Die stummen Schreie der Verkäufer - Daniel Grow - E-Book

Die stummen Schreie der Verkäufer E-Book

Daniel Grow

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Beschreibung

Dieses Buch ist jeder Verkäuferin und jedem Verkäufer gewidmet, die sich jeden Abend aufs Neue ihren Geduldsfaden, mit einer beschichteten Titannadel mit einem Doppelstich wieder zusammennähen müssen. Damit sie auch am nächsten Tag mit viel Geduld an die Arbeit gehen können. Auf den nächsten Seiten sind ein paar Geschichten mit Kunden zu lesen, die sich wirklich in einem Warenhaus zugetragen haben. Damit man mal einen kleinen Einblick davon bekommt, wie es von der anderen Seite ausschaut, wenn man kein Kunde ist. Die Sicht eines Verkäufers oder einer Verkäuferin auf den Kunden. Schade dass man so etwas noch nie im Fernsehen gezeigt hat. Denn daraus könnte man eine ganze Serie machen. Es gibt hunderte Berichte oder Reportagen über das Personal im Einzelhandel, darüber warum dieses Personal immer so unfreundlich und nicht hilfsbereit ist. Vielleicht sollte man sich mal die Frage stellen, wie viele schreckliche Kunden, ein solcher Angestellter schon an diesem Tag ertragen musste. Dann würde man wohl auf das milde Lächeln und das verständnislose Kopfschütteln verzichten. Ich denke jede gute Verkaufskraft weiß dass der Einzelhandel nur von den Kunden leben kann. Das stellen wir hier mal außer Frage. Allerdings sollte man sich vielleicht auch fragen, wie viel man sich im Verkauf von den Kunden gefallen lassen soll oder kann. Dienstleistung hin oder her. Wir stehen von Morgens bis Abends in unseren Geschäften. Versuchen immer höfflich, nett und hilfsbereit zu sein, auch wenn es einem mal privat nicht besonders gut geht, versuchen wir es mit unserem großen Lächeln zu überstrahlen. ( Damit sind wirklich nur die Top-Verkäufer und Top-Verkäuferinnen gemeint. ) Alle sind leider nicht so. Auch in meiner Firma sind ein paar Querschläger dabei, das streite ich nicht ab. Aber diese Kollegen beißen auch wohl jeden Morgen in eine Zitrone, damit sie dieses verkniffene Gesicht den ganzen Tag über problemlos ziehen können. Die folgenden Geschichten, sind von mir Geändert worden. Namen, Daten und Ort wurden verändert und haben mit lebenden oder toten Menschen nichts zu tun. Und falls sich doch Jemand in den Geschichten wieder erkennen sollte, dann haben Sie mein aufrichtiges Beileid verdient. Daniel Grow

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Was für ein Kunde bist du?!

Die bösen Kunden

Die verrückten Kunden

Die asozialen und die widerlichen Kunden

Das Kassenkarussell

Die wichtigsten Kassierregeln:

Die verschiedenen Arten der Kunden

Die Verpassenden

Die ungeduldigen Frager

Kunden Missverständnisse

Noch mehr Kundengeschichten

Epilog

Aber bitte! Sagen Sie nicht, dass unser Job einfach wäre!

Bonuskapitel

Danke

Weiter Bücher sind von Daniel Grow verfügbar:

Vorwort

Dieses Buch ist jeder Verkäuferin und jedem Verkäufer gewidmet, die sich jeden Abend aufs Neue ihren Geduldsfaden, mit einer beschichteten Titannadel und einem Doppelstich wieder zusammennähen müssen. Damit sie auch am nächsten Tag mit viel Geduld wieder an die Arbeit gehen können.

Auf den nächsten Seiten sind ein paar Geschichten mit Kunden zu lesen, die sich wirklich in einem Warenhaus zugetragen haben. Damit man mal einen kleinen Einblick davon bekommt, wie es von der anderen Seite ausschaut, wenn man kein Kunde ist.

Die Sicht eines Verkäufers oder einer Verkäuferin auf den Kunden. Schade, dass man so etwas noch nie im Fernsehen gezeigt hat. Denn daraus könnte man eine ganze Serie machen. Es gibt hunderte Berichte oder Reportagen über das Personal im Einzelhandel, darüber warum dieses Personal immer so unfreundlich und nicht hilfsbereit ist.

Vielleicht sollte man sich mal die Frage stellen, wie viele schreckliche Kunden, ein solcher Angestellter schon an diesem Tag ertragen musste. Dann würde man wohl auf das milde Lächeln und das verständnislose Kopfschütteln verzichten.

Ich denke jede gute Verkaufskraft weiß, dass der Einzelhandel nur von den Kunden leben kann. Das stellen wir hier mal außer Frage. Allerdings sollte man sich vielleicht auch fragen, wie viel man sich im Verkauf von den Kunden gefallen lassen soll oder kann. Dienstleistung hin oder her. Wir stehen von morgens bis abends in unseren Geschäften. Versuchen immer höflich, nett und hilfsbereit zu sein, auch wenn es einem Mal privat nicht besonders gut geht, versuchen wir es mit unserem großen Lächeln zu überstrahlen.

(Damit sind wirklich nur die Top-Verkäufer und Top-Verkäuferinnen gemeint.) Alle sind leider nicht so. Auch in meiner Firma sind ein paar Querschläger dabei, das streite ich nicht ab. Aber diese Kollegen beißen auch jeden Morgen kraftvoll in eine Zitrone, damit sie dieses verkniffene Gesicht, den ganzen Tag über problemlos ziehen können.

Die folgenden Geschichten, sind von mir geändert worden. Namen, Daten und Orte wurden verändert und haben mit lebenden oder toten Menschen nichts zu tun.

Und falls sich doch jemand in den Geschichten wieder erkennen sollte, dann haben Sie mein aufrichtiges Beileid verdient.

Daniel Grow

Was für ein Kunde bist du?!

Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Sie die Verkaufsräume eines Kaufhauses oder Warenhauses betreten, und sich kurz umschauen? Dann bleibt ihr Blick an etwas haften, was sie interessant finden. Sagen wir mal, es ist eine Kristallvase. Sie gehen auf das Objekt zu und nehmen es in die Hand, um es sich genauer anzuschauen. Im gleichen Augenblick geht irgendwo ein Peilsender los. In dem Gehirn einer Verkaufskraft, die frisch eine Kundenschulung mit einer gratis Gehirnwäsche absolviert hat.

Sie stehen noch nicht mal gerade fünf Sekunden mit der Vase in der Hand und versuchen den Preis herauszufinden, als wie aus dem Nichts, ein Verkäufer neben Ihnen steht und mit zuckersüßer Stimme fragt:

“Sie interessieren sich für diese schöne Kristallvase.“ Was mehr eine Feststellung war als eine Frage. „Darf ich Ihnen etwas über die Vase erzählen?”

Ertappt!

„Noch nicht einmal kurz schauen kann man hier“, würde bestimmt ihr erster Gedanke sein. Sie stellen die Vase vorsichtig zurück an ihren Platz, sagen dem noch immer breit grinsenden Verkäufer, dass sie sich nur umschauen wollen und keine Hilfe benötigen. Ganz zu schweigen, von der Vasengeschichte, die Sie sowieso nicht hören wollen.

Aber sind wir doch mal ehrlich. Wenn man keinen Verkäufer oder Verkäuferin braucht, dann schwirren sie um einen herum wie die Geier, auf der Suche nach frischem Fleisch.

Aber wenn man doch mal die Hilfe vom Verkaufspersonal braucht, weil an der Ware kein Preis steht oder ob es die schöne Vase noch in einer anderen Farbe gibt, dann findet man kein Schwein, weit und breit.

Entweder ist die Abteilung, wo immer Sie sich auch gerade befinden total unterbesetzt und die wenigen Mitarbeiter sind gerade dabei andere Kunden zu bedienen, Entschuldigung, zu beraten, oder man findet überhaupt keinen im Verkauf.

Es sei denn die eigentliche Fachkraft ist an der Kasse eingespannt und kann nicht aus der Kassenzone raus, um die wichtigen Fragen zu beantworten.

Der Grund liegt doch klar auf der Hand. Ich denke, das ist bei anderen Firmen dasselbe.

Weniger Personal, die aber dasselbe leisten sollen, wie fünf Vollzeitbeschäftigte gleichzeitig. Mehr Gewinn, dass die obigen Damen und Herren noch reicher werden, als sie es ohnehin schon sind.

Und wenn das Personal langsam zu mürrisch wird, dann wird die nächste Kundenschulung angesetzt, damit das Verkaufen auch wieder so richtig Spaß macht.

Dann wird den Mitarbeitern von so ewig lächelnden und realitätsfremden Schulungsleiterinnen beigebracht, dass Stress Spaß ist. Und wir uns freuen sollten, dass wir fünf Kunden gleichzeitig beraten müssen, und den ganzen Tag wie bescheuert durch unsere Abteilungen laufen, dass uns am Abend die Füße wehtun und wir froh sind, wenn wir unsere Schuhe in die Ecke feuern können.

“Hätten Sie was Anständiges gelernt…!”, sagte mal eine Kundin zu mir und musterte mich von oben bis unten.

“…dann würde ich die Benimmschule leiten, wo Sie jetzt eigentlich sein sollten”, beendete ich für sie den Satz und lächelte sie falsch an.

Aber so, dass sie merkte, dass mein Lächeln falsch war. Ganz klar, dass ich dafür eine Beschwerde bekam. Aber dieser Moment war es mir ehrlich gesagt wert. Besonders der Gesichtsausdruck von der eingebildeten Kundin, als ich das zu ihr sagte. Davon hätte ich gerne ein Foto gehabt.

Wie heißt es doch gleich:

Der Kunde ist König!

(Aber nur wenn er sich nicht nur wie der Hofnarr aufführt)

Und glauben Sie mir. Hofnarren haben wir den lieben, langen Tag. Es ist schon fast unheimlich, wenn ich den Stapel mit kleinen Geschichten neben mir auf dem Schreibtisch betrachte. Man könnte wirklich meinen, der Zirkus ist in der Stadt und gibt nur für uns eine kleine, private Vorstellung bei uns in unseren Verkaufsräumen. Und jeden Tag von neuem kann man gratis eine kleine Freakshow bei uns bewundern. Nur leider ohne Popcorn.

*

Es fängt ja schon vor Geschäftsbeginn an, dass sich eine kleine Menschentraube vor unserem Geschäft sammelt. Wir nennen diese Gruppe Menschen unseren Stammalten.

Diese treffen sich jeden Morgen routiniert, um in unserem Restaurant zu frühstücken. Viele von ihnen bleiben gleich den ganzen Tag dort oben sitzen und nehmen das Mittagessen, Kaffee und Kuchen und später das Abendessen ein.

Man könnte also sagen, wir sind eine große Wohnung, die sich über vier Verkaufsflächen zieht, die von Montag bis Samstag geöffnet hat.

Im Sommer schön kühl und im Winter mollig warm und gemütlich ist.

So lieben es unsere Stammalten. Dieser Kosename ist entstanden, da die meisten von ihnen schon im Rentenalter sind. Das morgendliche Treffen sieht immer total harmlos aus. Sie kommen in seliger Ruhe aus allen Ecken der unmittelbaren Umgebung des Einkaufszentrums und treffen sich vor den geschlossenen Rolltoren.

Manche setzten sich gemütlich auf die braunen Holzbänke und andere wiederum schauen alle dreißig Sekunden auf die Uhr und können es kaum erwarten, dass endlich die Tore hochgefahren werden.

Jetzt fragen Sie sich, wieso ich Ihnen das erzähle. Ein guter Grund, den ich bis jetzt noch nicht erwähnt habe. Glauben Sie mal nicht, dass es dann friedlich zugeht, wenn sich die Tore öffnen.

Rollator, Krücken und Gehstöcke sind ehrlich gesagt nur eine Art Tarnung. Das geschulte Auge sieht sofort, mit Blick auf die älteren Stammkunden, dass sie sich gegenseitig beobachten, wer wohl als erstes das Restaurant erreichen wird. Es ist jeden Morgen ein kleiner Wettlauf, wo jedes Gebrechen oder Schmerzen vergessen ist. Jedes Zipperlein wird unterdrückt, wenn die Ersten von ihnen, durch das noch nicht ganz geöffnete Rolltor über den Boden kriechen, um so schnell wie möglich die Rolltreppe oder den Fahrstuhl zu erreichen.

Allerdings spielt es, um ehrlich zu sein, keine große Rolle. Jeder von ihnen hat seinen Stammplatz im Restaurant. Und wehe, es setzt sich ein Neuzugang auch nur auf einen unsichtbaren markierten Platz.

Das kann dann schon mal, mit einem längeren Wortwechsel, oder gar in einem großen Streit enden. Gleichzeitig ein Hoch auf unsere Kollegen in der Küche.

Die fast jeden Morgen ein regelrechtes Wettrennen veranstalten, nur für das Frühstück, das dort oben auf diesen Stammalten wartet.

*

Da gibt es noch ein Märchen. Oder nennen wir es ein Gerücht oder Legende, die sich in manchen Köpfen von den Kunden verankert hat. Was sich irgendwie keine Verkaufskraft erklären kann. Aber dennoch trifft man ab und an Kunden, die der festen Meinung sind, dass es so sei.

Was ich sagen will, ist das Geheimnis um die Verkäufer.

(Wenn ich nur Verkäufer schreibe, meine ich natürlich auch immer die Verkäuferinnen gleichzeitig. Nur, dass sich keine Kollegin zurückgesetzt fühlt. )

Es gibt Kunden, denen ist es nicht so ganz klar, dass Verkäufer auch menschliche Wesen sind. Manche Leute glauben fest, dass wir Verkäufer in den Warenhäusern oder anderen Geschäften wohnen.

Aber man nehme es ihnen auch nicht übel. Sie sehen uns als erstes, wenn sich die Türen und Tore morgens öffnen. Und sehen uns immer noch im Laden stehen, wenn alles hinter ihnen wieder am Abend verschlossen wird. Es gab sogar mal eine Kundin, die meine Hand nahm, kurz vor Feierabend.

“Sie haben schon einen grausamen Job. Nicht wahr?”, sagte sie und tätschelte meine Hand, als wollte sie mir Mut zukommen lassen. Ich blickte sie nur leicht verwirrt an.

“Was meinen Sie bitte genau?”, fragte ich sie etwas verdutzt, immer noch meinen Blick auf ihre Hand, die die Meine berührte.

“Sie müssen ja noch aufräumen und alles fertig machen, für Morgen. Wo schlafen Sie denn hier nur?”, fragte sie und blickte sich verstohlen in meiner Abteilung um. Ich zog meine Hand zurück und wischte sie diskret an meiner Hose ab, so dass die Kundin das nicht mitbekam.

“Das kann ich Ihnen leider nicht verraten. Betriebsgeheimnis”, sagte ich zu ihr und lächelte ihr mit einem kurzen Augenzwinkern zu.

Sie klopfte mir auf die Schulter. Ich wusste nicht, was ich mit ihrem billigen Mitleid tun sollte. Insgeheim entschied ich mich, es einfach da an der Stelle liegen zu lassen, an der sie mir es gegeben hatte.

Und genau hier, möchte ich mit diesem Märchen Schluss machen!

Ich weiß, viele Kunden werden jetzt schockiert sein, wenn ich Ihnen hier und jetzt die Wahrheit aufs Auge drücke. Man könnte es damit vergleichen einem kleinen Kind zu erzählen, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Oh Pardon, ich hoffe, Sie wussten das schon. Verkäufer leben nicht in Kaufhäusern oder Geschäften. Sie gehen jeden Abend nach Hause! Sobald alle Kunden unsere Läden verlassen haben. Dann sind auch wir endlich im Feierabend. Manche von Ihnen wird es vielleicht überraschen, aber es gibt wirklich Kollegen von mir, die haben eine Familie, auf die sie sich freuen, wenn sie abends nach Hause gehen.

Wir schlafen nicht zwischen den Regalen oder verwandeln uns nachts in Schaufensterpuppen, die Sie abends beim bummeln durch die Innenstadt durch das Fensterglas bestaunen können.

Wir werden auch nicht zur Strafe in ein Schaufenster gesperrt, wenn sich ein Kunde mal wieder, über uns beschwert hat, um so unsere gerechte Strafe abzustehen. Wir alle haben ein zu Hause, auf das wir uns jeden Tag freuen. Auch wenn das ein paar Menschen nicht verstehen wollen oder können. Aber so sieht es nun mal aus. Sie denken immer noch an den Weihnachtsmann… Oder?!

*

Aber nun zu unseren Kunden. Oder besser gesagt zu den Kunden, die nicht gerade der Norm entsprechen. Es ist gar nicht so einfach, diese Wesen in bestimmte Kategorien einzuordnen, da alle total verschieden sind. Allerdings hab ich ein paar Überbegriffe genommen, damit es nicht zu einem heillosen Durcheinander hier kommt.

Ich habe mal mit ein paar Kollegen von mir, ein paar Wochen lang, unsere ganzen Stammkunden genauer unter die Lupe genommen. Und diese natürlich in verschiedene Kundentypen aussortiert.

Ganz klar, dass zu jedem Kunden auch eine Geschichte gehört, die ich gleich mit der jeweiligen Person verbinde. So kann man sich die Person gleich viel besser vorstellen.

Die bösen Kunden

Oh ja, wer kennt sie nicht, die bösen Kunden. Diese gemeinen Stinkstiefel, die mit ihrem lauten Gemecker, Geschrei oder ihrem Genörgel, dass sie bei jeder Kleinigkeit in die Öffentlichkeit raus posaunen müssen.

Da ist viel Geduld nötig, um diese Kunden zu ertragen.

Wie oft hab ich mir so eine Art spontane Selbstentzündung gewünscht?

Natürlich nicht bei mir, sondern bei den bösen Kunden. Man bräuchte nur zu warten, bis sie ein Häufchen Asche sind, um sie dann einfach aufzufegen und in den nächsten Mülleimer zu schütten, und danach zum nächsten Kunden übergehen. Aber das wäre ja auch zu einfach.

Selbst die Bitte, nach einer Falltüre an der Kasse, die sich automatisch per Knopfdruck öffnen sollte, wurde mir nicht erfüllt. Diesen Wunsch hatte ich meinem Chef geäußert, als er mich fragte, was ich mir zu Weihnachten wünsche.

Jedes Jahr dieselbe Frage. Aber hat er mir je einen meiner Wünsche erfüllt? Nein, natürlich nicht. Keine Falltüre, keine Armbrust und sogar die Giftpfeile per Blasrohr habe ich nicht bekommen. Dafür immer ein breites Lächeln und immer ein vorwurfsvolles:

“Aber Herr Grow, so etwas können Sie sich doch nicht wünschen”, sagte er immer, mit einem breiten Lächeln im Gesicht und ging dann weiter.

Wenn er sich den ganzen Tag, einmal mit solchen Kunden aus der Hölle abgeben müsste, dann würde er auch diese Wünsche in betracht ziehen.

Nicht jeder Tag ist so. Sonst hätte ich mir diese verdammte Falltüre schon selbst in den Boden vor die Kasse eingebaut. Das können Sie mir glauben.

Die erste böse Kundin, die ich Ihnen vorstellen möchte, ist eine alte Dame mit ihrem Rollator. Sie kommt jeden Tag zu uns. Kauft ihre Lebensmittel und selbstverständlich auch ihr Dosenbier. Ob der Alkohol sie so böse werden ließ, wir wissen es nicht.

Sie ist ungefähr 1,60m groß, hat mittellange, fettige Haare und trägt immer auffallende Strickjacken. Egal welche Jahreszeit wir auch haben. Durch ihre schmierige Brille glotzt sie einen immer böse an. Sie schreit jeden Kollegen an. Das Problem ist nur, man versteht sie kaum. Das kann wohl daran liegen, dass sie nur noch drei schwarze Zahnstumpen im Mund hat, die sie einem immer entgegen fletscht, wie ein wildes Tier, wenn sie schreit.

“Hey du Missgeburt! Ich brauch ne Tüte!”, sagte sie mal auf ihre nette, beschränkte Art zu mir.

Blöd für sie, dass ich solche Äußerungen grundsätzlich überhöre und einfach durch die Leute hindurchschaue, obwohl ich ihr gerne unseren Preisauszeichner an den Kopf geworfen hätte.

Natürlich aus reinster Nächstenliebe, versteht sich. Weil sie mich so nett gegrüßt hatte.

“Hey ich rede mit dir! , schrie sie und schnippte mit den Fingern in meine Richtung. Haste nicht gehört, was ich gerade gesagt habe?”

Ich hakte gerade einen Lieferschein ab und blickte nun langsam zu ihr herunter (1,60 groß). Man konnte sie schlecht ignorieren, sie stand jetzt direkt vor meinem Kassentresen und ihre Mundfäule erreichte mein nahes Umfeld. Ich ging einen halben Schritt zurück, um mein Geruchssinn nicht länger zu bestrafen.

“Ich nehme Sie wahr”, sagte ich kühl zu ihr und blickte auf sie herab. Sie schnippte immer noch, mit ihren kleinen dicken Fingern, nach mir.

“Du kleines Arschloch! Ich sagte Tüte! Du sollst mir ne Tüte geben!”

Ich lächelte ihr zu.

“Tut mir leid. Die sind leider schon aus.”, war meine höfliche, wenn auch nicht ganz der Wahrheit entsprechende Antwort.

“Ihr seit alle Heuschrecken”, brüllte sie und stiefelte davon. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass diese Frau sich jeden Tag mit einem anderen Kollegen anlegt. Ehrlich gesagt, hab ich sie noch nie friedlich erlebt. Besonders nicht, wenn der Mitarbeiter aus einem anderen Land stammt.

Aber diese Sprüche von der Alten, lasse ich mittlerweile unter den Tisch fallen. Damit hat sie wohl, zu ihrer Jugendzeit, Eindruck schinden können. Doch dieses Reich, in dem sie groß geworden ist, existierte Gott sei dank nicht mehr.

*

Jeder Kunde ist einmalig.

Besonders die Leute, die sich das Böse jeden Morgen auf ihre Brötchen schmieren, um ja keinen netten Satz über ihre Lippen bringen zu müssen.

So haben wir auch die verbitterte, böse Frau im Rollstuhl, die es sich zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hat, jeden Menschen in ihrem Umfeld zu schikanieren. Besonders ihren Jungen von der Zivildienststelle, die sie den halben Tag durch die Gegend schieben müssen.

Jeden Tag hat sie einen neuen jungen Mann, der ihren Rollstuhl schiebt. Manchmal frage ich mich, was sie machen will, wenn sie alle jungen Zivis verschlissen hat. So viele junge Männer kann man ja nicht als Zivis rekrutieren, wie diese Dame monatlich verschleißt.

Jede Kollegin, die mitbekommt, dass sich diese bissige Person in der Abteilung befindet, betet, dass sie nicht von ihr angesprochen wird oder umgekehrt. Leider traf es an diesem Vormittag mich.

Die Beißzange gab ihrem Betreuer genaue Anweisungen, wie er den Rollstuhl am besten schieben hatte. Als ich an ihr vorbei kam, um etwas Ware aufzuräumen, die wie so oft, ein unentschlossener Kunde, in irgendeinen Warenträger gefeuert hatte und weil der oder diejenige zu faul war, es wieder dorthin zurückzubringen, wo es normalerweise hingehörte.

“Langsam schieben, sonst wird mir am Ende noch schlecht. Aber auch nicht so langsam, dass ich im Sitzen einschlafe. Haben Sie das verstanden?”, keifte die Alte den jungen Mann hinter sich an, der gerade versuchte, das perfekte Schritttempo für seinen Schützling zu bestimmen. Unsere Blicke trafen sich kurz und er verdrehte genervt die Augen. Man konnte schon echt Mitleid haben, mit diesem armen Zivi. Ich wollte gerade das richtige Regal ansteuern, als der Besen mich mit ihrer keifenden Stimme zurückhielt.

“Hey Verkäufer!”, hörte ich ihre unfreundliche Stimme, die mich an eine Kreissäge erinnerte und blieb stehen.

Ich atmete kurz mit geschlossenen Augen ein und wieder aus, und drehte mich langsam zu ihr um. In der Hoffnung, dass sie sich in Luft aufgelöst hätte, was natürlich nicht der Fall war.

“Grüß Gott!“

Meine Stimme klang freundlich zu ihr und ich setzte mein, in entsprechenden Verkaufsschulungen trainiertes, unechtes Lächeln auf.

„Was kann ich für sie tun?”

“Wissen Sie, wer ich bin?”, fragte sie mich und blickte grimmig zu mir hinauf.

“Oh ja das weiß ich! Sie sind eine nervige Person, die es auf die Top Ten Liste der schlimmsten Kunden geschafft hat. Sie nörgeln so lange an jemanden herum, und kauen so lange auf den Nerven anderer Leute herum, dass man sich freiwillig den Freitod wünscht.

Vielleicht sollte ich Ihnen gleich eine Pistole in die Hand drücken, damit wir es uns hinter uns bringen”, dachte ich mir und war versucht, es ihr auf die Nase zu binden.

“Nein tut mir leid. Ich kann sie gerade nicht einordnen”, log ich ihr ins Gesicht. Man kann ja schlecht sagen, dass sich über die Hälfte des Personals verdrückt und untertaucht, wenn sie unsere Verkaufsräume betrat. Das wäre sicherlich anders, wenn sie wie eine Wahnsinnige einkaufen würde. Allerdings für ein Kaugummi oder eine Packung Reißzwecken, sich derart beleidigen zu lassen, darauf konnte jeder Kollege verzichten.

“Ich komme jeden Tag hier her”, keifte sie mich mit ihrer liebevollen Kreissägenstimme an.

“Wie schön für Sie! Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen. Und wie kann ich ihnen jetzt weiterhelfen?”, fragte ich sie freundlich.

“Ich brauche Tesafilm!”, sagte sie und warf mir die leere Spule vor die Füße, die langsam von uns wegrollte und schließlich unter einem Warenträger verschwand.

“Gerne. Ich zeige ihnen, wo wir unseren Tesafilm haben”, sagte ich zu ihr und wollte gerade zu dem besagten Regal gehen, als sie mich mit ihrer Stimme zurückhielt.

“Moment mal junger Mann! Wollen sie meine leere Spule nicht aufheben?” Ich drehte mich langsam wieder zu ihr um.

“Nein. Wieso sollte ich?”, sagte ich ruhig und schaute auf sie herab. Auf ihrem Gesicht erschien ein fieses bösartiges Lächeln. Selbst der Teufel persönlich hätte dies nicht besser hinbekommen.

“Weil mir die Spule aus der Hand gefallen ist.”

Ich grinste sie falsch an. Aber so, dass sie es merkte, dass ich es nicht ernst meinte.

“Glauben Sie mir. Ich kann immer noch erkennen, ob man etwas aus Versehen verliert, oder wenn man es in voller Absicht jemanden vor die Füße wirft.”

“Was wollen Sie damit behaupten?”, keifte sie laut los.

“Ich will gar nichts behaupten. Ich möchte Ihnen nur unseren Tesafilm zeigen, wonach Sie gerade verlangt haben.”, sagte ich ruhig und mit meiner Engelsstimme zu ihr. Ich muss hier ja nicht erwähnen, dass mein Puls gerade eine neue Rekordhöhe erreicht hatte. Allerdings versuchte ich es, so gut es ging zu überspielen. In Gedanken packte ich die Alte an ihren Schultern und schüttelte ihre Bosheit aus ihr heraus.

Ich ging einfach voraus und blieb zwei Regale weiter vor dem Tesafilm stehen und wartete bis der Zivi, das Weib, zu mir geschoben hatte.

“Ich sitze im Rollstuhl!”, sagte sie mir, vorwurfsvoll entgegen.

“Sie werden das jetzt vielleicht nicht glauben. Aber, das hab ich tatsächlich mitbekommen”, sagte ich trocken.

“Ohne meine Spule weiß ich nicht, welche Größe ich brauche”, sagte sie böse und guckte mich mit einem gereizten Blick an.

“Also nach der Größe der Spule zu beurteilen, die sie vorhin aus Versehen verloren haben und die dann unter den Warenträger gerollt ist, kann es sich nur um die Standardgröße handeln”, sagte ich spitz und griff nach dem richtigen Produkt und reichte es ihr.

“Ich hab sie damit nicht beworfen!”, keifte sie mich an und riss mir den Tesafilm aus der Hand.

“Aber natürlich haben sie das nicht! Wir beide wissen ja, wie es wirklich war. Nicht wahr?!”, sagte ich zuckersüß.

Genauso, wie sie vor ein paar Wochen eine Kollegin von mir, mit Walnüssen beworfen hatte. Die Kollegin wollte Pullover, die sie reserviert hatte, aus einer Schublade holen und bückte sich vor der Kundin um diese aus den anderen Rücklagen herauszusuchen. Allerdings ging es der bösen Frau nicht schnell genug und so bestrafte sie die Kollegin, mit ein paar Walnüssen aus ihrem Plastikbeutel, die sie der Mitarbeiterin an den Rücken warf. Wahrscheinlich waren ihr die Nüsse auch nur aus Versehen aus dem Beutel, in die Hand, und zu Boden gefallen.

Genau so ein Missgeschick, wie bei der leeren Spule, eben bei mir.

“Falls sie noch Walnüsse brauchen. Diese finden sie bei uns in der Lebensmittelabteilung, am anderen Ende dieses Stockwerks”, sagte ich zum Abschluss freundlich und grinste sie dabei an.

Sie verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und wusste nun, dass sie hier, in unserer Filiale, kein unbeschriebenes Blatt mehr war.

“Fahren Sie mich zur Kasse! Sofort!”, keifte sie ihren Zivi an, der augenblicklich ihren Rollstuhl in Richtung Kasse ansteuerte.

“Ich wünsche ihnen auch noch einen schönen Tag”, sagte ich freundlich und ging dann zurück an meine Arbeit.

*

Da gibt es noch eine Kreatur, die zu den bösen Kunden gehört. Dieser Person sieht man es schon von weiten an. Ihre Blicke ihren Mitmenschen gegenüber und schon alleine ihre negative Ausstrahlung, die sie in der Öffentlichkeit verströmt, signalisiert jedem in ihrer Nähe, besser Abstand zu halten, um nicht von ihren giftigen Zähnen gepackt zu werden. Die Leute, die ihr im Weg stehen werden einfach zur Seite gerempelt oder über den Haufen gelaufen. Egal welcher Altersklasse. Ob Kind oder Greis, jeder wird beiseite geschubst, der ihr im Weg ist.

“Aus dem Weg!”, sagte sie laut und schubste eine junge Frau beiseite, die zwar noch versuchte ihr Gleichgewicht zu halten und dann aber doch zwischen den Tischdecken auf dem Boden saß und kopfschüttelnd der verrückten Frau hinterher sehen musste, die sie gerade zur Seite und auf den Boden geschubst hatte.

Ja das ist Sie! Unsere nächste spezielle Kundin, von der ich gerne erzählen möchte. Die böse Stiefmutter aus Schneewittchen, wirkt neben dieser Frau, wie die gute Fee persönlich.

Sie tritt meistens überraschend auf. Na ja wie so viele andere böse Kunden ja auch. Allerdings haben die anderen wenigsten eine bestimmte Regelmäßigkeit, an die man sich gewöhnt hatte und man nicht ganz aus dem Häuschen ist, vor Schreck, wenn diese dann, die Filiale betreten. Nicht bei unserer Papierhaut oder Blauwurm, wie sie von uns heimlich genannt wurde. Sie hat keinen festen Zyklus, den sie einhielt. Sie tauchte unerwartet auf, bringt ziemlich viel durcheinander und verschwindet dann wieder plötzlich. Das typische Windhosensyndrom, wenn sie mich fragen. Jeder kennt sie und alle sind doch überrascht, welchen Schaden sie, in nur so kurzer Zeit, anrichten kann.

Angezogen ist sie immer sehr bieder. Den Rock bis über die Knie oder eine gebügelte Tuchhose, wo man an der Bügelfalte ein Haar spalten könnte, wenn man es wollte. So scharf tritt diese hervor. Dazu immer weiße gestärkte Rüschenblusen, die bis zum letzten Knopf verschlossen sind. Natürlich mit Schulterpolster, um ihr groteskes Outfit noch zu unterstreichen. Kombiniert mit schwarzen Lederschnürschuhen, die so unbequem aussehen, dass man schon beim bloßen hinsehen, Blasen an den Füßen bekommt. Ihre langen, dünnen, blonden Haare immer streng nach hinten gekämmt und mit Haarnadeln fixiert. Ihr bleiches Gesicht wirkt transparent, fast schon wie durchsichtiges Papier. Ihr Gesicht glänzt immer, wenn man sie genauer anschaut, könnte man meinen, sie schmiert es mit purem Fett ein. Um ihre kleine spitze Nase sieht man dann feine blaue Adern laufen, die sich durch ihr ganzes Gesicht ziehen. Diese treffen sich an ihren Schläfen wieder, wo zwei dicke blaue Adern das Gesamtbild abschließen. Es ist wie ein missglücktes Kunstwerk eines Kindes, das sich mit einem blauen Stift auf weißem Transparentpapier ausgetobt hat.

Ihre ganz spezielle Art, hat sie bei uns unvergesslich gemacht.

Nehmen wir einfach ein Beispiel:

Es war Sommer. Draußen gefühlte fünfzig Grad im Schatten. Die meisten Menschen lagen am See oder saßen in den Biergärten der Stadt, um der Hitze etwas entgegenzuwirken. Der Blauwurm brauchte Tomaten und ging im Stechschritt auf die Lebensmittelabteilung zu. Klar, dass sie wieder irgendetwas zu meckern hatte. Sie versuchte mit ihren langen, dünnen Fingern eine Plastiktüte für ihre Tomaten abzureißen. Sehr geduldig war sie ja nie, und riss wie eine verrückte an dem Plastiktütenspender, der am Ende nachgab und die komplette Rolle mit Tüten ausspuckte, anstelle einer einzelnen. Sie schrie auf vor Wut, und riss sich eine davon ab. Den restlichen Knäuel von den Tüten, drückte sie zu einem großen Ball zusammen und warf ihn ins nächste Regal, hinter sich. Sie nahm ihre fünf Tomaten und stopfte sie in die Tüte und stampfte zur Kontrollwaage. Sie legte dort das rote Gemüse auf die Waage und fing an, auf den Knöpfen, zu tippen. Leider ohne Erfolg. Die Waage gab immer nur ein gequältes Piepen von sich. Aber der ersehnte Strichcode, zum ab scannen, kam nicht zum Vorschein.

Sie blickte wild um sich und ihre Würmer an ihren Schläfen wurden noch blauer als sonst.

“Die Waage ist kaputt!”, schrie sie laut. Sie tippte immer und immer wieder auf den Knöpfen umher. Aber immer wieder kam ihr nur ein lautes Piepen entgegen. Es kam ihr so vor, als würde sich die Waage über sie lustig machen. In einem noch schnelleren Schritt als sonst, ging sie an die Kasse. Vor ihr waren zwei weitere Kunden, um zu bezahlen. Ansonsten war keiner mehr in der Abteilung.

“Ihre Waage ist kaputt!”, keifte sie die Kassiererin an. Ihre Stimme überschlug sich schon vor Wut. Und die Blicke, die von ihr kamen, hätten ganze Berge sprengen können.

“Das ist nur eine Kontrollwaage! Die Ware wird bei mir direkt an der Kasse gewogen”, sagte die Kassiererin freundlich.

“Wie wäre es mal, wenn sie dort ein Schild aufhängen! Ich stand da jetzt eine geschlagene halbe Stunde und hab versucht die Tomaten abzuwiegen!”

So, hier frieren wir mal die Szene ein. Das ist ja mal wieder eine typische Kundenreaktion! Wenn etwas nicht funktioniert, dann wird erstmal das Personal angeschrien. Das sich selbstverständlich, auf Augenhöhe, ein entsprechendes Schild befindet, welches die Kontrollwaage also ebensolche ausweist, erwähne ich hier nur der Ordnung halber / ist auch hier der Fall.

Dann als Nächstes das Zeitgefühl der Kunden. Irgendwie scheinen die Meckerkunden alle, eine andere Zeitmessung zu haben, als wir. Der Blauwurm war insgesamt ca. fünf Minuten in der Gemüseecke. Davon mal abgesehen, dass sie in diesen paar Minuten, einen Saustall hinterlassen hat, als wäre eine Flutwelle durch die Abteilung geschwappt. Aber lieber noch mal, die gefühlten fünfundzwanzig Minuten mit dazu addieren, das macht die Sache dramatischer.

Tja, bei den anderen Kunden kann man damit vielleicht Eindruck schinden. Aber nicht beim Personal, die solche Ausreden oder Vorwürfe schon im Schlaf mitsprechen können.

Und weiter…

“Also, größer können wir das Schild wirklich nicht machen. Es hängt direkt über der Waage.”

“Ich war ja gerade dort. Da hängt gar nix. Rein gar nix hängt da! Reden Sie doch nicht so einen Stuss!”, keifte der Blauwurm und zeigte immer mit ihrer Hand, mit der sie ihre Tomaten festhielt, in Richtung Kontrollwaage.

“Wie Sie meinen”, sagte die Kassiererin höflich zu ihr und tippte den Betrag des Geldes von dem Kunden in die Kasse, der jetzt gerade dran war.

“Das ist eine unverschämte Frechheit! Ich lasse mich hier nicht als Lügnerin und Spinnerin von Ihnen abstempeln!”, kreischte sie weiter laut und ihre blauen Adern an ihren Schläfen pulsierten vor Wut.

“Könnten Sie sich bitte wieder beruhigen! Ich zeige ihnen gerne gleich das Schild persönlich, wenn es ihnen irgendwie weiterhilft.”

“Reden Sie ja nicht in so einem Ton mit mir! Das hab ich wirklich nicht nötig, mich von so einer billigen Kassenkraft beleidigen zu lassen!”

Die Kassiererin schüttelte nur den Kopf und gab dem Kunden sein Wechselgeld wieder.

“Also ihre starken Nerven möchte ich gerne haben. Sie haben es auch nicht immer leicht”, sagte der Kunde und verstaute seine Einkäufe in einer Tüte.

“Und machen Sie gefällig eine zweite Kasse auf. Ich warte hier schon zwanzig Minuten!” Ertönte wieder die Tomatenfrau und der blaue Wurm pulsierte gefährlich an ihrer Schläfe.

Das war das, das unsichtbare Zeichen für die Kassiererin noch langsamer zu arbeiten. Jedenfalls bis der Blauwurm dran war. Bei der Kundin, die jetzt an der Reihe war, war der Einkaufswagen voll. Doch bevor sie den ersten Artikel über den Scanner zog, fragte die Kassiererin die Kundin:

“Wollen Sie die Dame mit den Tomaten vorlassen? Sie scheint es ja wirklich eilig zu haben.”

Die Stimme, der Kassiererin, war die reinste Ironie. Die Kundin, die das ganze Spektakel vom Blauwurm mitbekommen hatte, schaute die Kassiererin an, danach den Blauwurm und konnte einen kleinen Funken Hoffnung, in ihren Augen erkennen, dass sie vorgelassen würde. Da wäre ihr Gemecker ja nicht umsonst gewesen.

“Ich denke gar nicht daran! Fangen sie an! Und bitte langsam, das sind wirklich äußerst empfindliche Speisen”, sagte die Kundin zur Kassiererin und zwinkerte ihr kurz zu.

Ganz klar, dass das dem Blauwurm gar nicht gefiel, was sie da gerade gehört hatte. Sie verzog ihre dünnen Lippen, warf den Beutel mit den Tomaten, in das Zigarettenregal links neben ihr.

“Behalten sie doch ihren Scheiß!”, keifte sie und verschwand mit schnellen Schritten aus der Abteilung. Dieses Schauspiel dauerte gerade mal sieben Minuten. Nur, dass Sie mal ein Bild davon haben, was für eine Unruhe ein einziger Mensch, in nur so kurzer Zeit verursachen kann.

*

Dass Kunden immer ihr persönliches Märchenbuch auspacken, wenn es um einen Umtausch geht, ist jeder Verkaufskraft ja wohl bekannt. Am besten sind immer die Geschichten nach Weihnachten, wenn sie mit ihrer Ware, nach den Feiertagen, im Kaufhaus stehen und sie umtauschen wollen, weil sie ihnen nicht gefallen haben. Dann präsentieren sie ihren Kassenzettel, und erzählen die wildesten Geschichten, wieso und weshalb und auch warum, das Geschenk, am Heiligen Abend, nicht gepasst hat. Im Grunde kennt man dann fast schon den halben Familienstammbaum, und wieso Tante Gerdi betrunken hinter dem Weihnachtsbaum lag, und Onkel Gustav jedem an den Hintern gegrabscht hat, außer seiner eigenen Frau, die ja eh im Koma hinter dem Baum lag. Dabei sind ja nur zwei einfache Dinge nötig bei uns, um einen Umtausch zu vollziehen. Die Ware muss in Ordnung und verpackt sein und der Kassenzettel sollte auch nicht fehlen. Das war es schon. Dann wird die Ware ohne Kreuzverhör zurückgenommen. Aber es gibt immer wieder ein paar Kunden, die ihre Umtauschgeschichten erzählen müssen. Ich denke mal, über die Hälfte davon ist erfunden, nur damit sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil sie das bestimmte Stück umtauschen wollen.

Allerdings hatten wir mal einen Fall, der diese Märchenbuchgeschichten, völlig gesprengt hatte und eine Abteilungsleiterin fast zur Mörderin mutieren ließ.

Es war ein harmloser Tag. Kein Vollmond, Föhn oder Freaky Freitag, zu dem ich später noch kommen werde oder noch am besten, alles zusammen. Denn das sind die bestimmten Tage, wo die Kunden alle durchdrehen, und uns in den Wahnsinn treiben. Keiner von diesen Tagen war präsent, jeder in der Abteilung fühlte sich sicher, scherzte mit den Kunden zusammen und lachte heiter. Bis eine Frau, mittleren Alters, zusammen mit ihrer Mutter, die im Rollstuhl saß, die Abteilung betrat. Sie steuerten gerade auf den Kassenpunkt unter die Rolltreppe zu, um dort etwas umzutauschen.

“Grüß Gott! Ich möchte gerne etwas umtauschen”, sagte die Dame mit ihrer leichten kratzenden Stimme, zog eine blaue Plastiktüte vom Haltegriff des Rollstuhls und legte diese, auf den Kassentisch, vor sich.

“Was möchten Sie denn gerne umtauschen?”, fragte die blonde Verkäuferin freundlich und sah zu, wie die Kundin einen Schnellkochtopf aus der Tüte hervorholte.

“Haben Sie ihren Kassenbon mit dabei?”

“Aber natürlich hab ich den dabei. Der liegt in der Tüte, mit drinnen”, sagte die Kundin und holte ihren Geldbeutel aus ihrer braunen Handtasche, hervor.

Die junge Verkäuferin öffnete den Deckel vom Schnellkochtopf.

“Was machen Sie denn da?”, fragte die Kundin erstaunt.

“Ich muss nachschauen, ob der Topf benutzt wurde. Sonst darf ich ihn nicht umtauschen.”

„Keine Sorge! Ich habe den Topf nicht benutzt, versicherte ihr die Kundin, mit einem breiten Lächeln. Sie brauchen nicht nachzusehen. Es reicht, wenn ich es ihnen sage.”

Die junge Verkäuferin guckte die Kundin kurz skeptisch an, hob dann den Deckel ab und schaute in den Topf hinein.

Dass sie den Topf nicht benutzt hatte, grenzte schon an einer Untertreibung. Der Boden des Topfes war dermaßen zerkratzt, dass sich schon die Beschichtung gelöst hatte und oben am Gummirand klebten noch Essensreste, verschiedenster Art. Dieser Topf wurde mehr als nur einmal benutzt, das konnte die junge Verkäuferin sehen. Und sauber roch der Topf auch nicht wirklich. Es roch einfach nach kaltem Essen, wenn man sich drüber beugte, um den Boden des Topfes zu begutachten.

“Es tut mir leid. Aber den Topf kann ich ihnen nicht umtauschen. Dieser wurde benutzt und ist somit vom Umtausch ausgeschlossen”, sagte die junge Verkäuferin freundlich aber bestimmt. Innerlich ärgerte sie sich, weil die Kundin sie über das Ohr hauen wollte und einen benutzten Schnellkochtopf, von ca. zweihundert Euro umtauschen wollte. Es hätte ihr ja eigentlich klar sein müssen, dass bei so einem Warenwert, die Ware noch mal genau unter die Lupe genommen wird, bevor man diese zurücknimmt.

Die Kundin allerdings, sah das anders und konnte oder wollte nicht begreifen, wieso sie noch immer nicht ihr Geld hatte und der Topf nicht umgetauscht wurde.

“Ich weiß gar nicht, wieso Sie solche Zicken machen. Tauschen sie den Topf um und damit hat es sich dann.”

Langsam wurde die Kundin ungeduldig und ihre Stimme war nicht mehr so zuckersüß wie am Anfang.

“Ich bedauere, aber gebrauchte Ware nehmen wir grundsätzlich nicht zurück. Und dieser Topf ist benutzt worden. Das können sie ja gut, an den vorhandenen Kratzspuren am Boden feststellen”, sagte die Verkäuferin und legte den Topf auf die Seite, so dass die Öffnung zur Kundin zeigte. Da die Kundin nicht besonders groß war, stand sie nun in Augenhöhe zum Topf und konnte problemlos die Kratzspuren begutachten, die sie wahrscheinlich selber dort hinein gehämmert hatte. Womit auch immer.

“Da Sie nicht in der Lage sind diesen Topf umtauschen, werde ich wohl mit ihrem Abteilungsleiter sprechen müssen”, sagte die Frau spitz und lächelte wohl wissend, dass sie am längeren Hebel stand.

Die junge Verkäuferin zog ihre rechte Augenbraue hoch und verdrehte kurz die Augen. Das war wieder mal die typische Kundendrohung, die man sich in der Woche bestimmt ein dutzend Mal anhören konnte.

“Einen kleinen Moment bitte”, sagte Sie und ging in Richtung Büro, um die gewünschte Abteilungsleiterin zu holen.

Die Kundin lächelte in sich hinein und man konnte ihr genau ansehen, dass sie sich siegessicher fühlte.

Solche Szenen, gehören in fast jeder Abteilung, zum Alltag. Es gibt Kunden, die davon ausgehen, dass alle Angestellten Angst vor dem Abteilungsleiter haben. Dennoch tun sie dann immer wieder überrascht, wenn der oder die Abteilungsleitung genau dasselbe wiedergibt, was die Kundschaft, schon zuvor von der Verkaufskraft gehört hat. Aber meistens wird bei schwierigen Umtauschaktionen, so wie wir sie nennen, nach dem Chef verlangt, damit die bösen Kunden wieder mal zeigen können, dass sie über der Verkaufskraft stehen und um ihnen damit zu beweisen, dass sie nur ein ganz kleines Licht, in dem Warenhaus, sind. Und, dass Verkäufer eigentlich die Schnauze zu halten haben, wenn Kunde X etwas umtauschen will.

Auch wenn es von der Kundin selber fahrlässig beschädigt oder mutwillig zerstört wurde.

Und dennoch sind diese Spezies von Kunden, dann immer völlig perplex, wenn die Abteilungsleitung bei so einem besonderen Fall, auf der Seite der Verkaufskraft ist.