dummheit begingen, im allgemeinen von Einsicht bestimmt und von Takt geleitet.

Nach einer Reise von zweieinhalb Tagen erreichten sie Marlhurst in guter Gesundheit und bester Laune und waren so beglückt, ein Haus wieder in Besitz zu nehmen, das sie vor zwei Jahren mit wechselseitigem Bedauern verlassen hatten, dass sie befahlen, die Kirchenglocken zu läuten, und die Glöckner mit ein paar Münzen belohnten.

Zweites Kapitel

Da sich die Nachricht von ihrer Ankunft schnell in der ganzen Gegend herumsprach, erhielten sie innerhalb weniger Tage Gratulationsvisiten aller Familien in der Umgebung.