Die Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre nach 39 - Sue Townsend - E-Book

Die Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre nach 39 E-Book

Sue Townsend

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Beschreibung

Adrian Mole ist inzwischen 39 und es geht ihm so schlecht wie immer. Er wohnt total abgebrannt in einem umgebauten Schweinestall, niemand interessiert sich für seine literarischen Ergüsse und seine Frau bandelt mit einem wohlhabenden Schnösel an. Dann erhält er eine wahrhaft erschütternde Diagnose: Prostatakrebs. Doch Adrian lässt sich nicht unterkriegen, sondern begegnet allen Schicksalsschlägen mit seinem typisch schrulligen Humor.

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Seitenzahl: 466

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Das Buch

Adrian Mole kann seine Rechnungen nicht mehr begleichen. Er lebt nun in einem umgebauten Schweinestall in einer trostlosen Gegend bei Leicestershire, und das in direkter Nachbarschaft zu seinen Eltern. Er bessert sein Haushaltsgeld als Aushilfe in einem Antiquariat auf, aber die Buchhandlung geht pleite. Seine etwas eigenwillige Frau Daisy hasst das Landleben, und Adrian dämmert langsam, dass sich die Leidenschaft aus ihrem Eheleben verflüchtigt hat. Dann stellt sich heraus, dass Adrian Prostatakrebs hat. Seine Mutter schreibt ihre Memoiren über ihre elende Kindheit. Adrians Tochter will sich nicht in eine Schuluniform zwingen lassen, sondern ihr Meerjungfrauenkostüm anziehen. Und da ist natürlich auch wieder Adrians alte Flamme, Dr. Pandora Braithwaite. Das ganze Personal läuft erneut zur Höchstform auf. Doch Adrian Mole lässt sich auch in den schweren Jahren nach 39 nicht unterkriegen.

»Eine hinreißend komische und kluge Lektüre.« NZZ

Die Autorin

Sue Townsend wurde 1946 in Leicester geboren, wo sie auch heute noch lebt. Nachdem sie mit 15 die Schule verließ, hielt sie sich mit verschiedenen Jobs über Wasser. Seit 1978 hat Sue Townsend zahlreiche Bühnenstücke geschrieben. Mit den Tagebüchern des unverbesserlichen Adrian Mole gelang ihr der internationale Durchbruch. Sie ist seit Jahrzehnten eine der meistgelesenen Autorinnen Englands.

Lieferbare Titel

Queen Camilla

Aus der Adrian-Mole-Reihe: Adrian Mole und die Achse des Bösen; Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole

SUE TOWNSEND

Die Tagebücher des

Adrian Mole

Die schweren Jahre nach 39

Aus dem Englischen von Astrid Finke

Wilhelm Heyne Verlag

Müchnen

Die Originalausgabe Adrian Mole. The Prostrate Years erschien 2009 bei Penguin Books Ltd., London

Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 10/2012

Copyright © 2009 by Lily Broadway Productions Ltd.

Copyright © 2010, 2012 der deutschen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © 2011 der deutschen Hardcover-Ausgabe

by Verlag Klaus Bittermann

Umschlagillustration und Umschlaggestaltung:

Nele Schütz Design, München

Satz: Leingärtner, Nabburg

ePub-ISBN: 978-3-641-07618-4

www.heyne.de

2007

Samstag, 2. Juni 2007

Schwarze Wolken über Mangold Parva. Es regnet seit Anbeginn der Zeit. Wann wird es aufhören?

meine grössten sorgen:

1. Glenns Kampfeinsatz gegen die Taliban in der Provinz Helmand.

2. Der Buchladen hat heute nur 17,37 £ eingenommen.

3. Musste letzte Nacht drei Mal aufstehen, um Wasser zu lassen.

4. Der Mittlere Osten.

5. Haben meine Eltern eine aktuelle Sterbegeldversicherung? Ich kann mir nicht leisten, sie zu beerdigen.

6. Meine Tochter Gracie zeigt beunruhigende stalinistische Tendenzen. Ist so ein Verhalten normal bei Kindern unter fünf Jahren?

7. Es ist zwei Monate und neunzehn Tage her, seit meine Frau Daisy und ich das letzte Mal miteinander geschlafen haben.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass ihr Interesse an mir nachgelassen hat. Sie hat schon seit Ewigkeiten nicht mehr die Kuppe meines weichgekochten Eis abgemacht. Sie hat sich immer noch keine Gummistiefel gekauft, obwohl sie seit drei Jahren in Mangold Parva wohnt. Sie ist die einzige Mutter mit zwölf Zentimeter hohen Absätzen vor dem Kindergarten. Das zeigt, dass sie sich überhaupt nicht zu mir bekennt, und ebenso wenig zum englischen Landleben. Im ersten Monat unserer Ehe pflückten wir zusammen Brombeeren, und sie versuchte sich am Einkochen von Marmelade. Heute, vier Jahre später, sind die Narben von der kochenden Marmelade fast vollständig verheilt, und sie kauft Himbeermarmelade von Bonne Maman für 3,50 £! Das ist absurd, wo man doch die Co-op-Eigenmarke für 87 Pence bekommt.

Gestern fand ich sie weinend über ihre alte Aktentasche gebeugt. Als ich sie fragte, was denn los sei, schluchzte sie: »Ich vermisse Dean Street.«

»Wer ist Dean Street?«, wollte ich wissen.

Da knallte sie die Aktentasche auf den Tisch und trat wütend gegen einen Sack Komposterde.

»Dean Street, die Straße, du Idiot«, sagte sie mit diesem ruhigen, sarkastischen Tonfall, den ich fürchten gelernt habe.

Aber wenigstens hat sie mit mir gesprochen, obwohl sie Augenkontakt immer noch meidet. Als ich letzte Woche meinen Nasenhaartrimmer in der Handtasche meiner Frau suchte, fiel mir ein DIN-A5-Heft mit harmlos aussehenden Monstern auf dem Umschlag in die Hände. Zu meinem Erschrecken las ich auf der ersten Seite eine Notiz an mich.

Adrian, wenn du mein Tagebuch gefunden hast und das hier siehst, lies nicht weiter. Ich kann mich niemandem als diesem Tagebuch anvertrauen. Bitte respektier meine Wünsche und gestatte mir etwas Privatsphäre.

Mach das Heft zu und leg es zurück.

Sofort!

Ich las weiter.

Liebes Tagebuch,

ich habe mir vorgenommen, jeden Tag etwas in Dich zu schreiben, und ich werde nichts verschweigen. Ich kann keiner Menschenseele erzählen, wie ich mich fühle. Adrian bekäme einen Nervenzusammenbruch, meine Eltern und Schwestern würden sagen, ich hätte ihn nie heiraten sollen, und meine Freunde würden verkünden, »das haben wir dir doch gleich gesagt«. Aber die Wahrheit ist, liebes Tagebuch, dass ich schrecklich unglücklich bin. Ich hasse es, im Land der Bauerntrampel zu wohnen, wo die Bevölkerung noch nie von der Galerie White Cube oder Latte macchiato gehört hat und glaubt, Russel Brand wäre eine Wasserkochermarke. Liebe ich meinen Mann? Habe ich meinen Mann je geliebt? Kann ich mit meinem Mann zusammenleben, bis einer von uns oder wir beide tot sind?

In dem Moment hörte ich die Tür schlagen, und Daisy kam aus dem Garten ins Haus. Schnell steckte ich das Heft in ihre Handtasche zurück und rief aus unerfindlichem Grund: »Daisy, wann feiert die Queen offiziell Geburtstag?«

Sie kam ins Wohnzimmer und fragte: »Warum willst du das wissen? Du hast ihr doch wohl keins deiner Gedichte geschrieben, oder?«

Als sie den Kopf vorbeugte, um sich eine Zigarette anzuzünden, musste ich feststellen, dass sie inzwischen ein Tripelkinn hat. Außerdem ist mir neulich aufgefallen, dass sie sich an unserer sprechenden Badezimmerwaage zu schaffen gemacht hat; das Gerät spricht seitdem nicht mehr.

Zum Einkaufen begleite ich sie nicht mehr, seit sie in der Umkleidekabine von Primark einen Tobsuchtsanfall hatte, als sie in einem Oberteil in Größe 42 stecken blieb und von der Filialleiterin herausgeschnitten werden musste.

Den gesamten Heimweg über sagte sie immer wieder: »Ich begreife das nicht, ich hab doch nur Größe 40.« Selbst mein Freund Nigel, der blind ist, aber Umrisse erkennen kann, meinte vor kurzem: »Du liebe Güte, Daisy hat aber ganz schön zugelegt. Als sie mich letztens besucht hat, dachte ich, mein Geräteschuppen aus dem Garten hätte sich in Bewegung gesetzt.«

Als sie in die Küche ging, war ich versucht, mir ihr Tagebuch zu schnappen und weiterzulesen, aber das war mir dann doch zu riskant.

Nach dem Abendessen (Dosenthunfischsalat, Frühkartoffeln, Rote-Bete-Salsa, Erdbeeren aus dem Garten, Elmlea-Sahneersatz) spülte ich gerade ab, als Daisy hereinkam und sich eine Schachtel Schokokekse aus dem Schrank nahm. Später, nachdem ich die Arbeitsflächen abgewischt und den Mülleimer und den Recyclingabfall ans Ende der Auffahrt geschoben hatte, ging ich ins Wohnzimmer, um mir die Nachrichten auf Channel 4 anzusehen. Mir fiel unwillkürlich ins Auge, dass Daisy drei Viertel der Kekspackung aufgegessen hatte. Ich hätte nichts sagen sollen. Ich hätte schön meinen Mund halten sollen. Der folgende Streit war wie ein Vulkanausbruch.

Gracie stellte ihre High School Musical 2-DVD auf volle Lautstärke und forderte streng: »Hört auf zu brüllen, sonst rufe ich die Polizei!«

Meine Mutter kam von nebenan, um nachzusehen, ob Daisy mich tatsächlich umgebracht hatte. Sie beendete den Streit schließlich, indem sie Daisy und mich übertönte: »Daisy, du verschließt die Augen vor der Wirklichkeit! Du hast eindeutig Größe 44. Finde dich damit ab! Bei Evans, bei Principles, und sogar von Dawn French gibt es inzwischen Klamotten für Dicke.«

Daisy warf sich meiner Mutter in die Arme, und meine Mutter bedeutete mir mit einer wütenden Kopfbewegung, dass ich den Raum zu verlassen hatte.

* * *

Heute Morgen stand Daisy nicht wie üblich an der Haustür und sah mir zu, wie ich mein Fahrrad bestieg, um zur Arbeit zu fahren, und als ich auf die Straße bog und mich umdrehte, um zu winken, war sie auch nicht am Fenster. Körperlich bin ich momentan an einem Tiefpunkt. Nachts stehe ich mindestens drei Mal auf, wenn ich mir abends nach Newsnight ein Glas Wein gönne, sogar noch öfter. Dementsprechend erschöpft bin ich, und morgens muss ich mich dann auch noch mit meinen Eltern (deren Haus eine gemeinsame Wand mit unserem hat) herumschlagen, weil sie angeblich wegen des ständigen Rauschens unseres Spülkastens nicht schlafen können.

Da ich Gegenwind hatte, brauchte ich länger als sonst bis zum Buchladen, und als ich den Stadtrand von Leicester erreichte, wurde ich noch weiter aufgehalten. Es kam mir vor, als wäre jede einzelne größere Straße aufgerissen worden, um neue Abwasserrohre zu verlegen. Als unfreiwilliger Senkgrubenbesitzer wurde ich praktisch grün vor Neid. Ist es ein Wunder, dass meine Frau sich nach der Metropole sehnt? Ich habe ihr eine der elementaren Notwendigkeiten des Lebens vorenthalten. Wobei ich für unsere primitiven sanitären Verhältnisse meinen Vater verantwortlich mache, denn das Geld, das wir beim Umbau der Schweineställe für den Anschluss an das Abwassernetz zurückgelegt hatten, wurde für Rollstuhlrampen verplempert. Dabei war er doch selbst schuld an seinem Schlaganfall – jahrelang bestand seine einzige körperliche Bewegung im Drücken der Fernbedienungstasten. Damit nicht genug, raucht er immer noch dreißig Zigaretten am Tag und stopft sich mit Buttertoast und frittierter Chilli-Schweineschwarte voll.

Ich verwünsche den Tag, an dem meine Eltern zwei baufällige Schweineställe gekauft und in Wohneinheiten umgewandelt haben. In den Anfangstagen meiner Insolvenz war ich dankbar, ein Schweinestalldach über dem Kopf zu haben, aber ich musste schwer dafür büßen.

Eine weitere Sorge ist mein Versagen als Vater. Gestern brachte Gracie aus dem Kindergarten eine Filzstiftzeichnung mit dem Titel »Meine Familie« mit nach Hause. Tagebuch, ich suchte unter den Strichmännchen nach der Abbildung meiner selbst, wurde aber nicht fündig. Mein Nichtvorhandensein verletzte mich zutiefst. Als ich Gracie unter Verweis darauf, dass immerhin von meinen Lohnsteuern die Filzstifte für ihren Kindergarten und das Gehalt ihrer Erzieherin bezahlt werden, fragte, warum sie mich nicht gezeichnet habe, zog sie die Stirn in Falten. Um die übliche Eskalation – Schluchzen, Schreien, Rotz und Schuldzuweisungen – zu vermeiden, lenkte ich sie durch das Öffnen einer Packung rosafarbener Waffeln ab.

Später fragte ich meine Frau, warum Gracie mich ihrer Meinung nach nicht auf das Familienbild aufgenommen habe, und Daisy gab zurück: »Offensichtlich hat sie deine emotionale Distanziertheit mitbekommen.« Als ich Einspruch erhob, wurde sie lächerlich überemotional und rief: »Wenn du von der Arbeit nach Hause kommst, sitzt du mit offenem Mund da und starrst aus dem Fenster.«

Ich verteidigte mich. »Ich kann mich eben an dem Blick nicht sattsehen, an den Bäumen in der Ferne, am verblassenden Abendlicht.«

Daisy sagte: »Das hier ist nicht scheiß Cornwall. Vom Küchenfenster aus sieht man einen morastigen Acker und eine Zypressenhecke, die dein Vater gepflanzt hat, um seine ›Privatsphäre zu schützen‹. Nicht dass jemals ein Mensch auch nur hier in die Nähe käme.«

Sonntag, 3. Juni

The Old Pigsty 1

The Piggeries

Bottom Field

Lower Lane

Mangold Parva

Leicestershire

Sonntag, 3. Juni 2007

Gordon Brown

Schatzkanzler

11 Downing Street

London SW1A 2AB

Sehr geehrter Mr.. Brown,

kürzlich schrieb ich Ihnen betreffs einer großen Ungerechtigkeit ins Finanzministerium. Laut meinem zuständigen Finanzamt bin ich immer noch mit einer Summe von 13.137,11 £ im Rückstand. Diese »Steuerschuld« sammelte sich an, während ich als Innereienkoch für einen betrügerischen Arbeitgeber in Soho arbeitete.

Mir ist durchaus bewusst, dass Sie ein unglaublich beschäftigter Mann sind, aber wenn Sie vielleicht eine Minute Zeit finden könnten, einen Blick auf meine Unterlagen zu werfen (am 1. März 2007 per Einschreiben versandt), und mir dann eine kurze Notiz mit der Bestätigung meiner Unschuld in dieser Angelegenheit schicken könnten, wäre ich Ihnen auf ewig zu Dank verpflichtet.

Ihr demütiger und ergebener Diener

A. A. Mole

PS: Wenn Sie gestatten, möchte ich Ihnen empfehlen, diese Sache zu klären, bevor Sie als Premierminister übernehmen.

PPS: Meinen Glückwunsch, dass Sie sich mit nur einem Auge so gut schlagen. Damit reihen Sie sich in den Reigen anderer illustrer Einäugiger ein: Peter Falk (Columbo), George Melly, Nelson und natürlich Zyklop.

Montag, 4. Juni

Was als kleine Meinungsverschiedenheit über die korrekte Art und Weise, Kartoffeln zu kochen, begann (ich setze sie in kaltem Wasser auf, Daisy wirft sie in kochendes), entwickelte sich zu einer tränenreichen und wütenden Anprangerung unserer Ehe.

Die Liste meiner ehelichen Missetaten beinhaltet zu lautes Essen von Chips, das Bügeln einer Falte in die Hosenbeine meiner Jeans, meine Weigerung, mehr als 5 £ für einen Haarschnitt auszugeben, das Tragen ein und derselben Papiermohnblume (erworben im Jahr 1998) jedes Jahr im November anlässlich des Remembrance Day, zu viele getrocknete Kräuter in den Spaghetti Bolognese, das Schreiben wahnsinniger Briefe an berühmte Menschen sowie mein niedriges Gehalt, das uns zwingt, weiterhin im Schweinestall zu wohnen.

Am Ende ihrer Tirade sagte ich: »Ich weiß gar nicht, warum du mich eigentlich geheiratet hast.«

Daisy betrachtete mich, als sähe sie mich zum ersten Mal, und sagte: »Das kann ich dir ehrlich nicht sagen. Ich muss dich wohl geliebt haben.«

»Geliebt?«, hakte ich nach. »Hast du absichtlich die Vergangenheitsform benutzt?«

Daraufhin wurde Daisy wieder wütend und brüllte: »Unsere Ehe geht in die Brüche, und alles, was dir einfällt, ist, über meine Grammatik zu meckern.«

»Das ist grob kontrapositional zu dem, was ich eigentlich gesagt habe«, protestierte ich.

»Hör dir doch mal selbst zu«, sagte sie. »Kein Mensch spricht so, Adrian. Niemand benutzt ein Wort wie ›kontrapositional‹.«

»Ich möchte fast wetten, dass ›kontrapositional‹ einen festen Platz in Will Selfs alltäglicher Konversation hat«, sagte ich. Selbst in meinen eigenen Ohren klang ich wie Mr. Pooter.

Solche Auseinandersetzungen machen mir keinen Spaß. Werde ich zu einem dieser Spießer, die der Meinung sind, dass unser Land auf den Hund gekommen ist und es seit Abba keine vernünftige Musik mehr gibt?

Dienstag, 5. Juni

Liebes Tagebuch, ich habe noch einmal über den gestrigen Eintrag nachgedacht und muss zu meiner leichten Beunruhigung feststellen, dass ich tatsächlich der Meinung bin, unser Land ist auf den Hund gekommen, und nichts geht über Abba.

Mittwoch, 6. Juni

Heute kam die Sonne heraus. Das meine ich nicht metaphorisch, sondern die echte Sonne kam tatsächlich hinter den tiefen grauen Wolken hervor, die seit Monaten am Himmel hängen. Der Geruch von Weißdorn lag schwer in der Luft, und das Wasser in den Schlaglöchern unserer Auffahrt war zum größten Teil verdunstet. Ich bemerkte Daisy gegenüber, dass der Sonnenschein uns allen guttun, unseren Serotoninspiegel in die Höhe treiben und der Rachitis vorbeugen würde.

Daisy sagte: »Für mich, Adrian, bedeutet der Sonnenschein einzig und allein, dass ich mir die Beine rasieren muss.«

Sie ist nicht mehr die Frau, die ich geheiratet habe. Die alte Daisy, die sich an der Sonne ergötzte, legte sich im Bikini mit einem Handtuch auf das Flachdach unseres Schweinestalls, um noch den letzten Strahl aufzusaugen.

Als ich ihr vorschlug, ein Sonnenbad zu nehmen, füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Hast du in letzter Zeit mal einen Blick auf meine Figur geworfen?«, fragte sie.

Liebes Tagebuch, was ist mit meiner Frau geschehen? Hat sie ernst gemeint, was sie über mich in ihr Heft schrieb? Werden wir jemals wieder Sex haben? Selbst meine Eltern schaffen es jeden zweiten Donnerstag. Wegen der verstörenden Geräusche von nebenan muss ich dann immer Ohrstöpsel benutzen.

Montag, 11. Juni

Mr. Carlton-Hayes ist krank. Leslie, sein Freund/Freundin, rief mich gleich morgens im Buchladen an. Seit Jahren frage ich mich jetzt schon, ob Leslie ein Mann oder eine Frau ist. Jetzt bin ich immer noch nicht schlauer. Leslie könnte eine Frau mit tiefer Stimme sein, à la Ruth Kelly, der Ministerin, oder ein Mann mit hoher Stimme wie der Fußballer Alan Ball.

Alles, was ich über Leslie weiß, ist, dass er/sie mit Mr. Carlton-Hayes zusammenwohnt, eher ungesellig ist und eine Vorliebe für Sibelius und die rosa Kokosnuss-Lakritz-Teile aus der Basset’s-Allsorts-Mischung hat.

Ich fragte Leslie, was Mr. Carlton-Hayes habe, und er / sie sagte: »Hat er es nicht erwähnt? Oje, ich fürchte, dann habe ich ziemlich schlechte Nachrichten für Sie. Oje …«

Hastig warf ich ein: »Dann warte ich einfach, bis es ihm wieder besser geht, ja?«

Ich konnte Leslie atmen hören. Es klang, als hätte er / sie es auf den Bronchien.

Eine Kundin – eine Frau mit einer einzigen breiten Augenbraue – fragte mich, ob wir irgendetwas über die frühen Surrealisten vorrätig hätten. Ich führte sie zu einer Biografie von Man Ray. Offen gestanden war ich froh über die vorübergehende Ablenkung – Leslie bat ich zu warten, während ich der Augenbrauenfrau das Buch aufschwatzte. Mr. Carlton-Hayes hatte sich schwer verschätzt, was das Interesse für Bücher über die frühen Surrealisten in Leicester anging, und die fünf Exemplare des Man-Ray-Bandes waren nicht leicht an den Mann zu bringen gewesen. Andererseits hatte er die Nachfrage nach Wayne Rooneys von einem Ghostwriter verfasster Autobiografie deutlich unterschätzt.

Als ich zurück ans Telefon kam, war Leslie nicht mehr dran. Eigentlich wollte ich sofort zurückrufen, aber die Frau wollte den Man Ray bezahlen. Als sie weg war, wählte ich Leslies Nummer, aber schon nach zweimal Klingeln legte ich wieder auf.

Sonntag, 17. Juni

Vatertag

Wurde heute Morgen um 6:20 von Brandgeruch und Gracies Kreischen in mein rechtes Ohr geweckt: »Aufwachen, es ist Vatertag!«

Raste sofort in die Küche, wo Rauch aus dem Toaster aufstieg, Cornflakes auf dem Boden lagen, Milch auf dem Tisch verschüttet war und das Buttermesser im Zucker steckte. Gracie befahl mir, mich an den Tisch zu setzen, und überreichte mir eine Karte, die sie mit Daisys Hilfe gebastelt hatte. Offen gestanden, Tagebuch, war ich nicht sonderlich beeindruckt. Ein Stück Pappe, auf die Hälfte gefaltet und mit Nudelstückchen beklebt, die das Wort »Dad« ergaben, von denen aber der Großteil schon wieder abgefallen war, so dass man nur noch die Kleberspuren erkennen konnte. Innen stand »fon Gracie«. Behutsam wies ich darauf hin, dass »fon« falsch geschrieben war. Sie betrachtete die Karte stirnrunzelnd und sagte trotzig: »So schreiben die Kinder in Amerika ›von‹.«

»Ich glaube, das stimmt nicht, Gracie.«

»Warst du schon mal in Amerika?«

Ich musste zugeben, dass ich noch nie dort gewesen war.

Worauf Gracie meinte: »Aber ich schon. Ich war einmal mit Mami da, während du im Buchladen warst.«

Ich ließ es dabei bewenden. Sie ist eine eindrucksvolle Opponentin.

Inzwischen bereue ich, mich freiwillig als Autor/Regisseur und Produzent der Theatergruppe Mangold Parva Players gemeldet zu haben. Die Proben laufen nicht gut, ich bekomme Schweißausbrüche, wenn ich daran denke, dass wir nur noch elf Monate Zeit bis zur Premiere haben.

The Old Pigsty 1

The Piggeries

Bottom Field

Lower Lane

Mangold Parva

Leicestershire

Sehr geehrter Sir Trevor Nunn,

Ihr Name wurde mir von Angela Hacker, der Autorin und Dramatikerin, die eine Nachbarin von mir ist, genannt. Ich habe ein Stück mit dem Titel Pest! verfasst, das im ländlichen Mittelalter angesiedelt ist. Es handelt sich um einen elegischen Text für sechzig menschliche Schauspieler und diverse Tiere, vorwiegend Haus- und Nutztiere.

Angela meinte, Sie könnten mir vielleicht ein paar Tipps geben, wie man eine so große Menge an Darstellern handhabt.

Wie nicht zu übersehen ist, habe ich Pest! zu Ihrer Einsichtnahme beigefügt. Wenn Sie sich für das Projekt interessieren, lassen Sie es mich bitte so bald als möglich wissen.

Ich verbleibe, mein Herr,

Ihr A. A. Mole

1. Szene

Ein Sturm. Eine Gruppe von Mönchen in Habit und Sandalen tritt auf. Ein etwas distinguierter aussehender Mönch trägt eine Schatulle. Das ist ABT GODFRIED, ein heiliger Mönch von ca. fünfzig Jahren. [Anmerkung für Inspizienten: Ein am Seitenrand der Bühne postierter Staubsauger, dessen Saugrohr in das Gebläse gesteckt wird, kann für den Wind des »Sturms« sorgen.]

ABT GODFRIED: Horch, Bruder! Der Wind wehet ach so stark, mich deucht, wir müssen Obdach an diesem verfluchten Orte suchen.

Ein Bauerntölpel taucht auf. Er heißt John und ist auf dem Heimweg zu seinem Abendbrot aus Maisklößen in Schweineohrenbrühe.

ABT GODFRIED: Halt ein, Bauerntölpel! Wohin des Wegs in solcher Hast?

BAUERNTÖLPEL JOHN: Ich täte nach Hause zu meinem Abendbrot wollen, heiliger Mann.

ABT GODFRIED: Wie heißt man diesen abscheulichen Ort?

BAUERNTÖLPEL JOHN: Der hat keinen Namen nicht, s’ist nur ein Hügel und ein paar Äcker und ein oder zwei Hütten.

ABT GODFRIED: In einem Sturm gereicht eine Hütte zu so viel Lob und Preis wie ein Palast, Bauerntölpel.

Sie haben den Dorfplatz erreicht, wo fünfunddreißig Menschen, Frauen und Männer gemischt, herumstehen. Ein Rudel Hunde tritt von links auf und überquert die Bühne. Hühner picken zwischen den Füßen der Dörfler herum. ABT GODFRIED reckt die Schatulle in die Luft. Er wird gefolgt von einem dicken Mönch, BRUDER DUNCAN, der in seiner Freizeit gern Vögel beobachtet, und einem dünnen Mönch, BRUDER ANDREW, der an Panikanfällen leidet.

BAUERNTÖLPEL JOHN: Was habt Ihr da in dem Kästchen?

ABT GODFRIED: Ich habe hier Gedärm und After von König John.

Die Dörfler und Tiere fallen auf die Knie.

ABT GODFRIED: Sein Herz wurde bei York beigesetzt. Und dieser von Gott verlassene Ort, deucht mich, wird des Königs After wohl zustattenkommen.

Die Dörfler jubeln, und die Hunde bellen.

ENDE DER 1. SZENE

Montag, 18. Juni

Gerade habe ich in einer alten Ausgabe des Leicester Mercury ein Bild von einem gewissen Harry Plant gefunden, der seinen 109. Geburtstag gefeiert hat. Einhundertneun! Mit neunzehn hat er in der dritten Flandernschlacht des Ersten Weltkriegs gekämpft.

Mr. Plant hat noch volles Haar, um genau zu sein, könnte er sogar mal wieder einen Haarschnitt vertragen. Was wohl sein Geheimnis ist?

The Old Pigsty 1

The Piggeries

Bottom Field

Lower Lane

Mangold Parva

Leicestershire

Pflegeheim The Willows

Bevan Road

Dewsbury

Leeds

Sehr geehrter Mr. Plant,

herzlichen Glückwunsch zum Erreichen des stattlichen Alters von 109. Hätten Sie wohl etwas dagegen, mir das Geheimnis Ihrer Langlebigkeit zu verraten? Vor allem interessiert mich, wie Sie es geschafft haben, Ihr Haupthaar zu behalten.

Ratschläge betreffs Ernährung, Gewohnheiten etc. würden höchst dankbar entgegengenommen.

Ich verbleibe, mein Herr,

Ihr bescheidener und ergebener Diener

A. A. Mole

Ein Brief (in zittriger Handschrift).

Sehr geehrter Mr. Mole,

Danke für Ihr freundliches Interesse. Ich habe keine besonderen Ernährungsgewohnheiten, ich esse einfach, was der englische Normalbürger isst.

Was mein Haar betrifft: Ich zerreibe eine Zwiebel und streiche mir den Saft auf die Kopfhaut, bevor ich mich abends schlafen lege.

Mit freundlichen Grüßen

Mr. Plant

The Old Pigsty 1

The Piggeries

Bottom Field

Lower Lane

Mangold Parva

Leicestershire

Pflegeheim The Willows

Bevan Road

Dewsbury

Leeds

Sehr geehrter Mr. Plant,

vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen Brief vom Montag.

Wären Sie vielleicht so freundlich, mir mitzuteilen, welche Sorte Zwiebel Sie verwenden?

In freudiger Erwartung Ihrer Antwort

Ihr

A. A. Mole

Dienstag, 19. Juni

Heute habe ich Daisy gefragt, ob sie unter Umständen die Eliza Hepplethwaite, die Dorfhure in Pest!, spielen möchte. Ich erklärte ihr, dass sie rote Kniestrümpfe und eine verfilzte Perücke tragen, sich Warzen ankleben und die Zähne schwärzen lassen müsste. »Vergiss nicht«, sagte ich, »Pest! spielt in Prä-Zahnpasta-Zeiten.«

Daisy gab zurück: »Würde es dich überraschen, wenn ich ablehnen würde? Frag doch mal Marlene Webb von der Hundepension, ihre Zähne sind echt mittelalterlich.«

Worauf ich sagte: »Ich muss gestehen, dass mich das bitter enttäuscht, Daisy. Ich hatte gehofft, du würdest meine Theateraktivitäten unterstützen. Erzähl mir nicht, dass Pest! nicht gut ist. Es ist das Beste, was ich je geschrieben habe. Ich habe dem Pfarrer ein Exemplar geschickt, und er hat mich brieflich dazu beglückwünscht.« Ich zog den Zettel aus meiner Brieftasche und zeigte ihn Daisy.

Lieber Adrian,

nur eine kurze Nachricht. Ich bin baff. Glückwunsch zum ersten Entwurf von Pest! Es ist eine beachtliche Leistung, für sechzig Rollen jeweils mindestens zwei Redeanteile zu schreiben.

Leider bin ich terminlich bereits anderweitig verpflichtet, weswegen ich Ihr freundliches Angebot, die Rolle des Doofen Dick zu spielen, ablehnen muss.

Auf Ihren Wunsch hin habe ich das Manuskript an meine Frau weitergereicht. Sie meinte, sie werde es lesen, wenn sie mit dem Gesamtwerk von Iris Murdoch durch ist.

Gott sei mit Ihnen

Simon

Mittwoch, 20. Juni

Tony Blair fliegt auf seiner Abschiedstour um die Welt. Meine Mutter sagt, sie wartet nur darauf, dass er auf der obersten Stufe der Gangway anfängt, »My Way« zu schmettern.

Habe mit Daisy zusammen auf Channel 5 eine Doku über eine Amerikanerin gesehen, Die dickste Frau der Welt. Cindy-Lou, so heißt die Frau, kann sich nicht aus ihrem extra verstärkten Bett bewegen. Sie hat so gigantische Ausmaße, dass ihr Nachthemd aus zwei zusammengenähten Doppelbettlaken besteht.

Daisy meinte: »Wenn ich nicht aufpasse, könnte ich wie Cindy-Lou enden.«

Sonntag, 24. Juni

Regen, sintflutartig. Wann hört das endlich auf?

Morgens um 7 Uhr von Kirchenglocken geweckt. Ich hatte wie immer ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht in die Kirche gehe, obwohl ich zu 20 Prozent Agnostiker und zu 80 Prozent Atheist bin. Schlief wieder ein; dann vom Telefon geweckt.

Es war Glenn aus Afghanistan, der einen Teil seines ihm zustehenden Zeitkontingents für Familienkontakte nutzte. Er bat mich, einem »Mädchen, wo ich in Dude’s Nachtclub kennengelernt hab, meine Adresse zu geben. Ich krieg sie einfach nicht mehr aus dem Kopf, Dad. Ich glaube, dass sie vielleicht die Frau meines Lebens ist.« Als ich ihn nach Namen und Adresse des Mädchens fragte, antwortete er: »Ich konnte nichts verstehen, Dad, die Musik war zu laut. Aber wenn du zufällig am Samstagabend Tiny Curtis, dem Cheftürsteher, über den Weg läufst, könntest du ihm vielleicht was ausrichten? Hast du gerade mal einen Stift da, Dad?«

Ich wühlte in der Nachttischschublade, konnte aber kein einziges funktionierendes Schreibgerät finden. Da kostbare Sekunden verstrichen, tastete ich nach Daisys schwarzem Kajalstift, den sie immer in Greifweite hat, selbst wenn sie schläft, und notierte mir die folgende Nachricht.

Hey, yo, Tiny. Wie ist die Lage, Brother? Erinnerst du dich noch an die Frau, die ich beim letzten Mal im Dude’s abgecheckt habe? Also, könntest du ihr vielleicht sagen, dass sie voll korall ist und dass sie mir nach Afghanistan schreiben soll? Sag ihr, sie soll mir ein Foto schicken. Danke, Brother.

Man könnte glauben, der Junge wäre in Harlem aufgewachsen statt in einer Nachkriegs-Sozialbausiedlung in Leicester. Ich wandte Glenn gegenüber ein, dass ich Tiny Curtis höchstwahrscheinlich nicht »zufällig« am Samstagabend vor dem Dude’s über den Weg laufen würde, da ich nie nach Einbruch der Dunkelheit ins Stadtzentrum ginge, falls es sich vermeiden ließe.

Glenn sagte: »Bitte, Dad, es könnte das Letzte sein, was du je für mich machst. Der Taliban rückt näher.«

Das konnte ich ihm ja wohl kaum abschlagen.

Unter tropfenden Bäumen nach Mangold Parva zum Bear Inn zum Mittagessen gelaufen.

Meine Mutter sagte: »Wenn die Sonne nicht bald scheint, kriegt ganz England einen Nervenzusammenbruch.«

Gracie weigerte sich, durch die Pfützen zu gehen, obwohl sie zum ersten Mal ihre roten Gummistiefel trug, und verlangte, bei meinem Vater im Rollstuhl auf dem Schoß zu sitzen.

Worauf meine Mutter meinte: »Dieses Kind wird niemals irgendwohin zu Fuß gehen, wenn du immer nachgibst, Adrian. Und außerdem kann sie da nicht bequem sitzen. Dein Vater hat inzwischen kein Gramm Fett mehr an den Beinen.«

Daisy sagte: »Lass sie, Pauline, sonst kriegt sie nur wieder einen Anfall. Ich will in Ruhe essen.«

Daraufhin stürmte meine Mutter voraus und murmelte: »Ihr schaufelt euch euer eigenes Grab«, während sie versuchte, sich im steifen Juniwind eine Zigarette anzuzünden.

Ich war überrascht, Jubel zu vernehmen, als wir den Pub betraten. Überrascht, weil die Familie Mole hier in der Gegend seit dem Vorfall mit den Mülltonnen nicht sonderlich beliebt ist. Doch der Jubel galt der Nachricht, dass Tony Blair endlich den Parteivorsitz der Labour Party abgegeben hat und am Mittwoch als Premier zurücktreten wird. Ich hätte in den Jubel einstimmen sollen, stattdessen spürte ich Tränen in den Augen brennen. Mr. Blair hat meine Sympathien und meinen Respekt durch einen Krieg verpulvert, der den Freund meines Sohnes das Leben gekostet hat.

Ich fühlte mich an jenen herrlichen Tag im Mai zurückversetzt, als Kirschblüten in der Frühlingssonne schwebten – so als würden die Bäume mit Konfetti werfen, um den Sieg von New Labour zu feiern. Damals war ich noch jung und voller Hoffnung und glaubte, dass Mr. Blair – mit seinem Mantra »Bildung, Bildung, Bildung« – England in ein Land verwandeln würde, in dem Menschen sich an Bushaltestellen über Tolstoi und Poststrukturalismus unterhalten würden. Doch es hat nicht sollen sein, mein eigener Vater glaubt, Tate Modern wäre eine neue Sorte Zuckerwürfel.

Als wir uns in der Schlange am »Fleischbüfett« anstellten, schwärmte meine Mutter von Gordon Brown, wie düster und schroff und massiv er doch sei. Daisy unterbrach ihren Vergleich der jeweiligen Saftigkeit von Rinder-, Schweine-, Lamm- und Putenbraten und erklärte: »Die Eiger Nordwand ist schroff und massiv. Der Unterschied ist nur, dass die Eiger Nordwand über mehr emotionale Intelligenz verfügt.«

Daisy behauptet, dass zu der Zeit, als sie noch als PR-Frau in London arbeitete, das Gerücht umgegangen sei, Gordon Brown habe irgendein Syndrom. Meine Mutter blieb aber dabei, Gordon Brown habe trotzdem all die Wesenszüge an sich, die sie an einem Mann schätze – er sei introvertiert und strahle eine gewisse Bedrohlichkeit aus, genau wie Mr. Rochester aus Jane Eyre. Meine Mutter hat es in letzter Zeit mit der Literatur. Sie liest vier Romane pro Woche, als Vorbereitung auf das Verfassen ihrer Autobiografie. Ha! Ha! Ha!

Das Essen im Bear Inn war annehmbar, aber ich vermisse immer noch das Sonntagsmahl meiner Großmutter. Kein Fleischbüfett kann ihren knusprigen Yorkshire Pudding und ihre krossen Röstkartoffeln ersetzen. Während wir an unserem Fleisch herumsäbelten (wir alle hatten uns für Rind entschieden, außer Gracie, die das »Piraten-Special« bestellt hatte – Fischstäbchen und eine Augenklappe), sagte mein Vater: »Ich hab alles genau ausgerechnet. Dieser blöde Fraß hier hat uns gerade sechs Pfund pro Nase gekostet und Gracies noch mal fast vier Pfund. Das sind satte achtundzwanzig Pfund! Was kostet ein anständiger Rinderbraten?« Er sah meine Mutter und Daisy an, die seinen Blick beide ausdruckslos erwiderten. Keiner von beiden schien die Antwort zu wissen. »Ein Stück Rindfleisch, ein bisschen Gemüse …!«, fuhr mein Vater fort. »Der Typ verdient sich eine goldene Nase an uns!« Er wandte sich wieder seinem Teller zu und schabte die letzten Soßenreste zusammen.

Ich sagte: »Aber das ist Kapitalismus. Ich dachte, du befürwortest das kapitalistische System, oder hast du deine Meinung geändert?« War dieses Unvermögen, die Grundregeln des Geschäftslebens zu begreifen, ein erstes Anzeichen von Alzheimer?

Tom Urquhart, der Wirt, kam an unseren Tisch. Aus irgendeinem Grund hat er unsere Familie noch nie leiden können. Ich habe kein vernünftiges Gespräch mehr mit ihm geführt seit dem Tag, an dem ich ihn fragte, ob er für meinen Vater eine Behindertentoilette einbauen würde. Seine armselige Ausrede war: »Ein Behindertenklo würde die Atmosphäre meines Pubs zerstören – das Bear Inn gibt es schon seit vor der Auflösung der Klöster.«

Als ich ihn darauf hinwies, dass Cromwells Armee eine hohe Behindertenquote aufwies (haufenweise Amputierte), drehte er mir den Rücken zu und machte sich an den Flaschen hinter der Theke zu schaffen.

Wir hatten keine Soße mehr, aber ich wollte Urquhart nicht darum bitten. Vielmehr ging ich selbst mit dem leeren Krug zur Küchentür und entdeckte schockiert, dass Kath Urquhart, die Wirtin, sich von Jamie Briton, dem Kochlehrling, den Nacken küssen ließ. Rasch zog ich mich von der Tür zurück, aber ich glaube, sie haben mich möglicherweise gesehen.

Zur Entrüstung meiner Mutter kehrte ich mit leerem Krug an unseren Tisch zurück.

Mein Vater jammerte: »Ich würde ja selbst gehen, aber ich weiß nicht, ob der Rollstuhl zwischen den Tischen durchpasst.«

Also schnappte sich meine Mutter den Krug und eilte fast im Laufschritt zur Küche, verschwand durch die Tür und war in null Komma nichts wieder zurück. Ich suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen, dass sie ebenfalls Zeugin von Mrs. Urquharts skandalösem Verhalten geworden war, doch ihre Miene war die übliche Maske aus Max-Factor-Grundierung und Enttäuschung vom Leben.

Montag, 25. Juni

Es hat den ganzen Tag geregnet. Der Bach am anderen Ende des Feldes plätschert fröhlich. Meine Mutter fragte mich, ob ich glaube, er könnte über die Ufer treten. Ich beruhigte sie, dass laut Tony Wellbock vom Postamt das Feld hinter den Schweineställen in den vergangenen zehn Jahren nur selten überschwemmt wurde.

Ein Brief von Mr. Plant.

Sehr geehrter Mr. Mole,

spanische.

Mit freundlichen Grüßen

Mr. Plant

PS: Bitte schreiben Sie mir nicht mehr.

Dienstag, 26. Juni

Heute ist Tony Blairs letzter Tag als Premierminister von Großbritannien. Ich gehe davon aus, dass er einen langen Tag vor sich hat und versuchen wird, seinen Ruf zu reparieren.

Vielleicht geht er einige der im Irak schwer verletzten Soldaten im Krankenhaus besuchen.

An seinem letzten Tag im Amt empfing Mr. Blair Arnold Schwarzenegger.

Wenn ich Mr. Blair jetzt anschaue, sehe ich einen schwachen Mann, der uns aus persönlicher Eitelkeit in den Krieg geführt hat. Alles, was er für das Land getan hat, scheint sich aufzulösen. Ich bin ja Atheist, aber falls sich herausstellen sollte, dass es doch einen Gott gibt, dann würde ich vielleicht glauben, dass Er biblischen Regen auf Blairs Vermächtnis der Sünde fallen ließ – Casinos, Pornografie im Fernsehen, Komasaufen, Messerstechereien und Sofortkredite. Ich setze große Hoffnungen in Mr. Brown, einen Mann von Format, Würde und arithmetischen Fähigkeiten. Ich glaube, er ist ein heimlicher Sozialist, der in die Downing Street 10 hineingehen wird wie Clark Kent in die Telefonzelle: Ich bin überzeugt, dass Mr. Brown als Superman herauskommen wird.

Meine Mutter ist völlig besessen von Erinnerungsbüchern an traurige Kindheiten, momentan liest sie Sie nannten mich »Es« von David Pelzer. Heute Abend meinte sie: »Ich könnte auch ein Buch schreiben.«

Vermutlich glaubt sie, das würde ihr Leben aufwerten.

Mittwoch, 27. Juni

Für das ganze Land wurden Hochwasserwarnungen ausgegeben. Die Einwohner von Hull erleben jetzt schon schreckliche Zustände.

War bei meinen Eltern, um unseren Anteil an der Hypothek zu bezahlen. Im Fernsehen liefen die Nachrichten. Eingehend betrachtete ich die neuen Amtsinhaber, die an Mr. Browns erstem Tag als Regierungschef vor der Hausnummer zehn Aufstellung genommen hatten. Mr. Brown sah aus, als hätte er eine Mundtransplantation hinter sich und probierte sein Lächeln zum ersten Mal aus, und sein Winken ist erbärmlich.

Über Mrs. Brown sagte meine Mutter: »Arme Sarah, zwei kleine Kinder am Bein, einen Workaholic als Ehemann und dann auch noch haufenweise Kanapees zu schmieren und Würdenträger zu begrüßen.«

Ich sagte: »Warum nennst du sie Sarah? Du kennst sie doch gar nicht.«

»Alle Frauen sind Schwestern für mich«, gab meine Mutter zurück. »Das ist etwas, was du einfach nie begreifen wirst, Adrian.«

Mein Vater meinte: »Eigentlich sieht sie ganz vernünftig aus, und wenigstens hat ihr Mund eine normale Größe.«

Jetzt steht also Gordon Brown als Kapitän am Ruder des Landesschiffs. Hoffen wir, dass er Großbritannien von den Klippen fortlenken wird, so dass wir in ruhigen und florierenden Gewässern dem Licht am Ende des Tunnels entgegensteuern können. Ich rechne praktisch stündlich damit, dass Mr. Brown Tony Blairs Entscheidung, in den Irak einzumarschieren, anprangern wird.

Es regnet immer noch. Der River Sence führt Hochwasser und ist an mehreren Stellen über die Ufer getreten. Ich musste heute zwölf Mal urinieren.

21:00

The Old Pigsty 1

The Piggeries

Bottom Field

Lower Lane

Mangold Parva

Leicestershire

Gordon Brown

Premierminister & First Lord of the Treasury

Downing Street 10

London SW1A 2AA

Sehr geehrter Herr Premierminister,

ich wollte nur kurz nachfragen, ob Sie schon Gelegenheit hatten, sich die Unterlagen in Bezug auf meine Steuerangelegenheit anzusehen?

Mit freundlichen Grüßen

ein besorgter Bürger

A. A. Mole

Donnerstag, 28. Juni

Daisy hat sich bei den Weight Watchers im Gemeindesaal angemeldet, und ich musste sie auf dem Gepäckträger meines Fahrrads hinfahren, weil sie partout keine Gummistiefel anziehen will und der Weg durch den pausenlosen Regen überschwemmt ist.

Zwischendurch nach Hause zu fahren hätte sich nicht gelohnt, da das Treffen nur eine Stunde dauern sollte, also trafen wir uns im Bear Inn, nachdem sie sich gewogen und getan hatte, was auch immer Weight Watchers eben so tun.

Daisy kam herein und ließ sich mit den Worten auf den Sitz neben mich fallen: »Ich wiege 82,9 Kilo.« Sie zündete sich eine Zigarette an.

»82,9 Kilo, ist das gut oder schlecht?«, fragte ich.

»Es wäre super, wenn ich Halbschwergewichtsboxerin wäre«, gab sie zurück. »Aber da ich nur eins sechzig groß bin und zarte Knochen habe, ist das schlecht, sogar sehr schlecht.«

Sie nahm sich mein Bierglas und leerte es, dann wischte sie sich den Mund mit dem Handrücken und ergänzte: »An meinem Hochzeitstag habe ich siebenundfünfzig Kilo gewogen.«

Ich sah ihr an, dass sie in eine ihrer Depressionen abglitt, weshalb ich sagte: »Umso besser, dann habe ich mehr zum Knuddeln.«

Das war eindeutig nicht der richtige Kommentar.

Ich ging zur Theke, um ihr einen doppelten Wodka Tonic zu holen (mit Strohhalm, ohne Eis, keine Zitrone).

Eine Gruppe stämmiger Frauen in Trainingsanzügen quetschte sich in den Pub und drängte sich um einen kleinen Tisch, wo alle sich Zigaretten anzündeten. Schon bald ähnelte die Kneipe der Abschlussszene aus Casablanca mit dem Nebel auf der Flugzeugstartbahn.

»Sind das deine Mitstreiterinnen von den Weight Watchers?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete Daisy, die alles weiß, was im Dorf passiert. »Die trainieren für einen gesponserten Lauf, um Geld für die Rettung des Postamts zu sammeln.«

»Rettung vor was?«, fragte ich.

»Vor der Schließung.« Daisy zündete sich noch eine Zigarette an.

Ich sagte: »Du hast doch gerade eine ausgemacht, und die war nur halb aufgeraucht.«

Darauf entgegnete sie (ziemlich scharf, wenn man bedenkt, dass wir uns in der Öffentlichkeit befanden): »Hör mir mal gut zu, Mr. Sauberlunge. Ab Sonntag verstößt es gegen das beschissene Gesetz, in einer Kneipe eine Kippe zu rauchen. Bis dahin ziehe ich mir noch so viele rein, wie es nur irgendwie geht.«

Um sie abzulenken, brachte ich das Gespräch wieder auf das Postamt. »Es darf nicht geschlossen werden. Ich gehe mindestens dreimal pro Woche hin. Und was ist mit Dad? Das ist der einzige Tag, an dem er regelmäßig vor die Tür kommt, er liebt den Rentenzahltag.«

Daisy knallte ihr Glas auf den Tisch und rief Tom Urquhart hinter der Theke zu: »Mit dem Stolichnaya hier könnte man ein Neugeborenes füttern. Den verdünnt man nicht mit Wasser, das ist kein scheiß Rose’s Lime Juice!«

Manchmal wünschte ich, dass Daisy nicht so unkonventionell erzogen worden wäre und gelernt hätte, in der Öffentlichkeit gehemmt zu sein. Es war ihr völlig egal, dass Urquhart Kommentare über sie murmelte oder dass die ganze Kneipe sie anglotzte.

Ich trat an die sportbekleideten Frauen heran, um sie zu fragen, ob ich mich ihrer Kampagne zur Rettung des Postamts anschließen könne. Aus persönlichen Gründen sei ich nicht in der Lage, an einem gesponserten Lauf teilzunehmen, erklärte ich mit einer vagen Geste auf meine Beine.

»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte eine der Frauen, deren rosa-weißer Trainingsanzug exakt denselben Farbton wie Kokosnusseiscreme hatte. »Ich hab Sie vor dem Kindergarten gesehen. Sie wohnen in einem von den Schweineställen – Sie schreiben doch das Theaterstück für die Gemeindeaufführung. Kriegen wir alle eine Rolle?«

Ich sagte ihnen, ich würde eine Szene für sie schreiben, und sie lachten alle und klatschten einander mit ihren schwabbeligen Armen quer über den Tisch hinweg ab.

22:00

Auf dem Heimweg toste der Regen auf unseren Schirm herab. Gibbet Lane war mehr Pfütze als Straße. Den Großteil des Weges musste ich Daisy schieben, was nicht gerade leicht war, mit einer Halbschwergewichtlerin auf der Fahrradstange.

Ich erklärte ihr, wenn sie sich keine Gummistiefel kaufen würde, dann würde ich …

»Dann würdest du was?« Ihre Hände umschlossen meinen Hals fester.

Ich gab keine Antwort. Sie weiß, dass ich ein Sklave der Liebe bin.

Das Wasser vor dem Haus stand knöchelhoch an meinen Gummistiefeln, und ich musste Daisy bis vor die Haustür tragen.

Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, trat meine Mutter aus ihrer Haustür und sagte: »Ich hab euch die Auffahrt hochschwanken sehen – ist sie wieder betrunken?«

Daisy rutschte von meinem Rücken herunter und sagte: »Wieder, Pauline? Wieder? Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal betrunken war!«

»Ich schon«, meinte meine Mutter. »Gestern. Ich kam vorbei, um mir eine Kippe zu schnorren, und du hast auf der Couch gelegen.«

»Ich hab mit Gracie Notaufnahme gespielt!«, widersprach Daisy erregt.

Inzwischen standen wir in unserem engen Hausflur. Ich zog meinen durchweichten Mantel und die Hose aus, schlüpfte in meinen Morgenmantel und ging ins Wohnzimmer. Meine Mutter und Daisy blieben im Flur stehen und unterhielten sich im Flüsterton. Dann hörte ich die erhobene Stimme meiner Mutter. »Du glaubst ja vielleicht, dass du ihm was vormachen kannst, Daisy. Aber mir nicht!«

Bevor ich ins Bett ging, überprüfte ich die Alkoholvorräte im Küchenschrank. In der Wodkaflasche war nur noch ein sehr kleiner Rest, und alle Weihnachtsliköre und die Modegetränke (der Skorpion-Tequila, den Nigel mir zum Geburtstag geschenkt hat) waren leer.

Freitag, 29. Juni

Mr. Carlton-Hayes, der seit Montag wieder zur Arbeit kommt, sagte, der unablässige Regen erinnere ihn an die Überschwemmungen von 1953, als seine Tante aus ihrem Bungalow in Skegness gespült, vom Fluss mitgerissen wurde und auf dem Dach der Bushaltestelle landete. Er sagte nicht, warum er nicht im Laden gewesen war, aber ich bemerkte, dass er sehr vorsichtig geht.

Sonntag, 1. Juli

Nichtrauchertag

Ein bedeutsamer Tag! Ab heute ist in England das Rauchen in öffentlichen Räumen und am Arbeitsplatz verboten. Wobei man als Geisteskranker, Gefängnisinsasse, Parlamentsmitglied oder Angehöriger der Königlichen Familie von dem Verbot ausgenommen ist.

Das Rauchen hat mein ganzes Leben vergiftet. Es gibt ein Foto von mir auf dem Arm meiner Mutter, aufgenommen an dem Tag, als sie aus dem Entbindungsheim entlassen wurde. Sie steht auf dem Parkplatz, in einem Arm hält sie mich, der andere hängt herunter, in der Hand eine brennende Zigarette.

Ich atme Rauch ein, seit ich fünf Tage alt war. Meine Kindheitserinnerungen sind vernebelt von verqualmten Räumen und Autofahrten, die durch meine kettenrauchenden Eltern unerträglich waren. Von meinem untergeordneten Platz auf dem Rücksitz des Wagens aus flehte ich darum, ein Fenster zu öffnen, aber mein Vater wehrte das wütend mit dem Argument ab, frische Luft sei Gift für seine bronchitisanfällige Brust. Ich weiß noch, wie ich mir einmal auf einer langen Fahrt in dichtem Verkehr nach Hunstanton eine Gesichtsmaske aus einem Tempotaschentuch bastelte. Meine Eltern fanden das zum Schreien komisch und nannten mich während unseres kurzen Aufenthalts »kleiner Bandit«.

Nach dem Frühstück (zwei Stück Weetabix, Schokocroissant, Banane) ging ich nach nebenan, um sie zum Mittagessen im Bear Inn einzuladen. Ich sagte: »Zum allerersten Mal möchte ich eine Mahlzeit genießen, ohne von euch beiden Rauch ins Gesicht geblasen zu bekommen.«

Wütend polterte mein Vater los: »Diese verfluchte autoritäre Regierung, das ist doch eine Bande von Faschisten, Nazis!«

Meine Mutter sah aus wie eine gebrochene Frau. »Das ist ein sehr, sehr trauriger Tag«, sagte sie.

»Es ist nicht gerade das Ende der Zivilisation«, widersprach ich, während ich einen Rundgang durchs Zimmer machte und die Aschenbecher ausleerte.

»Aber es ist das Ende meiner kleinen Welt«, sagte meine Mutter.

Dann stimmte sie ein Wehklagen an, was damit nun alles verloren ginge.

»Was verloren geht«, sagte ich, »ist euer trockener Husten, der miese Gestank, das Gefühl …«

Nach ihrer Zigarettenschachtel tastend, unterbrach meine Mutter mich verträumt: »Ich rauche schon, seit ich dreizehn bin. Mit fünfzehn habe ich lange Handschuhe bis zum Oberarm getragen und eine Zigarettenspitze aus Schildpatt benutzt.«

»Dafür würden sie einen heute lynchen«, warf mein Vater ein.

»Wer würde einen lynchen?«, fragte ich.

»Diese bescheuerten Tierschützerarmleuchter, zur Rettung der scheiß Schildkröten.«

Meine Mutter fuhr fort. »Mit sechzehn ging ich immer in den Hot-Sounds-Jazzclub in Norwich. Da hab ich meine erste Disque Bleu geraucht.«

»Ich war mit sechzehn schon auf Capstan Full Strength ohne Filter«, brüstete sich mein Vater.

Ich überließ die beiden ihren Raucherreminiszenzen, da ich Daisy und Gracie durch die Wand hindurch einander anschreien hörte.

Als ich ins Haus kam, waren sie in eines ihrer absurden Streitgespräche über Kleidung vertieft. Warum muss meine Tochter sich immer wie eine Disney-Figur anziehen? Sie ist der Traum jedes Werbeheinis. Ich erinnere mich noch gut an ihren ersten Tag im Kindergarten, ihr Piratenkostüm kam bei der Erzieherin nicht gut an, und es dauerte schier endlos, ihren winzigen Fingern das Entermesser zu entwinden.

Gracie rief: »Warum kann ich nicht mein Tinker-Bell-Kostüm im Pub tragen?«

»Kannst du ja«, gab Daisy zurück, »aber ohne die Flügel.«

»Feen müssen ihre Flügel tragen, sonst können sie nicht fliegen«, maulte Gracie.

»Du ziehst nicht diese bescheuerten Flügel an«, sagte Daisy. »Als du die Dinger das letzte Mal im Pub anhattest, hast du damit am Nachbartisch sämtliche Gläser abgeräumt, und es hat deinen Vater fünfundzwanzig Pfund gekostet, neue Getränke zu kaufen.«

Gracie rief: »Wenn meine Flügel heute wieder was umschmeißen, dann bezahl ich mit der Million Pfund auf meinem Bankkonto.«

Schuldbewusst sahen Daisy und ich einander an; wir hatten Gracies Sparbuch geplündert, um die letzte Stromrechnung zu bezahlen.

Gracie stapfte in ihr Zimmer und kehrte in ihrem Tinker-Bell-Kostüm einschließlich Flügeln zurück. Ich brachte es nicht übers Herz, Protest zu erheben. Als Gracie sagte: »Sehe ich nicht schön aus?«, wurde ich weich und antwortete: »Ja.«

Da explodierte Daisy, warf mir vor, ich würde mich gegen sie verschwören und ihre Autorität untergraben. Ich nahm mir ein Geschirrtuch und fing an, das Frühstücksgeschirr abzutrocknen, das Daisy auf dem Abtropfgestell hatte stehen lassen, und hörte mir ganz ruhig an, wie sie mich wegen tatsächlicher und eingebildeter Verfehlungen zurechtwies. Es war eine lange und wohlbekannte Liste.

• Die Senkgrube

• Dass sie kein Auto hat

• Der Hungerlohn, den ich im Buchladen verdiene

• Dass sie es satthat, sich die Haare selbst zu färben und ohne Sky Plus zu leben

• Dass sie Geschmack und Konsistenz des Brotes hasst, das ich zweimal pro Woche backe

• Dass sie die Dorfbewohner von Mangold Parva für Schwachmaten hält

• Dass es ihr peinlich ist, jemandem unsere Schweinestall-Adresse zu geben

• Dass sie die Nase voll von den Einmischungen meiner Eltern in unser Leben hat

Dann setzte sie sich an den Küchentisch und brach in Tränen aus. Es war ein herzzerreißendes Geräusch, und plötzlich bekam ich Angst. Gracie schälte sich aus dem strittigen Tinker-Bell-Kostüm und wedelte mit dem Zauberstab über dem Kopf ihrer Mutter herum, als könnte Zauberei ihre Tränen versiegen lassen.

Ich weiß nicht, wie ich meine Frau glücklich machen soll.

Den Großteil der Zeit saßen Gracie und ich allein beim Essen im Pub. Daisy und meine Eltern waren draußen und rauchten im Regen, gemeinsam mit den meisten anderen Stammgästen. Tom Urquhart, der Wirt, meinte: »Dieser Nichtraucher-Hokuspokus wird dem Bear Inn den Rest geben.«

Mein Essen schmeckte mir nicht. Es war verkocht und hatte eine merkwürdige Konsistenz, die bei mir Würgereiz auslöste. Ich vermute mal, das lag daran, dass Lee Grant, der Koch, ständig auf einen Sprung nach draußen ging, um eine Zigarette zu rauchen. Außerdem hielt Gracie einen endlosen Monolog über einen Jungen namens Mason im Kindergarten, der in einer der Sozialwohnungen wohnt. Sie erzählte mir, dass er für die Mittagspause zwei kleine Tüten Chips, eine Flasche Cola, eine Tüte Haribo und ein portionsweise abgepacktes Stück Käse mitbekommt. Laut Gracie musste Mason vor dem versammelten Kindergarten stehen, während der Inhalt seiner Pausenbrotbüchse ausgebreitet und von Mrs. Bull, der Leiterin, verdammt wurde. Bei dem Wort »Büchse« fiel mir ein, dass ich seit Monaten nicht mehr mit Pandora gesprochen hatte. Ich denke mehrmals täglich an sie, aber ich bin ein stolzer Mann und warte darauf, dass sie mich anruft. Mit Blick nach draußen sah ich, dass sich Hugo Fairfax-Lycett zu den Rauchern in den Nieselregen gesellt hatte, der Erbe von Fairfax Hall. Er zündete Daisy ihre Zigarette an, und sie warf den Kopf in den Nacken und führte ihr kleines Kunststück vor, eine Abfolge von Rauchringen. Ich sah die Bewunderung in seiner Miene und bemerkte, dass meine Mutter den obersten Knopf ihres Oberteils aus Seidenimitat öffnete. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Frauen bei Fairfax-Lycett immer so albern werden. Er ist viel zu groß, sieht aus wie ein abgehalfterter Hugh Grant und wirkt vulgär protzig mit seinen Sportwagen und maßgeschneiderten Tweedsakkos. Pandora würde Hackfleisch aus ihm machen.

Nach nicht enden wollenden zehn Minuten hörte ich das Aufheulen von Fairfax-Lycetts Auto, und meine Familie kam zurück, um ihren Nachtisch zu essen.

Meine Mutter stocherte in ihrem matschigen Pfirsichplunder und stellte fest: »Das Essen in diesem Laden hat auch nachgelassen.«

»Alles hat nachgelassen, seit New Labour an der Macht ist«, sagte mein Vater. »Weißt du, wem jetzt unser Wasser gehört? Den scheiß Franzosen! Und man kann sich nicht mal mehr im stillen Kämmerlein in der Nase bohren, weil überall eine verfluchte Überwachungskamera hängt und aufpasst, wo man seine Popel hinwirft. In Glasgow versuchen irgendwelche Spinner, den Flughafen in die Luft zu jagen, und bald steht uns allen das Hochwasser bis unter die Arme. Was denn noch?«

Tony Wellbeck vom Postamt sagte: »Maul- und Klauenseuche, George. Drüben in Hardton ist sie schon, keine zwei Kilometer von Mangold entfernt.«

Liebes Tagebuch, wenn jemand in den Pub spaziert wäre und gesagt hätte: »Da draußen ist eine Heuschreckenplage«, ich hätte nicht mal die Augenbraue hochgezogen.

Ist unsere Welt vielleicht wirklich am Ende?

Später wollte ich mich mit Daisy aussprechen, aber dann sah ich, dass sie die Essays undReportagenvon Christopher Hitchens las, und entschied mich einmal mehr dagegen.

Montag, 2. Juli

Mr. Carlton-Hayes rief an, um zu sagen, dass er »nicht arbeitsfähig« sei. Ich mag es nicht, wenn er nicht im Laden ist. Nicht dass er dieser Tage besonders viel macht, aber ich fühle mich wohler, wenn er da ist.

Er hat eine echte Liebe zu Büchern, was dem Geschäft Abbruch tut. Neulich kam eine Frau mittleren Alters mit John-Lennon-Brille und überdimensionalen Brüsten herein und versuchte, eine Zweitausgabe von Die Mühle am Floss für 150 £ zu kaufen. Sie stellte sich als Dr. Pearce vor und erklärte, sie suche nach einem Geschenk für den Leiter des Englischinstituts an der De-Montfort-Universität, der in den Ruhestand gehe. Mr. Carlton-Hayes schloss die Vitrine auf, in der die antiquarischen Bücher aufbewahrt werden, und holte die zweibändige Ausgabe heraus. Er gab der Frau einen Band und beobachtete, wie sie ihn durchblätterte, dann nahm er ihn ihr wieder weg und stellte beide Bücher zurück ins Regal. Als Dr. Pearce – mit leeren Händen und verdutzt – wieder gegangen war, meinte Mr. Carlton-Hayes: »Ich fand, dass sie zu grob damit umgegangen ist«, als wäre das Buch ein Hund aus dem Tierheim.

Kein Wunder, dass sein Steuerberater ihm rät, das Ladenlokal an die Supermarktkette Tesco zu verkaufen. Als er mir das erzählte, verzog sich sein Gesicht kurz vor Zorn, was sehr selten vorkommt; er breitete die Arme vor den Regalen und Bücherstapeln aus und fragte: »Aber wo sollen die dann hin?«, als wären es vertriebene Menschen.

Ich nutzte Mr. Carlton-Hayes’ Abwesenheit, um bei der De-Montfort-Universität anzurufen und eine Nachricht für Dr. Pearce zu hinterlassen, dass Die Mühle am Floss nun doch zum Verkauf stehe. Dr. Pearce kam wenige Minuten vor Ladenschluss herein. Wir sprachen über George Eliot, und sie schien sich zu freuen, in mir einen gleichgesinnten Eliot-Fan zu finden. Ehe ich auf die Uhr sah, war es schon 18:30. Sie wartete, während ich absperrte, dann liefen wir zusammen die High Street entlang, ich mein Fahrrad schiebend, sie einen Schirm über uns haltend. Am Parkplatz des Holiday Inn verwickelte sie mich eine weitere halbe Stunde ins Gespräch.

Als Daisy wissen wollte, warum ich so spät nach Hause kam, erzählte ich ihr, meine Fahrradkette sei abgesprungen. Frag mich nicht warum.

Donnerstag, 5. Juli

Mr. C-H zurück

Ich erhielt eine Eilnachrichten-SMS auf meinem Handy, als wir gerade unsere Sandwiches im Hinterzimmer des Ladens aßen. Fünfundzwanzig Tote und dreiunddreißig Verletzte bei der Explosion einer Karaoke-Bar in Tianshifu in China.

»Schrecklich, nicht wahr?«, sagte ich zu Mr. Carlton-Hayes.

»Ja, wirklich«, stimmte er seufzend zu. »Karaoke in China, Konfuzius würde weinen.«

Freitag, 6. Juli

Vom Telefon geweckt. Es war meine Mutter. »Hast du schon mal einen Blick nach draußen geworfen?«, kreischte sie.

Mit dem Telefon in der Hand ging ich zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Das Feld hinter dem Haus war verschwunden, und an seiner Stelle schimmerte eine Wasserfläche, so weit das Auge reichte.

»Hast du Sandsäcke?«, fragte meine Mutter.

»Du weißt genau, dass ich keine Sandsäcke habe. Warum sollte ich Sandsäcke haben?«

Ich rief Mr. Carlton-Hayes an, um ihm mitzuteilen, dass ich heute nicht zur Arbeit käme, und er sagte: »Ja, es war ziemlich aufregend, durch die Fluten zu fahren. Das Wasser reichte bis zu den Radkappen des Rover.« Den Rest des Tages bemühte ich mich, das Wasser am Übertreten unserer Türschwelle zu hindern.

Als die Überschwemmung sich leicht zurückgezogen hatte, setzte ich mich mit Gracie vor den Fernseher. Postbote Pat wurde befördert, er muss Greendale Village und seinen kleinen roten Lieferwagen zurücklassen, um eine Stelle im mittleren Management der Zentrale anzutreten. Irgendein Trottel bei der BBC hat gesagt: »Wir versetzen Pat, den Postboten, in ein dynamisches neues Umfeld. Daraus werden sich sehr spannende neue Handlungsfelder ergeben.« Selbst Postbote Pat wird also auf dem Altar des Fortschritts geopfert. Ohne seine Uniform und seinen roten Lieferwagen ist Pat nichts. GAR NICHTS!

Das ist doch nur ein plumper Versuch, den kommerziellen Bereich der BBC auszuschlachten. Ich vermute mal, dass es ein neues Sortiment an Postbote-Pat-Merchandisingprodukten geben wird. Muss ich Gracie bald einen Postman-Pat-Montego und einen Anzug mit dazugehöriger Aktentasche kaufen?

Mittwoch, 11. Juli

Freier Tag heute. Eigentlich hatte ich vorgehabt, meine CDs sorgfältig farbig zu kennzeichnen und ein paar Seiten meiner Serienmörderkomödie Der weiße Lieferwagen zu überarbeiten. Letzte Nacht lag ich wach und dachte darüber nach. Natürlich sind Pauline Quirke und Harry Enfield inzwischen ein bisschen zu alt, um den Serienmörder und seine Frau zu spielen, aber Russel Brand und Amy Winehouse gäben einen guten Ersatz ab.

Außerdem wollte ich anbieten, die Hälfte der Bügelwäsche zu übernehmen, aber etwas überkam mich, so dass ich den ganzen Tag nur fernsah. Um 16:00 riss ich mich von der Auktionssendung Flog It! los (ich wollte wirklich wissen, welchen Preis ein Eierbecherset von Clarice Cliff erzielen würde) und rannte in meinen Gummistiefeln durch die letzten Zentimeter Hochwasser zum Postamt, um eine Geburtstagskarte für meine Schwägerin Marigold und ein Päckchen für Daisy aufzugeben. Sie hatte ihre Louis-Vitton-Tasche über eBay an eine Frau in Nuneaton verkauft, um die Rechnung der Severn-Trent-Wasserwerke zu bezahlen, bevor sie uns den Hahn abdrehen. Die Inhaber des Postamts, Tony und Wendy Wellbeck, standen beide hinter dem Tresen und stritten sich über den Preis einer Luftpostbriefmarke nach Timbuktu. Ich unterzeichnete die Petition zur Rettung des Postamts und wartete. Als die beiden mich am Tresen bemerkten, lächelten sie höflich.

»Wer in Mangold Parva schreibt denn nach Timbuktu?«, fragte ich.

Wendy sah sich im Postamt um, dann senkte sie ihre Stimme und raunte durch den Mundwinkel: »Das darf ich nicht sagen – Postgeheimnis oder Datenschutz –, aber wenn Sie kurz vor die Tür springen und Richtung Gibbet Lane schauen …«

Ich ging nach draußen und sah die alte Mrs. Lewis-Masters in Zeitlupe mit ihrem Rollator den Hügel hinauflaufen. Timbuktu? Sie sah aus wie die Sorte Frau, die nur ab und zu an eine entfernte Verwandte in Sydenham Briefe über Strickmuster und die Widrigkeiten des Erledigens von Bankgeschäften mittels eines Callcenters in Kalkutta schrieb.

Während sie Daisys Päckchen wog, sagte Mrs. Wellbeck: »Alle vierzehn Tage schreibt sie einen Brief nach Timbuktu, außerdem an Weihnachten und Ostern eine Karte und Anfang Juli eine Geburtstagskarte.«

Das Postamt von Mangold Parva ist wie eine Illustration aus einem von Gracies Kinderbüchern, mal abgesehen davon, dass Mr. und Mrs. Wellbeck keine Eichhörnchen in Kleidung aus dem späten 19. Jahrhundert sind. Jeder Zentimeter im Inneren ist von Regalen gesäumt, in denen Dinge zum Verkauf stehen, obwohl ich glaube, dass die Wellbecks schon vor Jahren den Überblick über ihre Bestände verloren haben. Da findet man Bohnen in Dosen neben gepolsterten Briefumschlägen. Becher mit Bleistiften und Kulis teilen sich ein Regalbrett mit Hunde- und Katzenfutter. Grußkarten liegen wild durcheinander in Schuhschachteln: »Alles Gute zum ersten Geburtstag« im selben Karton wie »Herzliches Beileid zu Ihrem Verlust«.

Die Schreibwarenecke lockte mich mit ihren köstlichen spiralgebundenen Notizbüchern, deren Inneres jungfräulich weißes, schwarz liniertes Papier mit zartem rotem Rand versprach. Ich wurde davon angezogen wie andere Männer von Sexspielzeug im Beate-Uhse-Laden.

»Noch ein Notizbuch?«, fragte Mrs. Wellbeck. »Was machen Sie damit? Aufessen?«

»Mr. Mole versucht sich als Schriftsteller«, erklärte Mr. Wellbeck. Alles, was er sagte, klang leicht beleidigend, als machte er versteckte Anspielungen auf meine Kosten.

»Ich könnte auch ein Buch schreiben über die Arbeit hier«, bemerkte Mrs. Wellbeck. »Sie würden nicht glauben, was wir so alles erleben.«

Ich habe die Angewohnheit, Menschen wie Mrs. Wellbeck herauszufordern, wenn sie so leeres Geprahle von sich geben. »Warum schreiben Sie dann keins?«

Mrs. Wellbeck seufzte. »Würde ich ja, wenn ich Zeit hätte.«

»Wendy schreibt fabelhaft«, sagte Mr. Wellbeck. »Ihre Briefe sind in der Familie berühmt.«

»Aber ein Buch ist schon eine andere Sache, nicht wahr?«, ließ ich nicht locker. »Ein Buch braucht eine Struktur, eine Handlung, Figurencharakterisierungen.«