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Ein Maulwurf, gefräßig wie alle, die seines Geschlechtes sind, war auf einem Raubzug begriffen. Er wurde von einem Füchslein beobachtet, das ihn nach einer Weile fragte: »Warum gehst du immer nur der Nase nach? Mache doch die Augen auf!« »Werde mich wohl hüten«, erwiderte der Maulwurf, »es könnte mir ja Licht hineinfallen!« (Marie von Ebner-Eschenbach) Dieses Buch versammelt rund 150 beliebteste und bekannteste Fabeln aus aller Welt. Mit den berühmten Illustrationen von Grandville reich illustriert, bietet es ein intelligentes Lesevergnügen für Jung und Alt!
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Die schönsten Tierfabeln
Ausgesucht von Dennis Grabowsky
Mit Illustrationen von Grandville
Bild und Heimat
eISBN 978-3-95958-736-5
1. Auflage
© 2016 by BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin
Umschlaggestaltung: BEBUG mbH
Umschlagabbildung: Grandville
Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:
BEBUG mbH / Verlag Bild und Heimat
Alexanderstr. 1
10178 Berlin
Tel. 030 / 206 109 – 0
www.bild-und-heimat.de
Anstatt eines Vorworts
Die beraubte Fabel
(Magnus Gottfried Lichtwer)
Es zog die Göttin aller Dichter,
Die Fabel, in ein fremdes Land,
Wo eine Rotte Bösewichter
Sie einsam auf der Straße fand.
Ihr Beutel, den sie liefern müssen,
Befand sich leer; sie soll die Schuld
Mit dem Verlust der Kleider büßen,
Die Göttin litt es mit Geduld.
Mehr, als man hoffte, ward gefunden,
Man nahm ihr Alles; was geschah?
Die Fabel selber war verschwunden,
Es stand die bloße Wahrheit da.
Beschämt fiel hier die Rotte nieder,
Vergib uns, Göttin, das Vergehn,
Hier hast du deine Kleider wieder,
Wer kann die Wahrheit nackend sehn?
Von den Falschen, den Eitlen und den Listigen
Der Fuchs und der Wolf am Brunnen (Jean de La Fontaine)
Es war eine klare Vollmondnacht. Ein Fuchs strolchte durchs Dorf und kam zu einem Ziehbrunnen. Als er hinunterblickte, traute er seinen Augen nicht: Da lag ein großer, runder, goldgelber Käse. Er kniff die Augen zu und öffnete sie wieder. Nein, es war kein Traum.
Der Fuchs besann sich nicht lange, sprang in den Eimer, der über dem Brunnenrand schwebte, und abwärts ging die Fahrt. Ein zweiter Eimer schaukelte aus der Tiefe empor, an ihm vorbei.
Unten angekommen, wollte der hungrige Fuchs sich sofort auf den fetten Käse stürzen. Aber was war denn das? Seine Nase stieß in eiskaltes Wasser, der Käse verformte sich und verschwand. Verblüfft starrte der Fuchs ins Dunkel, und langsam kehrte der Käse unversehrt zurück. Jetzt begriff er seinen Irrtum. Wie konnte er nur so schwachköpfig handeln! Nun saß er in der Patsche. Er schaute zum Brunnen hinauf. Niemand war da, der ihn aus dem Schlamassel befreien konnte. Nur der Vollmond lächelte ihm hell und freundlich zu.
Viele Stunden saß der Fuchs in dem kühlen, feuchten Eimer gefangen und schlotterte vor Kälte und Hunger. Da kam ein Wolf an dem Brunnen vorbei. Der Fuchs dachte: Warum sollte dieser Nimmersatt klüger sein als ich? Und mit fröhlicher Stimme rief er ihm zu: »Schau, mein Freund, welch herrlichen Käseschmaus ich gefunden habe. Wenn du mein Versteck nicht verrätst, so darfst du zu mir herunterkommen und dir auch ein gutes Stück von meinem Käse abbrechen. Den Eimer dort oben habe ich für dich bereitgehalten, mit ihm kannst du zu mir herunterfahren.«
Der Wolf, der nie über Mangel an Hunger klagen konnte, leckte sich die Lippen, und seine Augen traten hervor. Der Käse, den der Fuchs entdeckt hatte, sah wirklich appetitlich aus. Ohne zu überlegen kletterte er in den Eimer, und da er viel schwerer als der Fuchs war, sauste er hinab in die Tiefe und zog den Eimer mit dem Fuchs hinauf.
Der Fuchs rettete sich sofort auf sicheren Boden und lachte sich eins ins Fäustchen. »Wohl bekomm’s«, rief er spöttisch und eilte davon.
Der Rabe und der Fuchs (Gotthold Ephraim Lessing)
Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte Gärtner für die Katzen seines Nachbars hingeworfen hatte, in seinen Klauen fort.
Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren, als sich ein Fuchs herbeischlich und ihm zurief: »Sei mir gesegnet, Vogel des Jupiters!« – »Für wen siehst du mich an?«, fragte der Rabe. »Für wen ich dich ansehe?«, erwiderte der Fuchs. »Bist du nicht der rüstige Adler, der täglich von den Rechten des Zeus auf diese Eiche herabkommt, mich Armen zu speisen? Warum verstellst du dich? Sehe ich denn nicht in der siegreichen Klaue die erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu schicken noch fortfährt?«
Der Rabe erstaunte und freute sich innig, für einen Adler gehalten zu werden. Ich muss, dachte er, den Fuchs aus diesem Irrtume nicht bringen. Großmütig dumm ließ er ihm also seinen Raub herabfallen und flog stolz davon.
Der Fuchs fing das Fleisch lachend auf und fraß es mit boshafter Freude. Doch bald verkehrte sich die Freude in ein schmerzhaftes Gefühl; das Gift fing an zu wirken, und er verreckte.
Möchtet ihr euch nie etwas anders als Gift erloben, verdammte Schmeichler!
Kleine Fabel (Franz Kafka)
»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.«
»Du musst nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.
Die Milbe (Novalis)
»Nichts ist gewisser«, sprach eine Milbe zu der andern, »als dass unser Käse der Mittelpunkt des erhabenen Weltsystems ist und dass wir die besonderen Lieblinge des Allmächtigen sind, weil er uns die vollkommenste Wohnung erschuf.«
»Törin«, sprach ein Mensch, indem er sie mit ihrem Käse verschlang. »Du denkst, wie viele meiner Brüder denken, du auf deinem Käse, sie auf den ihrigen.«
Spatz und Schwalben (Wilhelm Busch)
Es grünte allenthalben.Der Frühling wurde wach.Bald flogen auch die SchwalbenHell zwitschernd um das Dach.
Sie sangen unermüdlichUnd bauten außerdemAm Giebel rund und niedlichIhr Nest aus feuchtem Lehm.
Und als sie eine WocheSich redlich abgequält,Hat nur am EingangslocheEin Stückchen noch gefehlt.
Da nahm der Spatz, der Schlingel,Die Wohnung in Besitz.Jetzt hängt ein StrohgeklüngelHervor aus ihrem Schlitz.
Nicht schön ist dies GebarenUnd wenig ehrenwertVon einem, der seit JahrenMit Menschen viel verkehrt.
Die allzu klugen Fische (altindisch)
In einem Teiche wohnten zwei Fische, Satabuddhi, »Hundertklug«, und Sahasabuddhi, »Tausendklug«. Diese beiden hatten den Frosch Ekabuddhi, »Einmalklug«, zum Freunde. So genossen sie alle drei am Ufer des Teiches das Vergnügen geselliger Unterhaltung und kehrten dann ins tiefe Wasser zurück.
Als sie nun einmal zur Unterhaltung zusammengekommen waren, schritten um die Zeit des Sonnenunterganges mit Netzen in der Hand Fischer heran, die auf dem Kopf viele getötete Fische trugen. Als diese den Teich sahen, sprachen sie zueinander: »Ah! Dieser Teich scheint viele Fische zu enthalten und hat sehr wenig Wasser. Darum wollen wir morgen früh hierhergehen!« Nach diesen Worten gingen sie nach Hause.
Nachdem jene aber diese einem Donnerschlag gleiche Rede gehört hatten, hielten sie miteinander Rat. Da sagte der Frosch: »Ach lieber Hundertklug und Tausendklug, was ist hier angemessen: Sollen wir fliehen oder bleiben?« Darauf lachte Tausendklug und meinte: »Ach Freund, lass dich nicht durch das bloße Hören einer Rede in Furcht setzen! Es ist nicht wahrscheinlich, dass sie kommen. Gesetzt aber, sie kämen, dann werde ich durch die Macht meines Verstandes sowohl dich als auch mich zu schützen wissen, denn ich kenne viele Wege des Wassers.«
Nachdem Hundertklug das gehört hatte, sagte er: »Ah! Was Tausendklug sagt, ist richtig. Man soll daher auf das bloße Hören einer Rede hin nicht den von den Ahnen her von Geschlecht zu Geschlecht vererbten Geburtsort verlassen. Auch keinen Schritt weit dürfen wir uns entfernen! Ich werde dich durch die Macht meines Verstandes beschützen.« Der Frosch erwiderte: »Ich habe nur einen Witz, aber der rät mir zu fliehen. Ich gehe noch heutigen Tages samt meiner Frau zu einem anderen Teiche.«
Am folgenden Tage kamen in der Frühe die Fischer, ähnlich den Dienern des Todesgottes, herbei, bedeckten den Teich mit Netzen, und alle anderen Wassertiere wurden im Netze gefangen. Auch jene beiden, Hundertklug und Tausendklug, waren dabei, obwohl sie flohen und sich lange Zeit durch ihre Kenntnis verschiedener Wege, durch Hin- und Herschwimmen schützten. Doch schließlich fielen sie samt ihren Frauen ins Netz und wurden getötet. Hundertklug wurde wegen seiner Schwere auf dem Kopfe getragen. Den Tausendklug hatte ein anderer an einen Strick gebunden und schleppte ihn so dahin.
Da sagte der Frosch Einmalklug, der auf den Rand seines neu bewohnten Teiches gestiegen war, zu seiner Frau: »Sieh! Sieh, Liebe! Herr Hundertklug liegt auf dem Kopf, Herr Tausendklug hängt an dem Strick, Herr Einmalklug jedoch spielt munter in der klaren Flut.«
Ein Großschnabel (nordamerikanisch)
Ein stolzer Falke brüstete sich einst, dass er von allen Vögeln am höchsten fliegen könne; dabei bemerkte er aber nicht den Adler, der dicht bei ihm auf einem Baum saß.
»Wer fliegt mit mir in den Himmel hinein?«, rief darauf der Adler so laut, dass es alle Vögel ringsum verstanden. »Oh, das wird der Falke tun!«, schnatterten sie ihm zu. »Der kann’s schon mit dir aufnehmen!«
»Der Falke?« bemerkte der Adler höhnisch. »Mit dem zu fliegen finde ich unter meiner Würde.« Darauf flog er allein auf und war in kurzer Zeit den Blicken der Zuschauer entschwunden.
»Und ich kann doch am höchsten fliegen«, schrie darauf triumphierend der Falke, als er sah, dass ihn nur noch einige kurzflügelige und schwerfällige Vögel umstanden.
Der Wolf und der Schäfer (Gotthold Ephraim Lessing)
Ein Schäfer hatte durch eine grausame Seuche seine ganze Herde verloren. Das erfuhr der Wolf, und kam seine Kondolenz abzustatten.
»Schäfer«, sprach er, »ist es wahr, dass dich ein so grausames Unglück betroffen? Du bist um deine ganze Herde gekommen? Die liebe, fromme, fette Herde! Du trauerst mich, und ich möchte blutige Tränen weinen.«
»Habe Dank, Meister Isegrim«, versetzte der Schäfer. »Ich sehe, du hast ein sehr mitleidiges Herz.«
»Das hat er auch wirklich«, fügte des Schäfers Hund hinzu, »so oft er unter dem Unglück seines Nächsten selbst leidet.«
Der Hund im Wasser (Martin Luther)
Es lief ein Hund durch einen Strom und hatte ein Stück Fleisch im Maul. Als er aber das Spiegelbild vom Fleisch im Wasser sah, dachte er, es wäre auch Fleisch, und schnappte gierig danach. Als er aber das Maul auftat, entfiel ihm das Stück Fleisch, und das Wasser trug es weg. Also verlor er beides: das Fleisch und das Spiegelbild.
Die Katze und die Ratte (Jean de La Fontaine)
Eine Ratte lebte unter einer hohen, mächtigen Fichte, deren Astwerk bis auf den Boden hinunter wucherte. Ganz in der Nähe hausten eine Eule, ein Wiesel und eine Katze und machten der Ratte das Leben sauer.
Obgleich die Ratte von so viel Feinden umgeben war, konnte sie sich nicht entschließen, ihre Wohnung zu verlassen; denn die alte Fichte ernährte sie ausreichend mit ihrem Samen, der im Frühjahr auf den Boden prasselte. Auch warf der Sturm oft reife Zapfen zu ihr herab, die sich noch nicht geöffnet hatten, und die emsige Ratte schleppte diese dann hochbeglückt in ihr Nest und sammelte so reichlich Vorrat für das ganze Jahr.
Eines Morgens hörte die Ratte ein herzzerreißendes Miauen. Sie lächelte schadenfroh: »Einem meiner Plagegeister scheint es an den Kragen zu gehen.« Das Miauen wurde immer jämmerlicher, und die Ratte blinzelte neugierig aus ihrem Loch. Aber sie konnte nichts sehen. Vorsichtig tapste sie in die Richtung, aus der das Klagen kam. Da entdeckte sie die Katze, die sie schon so oft in Angst und Schrecken versetzt hatte. Sie war in eine Falle geraten. »Das geschieht dir recht«, rief die Ratte ihrer Feindin zu.
Die Katze aber schlug ihre sanftesten Schmeicheltöne an und schnurrte: »Liebe Freundin, deine Güte und Liebenswürdigkeit ist überall bekannt. Ich habe dich vor allen anderen Tieren dieser Gegend verehrt und geliebt. Jetzt, da ich dich sehe, muss ich sagen, es reut mich keinen Augenblick, dass ich dich stets behütet und beschützt habe. Nun kannst du mir dafür deinen Dank erweisen und mir aus diesem teuflischen Netz heraushelfen. Irgendein Taugenichts muss hier gestern dieses Netz ausgelegt haben.«
»Ich dich retten?«, fragte die Ratte belustigt, die keineswegs von den süßlichen Worten ihrer Todfeindin beeindruckt war. »Was bietest du mir denn zur Belohnung an?« – »Meine ewige Treue und unbedingte Hilfe gegen alle deine Feinde«, antwortete die Katze. Die Ratte entgegnete: »Gegen alle anderen Feinde, das mag wohl sein, aber wer schützt mich vor dir?« – »Ich schwöre es dir bei meinen scharfen Krallen«, beteuerte die Katze.
Die Ratte wollte spottend in ihr Loch zurückkehren, da versperrte ihr das kurzschwänzige Wiesel den Weg und funkelte sie wild an. Gleich darauf rauschte fast lautlos der Waldkauz herbei. In ihrer Bedrängnis überlegte die Ratte keinen Moment, sondern flitzte zur Katze und zerbiss eilig das Netz. Das Wiesel lief herausfordernd auf die Katze zu, um ihr die Beute abzujagen. Flugs sprang die Ratte hinter ihre neuverbündete Freundin. Doch sofort streckte der Waldkauz seine Krallen nach der Ratte aus.
Da drang ein wütendes Bellen zu den Streitenden herüber. Wiesel, Waldkauz, Katze und Ratte flohen in verschiedene Richtungen. Ein Jäger war mit seinen Hunden unterwegs, um die Fallen, die er aufgestellt hatte, zu kontrollieren.
Einige Tage später lugte die Ratte aus ihrem Loch, um zu erkunden, ob der Weg frei sei, da spritzte die Katze auf sie zu. Schnell fuhr die Ratte zurück. »Warum fliehst du vor mir, liebe Freundin, als wäre ich dein Feind?«, fragte die Katze scheinheilig. »Ich verdanke dir doch mein Leben und bin dein bester Freund. Komm, lass dich zum Dank für deine Hilfe küssen.«
»Ich pfeife auf deinen Dank, du falsche Heuchlerin. Glaubst du, ich wüsste nicht, dass ich nur dem Hund mein Leben verdanke, der euch alle in die Flucht schlug? Du kannst deine Natur nicht verleugnen, auch nicht mit einem noch so heiligen Freundschaftseid, zu dem dich allein die Not gezwungen hat. Du bist und bleibst eine mörderische Katze.« Und mit diesen Worten zog sich die Ratte tief in ihr Loch zurück.
Der kluge Kater und die dummen Affen (indonesisch)
Der Kater saß vor dem Haus und schlummerte im Sonnenschein. Da kamen Affen herbeigelaufen, begannen zu schreien und weckten den Kater. Sie sprangen auf den Bäumen umher, krochen auf das Dach und liefen wie wild durch den Garten. Den Kater ärgerte das, und er sagte: »Macht hier, was ihr wollt, nur schlagt, bitte, nicht an die Glocke dort, die dem Großväterchen gehört«, und er zeigte auf den Baum, wo ein großes Wespennest hing.
»Die Glocke des Großväterchens?«, wunderten sich die Affen. »Und warum denn?« – »Das ist keine gewöhnliche Glocke«, sagte der Kater. »Großväterchen läutet sie nur dreimal im Jahr, an den höchsten Feiertagen. Wenn ihr an sie schlagt, wird die Glocke läuten und Großväterchen wird sich ärgern.« – »Soll er sich ärgern«, lachten die Affen. »Wir werden dem Großväterchen schon entwischen!« – »Macht, was ihr wollt«, sagte der Kater. »Doch wartet, bis ich auf den Dachboden geklettert bin, ich will nichts damit zu tun haben.«
Der Kater kletterte auf den Dachboden. Die Affen nahmen Flegel und schlugen auf das Wespennest ein. Das war eine tolle Geschichte! Die Wespen flogen heraus und stachen die Affen in die Köpfe und in die Beine, wo es nur ging. Und die Affen rannten, rannten, bis sie endlich in den Fluss sprangen und so den Wespen entkamen.
Fuchs und Wolf (norddeutsch)
Fuchs und Wolf machten Freundschaft und brachen nachts in eine Meierei ein, stahlen eine Tonne Butter und verabredeten, sie miteinander zu verzehren. Nun aber sagte der Fuchs: »Morgen kann ich nicht kommen, da soll ich Gevatter stehen. Wir können übermorgen den Schmaus halten.« Der Wolf willigte darein und sie versteckten die Tonne hinter einem Busch.
Am andern Morgen ging der Fuchs fort, aber nicht, um den Gevatterdienst zu tun, denn das hatte er nur ausgedacht, sondern er ging hinter den Busch zu der Tonne, und weil er darauf gehungert hatte, fraß er sie bis zur Hälfte leer. Abends als er nach Hause kam, fragte ihn der Wolf, was das Kind für einen Namen bekommen. Da sagte der Fuchs: »Halfuut!«
Am andern Tage sagte der Fuchs: »Ich habe es für heute wieder versprechen müssen, Gevatter zu stehen, wir müssen es noch einen Tag hinausschieben.« Der Wolf hatte nichts dagegen. Der Fuchs ging fort und wieder zu der Buttertonne, und abends als der Wolf ihn fragte, welchen Namen das Kind bekommen, da antwortete er: »Dreevirteluut!«
Den dritten Tag wollte er wieder aus zum Gevatter stehen. Der Wolf war verdrießlich, aber gab sich doch zuletzt zufrieden. Der Fuchs ging zu der Tonne, zehrte wacker von dem Rest, und als abends der Wolf fragte, wie das Kind heiße, sagte er: »Schrapopnborn!«
Nun aber wollten sie am folgenden Tage ihre Butter verzehren. Sie gingen hinter den Busch, aber da war die Tonne leer. Da sagte der Wolf: »Fuchs, wer hat hier alles aufgefressen? Ich habe es nicht getan, du hast es getan.« – »Ei, was sollt ich wohl«, sagte der Fuchs, »bin ich nicht in Geschäften ausgewesen? Du bliebst allein zu Hause, du selber hast auch alles aufgefressen.« Aber der Wolf beteuerte, dass er die Butter nicht angerührt habe. Da sprach der Fuchs: »Einer muss es doch getan haben. Wir wollen den Täter schon herausfinden. Lass uns ein Feuer anlegen und stellen uns beide daran. Wer die Butter aufgefressen hat, der wird der fetteste sein, und das meiste Fett wird aus ihm herausbraten.« Wie gesagt, so getan. Sie legten das Feuer an und stellten sich daneben. Aber der Wolf wurde bald müde von der Wärme und schlief ein. Da ging der Fuchs hin, nahm den Rest der Butter aus der Tonne und schmierte alles dem Wolf in den Pelz, dann weckte er ihn und rief: »He, Wolf, nun sieh dich an!« Da schlug der Wolf die Augen auf und sah, dass er ganz von Fett triefte.
Der Fuchs und seine Brüder (Karoline Stahl)
Einst schlich im Mondschein Meister FuchsSich hin zum Hühnerhause,Und lauschte, schärfer als ein Luchs,Nach einem leckern Schmause,Kühn dringt er durch die schlechte Tür,Dass sie ihn zu den Hühnern führ’.
Und es gelingt ihm auch sogleich,Ein Hühnchen zu erhaschen.So zart, so jung und weiß und weich.Er eilt davon zu naschen,Und speist mit solchem Appetit,Dass er nichts weiter hört noch sieht.
Der Bauer merkt den fremden GastIn seinem Hühnerhause,Und ruft die Hunde, die ihn fastZerrissen, bei dem Schmause.Mit großer Not er noch entwich,Doch ließ er seinen Schwanz im Stich.
Wie neckten seine Brüder ihn,Dass seine Zier verschwunden,Und dass er sie, nur zu entfliehn,Feig’ überließ den Hunden;Bis endlich es den Fuchs verdross,Dass sich so reich ihr Spott ergoss.
»Lasst’s gut sein. – Nur das ärgert mich,Dass ich mit meinem Schwanze,Als ich mit großer Not entwich,Gequetscht, wie eine Wanze,Zugleich mein Fischernetz verlor.Ein Unglück bringt noch eins hervor.«
Die Füchse horchen hocherfreut:»Was sprichst du da von Fischen?Und von dem Netze, das dich reut,Dass dir sie kann erwischen?Erkläre deutlicher, dich Freund,Was hast du eigentlich gemeint?«
Und Meister Fuchs, mit trübem Blick,Lässt erst sich lange bitten;Spricht viel von seinem Missgeschick,Und dem, was er gelitten.Fängt seine Rede an vom Ei,Und spät erst kommt das Ziel herbei.
»Die Probe machen wir sogleich,Kommt, ohne Zeitverlieren,Eh noch gefroren dort der Teich;Ihr könnt es ja probieren.Setzt euch ans Ufer reihenweis’,Ich ordne alles schon mit Fleiß.
Nun, so ist’s recht. – Die Schwänze lasstHinab ins Wasser fallen:Die Fische kommen dann in HastGeschwommen zu euch allen,Und hängen sich am Schwanze an,Dass man ihn nicht mehr regen kann.
Doch ist es nicht so bald geschehn;Ihr dürfet nur nicht murren,Wenn ein paar Stunden noch vergehn!Erzählt indes euch SchnurrenVon manchem schlauen SchelmenstreichUnd auch von manchem andern Zeug!«
Die Brüder, voller Lüsternheit,Viel Fische zu erbeuten,Tun gern, was Meister Fuchs gebeut,Sein Wort nicht zu bestreiten.Sie sitzen alle reihenweis’,Bis sich der Teich bedeckt mit Eis.
Doch Brüderchen, voll Schelmerei,Schleicht sachte sich von ihnen,Und ruft die Hunde stracks herbei,Mit schadenfrohen Mienen.Die stürzen scharenweis’, im Nu,Laut bellend auf die Fischer zu.
Erschrocken wollten diese gleichAufspringen und entfliehen;Doch aus dem zugefrornen TeichKann keins den Schwanz mehr ziehen.Und Mancher, der mit Not entwich,Ließ ihn in seiner Angst im Stich.
Trau nicht dem Schelme, wenn er auchZum Spotte selbst geworden.Er hat es immer im Gebrauch,Auch andrer Glück zu morden.Lass nicht dem Spottgeist freien LaufSonst reizt du seine Bosheit auf.
Der Fuchs mit dem abgehauenen Schwanz (chinesisch)
Ein besonders diebischer Fuchs, welcher einer größeren Kolonie von Füchsen angehörte, wurde eines Tages bei einem Diebstahl von dem Hausherrn ertappt. Letzterer holte in aller Eile ein Messer herbei und hackte ihm den Schwanz ab. Darauf ließ er ihn laufen. Der Fuchs lief unter grimmigen Schmerzen zurück in die Berge zu den anderen Füchsen. Als die Füchse sahen, dass ihm der Schwanz fehlte, fragten sie ihn, wo er ihn gelassen habe. Da antwortete er und sprach: »Es ist jetzt wieder eine neue Mode aufgekommen. Einen Schwanz zu haben, ist jetzt nicht Mode, keinen Schwanz zu haben, das ist das Neueste. Deshalb habe ich mir selbst den Schwanz abgeschnitten, um mich mit Ehren sehen lassen zu können.«
Der Fuchs und der Ziegenbock (Jean de La Fontaine)
Meister Reineke ging an einem heißen Sommertag mit seinem Freund, dem Ziegenbock, spazieren. Sie kamen an einem Brunnen vorbei, der nicht sehr tief war. Der muntere Bock kletterte sofort auf den Brunnenrand, blickte neugierig hinunter und sprang, ohne zu zögern, in das kühle Nass.