Die Stählerne Flotte - Hal N. Schneider - E-Book

Die Stählerne Flotte E-Book

Hal N. Schneider

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Beschreibung

"Die Stählerne Flotte - Deutsche in Antarktika" bildet die Vorgeschichte zum Science-Fiction Roman "Deutsche im Weltraum," der 2020 erschienen ist. Das Buch beginnt zeitlich kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges und endet in den sechziger Jahren. Eine der Hauptfiguren ist Johannes Mattke, dessen Vater Reinhard als U-Boot Fahrer gegen Ende des Krieges deutsche Wissenschaftler mit ihren Familien zu einem sicheren Refugium auf dem antarktischen Kontinent bringen soll. Seine Kindheit und Jugend verbringt Johannes deshalb in der Untereisbasis "Neu Berlin", die dazu dient, die zahlreichen Nachkommen von KK-Offizieren und Siedlungsfrauen zu unschlagbaren Soldaten auszubilden. Der eigenwillige Junge hat jedoch ganz andere Pläne. Der Jagdpilot Otto Dieckmann bildet eine weitere Hauptfigur. Seine Aufgabe ist es, die neusten und geheimsten Rundflugzeuge der Abteilung "Nachtwaffe" zu fliegen. Hier lernt er die ebenso schöne wie unnahbare Vril-Pilotin Erika Lechner kennen, die enge Kontakte zu den Aldebaranern pflegt. Bei dieser Gruppe handelt es sich um wohlwollende Außerirdische, die Erika die Pläne zum Bau der Vril-Scheiben, die mit Antigravitationstechnologie funktionieren, übermittelt haben. Die Abteilung "Kampf-Kommando" besitzt jedoch auch Verbindungen zu einer Gruppe von aggressiven, reptiloiden Wesenheiten, die dem deutschen Militär dabei helfen, die Rundflugzeuge mit Kraftstrahlkanonen zu bewaffnen. Die Drakonier tun dies aber nicht ohne Gegenleistung. Ein weiterer Erzählstrang handelt von den beiden Raketen-Ingenieuren Volker und Hubertus von Hagen, die als Überläufer in die Hände des amerikanischen Militärs geraten und nun ihr Wissen einer Weltmacht zur Verfügung stellen, die hoch hinaus will. Das Buch handelt von Allianzen zwischen Menschen und Außerirdischen und zwischen verfeindeten Mächten, die manchmal aus purem Opportunismus zusammenarbeiten. Es erzählt die Geschichte der geheimen Weltraumprogramme, die mehr und mehr außerhalb des Sonnensystems operierten, vom Mond über den Mars, zum Asteroidengürtel (Ceres), bis zu weit entfernten Sternen. Es geht aber auch um persönliche Schicksale von Menschen, die sich in einem Leben behaupten müssen, das jenseits unserer Vorstellungskraft liegt.

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Seitenzahl: 1064

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Für Jason Mason

Weil deine Bücher mein Leben verändert haben

Hal N. Schneider

Die Stählerne Flotte

Deutsche in Antarktika

© 2021 Hal N. Schneider

Umschlag, Illustration: Hal N. Schneider

Lektorat, Korrektorat: Naomi Hungerbühler

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

Paperback

978-3-384-11286-6

Hardcover

978-3-384-11287-3

e-Book

978-3-384-11288-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhalt

Cover

Widmung

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Kinder und Wölfe

Luftwaffe und Nachtwaffe

Scheue Blicke und Neptuns Segen

Haunebu und Vril-Maschinen

Mann und Frau

Engel und Krieger

Gold und Eisen

Zwei Brüder und wichtige Pläne

Kriegsende und dunkle Vorahnungen

Eisige Küsten und unheimliche Mächte

Kavaliere und Schatzjäger

Mond und Mars

Raketen und unbekannte Flugobjekte

Sand und Stürme

Mächtige Drachen und kleine, graue Männchen

Innere und äußere Welten

Ein Pilot und Kommandant

Atombomben und Satelliten

Schweiß, Spaß und neue Freundschaften

Forscher und Präsidenten

Abschied und Aufbruch

Alter Kosmos und neue Generation

Mondflüge und Fernsehspektakel

Lyraner und Piraten

Geschäfte und Soldaten

Handelsmissionen und soziale Spannungen

Ferne Ziele und ein Blick in die Zukunft

Die Stählerne Flotte

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Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Ferne Ziele und ein Blick in die Zukunft

Die Stählerne Flotte

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Vorwort

Nachdem mein erster Roman «Die Stählerne Flotte - Deutsche im Weltraum» veröffentlicht worden ist, wuchs nicht nur bei meinen Lesern, sondern auch bei mir der Wunsch nach einer Fortsetzung. Da es mich jedoch reizte, noch tiefer in die Vergangenheit einzutauchen, wurde daraus ein Prequel, also quasi eine Vorgeschichte.

Die Handlung beginnt kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges, in der es viele Anzeichen gab, dass die Deutschen damals nicht nur Raketen und Düsenflugzeuge entwickelt hatten, sondern auch an Projekten beteiligt gewesen waren, bei der völlig neuartige Techniken zum Zuge kamen. Es sind zwar nur Gerüchte und Legenden, aber hier und da gibt es sogar schwarz-weiß-Fotografien, die Flugscheiben zeigen, sowie Berichte von Augenzeugen, die solche Wunderdinge selbst gesehen haben wollen.

Dann gibt es noch Admiral Richard E. Bird, der an der Operation «Highjump» in der Antarktis beteiligt gewesen war, die unter mysteriösen Umständen vorzeitig abgebrochen werden musste. Seine Geschichte gibt Hinweise darauf, dass sich dort, auf diesem eisigen Kontinent, einige Geheimnisse verbergen, ja, vielleicht existiert dort sogar eine unbekannte Macht, die imstande ist, «mit unglaublicher Geschwindigkeit von Pol zu Pol» zu fliegen, wie Bird einem Journalisten enthüllt hatte.

In neuerer Zeit kamen auch viele Whistleblower aus den USA an die Öffentlichkeit, die behauptet haben, in Projekte von geheimen Weltraumprogrammen involviert gewesen zu sein, bei denen sie mit modernsten Raumschiffen auf weit entfernten Himmelskörpern militärisch operiert hätten. Übereinstimmend haben viele erzählt, dass dort draußen eine technisch hochgerüstete, abgespaltene, Deutsche Zivilisation existiert, die mit reptiloiden, außerirdischen Entitäten kooperiert, den sogenannten Drakoniern.

Dieser Roman gibt einen Einblick in den Aufbau des Reichsdeutschen Weltraumprogrammes und in die Bildung seiner geheimen Stützpunkte und Kolonien innerhalb und außerhalb der Erde. Er begleitet den jungen Johannes durch seine Kindheit und Jugend und erwähnt einige prägende Ereignisse auf der Welt, beispielsweise die Mondlandung der Amerikaner.

Um den fiktiven Charakter dieser Geschichte zu unterstreichen, habe ich die Namen von historischen Figuren verändert. Außerdem wurde, wie schon im ersten Band, darauf verzichtet, gewisse Zeichen, Gesten und Worte zu verwenden, die beim Leser automatisch negative Assoziationen wecken.

Es ist mir bewusst, dass es ein sehr schwieriges Unterfangen darstellt, ein dermaßen kontroverses Thema so neutral wie möglich zu behandeln und die Männer und Frauen von damals als das darzustellen, was sie sind – nämlich ganz normale Menschen. Was sie erleben, ist hingegen alles andere als normal. Es ist ein Leben, das von Militär und Hochtechnologie geprägt ist, ein Leben, das jenseits unseres Alltags stattfindet.

Der besondere Reiz dieses Buches liegt denn auch in der Vermischung von Fiktion und Wahrheit, es lädt dazu ein, sich Gedanken über eine Welt zu machen, die noch viele ungelöste Rätsel und Geheimnisse enthält, welche nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden.

Kinder und Wölfe

Das glatte, ruhige Meer spiegelte den hellblauen, wolkenlosen Himmel. Nur ein Frachtschiff, das sich durch den einsamen, indischen Ozean pflügte, verursachte eine größere Wellenbewegung. Doch nicht nur über Wasser hinterließ der Pott seine Spuren, das Geräusch seiner Schiffsschraube, angetrieben von einem leistungsstarken Dieselmotor, hatte jemanden angelockt. Ein stählernes Ungeheuer, das unerkannt in der Tiefe lauerte, hatte die Witterung aufgenommen und verfolgte seine Beute mit eiserner Entschlossenheit.

«Auf Seerohrtiefe gehen, halbe Fahrt.»

Oberleutnant Johann Emde klappte das Periskop auf, blickte durch die Optik und suchte das Objekt, indem er sich langsam im Kreis bewegte. Als er das Schiff angepeilt hatte, blieb er abrupt stehen.

«Louise Wilkes, Heimathafen Malta. Es ist ein ziviler Frachter, etwa fünftausend Bruttoregistertonnen. Er ist genau vor uns, ein wenig steuerbord», rapportierte der bärtige U-Boot Kommandant leise, während die umstehenden Offiziere angespannt lauschten.

Seit Monaten schon war die U-188, ein deutsches U-Boot der Klasse IX C/40, im indischen Ozean im Rahmen des Unternehmens «Pascha» unterwegs. Ihre Flottille, die aus unterschiedlichen europäischen Häfen ausgelaufen war, bestand ursprünglich aus acht Booten, von denen drei bereits vor dem südafrikanischen Kap aus dem Verband ausgelöst und mit einem geheimen Ziel umgeleitet worden waren. Die restlichen fünf hatten den Auftrag, in Malaysia, Sumatra und Borneo deutsch-japanische U-Boot-Stützpunkte mit Material und Ersatzteilen zu beliefern. Außerdem sollten sie unterwegs so viele Schiffe wie möglich versenken.

Jetzt befand sich die U-188 wieder auf dem Heimweg nach Bordeaux. Sie war mit Barren von verschiedenen Metallen sowie Kautschuk, Opium und Chinin beladen, wichtige Güter, die man in Deutschland dringend benötigte. Doch als südlich von Madagaskar das Versorgungsschiff, die Osnabrück, von einem alliierten Schiff aufgespürt und versenkt wurde, waren sie nicht mehr in der Lage zu tanken und die Lebensmittel aufzufüllen. Sie brauchten jetzt dringend Nachschub oder sie würden bald nicht mehr weiterfahren können.

Emde zog sich vom Periskop zurück und rief nach seinem zweiten Offizier, der unauffällig im Hintergrund stand.

«Was meinen Sie, Mattke, lässt es sich machen?»

Ein kleingewachsener Mann trat herbei, stellte sich vor das Periskop und schaute hindurch. Ahnungslos stampfte das weiß-gelb gestrichene Schiff vor ihnen her. Es wäre ein leichtes, es mit einem Torpedo zu attackieren, doch mit diesem hier hatte der Oberleutnant etwas anderes vor. Sie hatten es in der Offiziersmesse bereits ausführlich besprochen, stundenlang, ja tagelang. Jetzt hatten sie endlich ein geeignetes Zielobjekt gefunden. Der junge Mann wusste, was das bedeutete.

«Ja, ich denke, wir können es versuchen», war seine vorsichtige Antwort.

«Gut, dann tauchen wir jetzt auf und schauen, wie er reagiert. ALLE MANN AUF GEFECHTSTATION!»

Mit einem Mal kam Leben in der engen Röhre auf, jeder wusste, was er zu tun hatte. Wer in der Koje lag, kam heraus und nahm seinen Posten ein, der Torpedoraum war bald voller Leute. Bei den meisten handelte es sich um blutjunge Kerle, halbe Kinder, die siebzehn, achtzehn, neunzehn Jahre alt waren. Die vielen Verluste in diesem hässlichen, schon fünf Jahre währenden Krieg mussten irgendwie ersetzt werden. Kommandant Emde war mit seinen einunddreißig Jahren einer der ältesten hier. Dennoch trug er lediglich den Titel eines Oberleutnants zur See und sein persönliches Ziel war es, möglichst bald zum Kapitänleutnant aufzusteigen.

Das Wasser spritzte kurz auf, als der eisengraue Turm die Oberfläche durchstieß und zum Vorschein kam. An seiner Seite war ein Emblem aufgemalt, das eine grüne Seeschlange mit weit geöffnetem Maul zeigte. Schließlich wurde auch der obere Teil des 76 Meter langen Rumpfes sichtbar. Wenn die Besatzung des Frachters nicht gerade herumgammelte, würden sie die Bedrohung, die in ihrem Kielwasser folgte, bald bemerken.

Tatsächlich wurden jetzt drei Männer in roten Overalls an der Heck Reling gesichtet. Mit fuchtelnden Armen begannen sie aufgeregt hin und herzulaufen. Kurze Zeit später erschien eine Gestalt mit weißer Mütze, bei der es sich offensichtlich um den Kapitän handelte. Er blieb regungslos stehen, blickte durch sein Fernglas und konnte beobachten, wie bei dem U-Boot die Luke aufging und jemand herauskam, der eine weiße Fahne hin und her schwenkte. Dies bedeutete, dass man nicht angreifen, sondern verhandeln wollte. Der Frachter Kapitän ließ die Maschinen sofort stoppen und rückwärtslaufen, damit die Fahrt abgebremst werden konnte.

Aus Sicherheitsgründen funkte das deutsche U-Boot den Frachter nicht an, der Kommandant behalf sich mit einem Sprechrohr, um sein Anliegen verständlich zu machen. Er tat dies auf Englisch, der internationalen Seesprache.

«Hier spricht Oberleutnant Johann Emde. Wir brauchen Dieselkraftstoff, Frischwasser und Lebensmittel. Lassen Sie am Heck eine Strickleiter herunter, damit meine Männer zu Ihnen an Bord kommen können. Sie werden dann die Dinge, die wir benötigen, zu uns herschaffen. Wenn Sie sich weigern, haben wir zwei schussbereite Torpedos, die auf die Louise Wilkes gerichtet sind. Wir werden auch dann schießen, wenn Sie versuchen sollten, einen Funkspruch abzusetzen, also lassen Sie das bitte. Wenn wir bekommen, was wir fordern, lassen wir euch danach unbehelligt weiterfahren.»

Angespannt warteten die U-Boot Offiziere dichtgedrängt im Turm. Als kurz darauf die Strickleiter herabgelassen wurde, wussten sie, dass ihr Anliegen Gehör gefunden hatte. Dies war das Signal zum Start ihrer Aktion.

«Also, Mattke, Sie haben das Kommando», erinnerte ihn Emde. «Rufen Sie jetzt Ihre Männer zusammen. Es muss möglichst schnell gehen.» Einer nach dem anderen stiegen zwanzig Matrosen aus dem Bauch des Tauchbootes. Ein langer Schlauch wurde ausgebracht, der an seinem Anfang in den fast leeren Tank am Heck des Rumpfes mündete. Als erster bestieg der zweite Wachoffizier die mit flachen Holzstegen versehene Strickleiter. Als er oben angekommen war, begrüßte ihn ein gutgenährter, aber unglücklich dreinblickender Schiffskapitän, der steif salutierte.

«Vielen Dank, dass Sie uns helfen, Kapitän», erklärte der uniformierte Pirat nicht unfreundlich. «Lassen Sie jetzt ein Seil herunter, damit man den Schlauch für die Betankung heraufziehen kann. Und zeigen Sie unserem Smutje Ihren Lagerraum für Lebensmittel, er wird sich darin umsehen und das mitnehmen, was er brauchen kann.»

Karl Wollner, den alle nur Kalle nannten, trat hervor. Als Schiffskoch war er jetzt dafür verantwortlich, dass die U-188 mit genügend Essensvorräten versorgt wurde. Er nahm noch zehn weitere Matrosen mit, von denen einige bewaffnet waren, um Eindruck zu schinden.

Unterdessen hatte eine weitere Gruppe, die an Bord geklettert war, bereits den Schlauch hinaufgezogen und versuchte nun das Ende mit demjenigen, das die Mannschaft des Frachters hergeschafft hatte, zu verbinden. Es lief alles nach Plan.

Reinhard Mattke blickte nach unten auf sein Boot, das alle liebevoll Irma nannten. Er sah Kommandant Emde, der mit seiner weißen Mütze zuvorderst im Turm stand und mit dem Fernglas alles genau beobachtete, während einer der Matrosen hinter der schussbereiten Utof, der mächtigen U-Boot-und-Torpedoboot-Flugabwehrkanone stand und auf die Brücke des Frachters zielte. Er würde nicht zögern das Ding zu benutzen, sollte der Funker der Luise Wilkes so töricht sein und eine Meldung über das Auftauchen eines deutschen U-Bootes durch den Äther schicken.

Doch was die Torpedos anging hatten sie ein wenig geblufft. Im Bug vorne gab es keine mehr, denn die Torpedorohre wurden in ihrem Stützpunkt in Penang auf Malaysia ausgebaut, um noch mehr Frachtraum zu schaffen. Die Torpedos im Heck waren jedoch schussbereit. Falls es zum Äußersten kommen sollte und sie gezwungen waren den Frachter zu versenken, sollte das erst geschehen, wenn ihre eigenen Leute alle wieder an Bord waren und das Boot sich gedreht hatte.

Der schwarze Gummischlauch straffte sich, der Diesel wurde von der Pumpe hindurchgedrückt, der Kraftstofftank füllte sich langsam. Auch Kalle, der Smutje tauchte wieder auf, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. In seinen Armen trug er eine prall gefüllte Holzkiste und auch seine zehn Begleiter schleppten so viel sie tragen konnten, zum Beispiel eine große, grüne Bananenstaude.

«Heute wird es auf der Irma ein Festessen geben, Mattke», verkündete er im Vorbeigehen. «Ich habe einen ganzen Parmaschinken mitgehen lassen. Und Kuchen habe ich auch gefunden, aber auch Mehl, Obst, Eier und Rindfleisch. Wir haben Vorräte für die nächsten paar Wochen gebunkert.»

«Sehr gut, Kalle. Hast du auch an das Frischwasser gedacht?»

«Ja klar doch. Und ein paar Flaschen Wein haben wir auch. Heute lassen wir die Korken knallen, wer weiß, wann wir das nächste Mal etwas zu feiern haben.»

Seine Fröhlichkeit war ansteckend, doch es konnte immer noch einiges schief gehen. Mattke wandte sich an den Kapitän, der den feindlichen Raubzug auf sein Schiff hilflos mitansehen musste.

«Denken Sie daran, Kapitän, behalten Sie Funkstille, bis Sie uns nicht mehr sehen können. Was Sie danach machen, liegt in Ihrer Verantwortung.»

«Sie werden sich doch an Ihr Versprechen halten und uns verschonen, nicht wahr, Herr Offizier?»

Der junge Mann blickte den offensichtlich besorgten Schiffsführer ernst an. «Wir haben einen Ehrenkodex. Wenn wir etwas versprechen, dann halten wir es auch.»

Schon wurde der Schlauch wieder eingeholt, der Tank war bis obenhin voll. Die gut eingespielte Mannschaft arbeitete Hand in Hand, rasch machte sie das Boot wieder klar zur Weiterfahrt. Als sich niemand mehr an Bord des Frachters befand und die Verbindungsseile gelöst waren, gab Emde den Befehl zum Starten der Maschine. Im Rückwärtsgang schaffte er rasch eine Distanz zum Frachter, der sich seinerseits langsam von ihnen entfernte.

«Das war eine ganz ausgezeichnete Arbeit, Leutnant Mattke», lobte ihn der Kommandant, während er weiterhin mit seinem Fernglas die Brücke des Schiffes beobachtete. «Allerdings haben mir meine Männer erzählt, dass sie im Laderaum auch einiges an Munition entdeckt haben. Große Kaliber für Geschütze auf britischen Zerstörern. Es wäre nicht gut, wenn der Feind diese Fracht in die Hände bekäme.»

Entsetzt blickte Mattke seinen Kommandanten an. Auf einmal begriff er, warum der Frachter Kapitän so nervös gewirkt hatte. Er wusste wohl, dass seine Ladung ihnen nicht gefallen würde.

«Ich bitte Sie, Herr Oberleutnant, ich habe dem Mann mein Versprechen gegeben, dass wir sie ziehen lassen, wenn wir bekommen, was wir brauchen. Es wäre nicht recht, wenn wir ihnen ihre Hilfe mit einem Abschuss vergelten!»

Emde nahm nun sein Fernglas herunter, doch er schaute seinem zweiten Offizier nicht in die Augen. «Auch ich habe ihm mein Ehrenwort gegeben. Glauben Sie mir, Mattke, ich fühle mich ganz und gar nicht gut dabei, diese schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Aber wir haben den klaren Auftrag, jegliche Transport- und Kriegsschiffe zu versenken, dazu sind wir hergekommen.»

«Aber damit würden wir uns ehrlos machen…, wir sind doch keine Halunken!», brach es aus dem jungen Mann heraus.

«Wir sind die Wölfe der See, Mattke, wir sind hergekommen, um Schiffe zu versenken. Ich werde noch Hartmann fragen, wir werden darüber abstimmen», erklärte der Kommandant ungerührt. Dann stieg er durch die Luke, die Leiter hinab in den Bauch des Bootes, während sein zweiter Offizier verzweifelt das sich langsam entfernende Frachtschiff beobachtete.

Sie hatten schon mehrere Schiffe versenkt, das war an sich nichts neues, es war beinahe schon Routine. Doch es war etwas völlig anderes, einen Frachter zu zerstören, der einem in der Not geholfen hatte. Außerdem kannte er jetzt die Menschen, die dort lebten und arbeiteten, er hatte ihre Gesichter gesehen. Und sie vertrauten darauf, dass die deutschen Seeleute ihr gegebenes Versprechen einhalten würden.

Verzweifelt hieb Reinhard mit seiner Faust auf die Reling. Er konnte sich schon denken, wie Hartmann entscheiden würde. Er war ja nicht auf dem Schiff gewesen, er hatte keine Versprechen abgegeben und er hörte auf die Meinung von Oberleutnant Emde. Dann waren sie zwei gegen einen.

Die beiden kamen dann wenige Minuten später auf die Brücke im Turm herauf. An ihren ernsten Gesichtern konnte er erkennen, dass sie gegen ihn entschieden hatten. Emde nickte ihm zu.

«Wir haben beschlossen die Luise Wilkes zu versenken. Wir können es uns nicht leisten, sie mit dieser Ladung davonkommen zu lassen. Doch wir werden den Kapitän vorher per Funk warnen und ihm genug Zeit geben die Rettungsboote klarzumachen, um das Schiff zu evakuieren. Diese Maßnahme wird ein wenig unser Gewissen entlasten. Ich hoffe, dass Sie diese Entscheidung akzeptieren können, Leutnant Mattke.»

«Danke, Herr Oberleutnant.»

Es war zwar ein Kompromiss, aber einer mit dem er leben konnte. Mit etwas Glück würde die in Seenot geratene Besatzung von jemandem aufgefunden werden. Ein wenig erleichtert holte Reinhard sein Fernglas hervor und beobachtete, was auf dem Frachter vor sich ging.

In Windeseile hatte man einige Boote abgefiert und zu Wasser gelassen. Dann stießen sich die darauf verteilten Menschen mit den Rudern vom Mutterschiff ab und versuchten, sich rasch davon zu entfernen.

Unterdessen hatte sich das deutsche U-Boot um hundertachtzig Grad gedreht und nahm das Ziel mit einem ihrer Hecktorpedos ins Visier. Dann gab der Kommandant das Signal zum Abschuss.

Unscheinbare Wellen begleiteten das tödliche Geschoss, das schnell wie ein Thunfisch durchs Wasser glitt. Einige Dutzend Sekunden später hatte es sein Ziel erreicht und detonierte am Ruder des Frachters. Mit einem dumpfen Knall explodierte der Sprengstoff und riss ein Loch in den Rumpf, durch das nun Meerwasser eindringen konnte.

Georg Hartmann kam übers ganze Gesicht grinsend in den Turm herauf, gefolgt von seinem Freund, dem Ober Maat Walter Kiesow, einem der Funkoffiziere.

«Aaah, es tut verdammt gut, wieder einmal ein Schiff zu versenken. Das ist unsere Vergeltung an der Osnabrück!»

«Ja, aber die Tommies haben nicht so wie wir die Besatzung vorher gewarnt, die haben keine Ritterlichkeit», entgegnete Kiesow.

«Die Tommies sind allesamt Hundesöhne», erklärte Hartmann grimmig. «Die werden sich jetzt bestimmt schwarzärgern, wenn sie ihre Munition nicht kriegen. Ha!»

«Die Louise Wilkes hat schon Schlagseite.»

Tatsächlich neigte sich der Frachter ein wenig nach Backbord, während der kleine Pulk von Rettungsbooten sich noch weiter entfernte, um nicht in den tödlichen Sog des untergehenden Schiffes zu geraten.

«Geben Sie ihr jetzt den Rest, Geiger», sagte Emde zu dem Matrosen hinter der 37 mm Flak, die sich auf der hinteren Seite des Oberdecks befand. «Zielen Sie zuerst auf die Brücke und dann auf das Ruder, ein wenig unter der Wasserlinie. Achtung: FEUER FREI!»

Bald darauf erfüllte ein mehrmaliges, lautes Knallen die stille Seeluft. Die Treffer zersplitterten die Fensterscheiben der Kommandobrücke, schlugen viele Löcher in das Heck und zerfetzten das Ruder der Luise Wilkes. Das Schiff war dem Untergang geweiht.

«Es ist wohl besser, wenn wir von hier verschwinden», meinte der Kommandant, nachdem das Geschütz wieder verstummt war. «Die Knallerei war meilenweit zu hören, außerdem haben sie kurz davor einen Notruf abgesetzt. Wir werden mit voller Kraft Richtung Süden fahren und dabei die Zellen aufladen. Sie übernehmen die erste Wache, Hartmann. Sehen Sie öfter mal in den Himmel, vielleicht hat der Feind einen Bomber ausgeschickt. Und Sie, Mattke, dürfen sich jetzt ausruhen.»

Emde drehte sich um und kletterte über den Rand der Luke, wo er rückwärts die Leiter hinunterrutschte, wie es seine Art war. Normalerweise beobachtete er immer bis zuletzt, wie ein Schiff unterging, doch nicht heute.

Der Oberleutnant war wohl nicht der Einzige, der sich nicht gut fühlte, darum folgte ihm Mattke. Er konnte die hämischen Kommentare seiner Kameraden nicht mehr länger ertragen.

Vorne im Mannschaftsraum war die Stimmung noch viel ausgelassener. Paulsen, der Spaßvogel unter den Matrosen, hatte sich eine Kette aus grünen Bananen um den Hals gehängt und tanzte damit wie ein Hottentotte zu wilden Trommelklängen, die ein anderer mit Kochlöffeln auf dem Schottendeckel machte, während die Umstehenden dazu klatschten und johlten.

«He, Mattke», sprach ihn einer der Jungen Matrosen fröhlich an und streckte ihm eine kleine Schachtel entgegen. «Wollen Sie auch eine Praline? Einige von denen haben sogar eine Likörfüllung!»

«Ach, lasst mich in Ruhe!», erwiderte der zweite Offizier unwirsch.

Dann wurde er auch noch von zwei Kerlen angerempelt, die sich um ein paar Bonbons balgten, die jemand durch die Gegend geworfen hatte. Es ging zu und her wie an Fasching.

Doch Reinhard konnte es ihnen nicht verübeln, dass sie jetzt feierten. Zu lange hatten die Jungs keinen Grund zur Freude gehabt. Viele ihrer Kameraden aus der Flottille waren bei Gefechten mit Bombern und Jagdkreuzern gefallen, ihre U-Boote versenkt. Die Alliierten hatten es offensichtlich geschafft, die abgehörten deutschen Funksignale zu entschlüsseln, was die hohen Verluste erklären könnte. Dass sie jetzt auch noch das Versorgungsschiff versenkt hatten, war der letzte Beweis, dass die Tommies genau wussten, was die Kriegsmarine im indischen Ozean vorhatte.

Mattke kletterte in seine Schlafkoje neben der Offiziersmesse und zog den Vorhang zu. Er war zwar nicht besonders müde, doch es war die einzige Möglichkeit ein wenig allein zu sein. Er steckte sich Ohrpfropfen aus Kautschuk in die Gehörgänge, um die Geräusche des Dieselmotors, der nebenan nagelte, ein wenig zu dämpfen. Dann schloss er die Augen und reiste in Gedanken in die nordfriesische Heimat seiner Kindheit.

Die Möwen flogen laut kreischend und gierig um den Fischkutter, als Fiete Jansen, der kräftige Helfer, das Netz einholte. Dies war immer der spannendste Moment für Reinhard, denn man wusste nie, was das Meer einem gebracht hatte. Dann kam immer auch sein Vater aus der Führerkabine heraus, um zu schauen, ob sie einen guten Fang gemacht hatten. Das Netz wurde geöffnet und der ganze Inhalt auf dem Sortiertisch ausgeleert. Meistens war es gefüllt mit vielen, kleinen Krabbentierchen, die wild zu zappeln anfingen, wenn man sie aus dem Wasser geholt hatte. Ab und zu waren auch ein paar Schollen darunter, die man als willkommenen Beifang betrachtete, weil man sie an die Hotels beim Hafen verkaufen konnte; doch am liebsten aßen sie diese Plattfische gleich selbst. Reinhard erinnerte sich lebhaft an den herrlichen Duft von gebratenem Fisch. Meistens gab es Kartoffeln dazu. Dann saßen sie zu dritt am kleinen Tisch unter Deck und ließen sich ihr Essen schmecken, während sie dazu Radio hörten. Sein Vater freute sich sehr, dass sein einziger Sohn, - er hatte noch zwei Töchter, - Interesse an seinem Beruf als Krabbenfischer zeigte, denn er sollte eines Tages sein Nachfolger werden und den Kutter, die Eversande, als Kapitän übernehmen. Um eine möglichst gute, seemännische Ausbildung zu erhalten, besuchte Reinhard die Marineschule im nahegelegenen Mürwick bei Flensburg. Noch während seiner Ausbildung begann jedoch der Krieg und die jungen Absolventen wurden gleich im Anschluss für den militärischen Dienst eingezogen. Auf ein Unterseeboot wollte Reinhard aber nie, diese Tauchboote waren ihm unheimlich. Die Kriegsmarine hatte aber einen immer größeren Bedarf an gut ausgebildeten Seeleuten, um die enormen Verluste im Seekrieg auszugleichen. Sein Wunsch, auf einem Kreuzer oder einem Schlachtschiff zu dienen, wurde leider nicht erfüllt.

«Keine Frage, Sie gehören auf ein U-Boot, Mattke», verkündete ihm der Musterungsbeamte gleich zu Beginn. «Mit ihrer geringen Größe passen Sie da wunderbar hinein.» Und so kam es, dass der Fischerssohn aus Tönning in Eiderstedt nach seiner Ausbildung auf einem Schulungs-Tauchboot im Herbst 1943 als zweiter Wachoffizier auf der U-188 gelandet war.

Die nostalgischen Erinnerungen an seine Schulferienzeit, die er jeweils auf dem Nordseekutter seines Vaters verbracht hatte, wurden bald wieder von der harten Realität verdrängt. Es herrschte immer noch Krieg. Bis jetzt hatten sie zwar Glück gehabt und ganz bestimmt hatten sie dies vor allem ihrem Kommandanten zu verdanken, der einen geradezu übersinnlichen Instinkt zu haben schien. Johann Emde war ein ausgesprochen scharfsinniger Mann, der die Gedanken und Entscheidungen seiner Gegner bereits im Voraus erahnen konnte. Von ihm hatte Reinhard in den letzten Monaten viel gelernt. Die heutige Lektion war jedoch eine der schmerzhaftesten.

Irgendwann später spürte er, wie jemand ihn sanft an der Schulter rüttelte.

«Steh auf, Reinhard, du sollst in die Offiziersmesse kommen, wir feiern die Versenkung der dicken Luise. Es gibt Wein und Kalle wird uns was feines auftischen.»

Peter Deckert hatte die Funktion des Obersteuermanns und er war einer der wenigen, der Reinhard beim Vornamen nannte, wenn er ihn direkt ansprach. Man konnte sagen, er war sein bester Kamerad hier an Bord.

Zwar hatte er nicht die geringste Lust auf Feiern, trotzdem schwang er sich pflichtbewusst aus der Koje, streifte sich die Jacke über, setzte seine Mütze auf und folgte dem Steuermann in den Raum neben der Kommandozentrale, wo sich der Bereich für die Offiziere befand. Durch die offene Schotte hörte man den Dieselmotor, der sich gleich dahinter im Maschinenraum befand. Die U-188 fuhr weiterhin unbehelligt an der Meeresoberfläche und füllte dabei allmählich ihre Akkumulatoren mit elektrischer Energie.

Emde, der mit Hans Krüger, dem leitenden Ingenieur und ältesten Mann an Bord, bereits am Tisch saß, nickte seinem zweiten Offizier zu.

«Setzen Sie sich, Mattke, trinken Sie ein Glas Wein mit uns, bevor Kalle das Diner aufträgt.» Er schenkte ein und schob ihm den Kelch vorsichtig über die Tischplatte zu.

«Zum wohl, meine Herren. Auf unseren erfolgreichen Beutezug.»

Das sanfte Klirren der Gläser hatte etwas dezent Luxuriöses, das so gar nicht in den engen, lärmigen Bauch eines Unterseebootes passte.

«Ahhh», stöhnte Krüger genießerisch. «Das kann nur ein Bordeaux sein. Er erinnert mich an Frankreich.»

«Ja», pflichtete ihm Emde bei, «Unsere U-Boot Basis mitten in Bordeaux. Das war vielleicht ein Leben, wenn man Landurlaub hatte…» Er schüttelte versonnen lächelnd den Kopf, als er sich an die Zeit erinnerte, wo sie nach einer besonders erfolgreichen Feindfahrt im Atlantik die Garonne hinauffuhren und vor der ersten Brücke nach Steuerbord abzweigten, wo sich in einem kleinen Hafen die neugebauten Bunkeranlagen befanden. Dort fühlte er sich seit langem wieder in Sicherheit.

«Ach, Legen Sie doch bitte eine Platte auf, Deckert, ich würde so gerne die Madame Villars hören.»

Diesem Wunsch des Kommandanten kam der Steuermann gerne nach. Auch er liebte die Musik und vor allem liebte er seine kleine Mademoiselle, die er in Bordeaux kennengelernt hatte. Sie bediente in der Brasserie Chartrons, in der er sich gerne aufhielt. Dank seinen guten Französischkenntnissen kam er mit ihr leicht ins Gespräch. Dann fragte er Julie, ob sie ihn ins Theater begleiten möchte. Sie willigte nach einigem Zögern ein und dort, im Dunkel des Separés, hatten sie sich zum ersten Mal geküsst. Noch immer konnte er den Duft ihres Parfums riechen, wenn er an diesen romantischen Abend zurückdachte.

Ob sie ihn noch liebte?

«Guten Abend, die Herrschaften, isch bringe ihnen ihre Menü.» Kalle der Smutje hatte sich ausnahmsweise eine frische, weiße Schürze umgebunden und ahmte die übertriebene Eleganz eines französischen Kellners nach, als er das Essen für die Offiziersmannschaft auftrug.

«Isch habe Coté du boeuf an Rotwein, dazu gibt es frisches Gemüse mit feinen Nudeln. Bon appetit!»

«Très bon, Chef. Gibt es auch noch ein Dessert?», fragte Deckert freundlich wie ein feiner Gast.

Der Kellner nickte eifrig. «Oui, oui, oui, Monsieur, es gibt Crèpes mit Schokoladensauce und Orangenfilets.»

«Wirklich, du bist ein echter Künstler, Kalle, so etwas Gutes haben wir schon lange nicht mehr gehabt», lobte der Oberleutnant. «Wie schade, dass Hartmann noch auf Wache ist und dieses Ereignis verpasst. Bitte sieh zu, dass er nicht zu kurz kommt, stelle ihm etwas davon warm, ja?»

«Aber natürlisch!»

Kalles witzige Darbietung brachte sogar Mattke zum Schmunzeln. Vielleicht lag es auch am Wein und den bezaubernden Klängen, die aus dem Plattenspieler ertönten, dass er sich so wohl fühlte. Außerdem bemerkte er nach den ersten Bissen Rinderbraten, wie hungrig er eigentlich war. Er musste sich dazu zwingen, das Ganze nicht zu hastig hinunterzuschlingen.

Währenddessen lenkte Emde das Gespräch wieder auf das Alltägliche. «Wir kommen gut voran. Wir befinden uns schon 562 Seemeilen vor dem Zipfel von Südafrika.»

«Wie gut, dass wir Plan B nicht gebraucht haben», bemerkte der Obersteuermann. «Die südwestafrikanische Küste anzulaufen, dort ohne Treibstoff und Essen auszuharren und zu hoffen, dass mal jemand vorbeikommt, ist nicht gerade das, was man sich als Soldat der Kriegsmarine wünscht.»

Krüger schnaubte. «Womöglich müssten wir uns noch irgendwelcher Kannibalen erwehren, die da hausen.»

«Vor Kannibalen habe ich keine Furcht», meinte Deckert gelassen.

«Viel misslicher ist die Tatsache, dass es da nur so von Alliierten wimmelt.»

Emde schenkte seinen Offizieren nochmals Wein nach. «Bei der Stadt East London gibt es einen großen Hafen. Wir sind nur 180 Seemeilen davon entfernt. Man könnte dort mal nachschauen, ob es vielleicht ein lohnendes Ziel gäbe.»

Oh nein, dachte Reinhard bestürzt. Emde hat schon wieder die Abenteuerlust gepackt. Er griff nach dem Weinglas und spülte die aufkeimende Frustration hinunter.

«Wir haben nur noch zwei Hecktorpedos», gab Krüger zu bedenken.

«Und wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Wer weiß, was uns da noch alles begegnet?»

«Ich sehe das auch so, Herr Oberleutnant», meldete sich nun Mattke zu Wort. «Wenn wir jetzt alles verschießen, fehlt uns vielleicht in der Not die Munition. Und außerdem wissen die Briten jetzt, dass sich ein deutsches U-Boot vor Südafrika herumtreibt. Sie sind bestimmt schon alarmiert worden.»

Doch Emde ließ sich nicht so schnell von seinem ehrgeizigen Plan abbringen. «Ach was, die Briten können nicht wissen, in welche Richtung wir gefahren sind. Wir könnten auch Madagaskar anlaufen, oder wieder zurück nach Malaysia, oder in den Golf von Aden? Und was die Torpedos betrifft, einen von beiden können wir noch verschießen, es reicht aus, mit einem einzigen die Rückreise anzutreten. Als ich noch unter Korvettenkapitän Schubert diente, sind wir oft erst in den Heimathafen zurückgekehrt, nachdem wir alle Torpedos restlos verschossen haben. Ich werde mich noch mit Hartmann darüber unterhalten.» Der Kommandant stand vom Tisch auf. «Ich brauche sowieso etwas frische Luft. Meine Herren.» Er salutierte fahrig und verließ die Messe durch die runde Zwischenschleuse.

Deckert, der Steuermann, stützte müde seinen Kopf in die Hände.

«Mann, Mann, und ich habe mich schon auf eine gemütliche Heimfahrt gefreut. Das wird wohl nichts.»

«Mit Emde und Hartmann gibt es keine Gemütlichkeit, das wissen wir doch bereits», pflichtete ihm Mattke verdrossen bei.

«Wir haben eine schwere Fracht von mehreren Tonnen mitgenommen, das macht die Irma träge wie ein Lastkahn», gab Deckert zu bedenken. «Bei einer Verfolgungsjagd wären wir klar im Nachteil.»

Mattke stöhnte. «Das wissen wir doch, sag das lieber Emde und Hartmann.»

«Du bist doch der zweite Offizier, es ist deine Aufgabe, den Kommandanten in strategischen Fragen zu beraten.»

«Emde hört ja nicht auf meinen Rat, er meint, ich hätte noch zu wenig Erfahrung. Wenn er auf jemanden hört, dann sind Sie es, Krüger. Sie sind schließlich der Älteste hier und als Oberingenieur der unverzichtbarste Mann im Boot.»

Als hätte er Mattkes Wunsch als Befehl aufgefasst, stand Hans Krüger auf. «Ich werde gleich nach draußen gehen, zu Emde und Hartmann. Vielleicht kann ich noch was drehen.» Dann verließ auch er die Offiziersmesse.

«Was ist denn mit euch los? Hat mein Essen nicht geschmeckt? Es gibt noch ein Dessert!» Enttäuscht blickte Kalle auf ihren Tisch, an dem nur noch zwei Männer mit ernsten Mienen saßen. Nach einer Feier sah es nicht gerade aus, obwohl noch immer mit schmachtender Stimme eine Dame französische Lieder sang.

«Das Essen war ganz ausgezeichnet und wir nehmen sehr gerne noch einen Nachtisch», erklärte Deckert beschwichtigend. Wie auf ein Stichwort erschien daraufhin von der anderen Seite Max Heinze, der Maschinist. Er tauchte immer genau dann in der Messe auf, wenn der Kommandant nicht anwesend war.

«Was höre ich da, es gibt Nachtisch? Immer her damit!» Der Kerl verströmte den Geruch von Schweiß und Maschinenöl und oben trug er lediglich ein fleckiges Unterhemd, das sich über seine große Wampe spannte.

«Ich habe dir doch schon ein Stück Kuchen gebracht, du Vielfraß», entgegnete ihm der Smutje. «Die Omeletts sind für die Offiziere bestimmt!»

Doch Heinze setzte sich einfach dreist an den Tisch und beugte sich schnuppernd über einen der Teller. «Schokolade! Also, wenn niemand da ist, der es will, biete ich mich gerne an. Nicht wahr, Herr Leutnant?» Mit einem entwaffnenden Lächeln blickte er zu Mattke herüber. Max wusste ganz genau, dass der zweite Offizier nicht so sehr auf die Einhaltung der Hierarchie beharrte, denn es war allgemein bekannt, dass der kleine Mann von der Nordseeküste nur ein einfacher Sohn eines Krabbenfischers war und auch, nicht so wie Emde und Hartmann, besonderen militärischen Ehrgeiz an den Tag legte.

«Du kannst meines haben, Max. Ich habe sowieso keinen Hunger mehr», sagte er dann auch.

«Das ist wirklich zu freundlich von Ihnen, Herr Leu…» -

- Die laute Stimme von Emde ließ die Männer zusammenzucken:

«Alarm, abtauchen, sofort abtauchen, Alarm!»

Gleich darauf schrillte ein Signal, das wie das Klingeln eines übergroßen Weckers klang. Augenblicklich nahm jeder seinen Posten ein. Steuermann und zweiter Offizier hasteten in die Kommandozentrale, während sich Max noch schnell einen Pfannkuchen in den Mund stopfte, bevor er in den Maschinenraum verschwand und der Schiffskoch räumte eiligst den Tisch ab.

Der Kommandant war schon die Leiter hinuntergerutscht, gefolgt von Hartmann, während Krüger noch dabei war, die Luke zum Turm zu verschließen.

«Ein Flugzeug ist unterwegs, wahrscheinlich ein alliierter Bomber, der Jagd auf uns macht. Ich habe schon damit gerechnet, dass einer kommt, wir haben ihn nur leider etwas zu spät bemerkt, er kam direkt aus der tiefstehenden Abendsonne», informierte Emde seine Mannschaft.

Mittlerweile war der Dieselmotor ausgeschaltet und die Schraube wurde vom Elektromotor angetrieben. Schnell füllten sich die Tauchzellen mit Wasser, der Stahlkoloss wurde schwerer und versank schließlich im Meer.

«Runter auf fünfzig Meter gehen, mit halber Kraft voraus.»

Bis auf Emde sprach niemand sonst mehr ein Wort, jeder machte konzentriert seine Arbeit oder unterhielt sich im Flüsterton. Der Horchposten hörte über das Hydrophon, ob sich etwas näherte und der Steuermann war mit seinem kleinen Team für die Tiefensteuerung zuständig. Aufmerksam verfolgten die Offiziere den Tiefenmesser, denn jeder Meter, den das Boot weiter hinab tauchte, bedeutete mehr Sicherheit.

Dann hörte man einen dumpfen Knall. Der Flieger hatte sie offensichtlich gesehen und eine Wasserbombe abgeworfen. Nur Sekunden später wurde die U-188 von der Druckwelle erschüttert.

Leutnant Mattke biss die Zähne zusammen. Das waren die Momente, in denen seine Anspannung jeweils am größten war. Immer wieder versuchte er sich einzureden, dass die Wahrscheinlichkeit sehr klein wäre, von einer abgeworfenen Wasserbombe ernsthaft getroffen zu werden. Es war wie in einer Lotterie, aber einer Lotterie auf Leben und Tod. Ob das Glück auch heute auf ihrer Seite war?

«Wir sind schon auf dreißig Meter, bald sind wir aus dem Schneider.»

Noch einmal erfolgte ein gedämpftes Wummen, doch es war eindeutig weiter weg. Die Irma ließ sich davon nicht beirren und schlich weiter durch die blauschwarzen Tiefen des Ozeans, der Heimat entgegen.

Als nach weiteren Minuten keine Detonationen mehr folgten, entspannten sich die Männer ein wenig. Auch diesmal waren sie wieder einmal davongekommen.

«Wenn wir das Kap erreicht haben, müssen wir besonders vorsichtig sein, dort lauern sie bestimmt wieder mit ihren Schiffen. Am besten fahren wir in einem möglichst großen Abstand zur Küste, wir haben jetzt genug Treibstoff, wir können es uns leisten, einen Umweg von zusätzlichen Meilen zu machen. Also, Männer, lasst uns nach Hause fahren!»

Dieser Angriff hatte sogar etwas Gutes, dachte Reinhard, er hatte Emde offensichtlich die Lust auf weitere Abenteuer ausgetrieben.

«EMDE GUT, ALLES GUT!», rief die Mannschaft voller Inbrunst. Dies taten sie immer, wenn sie nach einem feindlichen Angriff wieder einmal davongekommen waren. Es war ihr Ritual, ihre Tradition auf der Irma.

Die Nacht war mondlos und die Sterne wurden stellenweise von Wolken verhüllt. Die U-188 befand sich wieder im atlantischen Ozean. Das Kap der guten Hoffnung hatten sie mit fast zweihundert Seemeilen Abstand umrundet und nun befanden sie sich auf dem Kurs Richtung Norden. Leutnant Mattke hatte gerade Wache draußen im Turm, zusammen mit drei weiteren Matrosen. Wachsam beobachteten die Männer mit ihren Ferngläsern den Horizont, denn sie wussten, dass sie in diesen Gewässern besonders vorsichtig sein mussten. Einige Dutzend Seemeilen östlich von ihnen lag die Insel Sankt Helena, auf dem die alliierten einen Flughafen betrieben.

«Was für ein Jammer, dass wir damals Namibia verloren haben, unsere Kolonie Deutsch-Südwestafrika», meinte einer der jungen Kerle im Flüsterton. «Dann könnten wir jetzt einen sicheren Hafen anlaufen, die Walfischbucht zum Beispiel. Dann bräuchten wir auch nicht um die halbe Welt zu reisen, um Fracht aufzunehmen.»

«Namibia war überreich an Rohstoffen», meinte ein anderer, ein wenig älterer Marinesoldat. «Es gab Gold, Blei, Zinn Kupfer und Diamanten. Ein Onkel von mir hat damals an der Trans-Namib-Eisenbahn mitgebaut, der Strecke zwischen Lüderitz und Seeheim. Im ersten Weltkrieg wurde die Lüderitzbucht dann von südafrikanischen Truppen besetzt und mein Onkel wurde mitsamt seiner Familie nach Südafrika deportiert und in einem Lager interniert. Später siedelten sie dann wieder nach Deutschland um.»

«Wenn wir diesen Krieg auch noch verlieren, dann wird es wahrscheinlich kein Deutschland mehr geben», antwortete sein Kamerad bitter. Doch er wurde vom zweiten Wachoffizier barsch zur Ordnung gerufen.

«Ich will hier keine wehrkraftzersetzenden Worte hören, haben Sie verstanden, Ober Maat Dünkel?»

«Jawohl, Herr Leutnant.»

Reinhard wusste, dass sein Kamerad recht hatte, trotzdem war es seine Aufgabe als Vorgesetzter, solche Äußerungen rasch zu unterbinden, waren sie doch schädlich für die Moral der ganzen Truppe. Zweifelnde Gedanken musste man hier für sich behalten.

Als kurze Zeit später Kommandant Emde im Turm erschien, hatte er nicht wie üblich seine graue Wollmütze auf, wenn er draußen war, sondern er trug seine offizielle, weiße Kapitänsmütze. Außerdem wirkte er irgendwie angespannt, als er mit seinem Fernglas in Richtung Westen blickte.

«Wir haben ein U-Boot geortet, es fährt etwa eine Viertel Meile entfernt von Nord nach Süd. Es ist abgetaucht. Wir denken, es könnte eines von unseren sein», erklärte er seinem zweiten Wachoffizier.

«Und… warum denken Sie, dass es kein feindliches sein könnte, Herr Oberleutnant?», fragte Mattke vorsichtig nach.

«Es hat das übliche Morse-Signal benutzt, um sich zu identifizieren, mittels klopfen an die Bordwand. Lang-Kurz-Lang, Lang-Lang. K.M., für Kriegsmarine. Wir haben bereits reagiert. Vielleicht wird es sich uns gleich zeigen.»

«Da vorne ist etwas, Herr Oberleutnant.» Einer der Matrosen zeigte nun auf eine Stelle in etwa hundert Metern Entfernung. ein eisengrauer Turm ragte aus dem Meer auf, was nur ein geübtes Auge durch ein Fernglas erkennen konnte. Langsam kam das unbekannte U-Boot näher und erst einige Dutzend Meter vor ihnen konnte man helle Gesichter erkennen, die sich vor dem dunklen Hintergrund abhoben.

«Es ist die U-2237», sagte Emde, «es scheint ein neues Boot zu sein, wegen der hohen Nummer.» Er hob die Hand und rief:

«Moin moin Kameraden! Oberleutnant Johann Emde hier, U-188.

Wer seid ihr?»

«Einen schönen Abend, die Herren. Korvettenkapitän Konrad Clausewitz. Dachte ich mir doch, dass ihr keine Alliierten seid. Woher kommt ihr?»

Die beiden Boote waren einander nun so nah, dass sie sich fast berührten.

«Wir gehören zur Gruppe «Pascha» und haben im indischen Ozean operiert. Jetzt befinden wir uns mit einer Ladung Güter auf dem Heimweg nach Bordeaux. Und ihr, seid ihr auf Feindfahrt?»

Clausewitz lachte verhalten. «Die zweiundzwanzig-siebenunddreißig ist ein Transport U-Boot. Nach Möglichkeit vermeiden wir einen Feindkontakt.»

«Ja, natürlich. Welches ist denn euer Zielhafen?»

«Das kann ich Ihnen leider nicht verraten, Oberleutnant Emde. Unsere Fahrt ist geheime Kommandosache, sie verstehen?»

«Ach so, ich verstehe. Wie ist denn die Situation im Atlantik? Kommt man noch gut durch bis Frankreich?», fragte Emde weiter.

«Nun ja, die Amerikaner starten wohl bald eine Offensive. Die Küste von Frankreich ist ein heißes Pflaster. Wir sind von Trondheim in Norwegen ausgelaufen. In einigen Wochen werden wir wieder dorthin zurückkehren.»

«Ihr U-Boot ist hochmodern, wie ich sehe. Ist es mit einem Walter-Schnorchel ausgestattet?»

Diesmal lachten noch einige Männer mehr um Kommandant Clausewitz.

«Wir haben sogar einen Walter-Antrieb. Damit ist es uns möglich, monatelang ununterbrochen unter Wasser zu fahren. Darum haben wir gleich die Gelegenheit genutzt, um aufzutauchen und ein wenig mit Ihnen zu plauschen, mein lieber Oberleutnant. Also, wenn sie noch Diesel benötigen, damit können wir leider nicht dienen. Aber wir haben alles Mögliche an Lebensmitteln geladen. Wenn Sie noch Nachschub benötigen, lassen Sie es uns wissen, wir können gerne etwas davon abgeben.»

Der gönnerhafte Unterton von Clausewitz war für Emde schier unerträglich, deshalb lehnte er das Angebot ab.

«Ich danke Ihnen, Herr Korvettenkapitän, aber wir haben westlich von Südafrika bereits einen maltesischen Frachter ausgenommen, unser Tank ist noch gut gefüllt, damit kommen wir bis nach Hause. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Mannschaft eine gute Weiterfahrt.» Er salutierte zum Abschied und seine Männer taten es ihm gleich.

«Auch Ihnen eine gute Weiterfahrt. Ach ja, und bitte verwenden Sie die Verschlüsselungsmaschine für Funksprüche nicht mehr, die Alliierten haben offensichtlich den Code geknackt.»

«Volle Kraft voraus!», rief Emde vom Turm hinunter. Bald darauf entfernte sich die U-188, das unerwartete Aufeinandertreffen zweier deutscher Unterseeboote mitten im Atlantik war beendet.

«Walter-Antrieb. Ist das nicht eine Maschine, die mit Wasserstoffperoxid funktioniert?», fragte Mattke seinen Kommandanten nachdenklich.

«Ja. Dieses Prinzip gibt es schon länger, erst jetzt haben sie damit angefangen, diesen Antrieb serienmäßig in die neuen U-Boote einzubauen.»

«Ich wünschte, wir hätten wenigstens einen Schnorchel, dann könnten wir längere Tauchfahrten machen.»

«Falls wir es unbeschadet bis Bordeaux schaffen sollten, lasse ich einen einbauen, das verspreche ich Ihnen, Mattke. Es kann nicht angehen, dass einfache Transport-U-Boote die bessere Technik haben als solche für Feindfahrten», antwortete Emde grimmig.

«Er fährt nach Süden. Ich wundere mich, wo sein Zielhafen liegen könnte. Wahrscheinlich ist es derselbe Stützpunkt, den unsere Kameraden vor einem Jahr angelaufen haben.»

Gedankenverloren blickte der Kommandant in die Ferne. «Es gefällt mir nicht, dass die Kriegsmarine geheime Transporte mit hochmodernen U-Booten macht. Es sieht ganz danach aus, als würden sie irgendwo einen neuen, geheimen Stützpunkt aufbauen. Vielleicht sogar in Neuschwabenland in der Antarktis?»

«Wer möchte schon in die Antarktis gehen?», fragte sein zweiter Offizier erstaunt. «Außerdem ist dort die ganze Küstenlinie von hohem Eis umgeben, es ist nur mit einem Flugzeug möglich, aufs Festland zu kommen. Ich erinnere mich an die Mission der Schwabenland von 1939. Die haben auf dem Schiff zwei Wasserflugzeuge mitgenommen, mit denen sie tausende von Luftaufnahmen gemacht haben. Sie haben die Gegend kartografiert und seither hat das Deutsche Reich das Gebiet Neuschwabenland als Besitz beansprucht. Aber was will man mit einem Land, das unter einem kilometerdicken Eispanzer steckt?»

«Vielleicht haben sie einen Weg gefunden, der unter dem Eis hindurchgeht?», mutmaßte Emde. «Man hat nämlich herausgefunden, dass in der Mitte des Kontinents ein tiefer Graben existiert, der mitten durch die Antarktis verläuft. Stellen Sie sich vor, man könnte unter dem Eis eine U-Boot-Basis aufbauen, Mattke, so ein Ort wäre praktisch unangreifbar und uneinnehmbar.»

«Vielleicht. Leider ist er auch ziemlich weit weg von Europa. Die nördliche Arktis wäre wesentlich näher gewesen.»

Emde lachte leise. «Indonesien ist ja noch viel weiter weg, trotzdem haben wir auch dort mehrere Basen. Das ist ein Weltkrieg, Mattke, Sie müssen global denken! Und wenn wir erst einmal über ein weltweites Netz von Stützpunkten verfügen, haben wir die Herrschaft über alle Weltmeere. Wer will uns dann noch aufhalten können?»

Sie wussten, dass es knapp werden würde und um Treibstoff zu sparen, fuhren sie bloß eine Geschwindigkeit von zehn Knoten. Kontakt mit einem Versorgungsschiff aufzunehmen, kam angesichts der unsicheren Verschlüsselung der Funksprüche nicht mehr in Frage, und so waren sie auf sich allein gestellt. Drei Mal mussten sie ein Nottauchmanöver ausführen, weil in der Ferne Flugzeuge auftauchten. Glücklicherweise wurde die U-188 dabei nie attackiert. Feindlichen Flottenverbänden wichen sie rechtzeitig aus, denn mit ihren lediglich zwei verbliebenen Hecktorpedos wäre es ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, einen Angriff auszuführen.

Als sie bei strahlendem Sonnenschein in den Golf von Biskaya einfuhren, wussten sie, dass sie es fast geschafft hatten und die Stimmung an Bord wurde geradezu euphorisch. Mit einem völlig leeren Tank und einer fast leeren Batterie erreichten sie am 2. Juni 1944 die Mündung der Gironde, wo sie endlich Funkkontakt mit der deutschen Küstenwache in Royan aufnahmen.

Die Nachricht, dass die U-188 als einziges Boot der Gruppe Pascha nach einem Jahr, vier Wochen und zwei Tagen wieder zurückgekehrt war, verbreitete sich rasch bis zur Marine-Leitstelle in Bordeaux. Dort wollte man den Helden der Kriegsmarine einen gebührenden Empfang bereiten.

Frisch rasiert und in ihre dunklen Uniformen gekleidet, standen die Matrosen aufgereiht auf dem Oberdeck des Bootes, während sich die Offiziere zuoberst im Turm versammelt hatten. Am Ufer des Flusses standen Menschen und winkten ihnen mit weißen Taschentüchern zu. Einige Kutter begleiteten die Heimkehrenden und machten mit lauten Hornklängen auf sich aufmerksam. Den stärksten dieser Kähne hatte man dabei mit Tauen vorgespannt und ließ sich von ihm die letzten Kilometer Flussaufwärts ziehen.

«Ich habe euch doch gesagt, dass wir es bis nach Hause schaffen», erklärte der Ingenieur Hans Krüger glücklich. «Meine Berechnungen haben bereits im indischen Ozean ergeben, dass die Irma mit nur einer Tankfüllung bis nach Frankreich kommt, wenn wir nicht schneller als zehn Knoten machen.»

«Unsere Irma ist eben die Beste, sie hat uns noch nie im Stich gelassen.» Liebevoll tätschelte Emde die graue Bordwand seines Bootes.

«Trotzdem braucht die alte Dame im Trockendock eine Generalüberholung. Das wird wohl bedeuten, dass wir einige Wochen Urlaub haben werden.»

Peter Deckert, der Obersteuermann, war aufgeregt wie ein kleiner Junge. Er grub seine Finger in den Arm seines Kameraden Reinhard und erzählte ihm mit strahlendem Gesicht, wie er sich freue, gleich seine geliebte Mademoiselle Julie wiederzusehen.

«Schon gut, Peter, aber bedenke, dass du seit mehr als einem Jahr nicht mehr in der Stadt warst. Du weißt ja, dass Französinnen nicht so treu sind wie deutsche Mädchen. Also heul mir dann nicht herum, wenn du herausfindest, dass sich deine Madame bereits einen anderen Offizier angelacht hat.»

«Ach, du bist ja bloß neidisch, weil du selbst keine Freundin gefunden hast», beschied ihm sein Kamerad eingeschnappt.

«Keineswegs. Weißt du, wenn man niemanden hat, kann man auch nicht enttäuscht werden, deshalb bin ich wohl besser dran.»

Auch Hartmann hatte angesichts der ihnen zuwinkenden Damen am Ufer nur einen Gedanken im Kopf. «Heute Abend geht’s ins Varieté, Leute. Schampus und Weiber, die ganze Nacht wird gefeiert!»

«Oh ja», pflichtete ihm Kiesow, der Funkoffizier bei. «In den nächsten Wochen werde ich mich durch ganz Bordeaux vögeln, ha ha!»

Reinhard hatte hingegen andere Bedürfnisse. Er freute sich darauf, endlich wieder allein zu sein und ausgedehnte Spaziergänge zu unternehmen, denn im Boot hatte er fast gar keine Bewegungsfreiheit gehabt. Außerdem wollte er noch einen Brief schreiben und seinen Eltern ausführlich berichten, was er in diesem Jahr alles erlebt hatte. Er brauchte dazu nur eine Zusammenfassung seines Tagebuches aufzuschreiben. Im Schatten von grünen Bäumen wollte er dann sitzen, ein kühles Bier vor sich haben, und dabei spielenden Kindern und flanierenden Damen zuschauen. Und vielleicht von einem Leben nach dem Krieg träumen.

Nach einer weiteren Flussbiegung tauchte endlich die Brücke auf. Noch einmal ließen die Kähne ihre Hörner erschallen und das deutsche U-Boot fuhr allein durch den schmalen Kanal in die Hafenanlage ein, in der sich die Bunkeranlagen befanden.

Auf dem Pier spielte zur Begrüßung eine Musikkappelle einen Marsch und hohe Funktionäre der Verwaltung standen bereit, um die Heimkehrenden mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Es war ein sehr schönes Bild, als alle Mann auf dem Boot strammstanden und nach dem Verklingen der Musik die Matrosen unter lautem Jubel ihre Mützen in die Luft warfen.

Dann schritten als erstes die Offiziere über den Holzsteg an Land. Der Reihe nach schüttelten sie jedem der anwesenden Funktionäre die Hand und eine Ehrendame bedachte sie mit einem kleinen Blumenstrauß. Danach durften endlich die Matrosen nachfolgen, sie erhielten eine einzelne, rote Rose überreicht.

Einige Mädchen lösten sich aus der Menge, um sich zaghaft bis stürmisch ihren Burschen um den Hals zu werfen. Auch Peter Deckert wurde nicht vergessen, seine Mademoiselle Julie hatte geduldig auf ihn gewartet. Dezent geschminkt, mit roten Wangen und in einem hübschen Sommerkleid stand sie da und blickte ihren Geliebten strahlend an. Viele seiner Kameraden würden die heutige Nacht nicht allein verbringen, dachte Reinhard ein wenig wehmütig.

Vier Tage später kam die Nachricht von der Invasion der Alliierten in der Normandie. Schon lange hatte man damit gerechnet, dass es einen Angriff auf die Westfront geben würde, man wusste nur nicht genau, wann und wo dieser erfolgen sollte. In Bordeaux hatte man alle noch funktionstüchtigen U-Boote und Kreuzer ausgeschickt, um ein Eindringen von feindlichen Flotten in den Hafen zu verhindern. Andere wiederum waren nach Norden gefahren, um die Alliierten Schiffe direkt anzugreifen.

Der deutsche U-Boot Stützpunkt weiter nördlich in La Rochelle wurde von Bomberverbänden heftig attackiert, es gab viele Tote Soldaten und Zivilisten, doch die starken Bunker aus Stahlbeton hielten den Angriffen erfolgreich stand. Ihre Feinde wagten es jedoch nicht, den Hafen in Bordeaux anzugreifen, die Gefahr von Kollateralschäden an der französischen Bevölkerung war ihnen offensichtlich zu groß.

Die U-188 war inzwischen vollständig entladen worden, die von Penang mitgebrachten Güter wurden sofort auf Bahnwagen verladen und weitergeschickt. Jetzt befand sich die Irma auf dem Trockendock, denn sie hatte während ihres langen Einsatzes einige kleinere Schäden erlitten, die nun behoben werden mussten. Dies bedeutete für ihre Mannschaft, dass sie zum Nichtstun verdammt war, was man angesichts der dramatischen Ereignisse im Norden nicht wirklich genießen konnte.

Reinhard Mattke saß unter einer großen Platane am Ufer eines kleinen Gewässers, das sich etwas nordwestlich des Hafens befand und schlicht den Namen Le Lac, der See, trug. Noch einmal las er den Brief durch, den seine Familie schon vor Monaten nach Bordeaux geschickt hatte, in der Hoffnung, dass er ihn bei seiner Rückkehr lesen würde. Sie hatten dem Schreiben auch eine Fotografie beigefügt, sie zeigte seine Eltern, die lächelnd neben Reinhards beiden Schwestern standen. Henny, die jüngste, trug stolz ein großes, geflecktes Kaninchen in den Armen und Ilse hatte das Ölzeug an, das Fiete Jansen immer getragen hatte. Da sich der Helfer im Kriegsdienst befand, hatte nun die ältere Schwester dessen Aufgabe übernommen, um den Vater beim Krabbenfang zu unterstützen. Vater Thies selbst war kriegsuntauglich, weil er ein Hüftleiden hatte, aber er konnte, mit tatkräftiger Hilfe, immer noch seinen geliebten Beruf als Fischer ausüben.

Lieber Reinhard

Wir hoffen sehr, dass dich dieses Schreiben irgendwann erreichen wird und wir alle beten in der Kirche für deine gesunde Rückkehr.

Bei uns in Tönning haben wir es noch gut. Wir bemerken nicht viel vom Krieg, nur ab und zu erleuchten nachts die «Tannenbäume», die Lichtmarkierungen, welche die Alliierten aus den Flugzeugen abwerfen, den Himmel. Das sieht jeweils sehr unheimlich aus, doch bis jetzt wurden wir noch nie direkt beschossen. Man arbeitet immer noch eifrig an der Errichtung des Friesenwalls, der uns vor einer Invasion schützen soll. Es gibt viele russische Kriegsgefangene, die sie für diese Arbeit einsetzen. Sie sind in einer Baracke einige Kilometer von uns entfernt in Kating untergebracht. Zu essen haben wir gottseidank noch genug. Der kleine Acker hinter dem Haus gibt noch einiges her und unsere Henny ist eine sehr erfolgreiche Kaninchenzüchterin geworden. Auf dem Foto kannst du sie mit ihrem Rammler «Pit» sehen, ein prachtvoller, deutscher Riesenschecke. Im März haben seine zwei Häsinnen insgesamt 21 (!) Junge geworfen. Nun füttert Henny diese fleißig mit frischem Gras, Klee und Steckrüben. Wenn sie groß genug sind, werden wir die Tiere verkaufen oder gegenetwas anderes eintauschen.

Die Ilse hat, wie du auf dem Bild sehen kannst, die Stelle von Fiete eingenommen. Sie hilft deinem Vater tatkräftig auf dem Kutter mit. Er darf zwar immer noch mit der «Eversande» ins Watt hinausfahren, doch nicht zu weit. Klaas Martens, der Kapitän der «Rieke Prange», wurde auf See von einem Flieger beschossen. Glücklicherweise wurde sein Schiff aber nicht ernsthaft beschädigt und Klaas kam mit dem Schrecken davon. Das größte Problem ist eher, dass man fast keinen Diesel mehr bekommt, weil er rationiert worden ist. Darum können Papa und Ilse nur noch einmal in der Woche rausfahren.

Wir vermissen dich hier sehr, lieber Reinhard. Vor allem an Weihnachten hast du uns allen gefehlt. Auch deinen 22. Geburtstag im März haben wir zusammen gefeiert. Ich habe einen Mohnkuchen gebacken, den du so gerne magst. Beim Nachmittagstee haben wir dann ein paar Kerzen angezündet, den Kuchen gegessen und viel an dich gedacht. Ilse hat dir ein Paar Socken gestrickt und ich habe dir Hausschuhe aus Filz gemacht. Wir bewahren alle Geschenke für dich sorgfältig auf, in der Hoffnung, dass du eines Tages wohlbehalten zu uns zurückkehren kannst.

Wir alle wünschen dir von Herzen alles Gute, und möge Gott immer mit dir sein.

In Liebe. Mama, Papa, Ilse und Henny

Mit seinem Taschentuch wischte sich Reinhard die Tränen vom Gesicht. Er vermisste seine Familie genauso sehr wie sie ihn. Aber die Nachricht über das Einlaufen der U-188 in Bordeaux würden sie bestimmt schon vernommen haben. Man hatte extra ein paar Zeitungsreporter hergeschickt, die einen reißerischen Artikel über die «Helden des indischen Ozeans» verfassten. In Zeiten wie diesen erhielten selbst kleine Erfolgsgeschichten wie ihre ein großes, mediales Echo. In den Zeitungen wurde dann das Bild von Kapitänleutnant Johann Emde abgedruckt, es zeigte einen stolzen Mann mit Ritterkreuz um den Hals. Auch Mattke wurde befördert, er und Hartmann trugen nun den Titel eines Oberleutnants zur See.

Emde gut, alles gut.

Der junge Mann blinzelte in die Sonne, die warm und friedlich vom blauen Himmel schien. Noch immer war er fern der Heimat. Er sollte jetzt nicht mehr hier sein, dachte er bitter, er gehörte nach Hause. Es war nicht normal, dass Töchter mit ihren gebrechlichen Vätern aufs Meer hinausfahren mussten, um unter Lebensgefahr ein paar Krabben oder Fische zu fangen, während er hier in Frankreich untätig unter einem Baum sitzen durfte.