Die Spinne - Thomas Hesse - E-Book

Die Spinne E-Book

Thomas Hesse

4,9

Beschreibung

Ein Haus im Hinterland brennt lichterloh. Kinder werden vermisst, doch Kommissarin Karin Krafft fidet sie in Sicherheit. Der Brandstifter selbst hat sie gerettet, weil sein Anschlag anderen galt - im Haus jedoch hat er ganze Arbeit geleistet. Die Spinne kehrt zurück - diese Drohung nehmen die Empfänger anonymer Briefe durchaus ernst. Doch die Angst ist eine diffuse: Sie können nicht ahnen, wie Die Spinne zuschlägt, warum genau und wer eigentlich dahintersteckt. Nicht nur der widerspenstige Kommissar Gero von Aha gerät in höchste Not....

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Thomas Hesse, Jahrgang 1953, Germanist und Kommunikationswissenschaftler, ist Redakteur bei der Rheinischen Post in Wesel.

www.der-krimi-hesse.de

Facebook: der-krimi-hesse.de

Renate Wirth, Jahrgang 1957, lebt in Xanten und arbeitet im therapeutischen Bereich als Heilpädagogin und Gestalttherapeutin.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: photocase.de/David Dieschburg Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-270-8 Niederrhein Krimi Originalausgabe

In Erinnerung an Elfi Kluth

Jazzsängerin, Künstlerin, Poetin mit Liebe zum Niederrhein

Prolog

Wer vom Ostwall aus die weitläufige Parkanlage vor der Xantener Stadtmauer regelmäßig überblickte, wusste, dass sie am Samstag zwischen elf und zwölf Uhr vorbeikommen würde. Weil es immer so war, seit Jahren. Carola Mertesacker gehörte zu den Walkerinnen, die stets zur gleichen Zeit ihre Bahn zogen. Man konnte sogar vorhersehen, welche Kleidung sie bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen anziehen würde. Regelmäßig blickte sie auf die Turmuhr des Doms, suchte während des Laufens in den Fenstern der Wallhäuser nach einem Gesicht, jemandem, der die Woche ebenso gut und beharrlich wie sie eingeteilt hatte. Eines Tages würde wer hinausschauen, ihre Blicke würden sich begegnen, mehr nicht. Ein stummer Gruß auf dem Weg.

Quer durch den Xantener Stadtpark walkte Carola an jedem Samstagmorgen, kreuzte den Nibelungenkreisel, erfreute sich an dem gewaltigen Granittor und dem Lavendelteppich, der das Rondell des Kreisverkehrs zierte. Im Sommer duftete es von Weitem. Die grau behauchten, zarten Blätter, die violetten Blütenstände passten zu den beiden lebendigen, ungleichmäßig bearbeiteten Steinblöcken, aus denen ein beeindruckendes Tor entstanden war.

Auch an diesem Sommertag ging Carola Mertesacker zielstrebig, nahm dabei die Ausstellungsobjekte wahr, die seit Wochen den nördlichen Teil des Parks bereichert hatten. Wochenlang war ihr diese Aktion Xantener Künstler auf dem Weg zur Südsee, die sie umkreisen wollte, wie ein Sahnebonbon erschienen. Nun war es geschehen, ein Teil der Werke war verschwunden, anderen sah man von Weitem ungestüme Zerstörung an. Wie schade, ging es ihr durch den Kopf, dann bemerkte sie den Pulk von Menschen am Kreisverkehr. Aufgeregte Männer und Frauen wiesen zu dem Granittor, lamentierten kopfschüttelnd, schmunzelten oder blickten stumm in die Höhe. Der Blick auf das Tor blieb der Walkerin durch die Kronen der Parkbäume verwehrt, sie wurde neugierig und erhöhte ihr Tempo.

Ein Polizeiwagen parkte am Straßenrand, zwei Beamte versuchten, die Fahrbahn für den Verkehr frei zu halten. Ein gelber Kombi drehte gerade eine zweite Runde in dem Kreisel und erntete ernste Blicke der Uniformierten. Die örtliche Presse war vertreten, den Fotografen schien die Situation zu amüsieren, er hielt sein Objektiv abwechselnd auf das Tor und die Menschenschar gerichtet. Rechts von ihr sah Carola, wie vom anliegenden Parkplatz ein dreiköpfiges Kamerateam vom WDR in Richtung Kreisverkehr hastete. Ein Unfall? Nein, zu gemischt war die Stimmung, kein Blaulicht, kein Rettungswagen in Sicht, etwas anderes schien die immer dichter werdende Menschentraube mit ihren widersprüchlichen Gefühlen zu beschäftigen. Touristen zückten ihre Kameras und knipsten, was das Zeug hielt.

In Höhe der Tankstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkannte sie den Bürgermeister der Stadt, lebhaft mit drei Männern diskutierend, immer wieder auf den Kreisel und das steinerne Monument deutend. Der Bürgermeister lächelte, während er sprach. Der hat sein unverbindliches Lächeln aufgelegt, mit dem er sonst vor dem Rat eine Rede über notwendige Haushaltskürzungen hält, dachte Carola beim Näherkommen, aber er ist es nicht, den die Leute fotografieren.

Erst an Ort und Stelle, knapp vor dem Kreuzen der Straße, konnte sie erkennen, was die Gemüter an diesem sonnigen Samstag im August so erhitzte, und brach unvermittelt in schallendes Gelächter aus. Somit gesellte sie sich unbewusst zu der kleinen Gruppe derer, für die der humorvolle Aspekt dieser Aktion im Vordergrund stand.

Es ging nicht anders, der Anblick erinnerte sie an die ersten Versuche zu Zeiten des Schwarz-Weiß-Films, mit primitiven Mitteln einen Horrorfilm zu drehen. Die erwünschten Schreck- und Ekeleffekte kitzelten die Lachmuskeln, statt Grusel zu erzeugen: In stattlichen fünf Metern über dem Erdboden befand sich eines der verschwundenen Kunstobjekte aus dem Park und glotzte auf die Menge herab. Die Riesenspinne schien vom Granittor aus in die Stadt marschieren zu wollen und blickte mit weit aufgerissenen Augen auf ihr Publikum herab. Wie war das metallene Kunstwerk dort nur hinaufgekommen?

Nach der anfänglichen Irritation zog Carola weiter, denn das Laufen war ihr Anliegen, Entspannung ihr Ziel, behielt jedoch das Ungetüm aus einer mit Teichfolie umspannten Tonne, dessen dicke Drahtfüße auf dem Granit auflagen, lächelnd im Auge. Sie passierte den Bürgermeister, der gerade einem Vertreter des regionalen Blättchens erklärte, man werde prüfen, wie das mit wenig Aufwand zu beheben sei. Carola blieb kurz stehen, als das Wort Skandal an ihr Ohr drang.

Genau dies sei es, ein Skandal, eine öffentliche Ausstellung zu solchem Unfug zu missbrauchen. Der Abtransport werde kosten, man könne schließlich die Künstlerin nicht hängen lassen. Das Tier wiege circa einhundertfünfzig Kilo, es sei eine logistische Leistung gewesen, es dort zu platzieren.

»Da kannst du einen drauf lassen, das war es.«

Carola schaute sich um, konnte jedoch nicht ausmachen, wer hinter ihr eine Art öffentliches Selbstgespräch führte.

Man müsse nun gemeinsam mit den Mitarbeitern des Bauhofs schauen, wie das Tier wieder auf die Erde käme, ohne in der Bepflanzung großen Schaden anzurichten.

Neben Carola gesellten sich immer mehr neugierige Bürger, hinter sich hörte sie die Männerstimme erneut, die immer wieder brabbelte, man werde schon sehen, was dies zu bedeuten habe. Inzwischen begrüßte der Bürgermeister den Schöpfer des steinernen Tores, der, ebenfalls mit einer Kamera bewaffnet, sein Werk und die fremde Spinne aus allen Blickwinkeln heraus dokumentierte. Mit der Künstlerin des Objekts gemeinsam werde man einen unbürokratischen Weg finden.

»Ihr werdet schon sehen!«

Wieder hatte sich die Stimme aus dem Hintergrund gemeldet, während der Bürgermeister in das Mikrofon sprach, das ihm eine junge Reporterin des WDR entgegenstreckte. Das Lächeln hielt, die Frisur auch, sein blütenweißes Hemd leuchtete in der Sonne des frühen Vormittags. So nutzte man Vandalismus an öffentlich ausgestellter Kunst also zu Werbezwecken für die Stadt, ging es Carola durch den Kopf, während sie sich den Weg durch die Menschenmasse bahnte. Hinter ihr hörte sie deutlich die letzten Worte einer männlichen Stimme.

»Ich werde euch daran erinnern, dass ihr gelacht habt. Ich meine es ernst, verdammt ernst. Die Spinne kehrt zurück.«

»Alter Spinner«, dachte sie, lachte über das Wortspiel, das sich in ihrem Kopf entwickelte.

»Die fette Spinne und der Spinner.«

EINS

»Ich muss morgen nach Frankfurt.«

Louise Verfürth löste sich vom Anblick ihres Weihnachtsbaums, ganz entzückend in Silber und Weiß geschmückt, und blickte ihrem Mann nach, der durch die Diele zum Arbeitszimmer ging.

»Aber morgen ist doch erst der zweite Weihnachtstag, ich dachte immer, deine Geschäftspartner achten wenigstens diesen Feiertag.«

Er antwortete nicht. Das tat er nie, wenn sie es wagte, eine Spur von Kritik in Wort oder Betonung zu legen. Sie blickte auf sein Geschenk, das seit dem Vorabend ihren Ringfinger zierte. Ein Zwei-Karäter, schlicht in Weißgold gefasst. Alles hatte seinen Preis. Sie folgte ihm, er war kaum zu erkennen hinter seinem Bildschirm.

»Alfons, verzeih, ich hatte mich nur so auf die freien Tage mit dir gefreut.«

»Ja, ich auch. Aber der Markt schläft nicht. Wenn ich dieses Meeting versäume, dann fällt das nächste Geschenk für dich wesentlich schmaler aus, glaub mir. Ich muss mitnehmen, was ich kriegen kann, und in einigen Teilen der Welt feiert man eben nicht Weihnachten. So, und jetzt sei lieb und lass mich hier machen, ja?«

Louise zog sich zurück ins Wohnzimmer, schaute aus dem großen Fenster. Bei ihren Nachbarn frequentierte eine stattliche Zahl heimischer Vögel ein kleines Futterhaus. Das Paar war im Rentenalter und wirkte immer glücklich und zufrieden mit sich und der Welt. Wäre es doch schon so weit, dachte Louise manchmal, wenn Alfons im Ruhestand wäre, müsste er nicht ständig durch die Welt gondeln.

Bis dahin war noch viel Zeit. Was sollte sie nun mit dem morgigen Feiertag anfangen? Man konnte sich nicht einfach bei Freunden einladen an einem Tag, der für die Familie reserviert war. Jeder würde Gäste haben oder selbst eingeladen sein, es stünden Weihnachtstruthahn und Adventstorte auf den festlich geschmückten Tischen. Bei ihr brutzelte bereits ein Wildgulasch auf dem Herd, sie wollte handgemachte Semmelknödel, Williamsbirnenhälften mit Preiselbeeren und frisches Rotkraut dazu servieren.

»Wann musst du losfahren?«

»Was?«

»Wann du morgen starten willst, möchte ich wissen. Reicht es noch für das Mittagessen?«

»Nein, ich nehme die erste Maschine nach Frankfurt, ich werde von Wesel aus mit dem Zug zum Düsseldorfer Flughafen fahren. Kannst du mich zum Bahnhof bringen? Der Flieger geht um halb neun.«

»Wie toll«, dachte sie, »ich werde nicht einmal ausschlafen können, mein Mann wird zum Essen in Frankfurt landen, und für mich ist keine Alternative in Sicht.«

Mit traurigen Augen sah sie ihre Nachbarin, die neue Meisenknödel an das Vogelhaus hängte und ihrem Schatz neckisch eine Kusshand zuwarf.

»Kann ich nicht mitkommen?«

»Was?«

»Ich könnte doch mitkommen. In Frankfurt…«

»Du weißt ganz genau, dass ich dich nicht bei der Arbeit in meiner Nähe haben möchte. Ich muss mich auf das Geschäft konzentrieren. Ein anderes Mal gerne, vielleicht zur nächsten Buchmesse, das würde dich doch interessieren, oder?«

Jetzt muss er ganz schnell Süßholz raspeln, ging es ihr durch den Sinn, während sie einen der kleinen weißen Porzellansterne von Hummel an ihrer Edeltanne richtete.

***

Klirrend kalt und sternenklar war die Nacht vom siebten auf den achten Januar. Eine Vollmondnacht mit glitzerndem Raureif auf kahlen Ästen und schlappen Gräsern. Auf den Straßen zogen Reifen Spuren durch den frostigen Belag, und jede Autoscheibe war blind vor winzigen Eiskristallen, die noch zu wachsen schienen. Einzelne Wolkenfetzen verwandelten den Himmel in eine bizarre Winterkulisse, die Helligkeit irritierte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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