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Die Sozialdemokratie E-Book

karl glanz

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Beschreibung

Die Geschichte der SPÖ. Als die SPÖ gegründet wurde, hatten die Menschen noch Hoffnung, dass alles besser werden wird. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die Sozialisten haben immer mit den Herrschenden kolaboriert. Im 1. Weltkrieg waren sie mit Freude dabei, 1934 blieben sie zuhause und 1938 haben sie dem Anschluss zugestimmt.

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karl glanz

Die Sozialdemokratie

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Gewissensfrage

für die SPÖ.!

Anhang

Impressum neobooks

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Wir schreiben das Jahr 2019. Die Sozialdemokraten sind nicht das, was sie einmal waren.Die SPÖ zeigt bereits Auflösungserscheinungen. Ob diese von den vielen mutmaßlichen Korruptionsfällen, der aktuellen Anklage gegen einen SPÖ Mandatar oder ihrer völligen Konzeptlosigkeit als Frontal- und Totalopposition auf Bundesebene beschleunigt wird, bleibt derzeit ungewiss. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus allen unheilbringenden Faktoren. Fest steht jedenfalls, dass die SPÖ nicht nur im Rekordtempo Wähler verliert, sondern auch konsequent Mandatare. "Ein Drama, folgerichtig gebaut nach den aristotelischen Grundsätzen, war dieses Parteischicksal: Exposition, Entwicklung, Peripetie, Katastrophe. Hinreißend in seiner Tendenz, spannend in seiner Entwicklung, erschütternd in seinem Untergang", schrieb Wilhelm Ellenbogen und damit dürfte er wohl richtig liegen.

Wehsely, Brauner, Oxonitsch, Mailath-Pokorny, Kopietz sind die Hitparaden-Anführer. Und da war noch mehr: Das Verschwinden von Strafzettel bei den sogenannten Weißkappler in der MA 67, bei den Wiener Linien, 140 Millionen Schaden im Jahre 2017 und, vielleicht schon vergessen, die MA 40 Ex- Chefin Ulrike Löschl ist widerwillig zurückgetreten, nach dem Mindestsicherungsskandal. Krankenhaus Nord nur am Rande genannt. So zieht sich der rote Faden von einen Skandal zum anderen. Die Ideologie der Ungleichwertigkeit drückt sich in einer Sprache der Verachtung von Menschen mit weniger Geld und Bildung aus. Dabei geht es nicht nur um Moral, sondern auch um handfeste Interessen.

Kürzlich feierte die Sozialdemokratie ihr Jubiläum, 130 Jahre SPÖ. Die Partei hat schon bessere Zeiten erlebt. Seit ihren Anfängen als Kind der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, hat die Sozialdemokratie einen langen Weg zurückgelegt. Damals wie heute sieht sie sich als Fürsprecher der Arbeiterschicht, die für soziale Gerechtigkeit und Gleichbehandlung eintritt. Die SPÖ steht seit 130 Jahren für ein gutes Leben für alle, nicht nur für eine kleine Elite. Kann das so gesehen werden? Wir werden es herausfinden. Die Sozialistische Partei hat ihren Auftrag, den sie von ihren Wählern hat vergessen, deshalb müssen wir etwas zurückgreifen und einiges klarstellen.

Die Worte Sozialismus, Kommunismus und Sozialdemokratie sind in aller Munde. Trotzdem ist man sich durchaus nicht überall ihrer wahre Bedeutung klar. Bevor wir also das Verhältnis dieser Begriffe zueinander erörtern, ist es notwendig, sie einzeln zu erläutern.

Der Sozialismus ist eine Bewegung, die zunächst auf national-ökonomischen Erwägungen fußt und für die folgende Ideen charakteristisch sind: In der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung wird die Produktion der Güter (das ist der Mittel zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse) von Privatunternehmungen geleitet, in deren Eigentum die Produktionsmittel — das sind der produktive Grund und Boden, die Anlagen auf demselben, Maschinen und Werkzeuge, Arbeits- und Nutztiere, die in der Produktion bearbeiteten Haupt- wird verarbeiteten Nebenstoffe — stehen und in deren Eigentum dann auch die fertigen Produkte fallen. Die eigentlichen Arbeiter aber werden nur mit einer Pauschalabfindung, dem Arbeitslohn, entschädigt, der nach der sozialistischen Meinung in der heutigen Wirtschaftsform des Individualismus oder Kapitalismus immer hinter dem den Arbeitern eigentlich gebührenden zurückbleibt. Bei dieser Wirtschaftsform bleibt es den zahllosen Trägern der ebenso zahlreichen Einzelwirtschaften innerhalb jeder Volkswirtschaft überlassen, ihre Wirtschaft auf eigene Faust, nach eigenem Gutdünken, zu führen. An ihre Stelle will nun der Sozialismus eine Wirtschaftsordnung setzen, in der die Wirtschaft nach einheitlichem Plan, unter einer Oberleitung von der so verbundenen Gesellschaft für die Gesellschaft geführt wird. Die Früchte der Produktion sollen aber ganz und ohne jeden Abzug den arbeitenden Gesellschaftsmitgliedern nach Maßgabe der von ihnen geleisteten Arbeit zukommen.

Der Sozialismus in diesem Sinne ist natürlich nicht zu verwechseln mit einem anderen Gebrauch dieses Wortes. Man bezeichnet nämlich manchmal auch den Inbegriff aller Bestrebungen, die eine Beseitigung der in der Gesellschaft herrschenden Klassenunterschiede in der Achtung bezwecken, dass jedem die Befriedigung seiner notwendigen Bedürfnisse gesichert ist, als Sozialismus. Nötiger weise wird aber diese Gedankenrichtung nicht als "sozialistisch", sondern als "sozial" bezeichnet. Der Sozialismus stellt demnach eine besondere Form sozialer Gedankengänge dar. Soziale Gedankengänge an sich und ihre Verwirklichung in einer systematischen Sozialpolitik sind heute, wo der wirtschaftspolitische Liberalismus gänzlich erledigt ist, Gemeingut aller Parteien. Während aber die sogenannten bürgerlichen Parteien Besserstellung der sozial tiefer stehenden Bevölkerungsschichten auch auf dem Boden der gegenwärtigen irrdividualistisch - kapitalistischen Wirtschaftsform anstreben, verneint der Sozialismus diese Möglichkeit im Prinzip. Er hält soziale Gerechtigkeit nur in einer sozialistischen Wirtschaftsordnung für möglich.

Unter "Kommunismus" versteht man, wie schon der Name sagt, eine solche Ordnung der Dinge, in der alles, was nicht zum unmittelbaren Gebrauch gehört, ein Gemeineigentum der Gesellschaft ist. (Dass die durch den natürlichen Gebrauch zum Verbrauch kommenden Dinge bei jeder Wirtschaftsform im Privateigentum stehen müssen, ist klar.) Kommunismus (lateinisch communis ‚gemeinsam‘) ist ein um 1840 in Frankreich entstandener politisch-ideologischer Begriff mit mehreren Bedeutungen: Er bezeichnet eine gesellschaftstheoretische Utopien (heute noch, aber in der Zukunft kann sich das ändern), beruhend auf Ideen sozialer Gleichheit und Freiheit aller Gesellschaftsmitglieder, auf der Basis von Gemeineigentum und kollektiver Problemlösung. Eine Abgrenzung zum Sozialismus ist nicht immer möglich. Zweitens steht der Begriff, im Wesentlichen gestützt auf die Theorien von Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir Iljitsch Lenin, für ökonomische und politische Lehren, mit dem Ziel, eine herrschaftsfreie und klassenlose Gesellschaft zu errichten. Das Wort Sozialismus oder Kommunismus im Gegensätze zum Privateigentum ist leicht dazu geeignet, Missverständnisse hervor hervorzurufen. Der moderne Sozialismus verkündet nicht etwa einen Kommunismus der Konsumation. Das heißt, nicht die Gebrauchsgegenstände, die Konsumartikel, die der einzelne oder die einzelne Familie zum täglichen Leben benötigt, sollen gemeinschaftlich besessen und gemeinschaftlich genossen werden. Dieser Kommunismus der wohl einst in Urzeiten bestanden und wir finden seine Spuren in mancher alter Volksverfassung, in der Ilias wie in der Bibel, so auch m allen kommunistischen Versuchen des Mittelalters.

Was das "Gleichmachen" der Individuen anbelangt, so sollten sie ganz im Gegenteil erst die Möglichkeit haben, dass sie sich ihrer natürlichen, verschiedenen Anlage gemäß entwickeln können. Oder nennen sie das vielleicht Entwicklungsmöglichkeit für individuelle Anlagen, wenn das Arbeiterkind, bei noch so Nein, die Sozialisten, die Gleichmacher, , wie man sie höhnend nennt, die da sagen: Bahn frei für jede Individualität. Denn jede Individualität kann der Allgemeinheit nur dann den vollen Nutzen gewähren, dessen sie eben fähig ist, wenn es ihr möglich ist, sich so zu entfalten, wie es ihrer Eigenart entspricht.Was die Auffassung des Sozialismus als Milde, Wohltätigkeit und Menschenfreundlichkeit anbelangt, so ist sie zwar sehr liebenswürdig, aber die Sozialisten wollen keine großmütigen Schenker und keine dankbar demütigen Nehmer haben. Wenn auch unter unseren heutigen

So nach unterscheidet sich der Kommunismus vom Sozialismus eigentlich nicht; höchstens insofern könnte ein Unterschied zwischen den beiden Begriffen gefunden werden, als der Sozialismus unter Umständen geneigt ist, bei jenen Arbeitern (Kleinbauern, Kleingewerbetreibenden), die nur von ihrer eigenen Hände Arbeit leben, ein Privateigentum an Produktionsmitteln zuzugestehen. Es ist leicht einzusehen, dass dieser Unterschied praktisch kaum in Betracht kommt. Wie immer sich der einzelne zu Sozialismus und Kommunismus stellen mag, jedenfalls ist klarzustellen, dass diese Ideen nicht unbedingt in Gegensatz zur Weltanschauung des Nationalismus stehen. Wenn man nämlich unter Nationalismus jene Ideenrichtung versteht, die, die einzelnen Nationen als Faktoren der geschichtlichen Entwicklung erkennend, die Interessen des eigenen Volkes unbekümmert um die Interessen anderer Faktoren vertritt, so muss man jedenfalls sagen, dass der soziale Gedanke nicht nur nicht im Widerspruch zum nationalen steht, sondern dass die nationale und die soziale Idee sogar der gegenseitigen Ergänzung bedürfen. Ein Nationalismus ohne Pflege der sozialen Idee wäre ein Widerspruch in sich selbst, da ja die Nation nicht nur aus den oberen Zehntausend besteht, der Großteil der Volksgenossen vielmehr den unteren Volksschichten angehört. Anderseits ist aber, wenigstens vom nationalen Standpunkt aus betrachtet, fruchtbare Sozialpolitik nur im Rahmen einer und derselben Nation möglich, da die verschiedenen Wesensbedingungen der einzelnen Nationen auch verschiedene Maßnahmen der Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege notwendig machen. Nicht im Wesen des Nationalismus liegend ist aber der Sozialismus in jenem Sinne, wie wir ihn oben zuerst gekennzeichnet haben. Wir haben ja bereits erwähnt, dass die bürgerlichen Parteien eine Besserstellung der sozial tiefer stehenden Volksschichten auch im Rahmen der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung für möglich halten. Damit ist aber nicht gesagt, dass der Sozialismus der nationalen Weltanschauung widerspricht. Wenn vielfach diese Meinung besteht, so hängt das nur damit zusammen, dass es der Sozialdemokratie als der stärksten und historisch ältesten sozialistischen Partei vielfach gelungen ist, sich als die einzige sozialistische Partei darzustellen.

Man hört oft und oft Leute sich furchtbar dagegen ereifern, dass die Sozialisten alles Vermögen zu gleichen Teilen unter alle Menschen verteilen wollen, und dass sie überhaupt alle Menschen gegen jedes Naturgesetz ganz und völlig gleich zu machen beabsichtigen. Den Sozialisten liegt aber nichts ferner, als eine Aufteilung der vor vorhandenen Geldvermögen zu irgendwie gearteten Teilen auch nur entfernt in Aussicht zu nehmen. Dieser ebenso kindische wie lächerliche Gedanke würde gar nicht verdienen, erwähnt zu werden, wenn man ihm, wie gesagt, in antisozialistischen Kreisen nicht immer noch hin und wieder begegnete.

In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall, so zum Beispiel besteht ja bei uns in Österreich neben der internationalen Sozialdemokratie auch die auf nationaler Grundlage fußende Freiheitliche Partei (FPÖ). Damit haben wir bereits das Verhältnis zwischen Sozialismus und Sozialdemokratie im Wesen festgestellt. Die beiden Begriffe decken sich nicht: Jeder Sozialdemokrat ist wohl Sozialist, man kann aber Sozialist sein, ohne die Art und Weise der sozialdemokratischen Begründung des Sozialismus und ohne dem der marxistischen Theorie entspringenden Internationalismus für richtig zu halten. Wahrend früher alle Parteien, bürgerliche wie sozialistische, darin einig waren, dass die Sozialisierung höchstens einer ferneren Zukunft vorbehalten sei, ist die Frage heute akut geworden. Damit im Zusammenhang steht auch der heftige Kampf zwischen den verschiedenen Richtungen nicht nur im Sozialismus überhaupt, sondern auch in der Sozialdemokratie, der Kampf zwischen den Gemäßigten, welche die Verhältnisse als für die Einführung des Sozialismus noch nicht reif ansehen und den Radikalen, welche sofort an die "Expropriation der Expropriateure" schreiten möchten. Es ist bekannt, dass dieser Meinungsstreit geradezu zu einer Krise in der Sozialdemokratie geführt hat. Während sich die sozialdemokratische Linke und die wegen ihres Hyperradikalismus außerhalb der sozialdemkratischen Parteien Stehenden, mögen sie sich nun Spartakisten, wie im ehemaligen Deutschen Reich, oder Kommunisten wie bei uns nennen, von einer langsamen Entwicklung im Sinne des Sozialismus nichts wissen wollen, fassen die Gemäßigten die von Karl Marx und Friedrich Engels, den theoretischen Begründern der Sozialdemokratie, aufgestellten Lehren so auf, dass der Sozialismus nicht im Wege einer plötzlichen Revolution und auch nicht im Wege einfacher Dekrete, sondern nur in einer langsamen Entwicklung kommen kann und kommen wird. Es ist einzusehen, dass die Gemäßigten, oder wie sie sich im Deutschen Reiche nannten, Revisionisten, auch in nationaler Beziehung auf einem weniger intransigenten Standpunkt stehen als die Radikalen, die über alle historisch gewordenen und durch die nationalen Verschiedenheiten erklärlichen Unterschiede hinweg eine Schablonisierung der Wirtschafts- und Gesellschaftsverhältnisse anstreben. Im Deutschen Reich schien die Entwicklung dahin zu gehen, dass sich Gemäßigte und Radikale dauernd scheiden. In Österreich ist die Entwicklung heute allerdings noch nicht so weit, wird aber wohl auch dahin kommen müssen. Nicht zuletzt ist es der nationale Gedanke, der es auf die Dauer unmöglich machen wird, dass der Großteil der österreichischen Arbeiterschaft ihren Volksfremden Führern Folge leistet.

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Die SPÖ ist im Sturzflug. Bei der letzten Nationalratswahl fand am 15. Oktober 2017 statt. Stimmenstärkste Partei wurde die ÖVP unter Sebastian Kurz mit 31,5 Prozent (Zuwachs von 7,5 Prozentpunkten). Die SPÖ mit Bundeskanzler Christian Kern gewann einige Hundertstelprozentpunkte im Vergleich zu ihrem historisch schlechtesten Ergebnis bei der Wahl 2013, und lag mit 26,9 Prozent auf dem zweiten Platz. Mit 26,0 Prozent erreichte die FPÖ das zweitbeste Ergebnis der Parteigeschichte und den dritten Platz. Alle drei traditionellen Parlamentsparteien gewannen somit gleichzeitig Stimmanteile, ein Novum in der Geschichte der Zweiten Republik. Zum Debakel wurde die Wahl hingegen für die Grünen, die von ihrem historisch besten Ergebnis auf 3,8 Prozent abstürzten und aus dem Nationalrat, dem sie seit 1986 ohne Unterbrechung angehört hatten, ausschieden. NEOS verbesserte sich im Vergleich zu 2013 um einige Zehntelprozentpunkte, gewann ein Mandat hinzu und wurde viertstärkste Kraft. Die Liste Peter Pilz des ehemaligen Bundessprechers der Grünen schaffte mit 4,4 Prozent den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde. Das Team Stronach trat zur Wahl nicht mehr an. Von den übrigen Parteien erreichte keine ein Ergebnis über 1 . Prozent.

Bei der Nationalratswahl 2013 verloren die beiden Parteien der regierenden Großen Koalition, SPÖ und ÖVP, an Stimmen und erzielten ihr bislang jeweils schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Zweiten Republik. Sie blieben jedoch stärkste und zweitstärkste Kraft und konnten ihr Regierungsbündnis fortsetzen, zunächst mit Bundeskanzler Werner Faymann in der Bundesregierung Faymann II, nach dessen Rücktritt im Mai 2016 mit Christian Kern als dessen Nachfolger im Bundeskanzleramt und auch als SPÖ-Parteiobmann in der Bundesregierung Christian Kern. Die FPÖ und die Grünen gewannen Sitze hinzu; die NEOS und das Team Stronach konnten erstmals die Vierprozenthürde überwinden. Das BZÖ schied mit 3,5 Prozent der Stimmen aus dem Nationalrat aus.

Die Wahlbeteiligung steigerte sich im Jahr 2017 von 74,9 Prozent auf 80,0 Prozent, mit über 5 Millionen gültigen Stimmen stellte die Wahl einen neuen Rekord an absoluten Stimmen auf. Insgesamt wurden fünf Parteien in den Nationalrat gewählt.

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Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) ist eine der ältesten bestehenden Parteien Österreichs und eine der beiden traditionellen Großparteien des Landes. Gegründet 1889 in Hainfeld, Niederösterreich, am 30. Dezember 1888 – 1. Jänner 1889, als Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), hieß sie 1918 bis 1934 Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAPDÖ). Während des Austrofaschismus und der NS-Diktatur war sie verboten. Von 1945 bis 1991 lautete der Parteiname Sozialistische Partei Österreichs.

Die SPÖ stellte ab 1945 in 16 von 29 Bundesregierungen den Bundeskanzler und sechs von neun Bundespräsidenten der Zweiten Republik waren SPÖ-Mitglieder oder wurden beim Erstantritt von der Partei unterstützt (zuletzt Heinz Fischer 2004–2016). Weiters stellt sie drei der insgesamt neun Landeshauptleute (Wien, Burgenland und Kärnten).

"Die Arbeiter kommen nicht mehr zur SPÖ zurück." Das kann man jetzt immer wieder hören, meist von Soziologen und Politologen, aber auch von Ex-SPÖ-Vorsitzenden. Laut traut sich das fast niemand zu sagen, denn die SPÖ gilt immer noch als die Arbeiterpartei schlechthin. Was allerdings nicht mehr stimmt: Bei der letzten Wahl im Oktober 2017 wählten jene Arbeiter, die zur Wahl gingen, mit ganzen 19 Prozent die SPÖ. 2013 waren es noch 24 Prozent gewesen, auch nicht mehr viel. Die FPÖ jedoch kam 2017 auf einen Anteil von 58 (!) Prozent im Wählerreservoir "Arbeiter". Die Arbeiter sind der SPÖ abhanden gekommen. Der Rechtsruck der SPÖ ist nicht unbemerkt geblieben, auch die Koalition mit der FPÖ hat ihr nicht gut getan. Und dann noch die langen Jahre der Großen Koalition! Da werden sich einige Wähler gefragt haben, was hat eine Arbeiterpartei mit der Unternehmerpartei gemeinsam?

Dass die SPÖ im Herbst 2017 nicht mehr verloren hat und auf rund 27 Prozent kam, liegt an den Stimmen, die sie hauptsächlich von den Grünen "geerbt" hat, das sind gebildete, städtische Wähler. Im Oktober 2017 verlor die SPÖ zwar Platz eins an die ÖVP, konnte ihren Stimmenanteil jedoch halten; ja, mit 26,9 Prozent baute sie die 26,8 Prozent von der Nationalratswahl 2013 genau genommen sogar leicht aus.

Zugelegt hat die SPÖ von 2013 auf 2017 in Städten über 100.000 Einwohnern (2013 auf 2017: von 29,3 auf 32,9 Prozent); unter Selbstständigen (!) von rund fünf Prozent auf 14 Prozent und bei Akademikern von neun auf satte 31 Prozent. Mit einem Wort: Die SPÖ ist derzeit eine Partei von und für Pensionisten (die größte Wählergruppe) und urbane, liberale Gebildete. Die neue Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist geradezu die Verkörperung dieser letzten Gruppe: Akademikerin, Ärztin im öffentlichen Dienst, Erfahrung im Ausland. Die Arbeiter sind, wie gesagt, bei der FPÖ (oder als Nichtwähler) im Frustwinkel. Eine ganze Reihe jüngerer Arbeiter hat vermutlich noch nie SPÖ gewählt. Let's face it: Ein großer Teil der Arbeiter ist rechts. In der Arbeiterklasse sind autoritäre Typen, Fremdenfeinde und Skeptiker gegenüber emanzipierten Frauen stark vertreten. Und es gibt nicht mehr so viele Arbeiter: neun Prozent. Viele dürfen gar nicht wählen, weil sie ausländische Staatsbürger sind.

Soll oder kann die SPÖ daher auf die Arbeiter vergessen? Sie der FPÖ endgültig überlassen? Niemand in der SPÖ wird das laut mit Ja beantworten. Wissenschaftler wie der Salzburger Reinhard Heinisch empfehlen jedoch klar eine Entscheidung für einen sozialliberalen Kurs. Der Doskozil-Kurs (Schwenk nach rechts) sei sinnlos: Eine dritte rechte, ausländerfeindliche Partei zusätzlich zu FPÖ und Türkis werde nicht gebraucht.

Heinisch meint, damit könne die SPÖ auf 30 Prozent kommen. Das ist aber noch weit entfernt von früheren Werten (letzter Höchstwert unter Vranitzky 1995 mit 38,1 Prozent). Überdies ist es eine Selbstbeschränkung, die a) Parteigranden wie Michael Ludwig nicht mitmachen wollen und die b) wahrscheinlich auch nicht richtig ist. Derzeit hat zwar die SPÖ beim Thema Migration keine überzeugende Politik. Aber das heißt nicht, dass man nicht intensivst eine suchen sollte, die der Mischung aus Bösartigkeit und Pseudolösungen, die Türkis-Blau derzeit betreibt, etwas entgegensetzt.

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Fühlen sich die Arbeiter wirklich wohl mit einer FPÖ, die immer mehr in den Rechtsextremismus abrutscht (Kickl leugnet, dass Neonazis vom Verbotsgesetz betroffen sind) und die von einem elitären Klüngel, den Burschenschaften, beherrscht wird? Sagt ihnen überhaupt jemand, dass das so ist? Vielleicht sollte man einmal einfach damit anfangen.

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Weil in der Gemeinde Hainfeld (heute eine Stadt) im Bezirk Lilienfeld einerseits ein kräftiger Arbeiter-Gewerbeverein bestand, der den Parteitag hier haben wollte, und andererseits hier nicht wie in Wien und den Umlandbezirken Ausnahmezustand galt, war man auf diesen Ort gekommen. Man traf sich am 30. Dezember, einem Sonntag, am Abend und ging geeinigt am Dienstag, dem 1. Jänner, kurz nach Mittag auseinander. Als Viktor Adler die SDAP gründen wollte, wäre ihm das von langer Hand geplante Ansinnen beinahe an einer profanen Notwendigkeit gescheitert, nämlich: an einem ordentlichen Veranstaltungslokal. Die Dinge waren nicht ganz einfach. In Wien und den angrenzenden Bezirken galt Versammlungsverbot. Der Bezirkshauptmann in Lilienfeld stand der Arbeiterbewegung grundsätzlich wohlwollend gegenüberstand, so entschieden Adler und die Seinen, dass man Österreichs Sozialdemokraten in Hainfeld, genauer gesagt: im Wirtshaus "Zum Goldenen Löwen“, versammeln solle. Der Wirt wollte das so gar nicht. Der Wirt fürchtete schwere Repressalien, auch den Zorn des Bürgermeisters. Und so bedurfte es der Überredungskünste des Armenarztes und Journalisten Adler, den Wirt vom Gegenteil zu überzeugen. Von 30. Dezember 1888 bis 1. Jänner berieten 80 Delegierte und 25 Gäste aus 13 Kronländern in Hainfeld, um die Grundsätze einer, ihrer Arbeiterpartei zu fixieren. Als die Sozialistische Partei gegründet wurde, im Jahr 1888, war ein schwieriges Jahr vorbeigegangen. 1848 war nur 40 Jahre vorbei, die Revolution von damals war noch recht lebendig. Eine Reihe von Revolutionen fand im österreichischen Reich von März 1848 bis November 1849 statt. Die Revolution von 1848 war eine politische Bewegung, die ab Februar/März 1848 große Teile Europas erfasste und 1849 ausklang. Politische Ziele waren unter anderem gewählte Volksvertretungen und verantwortliche Ministerien anstelle monarchisch-absolutistischer Regierungen, die Beseitigung feudaler Strukturen und die Garantie der Pressefreiheit. Ein Großteil der revolutionären Aktivitäten hatte einen nationalistischen Charakter: Das aus Wien regierte Reich umfasste ethnische Deutsche, Ungarn, Slowenen, Polen, Tschechen, Slowaken, Ruthenen ( Ukrainer), Rumänen, Kroaten, Venezianer (Italiener) und Serben; Alle von ihnen versuchten im Verlauf der Revolution entweder Autonomie, Unabhängigkeit oder sogar Hegemonie über andere Nationalitäten zu erreichen. Das nationalistische Bild wurde durch die gleichzeitigen Ereignisse in den deutschen Staaten, die sich in Richtung einer größeren deutschen nationalen Einheit bewegten, weiter verkompliziert.

Zwischen Furcht und Hoffnung spielt sich das menschliche Leben ab. Hoffnung und Furcht beherrschen auch das Leben der Völker und geben der großen wie der kleinen Politik die täglichen Impulse. Eitle Hoffnungen und törichte Furcht aber sind denen beschieden, die in den Niederungen der Gesellschaft des freien Ausblicks entbehren, die im engen Kreise der Gedanken die Ereignisse nur so weit beurteilen, als eben jene Kreise berührt oder gestört erscheinen. Dem ernsten Manne, welcher von der Höhe seiner Stellung oder seiner Einsicht dem Welttreiben zusieht, erscheinen die Irrtümer lächerlich, welche durch eitle Hoffnung, durch törichte Furcht erzeugt werden, und doch will heute jeder Tag seine Stimmung, seine Meinung bilden, und nicht jeder Tag bringt ein bestimmendes Ereignis. Konflikte zwischen Schuldnern und Gläubigern in der landwirtschaftlichen Produktion, sowie über Landnutzungsrechte in Teilen Ungarns, führten zu Konflikten, die gelegentlich zu Gewalt führten. Der Konflikt um die organisierte Religion war in Europa vor 1848 allgegenwärtig. Die Spannungen kamen sowohl innerhalb des Katholizismus als auch zwischen Angehörigen verschiedener Konfessionen zum Vorschein. Soziale Ziele waren die Beseitigung feudaler Strukturen (Untertänigkeit, Grundherrschaft), die rechtliche Gleichstellung aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger (unter anderem volle Emanzipation der Jüdinnen und Juden, die sich eifrig an der revolutionären Agitation beteiligten) sowie die Besserstellung (und das politische Mitspracherecht) für die Massen der Fabrikarbeiter (Kommunistisches Manifest von Karl Marx in London am 29. Februar 1848). Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedes mal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen. Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten (1872). In Frankreich war die Revolution (23./24. Februar 1848) erfolgreich (Umwandlung des Königtums in eine Republik); in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bunds (Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und so weiter) wurden zunächst zwar durchwegs die meisten politischen und sozialen Ziele erreicht, doch führte die zunehmende Radikalität zu militärischen Gegenmaßnahmen der Regierungen, welche die Revolution letztlich zum Scheitern brachte (einige Errungenschaften blieben allerdings bestehen); in Ungarn und Lombardo-Venetien warf Österreich die Revolution mit Waffengewalt völlig nieder (Radetzky) und setzte Militärregierungen ein. Zu den bemerkenswerten liberalen Clubs der damaligen Zeit in Wien zählten der Legal-Political Reading Club (gegründet 1842) und die Concordia Society (1840). Sie waren, wie der Niederösterreichische Herstellerverband (1840), Teil einer Kultur, die Metternichs Regierung in den Kaffeehäusern, Salons und sogar Stadien der Stadt kritisierte, aber ihre Forderungen hatten sich vor 1848 nicht einmal auf Konstitutionalismus oder Versammlungsfreiheit ausgedehnt allein Republikanismus. Sie hatten lediglich eine lockere Zensur, Religionsfreiheit, wirtschaftliche Freiheiten und vor allem eine kompetentere Verwaltung befürwortet. Sie waren gegen die absolute Volkssouveränität und das Universal-Franchise.

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Welche furchtbare Wirkungen konnten zwei Mißjahre hervorbringen! Der hiesige Landmann ist bei dem fast durchaus zähen Boden, der seine Ertragsfähigkeit meistens nur der Kalkdüngung verdankt, fast nur auf die Kartoffeln verwiesen, welche sonst reichlich gedieh und die genügsame Bevölkerung ausreichend ernährte, bis die über diese Frucht hereingebrochene Seuche den armen Ackermann kaum das, er gesetzt hatte, ernten ließ. In der ersten Zeit wurde das mächtigere Auftreten der Not durch die kleinen Vorräte der Grundbesitzer hingehalten , und freudig und mit christlicher Liebe gab jeder, so viel er konnte, die meisten ohne Rücksicht auf ihre eigene Lage, ohne zu bedenken, dass der spärliche Vorrat an Getreide nicht lange aushelfen werde. Aber schon gegen das Ende des Winters von 1846 auf 1847 zeigte sich der drückendste Mangel in den gebirgigen Teilen des Kreises und selbst an vielen Punkten des Flachlandes. Der Hunger macht die Menschen wild! Und so beginnt alles, heute, wie damals. Die Revolution nahm ihren Anfang.

Mehr links war eine radikalisierte, verarmte Intelligenz. Bildungsmöglichkeiten in den 1840er Jahren hatte Österreich die Beschäftigungsmöglichkeiten für Bildungsbedienstete bei weitem übertroffen.

Der Krieg Deutschland - Frankreich, der 1871 zu Ende gegangen war, war noch in Erinnerung. Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Nachdem der Prinz seine Kandidatur bereits zurückgezogen hatte, stellte die französische Regierung weitere Forderungen an König Wilhelm I.: Wilhelm war nicht nur König von Preußen und Inhaber des norddeutschen Bundespräsidiums, sondern auch Haupt der Dynastie Hohenzollern. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck informierte die Presse über den Kontakt zwischen König und französischem Botschafter auf provokante Weise ("Emser Depesche“). Dies erregte in Deutschland und Frankreich nationalistische Empörung. Am 19. Juli 1870 erklärte der französische Kaiser Napoléon III. den Krieg an Preußen.

Das Jahr 1888 hat sich viel besser angelassen, als beim Beginn desselben von den politischen Wetterwarten aus prophezeit worden und als die Völker Europas in banger Sorge um die nächste Zukunft befürchtet haben. Ungestört und ungetrübt blieben ihnen die Segnungen des Friedens erhalten, und jene nervöse Überreizung, die vor einem Jahre den "Ernst der Lage" als unmittelbar bedrohlich erscheinen ließ, ist einer ruhigeren Auffassung der internationalen Beziehungen und der Gefahren, welche dieselben bergen mögen, gewichen. Man konnte sich keineswegs sicher fühlen, ob nicht bereits die nächsten Monate den gefürchteten "schrecklichsten Krieg des Jahrhunderts" bringen könnten. In den letzten Wochen vor der Jahreswende war aus Anlass russischer Truppenverschiebungen nach der Westgrenze jene noch in aller Gedächtnishaftende Erregung entstanden, welche, eine so tiefgreifende und nachhaltige Wirkung in ganz Europa hervorgerufen hat. Einerseits war es der Gedanke, eines Angriffes Bedacht genommen werden musste, der den Ausblick in die kommenden Tage getrübt, und andererseits hatte die in Sicht gestellte Eventualität eines Krieges bei Allen, verwegene Hoffnungen gemacht. Wohl war die mitteleuropäische Liga als Hort des Friedens bisher mit Erfolg bemüht gewesen, diese bösen Gelüste in Schranken zu erhalten und durch die Wucht der ihr zu Gebote stehenden Verteidigungsmittel den Widersachern die äußerste Vorsicht aufzuzwingen. Aber der dauernde Bestand dieser Friedensliga selbst wurde von ihren Feinden angezweifelt. Bei ihnen hatte sich seit Jahr und Tag die Meinung festgesetzt, dass die stärkste der drei verbündeten Militärmächte, das deutsche Reich, erst noch seine Probe der inneren Haltbarkeit zu bestehen habe, wenn die ehrwürdige Gestalt des greisen Kaisers, nicht mehr unter den Lebenden weilen würde. Das hohe Alter des Kaisers Wilhelm, die tückische Krankheit, an welcher sein nächster Nachfolger unrettbar dahinsiechte, rückten diese Zeit einer vermeintlichen Erprobung der Lebenskraft des deutschen Reiches in nahe Zukunft. In Paris, in Moskau und Petersburg machten die Kriegsschürer kein Hehl aus ihren Erwartungen, welche sie auf den voraussichtlich binnen kurzer Zeitfrist erfolgenden doppelten Thronwechsel in Preußen-Deutschland setzten; wie auf einen inneren Zwiespalt im Reiche, glaubten sie auch aus eine Entfremdung zwischen den beiden Kaiserhöfen von Berlin und Petersburg rechnen zu können. Nur die persönliche Freundschaft und Hochachtung des Zaren für den erlauchten Verwandten und Freund seines verewigten Großvaters und Vaters bestimmen Kaiser Alexander III. vorläufig noch nicht ganz rücksichtslos jene Politik der freien Hand einzuschlagen, welche die Dränger sich als eine Politik der Aggression dachten und ihre revanchistischen französischen Bewunderer als eine Gewähr für die Verwirklichung des Koalitionsgedankens. Unausgesetzt waren beide Teile tätig bei ihrer Maulwurfarbeit, in welchem der Thronwechsel in Berlin erfolgen sollte, jene Minen zu legen, welche nach dem Hinscheiden des greisen Kaisers, sie in die Luft sprengen sollten. Die Katastrophe in Berlin, welche den Gegnern der Friedenspolitik die Früchte ihrer langen, mühseligen und viel verschlungenen, offenen und versteckten Agitation reifen sollte, trat ein. Kaiser Wilhelm I. erlag der Last seiner Jahre und dem Schmerz über das tragische Schicksal seines edlen Sohnes und dieser nach hunderttägiger Regierung seinem furchtbaren Leiden; die Krone ging auf den jugendlichen Enkel des ersten Kaisers im neuen Reich, des Siegers von Sedan, des als Friedensfürst verehrten Seniors der Souveräne über. Die Erwartung, das neue Reich werde seine Begründer nicht überdauern, so dutzendfach von angeblich berufenen Politikern und Diplomaten den Organen der Gegner der Friedensliga entwickelt, war durch die augenfällige Tatsache, wie der zweimalige Thronwechsel sich vollzogen hat und nach demselben . in frischer Kraft das Regiment, den überlieferten Grundsätzen entsprechend, weitergeführt wurde, gründlich enttäuscht. Nicht weniger glaubten daran das ihre Hoffnung verloren sei, denn sie wähnten die Kluft zwischen Berlin und St. Petersburg sich weiter zu öffnen, doch das Gegenteil war der Fall. Noch gaben aber die Kriegspropheten ihre Sache nicht verloren. Die Idee einer russisch-französischen Koalition zum musste als vertagt erklären werden, daraufhin drehte man den Spieß um. In den Reden der Kriegspartei wurde von einer in Aussicht stehenden Verbindung Russlands und Deutschlands gesprochen auf Kosten der Friedensliga. Die Besuche des Kaisers Wilhelm in Wien und in Rom und die hierbei erfolgten feierlichen Kundgebungen der fortbestehenden ungeschwächten Solidarität des Friedensbündnisses der drei Zentralmächte entkräfteten auch diese Märchen; es schwanden nunmehr für die internationale Kriegspartei die letzten Illusionen, welche sie bezüglich der Folge eines Thronwechsels in Berlin gehegt hatte. Damit erschien die Lage wieder geklärt und die Aussicht auf eine fernere Erhaltung des Friedens so weit gesichert, als derselbe nicht bedroht wird durch die alle zeit rege Rivalität der Staaten und Nationen, welche, so lange Menschen leben auf der Erde und den Kampf ums Dasein führen, sich in irgend einer Form geltend machen wird.

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Das Jahr 1900 wird entscheiden, ob Österreichs Verfassung nicht ein toter Buchstabe ist, ob das feudal kapitalistische Parlament die Fähigkeit besitzt, die konstitutionellen Rechte auszuüben. Vor der Zukunft braucht es niemanden bange sein, auch dann nicht, wenn der § 14 das Parlament ersetzen, auch nicht, wenn ein Staatsstreich geführt werden sollte. Denn es kann in Österreich nicht besser werden, bis es nicht noch schlechter geworden ist. Mögen die Schwarzen die Oberhand gewinnen, möge die Verfassung mit Füßen getreten werden, dem Volke Österreichs darf es nicht bange sein, früher oder später muss es besser werden. Von diesem Parlament hat das Volk auch für den Fall der Arbeitsfähigkeit nichts als neue Steuern zu erwarten. Besser eine einsichtsvolle absolutistische Regierung als diese Volksvertretung. So dachten die Österreicher zu Beginn 1900.

Der freie Mann, der keine Pflichten, keine Rücksichten hat, mag ungestört seinen Liebhabereien nachgehen und sich das Leben nach seinen eigenen Grundsätzen zurechtlegen. Wer Pflichten zu erfüllen hat, dem nötigt die Pflicht zunächst die Grundsätze seines Verhaltens auf: sie wandelt den Hochmut in Bescheidenheit und die Schüchternheit in Selbstbewusstsein, sie räumt auf mit den Vorurteilen und den Idealen, sie zwängt den Geist in die Logik der Tatsachen. Und diese Logik beherrscht in unseren Tagen auch die Politik. Furchtbar sind die Anforderungen gewachsen, welche an die Staaten gestellt sind für ihre Sicherheit nach innen und außen, für das geistige und materielle Wohlbefinden ihrer Bürger. In gleichem Maße sind auch die Ansprüche gewachsen, welche die Staaten an ihre Bürger stellen müssen.

Österreichs Volk seufzte unter dem Druck der Steuerschraube, die Industrie blieb zurück, die Zollschranken wurden ausgedehnt, und das Alles aus Rücksicht auf Galizien und Ungarn. Hinweg mit diesen Volksvertretern, die durch eine Hintertreppenpolitik ihre eigenen Interessen schützten, die Volksinteressen preisgebend. Hinweg mit den Kapitalisten, Feudalen und Klerikalen, die Sonderinteressen verfolgten, die Volksrechte mit Füßen traten. Entweder eine wahre Volksvertretung oder gar keine — das war ihr Wunsch zur Jahreswende 1900. Und wenn im kommenden Jahr das Abgeordnetenhaus aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben werden würden, dann könnte die Regierung — sobald sie ehrlich sein sollte — das freie Wahlrecht schützen: denn ohne dieses wird nicht das Volk, sondern das Kapital, der Adel und die Kirche vertreten und der alte Zustand wird wieder hergestellt sein. Also weg damit.

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Das Jahr 1899 hatte nur ein Ereignis von weittragender Bedeutung gebracht — der Kalif ist endgültig vernichtet worden und damit ist Zentral-Afrika wohl erlöst und der europäischen Kultur eröffnet. Möchte doch auch österreichischer Unternehmungsgeist sich an der ökonomischen Erschließung Afrikas beteiligen Der abgeschlossene sogenannte Samoavertrag beseitigte alte Differenzpunkte zwischen den drei großen germanischen Kolonialreichen England, Nord-Amerika und Deutschland und war zu begrüßen. Wenn der Verfall der Türkei sich auch offenkundig gemacht hatte, so war das ziemlich alles, was sich 1899 an wirklich politisch bedeutsamen Dingen zugetragen hatte.

Was den Menschen noch Sorgen machte, war die Situation in Serbien. Die große Skupschtina ist feierlich geschlossen worden, nachdem sie nach einer ebenso kurzen als würdevollen Debatte die neue Verfassung angenommen hat. Der Minister des Äußern Mijatovicś hatte in seiner Rede an die Skupschtina den Wert der neuen Verfassung und deren Bedeutung als "königliches Geschenk" so treffend charakterisiert. Über den inneren Wert der überaus liberalen Verfassung, sie wird ihre Zweckmäßigkeit durch den praktischen Gebrauch erproben, ihre Ergänzung durch Spezialgesetze finden müssen, welche eine am 27. Oktober eigens hierzu einzuberufende Skupschtina schaffen soll. In Belgrad kursierten offenbar Nachrichten, welche seit Wochen über die bevorstehende Demission des Kabinetts Christics zirkulieren, in welchem sich teils fortschrittliche, teils farblose Elemente, aber kein einziger Radikaler befindet. Wenn nun die Majorität der großen Skupschtina eine Vertretung in dem heutigen Ministerium fordert, so steht dem doch die Tatsache gegenüber, dass ein Christics schwerlich neben einem oder zwei Radikalen regieren könnte und wollte. Das Verbleiben des heutigen Ministeriums im Amte, denn nachdem es durch seine Objektivität und opferwillige Selbstverleugnung im Stande war, die Wahlen für die große Skupschtina zu leiten und während der ganzen Zeit die Ruhe und Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten, so liegt die Erwartung nahe, dass unter seiner Ägide auch die Vorarbeiten und Wahlen für die nächste Skupschtina ebenso glatt und erfolgversprechend erledigt werden könnten. Die Wahl war zwar gut verlaufen, aber dem gegenüber steht doch immer die Rücksicht auf die moralische Erschöpfung der bisherigen Minister und auf die Macht und Ambition der parlamentarischen Masse, welche schwerlich noch eine einjährige Geduldprobe ertragen möchte. Die politischen Stimmungen und Dispositionen, wie sie eben in Serbien herrschen, liefern, mit der Angabe der ungefähren Richtung, in der sich die Ereignisse im Verlaufe der nächsten Wochen und Monate entwickeln dürften. Wir sind überzeugt, dass König Milan, der im Laufe der letzten zehn Wochen maßgebende Beweise seiner Entschlossenheit und seines Scharfblickes gegeben hat, auch im Falle eines Ministerwechsels eine gute Wahl treffen werde. Wir hätten gar keine Ursache, selbst einem radikalen Ministerium unsere Sympathien zu versagen, nachdem seine Entstehung nur eine durchaus logische Konsequenz der bisherigen Ereignisse wäre, und nachdem von maßgebendster Seite in Belgrad bereits die Versicherung gegeben wurde, dass die auswärtige Politik Serbiens unverändert und der direkten Führung des Königs Untertan bleiben werde. Wir sehen der weiteren Entwicklung der Dinge in Serbien mit vollständiger Ruhe und Zuversicht entgegen.

Und nur in der allgemeinen, unterschiedslosen Erfüllung jener öffentlichen Pflicht liegt die Sicherung gegen die Furcht, liegt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Hierin aber liegt die zwingende Aufforderung an alle politischen Fraktionen, den Boden aufzusuchen, wo sie sich einigen können und jenen verstreuten Etappen, welche ihre Gegnerschaft bezeichnen, fern zu bleiben: denn Einigung in der Pflicht, welche den Staat und seine Bürger im Interesse der Existenz und des Gedeihens Beider verbindet, ist das einzige mögliche Programm der Gegenwart. Es ist das Programm der Mäßigung, der Solidarität in einer Zeit der schwerer Not.

Nur der tut seine Pflicht ohne Furcht und ohne Rückhalt, dem der Weg der Pflicht auch der Weg der Ehre ist, und so nur vermag die Ehre auch jederzeit die treue Pflichterfüllung im Staate zu sichern. In den meisten Staaten Europas kämpfen die Parteien weniger für das Wohl des Gemeinwesens als für die eigenen Interessen.

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Je mehr sich die Scheidewand zwischen der Vereinigung deutschen Linken und der Deutschnationalen Vereinigung aufbaut, umso unbehaglicher suhlt sich offenbar die "Deutsche Zeitung", welche doch als Organ der erstgenannten Fraktion gelten, dabei aber sich es durchaus nicht mit zwei Herren verderben will. Der Tribun wurde recht unsanft der Stuhl vor die Tür gesetzt. Und das in Deutsch-Böhmen.

Mehr noch machten sich die Österreicher Sorgen um die Krankenversicherung. Das Ministerium des Innern hat nach geflogenem Einvernehmen mit dem Handelsministerium am 25. November v. I. an alle Landesbehörden einen Erlass gerichtet, welcher die Umbildung der genossenschaftlichen und Betriebskrankenkassen nach dem Krankenversicherungsgesetz betrifft. Nach einer diesbezüglichen Verordnung vom 13. November v. I. hat die erwähnte Umbildung bis längstens 1. März 1889 zu geschehen. Nach Ablauf dieser Frist ist auf Grund der neuen Verordnung bei säumigen Kassen diese Umbildung von der politischen Landesbehörde mit rechtsverbindlicher Wirkung von Amtswegen vorzunehmen, und zwar in den Monaten März und April, damit im Zeitpunkt des Beginns der Wirksamkeit der Krankenversicherung, als welcher der 1. Mai 1889 in Aussicht genommen wurde, die Umwandlung aller bestehenden Krankenkassen der genannten zwei Kategorien vollendet erscheint. Bis zu diesem Zeitpunkte (1. Mai 1889) ist auch die Errichtung von Betriebskrankenkassen bei jenen Betrieben zu veranlassen, welche zur Errichtung solcher Kassen verpflichtet sind, bei welchen aber Krankenkassen bisher nicht bestehen. Was speziell die bestehen den genossenschaftlichen Krankenkassen anbelangt, so hat sich aus der dem Handelsministerium vorgelegten Ausweisen ergeben, dass viele dieser Kassen eine minimale Anzahl von Mitgliedern umfassen, bei welcher ein ordnungsmäßiges Funktionieren der Kasse geradezu unmöglich ist, weshalb mit Grund angenommen werden kann, dass viele der als bestehend ausgewiesenen genossenschaftlichen Krankenkassen tatsächlich gar nicht fungieren. Die Angehörigen solcher genossenschaftlichen Krankenkassen, die keinen Ersatz für die durch das allgemeine Institut der Bezirkskrankenkassen gewährleistete Krankenversicherung bieten, sind in die Bezirkskrankenkassen einzubeziehen. Über die fortschreitende Umbildung, respektive Neubildung, der genossenschaftlichen und Betriebskrankenkassen haben die Landesbehörden besondere Berichte an das Ministerium des Innern zu erstatten.

Nicht die Gegner des Friedens, der Ordnung sind es, denen ihre Streitreden gelten, sondern nur die Rivalen zeigen gegenseitige Feindschaft. Das erzeugt aber einen kleinlichen Egoismus, welcher jedes gesunde Urteil trübt, welcher in seiner Verblendung der eigenen Ansprüche vergisst, und nur in der Demütigung des Gegners Befriedigung sucht. Dieser Stand des Parteienstreites füllt die Herzen der Bürger täglich mit eitler Hoffnung und törichter Furcht und vermehrt also die Not der schweren Zeit.

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Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich in Österreich sozialistische und Arbeiterbewegungen und Vereinigungen gebildet. Das erste Treffen der Partei fand 1874 in Neudörfl im späteren Burgenland statt. In den folgenden Jahren kam es zu Fraktionsstreitigkeiten, und die Partei spaltete sich in gemäßigte und radikalere Fraktionen. 1878 wurde im Königreich Böhmen eine tschechoslowakische Tochtergesellschaft der Partei gegründet, die sich zu gegebener Zeit zur tschechischen Sozialdemokratischen Partei entwickelte.

Im Frühling des Jahres 1874, am 5. / 6. April, kam es im burgenländischen Neudörfl (Bezirk Mattersburg) zum ursprünglichen Gründungstag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (Österreichs). Interne Streitigkeiten zwischen dem politisch gemäßigten Flügel um Heinrich Oberwinder und den Radikalen um Andreas Scheu lähmten die Entwicklung der Partei allerdings, erst 1888 konnte Victor Adler die Richtungsstreitigkeiten beenden. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ) wurde dann 1889 durch die Arbeit von Doktor Victor Adler vereinigt. Auf dem Parteitag in Hainfeld hat die Partei am 30. Dezember 1888 beschlossen, die Grundsatzerklärung von Adler anzunehmen. Der 1. Januar 1889 gilt daher als Gründungsdatum der Partei. Am 12. Juli 1889 wurde die erste Ausgabe der Parteizeitung der Arbeiter-Zeitung gedruckt. Anfangs nah am Marxismus, wuchs die Partei vor allem in Wien und den Industriegebieten von Böhmen, Mähren, Steiermark, Niederösterreich und Oberösterreich weiter.

Die Partei beteiligte sich am 14. Juli 1889 an der Gründung der II. Internationale in Paris. Die Partei setzte sich für mehr Rechte für die Arbeiter ein, einschließlich ihres Wahlrechts. Im Brünner Programm vom September 1899 forderten die Sozialdemokraten die Reform des österreichisch-ungarischen Reiches zu einem demokratischen Bundesstaat.

Die Sozialdemokraten durften am 30. Mai 1890 bei den Wiener Gemeinderatswahlen teilnehmen.

In Triest beschloss die italienischsprachige "Sozialdemokratische Liga" (Lega Social Democratica) auf ihrem Kongress im Dezember 1897, ihren Namen in "Italienische Adria-Sektion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs" (Sezione Italiana Adriatica del Partito dei Lavoratori) zu ändern Sozialdemokraten in Österreich). Bemerkenswerterweise bevorzugten die Sozialisten in Triest die Bezeichnung "sozialistisch" und nicht "sozialdemokratisch".

In der Monarchie herrschte noch immer ein Kurienwahlrecht. So konnten etwa bei den Wiener Gemeinderatswahlen 1900 erstmals Sozialdemokraten antreten; sie erhielten über 56.000 Stimmen, aber nur zwei Mandate (Christlich-Soziale: 77.000 Stimmen/18 Mandate). 1905 kommt es zu einem 24-stündigen Generalstreik; 250.000 Arbeiter demonstrieren vor dem Parlament fünf Stunden für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht. 1907 gibt es dann die ersten allgemeinen Wahlen – allerdings nur für Männer. Von 516 Sitzen erhalten die Sozialdemokraten als zweitstärkste Fraktion 87. Beim ersten "Frauentag" in Wien am 19. März 1911 fordern die Frauen mit Nachdruck die politische Gleichberechtigung. 1907 wurde nach einem Generalstreik das allgemeine Wahlrecht gewährt. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Reichsrat konnten die Sozialdemokraten viele Stimmen gewinnen. Von insgesamt 516 Sitzen gewann die Partei 87 Sitze und wurde nach der Christlich sozialen Partei die zweitgrößte Fraktion im Parlament. 1911 wurden die Sozialdemokraten die größte Partei im österreichischen Parlament.

Bei einer Versammlung standen sie dicht gedrängt, fünftausend Mann. Das war keine Versammlung von Landstreichern und Arbeitsscheuen. Ernste Männer, die ein Leben voll ernster Arbeit verbrachten; zumeist gelernte Arbeiter, Familienväter, Organisierte, die Selbstzucht gelernt hatten und auch die stärkste Erregung zu meistern verstanden. Und doch ging es durch die versammelte Masse wie ein wilder Schrei — ein Schrei der Wut, der sich angehäuft hatte in monatelanger erfolgloser Arbeitsuche: ein Schrei des ohnmächtigen Zornes über das Schicksal, das sie, wahllos über schuldlose Menschen hereingebrochen, so furchtbar befallen hatte; ein Schrei nach Hilfe für sie, für die Frauen, die Kinder, die Säuglinge, die daheim zugrunde gingen, während die Väter in dumpfer Verzweiflung warteten, ob denn Nicht endlich bessere Zeiten kommen! Das war die Situation der Arbeiter im Februar 1914.

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In Ungarn stand seit der Nationalitätendebatte im Abgeordnetenhaus im Frühjahre 1914 die Deutschenfrage wieder im Vordergrunde der Erörterung. Nach der amtlichen Volkszählung 1910 gab es in Ungarn 1.903.357 Deutsche gegen 9,944.627 Magyaren, 2,948.186 Rumänen, 1.946.357 Slowaken. 464.270 Ruthenen, 461.515 Serben. 194.808 Kroaten und 401.412 Sonstige (Bulgaren, Italiener, Türken, Zigeuner u. a.). Die Deutschen bildeten fast 10.5 vom Hundert der Bevölkerung, die herrschende Nation, die Magyaren, 54.5 vom Hundert.[] Leider taten die herrschenden Magyaren nichts, um die kulturelle Lage der Deutschen zu heben und die nationalen Quälereien, denen die ungarischen Deutschen ausgesetzt waren, vergifteten alle Bemühungen der Herbeiführung eines besseren Verhältnisses zwischen Magyaren und Deutschen in Ungarn. Die Schonung, der sich die Siebenbürger Sachsen erfreuten, beweist gar nichts gegen diese Tatsache, zumal die Sachsen nur 234.000 Seelen betrugen und die Magyaren gezwungen waren.mit ihnen wegen der Rumänen halbwegs Freundschaft zu halten. So war die Stimmung in Ungarn im Frühjahr 1914.

Die Schüsse von Sarajewo am 28. Juni 1914 dämpfen die sozialistische Vision vom friedlichen Zusammenleben der Völker vorläufig.

Im Falle eines Krieges der Monarchie in den südslawischen Ländern ein Aufruhrheer entstehe. Die "Narodna Obrana" war derart organisiert, das sie in allen größeren südslawischen Orten Südungarns, Bosniens und der Herzegowina, in Kroatien, Dalmatien, Krain, Montenegro und Nordalbanien Vertrauensmänner hatte. Die Verbindung der "Narodna Obrana" mit serbischen Militärkreisen ist notorisch, mit serbischen Regierungskreisen stand ihre Leitung nur durch Mittelspersonen in Verbindung. Die antiserbischen Demonstrationen hatten sich mit elementarer Kraft wiederholt. Eine große Menge von Kroaten und Moslems wendeten sich gegen die Serben und insbesondere gegen die serbischen Geschäftsläden. Die serbischen Studenten und die Führer der Serben, insbesondere die leitenden Redakteure der serbischen Blätter, so des "Narod" und der "Skrpska Rjetsch", getrauen sich nicht auf die Straße. Es wurde verlautbart, dass zahlreiche Serben aus Angst vor Misshandlungen aus der Stadt geflüchtet waren. Der Demonstrationszug bewegte sich durch die Straßen der Stadt und richtete an einer Reihe von serbischen Lokalen arge Verwüstungen an, ohne dass die Polizei zunächst in der Lage gewesen wäre, den Demonstrationen Einhalt zu gebieten. Der serbische Minister des Äußern Milovanovic sagte damals in der Kammer, der erste Schritt der österreichisch-ungarischen Monarchie aus dem Balkan bestand darin, das Volk zweier serbischer Länder zu Sklaven zu machen. Diese Worte wurden später verwischt oder ganz abgeleugnet. Wer sie zeigten, dass selbst Männer, die eine amtliche Verantwortung hatten und als besonders gemäßigt galten, jeder Rücksicht auf die Monarchie enthoben zu sein glaubten. Die Türkei hatte sich bereits gegen eine Geldentschädigung mit der Annexion einverstanden erklärt. Die Verhandlungen mit den Mächten und besonders mit der Gruppe des Dreierverbandes ließen hoffen, dass die Krise ohne die äußersten Folgen zum Abschlüsse kommen werde. Aber in Serbien wurden die Drohungen immer schlimmer, und die Sprache war dort so heftig, dass die militärischen Vorkehrungen der Monarchie in großem Umfange fortgesetzt werden mussten. Damals ist es geschehen, dass der serbische Ministerpräsident in einem Gespräche sich in der schroffsten Weise zum Großserbentum bekannte., Er sagte: "Es sind nicht die drei Millionen Serben in Serbien und Montenegro, welche die serbische Nation bilden; nein, sie bilden nur den dritten Teil der Nation. Die anderen zwei Drittel, sieben Millionen, sind in Dalmatien, Kroatien, Slawonien., Bosnien und der Herzegowina, die man annektieren will. Diese zwei Drittel wurden gegen ihren Willen vollständig dem habsburgischen Reiche unterworfen. Sie sind österreichische Untertanen. . . Wir zehn Millionen Serben wollen unseren nationalen Charakter bewahren. Wir wollen nicht von Österreich ausgesogen werden Wir wollen frei sein. Wir wollen dieses Ziel aber durch friedliche, gesetzmäßige Mittel erreichen. Deshalb wünschen wir einen Weg, der uns zu unseren montenegrinischen Brüdern führt, von denen wir durch Bosnien getrennt sind, das Österreich heute endgültig zu seinem Gebiete machen will." Da klingt schon der Beginn des I. Weltkrieges durch. Nur einen Tag später, am 13. Juli wurde berichtet, dass die Spannungen zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und Serbien sich immer fühlbarer geltend machen. Eine Frage schwebte seit der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand im Raum. Warum hatte Serbien bisher amtlich kein Wort gesprochen, um den gegen eine Gruppe von Staatsangehörigen aufkeimenden Verdacht der Mitschuld vor der gesamten Kulturmenschheit durch Anführung von Beweisen zu widerlegen? Wenn die österreichisch-ungarische Monarchie von dem großen Unglück getroffen worden wäre, das; die Vorbereitungen zum Angriffe. auf das Leben eines ausländischen Fürsten hier stattgefunden hätten; wenn böse Zufälligkeiten es gefügt hätten, dass von unserem Lande sechs Mörder mit sechs Bomben ausgezogen wären, um ein blutiges Verbrechen zu begehen, würde die Regierung schon diesen äußeren Zusammenhang wie eine Bloßstellung empfinden. Sie hätte gewiss nicht gewartet, bis die Ergebnisse einer weit aus gesponnenen Untersuchung vorliegen und bis ihr in den kleinsten Einzelheiten mitgeteilt werden kann, wer das Attentat bezahlt hat, aus welchem Gedankenkreise und aus welchen Verbindungen es hervorgegangen ist und welche Persönlichkeiten strafrechtlich oder sittlich verantwortlich sind. Es trat nun das ein, was sich keiner so recht hatte vorstellen wollen: Österreich-Ungarn erklärte Serbien den Krieg, und Kaiser Franz Joseph vertraute in seinem Manifest darauf, dass seine Völker für die Ehre, die Größe und die Macht des Vaterlandes zu schwersten Opfern bereit sein würden. Der Weltkrieg könnte nur durch eine frevelhafte Sünde an der Menschheit entstehen. Der Krieg mit Serbien, dieses Strafurteil, das in einem fernen Winkel von Europa für beispiellose Herausforderung, für amtlich zugelassenen und von Offizieren und Personen im Staatsdienste veranstalteten Mord und für Alle seit Jahren begangene Niedertracht vollzogen werden soll, ist nichts was die anderen Großmächte näher berühren, den Wohlstand der Völker zerstören und Jammer über die Erde verbreiten müsste.

"Die Feinde jubeln. Wir aber sind gebrochen, ratlos, irre, führerlos, ohnmächtig. Die Quelle aller zukunftsfrohen Energien ist versiegt. Er war der Brennpunkt, in dem sich alle Hoffnungen auf ein großes Österreich vereinigten... Das Vaterland ist in Gefahr. Rings rüsten die Feinde. Wir stehen in naher Zeit vor einem Kampfe um Sein oder Nichtsein." So schrieb ein Blatt der österreichischen Offiziere. Und so raunten es die Patrioten überall. "Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schrecken feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel... Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat, viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen... Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite."