Die Sterne leuchten am Erdenhimmel -  - E-Book

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel E-Book

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Beschreibung

Wie würdest du dich entscheiden, wenn du mehrere Persönlichkeiten in dir hättest und nur eine überleben könnte? Welcher Teil von dir würde als Sieger hervorgehen? Würdest du die Welt retten, auch wenn deine eigenen Überlebenschancen dabei nicht gut aussähen? Ein Glück, dass unsere Helden mehrere Versuche haben, diese Frage zu beantworten. In der titelgebenden Geschichte erfahren wir etwas über eine Krankheit und warum es so seltsam ist, dass die Sterne am Himmel auf uns herab leuchten. Und hast du schon mal darüber nachgedacht, wie man mit dem Mond Werbung machen könnte? Wie weit würdest du gehen, um deinen in die Jahre gekommenen Androiden zu retten und was versteht man überhaupt unter »Normalität«? Wie würdest du reagieren, wenn plötzlich eine Einladung der NASA in dein Postfach geflattert käme, dem Erstkontakt mit einer unbekannten Spezies beizuwohnen? Dieses Buch vereint zum ersten Mal sieben beeindruckende Erzählungen südkoreanischer Science-Fiction-AutorInnen und gibt uns neue Einblicke in die faszinierende Literaturszene des Landes.

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Seitenzahl: 237

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Herausgegeben von Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann & Jaewon Nielbock-Yoon

Übersetzt von Alexandra Dickmann, Andrea Margot Koschan, David Röttger, Mareike Urbanek & Julia Zachulski

Illustriert von Daniel Lozano

Impressum

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel

Science Fiction aus Südkorea

Herausgegeben von Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann & Jaewon Nielbock-Yoon

Originalausgabe

© 2024 bei den Autor:innen

© 2024 Daniel Lozano (Titelbild und Illustrationen)

© 2024 Sylvana Freyberg (Nachwort)

© dieser Ausgabe 2024 by Memoranda Verlag Hardy Kettlitz

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Bernhard Kempen

Korrektur: Steffi Herrmann

Umschlaggestaltung: s.BENeš [www.benswerk.com]

Layout & Satz: Hardy Kettlitz

Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin

Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft

Memoranda Verlag

Hardy Kettlitz

Ilsenhof 12

12053 Berlin

www.memoranda.eu

www.facebook.com/MemorandaVerlag

ISBN: 978-3-948616-96-0 (Buchausgabe)

ISBN: 978-3-948616-97-7 (E-Book)

Inhalt

Inhalt

Impressum

Inhalt

Kim Bo-Young

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel

Djuna

Pentagon

Lee Sanhwa

Neustart

Lee Seoyoung

Ein Hauch von Vintage

Bora Chung

Eine ganz normale Ehe

Park Seolyeon

Sisff

Jeon Samhye

Genesis

Nachwort

Autoren

Herausgeber

Bücher bei MEMORANDA

Kim Bo-Young

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel

Mein lieber Bruder,

dein Brief ist gut bei mir angekommen. Es tut mir leid, dass ich so spät antworte.

Du musst dir keine Sorgen um meine Gesundheit machen. Ich verstehe deinen Wunsch, aber ich habe nicht vor, mich behandeln zu lassen. Egal wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass es mir dadurch besser geht. Es ist nicht nur wegen der Nebenwirkungen oder Risiken. Mein Zustand ist ein Teil von mir. Und daran möchte ich auch nichts ändern.

Hör nicht immer auf das, was unsere Eltern sagen. Sie reden so, als hätte ich eine tödliche Krankheit. Es scheint, als würden sie auch nach über 30 Jahren, die ich doch nun schon lebe, diesen Gedanken nicht aufgeben wollen. Ganz im Gegenteil: Mit jedem Tag, den ich älter werde, scheinen sie sich sicherer zu sein, dass meine Zeit wohl endlich gekommen ist.

Es ist natürlich wahr, dass Patienten mit meiner speziellen Form der Narkolepsie nicht lange leben. Es ist auch wahr, dass ich im Vergleich zu anderen schnell ermüde, leichter reizbar bin oder auch ein schlechteres Urteilsvermögen besitze. Aber man kann ohne Probleme leben, auch wenn man ab und zu plötzlich bewusstlos wird. Es ist nur ein wenig schwer, soziale Kontakte zu halten.

Nachdem ich auf diese Insel gekommen bin, habe ich mir auch wieder die gleiche Kiste zusammengebaut, wie ich sie damals im Schulwohnheim benutzt habe. Das Holz wurde genau auf die Größe eines Menschen zurechtgeschnitten, mit Fenster und Löchern zum Atmen. Wenn es dann an der Zeit ist, lege ich mich in die Kiste und schließe sie. Es ist zum einen, um mich zu schützen, während ich ohnmächtig bin, aber auch, um nicht von anderen Menschen gestört zu werden.

Zum Glück halten die Leute hier das Ganze nur für die Exzentrizität von jemandem, der sehr schlau ist. Sie glauben, dass ich in der Kiste meditiere. Ich frage mich, was sie für ein Gesicht machen würden, wenn sie wüssten, dass ich darin bewusstlos bin und mindestens fünf oder sechs Stunden lang nicht aufwachen kann. Viele Leute glauben, dass Narkolepsie eine ansteckende Krankheit ist, also rede ich nicht unbedingt darüber. Natürlich ist meine Krankheit nicht ansteckend. Eines von tausend Kindern wird mit diesen Symptomen geboren. Wenn du Kinder mit leichten Symptomen und Menschen, die gar nicht wissen, was für eine Krankheit sie überhaupt haben, mit einrechnest, werden es noch viel mehr sein.

Unsere Eltern machen sich immer Sorgen, dass ich nie wieder aufwache, wenn ich ohnmächtig werde. Sie wecken mich, kaum dass ich das Bewusstsein verloren habe, und schütteln mich wieder und wieder, wenn ich es nicht schaffe, wach zu bleiben. Als ich jünger war, sind sie noch extremer gewesen, sodass ich noch öfter ohnmächtig geworden bin. Bevor du geboren wurdest, war ich ein so schwaches Kind, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Mein Kopf schien mit Nebel gefüllt zu sein, und ich konnte nicht mal mehr richtig denken. Ich hatte zahlreiche Halluzinationen, und die Nerven in meinem Körper waren oft so sehr überreizt, dass ich nicht mehr in der Lage war, vernünftige Urteile zu fällen.

Dank der Frau, die eine Weile für uns kochte, wurde ich mir meiner »Ohnmachtsanfälle« bewusst. Sie war nicht sehr gebildet, aber eine ausgesprochen weise Frau. Als Kind hatte sie an Asthma gelitten und gelernt, wie man mit einer Krankheit lebt. Sie sagte zu mir, ich solle sie nicht bekämpfen. Die Krankheit sei nur ein Freund mit schlechter Laune, und sie schlug vor, gemeinsam einen Weg zu finden, damit ich auch weiterhin mit ihm leben konnte. Wenn ich sie nicht getroffen hätte, wäre ich wie andere Narkolepsiepatienten früh gestorben. Und selbst wenn ich mein jetziges Alter erreicht hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht in so guter physischer und psychischer Verfassung wie jetzt.

Sie ließ mich ohnmächtig werden. Auch wenn ich sechs oder acht Stunden lang bewusstlos war, hat sie mich nie geweckt. Als unsere Eltern davon erfuhren, waren sie außer sich vor Wut. Sie haben sogar versucht, sie wegen Kindesmissbrauchs anzuzeigen.

Nach ein paar Wochen wurde ich allmählich gesünder und konnte wieder essen. Danach war ich in der Lage, nach draußen zu gehen und Sport zu treiben, und irgendwann konnte ich selbst die Zeit kontrollieren, in der ich das Bewusstsein verlor. Da wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich nicht dumm war.

Unsere Eltern können immer noch nicht akzeptieren, dass ich regelmäßig das Bewusstsein verliere. Es ist ihnen jedes Mal peinlich, wenn ich mich in die Kiste lege. Sie halten mich oft fest und sagen: »Gib nicht auf. Du kannst gesund werden.« Deshalb bin ich von zu Hause weg. Um zu leben. Ich hoffe, du weißt, dass sich meine Liebe zu ihnen und meine Liebe zu dir trotzdem nicht verändert hat.

Ich empfehle auch anderen Narkolepsiepatienten meine Methode, aber es ist immer schwierig, ihre Eltern zu überzeugen. Die meisten Eltern sind entsetzt, wenn man ihnen sagt, sie sollen ihre Kinder das Bewusstsein verlieren lassen. Die meisten Patienten, die meiner Methode folgen, berichten jedoch, dass sie gesund geworden sind. Wer sagt, dass es nicht funktioniert, so meine Meinung, hat mir wahrscheinlich nicht geglaubt und sein Kind heimlich geweckt. Es gibt nicht viele Eltern, die es ertragen können, stundenlang dabei zuzusehen, wenn ihr Kind wie tot daliegt.

In einem Buch, das ich gelesen habe, steht, dass die meisten Narkolepsiepatienten eine geringe Intelligenz aufweisen. Das ist Quatsch. Auch nach jahrelanger Forschung wissen Menschen, die ihr ganzes Leben mit dieser Krankheit verbracht haben, immer noch wesentlich mehr darüber als diese sogenannten »Experten«. Die Symptome, die bei Narkolepsiepatienten auftreten, entstehen, weil sie die Narkolepsie bekämpfen. Eigentlich müssen wir das Bewusstsein verlieren, aber die Behandlung zielt immer nur darauf ab, dies zu verhindern.

Es gibt auch Bücher, die erklären, dass Patienten mit Narkolepsie Symptome von Schizophrenie zeigen. Ich vermute, dass eine solche Interpretation aufgrund der bizarren Halluzinationen zustande kam, die während einer Ohnmacht auftreten. Ich kann den Zusammenhang auch nicht erklären, aber die Halluzinationen treten, während ich wach bin, nicht auf, und sie schaden auch weder mir noch anderen.

Diese Geschichten werden dir fremd sein. Weil ich früher nie über so etwas geredet habe. Unsere Eltern wollten das auch nicht. Sie haben dir immer nur meine normale Seite gezeigt, also die Seite, die sie auch anderen Menschen zeigen würden. Sie waren sehr bemüht, vor dir zu verbergen, dass ich bewusstlos wurde, haben geglaubt, dass dir das helfen würde; und in gewisser Weise mögen sie damit recht gehabt haben.

Ich habe keine andere Wahl, als alles, was mich betrifft, selbst zu beurteilen und zu entscheiden. Du lebst in einer Welt, umgeben von Menschen, die wie du sind, und hältst es für selbstverständlich. Für Menschen wie uns aber sieht die Welt ganz anders aus. Wir haben weder Lehrer noch Schüler, keine Kollegen oder Orte, denen wir wirklich angehören. Wir müssen uns selbst beibringen, den Alltag zu meistern sowie ein System und eine Umgebung zu schaffen, die zu uns passen. Und wir sind ständig mit Leuten konfrontiert, die uns »Du kannst gesund werden« an den Kopf werfen. Es ist schwierig. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Kinder mit Narkolepsie kämpfen und gerade dadurch ihren Körper und ihr Gehirn völlig zerstören.

»Geheilt« zu sein bedeutet aus meiner Sicht, ein anderer Mensch zu werden, als ich es bin. Aus der Sicht anderer Menschen mag das egal sein, denn man erschafft ja eine neue Person, die genauso wie sie ist, aber aus meiner Sicht würde ich dabei mich selbst verlieren. Ich würde alles von mir aufgeben.

»Es ist nur eine Krankheit.« Ich glaube, ich kann deine Stimme hören. »Was ist komisch daran, gesund werden zu wollen?«

Du hast doch sicher schon mal von Sichelzellen gehört. Dabei handelt es sich um missgebildete rote Blutkörperchen, die eine schwere Anämie verursachen. Sie sollen in der Region, in der sie vorkommen, aber wirksam gegen Fieber sein. Ich frage mich, ob meine Krankheit nicht auch aus irgendeinem Grund aufgetreten ist. Ist sie vielleicht nicht ebenso dafür gemacht, mich an irgendein Umweltproblem anzupassen? Wie könnte es sonst sein, dass so viele Menschen an diesen Symptomen leiden?

Du fragst dich vielleicht, wie eine immer wiederkehrende Bewusstlosigkeit im Leben helfen soll. Egal, wie man es sieht, es ist auf keinen Fall effizient. Während ich bewusstlos bin, kann ich mich nicht schützen oder irgendetwas Produktives tun. Ich meine, während andere lernen und sich weiterentwickeln, bleibt mir nichts anderes übrig, als ohnmächtig dazuliegen.

Das Bewusstsein zu verlieren ist schmerzhaft, aber es hat auch etwas Gutes. Ich liebe die Halluzinationen, die du so sehr fürchtest. Ich hoffe, du denkst jetzt nicht komisch von mir.

Als Kind habe ich immer geglaubt, dass es irgendwo eine Welt voller Narkolepsiepatienten gibt. Und die Menschen dort finden einander nicht seltsam, sie lächeln und werden ohnmächtig, und bevor sie das Bewusstsein verlieren, sagen sie ganz natürlich zueinander: »Hab eine gute Ohnmacht!« Und wenn sie aufwachen, so dachte ich, würden sie einander grüßen mit: »Bist du gut in Ohnmacht gefallen?« Vielleicht lachst du. Aber ich stelle mir das auch heute noch ernsthaft vor.

Ich erforsche derzeit eine Höhle auf einer Insel. Es ist unglaublich faszinierend. Mit jedem Schritt, den man geht, entfaltet sich eine andere Welt vor einem. Du wärst überrascht, wie lebendig und pulsierend diese augenscheinlich von Stille und Einsamkeit umgebene Welt der Dunkelheit ist.

Vor Kurzem entdeckte ich einen Salamander, der weder Augen noch Farben hatte. Seine Haut war transparent, sodass man die Knochen und Eingeweide im Inneren des Körpers sehen konnte. Die Menschen hier scheinen ihn für eine mysteriöse Kreatur zu halten. Auch eine Vogelart ohne Augen habe ich gefunden. An der Stelle, wo die Augen sitzen sollten, war bloß eine harte, schwarze Schale. Der Vogel blinzelt und fokussiert nicht, sodass er tot aussieht, wenn er ganz still dasitzt.

Du weißt ja, dass ich die Dunkelheit liebe. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie brauche. Um ungestört bewusstlos zu bleiben, muss ich zur gegebenen Zeit in die Dunkelheit gehen, denn wenn ich ohnmächtig werde, kann mich bereits der kleinste Lichtstrahl wecken. Bitte sag unseren Eltern nichts davon. Sie würden wahrscheinlich wieder wütend werden oder weinen, wenn sie wüssten, dass ich die Kiste dunkel gelassen habe.

Was mich in diesen Tagen interessiert, sind die Tiere und Pflanzen, die in der Nähe des Höhleneingangs leben. Weil dort das Licht noch hinkommt, gibt es eine deutlich vielfältigere Flora und Fauna als im Inneren der Höhle. Und ich habe dort einige sehr ungewöhnliche Kreaturen entdeckt.

Die Pflanzen an diesem Ort blühen für einen halben Tag und verwelken die andere Hälfte. Die Blätter öffnen und schließen sich dann wieder. Es scheint, als würde die gesamte Lebensaktivität in der Hälfte eines Tages vergehen. Ich habe noch nie eine Pflanze gesehen, die in so kurzer Zeit so viel Bewegung zeigt.

Dasselbe gilt für die Tiere. Kürzlich ist es mir gelungen, eine Kamera im Revier der am Höhleneingang lebenden Tiere aufzustellen, und ich bemerkte, dass sie wie ich an Narkolepsie leiden.

Sie leben alle in Gruppen und haben ihre eigenen Lebensräume. Von kleinen Insekten bis hin zu großen Fledermäusen graben sie Löcher und bauen Häuser aus Zweigen, um Räume zu schaffen, in denen sie sich schützen können, während sie bewusstlos sind. So wie ich mit meiner Holzkiste.

Ich habe es erst später herausgefunden, aber dieser Bereich ist nur den halben Tag geöffnet, wenn ein Wärter da ist, und in der anderen Hälfte ist die Tür zur Höhle geschlossen, damit sich Kinder oder Fremde nicht im Inneren verirren. Mit anderen Worten, in einer Hälfte des Tages kommt Licht herein und in der anderen Hälfte nicht. Welche Gegenmaßnahme könnte in einer Welt, in der es so regelmäßig dunkel ist, angemessener sein, als das Bewusstsein zu verlieren, um die Zeit zu vertreiben, in der nichts getan werden kann?

Ich sehe dein mürrisches Gesicht genau vor mir. Alles, was ich sage, wird für dich wie eine Ausrede klingen, um eine Behandlung zu vermeiden. Ich muss dir noch ein bisschen mehr erzählen. Lass mich dir einen Satz vorstellen. Ich weiß, du interessierst dich nicht sonderlich für Astronomie, aber es gibt auf dem Gebiet keinen Menschen, der diesen Satz nicht kennt:

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel.

Von Astronomen und Linguisten bis hin zu Bibliografen haben viele über eine lange Zeit versucht, diesen Satz zu interpretieren. Wahrscheinlich wirst du jetzt Folgendes sagen: »Was soll an dem Satz sein? Dass die Sterne leuchten, ist doch klar, oder nicht?«

Es stimmt. Gerade deswegen ist dieser Satz so merkwürdig.

Dieser Satz kam vor langer Zeit aus einem weit entfernten Teil des Universums zu uns. Eines Tages wurden am Saratsan-Observatorium ein paar außerirdische Radiowellen empfangen. Diese waren offensichtlich künstlichen Ursprungs. Sie stammten vom Rand unserer Galaxie. Radiowellen, die über 28.000 Lichtjahre zu uns gereist waren.

Darunter war dies der einzige Satz, den wir übersetzen konnten. Und er ist wirklich merkwürdig. Wo gibt es schon einen Himmel ohne Sterne? Sie leuchten am Himmel der meisten Planeten. Natürlich gibt es auch welche, auf denen man sie nicht sehen kann. Weil die Atmosphäre zu dicht ist oder von dunklen Wolken blockiert wird oder weil das Leben allein unter dickem Eis oder Gestein möglich ist. Allerdings ist es auf einem solchen Planeten ohnehin schwierig, dass sich komplexe Lebewesen entwickeln, die Funkwellen ins All senden können.

Wenn schon jemand Radiowellen in den Weltraum sendet, sollte man wohl meinen, dass dieser Jemand auch eine bessere Beschreibung des eigenen Planeten beifügen würde. Warum haben sie nicht gesagt: »Die Erde ist ein überraschend runder Planet« oder »Die Erde befindet sich in unserem Universum«?

Aber wenn das wirklich ihre Nachricht war, müssen sie aus irgendeinem Grund gedacht haben, dass der Satz ihren Planeten am besten beschreibt. Oder zumindest der Auffassung gewesen sein, dass dies die wichtigste Nachricht wäre, die sie uns übermitteln müssen. Aber wie kann das Leuchten der Sterne eine wichtige Botschaft sein?

Zuerst hielten die Wissenschaftler diesen Satz für einen närrischen Gruß der dummen Menschen. Die Erdlinge hatten ihren Planeten wahrscheinlich noch nie verlassen, nicht einmal einen der nahegelegenen Sterne besucht. Sie hatten kein Wissen über das Universum und dachten, dass die Sterne nur an ihrem eigenen Himmel leuchten. Deshalb haben sie voller Stolz diese Botschaft verschickt. »Es gibt so viele Sterne an unserem Himmel.«

Diese Meinung verebbte bald. Wenn die Menschen tatsächlich glaubten, dass es da draußen im Weltall jemanden gab, der Radiowellen empfangen könnte, konnten sie auch keine so törichte Sicht auf das Universum haben. Folglich wurde der Satz »Die Sterne leuchten am Erdenhimmel« als traditioneller Ausdruck interpretiert. In der fernen Vergangenheit kannten diese Wesen die Struktur des Universums nicht und glaubten, dass die Sterne zu ihrem Himmel gehörten, sodass sich schließlich eine solche Wendung in ihrer Sprache festsetzte.

Es gab auch die Meinung, dass der Satz nach langen Überlegungen über die Bedeutung geschichtlicher Aufzeichnungen entstanden ist. Die Erdlinge fanden irgendwie heraus, dass im Zentrum der Galaxis andere Aliens leben. Es würde jedoch mindestens 28.000 Jahre dauern, bis ihre Funkwellen uns erreichen. Selbst wenn sie dachten, dass wir ihre Radiowellen empfangen, analysieren und interpretieren, die Quelle finden und eine Antwort senden könnten, würde es weitere 28.000 Jahre dauern, bis sie unsere Radiowellen empfangen. Welche Tatsachen gibt es, die eine Zeitspanne von 56.000 Jahren überdauern können? Für eine Nation ist es schon schwierig, nur tausend Jahre zu überstehen. Zu sagen, dass eine bestimmte Person lebt, ist ebenfalls bedeutungslos. Auch unsere historischen Aufzeichnungen sind keine 10.000 oder 20.000 Jahre alt. Und es ist weniger als ein paar Jahrzehnte her, dass wir die Technologie zum Empfang von Funkwellen entwickelt haben. Es gleicht einem Wunder, dass wir in dieser kurzen Zeit überhaupt Radiowellen aus dem All empfangen konnten.

Also haben sie diesen Satz gewählt. Auch in 50.000 oder 100.000 Jahren würde die Tatsache, dass »die Sterne am Himmel der Erde leuchten«, noch immer zweifellos gültig sein.

Es gab auch eine Hypothese, dass dieser Satz eine Art Antwort sein könnte. Das würde heißen, dass wir vor Zehntausenden von Jahren versucht haben, mit ihnen zu kommunizieren. Eine uralte Superzivilisation, die jetzt verschwunden ist, müsste Radiowellen ins All geschickt haben. Es existieren keine Beweise für eine solche Superzivilisation, aber es gibt Gelehrte, die trotzdem daran glauben, also lassen wir diesen Punkt einfach mal außer Acht. Sagen wir, sie sendeten einen einfachen Gruß ins All. Zum Beispiel: »Kannst du auch an deinem Himmel Sterne sehen?«. Woraufhin die Erdlinge höflich antworteten: »Ja, auch wir können Sterne sehen.« Als jedoch die Antwort bei uns eintraf, war die Superzivilisation längst verschwunden, und wir wissen von nichts.

An sich ist es eine mögliche Hypothese. Die Funkwellen, die wir als Antwort senden, werden auch erst ihre fernen Nachkommen erreichen, die nichts mehr darüber wissen. Wenn die Menschheit überhaupt so lange überdauert. Vermutlich werden auch sie von dieser merkwürdigen Frage verwirrt sein, und es werden weitläufige Diskussionen darüber ausbrechen, was mit »Die Sterne leuchten am Himmel« nur gemeint sein könnte.

Danach wurde erst eine lange Zeit später wieder eine wichtige Fragestellung angebracht. Diese kam in einem Astronomieunterricht auf, als ein Student seine Hand zur Frage hob.

»Warum haben diese Menschen gesagt, die Sterne würden leuchten und nicht der Himmel?«

Ja, wir alle wissen, dass es die Sterne sind, die den Himmel zum Leuchten bringen. Es ist auch überhaupt nicht seltsam, davon auszugehen, dass die Erdlinge ebenso über diese Tatsache Bescheid wissen. Aber wenn der Satz »Es gibt Sterne am Himmel« ein traditioneller Ausdruck aus ihrer Vergangenheit ist, wie um alles in der Welt haben sie dann herausgefunden, dass es nicht der Himmel ist, der leuchtet, sondern die Sterne?

Auf unserem Planeten wussten die Menschen in der Vergangenheit nichts von der Existenz von Sternen. Sie dachten nur, der Himmel würde leuchten. Wenn man genau hinsieht, kann man natürlich erkennen, dass das Licht eine Ansammlung zahlreicher einzelner Lichtquellen ist, aber es ist nicht so leicht zu bemerken, wenn man noch nichts davon weiß. Bei uns gibt es in keiner Region Mythen über die Sterne. Nur über den Himmel. Und die meisten beginnen tatsächlich damit, dass der Himmel ein leuchtender Körper ist.

Unser Himmel ist voller Sterne. Natürlich sind sie unterschiedlich weit voneinander entfernt, aber für unser Auge liegen sie auf einer Ebene, sodass selbst in Wirklichkeit weit entfernte Sterne den ganzen Himmel auszufüllen scheinen. Erst nach der Erfindung des Teleskops haben wir gelernt, dass der Himmel eine Ansammlung unzähliger Sterne ist.

Aber die Erdbewohner bezogen sich auf die Sterne, nicht auf den Himmel. Wieso? Haben sie die Sterne und den Himmel getrennt voneinander sehen können? Konnte man das einfach so durch Betrachten des Himmels feststellen, ohne Astronomen, die den Himmel durch Teleskope untersuchen und mathematische Berechnungen durchführen?

Erst da haben wir es verstanden. Der Himmel der Erde ist dunkel. Wir waren so an den leuchtenden Himmel gewöhnt, dass wir ihn für selbstverständlich hielten.

Anfangs widersetzen sich sogar gestandene Gelehrte dieser Hypothese. Egal wie gering die Dichte der Sterne auch ist, der Himmel muss doch hell sein. Die Größe des Universums ist unendlich und die Anzahl der Sterne ebenso. So weit sie auch weg sein mögen, würde man immer die Sterne sehen können, egal in welche Richtung man auch blickt. Wo auch immer man auf der Erde ist, der Himmel kann einfach nicht dunkel sein.

Junge Wissenschaftler beschäftigten sich dann aber erneut mit diesem Problem und kamen zu dem Schluss, dass, mit Ausnahme des Zentrums der Galaxis, der Himmel dunkel ist. Es ist unmöglich herauszufinden, ob die Größe des Universums und die Anzahl der Sterne unendlich ist. Aber selbst wenn: Das Universum dehnt sich aus, und irgendwann sind die Planeten wegen der Lichtgeschwindigkeit so weit entfernt, dass das Licht der Sterne sie überhaupt nicht mehr erreichen kann. Unser Himmel leuchtet, weil wir uns in der Nähe des Zentrums der Galaxis befinden und die Anzahl der Sterne so zahlreich ist, dass deren Licht unseren Himmel komplett erhellt.

Der Himmel der Erde ist dunkel. Das brachte jedoch eine weitere Frage auf. Wenn der Himmel dunkel ist und das Licht kaum die Erde erreicht, woher bekommen sie dann ihre Energie? Was gibt der Erde Energie und schenkt der Umwelt Leben?

Also steckten die Gelehrten wieder ihre Köpfe zusammen. Unser Planet dreht sich um das Zentrum der Galaxis. Wir beziehen unsere Energie von den Lichtquellen der zahlreichen Sterne aus ihrem Zentrum. Aber sind die äußeren Bereiche der Galaxis nicht zu weit entfernt, als dass die Energie sie erreichen könnte?

Vorsichtig wurde eine Theorie aufgestellt. Wenn es einen mittelgroßen, brennenden Stern in der Nähe der Erde gibt, den diese umkreist, und wenn sie sich in einem sehr genauen Abstand zu ihm befindet, eine geeignete Atmosphäre besitzt und der Stern ausreichend hell ist und wenn die Umlaufbahn und Achse der Erde zudem festgelegt sind, wenn all dies der Fall ist, dann könnte das Licht des Sterns genügend Energie für das Leben auf diesem Planeten liefern.

Wieder gab es heftige Einwände. Bei nur einer Lichtquelle wird allein die Hälfte der Fläche beleuchtet. Die meisten Planeten rotieren, und das müssen sie auch, um sich vor schädlicher Strahlung aus den Tiefen des Weltraums zu schützen. Egal wo die Erdlinge auf dem Planeten leben, das Licht würde nur den halben Tag scheinen.

Was passiert mit dem Planeten in den Stunden der Dunkelheit? Könnte die Atmosphäre genug Treibhausgase haben, um ihn am Einfrieren zu hindern? Wenn die Umlaufbahn eines Planeten kein perfekter Kreis wäre, wie groß wären dann die Temperaturschwankungen zwischen der minimalen und maximalen Entfernung zum Stern? Könnte sogar das von der Atmosphäre gesteuert werden? Ist der Planet magnetisch genug, um ein Magnetfeld zu erzeugen? Könnte es wirklich einen Planeten geben, der all diese Bedingungen erfüllt? Wie könnte Leben in einer so instabilen Umgebung gedeihen, die von nur einem Stern abhängig ist? Was, wenn der Wasserstoff im Stern plötzlich explodiert? Was, wenn die Rotationsachse oder die Umlaufbahn der Erde auch nur ein wenig erschüttert wird?

Selbst wenn solche Bedingungen mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Milliarde vorliegen würden, wäre die Zeit immer noch ein Problem. Wenn Planeten altern, ändern sich ihre Größe, Umlaufbahn und Temperatur. Der Zeitraum, in dem die Bedingungen für Leben existieren, wäre äußerst kurz. Kann Leben in so kurzer Zeit entstehen und gedeihen?

Diese Debatte ist bis jetzt noch nicht abgeschlossen. Gelehrte, die glauben, dass die Erde unbewohnbar sei, behaupten, jemand hätte sich mit der gesamten Übertragung bloß einen Witz erlaubt.

Offensichtlich sind die Chancen für Leben auf der Erde extrem gering. Unmöglich ist es aber nicht. Und es gibt genug Sterne in der Galaxis, um alle möglichen Wahrscheinlichkeiten wahr werden zu lassen. Solange also die Möglichkeit besteht, sollten wir davon ausgehen, dass sie existiert.

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel.

Durch diesen Satz drückten sie Dunkelheit aus, nicht Sterne. Ich denke, die Hypothese, dass dies eine Art Antwort sein könnte, ist richtig. In ferner Vergangenheit gab es einen Austausch zwischen uns. Sie wussten, dass unser Himmel nicht dunkel ist. Könnte es also einen passenderen Satz als diesen als Botschaft an eine solche Welt geben?

Ich schreibe dir diesen Brief, während ich vor meiner Holzkiste sitze und in den Himmel schaue. Wie immer strahlt er leuchtend hell. Als ob alles mit Juwelen und Gold bedeckt wäre, ist er lückenlos erfüllt von Licht. Zweifellos ein schöner Himmel.

Der Himmel der Erde wird jedoch eine andere Schönheit haben als unserer. Tagsüber wird es nur einen Stern an ihrem Himmel geben. Weil dieser Stern so nah und so riesig ist, dass er das gesamte Licht anderer Sterne verschluckt. Jede Stunde wird die Erde mit einem anderen Licht besprenkelt. Je nach Winkel des Sterns ändern sich auch die Temperatur und die Klimazonen. Die Erdlinge würden es nicht wagen, diesen Stern einfach nur »Stern« zu nennen. Er wird einen gewaltigen Namen tragen.

Der Erdtrabant wird nicht wie unserer im Licht verborgen sein. Es wird nicht nötig sein, die Gezeiten, die Erschütterung der Umlaufbahn des Planeten oder die Bewegung der Rotationsachse stets neu zu berechnen. Wenn die Nacht hereinbricht, wird ihr kosmischer Nachbar allein am Himmel schweben. Jeder, der in den Himmel schaut, wird ihn sehen können. Sie werden sogar die Schatten der Oberfläche so zeichnen können, als ob sie sie selbst in der Hand hielten.

Dieser Mond wird, wie der Stern, ebenfalls den Namen eines Gottes tragen. Die Menschen werden beten, singen und tanzen, während sie auf ihren Trabanten schauen. Wenn es an der Zeit ist, den Blick ins All zu richten, werden sie sich auf die Reise zu ihrem eigenen Mond begeben, so als hätten sie es ihm versprochen. Sie werden diesen kleinen Himmelskörper ohne Luft und Leben betreten und den Boden mit Ehrfurcht berühren.

Und sie werden die Sterne am Himmel sehen können.

Sie werden die Sterne einzeln zählen können, indem sie ihre Finger darauflegen, die Farbe, Größe und Helligkeit jedes Sterns unterscheiden können. Auch Nicht-Astronomen werden Sterne benennen. Möglicherweise können sie sich an die Positionen der Sterne erinnern, indem sie sie durch Striche miteinander verbinden und so Bilder zeichnen. Und zu den Bildern werden sie sich dann Geschichten überlegen. Auf der Erde wird jeder Stern den Namen eines Gottes tragen. Es wird Götter geben, die so vielfältig sind wie die Sterne am Himmel.

Immer wenn ich das Bewusstsein verliere, denke ich an die Erde. Eine Welt, in der sich Tag und Nacht regelmäßig abwechseln. Eine Welt, in der Hitze und Kälte, Aktivität und Ruhe jeden Tag die Plätze tauschen.

Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist. Wenn es nur einen Stern gibt, der die Erde erleuchtet, und wenn die Erde sich dreht, wird sie jeden Tag periodisch Dunkelheit erfahren. Wie der Eingang zur Höhle, die ich gefunden habe. Sie ist ein Planet, dessen Lichtintensität mit der Zeit variiert. Eine Welt, in der Licht und Dunkelheit koexistieren.

Ich glaube, die meisten Kreaturen auf diesem Planeten haben Narkolepsie. Einige von ihnen werden tagsüber aktiv sein, andere wiederum nachts. Nachdem sie ihren Körper an eine Seite angepasst haben, werden sie ihre Aktivitäten während der anderen Phase herunterfahren.

Vielleicht stammen auch unsere Vorfahren von einer solchen Welt. Wenn es in der Vergangenheit einen Austausch zwischen uns und der Erde gab, könnten unsere Vorfahren von der galaktischen Peripherie eingewandert sein. Und wenn auch sie in periodischer Dunkelheit lebten, hätten sie ebenfalls Narkolepsie wie diese Höhlenkreaturen. Wenn ja, ist die Narkolepsie, die ich habe, von unseren Vorfahren vererbt. Es war eine natürliche Anpassung an die Umgebung.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto seltsamer wird das Ganze! Wenn die Dunkelheit hereinbricht, werden die Menschen auf der Erde ganz natürlich in ihre eigenen Räume gehen und Zeit haben, das Bewusstsein zu verlieren. Niemand würde sich darüber lustig machen. Niemand würde dort jemanden festhalten und sagen: »Du kannst gesund werden.« Eltern würden ihr bewusstloses Kind nicht aufwecken und darüber Tränen vergießen. Kinder müssten sich im Kampf gegen Narkolepsie nicht schämen. An eine Behandlung würde man gar nicht denken. Wenn die Nacht hereinbricht und die Sterne am Himmel leuchten, würden die Menschen einander grüßen: »Habe eine gute Ohnmacht.« Und wenn der Morgen kommt, würden sie dann fragen, ob man letzte Nacht gut ohnmächtig war. Die Menschen dort würden glücklich schlafen gehen, ungestört und ganz natürlich. Schlaf ist ein Begriff, den ich verwende. Ich habe ihn erfunden, weil ich denke, dass wir einen weniger negativen Ausdruck brauchen.

Liebster Bruder, ich weiß sehr gut, wie du über mich denkst. Ich lebe ebenfalls auf diesem Planeten, und es ist nicht so, dass ich nicht den Wunsch hätte, wie die anderen zu sein. Aber andererseits finde ich auch, dass es keine große Sache ist.

Es ist schon sehr spät. Ich schätze, ich sollte auch wie jene Erdlinge schlafen gehen. Wenn irgendwann der Tag kommen sollte, an dem du meine Denkweise akzeptierst, wünsche bitte auch du mir einen guten Schlaf.

In Liebe

Deine Schwester

ÜBERSETZT VON DAVID RÖTTGER

Djuna

Pentagon

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