Die Sterne über den Black Mountains - Alexandra Zöbeli - E-Book
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Die Sterne über den Black Mountains E-Book

Alexandra Zöbeli

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Beschreibung

Eine Farm in Wales, liebenswerte Vierbeiner und die ganz große Liebe Autorin Caitlin ist eigentlich recht zufrieden mit ihrem Leben in Glasgow: Ihre Krimis sind erfolgreich, ihre Agentin ist ihre beste Freundin und ihre Wohnung ihr ruhiger Schaffensort. Wäre da nur nicht ihr schreckliches Lampenfieber. Bei einer Lesung geht alles schief und am nächsten Tag findet sich Caitlin komplett verkatert in einem Hotelzimmer wieder mit einer Notiz eines rettenden Helfers, der sie fürsorglicherweise dorthin verfrachtet hatte. Als kurz darauf auch noch ihre nervige Schwester bei ihr einzieht, ist Caitlins ruhiges Schriftstellerinnenleben endgültig vorbei. Kurzerhand flüchtet sie aus der Stadt auf eine abgelegene Farm am Fuße der walisischen Black Mountains um endlich zu schreiben. Bereits in der ersten Nacht wähnt Caitlin einen Einbrecher auf dem Grundstück, der sich jedoch nicht nur als der charmante wie gutaussehende Tierarzt Ben herausstellt, sondern auch als ihr Retter in der Not in Glasgow. Fast scheint es Schicksal, dass die beiden sich hier wiedertreffen sollten…

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Seitenzahl: 729

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Die Sterne über den Black Mountains

Die Autorin

Alexandra Zöbeli lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Zürcher Oberland in der Schweiz. Sie bekennt sich selbst als Britoholikerin — verrückt nach allem, was von der Insel kommt. Für Alex gibt es kaum etwas Schöneres, als die verschiedenen Ecken Großbritanniens zu entdecken und sich dabei vorzustellen, welche Geschichte sich an Ort und Stelle gerade abspielen könnte. Seit sie das Schreiben für sich entdeckt hat, leidet zwar der Haushalt, aber zumindest hat ihr Kopfkino endlich ein Ventil erhalten. Unter der Aufsicht ihres Katers Noah, der mit Vorliebe neben Alex' Laptop schläft, sind bisher sechs Romane entstanden.

Das Buch

Autorin Caitlin ist eigentlich recht zufrieden mit ihrem Leben in Glasgow: Ihre Krimis sind erfolgreich, ihre Agentin ist ihre beste Freundin und ihre Wohnung ihr ruhiger Schaffensort. Wäre da nur nicht ihr schreckliches Lampenfieber. Bei einer Lesung geht alles schief und am nächsten Tag findet sich Caitlin komplett verkatert in einem Hotelzimmer wieder mit einer Notiz eines rettenden Helfers, der sie fürsorglicherweise dorthin verfrachtet hatte. Als kurz darauf auch noch ihre nervige Schwester bei ihr einzieht, ist Caitlins ruhiges Schriftstellerinnenleben endgültig vorbei. Kurzerhand flüchtet sie aus der Stadt auf eine abgelegene Farm am Fuße der walisischen Black Mountains um endlich zu schreiben. Bereits in der ersten Nacht in der Abgeschiedenheit wähnt Caitlin einen Einbrecher auf dem Grundstück, der sich jedoch nicht nur als der charmante wie gutaussehende Tierarzt Ben herausstellt, sondern auch als ihr Retter in der Not in Glasgow. Fast scheint es Schicksal, dass die beiden sich hier wiedertreffen sollten…

Von Alexandra Zöbeli sind bei Forever erschienen:Ein Bett in CornwallEin Ticket nach SchottlandDie Rosen von Abbotswood CastleDer Himmel über den Black MountainsDer Pub der guten HoffnungDie Sterne über den Black Mountains

Alexandra Zöbeli

Die Sterne über den Black Mountains

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuni 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privat/ Carole FleischmannE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-481-7

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Der Himmel über den Black Mountains

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

1. Kapitel

1. Kapitel

»Warum habe ich mich bloß dazu überreden lassen?!«, schimpfte Caitlin in leiser Verzweiflung, während sie eine Beruhigungstablette aus dem Blister drückte. Bereits die zweite heute, aber es war weniger als eine Stunde bis zu ihrer allerersten Lesung, und ihre Nerven lagen blank. Schon der Gedanke daran, vor Publikum zu stehen, zu lesen und Fragen zu beantworten, ließ ihr den kalten Schweiß ausbrechen. Aber ihre Agentin und gleichzeitig beste Freundin Rachel löcherte sie schon seit einer Ewigkeit, endlich ihre Angst zu überwinden und den Leuten das zu geben, was sie wollten. »Die fressen dich schon nicht«, hatte Rachel an diesem verflixten Abend im Drum and Monkey geschmunzelt. Sie hatten sich, wie so oft, in ihrem Lieblingspub verabredet. »Die wollen dich nur kennenlernen, und du musst auch nichts weiter tun als aus deinem neuesten Buch vorzulesen. Das kann doch nicht so schwer sein.«

»Wenn ich vor Publikum sprechen wollte, wäre ich Schauspielerin oder Pfarrerin geworden. Ich will aber nur schreiben. Warum versteht das keiner?«

»Weil es zum Job einer Autorin nun mal dazugehört. Du kannst die Öffentlichkeitsarbeit nicht einfach links liegen lassen.«

»Das tue ich doch gar nicht«, hatte sich Caitlin etwas eingeschnappt gewehrt.

»Öffentlichkeitsarbeit bedeutet nicht nur die Mails der Fans beantworten, Caitie. Die Leute wollen deine Stimme hören, dich sehen …«

»Wenn du jetzt noch sagst, dich anfassen, schreie ich.«

Lachend hatte sich Rachel von ihrem gemütlichen Ledersessel erhoben, um eine Runde Weißwein beim Barkeeper zu bestellen. Wie immer war der Pub ziemlich voll gewesen, aber da die Tische nicht zu dicht beieinanderstanden, konnte man sich dennoch gut unterhalten, ohne sich anschreien zu müssen. Das dunkle Holz des Tresens war so blitzblank poliert, dass es mit den schwarzen Marmorsäulen um die Wette funkelte. Ihnen gefiel die Atmosphäre in diesem alten ehemaligen Bankgebäude, das einem das Gefühl gab, in eine andere Epoche einzutauchen, sobald man durch die Eingangstüre trat. Auf den bequemen Ledersesseln hatten die beiden Frauen sich schon viele Geheimnisse anvertraut, auf Erfolge angestoßen oder sich auch mal Trost gespendet. Die großen romantischen Leuchter an der Stuckdecke verbreiteten ein angenehmes warmes Licht, und es hätte ein wunderbarer Freundinnenabend werden können, hätte Rachel nicht dieses leidige Thema zur Sprache gebracht. Sie hatte den ganzen Abend auf Caitlin eingeredet. »Es ist doch nur eine einzige Lesung hier in deiner Heimatstadt. Du bist Glasgow etwas schuldig.«

»Bin ich nicht! Ich wüsste nicht, was Glasgow je für mich getan hätte.«

»Okay, okay, ich sehe schon, auf dein Heimatgefühl kann ich nicht zählen. Aber dann tu’s für mich. Bitte, Caitie.«

Caitlin hatte gezögerte. »Ich kann das wirklich nicht …«

»Du hast es doch noch gar nie ausprobiert. Versuche es wenigstens ein einziges Mal.«

Nach zwei Gläsern Weißwein hatte Caitlin schließlich widerwillig zugestimmt. »Aber das ist wirklich eine Ausnahme, die ich nur für dich mache, und bitte achte darauf, dass es nur eine klitzekleine Lesung sein wird, ja?«

Rachel hatte gejubelt, was die Leute an den Nebentischen sich verwundert nach ihnen umdrehen ließ. Das war mittlerweile einen Monat und fünf Sitzungen bei einer Psychiaterin später. Die Psychiaterin hatte Caitlin von Anfang an gesagt, dass die kurze Zeit nicht ausreichen würde, ihre Ängste zu besiegen, aber dass sie ihr zumindest Unterstützung in Form von Tabletten anbieten könnte. Tja, und nun saß sie da und ließ Temesta unter ihrer Zunge vergehen in der Hoffnung, die lähmende Angst vertreiben zu können. Nur noch eine Viertelstunde, dann sollte sie sich auf den Weg machen. Ihr Magen grummelte und meldete, dass sie den ganzen Tag aus Nervosität kaum was zu sich genommen hatte. Sollte sie jetzt noch etwas essen? Es wäre zu peinlich, wenn sie am Lesepult säße und ihr Magen plötzlich so laut knurrte, dass die Zuhörer es über das Mikrofon hören könnten. Caitlin verließ das Badezimmer und ging in die moderne Küche ihres Apartments. Ihre Wohnung war ein echter Glückstreffer gewesen, und sie fühlte sich wohl in dem Mix aus Moderne und Geschichte. Seit gut fünf Jahren wohnte sie nun schon im West End District von Glasgow, ein sehr beliebtes Wohngebiet, das an den Botanischen Garten angrenzte. Bereits das altehrwürdige Treppenhaus hatte Caitlin bei der Besichtigung beeindruckt. Es gab darin schon einen Aufzug, aber den nahm Caitlin nur, wenn sie schwere Einkaufstaschen trug. Ansonsten bevorzugte sie die steinerne Treppe, die sie an hübsch verzierten Glasfenstern und einer antiken hölzernen Wandverkleidung vorbeiführte. Auch im Korridor ihres Apartments setzten sich die Wandpaneele fort. Von da aus gelangte man in ein lichtdurchflutetes Wohnzimmer, das über zwei riesige Erkerfenster verfügte, in die Caitlin gemütliche weiße Sofas gestellt hatte, damit man den Ausblick in den Park genießen konnte. Auf dem dunklen Holzboden lagen elfenbeinfarbene flauschige Teppiche, in die Caitlin gerne ihre nackten Zehen grub. In der Küche waren die Möbel winterweiß gehalten. Nur der Herd, der Kühlschrank und die Küchenabdeckung funkelten in gebürstetem Edelstahl. Aber was nützte einem ein glänzender Kühlschrank, wenn er leer war? Eigentlich hatte sie heute einkaufen gehen wollen, doch sie war so in ihrer Angst gefangen, dass sie es nicht geschafft hatte, an irgendetwas anderes zu denken als an ihre bevorstehende Hinrichtung: die Lesung. Um etwas vom Italiener zu bestellen, war es jetzt auch zu spät. Seufzend schloss Caitlin die Tür des unergiebigen Kühlschranks und beschloss, sich stattdessen noch einen Tee zu kochen. Langsam fühlte sie, wie die Wirkung des Medikaments einsetzte. Ihr Herz raste nicht mehr so sehr, und auch das Zittern ihrer Hände ließ etwas nach. Vielleicht bekam sie es ja doch noch in den Griff, bevor sie losmusste. Sie öffnete den Schrank neben dem Herd und griff nach der Packung Earl Grey, da fiel ihr Blick auf die Kekstüte daneben. Ihre Rettung! Sie hatte völlig vergessen, dass ihre Schwester ihr vor ein paar Tagen die Kekse vorbeigebracht hatte, bevor sie weiter auf eine Party wollte. »Meine ersten Backversuche«, hatte Kendra stolz verkündet und ihr gleichzeitig zugezwinkert. »Genieße es, Schwesterchen.«

Na, mal sehen, ob die Kekse essbar waren. Denn Kendra war alles andere als häuslich. Sie war eine Partymaus, die selten vor dem Morgengrauen nach Hause kam. Obwohl sie bereits zweiunddreißig Jahre alt war, lebte Kendra immer noch bei ihren Eltern. Zwar hatte sie ein paar Ausbildungen angefangen, aber alle wieder abgebrochen. Caitlin staunte über ihre Eltern, die das mitmachten und ihrer Schwester nach wie vor ein Dach über dem Kopf wie auch finanzielle Sicherheit boten. »Ach, sie wird bestimmt bald einen Ehemann finden«, hatte ihre Mutter gemeint, als Caitlin sie mal darauf angesprochen hatte. Ihre Eltern waren wohlhabend und lebten in einer großzügigen Villa etwas außerhalb von Glasgow. Trotzdem wäre es Caitlin nie in den Sinn gekommen, sich von ihnen aushalten zu lassen. Natürlich war es für sie auch ein Glücksfall gewesen, dass sie für ihre Bücher einen Verlag gefunden hatte und sie sich ihren Lebensunterhalt mit einer Arbeit verdienen konnte, die ihr richtig Spaß machte. Es gab für Caitlin nichts Schöneres, als sich eine Geschichte auszudenken und sich auf ihre Protagonisten einzulassen. Für sie war es, als schlüpfte sie dadurch für eine Weile in eine andere Rolle. Sie konnte dann viel mutiger sein als im wirklichen Leben. Denn auch wenn es in ihren Geschichten meistens ganz schön gruselig zuging, siegten am Ende die Guten immer. Das musste sie allein schon für ihr eigenes Seelenheil so halten. Ein ungelöster Mordfall würde sie ansonsten nachts nicht schlafen lassen.

Caitlin legte den Kopf schief und betrachtete die Kekse etwas genauer. Eigentlich sahen sie ganz appetitlich aus. Auf der Verpackung war ein selbst gebasteltes Etikett angebracht, auf dem in zierlicher Handschrift Happy Cookies stand, verziert mit bunten Blümchen und Marienkäfern. Das war so typisch für Kendra, schmunzelte Caitlin und löste das Schnürchen der Cellophantüte. Mit spitzen Fingern klaubte sie sich einen Keks heraus und steckte ihn in den Mund. Etwas trocken, aber durchaus schmackhaft. Allenfalls ein wenig zu viel Zucker, aber das war im Moment genau das, was sie brauchte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie noch etwa fünf Minuten Zeit hatte, und so setzte sie sich mit der Tüte auf das ausladende Sofa vor dem Eckfenster. Zwei weitere Kekse verschwanden in ihrem Mund, während sie zuschaute, wie draußen die Menschen den ersten wärmeren Abend in diesem Frühjahr im Freien genossen. Vielleicht konnte sie nach der Lesung auch noch einen Spaziergang durch den Kelvingrove Park machen, um das Adrenalin wieder etwas abzubauen. Die Lesung! Jetzt musste sie sich langsam doch beeilen, wenn sie nicht zu spät kommen wollte. Rasch putzte sie sich die Zähne, warf einen letzten kritischen Blick auf ihre dunkelbraune wilde Mähne, die sie doch nie zu bändigen vermochte, bevor sie nach ihrer schwarzen Jacke griff, die sie über den ebenfalls schwarzen Rollkragenpulli zog. Sie hatte heute ein Outfit gewählt, das zu ihren düsteren Krimis und Thrillern passte. Rachel hatte sie beraten und gemeint, dass das Publikum eine bestimmte Erwartung an eine Krimiautorin hätte. Da könne sie nicht wie sonst in ihren weiten romantischen grünen oder altrosafarbenen Kleidern auftauchen. »Die wollen nicht die Blümchenfee treffen, sondern die knallharte Detektivin, die vor keiner Leiche zurückschreckt.«

Caitlin seufzte ein letztes Mal und stellte sich dann ihrem Schicksal. Da der Botanische Garten noch geöffnet war, nutzte sie ihn als Abkürzung. Sie hatte sich bewusst dazu entschieden, den Weg zu Fuß zurückzulegen, in der Hoffnung, ihre vor Angst angespannten Muskeln etwas zu lockern und sich weiter zu beruhigen. Im Garten tummelten sich noch immer Besucher, die Caitlin aber gar nicht richtig wahrnahm. Zielstrebig ging sie weiter den asphaltierten Weg entlang, vorbei an den viktorianischen Gewächshäusern und den zahlreichen Parkbänken, auf denen sie sonst auch immer gerne saß und die Menschen beobachtete. Schon oft hatte sie dadurch Ideen für ihre Figuren erhalten, aber heute blieb keine Zeit dazu. Als sie schließlich vor der Mitchell Library stand und den Aushang für die heutige Lesung mit ihrem Foto sah, zog sich ihr Magen gleich wieder nervös zusammen. Einen kurzen Augenblick dachte sie darüber nach, kehrtzumachen und die Flucht zu ergreifen. Aber als ob sie es geahnt hätte, tauchte Rachel hinter ihr auf.

»Hallo, meine Schöne!«, begrüßte ihre Freundin sie und schloss sie in eine parfümierte Umarmung. Wie üblich sah Rachel wie aus dem Ei gepellt aus. Ihre honigblonde Frisur saß beneidenswert perfekt. Nicht ein Haar wagte es, aus der Reihe zu tanzen. Sie trug einen schicken grauen Blazer zu einer weißen Bluse und engen Bluejeans. Nicht zu aufgetakelt, aber doch businesslike. Ihre stahlblauen Augen musterten Caitlin aufmerksam. »Du siehst super aus«, meinte sie, zufrieden mit dem Ergebnis. »Die werden dich lieben, du wirst schon sehen. Komm, lass uns reingehen.«

Caitlin folgte Rachel in das prunkvolle Gebäude. In der großen Halle kam gleich der Veranstaltungsleiter auf sie zu, der sich ihnen als Arthur Fairchild vorstellte. »Es ist uns eine Ehre, Miss Cunningham, dass Sie Ihre erste Lesung bei uns abhalten. Ich habe alle Ihre Werke gelesen, und bei Blutige Disteln konnte selbst ich nachts kaum mehr ein Auge zutun. Wirklich gruselig.«

Caitlin zwang sich zu einem Lächeln, das vermutlich etwas gequält aussah. »Danke, es freut mich, dass Ihnen meine Bücher gefallen.«

»Folgen Sie mir, dann zeige ich Ihnen den Saal. Sollte etwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit sein, können wir es selbstverständlich noch ändern.« Die beiden Frauen gingen hinter dem geschniegelten älteren Herrn her. Über verschiedene Treppen und Gänge landeten sie schließlich in einem riesigen Raum mit hoher stuckverzierter Decke. Allein die Anzahl der aufgestellten Stühle ließ Caitlins Herz so rasant klopfen, als wollte es davongaloppieren. Doch es war eingesperrt in einen plötzlich viel zu engen Brustkorb und konnte nicht entfliehen, genau wie Caitlin dieser Situation nicht entkommen konnte. »Ich habe gesagt, eine kleine Lesung, Rachel«, zischte sie ihrer Freundin zu.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Mr Fairchild mit einem freundlichen Lächeln.

»Nein, nein, alles wunderbar«, beschwichtigte Rachel in munterem Ton.

»Wir haben hier für Sie einen Tisch mit Mikrofon hingestellt. Wasser wird selbstverständlich noch folgen, oder hätten Sie einen anderen Wunsch?«

»Eine Trennwand zum Publikum«, scherzte Caitlin nervös, was Mr Fairchild auflachen ließ.

»Ich sehe schon, Sie können etwas Sekt für die Nerven vertragen. Kommen Sie, wir haben im angrenzenden Raum für Sie ein Refugium eingerichtet, wo Sie noch etwas für sich sein können, bevor es losgeht. Da wartet auch schon ein Gläschen auf Sie und Ihre Agentin.«

Als er Caitlin und Rachel je ein gut gefülltes Glas in die Hände gedrückt hatte, entschuldigte er sich, weil die Besucher der Lesung in Empfang genommen werden wollten.

»Ich bin ganz zittrig«, beklagte sich Caitlin. »Das kann niemals gut gehen.«

»Ach, komm, das sind nur deine Nerven. Trink einen Schluck, das hilft bestimmt.«

Rachels Handy klingelte. »Hey, Liebling«, meldete sie sich. Demnach musste es sich bei dem Anrufer um Jamie, Rachels Mann, handeln. »Was gibt‘s?« Während Rachel ihrem Mann zuhörte, kräuselte sich ihre Stirn immer besorgter zusammen. »Worauf wartest du noch! Fahr mit ihr ins Krankenhaus, Herrgott noch mal! Ich bin gleich bei euch.«

Entsetzt blickte Caitlin Rachel an. »Ist etwas passiert?«

»Anni ist von ihrem Hochbett runtergefallen, und nun schreit sie die ganze Zeit. Jamie ist sich nicht sicher, ob sie sich doch schlimmer verletzt hat, als er dachte. Entschuldige, Liebes, es ist mir wirklich nicht recht, aber ich muss los.«

»Ja, klar, das versteh ich. Gib ihr ein Küsschen von mir.« Kaum war Caitlin mit ihrer Panik allein im Raum, sah die Flasche Sekt noch verlockender aus als zuvor. Bestimmt hatte Rachel recht, und ein kleiner Schluck würde ihre Nerven etwas beruhigen. Doch auch nach einem Glas fühlte sich ihr Mund staubtrocken an, während ihre Hände zitterten. Bis Mr Fairchild schließlich zurückkehrte, waren zwei Gläschen in ihrer Kehle verschwunden.

»Wir wären dann so weit.« Er schaute sie skeptisch an. »Ist Ihnen nicht gut? Sie sehen etwas blass aus.«

»Ich bin nur ein wenig nervös, aber es geht schon.« Auf dem Weg zum Saal erklärte Mr Fairchild ihr, dass er sie zuerst dem Publikum kurz mit Lebenslauf vorstellen werde, anschließend solle sie ein paar Seiten aus ihrem Roman vorlesen und etwas über sich und das Schreiben erzählen, bevor die Zuhörer die eine oder andere Frage stellen konnten. Den Rest bekam Caitlin irgendwie nicht mit, da sie sich konzentrieren musste, geradeaus zu gehen. Himmel, so viel hatte sie doch gar nicht getrunken. Und warum war ihr auf einmal so heiß? Vielleicht hätte sie doch besser die Hände vom Alkohol gelassen. Sie betraten den Saal, in dem es sofort still wurde. Der Veranstalter geleitete sie zum Tisch und zog ihr den Stuhl zurecht. Dann begann er sie salbungsvoll vorzustellen. Das Ganze war ihr so peinlich, dass Caitlin gar nicht wusste, wo sie hinschauen sollte. Sie ließ die Augen über die ersten Zuschauerreihen gleiten und musste plötzlich ein Kichern unterdrücken. Die sahen ja alle so erwartungsvoll aus. Und die Krawatte, die der Herr in der ersten Reihe links außen trug, waren da wirklich Mäuse drauf?

Mittlerweile war Mr Fairchild dazu übergegangen, den Ablauf des Abends zu erläutern. »Nun wünsche ich Ihnen allen viel Spaß und einen spannenden Abend mit unserer Caitlin Cunningham«, schloss er und lächelte ihr aufmunternd zu. Aha, jetzt war also sie dran. Wieder musste sie die Lippen zusammenpressen, um zu verhindern, dass sie losprustete. Sie wusste nicht, warum, aber das alles war so absurd. Puh, und heiß war es hier drin! Sie fächelte sich etwas Luft zu und schlug mit der anderen Hand das Buch auf. Ihr verlegenes Räuspern klang über das Mikrofon wie das Bellen eines asthmatischen Mopses. »Guten Abend«, beeilte sie sich zu sagen und zuckte gleich zusammen, als ihre Worte in dem Saal widerhallten. War das wirklich ihre Stimme? Vielleicht hatte ja ein Alien von ihrem Körper Besitz ergriffen und sprach nun aus ihr. Du meine Güte, Caitlin, versuch dich zu konzentrieren und lach bloß nicht! »Hui, ist das warm heute«, sagte sie stattdessen und fächelte sich wiederholt Luft zu. »Also, Sie sind hier … und ich auch … dann legen wir mal los mit den Blutigen Disteln.« Sie betonte den Buchtitel mit düsterer Stimme und konnte das Glucksen nun doch nicht länger zurückhalten. Leicht irritiert blickte das Publikum ihr entgegen. Caitlin blätterte hektisch in den Seiten, um die markierte Stelle aufzuschlagen, wo sie mit dem Lesen beginnen sollte. Doch als sie die Markierung gefunden hatte, wirbelten die Buchstaben vor ihren Augen wild durcheinander. Sie konnte nicht einen vernünftigen Satz auf der Seite erkennen. Streng raunte sie den Buchstaben zu: »Benehmt euch gefälligst! Wir müssen hier einen guten Eindruck hinterlassen.« Doch die Buchstaben hatten ein Eigenleben entwickelt. Das O kugelte über das N, das B zog seinen dicken Bauch ein und rannte dem M hinterher, während der Strich vom I seinen Punkt einzufangen versuchte. Verwirrt schüttelte Caitlin den Kopf, das alles machte keinen Sinn. Na schön, nun galt es eben zu improvisieren. »Es tut mir leid, aber die Buchstaben wollen gerade nicht vorgelesen werden«, grinsend blickte sie in die Runde der belesenen Zuhörer, die sie mit großen Augen musterten. »Keine Sorge, da ich sie ja zu Worten und Sätze zusammengefügt habe, kann ich Ihnen auch so erzählen, worum es in Blutige Disteln geht.« Erneut ließ sie ihre Stimme wie aus einem Grab klingen, als sie den Titel aussprach. Mr Fairchild lächelte sichtlich verlegen und trat an ihre Seite. »Geht es Ihnen wirklich gut, Miss?«, raunte er.

»Aber ja, Sir Arthur, alles bestens. Lassen Sie mich fortfahren«, gewichtig hob sie ihren Kopf. »Da ist also die kluge und wuuuuuunderwunderschöne Detektivin Jazz, die klären muss, wer dieser böse, böse Mann ist, der Frauen zerstückelt und sie dann im Loch Lomond entsorgt. Aber sie ist nicht allein.« Caitlin schüttelte heftig den Kopf, worauf es ihr prompt schwindelig wurde. »Neiiiiiin, sie ist definitiv nicht allein, sondern hat Hilfe von diesem schnuckligen Reporter Glenn.« Sie kam aus der Schwärmerei für diesen Reporter mit dem knackigen Hintern gar nicht mehr heraus. Mr Fairchild versuchte die Situation zu retten, indem er sie fragte, ob sie denn für ihre Figuren jeweils Vorbilder habe. »Was haben Sie zum Beispiel mit dieser Detektivin Jazz gemeinsam?«

Caitlin lachte schallend und viel zu laut. »Auch wenn mich meine Agentin dazu verdonnert hat, heute wie Jazz auszusehen, so bin ich nicht wie sie.« Sie schüttelte heftig den Kopf, was zur Folge hatte, dass sich plötzlich alles zu drehen begann. Mit zusammengekniffenen Augen hielt sie sich an der Tischkante fest. »Jazz kennt keine Angst«, stieß sie hervor. »Sie tut das, was sie will. Was wir gemein haben, ist die Neugier. Zum Beispiel würde ich gerne wissen, warum der Herr hier vorne ein Toupet trägt und warum die ältere Dame ständig zu dem jungen Mann neben der Tür blickt. Haben die beiden etwa eine Affäre?«

Ein Raunen und Kichern ging durch das Publikum. Verflixt noch eins, warum hörte der Raum nicht auf, sich zu drehen? Davon wurde einem ja ganz übel. Caitlins Magen grummelte unheilvoll, und kalter Schweiß trat auf ihre Stirn. »Es tut mir leid …«, keuchte sie vom Stuhl aufspringend. Eigentlich wollte sie zu den Toiletten hinausrennen, doch so weit kam sie nicht. Eine hohe kitschige Bodenvase schien ihre einzige Rettung zu sein. Caitlin stürzte zu ihr hin und erbrach ihren Mageninhalt hinein.

»Um Gottes willen!«, keuchte Mr Fairchild neben ihr. Er klang einerseits besorgt und andererseits ziemlich ungehalten. »Es ist wohl besser, Sie gehen nach Hause. Ich versuche hier noch zu retten, was zu retten ist.« Er drehte sich mit einem gekünstelten Lächeln zu seinen Gästen um. »Es tut mir sehr leid, wie Sie mitbekommen haben, geht es Miss Cunningham leider nicht gut. Ich werde an ihrer Stelle die Lesung zu Ende führen, damit Sie nicht ganz vergebens …«

Caitlin rannte aus dem Raum und hörte die letzten Worte nicht mehr. Oh Gott, war ihr übel. Sie musste unbedingt raus hier. Das war aber gar nicht so einfach, so schwindelig, wie ihr war. Es schien, als würden sich die Treppenstufen, die sie hinunterhetzte, bewegen. Die Wände waren plötzlich wie aus Gummi, und die Verzierungen an der Decke wirkten wie ein rotierendes Mandala. Als Caitlin es endlich ins Freie geschafft hatte, musste sie sich erst einmal auf die steinerne Balustrade setzen und tief Luft holen. Hier draußen war es angenehm kühler, und ihr Magen beruhigte sich langsam. Herrlich, wie bunt Glasgow war, schoss es ihr durch den Kopf. So viele Farben! Der Rasen war so grün, und all diese lustigen Autos, die an ihr vorbeisausten. Sie stand auf und drehte sich im Kreis, wodurch die Farben durcheinandergerieten, als würde Caitlin mit einem Pinsel wild durch eine Malerpalette sausen. Das war so lustig, dass sie gar nicht mehr aufhören konnte zu lachen. Menschen liefen an ihr vorbei und sahen sie verständnislos an, was ihren Lachanfall nur noch intensivierte. In der Ferne hörte sie Donnergrollen. Du meine Güte, hatte sie etwa gar den Himmel erzürnt? Sie hüpfte den Gehsteig entlang, ohne genau zu wissen, wo sie hinwollte. Aber was spielte das für eine Rolle? Niemand wartete auf sie, sie musste nirgendwohin, ganz im Gegensatz zu all diesen Autos. Wow, was für ein Chaos da auf der Straße herrschte. Irgendjemand sollte den Verkehr regeln, sonst käme die Mutter mit dem Kinderwagen ja nie auf die andere Seite. »Warten Sie, ich helfe Ihnen!«, bot Caitlin großzügig an und schritt energisch über den Zebrastreifen mitten auf die Straße. Die Fahrer traten abrupt auf die Bremse und hupten genervt. Mit einer ausladenden Verbeugung deutete Caitlin der Mutter an, dass sie nun sicher ihres Weges gehen könne. Kopfschüttelnd folgte diese der Aufforderung. Doch Caitlin sah darin ihren Auftrag noch nicht erfüllt und befand, sie machte sich ganz gut in dem Job. Sie winkte die Fahrzeuge durch und hörte das Geschimpfe der Fahrer gar nicht. Mit der Zeit ermüdete sie aber das Gewinke. Gähnend beschloss sie, sich ein wenig auszuruhen. Sie saß schon auf dem Boden, als jemand sie ansprach. »Hey, meine Liebe, Sie können sich hier nicht hinlegen.«

»Warum denn nicht?« Sie legte den Kopf schief und schaute neben sich auf den breiten weißen Zebrastreifen. »Ist doch genug Platz da.«

»Na ja, ein ziemlich hartes Bett, finden Sie nicht? Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.« Er streckte ihr seine Hand hin und zog sie hoch.

»Sind Sie Engländer? Sie klingen so steif?«

Der Mann schmunzelte und führte sie mit sich zur anderen Straßenseite. »Erwischt. Und Sie? Haben Sie etwas zu tief ins Glas geschaut?«

Caitlin schüttelte ernst den Kopf. »Ich habe nur zwei klitzekleine Gläschen Sekt getrunken.«

Der Mann lachte gutmütig, was eine kleine attraktive Lachfalte neben seinem Mundwinkel zutage brachte. »Das scheint mir eher ein wenig mehr gewesen zu sein. Wenn Sie mir sagen, wo Sie wohnen, bringe ich Sie nach Hause.«

Sie schürzte die Lippen und dachte nach. »Sie sind ein Fremder. Ich werde Ihnen gewiss nicht meine Adresse verraten.«

»Und ich kann Sie unmöglich in diesem Zustand allein herumlaufen lassen.«

»In welchem Zustand?«, fragte Caitlin ahnungslos. »Mir geht es blendend. Na schön, vorhin war mir noch schlecht, aber jetzt geht’s mir gut. Oh, hören Sie, da ist Musik. Ich liiiiiebe Musik!« Ihre Müdigkeit schien auf einmal wie weggeblasen, und schon hüpfte Caitlin erneut über die Straße in die Richtung des Pubs, bei dem die Tür weit offen stand und fröhliche Musik aus dem Innern schallte. Das Gehupe der Autos ignorierte sie großzügig. Auch die dicken Regentropfen, die mittlerweile vom Himmel prasselten, störten sie nicht. Mit ausgebreiteten Armen und einem entrückten Lächeln im Gesicht tanzte Caitlin auf dem Gehsteig zu den keltischen Rhythmen. Der Engländer sah von der anderen Straßenseite kopfschüttelnd zu ihr hinüber und schien abzuwägen, ob er sie wohl ihrem Schicksal überlassen konnte.

»Hey, Süße!« Ein Hüne von einem Kerl legte seinen tätowierten Arm um ihre Taille und versuchte sie näher an sich zu ziehen.

Caitlin kicherte ausgelassen. »Deine Nase bewegt sich in deinem Gesicht. Wie machst du das?«

»Das kann ich dir gerne zeigen«, er wollte sie gerade küssen, als jemand dazwischenging.

»Hey, Kumpel, lass mein Mädchen in Ruhe!« Es war der Engländer. Caitlin geriet etwas ins Torkeln und stützte sich bei ihm ab.

»Ja, ich bin sein Lassie, und er ist mein Engländer.« Wieder gluckste sie amüsiert, während sie sich an seinem Arm festhielt.

Der tätowierte Kerl sah aus, als wollte er ihrem Engländer gleich eine reinhauen. Caitlin trat einen Schritt auf ihn zu und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. »Nicht böse sein, Großer.« Dann winkte sie ihm neckisch zu und wollte bereits wieder über die Straße Richtung Park rennen, aber der Engländer hielt sie an der Hand zurück. »Sie sollten Ihr Glück nicht noch einmal herausfordern. Kommen Sie, wir gehen über den Zebrastreifen.« Während sie im Regen warteten, dass sie die Straße queren konnten, hielt Caitlin ihr Gesicht zum Himmel empor, um die Regentropfen aufzufangen. Sie hatte ja solchen Durst. Es blitzte, und nach ein paar Sekunden folgte ein Donnerschlag, den Caitlin laut mit »Krawumm« kommentierte. Kaum waren sie auf der anderen Seite, entdeckte sie den großen Brunnen im Park. Sie riss sich von dem Engländer los und rannte zur Mauerumrandung. Ohne ihre Schuhe auszuziehen, kletterte sie in das große Becken. Das Wasser war eiskalt, aber es fühlte sich herrlich an. Durstig wollte sie gerade mit ihren Händen etwas Wasser schöpfen, als der Engländer ihr warnend zurief: »Das sollten Sie besser bleiben lassen. Sonst kotzen Sie sich anschließend die Seele aus dem Leib.«

»Das habe ich doch schon. Vor dem ganzen Publikum in der Bibliothek.« Erneut überkam sie ein Lachanfall. »Die haben mich angeschaut, als wäre ich verrückt. Aber ich bin nicht verrückt.«

»Nur etwas high?«, fragte der gut aussehende Mann schmunzelnd vom Brunnenrand. »Kommen Sie raus aus dem Wasser. Das ist gefährlich bei einem Gewitter.« Tatsächlich klang der Donner nicht mehr weit entfernt.

»Sind Sie mein Beschützer?«, fragte Caitlin keck und blinzelte ihm zu, während sie durch das Becken in seine Richtung watete.

»Vielleicht. Wollen Sie mir noch immer nicht Ihre Adresse nennen, damit ich Sie sicher nach Hause bringen kann?«

Caitlin griff nach seiner Hand, die er ihr hilfsbereit entgegenstreckte, damit sie zurück über den Mauerrand klettern konnte. Danach ließ sie seine Hand nicht gleich los und schaute ihm tief in seine Augen. Schade, es war bereits dunkel, da konnte sie die Farbe nicht erkennen. Sie strich ihm mit dem Finger der anderen Hand über seine regenfeuchte Wange. »Doch, Ihnen würde ich sie verraten, wenn ich sie wüsste. Aber«, sie zuckte mit den Schultern, »ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«

»Wissen Sie noch, wie Sie heißen?«

»Caitlin. Ich bin so müde. Darf ich mich ein wenig an Ihnen ausruhen?«, fragte sie und legte bereits ihren Kopf an seine Schulter.

»Welche Drogen haben Sie genommen«, raunte er in ihr Ohr.

Empört schnellte ihr Kopf empor. »Ich nehme doch keine Drogen! Aber vielleicht sind es die Beruhigungsmittel, die mich so müde machen.«

»Was genau haben Sie geschluckt?«, fragte er misstrauisch.

»Nur zwei Temesta.« Sie gähnte und musste schon wieder lachen, ohne zu wissen weshalb.

»Sind Sie sicher, dass Sie nicht die ganze Packung intus haben?«, fragte er grinsend.

»Ja, nur zwei Stück.«, seufzte sie und wollte sich der bleiernen Müdigkeit hingeben.

»Nicht einschlafen, Caitlin. Ich bringe Sie an einen Ort, wo Sie sich ausruhen können. Aber Sie müssen mir etwas helfen. Kommen Sie.« Zurück an der Straße, winkte er sich ein Taxi heran. Er nannte dem Fahrer ein Hotel, bevor er sich neben sie setzte.

»Sie riechen gut«, brummelte Caitlin an seiner Schulter angelehnt. »Schlafen Sie nun mit mir?«

Er lachte leise. »Bei Gott, nein, natürlich nicht!«

»Stimmt, Sie sind ja mein edler englischer … Beschützer.« Sie legte ihre Hand auf seine Brust und schloss selig die Augen.

»Was hat Ihnen solche Angst gemacht, dass Sie Beruhigungstabletten brauchten?«, fragte er und legte seine Hand über die ihre.

»Lesung«, murmelte sie. »Ich musste eine Lesung halten.« Nicht länger imstande, ihrer Müdigkeit zu entkommen, schlummerte sie ein, angelehnt an den Engländer, der sich gar nicht so steif anfühlte.

Als das Taxi hielt, blinzelte sie verschlafen. »Bin ich zu Hause?«

»Nicht ganz. Aber bald.« Ihr Beschützer bezahlte das Taxi, bevor er ausstieg und gerade noch rechtzeitig die andere Seite erreichte, um sie aufzufangen, als sie hinausstolperte. Er hielt sie sicher um ihre Taille fest, während er mit dem anderen Arm die Tür des Taxis schloss und dem Fahrer ein Zeichen gab, dass er losfahren konnte. Caitlin legte ihre Hand an seine Wange und schaute ihm einen Moment tief in die Augen. Das Bedürfnis, ihn zu küssen, kam wie aus dem Nichts über sie, doch als sie sich zu ihm vorbeugte, hielt er sie abwehrend von sich. »Wow, meine Liebe, ich erinnere Sie nur ungern daran, aber Sie riechen etwas streng.«

Caitlin zog einen Schmollmund und stieß sich von ihm ab. Leider gehorchten ihr aber die Beine nicht so recht, und so wehrte sie sich nicht, als sein Arm sich erneut um sie legte. Torkelnd ging sie an seiner Seite ins Hotelgebäude, wo er sie auf das Sofa in der Lobby dirigierte. »Sie warten hier«, wies er sie an. Caitlin beobachtete, wie er mit der Frau an der Theke sprach, aber sie hatte auf einmal solche Kopfschmerzen und war so erledigt, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte. Erst als der Engländer sie leicht anstieß, merkte sie, dass sie beinahe wieder eingeschlafen wäre. Sie ließ sich von ihm in den Lift schieben und kicherte unaufhörlich vor sich hin.

»Was amüsiert Sie so?«, fragte der Engländer.

»Sie. Sie tun so steif und edel, und nun schleppen Sie mich, nass wie ein Pudel, in Ihr Zimmer.« Sie versuchte sich eine feuchte Haarlocke aus dem Gesicht zu pusten, was ihr aber kläglich misslang und sie erneut zum Glucksen brachte. »Wenn meine Mutter das wüsste. Sie wäre entsetzt!«

»Zu Recht, wie ich finde.« Der Lift gab einen leisen Klingelton von sich, als sie das Stockwerk erreichten. Kaum hatte er die Zimmertür geöffnet, stürmte sie hinein und suchte die Schränke ab.

»Kann ich helfen?«, bot er an.

»Ich habe solchen Durst. Die haben hier bestimmt eine Minibar. Warum ist es nur überall so heiß?« Caitlin zog ihren Pullover über den Kopf und stand nur noch in ihrem Unterhemdchen da. Mittlerweile hatte der Engländer aus dem Bad ein Glas Wasser besorgt, das er ihr nun ungeachtet ihrer Aufmachung hinhielt. Sie leerte es mit einem Zug und streckte es ihm wieder hin. »Mehr, bitte.«

Als er erneut ins Bad verschwand, setzte sie sich aufs Bett und zog ihre nassen Schuhe und die Hose aus. Der Engländer hob nur eine Augenbraue, als er zurückkam, und reichte ihr das aufgefüllte Glas. »Caitlin, sind Sie sicher, dass Sie außer den Beruhigungsmitteln keine Drogen genommen haben? Ihre Pupillen sind unnatürlich groß.«

»Gefallen sie Ihnen?«, hauchte sie verrucht, bevor sie das Wasser hinunterstürzte und ihm das leere Glas wieder hinhielt.

Er schmunzelte. »Sie haben schöne Augen, aber die Größe Ihrer Pupille bereitet mir etwas Sorgen. Und Sie trinken wie ein Pferd, das deutet alles darauf hin, dass Drogen im Spiel sein könnten.«

»Ich habe nichts genommen«, sie hob die Finger zum Schwur in die Höhe. »Ich bin die Seriöse in unserer Familie, für das Wilde ist meine Schwester zuständig.«

Sie schwang ihre Hand mit dem Glas hin und her und warf ihm einen nicht wirklich verführerischen Augenaufschlag zu. »Dürfte ich noch ein Glas Wasser haben … bitte?«

Als er mit dem Wasser zurückkehrte, war sie bereits auf dem Bett eingeschlafen. Schmunzelnd stellte er das Glas auf den kleinen Nachttisch, deckte sie zu und maß kurz ihren Puls am Handgelenk. Er raste ein bisschen, was nicht wirklich zu ihrer Müdigkeit passte. Auch wenn sie es abstritt, musste sie neben den zwei Beruhigungstabletten und den beiden Gläsern Alkohol noch irgendwas anderes geschluckt haben. Besser, er behielt sie noch eine Weile im Auge. Er griff nach ihrer Hose, die auf dem Boden lag, und breitete sie auf der Heizstange im Bad aus, damit sie bis zum Morgen trocknen konnte. Anschließend verschwand er kurz in sein eigenes Zimmer, um die Kleidung zu wechseln und sich die Haare zu trocknen, bevor er zu ihr zurückkehrte. Immer wieder prüfte er ihre Atmung und den Puls.

Glücklicherweise schien ihr Körper langsam zur Ruhe zu kommen, sodass er sich ein paar Stunden später von dem Sessel neben ihrem Bett erhob. Mit einem letzten Blick auf die schlafende Schöne verließ er das Zimmer. Was für eine Nacht! Erst später im Flieger erlaubte er sich, sich einen Moment vorzustellen, was passiert wäre, wenn er nicht zurück nach England gemusst hätte. Wenn sie aufgewacht wäre und ihn an ihrer Seite entdeckt hätte. Wäre sie entsetzt gewesen? Erleichtert? Oder vielleicht hätte sie sich auch an gar nichts mehr erinnert. Ihr Lachen war irgendwie niedlich gewesen, und wie sie so im Regen getanzt hatte … einfach unglaublich. Schmunzelnd schüttelte er den Kopf. Auch wenn sie völlig neben der Spur gewesen war, hatte sie irgendwas an sich gehabt, das mehr als nur den Beschützerinstinkt in ihm geweckt hatte. Aber es war müßig, darüber nachzudenken, denn er hatte lediglich einen Kongress in Glasgow besucht. Sein Leben spielte sich woanders ab. Mit einem leisen Laut des Bedauerns biss er in das trockene Sandwich, das die Fluggesellschaft ihren Passagieren gereicht hatte.

2. Kapitel

Caitlin blinzelte verschlafen. Das Tageslicht und eine laute Polizeisirene, die von der Straße ins Zimmer schallte, hatten sie geweckt. Verwirrt blickte sie sich in dem in Blautönen gehaltenen nüchternen Raum um. Wo war sie? Und wie war sie hierhergekommen? In ihrem Hirn war ein einziges großes schwarzes Loch. Mit klopfendem Herzen stand sie auf. Immerhin trug sie Unterwäsche, dann hatte sie vermutlich keine Dummheit begangen. Ihre Zunge fühlte sich pelzig an, und sie lechzte nach Wasser. Ihr Blick fiel auf das Glas neben ihrem Bett. Rasch griff sie danach und trank es gierig. Erst jetzt sah sie den Zettel auf dem Nachtschränkchen. Die Notiz war mit schwungvoller Schrift auf ein Briefpapier mit Hotellogo gekritzelt.

Guten Morgen, Caitlin

Es war nett, Sie gestern kennengelernt zu haben. Ihre Kleider hängen zum Trocknen im Bad. Sie können später das Hotel einfach verlassen, es ist alles geregelt.

Der Engländer

Sie kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu erinnern. Vage Bilder von einem Mann, der ihr aus einem Brunnen geholfen hatte, tauchten auf. Aber war das Realität oder Einbildung? Sosehr sie sich anstrengte, mehr wollte ihr beim besten Willen nicht einfallen. Sie hatte einen kompletten Filmriss. Nur warum? Wenn sie zu viel Alkohol getrunken hätte, müsste sie doch eigentlich einen tierischen Kater haben. Aber abgesehen von dem enormen Durst fühlte sie sich eigentlich ganz gut. Rasch ging sie ins Bad, schlüpfte in ihre Kleider und danach in die Schuhe, die noch immer ein wenig feucht waren. Ihre Handtasche fand sie nicht. War sie etwa ausgeraubt worden, oder hatte sie die Tasche irgendwo liegen gelassen? Am besten beeilte sie sich, nach Hause zu kommen, vielleicht konnte sie dort die Puzzleteile in ihrem Kopf wieder zusammenfügen. Da sie nicht sicher war, ob sie der Notiz neben dem Bett Glauben schenken durfte, erkundigte sie sich an der Rezeption des Hotels, ob noch etwas zu begleichen wäre. Die Dame lächelte sie freundlich an. »Nein, der Herr hat Ihre Rechnung bereits beglichen.«

»Können Sie mir seinen Namen nennen?«, fragte Caitlin und errötete zugleich, da ihr bewusst wurde, wie das klingen musste. »Ich würde mich gerne für seine Hilfe bedanken«, beeilte sie sich hinzuzufügen.

»Tut mir leid. Wir dürfen Namen unserer Gäste nicht preisgeben.«

Caitlin bedankte sich dennoch und machte sich auf den Heimweg. Wie absurd war das denn? Sie wohnte nur wenige Minuten von dem Hotel entfernt? Warum war sie nicht einfach nach Hause gegangen? Bereits am Kiosk an der Ecke bekam sie den nächsten Schock. Ihr Foto, wie sie mitten auf der Straße stand und den Verkehr regelte, prangte auf der Titelseite der Lokalzeitung. Glasgows Bestsellerautorin betrunken auf der Straße.

Hektisch griff sie nach dem Käseblatt und hielt dem Kioskbetreiber den Geldbetrag hin. Der grinste sie breit an: »Na, wohl eine wilde Nacht gehabt, was?«

»Sie sollten nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.« Stolzer, als sie sich fühlte, reckte sie ihr Kinn empor und bemühte sich, gelassen in Richtung ihres Apartments zu schlendern. Am liebsten wäre sie gerannt, um sich vor den Menschen zu verstecken. Was zum Teufel war gestern Abend vorgefallen? Sie klingelte beim Hauswart im Erdgeschoss, bei dem sie einen Wohnungsschlüssel deponiert hatte. Mit flammend roten Wangen erklärte sie ihm, dass sie ihre Tasche im Pub hätte liegen lassen und der leider noch geschlossen wäre. Bis sie selbst Klarheit darüber hatte, was genau passiert war, wollte sie selbst an diese Version der Geschichte glauben. Mit einem etwas gönnerhaften Lächeln händigte der Hauswart ihr den Schlüssel aus.

Kaum war sie in der Wohnung, klingelte auch schon das Telefon. An der Nummer erkannte sie, dass es Rachel war. »Hey, Rach …«, weiter kam sie nicht.

»Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Was hast du gestern angestellt, nachdem ich weg war?«

Caitlin schloss die Augen. »Ich weiß es nicht, Rachel. Ganz ehrlich. Wo und wann hast du mich zuletzt gesehen?«

»Das ist nicht dein Ernst, oder? Hat dir jemand K.-o.-Tropfen gegeben, oder was?«

»Ich weiß es doch nicht, Rachel!« Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszuheulen. »Ich bin heute Morgen in einem Hotelzimmer aufgewacht und konnte mich nur noch daran erinnern, wie ich anscheinend in einem Brunnen herumgeplantscht habe. Da war ein Mann, aber ich kann mich nicht mehr genau an ihn erinnern. Er hat eine Notiz zurückgelassen, unterzeichnet mit der Engländer. Oh mein Gott! Ich weiß noch nicht mal, ob ich mit ihm geschlafen habe.«

»Na ja, du wachst nackt in einem Hotelbett auf, da musst du dich wohl nicht lange fragen.«

»Ich war nicht nackt! Also nicht ganz, ich hatte zumindest noch meine Unterwäsche an. Rachel, wann und wo hast du mich zurückgelassen?«, fragte sie erneut mit bebender Stimme.

Einen Moment herrschte Schweigen in der Leitung. »Du hattest eine Lesung in der Mitchell-Bibliothek, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Mr Fairchild hat mich noch gestern Nacht stinksauer auf dem Handy angerufen. Er sagte, du hättest dich völlig lächerlich und beleidigend verhalten. Zu allem Überfluss hast du vor deinem Abgang in eine teure chinesische Vase gekotzt. Wenn du nicht meine Freundin wärst, Caitlin, dann könntest du dir jetzt eine neue Agentin suchen, das ist dir hoffentlich klar, oder?«

»Rachel, du kennst mich, ich würde doch so was nie tun!« Plötzlich tauchten kleine Erinnerungsfetzen vor ihren Augen auf. Da war tatsächlich was mit einer Vase gewesen. »Oh mein Gott! Ich habe das wirklich getan, nicht wahr?« Am anderen Ende der Leitung blieb es still. »Wie geht es Anni?« Caitlin erinnerte sich wieder an den Anruf, den Rachel vor der Lesung erhalten hatte.

»Ihr geht es gut. Jamie hatte völlig überreagiert. Wäre ich bloß nicht ins Krankenhaus gefahren, dann wäre das alles nicht passiert. Hast du etwa zu viel von dem Sekt getrunken?« Rachels Stimme klang vorwurfsvoll.

»Nein, bestimmt nicht. Ich glaube, es sind nur zwei Gläser gewesen. Daran kann es unmöglich gelegen haben. Oh Gott, ich kann mich nirgendwo in Glasgow mehr blicken lassen.«

»Na ja, so hast du wenigstens Zeit zum Schreiben«, schnaubte Rachel. »Am besten gehst du gleich zu einem Arzt und lässt dich durchchecken. Vielleicht findet der raus, was gestern mit dir los war.«

»Ich wollte mich eigentlich kurz hinlegen …«

»Caitlin!«

»Ja, ist ja schon gut.«

In der Arztpraxis hatte man ihr Blut abgenommen, und nun saß sie Dr. MacIntire gegenüber, der sie aufmerksam über seine Brillengläser hinweg musterte. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag sein Notepad, auf dem wohl ihre Werte abzulesen waren. »Anhand der Symptome, die Sie mir geschildert haben, kann es nicht an der Kombination von Temesta und dem bisschen Alkohol gelegen haben. Sind Sie sicher, dass Sie keine andere Droge eingenommen haben?«

»Hundertprozentig. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie Kontakt zu solchem Zeugs.«

»Könnte es Ihnen jemand untergejubelt haben? Ich meine, im Prinzip könnte es dem Sekt hinzugefügt worden sein. Nur wäre in diesem Fall die Wirkung etwas rasch eingetreten. Was haben Sie sonst noch zu sich genommen? Haben Sie etwas gegessen?«

»Ich war den ganzen Tag so nervös, dass ich am Vormittag nur ein Stück Brot gegessen habe.« Plötzlich erinnerte sie sich an die Kekse. »Bevor ich losmusste, habe ich allerdings noch drei oder vier Kekse gegessen, die meine Schwester gebacken hatte.«

»Was für Kekse?«, fragte der Arzt aufmerksam.

»Ich war mir nicht sicher. Schokolade war auf alle Fälle nicht drin, ich bin von Haferflockenkeksen ausgegangen. Meine Schwester hatte sie mit Happy Cookies beschriftet. Sie macht so was, sie gibt allem eigene Namen.«

»Happy Cookies?«, der Arzt grinste breit. »Meine Liebe, ich vermute mal, das waren Haschkekse.«

»Was?!«

»Die Symptome würden zu dem Gemisch von Haschisch, Medikamenten und Alkohol passen. Halluzinationen, Erinnerungslücken, übermäßiger Durst, kein Kater …«

»Ich bringe sie um!«, unterbrach Caitlin seine Aufzählung aufgebracht.

Der Arzt gluckste amüsiert. »Warten wir den Bluttest ab. Wir werden vermutlich Reste des Stoffs darin vorfinden. Gehen Sie am besten nach Hause, legen Sie sich etwas hin, und sobald wir die Resultate haben, rufe ich Sie an.«

Doch so lange wollte Caitlin nicht warten. Sie zog ihr Handy hervor und wählte Kendras Nummer. »Hey, Caitilein, war eine lange Nacht gestern. Was willst du?«, meldete sich ihre Schwester und gähnte herzhaft.

»Die Kekse, die du mir neulich gebracht hast, waren das Haschkekse?«

Kendra kicherte. »Haben sie dir geschmeckt? Ich habe mir gedacht, ein bisschen Entspannung würde dir guttun.«

Caitlin rieb mit Zeigefinger und Daumen ihre Stirn. »Damit hast du meine Karriere ruiniert und mich völlig zum Affen gemacht! Warum benutzt du nicht einfach mal dein Hirn bei dem, was du tust!« Ohne eine Antwort abzuwarten, beendete sie das Gespräch und warf dem Arzt einen vielsagenden Blick zu. »Sie können sich die Bluttests sparen.«

Auf dem Nachhauseweg ging sie bei der Mitchell- Bibliothek vorbei, um ihre Handtasche und die Jacke, die sie laut Rachel dort hatte liegen lassen, abzuholen. Die Dame hinter dem Schalter lächelte etwas verlegen, als sie sich nach Mr Fairchild erkundete. »Mr Fairchild hat Ihre Sachen bereits herbringen lassen. Er lässt Ihnen ausrichten, dass Ihr gestriges Verhalten völlig inakzeptabel und unprofessionell war.«

»Es tut mir sehr leid, was passiert ist«, stammelte Caitlin, die vor Scham am liebsten in den Boden versunken wäre. »Ich werde mich noch schriftlich bei Mr Fairchild entschuldigen.« Mit gesenktem Haupt verließ sie so rasch als möglich das Gebäude. Zurück in ihrer Wohnung, versuchte sie sich etwas hinzulegen, aber sie fand keine Ruhe. Daher setzte sie sich an ihren Computer und verfasste das Entschuldigungsschreiben, in dem sie kurz erklärte, was geschehen war und dass sie selbstverständlich für alle entstandenen Kosten aufkommen würde. Sie glaubte nicht, dass das ihren Ruf wiederherstellen würde, aber so hätte sie es zumindest versucht. Der einzige Vorteil an der Sache war, dass sie wohl nie wieder für eine Lesung angefragt würde. Caitlin hatte Rachel bereits auf dem Nachhauseweg informiert, was schuld an dem Desaster gewesen war. Rachel meinte daraufhin, sie würde eine öffentliche Erklärung aufsetzen, in der sie festhielt, dass Caitlin die Drogenkekse untergejubelt worden wären und sie diese völlig ahnungslos gegessen hätte. Natürlich würde sie den Namen der Bäckerin nicht preisgeben. Das war ganz in Caitlins Sinn, da sie ihre Schwester nicht an den Pranger stellen wollte, obwohl sie Kendra am liebsten erwürgt hätte.

Nachdem sie das Entschuldigungsschreiben an die Bibliothek ausgedruckt und unterschrieben in einen Umschlag gesteckt hatte, zog Caitlin eine Jacke über, um es bei der Post einzuwerfen. Auf dem Rückweg spazierte sie durch den Kelvingrove Park. Vor dem Stewart-Gedenkbrunnen blieb sie nachdenklich stehen. Es kam ihr so vor, als würde die Lady of the Lake vorwurfsvoll von ihrem Sockel auf sie herabblicken. Schade, dass die Statue so schweigsam war, sie hätte ihr ansonsten bestimmt verraten können, was sich gestern hier abgespielt hatte. Caitlin wandte sich suchend um, in der Hoffnung, wie in einem der Kitschfilme, die sie so mochte, ihren Helfer zu entdecken. Aber obwohl bereits zahlreiche Touristen den Brunnen bewunderten, konnte sie niemanden darunter ausmachen, der ihr nur im Geringsten bekannt vorkam. Es war auch fraglich, ob sie diesen Engländer überhaupt wiedererkennen würde. Haschisch rief ja bekanntlich Halluzinationen hervor, und sie konnte selbst nicht mehr sagen, was genau an diesem Abend real gewesen war und was nicht. Vielleicht hatte sie sich seine freundliche Stimme und sein attraktives Lächeln ja nur eingebildet. Was, wenn plötzlich Nacktfotos von ihr im Internet auftauchten? »Oh Mann!«, rief sie verzweifelt und hielt sich die Hände vors Gesicht. Die Leute drehten sich verwundert nach ihr um. »Mal den Teufel nicht an die Wand, Caitie«, redete sie sich Mut zu und ging eiligst weiter. Wenn tatsächlich so etwas passieren sollte, wüsste Rachel bestimmt Rat. Jetzt hieß es erst mal abwarten und Nerven bewahren.

Zurück in ihrer Wohnung, sah sie den Anrufbeantworter blinken. Ihre Mutter bat sie dringend um einen Rückruf. Gewiss hatte sie gehört, was passiert war, aber Caitlin hatte wirklich keine Lust, sich auch noch vor ihr rechtfertigen zu müssen. Stattdessen ging sie in ihr Schlafzimmer, zog die dicken Vorhänge zu und ließ sich auf ihr Bett sinken.

Zwei Tage nach ihrer missglückten Lesung ließ ein energisches Klingeln an ihrer Wohnungstür Caitlin unsanft aus ihrem Schlaf hochschrecken. Sie wollte es ignorieren, doch wer auch immer es war, zeigte Geduld und klingelte fortwährend weiter, gefolgt von heftigem Poltern. »Ich komme ja schon!«, rief sie genervt und rappelte sich auf. Die Uhr im Korridor zeigte gerade mal Viertel nach zehn an. Da Caitlin im Internet bis in die frühen Morgenstunden über die Gegend rund um Lochcarron recherchiert hatte, wo ihre nächste Geschichte spielen sollte, fühlte sie sich völlig gerädert und war alles andere als begeistert über morgendlichen Besuch. Wer auch immer es war, sie würde ihn abwimmeln. Kaum hatte sie die Tür weit genug geöffnet, rauschte Kendra mit zwei Koffern in der Hand an ihr vorbei. »Gott sei Dank. Ich dachte schon, du wärst nicht zu Hause. Hallo, Schwesterchen.« Kendra stellte ihre Koffer ab und umarmte Caitlin, die dies regungslos über sich ergehen ließ.

»Na, du traust dich ja was!«, sagte sie stattdessen, immer noch wütend wegen der Kekse.

»Hat Mum dich schon angerufen? Ich muss vorübergehend bei dir wohnen.«

»Was?! Das geht nicht!«

»Ach, nun komm schon, Caitie. Du hast hier doch eine Menge Platz, und stell dir nur vor, wie lustig das wird. Irgendwie wie früher, als wir noch bei Mum und Dad gewohnt haben.« Unternehmungslustig grinste ihre jüngere Schwester sie an.

»Ich brauche meine Ruhe, Kendra, damit ich schreiben kann«, versuchte sie sich herauszureden.

»Ruhe allein hilft dir beim Schreiben nicht. Du musst auch etwas erleben, worüber du in deinen Geschichten erzählen kannst, und dabei kann ich dir behilflich sein.«

»Ach ja, etwa mit Haschkeksen? Wegen dir habe ich mich zur völligen Idiotin gemacht. Du hättest mir sagen müssen, dass die Kekse gefährliche Substanzen enthalten.«

»Hasch ist doch keine gefährliche Substanz«, rechtfertigte sich Kendra und verdrehte dabei die Augen. »Zudem habe ich die Cookies ja beschriftet.«

»Happy Cookies?! Wie bitte hätte ich daraus erkennen sollen, dass es Haschkekse sind?«

»Mann, Caitlin, jeder weiß doch, was Happy Cookies sind. Was kann ich denn dafür, dass du so hinter dem Mond lebst? Haben sie dich denn nicht glücklich gemacht?«, grinste Kendra kess.

Nur mit Mühe konnte sich Caitlin beherrschen, ihrer Schwester nicht an die Gurgel zu gehen. Stattdessen zischte sie: »Ich habe bei meiner allerersten Lesung die Zuhörer beleidigt, vor ihnen gekotzt, und wenn meine Erinnerungen mich nicht täuschen, bin ich im Stewart-Gedenkbrunnen rumgehüpft, bevor ich in einem Hotel nur mit meiner Unterwäsche bekleidet aufgewacht bin. Das macht mich definitiv nicht glücklich!«

»Sieh es doch nicht so eng, Caitie. Jetzt hast du etwas, worüber du schreiben kannst. Dein Gästezimmer ist da hinten, wenn ich mich nicht irre, oder?« Kendra machte sich mit ihren Koffern bereits auf den Weg.

»Hey, warte, das geht nicht!« Caitlin eilte an ihr vorbei und stellte sich demonstrativ vor die Tür ihres Gästezimmers. »Du kannst nicht einfach so bei mir hereinplatzen. Warum bist du überhaupt hier und nicht bei unseren Eltern?«

Kendra seufzte: »Dad hat mich rausgeworfen. Er sagte, anders würde ich es nicht lernen, endlich selbst Verantwortung zu übernehmen und erwachsen zu werden.« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was er damit meinte. Immerhin hat er mich gezeugt, und keiner hat mich gefragt, ob ich überhaupt Lust auf ein Leben in dieser Welt hätte.«

»Was genau hast du dieses Mal angestellt?«, fragte Caitlin misstrauisch.

»Nichts. Okay, nichts Schlimmes. Er hatte mir mein Taschengeld gestrichen, damit ich mir einen Job suchen muss, da habe ich eben meinen Jaguar verkauft.«

»Du meinst seinen Jaguar«, korrigierte Caitlin ihre Schwester.

»Er hat ihn ja nie gefahren und mir angeboten, dass ich ihn nutzen kann, solange ich zu Hause wohne, damit ich schnell in die Stadt komme.«

»Ja, wo du dir einen Job hättest suchen sollen.«

»Komm schon, Schwesterchen, sei nicht so spießig. Ich brauche doch nur ein Dach über dem Kopf. Du kannst doch auch nicht wollen, dass ich auf einer Parkbank übernachte.«

»Was sagt den Mum dazu, dass Dad dich rausgeworfen hat?«

»Sie hatten einen Riesenkrach, und Dad meinte, dass er sich scheiden ließe, wenn ich nicht ausziehen würde, um Ruhe vor uns allen zu haben. Ich glaube, da hat Mum Angst bekommen. Sie hat mich gebeten, zu dir zu gehen. Eigentlich wollte sie dich deswegen noch anrufen.«

Caitlin seufzte gottergeben: »Na schön, du kannst erst mal bleiben, aber«, Caitlin hob warnend den Zeigefinger, »du wirst dir jetzt einen Job suchen …«

»Wie denn, wenn ich gar keine Ausbildung habe?«, maulte Kendra.

»Das ist deine eigene Schuld. Es gibt auch Hilfsjob.«

»Ich werde keine Toiletten putzen!«

»Es ist mir ganz egal, was du tust, aber du musst endlich dein eigenes Geld verdienen. Ich bin sicher, wenn du erst mal einen Job hast, wird Dad dir auch erlauben zurückzukommen. Und noch was: Du backst keine Haschkekse mehr.«

»Okay«, willigte Kendra ein, worauf Caitlin sie ins Gästezimmer eintreten ließ. Während ihre Schwester sich einrichtete, bestellte Caitlin beim Chinesen etwas zum Lunch für sie beide.

In den ersten Tagen benahm sich Kendra vorbildlich, und Caitlin genoss es beinahe, sie um sich zu haben, obwohl sie kaum zum Schreiben kam. Sie unternahmen viel gemeinsam, gingen shoppen, ins Kino oder flanierten auf den Straßen Glasgows. Gemeinsam durchforsteten sie das Internet nach geeigneten Jobs für Kendra, und Caitlin half ihr auch bei den Bewerbungsschreiben. Leider bisher erfolglos. Mittlerweile waren drei Wochen seit Kendras Einzug vergangen, und langsam schien ihre Schwester die anfängliche Zurückhaltung abzulegen. Das Wohnzimmer und die Küche sahen immer häufiger ziemlich übel aus, und Caitlin musste sie daran erinnern, dass sie nicht ihre Putzfrau war und Kendra gefälligst ihre Sachen selber wegräumen sollte.

»Du solltest sie rauswerfen oder ihr zumindest eine Frist setzen«, meinte Rachel, als Caitlin sich am Telefon bei ihr beklagte.

»Sie ist meine Schwester, das kann ich nicht.«

»Wie kommst du mit dem neuen Buch voran?«, fragte ihre Freundin, die wieder in die Rolle der Agentin schlüpfte.

»Geht so. Ich bräuchte deutlich mehr Ruhe zum Schreiben. Heute habe ich mir Ohropax gekauft, vielleicht klappt es damit.«

Rachel stöhnte. »Schick sie weg, während du schreibst. Es kann doch nicht sein, dass du in deiner eigenen Wohnung Ohropax tragen musst, damit du arbeiten kannst!«

»Mal sehen. Ich hoffe immer noch, dass sie bald einen Job findet und zu unseren Eltern zurückkann.«

»Die Hoffnung stirbt zuletzt, nicht wahr?«, schmunzelte Rachel. »Hast du eigentlich mal etwas von der Mitchell-Bibliothek gehört? Haben sie deine Entschuldigung akzeptiert?«

»Nein, die haben sich nicht mehr gemeldet. Irgendwie kann ich es verstehen, und ich traue mich auch gar nicht mehr, mir dort ein Buch auszuleihen.«

Rachel lächelte. »Irgendwann wird Gras über die Sache gewachsen sein.«

Nachdem Caitlin das Gespräch mit ihrer Freundin beendet hatte, setzte sie sich mit dem Laptop an eines der großen Eckfenster. Kendra hatte sich mit ein paar Freunden im Pub verabredet, so hatte sie ein wenig Zeit, in Ruhe zu arbeiten. Doch sie hatte kaum drei Seiten geschrieben, da flog die Wohnungstür auf, und Kendra kam mit ihren Freunden im Schlepptau hereingeplatzt.

»Willst du mit uns essen, Caitie? Wir haben Pizza dabei.«

»Danke, nein. Ich bin am Arbeiten.«

»Oh, lass dich nicht stören.« Aber Caitlin war bereits gestört. Genervt klappte sie ihren Laptop zu und verzog sich damit in ihr Zimmer. Mit Ohropax in den Ohren schaffte sie doch noch ein ganzes Kapitel. Während sie im Bett lag und versuchte Schlaf zu finden, feierte ihre Schwester in ihrem Wohnzimmer eine kleine Party. Laute Popmusik und Gelächter drangen durch ihre Tür. Trotzdem mochte Caitlin die Ohrstöpsel nicht erneut benutzen, ihre Gehörgänge schmerzten etwas von den Dingern. Es ging bereits auf den Morgen zu, als endlich Ruhe einkehrte in ihrer Wohnung. Da sie sich aber so über die Rücksichtslosigkeit ihrer Schwester geärgert hatte, war sie zu angespannt, um trotz der plötzlichen Stille einschlafen zu können. So setzte sie sich wieder an den Laptop und schrieb weiter an ihrem Thriller.

Ein nicht enden wollendes Klingeln an der Tür riss sie aus ihren wilden Träumen. Caitlin blinzelte und spürte die Tastatur des Laptops an ihrer Wange. Sie musste mitten im Schreiben eingeschlafen sein. Das Klingeln war nervtötend. Gerädert schob sie den Laptop an die Seite, stand auf und ging zur Tür.

»Das wurde aber auch Zeit! Wie schaust du denn aus?!« Oh nein, ihre Mutter hatte ihr gerade noch gefehlt.

»Hey, Mum. Ich freu mich auch, dich zu sehen. Was machst du um diese Uhrzeit schon hier?«

»Ich wollte mich vergewissern, ob es stimmt, was Lady MacConnor mir gestern Abend auf der Dinnerparty erzählt hat. Caitlin, antworte mir bitte aufrichtig und ehrlich: Nimmst du Drogen?«

»He?! Wie bitte?«

»Es war ja zu befürchten, dass du irgendwann abrutschen würdest. Der Erfolg hat dir einfach nicht gutgetan.« Alison Cunningham blickte ihre Älteste erschüttert an. »Es ist eine Tragödie. Ich dachte, wenigstens du wärst keine Schande für unsere Familie.«

»Mum, ich nehme keine Drogen.«

Alison fuhr fort, als hätte sie Caitlin gar nicht erst gehört. »Ich werde dir eine gute Entzugsklinik besorgen. Was ist es? Hasch, Alkohol, LSD, Ecstasy?«

Nun musste Caitlin doch lachen. »Valium könnte ich ganz gut gebrauchen, bei der Familie. Zum Mitschreiben, Mum, ich nehme keine Drogen.«

Jetzt schien sie zu ihrer Mutter durchgedrungen zu sein. »Nicht? Aber sieh dich doch nur an.«

Caitlin warf einen Blick in den verschnörkelten Spiegel im Korridor. Oh, okay, ihre Haare waren ein einziges Chaos, die Augen gerötet, und die Laptoptastatur hatte einen Abdruck auf ihrer Wange hinterlassen. Der Elch-Pyjama trug auch nicht gerade zu einem seriösen Bild bei. Aber hey, sie war hier zu Hause und konnte so rumlaufen, wie sie wollte. »Ja, Mum, ich habe bis heute Morgen gearbeitet, weil deine andere Tochter in meiner Wohnung eine Party gefeiert hat. Wo wir gerade beim Thema sind: Wann kann Kendra zu euch zurück?«

»Dein Vater ist leider nicht gewillt, sich umstimmen zu lassen, Caitlin. George will, dass Kendra lernt, selbst für sich zu sorgen.«

»Na, super! Und was soll ich tun? Ich kann sie doch hier nicht einfach rauswerfen und sich selbst überlassen! Kendra käme allein nicht klar.«

»Das sehe ich auch so, auch wenn George meint, anders würde sie es nicht lernen. Ich bin dir sehr dankbar, dass du sie vorerst aufgenommen hast, Liebes. Selbstverständlich werde ich euren Vater weiterhin bearbeiten, damit er einsichtig wird. Ich werde dir auch etwas Geld überweisen.«

»Mum, darum geht es doch gar nicht. Was ich brauche, ist Ruhe, damit ich arbeiten kann. Mit Kendra herrscht ständig Party, so komme ich beim Schreiben nicht voran.«

»Ach, Kindchen, vielleicht tut dir die Pause auch mal gut. Lady MacConnor meinte, du seist bei deiner Lesung ziemlich ausfällig geworden und hättest dich unschicklich benommen.«

Caitlin stemmte aufgebracht ihre Arme in die Seite. »Ja, weil Kendra Haschkekse gebacken und sie mir als Happy Cookies untergejubelt hat. Umso ernsthafter sollte ich jetzt weiterarbeiten, um meinen ruinierten Ruf wiederherzustellen.«

»Also doch Drogen!«

»Mum, ich hatte keine Ahnung, dass Hasch in den Keksen war! Wenn du jemandem Vorwürfe machen willst, dann bitte deiner anderen Tochter. Sie schläft im Gästezimmer. So, und nun brauche ich eine Dusche.« Caitlin wandte sich um und ging Richtung Badezimmer.

»Du kannst mich doch nicht einfach so stehen lassen.«

Caitlin schloss die Augen und atmete tief ein. »In der Küche findest du den Teekessel. Ich bin gleich wieder bei dir.«

Die Dusche weckte ihre Lebensgeister, dennoch ließ sie sich Zeit, bevor sie den sicheren Zufluchtsort wieder verließ. Innerlich gegen weitere Vorwürfe gewappnet, ging Caitlin in die Küche, in der ein heilloses Durcheinander herrschte. Zu ihrem Erstaunen war ihre Mutter nicht mehr da. Stattdessen fand sie einen Zettel auf dem Küchentisch.

Wie ich sehe, kommt ihr allein nicht zurecht. Ich werde euch ein Hausmädchen besorgen. Wirklich, Caitlin, von dir hätte ich mehr erwartet!

Mum

Empört griff Caitlin zu ihrem Handy und wählte die Nummer ihrer Mutter. Doch sie konnte ihr nur eine Sprachnachricht hinterlassen. »Mum, untersteh dich, für uns ein Hausmädchen einzustellen! Wir kommen schon klar! Kendra wird ihr Chaos heute noch beseitigen.«

»Was werde ich?«, Kendra kam verschlafen angeschlendert und streckte gähnend ihre Arme in die Luft.

»Du wirst die Küche wieder tipptopp aufräumen! Mum war gerade hier. Sie war so entsetzt, dass sie davongestoben ist, um uns ein Hausmädchen zu besorgen.«