Die vegane Revolution - Christian Vagedes - E-Book

Die vegane Revolution E-Book

Christian Vagedes

0,0
13,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In Zeiten des Klimawandels sollten wir endlich damit beginnen, über unseren Tellerrand hinauszuschauen. Vor allem aber auch auf das, was auf dem Teller liegt. Es gibt eine einfache Lösung, um das ganze Bündel an Umwelt- und Klimaherausforderungen in den Griff zu kriegen: den Veganismus. Mit veganer Ernährung könnten 49% des emittierten CO2 eingespart werden. Das Zauberwort heißt hier Transformation: Wir müssen unsere Nahrung besser und gesünder produzieren und können so unseren Planeten retten! Zum Beispiel den Regenwald, der für Tierfutter gerodet wird. Und unsere Böden, die wir in Glyphosat und Gülle ertränken. Wenn wir die Sache richtig angehen und stärker auf Qualität als auf Quantität setzen, muss am Ende auch niemand verzichten. Im Idealfall leben wir gesünder und essen mit Genuss. Und das Beste ist: Wir können heute damit anfangen, die Welt zu retten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ebook Edition

Christian Vagedes

Die vegane Revolution

Gesünder leben, Tiere schützen und den Planeten retten

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-774-0

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2021

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Titel
Inhalt
I Perspektivwechsel
1 Außenansicht I
2 Darwins Innenansicht
3 Käse-Vermessung
4 Augiasstall
5 Vegantag: Fanatisch oder fantastisch?
II Coronavirus & Carnivorus
1 Alles kommt zurück
2 Ausnerzung
3 Der große Reset?
4 Stakeholder oder Steakholder Value
5 Zwei Arten von Lockdown
III VEGAN IST DER ELEFANT IM RAUM
1 Kunst und Kultur
2 Selbstentwertung
3 Abendland
4 Elefant
5 Belastung und Entlastung
6 Sch(l)aflose Nächte
7 Die Präsidentenkrawatte
8 Historischer Käse
9 Illiberales Jägerlatein
10 Euphemismus Massentierhaltung
11 Echt Leder. Oder: Leider echt
12 Vegan ist der Elefant im Raum
IV WAS IST MÖGLICH?
1 Die neuen Erbsenzähler: Ist eine vegane Welt möglich?
2 Der sechste Sinn
3 Meer Veganer, bitte! Oder: Im Strudel des Unvorstellbaren
4 »Vegan ist mir zu extrem«
5 Beezwölf: Ein Dutzend Falschinformationen
6 Vegane Transformation – Geld verdienen mit Produkten, die niemandem wehtun
V AUF DAS KLIMA KOMMT ES AN
1 Eins-komma-fünf? C’est la vie
2 Das ist der Gipfel!
3 Der innere Klimawandel
4 Gratwanderung und Gradwanderung
5 Greta ist greater
6 Bio für alle geht nur vegan
VI … UND DIE KLIMAANLAGE
1 Regenwaldfresser
2 Eiweißlücke
3 Bolsonaro oder Bolognese
4 Das Tor zum Weltverbrechen
VII DER DUFT DER WEITEN WELT
1. Wie man aus Sch… Geld machte, macht und damit die Welt zerstört
2 Kurze Intermission
3 Ein Planet wird immer noch geplündert
4 Die Wahrheit macht sich aus dem Staub
5. Deadzones in den Meeren. Aber kein Sturm der Entrüstung
VIII THE COLORS OF DESTRUCTION
1 Die I.G. Farben und die bunten Hunde der Weltgeschichte
2 Maschinen in Marsch setzen oder: Alles im braunen Bereich
3 Die Saat, die aufging: Heute düngen wir Deutschland und morgen die ganze Welt
4 Never change a running system. Von der Grünen zur Veganen Revolution
5 Rainbow Warrior
IX HEILUNG
1 Cancel-Culture oder Cancer-Culture
2 Prof. Colin Campbell über Tierprotein
3 Exkurs: Kimba. Der weiße Löwe
4 Außenansicht II
Anmerkungen

I Perspektivwechsel

1 Außenansicht I

Angenommen, intelligente Außerirdische rauschten mit einem Forschungsteam an unserem Planeten vorbei

Ein intergalaktisches Forschungsteam sucht nach Leben im Universum, denn Leben ist kostbar. Vielleicht findet man neue Freunde. Möglicherweise erweitert man sein Wissen und tauscht sich aus. Wer etwas gibt, bekommt etwas zurück. Die Forschenden finden nach langer Zeit tatsächlich, was sie suchen. Ihre Vermutungen stimmen. Auf dem neu entdeckten Planeten wimmelt es vor Leben. Von außen konnte man das nicht gleich erkennen. Ein kleinerer Teil besteht aus Landmasse, deren Farben sind eine Melange aus Beige- und Grüntönen. Rundherum ist der Planet mit beweglichen weißen, gasförmigen Wolken umzogen, die einen Teil der Flächen oft bedecken. Der überwiegende Teil dieses Planeten schimmert in einem wunderschönen tiefen Blau, das man im Universum nur sehr selten antrifft. Es macht den Planeten besonders reich. Der Farbton ergibt sich aus einem der wertvollsten Rohstoffe des Alls: H2O und dem darin wachsenden Plankton.1 Die Forschenden sind von der neu entdeckten Lebenswelt überwältigt. Ihre Bioscans begeistern das Raumschiffteam, denn sie erfassen fast neun Millionen Arten von Organismen. Sieben Millionen davon leben auf den Landflächen, zwei Millionen in der blauen Wassermasse.2

Dann macht das Team erschreckende Beobachtungen. Nachdem zunächst die herrschende Lebensart ermittelt wurde, die sich »Mensch« nennt, folgt auf die Bewunderung für den Planeten die Ernüchterung. In der für den Planeten ermittelten Zeiteinheit »ein Jahr« zeigten die Ereignisscans des Forschungsteams, dass jeweils in einem solchen Zeitraum allein 58 000 000 000 sogenannter Hühner und 3 000 000 000 Enten gezielt umgebracht werden.3 Die Bioscans zeigen, dass die Lebewesen von den dominanten Menschen nicht fair behandelt werden. Die meisten werden eingesperrt, obwohl es auf dem Planeten genug Platz gibt. Sogar das so schöne und lebensspendende Sonnenlicht wird den meisten einfach verweigert. Lieblos werden die Leben gefüttert und ab bestimmten Körpergrößen und erreichten Lebensabschnitten qualvoll eliminiert. Die toten Leiber werden der dominanten Herrscherlebensklasse zur eigenen Ernährung zugeführt. Zunächst hatten die Forschenden noch Mitleid mit den Menschen. Man ging davon aus, dass sie die toten Leiber bräuchten, um selbst leben zu können. Alle weiteren Untersuchungen deuteten jedoch auf etwas ganz anderes hin: Die Hühnerleben wurden nur aus rein eigennützigen Zwecken gequält und umgebracht. Offenbar geht es dem Dominanzleben um eine Art von Geschmackserlebnis. Ansonsten ist die Zuführung der Leiber nicht nur unnütz, sondern geradezu sinnlos. Tatsächlich stellt sich bei den weiteren Analysen heraus, dass sich das Dominanzleben damit selbst schadet, da der gesamte Planet durch die Unvernunft des Menschen immer stärker in Mitleidenschaft gezogen wird.

Etwas später erfolgt der nächste Schock: Die Planetenbeobachtung wird verfeinert und die Scantechnologie misst Ereignisse, die dem Schicksal der Hühner- und Entenleben in nichts nachstehen. Denn selbst eine dem Dominanzorganismus genetisch besonders nahestehende biologische Lebensform, die der Mensch »das Schwein« nennt, wird ähnlich barbarisch gehalten. Es stellt sich heraus, dass in einem Jahr sogar 1,4 Milliarden Schweine gekillt und der Ernährung zugeführt werden. Trotz der großen genetischen Ähnlichkeit. Auch 300 Millionen sogenannter Rinder, die auf manchen Teilen des Planeten als heilige Wesen gelten, geht es nicht anders. 517 Millionen »Schafe« kommen noch dazu. Auch hier stellt sich heraus, dass es bei beiden Lebensformen keinen vernünftigen Grund dafür gibt, diese Leben auszulöschen. Immer mehr kommt jetzt über diesen traurigen Planeten ans Licht, der scheinbar im Begriff ist, vom Menschen ausgelöscht zu werden. Nicht auf einmal, aber in Raten.

Das eigenartig-makabre und bösartige Verhalten dieses Dominanzlebewesens gibt den Forschenden zahlreiche Rätsel auf. Eine derart selbstzerstörerische Spezies wurde bislang auf den Forschungsreisen im All noch nicht entdeckt. Der Rat der Forschungsföderation mahnt daher zu allerhöchster Vorsicht. Man möge sich nicht zu entdecken geben, um nicht die Forschenden ebenfalls in Gefahr zu bringen. Würde man einer solchen Spezies die eigene Raumfahrttechnologie näherbringen – was ansonsten Standard der Begegnungsprogramme der Forschungsflotte ist –, wer weiß, was der Mensch mit anderen Mitbewohnern im All anstellen würde? Würde er sie versklaven, züchten und ebenfalls essen?

Erste Rätsel sind jetzt gelöst. So ergaben genauere Prüfungen, dass nur der Mensch eine eigene Sprache benutzt, die über die schwingende Erzeugung von Lauten in deren Kehlen funktioniert und zu der auch eine Art Lappen im Mund des Menschen gehört. Zwar haben die anderen genannten Lebewesen auch solche – »Zungen« genannten – Lappen, können aber nicht sprechen. Leider ist die Seele des Menschen noch nicht so ausgeprägt, so die bisherige Einschätzung, dass sie die Sprache der Opfer außerhalb der Lautstimmen wahrnehmen könnte.

Dabei gibt es auf dem Planeten, den der Mensch »Erde« nennt, durchaus Geistesgegenwart, schon seit Tausenden Jahren. Der Mensch nennt sie »Religion« und »Philosophie«. Nach einer ersten Einschätzung der Föderationsforschenden verbieten viele dieser Denk- und Seelenschulen eigentlich, andere Lebewesen so zu behandeln, und gebieten eine friedliche Koexistenz. Was hier genau schiefgelaufen ist, wird untersucht werden müssen, aber das wird dauern. Die Mind- und Culturescan-Auswertung ist bekanntlich aufwendiger als die Analyse der Bioscans. Bis dahin zieht man sich sicherheitshalber von der Erde zurück. Manche kritisieren das, da sowohl die Opfer der Menschen als auch sie selbst und ihr Planet anscheinend dringend Hilfe benötigen könnten.

2 Darwins Innenansicht

Der Begründer der Evolutionstheorie hatte über unsere zukünftige Entwicklung eine genaue Vorstellung

Charles Darwin erblickte im Jahr 1809 das Licht der Welt. Schon im zarten Alter von 22 Jahren umsegelte der Engländer den Planeten mit der HMS Beagle. An den Küsten Südamerikas und Australiens unternahm die Besatzung Vermessungsfahrten für die Royal Navy. Die Historiker sind sich darin einig, dass diese Weltreise die Grundlage für den späteren Ruhm Darwins legte. Er ging als großer Naturforscher und Mitbegründer der Evolutionstheorie in die Geschichtsbücher ein. Nach seinem Tod 1882 kursierten viele absurde Theorien, die sich auf seine Arbeiten bezogen. Einige dieser Theorien verselbständigten sich. Noch heute versteht man unter dem Begriff Darwinismus den Glaubensgrundsatz des »Survivals of the Fittest«, zu Deutsch in etwa: das Überleben des am besten Angepassten. Häufig wird dieses Motto interpretiert als »die Schwachen gehen zugrunde«.

Ein reizender Cousin Darwins mit Namen Francis Galton entwickelte daraus sogar ein Quasi-Tötungsprogramm – die Eugenik. Wenn sowieso nur die Starken überlebten, dann könne man auch darüber nachdenken, die Schwachen gleich zu töten, weil sie eh keiner bräuchte. Und außerdem: Wie gefährlich würde es werden, so die absurde Überlegung, wenn einmal die »Minderwertigen« zur Mehrheit werden sollten?

Darwin selbst hat schon in seinen frühen Werken stets die gemeinsame Herkunft allen Lebens betont. Und auch die Grausamkeit des Menschen sehr genau beobachtet. Daraus hat er, ganz Evolutionsbiologe, seine persönlichen Schlussfolgerungen gezogen. Er selbst war von den vielen Interpretationen und Missinterpretationen des Darwinismus weit entfernt. Mochte die Außenwelt auch versuchen, immer absurdere Grausamkeiten gegen andere Menschen und gegen Tiere mit seiner Evolutionstheorie zu rechtfertigen, seine Innenansichten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie sind es in Anbetracht der Lage unseres Planeten wert, dass man sie aus den alten Kisten hervorstöbert und aufblättert. Als ich eine der Kisten öffnete, nämlich Darwins Schrift Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, insbesondere das Kapitel Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Tiere (1871), erhellte sich mein Blick. Sie machen Hoffnung. Charles Darwin gilt auch heute noch als Geistesgröße, Visionär und Wegbereiter unseres Verständnisses von Wissenschaft.

Es ist Zeit, dass wir seinen wahren Innenansichten nicht nur gedanklich folgen. Lauschen wir: »Sympathie über die Grenzen der Menschheit hinaus, d. h. Humanität gegen die niederen Tiere scheint eine der spätesten moralischen Erwerbungen zu sein. Wilde besitzen dieses Gefühl, wie es scheint, nicht, mit Ausnahme der Humanität gegen ihre Schoßtiere. Wie wenig die alten Römer dasselbe kannten, zeigt sich in ihren abstoßenden Gladiatorenkämpfen. Die bloße Idee der Humanität war, soviel ich beobachten konnte, den meisten Gauchos der Pampas neu. Diese Tugend, eine der edelsten, welche dem Menschen eigen ist, scheint als natürliche Folge des Umstandes zu entstehen, dass unsere Sympathien immer zarter und weiter ausgedehnt werden, bis sie endlich auf alle fühlenden Wesen sich erstrecken. Sobald diese Tugend von einigen wenigen Menschen geehrt und ausgeübt wird, verbreitet sie sich durch Unterricht und Beispiele auf die Jugend und wird auch eventuell in der öffentlichen Meinung eingebürgert.«1

3 Käse-Vermessung

Käse ist sooooo lecker, was soll denn daran, außer den Löchern, bitte schön nicht stimmen? Ist doch kein Fleisch

Ist es eigentlich vermessen, ein Stück Käse zu vermessen? Warum regt mich Daniel Kehlmanns Weltbestseller Die Vermessung der Welt dazu an? Nicht nur, weil das Stück Käse völlig unterschätzt wird in seiner ganzen Auswirkung. Die Vermessung eines Stücks Käse erklärt gut, warum Vegetarier*innen heute eine andere Wirkung auf das Weltgeschehen ausüben als Veganer*innen.

In Kehlmanns Roman stehen bekanntlich Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß im Dialog. Literaturkritiker*innen gehen so weit, dass sie behaupten, Kehlmann habe aus rein historischen Gesichtspunkten jede Menge Käse erzählt. Vor allem wäre sein Roman ein Widerspruch zu einem Grundsatz von Gauß, dem König der Mathematik. Sein Grundsatz lautet: Pauca sed matura, also Weniges, dafür Ausgereiftes. Das passt natürlich perfekt zum Stück Käse. In der Reife liegt die Würze.

Alexander von Humboldt wird folgender Satz zugeschrieben: »Grausamkeit gegen Tiere kann weder bei wahrer Bildung noch wahrer Gelehrsamkeit bestehen.« Ob er das wirklich gesagt hat, ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass er recht hat. Machen wir uns an die mathematisch genaue Vermessung eines Stücks Käse. Kombinieren wir dabei die Genauigkeit des Mathematikers Gauß mit der Humboldt in den Mund gelegten Aussage. Daraus könnte sich etwas entwickeln. Etwas, das wir bisher bei unserer Liebe zum ausgereiften Stück Käse übersehen haben.

Es gibt Hunderte verschiedene Sorten Käse. Hergestellt aus der Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen. An dieser Stelle vernachlässigen wir rücksichtsvoll den in Deutschland tatsächlich auftauchenden Käse, der mit Milben oder Spinnen gemacht wird, und konzentrieren uns auf den Käse, den man auf der Welt heute am meisten produziert.

Ein Kilo Käse verbraucht 5 000 Liter Wasser, 100 Gramm immer noch 500 Liter. Eine Packung Scheibenkäse hat durchschnittlich 200 Gramm. Ist uns wirklich bewusst, wie viel Wasser die dafür nötigen 1 000 Liter wirklich sind? Wie nervig ist es, nur eine einzige Kiste Mineralwasser zu schleppen? Nehmen wir an, dass sie aus zehn Flaschen Wasser à einem Liter besteht. Das macht pro Kiste gerade einmal zehn Liter Wasser. Für eine einzige Packung Käse mit 200 Gramm benötigt man eine Menge Wasser, die 100 dieser Wasserkisten entspricht.1 Wenn das nicht vermessen ist …

Jede Umweltschützerin wäre im Recht, wenn sie allein aufgrund der Wasserverschwendung in Zukunft jedes Stück Käse gezielt meiden würde. Mittlerweile gehört es ja zum guten Ton, schon aufgrund der Transportwege nach Alternativen zur Getränkekiste Ausschau zu halten. Wasser ist schließlich ein kostbares Gut und die Trinkwasserreserven werden weltweit immer knapper.

Damit könnten wir – alle Umweltschützer*innen überzeugend – das Kapitel der Vermessung des Stücks Käse schließen. Klappe zu – Käse tot. Von wegen. Die Vermessung hat soeben erst begonnen.

Wussten Sie, dass nach offiziellen Angaben genau dieser Käse allein vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verursacht? Alle PKW, die unseren Globus befahren, verursachen zwölf Prozent des Ausstoßes an Kohlendioxid. Händeringend versuchen wir, den Verkehr durch Elektrifizierung zu verringern. Ließen wir den Käse weg, könnten wir ein ganzes Drittel der durch unsere Autos verursachten Emissionen an CO2 einsparen. 100 Gramm Käse verursachen ganze 8,5 Kilogramm CO2. Das sollten auch Umweltschützer*innen bei jeder nicht-veganen Pizza mitbedenken, die sie sich bestellen. Der Käse mag zum Dahinschmelzen sein, führt aber dazu, dass dem Eisbären seine Scholle unterm Hintern wegschmilzt.

In Sachen Klimaschädigung ist der vegetarische Käse kaum zu toppen. Doch ein Stück Rindfleisch bringt es sogar auf 13,3 Kilogramm CO2. Und wenn wir noch genauer sein wollen, müssen wir jedem Klimaschützenden auch schnell die Butter vom Brot nehmen. Die steht nämlich ungeschlagen mit 23,3 Kilogramm an der Spitze der klimaschädlichen Lebensmittel.

Doch setzen wir die Vermessung des Stücks Käse fort. Einer Studie zur Folge macht Käse Menschen genauso abhängig, wie das sonst nur harte Drogen schaffen. Möglich macht das laut den Forschern der Michigan Universität der Morphineffekt. Sobald wir das Kasein verdauen, entsteht im Magen ein süchtig machender Stoff, das Casomorphin. »Kurz darauf stimuliert der Stoff unsere Rezeptoren im Belohnungszentrum des Gehirns, sodass im Körper ein ähnliches Hochgefühl entsteht, wie beim Konsum von Rauschmitteln wie Drogen.«2 Obwohl solche Nachrichten auch von großen Nachrichtenagenturen verbreitet wurden, hat es noch nicht dazu geführt, dass der Käse in den Schul- und Hochschulkantinen gecancelt wurde. Wäre das angesichts der Forschungsergebnisse nicht geboten? Zumindest könnte dieser Morphineffekt, den jedes Stück Käse verursacht, doch eine nachvollziehbare Erklärung dafür sein, warum manche den Schritt in die vegane Ernährung nur schwer oder gar nicht schaffen: »Beim Käse hört der Spaß auf.« Haben Sie diesen Satz auch schon gehört?

Es ist nicht vermessen, einen Großteil der Bevölkerung ernsthaft als unbewusste Käsejunkies zu identifizieren. Mit der Vermessung eines Stücks Käse haben sich auch die Wissenschaftler*innen in Harvard etwas genauer befasst: »Nach den Daten, die der Epidemiologe Walter Willett und der Endokrinologe David Ludwig, beide von der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston, in ihrer Publikation vorstellen, steigt mit zunehmenden Verzehr von Milch und Milchprodukten das Knochenbruchrisiko.«3 Ganz zu schweigen davon, dass seit Jahrzehnten immer wieder von Wissenschaftlern vor dem Verzehr von Käse gewarnt wird, da er Krebs und andere Zivilisationskrankheiten begünstigen könne. Ist es nicht etwas seltsam, dass wir der Welt einerseits das Tragen von Masken verordnen, um die Verbreitung tödlicher Viren aufzuhalten, die Verbreitung von Käse aber unter den Gesichtspunkten der Gesundheitsfürsorge noch subventionieren?

Summa Summarum stinkt der Käse von Tieren im Grunde gewaltig zum Himmel. Die genaue Beschäftigung mit Tierkäse führt logischerweise dazu, dass wir ihn schnellstens durch vegane Käsealternativen ersetzen und damit aus der Welt schaffen sollten. Wenn Sie mich fragen, macht der vegane Camembert, den ich neulich in Paris aß, mehr als Hoffnung. Begeistert hat er mich auch deshalb, weil er – ehrlich gesagt – auch ganz ohne Casomorphin süchtig zu machten scheint. Sie müssen das nicht glauben. Probieren Sie selbst.

4 Augiasstall

Säue sind Schweine, aber sie sind für die größten Schweinereien auf der Erde nicht verantwortlich, das sind wir selbst

»Aller Fortschritt ist Ordnung« – im Deutschen nennt man das Gegenteil bezeichnenderweise Saustall. Ausgerechnet eines der am meisten leidenden Tiere, die Mutter der Schweine, die Sau, steht in unserer Sprache also für Unordnung.

Dabei tut man der Sau unrecht. Die Unordnung entsteht allein durch Menschen. Säue sind tatsächlich nicht nur extrem fürsorglich, sie sind auch perfekte Ordnungshüterinnen. Was Menschen den Säuen alles zuschreiben, fällt auf sie selbst zurück. In diesem Sinne haben wir die Welt in einen riesigen Saustall verwandelt. Die Sau selbst hätte es niemals fertiggebracht, sogar die beiden kostbarsten Schätze des Überlebens in Gefahr zu bringen: unsere Trinkwasservorräte und die Fruchtbarkeit unserer Böden. Sie sind nun aber versaut. Ausgerechnet das maßlose Verteilen der Gülle ist schuld. Gülle ist das hochgiftige und umweltschädliche Gemisch, das allein der Mensch durch seine Schweinehaltung entstehen lässt. Er allein hält die Schweine so, dass sie ihren Kot und ihren Urin unter sich lassen müssen. Sie selbst würden darauf weder wohnen noch beides vermischen. Der Mensch hat seinen globalen Saustall geschaffen, indem er dieses Güllegemisch auf dem gesamten Planeten verteilt hat. Es zerstört die Welt weitreichender, als es etwa die Atombombenabwürfe von Hiroshima oder Nagasaki vermochten. Wir werden uns diesen Saustall genauer anschauen müssen. Und wir können nicht oft genug betonen: Die Sau ist unschuldig. Das »Schwein« ist der Mensch selbst.

Wenn Fortschritt Ordnung ist, dann müssen wir den Saustall wieder aufräumen, indem wir unsere Fehler korrigieren. Tiere auszubeuten, ist einer der größten Fehler, den Menschen begangen haben. Wir haben die Sklaverei – wenn auch nicht überall – unter uns Menschen abgeschafft. Dafür klopfen wir uns gegenseitig auf die Schulter. Die Versklavung der Tiere aber ist so umfassend, dass wir nicht wagen, sie sofort abzustellen. Jedoch ist es genau das, was wir sofort tun müssen. Wir müssen die Ausbeutung der Schweine, Rinder, Hühner und aller anderen Tiere sofort abschalten.

Entstehen konnte dieser Wahnsinn, der heute den Planeten ökologisch vielschichtig bedroht und uns Menschen moralisch völlig unglaubwürdig macht, auch durch Unordnung in unserem Denken: »Machet Euch die Erde untertan« ist nichts anderes als ein von uns total fehlinterpretierter Auftrag. Gemeint ist ein Führungsauftrag im Sinne eines Fürsorgeauftrags. Wir haben daraus eine Art Freifahrtschein gemacht, mit dem wir andere milliardenfach ausbeuten, quälen, töten und essen. Jetzt droht es uns selbst zu zerstören. Unsere Welt droht, im selbst geschaffenen Chaos zu versinken. Dabei verkennen wir sogar, dass fast alles hausgemacht ist und das Ergebnis alles dessen ist, was wir den Tieren angetan haben und antun.

Das neue Verständnis von echtem Leadership zeigt uns, wie wir uns über Jahrtausende hinweg irrten. Denn wahre Führung bedeutet, die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Wir haben sie durch Ausbeutung aber jeden Tag ein bisschen schlechter gemacht.

Wir haben jeden Tag erneut mehr Gülle verteilt und mehr Todeszonen in Flüssen und Meeren hinterlassen. Das Leiden der Tiere haben wir dabei eiskalt überhört und übersehen. Wir haben so unsere Welt in einen Augiasstall verwandelt. Doch Umkehr ist möglich, wenn wir anfangen, unser Führungsversagen durch fürsorgliches Handeln zu ersetzen. Indem wir aufräumen. Die neue Ordnung kann nur eine vegane Welt sein. Nur so ist nicht nur wahre, sondern auch glaubwürdige Führung möglich, nur so ist der Schöpfungsauftrag, wenn man so will, ordentlich auszuführen.

5 Vegantag: Fanatisch oder fantastisch?

Ein Psychologieprofessor und der Chef der »Zentralstelle für Weltanschauungsfragen« haben ein gewaltiges Problem

»›Völker dieser Welt‹, sagt Christian Vagedes, ›schaut auf die Veganerinnen und Veganer.‹ Es ist Weltvegantag. Im Schatten des Brandenburger Tors in Berlin haben sich einige hundert Leute zusammengefunden. Um, wie Vagedes sagt, die Menschheit zu retten. Das gehe nur vegan. Und um für Milliarden zu sprechen, die das nicht könnten und litten. Milliarden Tiere. ›Ich erkläre mit großer Freude den Krieg gegen die Tiere für beendet‹, ruft der Präsident der Veganen Gesellschaft Deutschland, seine von ihm selbst gegründete Plattform.

Veganer gelten als progressive Bewegung, die sich aktiv für eine Welt engagieren, in der keine Tiere getötet und missbraucht werden und deutlich weniger CO2 in die Atmosphäre gebracht wird. Eine gute Sache also«,1 berichtete Peter Unfried, der Chefreporter der taz.

Im Anschluss folgten jede Menge Anschuldigungen des Psychologieprofessors Ernst-Dieter Lantermann. Er meint, ich sei nicht »radikal«, sondern »fanatisch«.2

Fantastisch! Seine Behauptungen stützt der Herr Professor nicht auf eine Unterhaltung mit mir. Auch nimmt er nicht direkt Bezug auf meine Reden und Texte. Er bezieht sich ausschließlich auf den Leiter der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirchen, Dr. Kai Funkschmidt.

Im Gegensatz zu manch anderen politischen Aktivist*innen vor meiner Zeit war mein veganes Engagement nachweislich immer konsequent gewaltlos. Einem Dialog habe ich mich niemals widersetzt, sondern ihn aktiv gesucht und stets gefunden. Meine Mitstreiter*innen und ich haben keinen Feind aufgebaut, wie Lantermann behauptet. Stattdessen versuchten wir erfolgreich, den Herstellern von nicht-veganen Produkten ans Herz zu legen, dass man auch mit friedlichen Produkten Geld verdienen kann. Das hat gut funktioniert.

Aber wie kommen dann Lantermann und Funkschmidt auf derartig übertriebene Aussagen über Fanatismus und Feindschaft? Gibt es denn in Wirklichkeit noch so viel Weiteres, was so radikal und fanatisch ist wie der Umgang mit Milliarden Tieren? Ist es nicht auch radikal und fanatisch, wie sich Leute partout persönlich weigern, die eigene nicht-vegane Lebensweise als Teil dieser Radikalität zu ignorieren? Ist es nicht ein radikaler Irrglaube, jeder Mensch, Funkschmidt und Lantermann eingeschlossen, hätte ein gottgegebenes oder wie auch immer begründetes Recht darauf, Fleisch, Milchprodukte, Eier oder Fisch zu essen? Manchem scheint schon die Wirklichkeit selbst radikal genug zu sein. Zu dieser Wirklichkeit gehört das Kleinreden des unerträglichen Leidens anderer, das bequeme Übersehen der Zusammenhänge zwischen dem eigenen Kauf und Verbrauch von Produkten und dem Verschwinden der letzten Flächen Amazonas-Regenwald. Was ist eigentlich schlimmer? Darauf radikal und angeblich fanatisch hinzuweisen oder aber genüsslich sein Käsebrot und sein Steak zu genießen und dabei seine Mitverantwortung einfach auszublenden?

Ist der Ignorant der Bessere? Der – gedeckt von vielen weiteren Weggucker*innen – mit dem vermeintlichen Zeigefinger professoraler Scheinlogik auf den Fanatiker zeigt? Sowohl Lantermann als auch Funkschmidt führen andere lieber vor, als wirklich offen zu debattieren. Lantermann negiert, dass vegan die Welt retten könne. Funkschmidt hält vegan für eine Ersatzreligion. Beides ist Quatsch. Wenn wir die Welt schützen, ja heilen wollen, müssen wir uns der veganen Sache annehmen. Je ehrlicher wir dabei mit unserer eigenen Mitverantwortung umgehen, umso höher ist die Chance, dass wir dabei unserem Planeten wirklich helfen, sich zu regenerieren. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig.

Deswegen schreibe ich dieses Buch. Für alle, die den Mut haben, ihre eigene Ignoranz zu überwinden. Für die, die durchschauen, dass jene, die anderen (ohne Rückfrage) Fanatismus unterstellen, selbst nicht selten die größeren, eigentlichen Fanatiker*innen sind.

Radikal? Vegan ist tatsächlich radikal – radikal gut, radikal nötig und extrem bedeutsam. Den veganen Gedanken ignorant auszuklammern, ist dagegen nicht nur radikal dumm, sondern im Sinne der Menschen, der Tiere und der Umwelt nachweislich auch extrem gefährlich und die vegane Revolution deshalb unvermeidlich. Im Namen der Zukunft.