Die Vergeltung des Adlers - Anthony Riches - E-Book

Die Vergeltung des Adlers E-Book

Anthony Riches

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Beschreibung

Auf der Jagd nach dem legendären goldenen Adler riskiert Zenturio Marcus Aquila alles …

Kaum sind Zenturio Marcus Aquila und seine Kohorte Tungrier vom dakischen Feldzug nach Britannien zurückgekehrt, finden sie die Nordgrenze des Römischen Reiches im Chaos vor. Die am Antoninuswall stationierten Legionen sind durch die Angriffe der feindlichen Kelten stark geschwächt worden, die Festungen drohen zu fallen. Nur Marcus und seinen Soldaten ist es deshalb zuzutrauen, die gefährlichste aller kaiserlichen Missionen zu bestreiten: Ein wichtiges Symbol soll im Land der Barbaren geborgen und zurückgebracht werden – die goldene Adlerstandarte der Sechsten Legion! Doch in der unwegsamen Wildnis des Nordens lauern viele Gefahren. Werden Marcus Aquila und seine tapferen Männer es schaffen, unbeschadet aus dem Reich des Feindes zurückzukehren?

Die Imperium-Saga bei Blanvalet:
1. Die Ehre der Legion
2. Schwerter des Zorns
3. Die Festung der tausend Speere
4. Aufstand der Barbaren
5. Das Gold der Wölfe
6. Die Vergeltung des Adlers
(Die Romane sind einzeln lesbar)

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Seitenzahl: 633

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Buch

Kaum sind Zenturio Marcus Aquila und seine Kohorte Tungrer vom dakischen Feldzug nach Britannien zurückgekehrt, finden sie die Nordgrenze des Römischen Reiches im Chaos vor. Die am Antoninuswall stationierten Legionen sind durch die Angriffe der feindlichen Kelten stark geschwächt worden, die Festungen drohen zu fallen. Nur Marcus und seinen Soldaten ist es deshalb zuzutrauen, die gefährlichste aller kaiserlichen Missionen zu bestreiten: Ein wichtiges Symbol soll im Land der Barbaren geborgen und zurückgebracht werden – die goldene Adlerstandarte der Sechsten Legion! Doch in der unwegsamen Wildnis des Nordens lauern viele Gefahren. Werden Marcus Aquila und seine tapferen Männer es schaffen, unbeschadet aus dem Reich des Feindes zurückzukehren?

Autor

Anthony Riches hat einen Abschluss in Militärgeschichte von der Manchester University. Nach dem Studium arbeitete er 25 Jahre für eine Reihe von Großkonzernen in aller Welt, bevor er sich mit Aufträgen in Europa, den USA, dem Mittleren und dem Fernen Osten selbstständig machte. Das Manuskript zum Auftakt der Imperium-Saga schrieb er bereits Ende der 1990er-Jahre, versteckte es allerdings in seiner Schreibtischschublade, bis er sein Werk 2007 endlich zu einem Verlag schickte, wo sich sofort begeisterte Fans fanden. Anthony Riches lebt mit seiner Frau Helen und drei Kindern in Hertfordshire.

Von Anthony Riches bereits erschienen

Die Ehre der Legion · Schwerter des Zorns · Die Festung der tausend Speere · Aufstand der Barbaren · Das Gold der Wölfe · Die Vergeltung des Adlers

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und www.facebook.com/blanvalet.

DIE VERGELTUNG DES ADLERS

Roman

Deutsch von Wolfgang Thon

Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Eagle’s Vengeance (Empire 6)« bei Hodder & Stoughton Ltd, London. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2013 by Anthony Riches

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2021 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Alexander Groß

Covergestaltung: © Johannes Frick unter Verwendung von Motiven von Trevillion Images (© Nik Keevil, © Stephen Mulcahey) und iStock.com (worawut2524; oddrose; ToscaWhi; c1a1p1c1o1m1)

DN · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-26423-9V002

www.blanvalet.de

Für Julie und Julian Dear

Prolog

»Ruhe! Ruhe für den König!«

Naradoc, der König der Venicones, lächelte kalt, als er die bei rituellen Anlässen übliche Aufforderung hörte. Normalerweise wurde sie den lärmenden Kriegerscharen zugerufen, die die Königshalle des Stammesführers bei seinen Audienzen vor dem Volk füllten. Wann immer die Elite des Stammes zusammentraf, um ihrem Anführer zu huldigen, dröhnte die Halle vom Krach der Männer, die darum wetteiferten, gesehen und gehört zu werden. Jeder von ihnen wurde von einem halben Dutzend der größten und angsteinflößendsten Mitglieder seiner Hausgemeinschaft begleitet, die alle mit blau leuchtenden Tätowierungen – dem Kennzeichen des Stammes – bedeckt waren. Ihre Waffen gaben sie am mächtigen Torbogen ab, der den Eingang zur Königshalle bildete, und wurden dabei sorgfältig von der Leibgarde des Königs überwacht. Die reich tätowierten Meisterkämpfer jedes Clans drängten sich aneinander und warteten auf die Ankunft des Königs. Freund- und Feindschaften äußerten sich in derben Scherzen und boshaften Sticheleien, denn alle wussten, dass sie umgehend bestraft werden würden, wenn sie sich zu Taten hinreißen ließen. Das Hämmern eines eisenbeschlagenen Stocks gegen die dicken Bodendielen aus Holz, das von Naradocs grimmig dreinschauendem Onkel Brem mit seinem rasierten Schädel als Vollstrecker des königlichen Willens ausgeführt wurde, ließ die Clanchefs auf der Stelle verstummen.

Geschlossen wie ein Mann verneigten sie sich dann vor dem Thron, auf dem Naradoc sich niederließ, wonach er mit einer majestätischen Geste ihre Ehrerbietung würdigte.

Heute aber war alles anders. Obwohl die Halle wie immer vom Rauch der wärmenden Feuer erfüllt wurde, war der offene Raum vor dem Königsthron so gut wie leer. Auf Brems Anordnung hatte man ihn anlässlich der Audienz freigelassen, und der ältere Mann hatte mit unergründlicher Miene seine Meinung darüber kundgetan, wie ihr ungebetener Gast sein Leben lassen sollte.

»Es wäre günstiger, das Blut dieses Mannes nicht öffentlich zu vergießen, mein Herr und König. Wenngleich er in Ungnade gefallen und verbannt worden ist, werden die Selgovae seine Ermordung nicht leichtnehmen.«

Naradoc hatte diesen klugen Rat mit einem bedächtigen Kopfnicken zur Kenntnis genommen und zugestimmt, in seiner Halle namens Der Hauer nur so viele Männer zuzulassen, wie für die Sicherheit vonnöten waren, also eine Handvoll Wachen, deren Gefolgstreue zweifelsfrei feststand. Hinter Naradoc waren Geräusche von vier Männern zu hören, die sich auf kleineren, in einem Halbkreis angeordneten Thronen niederließen. Es waren sein Onkel, sein Bruder, sein Vetter und sein Neffe – die einzigen Überlebenden der königlichen Familie, die zwei Jahre zuvor im Kampf gegen Rom drastisch dezimiert worden war, als der Stamm schmerzliche Verluste hinnehmen musste. Naradoc wandte sich um und erblickte Brems Jagdmeister, der aufgrund einer abscheulichen Entstellung »Fratze« genannt wurde. In jener Schlacht, der auch Naradocs Bruder zum Opfer gefallen war, hatte er schreckliche Wunden davongetragen, sodass es eine Weile nicht danach aussah, als würde er je wieder gesund werden. Damals hatten die Römer ihn auf dem Schlachtfeld dem Tode überlassen, da es ohnehin unwahrscheinlich war, ihn als Sklaven verkaufen zu können. Das Wundmal, das die eine Hälfte seines Gesichts überzog, war zum Teil knochenweiß, teilweise von einer scheußlich roten Farbe und verlieh ihm ein so angsteinflößendes Äußeres, dass der König sich stets wunderte, wie es ihm gelungen war, eine Gruppe von mehr als zwanzig jungen Stammesfrauen um sich zu scharen. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte er sie zu einer Schwesternschaft von Jägerinnen ausgebildet, deren zielstrebige Grausamkeit einzig darauf ausgerichtet war, Römer von den Wallkastellen gefangen zu nehmen und zu foltern. Dies erweckte in den Kriegern, die Seite an Seite mit ihnen kämpften, eine unangenehme Mischung aus unerwidertem Begehren – tatsächlich waren die »Fähen« bekannt für ihre Keuschheit und, wie zuweilen hinter vorgehaltener Hand gemurmelt wurde, für ihre gleichgeschlechtliche Zuneigung – und Unbehagen den Frauen gegenüber, die es genossen, ihren Gefangenen die Geschlechtsorgane abzuhacken und deren getrocknete Überreste an ihre Gürtel zu nähen. Als das Stühlekratzen und Geraschel verklungen waren, wartete der König noch einen Augenblick, bevor er über die Schulter eine Frage stellte. Dabei imitierte er bewusst den Stil, den sein Bruder Drust immer angewandt hatte, bevor er die unheilvolle Entscheidung traf, gemeinsame Sache mit dem Stamm der Selgovae zu machen und einen Krieg herbeizuführen.

»Wer ist der Erste, Kammerherr?«

Der Beschluss, in den Krieg zu ziehen, dachte Naradoc weiter, hatte Drust in jener Schlacht das Leben gekostet. Sein heldenhafter Tod wurde in einem Lied besungen, denn es war ein ehrenvolles Ableben gewesen, umringt von einem Dutzend niedergestreckter römischer Soldaten. Dennoch war er tot und hatte seinem Bruder die Pflicht hinterlassen, einen Thron zu besteigen, für den Drust geradezu geschaffen gewesen war, auf dem Naradoc sich jedoch höchst unwohl fühlte. Sein Onkel Brem beantwortete die Frage mit schroffer Stimme, um sein Missfallen bezüglich des Ankömmlings deutlich zum Ausdruck zu bringen.

»Ein Besucher aus den Ländern jenseits unseres Stammesgebiets, mein Herr und König. Es ist ein Adliger der Selgovae, der uns um Hilfe ersucht. Tretet näher, Calgus!«

Sie warteten schweigend, während eine hagere Gestalt sich langsam durch die leere Halle zu ihnen schleppte. Neben ihm trotteten hartgesottene Stammesangehörige – die einzigen Männer, die dem ehemaligen König der Selgovae noch Gefolgstreue leisteten. Zwei Jahre zuvor waren dem Stammesführer von einem rachelüsternen römischen Offizier die Achillessehnen durchtrennt worden, so jedenfalls erzählte man sich. Die Wunden waren schon lange verheilt, doch seitdem war er nur noch zu einem unbeholfen-langsamen Schlurfen imstande. Hinter ihm schritt ein halbes Dutzend Leibwachen, die Hände auf die Schwertgriffe gelegt. Es waren Veteranen aus dem Krieg gegen Rom, die, wie Brem ihm mehr als einmal erzählt hatte, zu seiner Verteidigung ohne Zögern ihr Leben hingegeben hätten. Als Calgus den Rand des Thronpodests erreichte, verbeugte er sich so tief, wie es ihm möglich war, wobei er sich an seinen Begleitern festhalten musste. Seine Stimme hatte seit dem letzten Mal, als er in der großen Halle gesprochen hatte, an Kraft verloren, doch noch immer konnte Naradoc die stählerne Entschlossenheit in ihrem näselnden Klang vernehmen, weshalb er beim Gedanken an die Falschheit und Arglist, die den ehemaligen Selgovae-König einst ausgezeichnet hatten, unwillkürlich ein Schaudern unterdrücken musste.

»König Naradoc, ich danke Euch, dass Ihr mich in Eurer prunkvollen Halle empfangt. Ich komme als König der Selgovae und bitte Euch um Hilfe, von Stammesführer zu Stammesführer. Als Gegenleistung biete ich …«

»König der Selgovae?«, unterbrach Naradoc ihn höhnisch und beantwortete seine eigene Frage sogleich mit einem Kopfschütteln. »Ein halb verkrüppelter Bettler mit den letzten beiden ihm verbliebenen Gefolgsmännern, würde ich meinen. Ihr mögt einst zwar ein mächtiger Fürst gewesen sein, der die Herrschaft der römischen Armee in diesem Land erschüttert hat, doch noch immer regiert Rom die Gebiete südlich des nördlichsten Walls. Und jetzt steht Ihr als Bittsteller vor dem Volk der Venicones.«

Nachdem er den Selgovae mit diesem Einwurf zum Schweigen gebracht hatte, lehnte sich der König an die aus Holz geschnitzte Rückenstütze seines Throns. Er hatte ein boshaftes Lächeln aufgesetzt und wandte sich um, denn er wollte seine Belustigung mit seinen Familienmitgliedern teilen.

»Ich muss zugeben, dass du noch immer Eier hast, Calgus, ehemaliger König der Selgovae. Man hat mir erzählt, dein jüngerer Bruder führe inzwischen den Stamm an und dass er mit den Römern ein Friedensabkommen auszuhandeln versucht, um dein Volk vor den grausamen Misshandlungen durch die Legionssoldaten zu schützen, die euch seit der verhängnisvollen Niederlage im Krieg gegen das Imperium heimsuchen. Ich habe gehört, man hat dir unter Androhung der Todesstrafe verboten, in dein einstiges Reich zurückzukehren, denn du hast das Verbrechen begangen, einen Krieg auf dem Gebiet der Römer anzuzetteln, den du niemals gewinnen konntest. Dennoch stehst du jetzt hier …« Naradoc schüttelte über diese Kühnheit des Selgovae erneut den Kopf. »Du stehst tatsächlich hier, im Herzen der Macht des Stammes der Venicones, ungeachtet der Niederlage, in die du meinen Bruder Drust mit deinen Umgarnungen und deinem übersteigerten Selbstbewusstsein geführt hast, nur weil du glaubtest, die römischen Legionen im Kampf schlagen zu können. Ich gebe zu: Du hast ziemlich viel Mut.«

Er verstummte einen Augenblick und betrachtete den vor ihm stehenden Mann, der von den Kriegern flankiert wurde, die ihn zu den Toren von Der Hauer, seiner Halle, getragen hatten.

»Nun, entweder großen Mut oder ebenso große Dummheit.« Er machte eine Geste in Richtung der Krieger. »Setzt ihn auf die Knie.«

Scharfes Eisen blitzte im Schein des Feuers auf, als Naradocs sorgsam positionierte Wachen Calgus’ Gefolgsleute unversehens niederstreckten, indem sie ihre bis dahin verborgenen langen Messer in die Rücken und Hälse der Selgovae-Krieger rammten. Obgleich er sie selbst angeordnet hatte, ließ diese unvermittelte Gewaltexplosion den König zusammenzucken. Unter der Wucht glänzenden Eisens starben die beiden Männer, noch bevor sie ihre eigenen Klingen ziehen konnten, und ihre blutenden Körper fielen vor dem verbannten früheren König der Selgovae zu Boden. Letzterer schloss die Augen, schüttelte den Kopf und führte eine Hand an den Nasenrücken. Ein grober Stoß ins Kreuz reichte, um ihn vornüber auf den kalten Steinboden der Halle zu befördern und seine Hände in den Pfützen aus Blut landen zu lassen, das aus den nunmehr leblosen Körpern seiner Männer herausfloss. Naradoc nickte zu ihm hinab und drückte mit einem kalten Lächeln seine Genugtuung darüber aus, Calgus hilflos vor sich auf dem Boden liegen zu sehen.

»So ist es besser. Jetzt sehen wir Calgus, wie er wirklich ist, ohne jede Vortäuschung von Adel oder Macht. Hier liegst du und kriechst im Blut der letzten beiden Freunde, die du auf der großen weiten Welt noch hattest – ein ohnmächtiger Schatten des Mannes, der du einst zu sein behauptet hast. Erzähl mir, ehemaliger König und jetziger Bittsteller: Was wolltest du damit erreichen hierherzukommen? In Anbetracht deiner Rolle bei dem Desaster, das mein Königreich vor zwei Jahren befiel: Welche seltsamen Gedankenspiele haben in dir die Erwartung genährt, du könntest anders als mit scharfem Eisen begrüßt werden?«

Calgus stemmte sich mühsam vom Boden auf die Knie und wischte sich mit dem abgetragenen Umhang, den er um sich geschlungen hatte, das Blut seiner Gefährten von den Händen. Seine langen roten Haare waren seit seiner Verkrüppelung verblasst und von grauen Strähnen durchzogen. Dennoch hätte jeder, der ihn auf der Höhe seiner Macht erlebt hatte – damals, als der von ihm initiierte blutige Aufstand die Herrschaft der römischen Armee in Nordbritannien auf die Probe gestellt und beinahe zunichtegemacht hatte –, sofort das Glitzern in seinen Augen wiedererkannt.

»Auch ich grüße dich, Naradoc, König der Venicones. Ich danke dir für den überaus großherzigen Empfang« – er deutete auf die Leichen vor sich – »und dafür, dass du mich von der Last dieser beiden Männer befreit hast. In Wahrheit erschienen mir ihr Geist und ihr Charme schon seit Längerem ein wenig verblasst, obgleich ich mir eine sanftere Methode gewünscht hätte, von ihrer Gegenwart erlöst zu werden. Hinsichtlich des Grundes für mein jetziges Vorsprechen ist die Antwort simpel: Ich habe etwas, das deinem Stamm gute Dienste leisten kann. Es ist ein Symbol der römischen Macht, das nur wenige Menschen je in Händen hielten. Tatsächlich befindet sich das Feldzeichen des Adlers der Sechsten Legion noch immer in meinem Besitz. Ich habe es ihnen während der Schlacht entrissen, nachdem wir sie in einem frühen Stadium des Krieges überwältigt hatten. Der Verlust dieses Symbols ist eine Katastrophe für sie, und wenn es in den Besitz eines Mannes wie dir gelangte, wäre das Salz auf ihre Wunden. Insbesondere jetzt, wo sie begriffen haben, dass sie ihr Lager auf dem von Kaiser Antoninus errichteten Wall wohl kaum länger als bis zum Ende dieses Sommers werden halten können. Wie ich höre, empören sich die Legionen dagegen, so hoch in den Norden geschickt und gezwungen zu werden, sich dem Zorn deiner Krieger auszusetzen. Schon zwei Mal hat dieser gerechte Zorn sie veranlasst, den nördlichen Wall aufzugeben. Daher gehe ich davon aus, dass der Besitz des Adlers, wenn du ihn offen zur Schau stellst, der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringen wird.« Er verstummte und ließ sich auf den Fersen seiner geschundenen Beine nieder, deren Muskeln aus Bewegungsmangel erschlafft waren.

Naradoc schüttelte bedächtig den Kopf. »Während du gesprochen hast, Calgus, habe ich mich gefragt, warum ich mich in deiner Anwesenheit so unwohl fühle. Und die Antwort fiel mir gleich darauf ein: Du bist eine Schlange, nichts anderes, ein verschlagenes, heimtückisches Reptil, dem ich mein Vertrauen nur unter größtem Risiko schenken könnte. Du willst mir einen römischen Adler anbieten?« Der König machte eine abschlägige Geste. »Behalte ihn! Das römische Volk ist beharrlich und rachsüchtig, daher weiß ich mit Bestimmtheit, dass sie nicht aufhören werden, nach der verlorenen Ikone ihrer Macht zu suchen, bis sie das Feldzeichen wiedergewonnen haben – egal, wie viel Blut es sie kosten sollte. Überdies weiß ich, dass sie dutzendfach Vergeltung bei jedem üben werden, der den Adler je in den Händen hielt, ungeachtet der Verluste, die sie zu diesem Zweck hinnehmen müssen. Sollte ihnen zu Ohren kommen, dass die Venicones das Emblem ihrer Macht besitzen, würden sie uns zur Bestrafung mit einer ganzen Legion überfallen. Unsere Festung ist zwar unbezwingbar und würde ihren Angriffen trotzen, doch es gibt Dutzende von Siedlungen, die ihnen nicht standhalten könnten. Nein, Calgus, behalte deinen Adler. Ebenso würde ich mir wünschen, du hättest dir damals die Einladung an meinen Bruder Drust verkniffen, bei deinem Aufstand mitzukämpfen. Das hat nicht nur ihn das Leben gekostet, sondern meinen Stamm um Tausende Krieger dezimiert. Ich kann mich noch bestens an deine Worte in dieser Halle erinnern. Damals saß er auf meinem jetzigen Platz, und du hast ihm reiche Beute und ewige Freiheit von der Bedrohung durch die Römer versprochen. Was aber hat dein Krieg meinem Volk gebracht? Nichts als Unglück und das verhängnisvolle Geschick, das mich auf einen Thron befördert hat, den Drust für viele weitere Jahre hätte innehaben sollen!« Er schnaubte verächtlich und schüttelte ärgerlich den Kopf. »Damit entlasse ich dich, denn du bist eine traurige Gestalt und nur noch die morsche Hülle des Mannes, der du einst warst. Geh nun, falls du nicht meinen unerbittlichen Zorn auf dich ziehen willst.« Als er sah, wie Calgus sich hilflos umblickte, wandelte sich Naradocs mitleidloser Ausdruck zu einem grimmigen Lächeln. »Aber natürlich! Du hast keinen Ort, an den du gehen könntest. Dein Volk hat sich gegen dich gewandt, und deine letzten Gefolgsleute liegen tot vor dir auf dem Boden. Sicherlich überrascht es dich nicht, dass ich vorhabe, deine Pferde zu behalten, die wahrscheinlich ohnehin meinem Stamm geraubt wurden. Welche Möglichkeiten hast du jetzt noch, Calgus? Wie sollen wir diese unangenehme Situation lösen, in die du dich selbst hineinmanövriert hast? Ich könnte meinen Männern befehlen, dich zu den Toren zu begleiten, aber was dann? Keiner in meinem Reich wird dich aus Mitleid mit Nahrung versorgen, das kann ich dir versichern. Dein Name weckt in dieser Gegend nicht sonderlich viel Zuneigung. Vielleicht wäre ein schneller Tod das Beste, was ich dir anbieten kann? Dann wärst du erlöst und müsstest nicht langsam verhungern oder würdest von Wölfen in Stücke gerissen, sobald du dich nicht mehr wehren kannst. Triff deine Wahl, Calgus, und nimm dir dafür so viel Zeit, wie du brauchst …«

Der Selgovae blickte mit einem freundlichen Lächeln zu ihm auf, weshalb Naradoc misstrauisch die Brauen zusammenzog. »Wenn man vor die Wahl zwischen einem langsamen und einem schnellen Tod gestellt wird, liegt es in der Natur des Menschen, nach einer dritten Option Ausschau zu halten, findest du nicht?« Der verkrüppelte Mann hob die Hand, um eine Antwort zu unterbinden, und lächelte den König weiterhin an, der sich sichtlich unbehaglich fühlte. »Nachdem ich wusste, dass mein wohldurchdachtes Ansinnen aller Voraussicht nach mit einer feindseligen Reaktion beantwortet werden würde, habe ich meine Ankunft vorsichtshalber über Monate geplant und sorgsame Verhandlungen mit Männern geführt, deren Gunst für dich unabdingbar ist. Es würde dich enttäuschen zu erfahren, wie leicht es für meine Diener war, meine Botschaften den hinter dir befindlichen Adligen zu überbringen, Naradoc. Mehr noch wird dich zweifellos die Bereitschaft betrüben, mit der sie meinen Vorschlag und meine Ratschläge angenommen haben, wie dein Stamm erheblich besser regiert werden könnte.«

Der König sprang auf die Füße und deutete mit zitterndem Finger auf die kniende Gestalt vor ihm. »Schlagt ihm den Kopf ab!« Mit geballter Faust trat er vor. »Ich werde deine Ohren an meine Dachbalken nageln, du verdorbene Ausgeburt einer missgestalteten Hure! Ich werde meinen Hunden deine Eingeweide zum Fraß vorwerfen! Ich werde …« Er unterbrach sich mitten im Satz und spürte voller Entsetzen plötzlich unangenehm kaltes Eisen an seinem Nacken.

Calgus betrachtete ihn mit hochgezogener Augenbraue und neigte den Kopf zur Seite, wodurch er absichtlich die Haltung des Königs einen Augenblick zuvor parodierte. »Wie so oft tritt der angsteinflößendste Augenblick im Leben eines Menschen immer dann ein, wenn man es am wenigsten erwartet, Naradoc, nicht wahr? Bei mir geschah es in Gesellschaft deines Bruders, als ich begriff, dass das römische Lager, das wir überfielen, nur ein Köder war und uns in eine Falle locken sollte. Ein Köder, dem dein hochverehrter Bruder ebenso wenig widerstehen konnte wie ein Rüde, der eine läufige Hündin riecht. Drust war ein halsstarriger, närrischer Mann, Naradoc. Hätte er nur ein bisschen mehr Voraussicht gehabt, würde er die Krone noch heute tragen, und du würdest hinter ihm sitzen, in einer Position, die deinen begrenzten Fähigkeiten wesentlich besser entspricht. Stattdessen dreht sich dir jetzt der Magen um, weil du die Schwertspitze an deinem Nacken spürst, obwohl doch eigentlich treue und mutige Adlige hinter dir stehen sollten – hättest du nur genug Verstand und den Mumm besessen, sie auf deine Seite zu ziehen. Ich würde dich ja König nennen, Naradoc, wäre es nicht so offensichtlich für uns beide, dass du nichts Wichtigeres mehr beherrschst als die Scheiße, die dir gerade aus dem Hintern zu laufen droht.«

Naradoc starrte ohnmächtig in Calgus’ Augen und bemerkte voller Bangen, dass der verkrüppelte Selgovae ihn kopfschüttelnd mit eher mitleidigem als verächtlichem Blick betrachtete.

»Schau dich um, Majestät, und sieh, was von deinem Königreich übriggeblieben ist.«

Naradoc drehte den Kopf und sah den Angehörigen seiner Familie kurz in die Augen. Er musste feststellen, dass ihre Blicke größtenteils ungerührt waren. Sein Bruder hatte zumindest den Anstand, ein wenig beschämt auszusehen, doch die Gesichter seines Onkels, Vetters und Neffen hätten ebenso gut in Stein gemeißelt sein können. Das Schwert, das ihn am Nacken kitzelte, gehörte Jagdmeister Fratze, der seinem Onkel Brem die Treue geschworen hatte, seit dieser ihn vom Schlachtfeld gerettet und ihn gesund gepflegt hatte. Naradoc ließ niedergeschlagen die Schultern hängen, als er das bemerkte. Der Jäger starrte ihn ausdruckslos an, und die Wunde aus vernarbter Haut, die sich quer über sein Gesicht zog, verbarg jegliche Regung. Der König versuchte zu sprechen, doch seine Worte waren nicht mehr als ein geflüstertes Krächzen.

»Ihr Bastarde …«

Calgus lachte, als er die Bitterkeit in seinem Tonfall vernahm. »Sie sind nur realistisch, Naradoc. Dein jüngerer Bruder wird die Krone erhalten, so viel ist offenkundig. Brem, der Bruder deiner Mutter, bekommt deine Frau, die er, wie er mir erzählt hat, schon seit Langem auf eine Weise begehrt, die einer Königin gegenüber nicht sonderlich angemessen war. Er sagte allerdings, er werde ihr ohnehin schon bald in eurem Bett die Beine spreizen, daher wird ihr Familienstand wohl kaum Bedeutung haben. Sein Sohn, also dein Vetter, wird deine älteste Tochter ehelichen, die, wie du sicher zugeben wirst, ein Alter erreicht hat, in dem sie bereits bestiegen werden kann. In Anbetracht ihrer ausladenden Hüften wird sie ihm gewiss eine hübsche Schar Söhne gebären. Der Sohn deines Bruders wiederum wird deine jüngere Tochter ehelichen. Sie ist zwar ein bisschen unreif für den Ehestand, doch andererseits ist er ja selbst noch ein Knabe. Ich bin mir sicher, sie werden es hinbekommen, nicht? Du aber …« Er machte eine kleine Pause und winkte dann den Männern hinter dem König. »Ihr Edlen, ich fühle mich zwar einigermaßen wohl in meiner Haltung als Bittsteller, doch vielleicht wäre es angemessener, wenn ich meine neue Stellung als Berater des zukünftigen Königs stehend antrete?«

Auf eine Geste von Naradocs Bruder hin traten zwei Männer vor und halfen dem Selgovae auf die Füße. Er verbeugte sich vor dem neuen König, hielt dabei aber den Blick fest auf Naradocs wutentbranntes Gesicht gerichtet.

»Du hast einen fatalen Fehler begangen, ehemaliger König: Du hättest deine Stellung absichern müssen, als man dich verpflichtete, die Krone zu übernehmen. Die ersten Jahre auf dem Thron sind ja nie ganz einfach, nicht wahr? Man muss den Drahtseilakt beherrschen, weder zu hart zu sein, noch zu weich zu erscheinen. Im Nachhinein würde ich sagen, du hättest einen Weg finden müssen, dich in aller Stille deines jüngeren Bruders zu entledigen. Üblicherweise sind Jagdunfälle eine beliebte Methode, um zukünftige Zwistigkeiten zu vermeiden und den verbleibenden Familienmitgliedern die Zähne zu zeigen, doch das scheint nicht dein Stil zu sein. Wie schade, denn ein oder zwei zeitlich gut abgestimmte Morde können zuweilen große Unannehmlichkeiten abwenden …« Er warf einen raschen Blick auf den jüngeren Bruder des Königs und lächelte, als er den raubtierartigen Ausdruck sah, mit dem dieser auf Naradocs Rücken starrte. »Dein Bruder hingegen scheint in moralischer Hinsicht kein Problem damit zu haben, sich deiner zu entledigen – jetzt, wo eure Rollen vertauscht sind.«

Als Naradoc begriff, dass er dem Tod ins Auge blickte, fand er seine Stimme wieder und wandte sich an seinen Bruder, der ihn so schrecklich verraten hatte. »Ihr verdammten Narren!«, brüllte er. »Dieser Mann wird in nur wenigen Tagen dafür sorgen, dass ihr euch gegenseitig an die Kehle geht! Und du, mein Bruder: Wie lange wird es dauern, bis du selbst einen Jagdunfall erleidest, um deinem Onkel den Weg auf den Thron freizumachen?«

In den Augen seines Bruders flammte Zweifel auf, ob er womöglich tatsächlich betrogen worden war, doch schon sprach Calgus erneut, und diesmal klang seine Stimme herzlich – ganz im Gegensatz zu den Worten, die das Schicksal des Möchtegern-Thronräubers besiegelten.

»Du weißt, dass er recht hat, Herr. Es war tatsächlich außerordentlich dumm, keine Vernunft walten zu lassen und dich auf die Seite deines Bruders, des Königs, zu stellen, doch leider hast du diese Lektion zu spät gelernt. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fürchte ich, dass ein Jagdunfall nicht allzu überzeugend wäre, nachdem wir zwei Opfer zu beklagen haben werden …« Er unterbrach sich einen Moment und richtete den Blick dann auf den bleichgesichtigen Sohn des Mannes. »Nein, falsch, es wird natürlich drei Opfer geben, nicht wahr?« Er wandte sich an den Onkel der beiden und breitete fragend die Hände aus. »Vielleicht wäre ein Familienzwist, ausgelöst durch ein Übermaß eures vortrefflichen Bieres, glaubwürdiger? Ein höchst bedauerlicher Zwischenfall, der dich dazu zwingen wird, den Thron zu besteigen – was du natürlich nur unter größtem Widerwillen auf dich nimmst. Was meinst du dazu, mein Herr und König Brem?«

1. Kapitel

Oceanus Germanicus, April, 184 n. Chr.

»Mercurius? Das ist doch der geflügelte Götterbote, oder?« Der hochrangige Zenturio der Ersten Tungrischen Kohorte schüttelte in überdrüssigem Unglauben den Kopf und strich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. »Wir sind den ganzen Weg von Dakien bis zum Ufer der Nordsee marschiert, mehr als tausend Meilen durch jede Art von Wetterverhältnissen, von brennender Sonne bis hin zu eiskaltem Regen, und jetzt befinden sich nur noch ein oder zwei Meilen nebliges Wasser zwischen meinen Stiefeln und dem Heimatboden …« Er seufzte, schüttelte erneut den Kopf und starrte in den undurchdringlichen Dunstschleier hinaus. »Man möchte doch meinen, ein Boot, das den verdammten Namen Mercurius trägt und an dessen Rudern mehr als hundert große, starke Kerle sitzen, sollte sich ein wenig schneller fortbewegen als in langsamem Marschtempo. Immerhin ist es ein verfluchtes Kriegsschiff, also muss doch der Verantwortliche nur ein einziges Wort verlauten lassen, um uns rascher über die Wellen zu befördern.«

Tribun Scaurus wandte den Kopf und betrachtete seinen Kollegen Julius mit einem nachsichtigen Lächeln, während die drei Zenturionen hinter ihm anzügliche Blicke tauschten.

»Dann ist dir wohl immer noch übel, Erster Speer?«

Julius schüttelte mürrisch den Kopf. »Ich habe alles ausgekotzt, was sich in meinem Bauch befand. Dann habe ich zur Sicherheit noch einmal gespuckt und zu guter Letzt das runde rosa Ding zerkaut und hinuntergeschluckt. Ich habe nichts mehr, was ich ausscheiden könnte, Tribun, und mein Körper befindet sich in einem Zustand missmutigen Grolls, statt offen zu rebellieren. Mittlerweile bin ich lediglich gelangweilt von dem Schneckentempo, das anscheinend das Beste ist, was diese riesige Badewanne hervorzubringen imstande ist.«

»Bei Aphrodites Titten und ihrer haarigen Vulva! Lass den Kapitän bloß nicht hören, dass du das Objekt seines ganzen Stolzes eine Badewanne nennst! Ich habe ihn gestern dabei erwischt, wie er die Flanke des Schiffes streichelte, und als er mich sah, warf er mir lediglich einen dieser Blicke zu, die sagen wollen: ›Ich weiß, ich weiß, aber was soll ich dagegen machen?‹«

Scaurus drehte sich um und nickte dem zweitgrößten der vier Zenturionen zu, die um ihn herumstanden – ein muskelbepackter, bärtiger Kerl Ende zwanzig.

»Du hast recht, Zenturio Dubnus. Der Mann ist auf sein Kommando über dieses Schiff ebenso stolz wie der Adlerträger der Legion und, wie es aussieht, ebenso rasch bereit, nach der Polierpaste zu greifen. Hast du nicht bemerkt, wie missbilligend er die Stirn runzelte, als vor dem Ankerlichten das Blut der Opferziege über das ganze Deck spritzte?«

Der Tribun wandte sich wieder Julius zu. Der Erste Speer war ebenso stämmig wie Dubnus, trug ebenfalls einen dichten Bart und teilte dessen grüblerisches Wesen sowie die Bereitschaft, Nörglern und Bummlern mit unvermittelten Gewaltausbrüchen zu begegnen. Allerdings war Dubnus jünger, seine dichte Mähne und der Bart waren noch immer tiefschwarz, wogegen das Haar des älteren Zenturios bereits sichtlich zu ergrauen begann.

»Was deine Eile anbelangt, die Füße auf festen Boden zu setzen, Erster Speer, so gehe ich davon aus, dass der Kapitän der Mercurius sicher ebenso begierig darauf ist, nicht im Nebel zu stranden. Sollten seine Navigationskünste der Aufgabe gewachsen sein, werden wir von den Trompeten vom Kastell Arbeia darauf hingewiesen, sobald wir Landnähe erreichen. Und behaltet bitte im Kopf, dass die Rückkehr nach Britannien für unseren Kameraden hier erneut die Frage aufwirft, wer uns bei unserer Ankunft erwarten könnte.«

Er deutete mit dem Kopf auf den am wenigsten muskulösen Zenturio, einen schlanken jungen Mann mit falkenartigem Gesicht, der zwei Jahre zuvor Zuflucht bei der tungrischen Kohorte gesucht hatte und ihrem Gespräch ungerührt zuhörte.

Der Tribun wandte sich wieder an den ranghöheren Zenturio. »Julius: Die Nachricht, dass wir in die Provinz heimkehren, wird uns bereits vorausgeeilt sein, und mit Sicherheit ist die Ankunft zweier vollzähliger Hilfskohorten für die Mitarbeiter des Statthalters von großem Interesse. Du weißt ebenso gut wie ich, dass nie genügend Soldaten zur Verfügung stehen. Wir haben keine Ahnung, ob beim Anlegen hochrangige Offiziere auf uns warten, womöglich von ein oder zwei Legionszenturien unterstützt, die den Briganten gerade erst den gebührenden Untertanengeist eingeprügelt haben. Es könnte sogar sein, dass der kaiserliche Haftbefehl für Marcus Valerius Aquila, ehemals Mitglied der Prätorianer-Garde, inzwischen auch erwähnt, dass der flüchtige Sohn des Senators mittlerweile Zenturio der Ersten Tungrischen Kohorte ist und den Decknamen Marcus Tribulus Corvus trägt. Immerhin hatten die Behörden lange genug Zeit, die Verbindung zwischen den beiden Namen aufzuspüren – insbesondere, wenn man bedenkt, dass wir schon vor mehr als einem Jahr dem verfluchten Frumentarius Excingus erlaubt haben zu fliehen und das Wissen um die wahre Identität unseres Kameraden mit sich zu nehmen.«

Ein Licht der Erkenntnis erhellte Julius’ Gesicht. »Deshalb reisen wir also auf diesem Kriegsschiff, anstatt mit dem Rest der Männer in den grauenvollen Truppenschiffen übers Meer zu schaukeln? Das ist dann wohl auch der Grund dafür, warum wir vier Zeltmannschaften mit den größten und brutalsten Männern der Kohorte samt ihrem äußerst unangenehmen Zenturio verschifft haben?«

Der letzte der Offiziere grinste ihn unbekümmert an. »Gut erkannt, kleiner Bruder«, antwortete er knurrend.

Scaurus nickte und setzte ein ungerührtes Gesicht auf, obwohl er gerne laut darüber gelacht hätte, dass Titus, der Kommandeur der tungrischen Pionierzenturie, seinen Ersten Speer wie einen vorlauten jüngeren Bruder behandeln konnte, ohne dafür Strafmaßnahmen zu riskieren.

»So ist es, Erster Speer. Falls wir also auf ein Empfangskomitee stoßen sollten, könnte es klein genug sein, dass mein Rang und die Muskelkraft deiner Männer es lange genug in Schach halten können, bis Zenturio Corvus in die Berge fliehen kann. Im schlimmsten Fall, wenn wir von zu vielen Männern erwartet werden, um bluffen oder sie einschüchtern zu können, kann unser junger Kamerad sich zumindest mit intakter Würde ergeben, ohne dass seine Frau oder seine Soldaten ihm dabei zusehen müssten, wie er irgendwelche noblen, aber letztlich verhängnisvollen Heldentaten vollbringt.«

Scaurus machte scharf auf dem Absatz kehrt und wandte sich an seinen persönlichen Leibwächter, der mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck etwa einen Meter entfernt stand. Er wusste aus Erfahrung, dass der Germane jedes Wort mitgehört hatte.

»Das gilt auch für dich, Arminius.«

Der Leibwächter knurrte und starrte griesgrämig in den Nebel hinaus. »Vergibst du mir, dass ich dir nicht versprechen kann, dein Kommando in dieser Angelegenheit vollumfänglich auszuführen, Rutilius Scaurus? Du weißt doch, dass ich dem Zenturio …«

»Dein Leben schuldest? Wie könnte ich das vergessen? Wann immer ich mich nach dir umdrehe, bist du entweder gerade dabei, dem jungen Lupus zu zeigen, wie man Klingen durch die Gegend wirft, oder du bist fort und bewachst den Zenturio, während er sich zum wiederholten Mal in Gefahr begibt. Manchmal frage ich mich, ob du tatsächlich mein Sklave bist …«

Aus dem Nebel drang schwach der Klang einer Trompete durch die Stille über der schwarzen Meeresoberfläche, doch der wabernde Dunst erstickte das Signal beinahe. Dann folgte ein zweiter, höherer Ton, worauf der Kapitän des Kriegsschiffes mit einem knappen Nicken vortrat.

»Das ist das Signal vom Kastell Arbeia. Es scheint, wir gehen wie geplant an Land, Tribun. Schon bald werden eure Füße wieder auf festem Boden sein, Männer.«

Titus legte seine spatengroße Hand auf Marcus’ Schulter. »Keine Angst, kleiner Bruder. Egal, ob nur einer oder tausend auf dich warten – solange meine Männer und ich noch Luft in den Lungen haben, wirst du nicht gefangen genommen werden.«

Sein Freund schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln, ohne dass sein Gesicht irgendeine Regung gezeigt hätte. »Nein, Bär, diesmal nicht. Wenn tatsächlich Männer auf mich warten sollten, werde ich mich ihnen widerstandslos ergeben und meine Hände nicht mit noch mehr unschuldigem Blut beflecken. Außerdem schicken mir nachts meine Träume noch immer die Botschaft, dass mein Schicksal in Rom auf mich wartet – ob mir das gefällt oder nicht.«

Dubnus nickte zustimmend. »Das ist wahr. Er hat sich die halbe Nacht im Bett herumgewälzt und murmelte die ganze Zeit etwas von Rache. Ich habe das auf die Menge an iberischem Wein vom Kapitän zurückgeführt, die er abends in sich hineingeschüttet hatte, während ich ihn als lärmenden Dreckskerl verfluchte und einzuschlafen versuchte …«

Marcus nickte und lächelte traurig. »Es gibt nur wenige Nächte, in denen mein Vater nicht aus der Unterwelt auftauchen würde, um mich daran zu erinnern, dass ich den Prätorianer-Präfekten Perennis für den Tod meiner Familie zur Rechenschaft ziehen muss. Auch unser verstorbener Kamerad Carius Sigilis schreibt, wann immer er in meinen Träumen eine glatte Oberfläche findet, mit blutigen Fingern stets dieselben anklagenden Worte.«

Julius und Dubnus verdrehten die Augen und tauschten einen vielsagenden Blick.

»Und diese Worte sind ›Die Messer des Kaisers‹, nicht wahr?«

Marcus beantwortete Dubnus’ Frage mit einem Nicken. Legionstribun Sigilis hatte Seite an Seite mit den Tungrern gekämpft, als sie an vorderster Front dem Einfall der Sarmaten in Dakien Einhalt geboten. Er war es auch gewesen, der ihm die Namen der Männer hatte nennen können, die Senator Aquila umgebracht und seine Familie niedergemetzelt hatten, bevor er selbst einen blutigen Tod durch die sarmatischen Verräter erdulden musste. Er hatte dem jungen Zenturio erzählt, er habe die Geschichte aus dem Mund eines Informanten gehört, den sein Vater angeheuert hatte – ein hochrangiges Mitglied der Senatorenklasse, dessen Beunruhigung über die immer häufiger stattfindenden Morde aus Geldgier, die unter dem neuen Kaiser Commodus geschahen, ihn dazu veranlasst hatte, die Angelegenheit auf diskrete Weise ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.

»Ja, Julius, nach all den Monaten, die wir längs der Flüsse Danubius und Rhenus zurück in den Norden gereist sind, schreibt er noch immer dieselbe Botschaft. Die Schatten der Toten verfolgen mich jede Nacht und dürsten nach Blut, um ihr eigenes zu rächen, und nach Vergeltung, die anscheinend nur in Rom geübt werden kann. Ich gebe zu, ihre Halsstarrigkeit allmählich sattzuhaben, zumal es unwahrscheinlich ist, dass ich meine Geburtsstadt in diesem Leben je wieder erblicken werde.«

Das Nebelhorn vom Kastell Arbeia schickte erneut seine klagenden Töne durch den dichten Dunst.

Marcus wandte sich dorthin und starrte in den fast undurchdringlichen grauen Schleier. »Sollte die Zeit zur Gefangennahme und Rückkehr in die Heimat gekommen sein, werde ich dieses Schicksal widerstandslos annehmen. Mir scheint, ich bin lange genug davongelaufen.«

»Nur in Britannien, Tribun?«

»Exakt, Präfekt Castus. Genauso ist es …«

Der jüngere der beiden Männer, die an der Anlegestelle vor dem Kastell Arbeia standen, duckte sich tiefer in seinen Mantel, zog die dicke Wollkapuze über den Kopf und blickte verzweifelt in den Nebel, der um die Hafengebäude waberte. Seinem kleineren und etwas untersetzten Begleiter schien der eiskalte Wind nichts auszumachen, denn er warf ihm einen amüsierten Blick zu und betrachtete dann die drei Zenturien hartgesottener Legionäre, die in einer langen Zweierreihe hinter ihnen warteten. Augenscheinlich zufrieden mit dem, was er sah, beobachtete er darauf wieder wachsam das fast unsichtbare Wasser vor ihnen. Bevor er sprach, wartete er, bis die Nebelhörner verklangen.

»Ja, Fulvius Sorex, nur in Britannien ist der Nebel so undurchdringlich. Nach dreißig Jahren in römischen Diensten weiß ich, dass jede Provinz ihre reizenden kleinen Eigenarten hat, die man nie vergisst, wenn man sie erst einmal kennt. In Syrien waren es die Fliegen, die einem beim Kauen der Fleischbissen im Mund herumkrochen, wann immer man ihnen Gelegenheit dazu bot. In Judäa waren es die Juden mit ihrem blutrünstigen Groll gegen uns wegen unserer Anwesenheit in ihrem Land, und das fast ein Jahrhundert nachdem Vespasian ihren Widerstand gebrochen hatte. In Pannonien waren es die eisigen Winter, so kalt, dass die Flüsse bis zum Grund vereisten, in Dakien wiederum …«

Er verstummte plötzlich, und als der Jüngere zu ihm hinüberblickte, sah er, dass sein Kamerad mit unergründlichem Gesichtsausdruck in den Nebel starrte.

»Was war in Dakien?«

Castus schüttelte den Kopf, und ein nachdenkliches Lächeln zog über sein Gesicht. »Oh, der Rest des Morgens würde nicht ausreichen, um Dakien angemessen zu beschreiben. Was ich aber sagen will, ist, dass dieses neblige, sumpfige und verregnete Nest von bösartigen, blau bemalten Wahnsinnigen Dakien durchaus Konkurrenz machen kann. Belassen wir es also dabei …« Sein Gesicht verhärtete sich. »Da! Da sind sie!« Er streckte die Hand aus und deutete auf einen dunklen Fleck in der Düsternis.

Sein Kamerad zog die Brauen zusammen und blickte angestrengt in die angedeutete Richtung. Dann nickte er bedächtig. »Ich glaube, du hast recht, Präfekt Castus. Ich kann das Schlagen der Ruder hören.«

Während sie weiter hinausblickten und sich zum Schutz gegen die Kälte fester in ihre Mäntel hüllten, löste sich allmählich eine undeutliche Form aus dem Nebel und nahm die raubtierartige Gestalt eines Kriegsschiffes an, das von langsamen, präzisen Schlägen der Ruderreihen über das dunkelgrüne Wasser des Hafens getrieben wurde.

»Ich vermute, darauf haben wir gewartet?«

Sorex beantwortete die Frage seines älteren Begleiters mit einem Nicken. »Das nehme ich ebenfalls an. Auf dieses Schiff und auf die Erste Tungrische Kohorte. So zumindest stand es in der Botschaft, denn die Zweite Kohorte soll erst in ein paar Tagen nachkommen. Verdammte Hilfstruppen …«

Das Lächeln des Präfekten nahm einen ironischen Zug an. Er wandte sich mit gehobener Braue an seinen Vorgesetzten, der gute zwanzig Jahre jünger war als er und höchstens ein Jahr gedient hatte. »An deiner Stelle würde ich ihrem Kommandeur gegenüber nicht so einen Ton anschlagen, Tribun. Wenn ich mich recht entsinne, ist er nicht der Typ Mann, der Verunglimpfungen einfach so wegsteckt, ohne sie einem gleich wieder in den Hals zu rammen. Schon damals, als er nicht viel mehr war als ein Junge in der Tunika eines Erwachsenen, hatte er einen ausgeprägten Eigensinn. Seither hat er eine Menge Schlachterfahrung gesammelt, sodass sein Geduldsfaden gegenüber unerfahreneren Männern so dünn ist wie das Leder meines drittbesten Stiefelpaars.«

Sorex verzog schmollend das Gesicht und würdigte ihn keiner Antwort, während die Mannschaft sauber die Riemen einzog und das Schiff unter der fachkundigen Aufsicht des Steuermanns sanft an die Anlegestelle glitt. Nun, wo es aus dem dunklen Nebel aufgetaucht war, offenbarte es sich als eine wendige, dabei aber tödliche Zerstörungsmaschine: Ballisten waren an Bug und Heck angebracht, und eine Mannschaft von dreißig Seesoldaten hatte auf dem Hauptdeck Haltung angenommen. Männer sprangen geschickt auf die Holzplanken der Anlegestelle, vertäuten das Schiff am Hafendamm und schoben den Landungssteg aus dessen Flanke heraus. Der Kapitän ging als Erster über die schmale Brücke. Er war ein grimmig aussehender, bärtiger Mann, der nachlässig vor Sorex salutierte und Castus zunickte, während er mit der Hand auf das angedockte Kriegsschiff zeigte.

»Tribun Sorex, deine Fracht ist sicher. Prokurator Avus, eine Amtsperson des Kaisers, hat die Truhen auf dem ganzen Weg durch Germanien nicht einen Augenblick unbeaufsichtigt gelassen. Er ist übrigens der sprödeste und humorloseste Funktionär, den ich je auf der Mercurius begrüßen musste. Der Dummkopf hat sogar darauf bestanden, auf dem Deck neben den Kisten zu schlafen, obwohl ich ein halbes Dutzend Seeleute rund um die Uhr zu ihrer Bewachung abgestellt hatte.« Er drehte sich zum Schiff zurück und rief seinem Stellvertreter zu: »Lass die Truhen aufs Deck bringen und zum Löschen bereitmachen. Pass auf, dass die Mannschaft die Soldaten von ihnen fernhält, bis die Kisten das Schiff verlassen haben und ordnungsgemäß der Armee übergeben wurden! Diese räuberischen Mistkerle könnten eine von Vestas Priesterinnen besteigen, und erst wenn ihr Bauch dicker wird, würde sie bemerken, dass ihr die Jungfernschaft abhandengekommen ist.«

Hinter ihm stieg eine Gruppe von Männern die Landungsbrücke herunter und wurde von einem großen, kantigen Mann angeführt, der die nach seinem Oberkörper geformte Bronzerüstung eines hochrangigen Offiziers trug.

Präfekt Castus ging ihm mit ausgestreckter Hand entgegen und erreichte ihn, als er den Fuß auf den Kai setzte. »Rutilius Scaurus! Es gibt nicht viel, was mich mehr erfreuen könnte, als ausgerechnet dich in dieses Drecksloch von einer Provinz zurückkehren zu sehen.«

Der Neuankömmling starrte den Präfekten einen Augenblick an, doch dann erkannte er ihn und lächelte. Er ergriff die Hand des älteren Mannes und nickte bedächtig. »Artorius Castus! Ich habe dich seit gut zehn Jahren nicht mehr gesehen, und damals warst du der Erste Speer der Zwölften Fulminata. Ich hingegen war ein frischer junger Tribun, der zu nichts Besserem taugte, als Botschaften zu überbringen und meine vorgesetzten Zenturionen mit meinem Enthusiasmus und meiner Ignoranz zu nerven. Ich dachte, du hättest schon lange abgedankt, um die Früchte deiner zahlreichen Dienstjahre zu genießen.«

Castus schenkte ihm ein breites Lächeln, das seine Zuneigung ausdrückte. »Das Pensionärsdasein ist nichts für mich, junger Mann. Zur Belohnung für meinen langjährigen Dienst haben sie mich zum Profoss der Flotte im Kriegshafen von Misenum befördert, doch du weißt ebenso gut wie ich, dass die römischen Seeleute nichts anderes tun, als fingierte Seeschlachten im Flavischen Amphitheater aufzuführen und Planen über die Zuschauer zu ziehen, sobald die Sonne unerträglich wird. Das ist kein Leben für einen Soldaten, findest du nicht?« Scaurus warf ihm einen verständnisvollen Blick zu. »Also habe ich all meine Beziehungen spielen lassen, damit man mich zum Feldpräfekten der Siegreichen Sechsten Legion ernennt, und nun stecke ich wieder bis zum Arsch in diesem Sumpf übellauniger Eingeborener. Doch ich vergesse gerade meine Manieren …« Er deutete auf seinen Begleiter, der mit einem Ausdruck schwer zurückgehaltener Ungeduld neben ihm wartete. »Dies hier ist mein kommandierender Offizier, Tribun Gnaeus Fulvius Sorex. Fulvius Sorex, erlaube mir, dir Tribun Gaius Rutilius Scaurus vorzustellen, der die Erste und Zweite Tungrische Kohorte befehligt.«

Scaurus wandte sich dem Legionstribun zu und verbeugte sich in aller Form, obwohl er den Mann misstrauisch von oben bis unten musterte. »Tribun Sorex, ich muss zugeben, ein wenig verwirrt zu sein. Als wir die Provinz verlassen haben, stand die Sechste Legion unter dem Kommando von Legat Equitius, und der Aufstand der Barbaren war auf gutem Weg, unter Kontrolle gebracht zu werden. Vielleicht könntest du …«

Castus unterbrach ihn mit erhobener Hand, um jede Diskussion sofort zu unterbinden. »Wir könnten natürlich darüber sprechen, was seither geschehen ist, aber das sollten wir nicht hier tun. Vielleicht begeben wir uns zum Durchgangslager, wo wir ungestört miteinander plaudern können?«

Er blickte an Scaurus vorbei auf die fünf Männer hinter ihm, worauf der Tribun sich umwandte und diese heranwinkte.

»Entschuldigt mich. Es hat mich zerstreut, nach dem Verlassen des Schiffes gleich von einem so hoch angesehenen Kollegen begrüßt zu werden. Gestattet mir, euch Julius, den Ersten Speer der Ersten Tungrischen Kohorte, sowie meinen Gehilfen Zenturio Corvus vorzustellen. Falls mir etwas zustoßen sollte, wird Julius als mein vorläufiger Stellvertreter agieren, und Corvus würde im Bedarfsfall Julius’ Posten des Ersten Zenturios einnehmen, weshalb ich die beiden überallhin mitnehme, um sicherzugehen, dass sie auf demselben Kenntnisstand sind wie ich. Was die anderen anbelangt: Dies hier ist Zenturio Dubnus, dieser langhaarige Edelmann ist mein Sklave und Leibwächter Arminius, und der Zenturio, dessen Gewicht den Landungssteg so durchbiegt, ist Titus, der Kommandeur meiner Pionierzenturie.« Er blickte auf das nebelverhangene Wasser zurück. »Ich nehme an, dass meine Leute einige Stunden brauchen, bis alle sicher von Bord gegangen und untergebracht sind, also werde ich die drei Letztgenannten hierlassen. Sie werden dafür sorgen, dass unsere Soldaten anständig behandelt werden, wenn sie von ihrem Transportmittel heruntergetaumelt sind. Lasst uns also, wie ihr vorgeschlagen habt, irgendwohin gehen, wo wir ungestört sprechen können und es womöglich etwas wärmer ist.«

Als er sich vom Kai abwandte, warf er dem Germanen einen eindringlichen Blick zu, hob eine Braue und starrte bedeutungsvoll auf die schweren Truhen, die mit zur Schau gestellter Sorgfalt von der Mannschaft über die Flanken des Schiffes an Land getragen wurden. Sobald sie den Boden berührten, befestigte eine Gruppe von sechs stämmig gebauten Männern dicke Seile an den Trageringen. Dann schleppten sie die Kisten zu einem weiteren halben Dutzend Marinesoldaten, die den Transport der Ladung beobachteten und genau zu wissen schienen, dass ihnen schlimme Zeiten bevorstanden, wenn sie ihre Pflicht nicht korrekt verrichteten. Das Ganze wurde von den wachsamen Augen des schmallippigen Offiziers überwacht, der sie auf ihrer Reise über den Ozean begleitet hatte. Der Feldpräfekt führte sie über die Kaianlage in die dahinter aufragende Festung und rasch weiter in eine Baracke des Durchgangslagers, aus deren Kaminen grauer Rauch emporstieg. Als sie ihre Mäntel ausgezogen und sich die Hände an dem glühenden Ofen gewärmt hatten, während der Feldpräfekt einen weiteren Scheit in dessen kirschrot glühenden Bauch warf und sie einlud, Platz zu nehmen, kam Scaurus direkt auf das Thema zurück, das ihn schon am Hafendamm bewegt hatte. Seine Stimme klang ebenso besorgt wie zuvor.

»Jetzt, wo wir unter uns sind, meine Herren, sagt mir bitte, ob ihr schlechte Neuigkeiten habt. Legat Equitius war nicht nur ein guter Mann, sondern auch ein Kollege und Freund von uns dreien.«

Präfekt Castus blickte zu seinem Begleiter, der ihm mit einem Kopfschütteln bedeutete, mit der Geschichte fortzufahren.

»Ihr fragt euch, ob der Legat umgebracht wurde? Das ist nicht so leicht zu beantworten.« Er setzte sich und bedeutete den Männern, es ihm gleichzutun. »Für diese Geschichte werde ich länger brauchen. Wie lange wart ihr in Germanien? Ein Jahr, etwa?«

Scaurus nickte. »Fünfzehn Monate. Die ursprüngliche Mission meiner Kohorten in Tungrorum in Niedergermanien endete damit, dass wir quer durch das halbe Imperium nach Dakien entsandt wurden, um dort eine kaiserliche Goldmine zu verteidigen. Wir haben für die Rückreise ein halbes Jahr gebraucht, was hauptsächlich damit zusammenhing, dass der Fluss Danubius fast zwei Monate zu Eis gefroren war.«

Castus lächelte wissend und zwinkerte Sorex zu. »Sieh an! Genau wie ich dir gesagt habe, Fulvius Sorex: Pannonien im Winter … Habt ihr aufgrund der eisigen Temperaturen Soldaten verloren?«

Julius nickte, und sein Gesicht verhärtete sich beim Gedanken daran. »Ein paar, bis wir gelernt hatten, in den schlimmsten Zeiten nach Einbruch der Dunkelheit keine Wachen mehr aufzustellen.«

»Eindeutig sinnvoll! Wer immer unter derartigen Wetterverhältnissen dumm genug wäre, einen Überfall zu wagen, wäre, lange bevor er sich in Angriffsposition begeben kann, selbst steif wie ein Brett. Aber wir schweifen ab. Lasst mich sagen, dass während eurer Abwesenheit in Britannien eine Menge passiert ist. Der Aufstand der Briganten südlich des Walls konnte relativ leicht niedergeschlagen werden, nachdem die nördlichen Stämme schon zuvor stark dezimiert waren. Ich glaube zu wissen, dass ihr eine Rolle darin gespielt habt?«

»Ja, wir haben unseren Teil dazu beigetragen. Doch sprich weiter, Präfekt.«

Castus lächelte Scaurus freundlich zu. »Wie ich sehe, bist du ungeduldig wie eh und je, Rutilius Scaurus, doch du hast recht. Nachdem die Selgovae, die Carvetii und die Votadini allesamt zurechtgestutzt waren, hatte Statthalter Marcellus kaum Schwierigkeiten, seine Legionen nach Süden marschieren und die Briganten niedermachen zu lassen. Das führte er so gründlich durch, dass sie wohl für lange Zeit den Mut zum Widerstand verloren haben dürften. Für jeden gefallenen Soldaten wurden zwei Männer im kampffähigen Alter gekreuzigt, bei jedem Anzeichen einer Zusammenarbeit mit den Rebellen wurden die Dörfer niedergebrannt – ihr kennt das ja. Als die Stammeskrieger begriffen hatten, wie ernst es uns mit der Unterdrückung der Revolte war, zerstreute sich der Aufstand fast über Nacht, also glaubten wir, das sei das Ende der Geschichte. Ich war zu jener Zeit bereits bei der Siegreichen Sechsten angekommen und mehr als zufrieden mit dem, was ich dort vorfand: eine gut ausgebildete und kampflustige Legion mit einem überaus fähigen Kommandeur, obgleich er keinen breiten Streifen auf der Tunika hatte.« Er schenkte dem Legionstribun, dessen Zugehörigkeit zur Senatorenklasse für alle offensichtlich war, ein kleines Lächeln.

Sorex zuckte ungerührt die Achseln. »Du kennst meine Meinung zu diesem Thema, Präfekt Castus. Man braucht keinen Senatorenrang, um eine Legion zu befehligen. Tatsächlich scheint der Prätorianer-Präfekt Perennis geneigt, diese Voraussetzung abzuschaffen – dies zumindest geht aus meiner Korrespondenz mit Rom hervor.«

Castus neigte leicht den Kopf, als Zeichen seiner Anerkennung. Dann sah er zu den tungrischen Offizieren hinüber und bemerkte, dass der junge Mann, der ihm als Zenturio Corvus vorgestellt worden war, Sorex mit zusammengezogenen Brauen anstarrte. Doch seine Miene glättete sich sogleich, als er den Blick des Präfekten auf sich spürte.

»Gut. Sämtliche Aufruhrbestrebungen im Einsatzgebiet der Legion waren also, wie ich dachte, vorerst niedergeschlagen. Die Männer freuten sich, ihre üblichen Aufgaben innerhalb der Garnison wieder aufzunehmen, und waren begeistert, endlich wieder ein Badehaus von innen sehen zu können. Die Zenturionen planten unterdessen ein paar nette, anstrengende Streifengänge, um ihre Truppen in Form zu halten, plus ein paar Überraschungsangriffe, um den Eingeborenen zu verdeutlichen, wer das Sagen im Land hatte. Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Verfahrensweise durchaus einverstanden war, denn sie schien mir die vernünftigste, nachdem die Männer fast zwei Jahre im Krieg gewesen waren und dringend etwas Ruhe benötigten, außerdem sollten sie ihre Heimatfestungen wiedersehen.« Castus schwieg einen Augenblick bedeutsam. »Dummerweise wurde ich nur kurz darauf eines Besseren belehrt. Statthalter Marcellus war der Meinung, ein vollständiger Sieg sei ihm so gut wie sicher, doch in diesem Moment des Triumphs übernahm er sich. Er tat mehr, als nur die Ordnung nördlich des Hadrianswalls wiederherzustellen und den Frieden aus unseren bereits existierenden Kastellen heraus zu sichern. Stattdessen beschloss er, auch die Kontrolle über die Gebiete der nördlichen Stämme zu erlangen, und marschierte dort ein, anstatt sich schlicht an die Entscheidung zu halten, die vor zwanzig Jahren getroffen wurde: nämlich die Nordstämme außerhalb des Kaiserreichs zu belassen.«

Scaurus schüttelte ungläubig den Kopf. »Er hat doch nicht etwa … doch nicht den nördlichen Wall?«

»Er wird den Truhen nicht näher kommen als der Rest von uns, denn die Jungs hier bewachen sie ebenso scharf wie die Marinesoldaten. Und wenn deine Männer sich weiter so verhalten, werden sie sicher nicht freundlicher.«

Mit einem selbstgefälligen Nicken drückte Titus seine Zustimmung zu Dubnus’ offen geäußerter Meinung aus. Die beiden Männer beobachteten nachdenklich, wie Arminius mit den Händen hinter dem Rücken den Hafendamm entlangspazierte und die etwa dreißig Zuschauer ignorierte, die sich damit vergnügten, sich über die Legionäre lustig zu machen und in Gelächter auszubrechen, als amüsierten sie sich über etwas, das nur sie verstanden.

Ihr Zenturio nahm einen tiefen Atemzug der Seeluft, wobei seine gewaltige Brust anschwoll, dann rollte er den massigen Schädel auf den Schultern, bevor er antwortete: »Warum sollte man ausgerechnet einem Barbaren eine Aufgabe übertragen, die ein gewisses Feingefühl verlangt? Der Junge ist einfach unglücklich, wenn er kein Schwert in der Hand hält und niemanden vor sich hat, gegen den er kämpfen kann.«

Wie vorauszusehen, kam der Germane den Truhen nicht näher als bis zu dem davorstehenden Legionär, der den Kopf schüttelte und wortlos auf die tungrischen Zenturionen zeigte, die das Schauspiel beobachteten. Arminius zuckte die Achseln und kehrte um. Als ein Windstoß vom Meer den Nebel aufwirbelte, der noch immer in der Luft hing, schlang er den Mantel fester um sich.

»Habe ich dir doch gesagt.« Titus zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf die Männer, die ungeduldig hinter ihnen warteten. »Die einzige Möglichkeit zu sehen, was in den Kisten ist, wäre, meine Jungs auf diese Knaben loszulassen.«

Dubnus schüttelte sichtlich angewidert den Kopf. »Meine Güte, Bär, wann hörst du endlich damit auf? Meine Jungs hier, meine Jungs da …« Er spuckte über den Hafendamm in das dunkle Wasser, das um die dicken Holzpfähle des Landungsstegs schwappte. »Ich sag dir was: Lass uns tauschen! Dann kannst du dich an meiner Zenturie versuchen und herausfinden, wie es sich anfühlt, Männer zu befehligen, die mehr als dicke Muskeln und laute Organe haben. Ich wiederum könnte deinen Jungs näherbringen, was echte Disziplin ist, statt nur dieses Geplapper von Bruderschaft unter Kriegern zu zelebrieren, mit dem du sie verzärtelst.«

Titus grinste seinen Kameraden zur Antwort nur an, richtete sich zu seiner vollen Höhe auf und sah auf den ärgerlichen Dubnus hinunter. »Disziplin? Bei dem Haufen von Weibsbildern, die du der Legion abgeschwatzt hast? Ihr Zenturio war sicher froh, sie endlich von hinten sehen zu dürfen, nachdem sie die Angewohnheit haben davonzulaufen, wann immer ein Kampf ansteht. Jeder meiner Jungs könnte deine Zenturie anführen, kleiner Bruder. Warum sollte ich mich also herablassen, so etwas zu tun?« Ein listiges Lächeln erhellte sein Gesicht. »Abgesehen davon: Es braucht einen großen, starken Kerl, um eine Bullenherde wie die Zehnte anzuführen, und da bin ich mir nicht sicher, ob du der richtige Typ von Zenturio dafür wärst, Eure Hoheit.«

Castus nickte dem Tribun des tungrischen Heeres finster zu. »Doch, hat er. Er hat alle drei Legionen wieder nach Norden entsandt, abgesehen von ein paar Kohorten, die die Briganten unter Kontrolle halten sollten. Dann hat er die drei Legionslegaten angewiesen, die römische Vorherrschaft über die nördlichen Stämme wiederherzustellen, und zwar auf die einzige Weise, die er für möglich hielt: indem er ihre Stammesgebiete dem römischen Reich einverleibte. Er hat den Wall, den Kaiser Antoninus hundert Meilen nördlich des Sperrwerks seines Vorgängers Hadrian errichten ließ, wieder mit Garnisonen versehen.« Der Feldpräfekt seufzte kopfschüttelnd. »Der Trottel hat die Legionen nach Norden marschieren lassen, um eine Verteidigungslinie zu besetzen, die schon zweimal zuvor, als sie bemannt wurde, als unhaltbar eingestuft wurde. Sogar ich, der ich erst frisch in die Provinz gekommen war, begriff, dass das ein Fehler war, und die Götter wissen, dass die Legaten ihr Bestes taten, um ihn von der Idee abzubringen. Aber ihr wisst ja, was für ein sturer alter Bastard er sein kann, wenn er erst einmal einen Leckerbissen zwischen den Zähnen hält. Am schlimmsten war, dass er ohne jede Rücksprache mit Rom agierte, denn wir können mit Sicherheit annehmen, dass er von dort niemals die Erlaubnis für einen derart unbedachten Schachzug bekommen hätte.«

Scaurus starrte ungläubig auf den älteren Mann. »Ulpius Marcellus hat eigenmächtig in die Grenzpolitik des Kaiserreichs eingegriffen? Ist er denn völlig verrückt geworden?«

»Augenscheinlich nicht, aber vielleicht doch. Als die Legionen begriffen, dass sie die neue Verteidigungslinie nun für unbestimmte Zeit würden besetzen müssen, rebellierten sie nahezu einstimmig. Um die Aufmerksamkeit Roms auf sich zu lenken, gingen die Legionäre der Zwanzigsten sogar so weit, ihrem Legaten Priscus die Purpurrobe überzuhängen, doch er war bemerkenswerterweise vernünftig genug, ihr großzügiges Angebot der Kaiserwürde auszuschlagen. Als der Prätorianer-Präfekt von der armseligen Klüngelei erfuhr, warf er wie eine Brautmutter am Hochzeitstag mit Befehlen um sich. Denn er war ja derjenige, der faktisch das Imperium führte und wusste, dass die Angelegenheit nicht gut für ihn ausgehen würde. Darauf wurde der Statthalter abgesetzt und von einem Eilboten nach Rom zurückzitiert, wo er sich vermutlich einer ernsthaften Unterredung mit ein paar ziemlich wichtigen Leuten stellen musste, bei der kein Wein angeboten wurde. Danach war seine Karriere natürlich beendet.« Er schüttelte erneut den Kopf. »Er kann schon froh sein, wenn er seinen Kopf auf den Schultern behalten darf. Logischerweise standen die Legionskommandanten als Nächste auf der Abschussliste, wenngleich ihnen nur befohlen wurde, ihren hochrangigen Tribunen die Befehlsgewalt zu übertragen und sich ruhig zu verhalten, bis Ersatz aus der Hauptstadt eintreffen würde. Ich habe den berittenen Boten ordentlich geschmiert, worauf er mir erzählte, Präfekt Perennis beabsichtige, Reiteroffizieren das Kommando über alle drei Legionen zu erteilen, um den Senatoren eindeutig klarzumachen, wie die Machtverhältnisse stehen. Damit würde er Männer befördern, die ihr Handwerk als Kommandeure von Hilfskohorten wie der deinen gelernt haben.«

»Jetzt kennt ihr die Geschichte, meine Herren.« Die Stimme von Tribun Sorex übertönte die seines Kollegen mit Leichtigkeit, wie es für einen Mann typisch war, der dazu geboren und erzogen wurde, seinen Mitmenschen Befehle zu erteilen. »Legat Equitius sitzt in der Festung Eburacum in Gewahrsam und wird natürlich mit dem Respekt behandelt, der seinem Rang gebührt. Ich dagegen habe unterdessen kommissarisch den Befehl über die Legion. Allerdings erwarte ich schon bald die Ankunft eines neuen Legaten, der das Kommando über die Siegreiche Sechste übernehmen wird. Sobald ein neuer Statthalter feststeht, wird er uns wohl den Befehl geben, wieder nach Süden zu ziehen.«

Julius betrachtete ihn mit fragendem Gesichtsausdruck. »Dann haltet ihr den Nordwall noch immer besetzt, Tribun?«

Sorex zuckte mit den Schultern. »Natürlich tun wir das, Zenturio, denn das wurde vom vorherigen Statthalter angeordnet. Bis jetzt haben wir keinen Abzugsbefehl erhalten, lediglich die Nachricht, dass Ulpius Marcellus nach Hause zurückkehren soll und die drei Legionslegaten ihres Kommandos enthoben sind. Ein unkontrollierter Rückzug könnte sich rasch in eine ungeordnete Flucht Richtung Süden verwandeln, oder schlimmer noch: Er könnte eine neue Rebellion auslösen. Daher halten wir vorerst die sechsundzwanzig Kastelle des Nordwalls und werden das weiter tun, bis die neuen Legionskommandeure deren Räumung anordnen.«

Tribun Scaurus rieb sich nachdenklich das Kinn. »All das ist hochinteressant, und ich schätze es außerordentlich, dass zwei so illustre Persönlichkeiten wie ihr den langen Weg bis zum Ende des Walls auf euch genommen habt, um mich aufzuklären – wenngleich ich bezweifle, dass es dazu zwei Personen oder überhaupt jemanden brauchte, denn ihr hättet die Nachricht leicht von einem Zenturio überbringen lassen können, selbst wenn dieser die Lage sicher nicht mit so großer Empfindsamkeit geschildert hätte.« Er stand auf, ging zum Ofen hinüber und genoss einen Augenblick die Wärme, bevor er die beiden Männer mit einer Mischung aus Neugier und leichter Verärgerung ansah. »Habe ich recht, meine Herren?«

Dubnus schüttelte in gespielter Verwunderung den Kopf.

»Der richtige Typ von Zenturio? Genau das ist das Problem! Du hast sie verweichlicht, großer Bruder, und nun sind sie echte Disziplin nicht mehr gewohnt! Ich bedaure schon jetzt jeden, der sie übernehmen muss, wenn du irgendwann in den Speer einer Blaunase läufst oder deine fünfundzwanzig Dienstjahre hinter dir hast, um den Rest deiner Tage mit einem abgrundtief hässlichen riesigen Weib zu verbringen, das von deinem massigen Körper nicht plattgewalzt wird. Der arme Kerl wird einen Baumstamm statt eines Rebholzstocks benutzen müssen! Und den Blödsinn mit ›Eure Hoheit‹ kannst du dir in deinen fetten Hintern stecken, denn die Tage, als mein Vater die Ländereien südlich des Hadrianswalls beherrschte, sind lange vorbei.«

Titus lachte laut, denn er war Streitgespräche darüber, wie er seine Männer anführte, gewohnt und freute sich, mit seiner Stichelei ins Schwarze getroffen zu haben. »Du solltest dir deinen hübschen Kopf nicht über dieses Thema zerbrechen, Prinz Dubnus, denn du wirst nie das Kommando über meine Jungs bekommen. Ich habe vor, länger als du zu leben, insbesondere, nachdem du die Angewohnheit hast, dich bei der ersten Gelegenheit ins Schlachtgetümmel zu werfen. Daher wirst du derjenige sein, der als Nadelkissen endet, nicht ich!«

Die beiden grinsten sich an und ignorierten Arminius, der über ihre Auseinandersetzung missbilligend den Kopf schüttelte.

»Zwei erwachsene Kerle, die sich darüber streiten, wer den größeren Schwanz hat? Könnte euer Erster Speer euch hören, würde er sagen, ihr sollt euch verdammt noch mal zusammenreißen.«

Die beiden Zenturionen schenkten ihm ein finsteres Lächeln, und Dubnus verzog amüsiert das Gesicht.

»Hört, hört! Und das von einem langhaarigen Sklaven, dessen wichtigste Aufgabe es ist, die Temperatur des Badewassers für seinen Herrn zu überprüfen!«

Der Germane zog ironisch eine Augenbraue hoch. »Rutilius Scaurus zu dienen bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich, die dir vielleicht nicht bewusst sind, Dubnus. Erinnerst du dich an die abendlichen Tischgesellschaften, zu denen er immer eingeladen war, als wir auf unserem Marsch längs des Flusses Rhenus vor den dortigen Kastellen lagerten? Während ihr euch damals mit der Auswahl von überteuerten und nicht sonderlich beeindruckenden Dirnen befasst habt, konnte ich mich nach einem Abendmahl mit den Dienerinnen in hübschen, warmen Küchen vergnügen. Außerdem möchte ich euch daran erinnern, dass ich Bescheid bekomme, wohin wir als Nächstes ziehen, lange bevor die Information bis zu euch hinuntergelangt.« Er verstummte kurz und betrachtete die Truhen, die längs des Hafendamms aufgestapelt waren. »Daher gebe ich euch aufgrund meiner Erfahrung einen kostenlosen Rat: Die Art und Weise, wie die beiden hochrangigen Offiziere unseren Freund zu einem privaten Gespräch eingeladen haben, sagt mir, dass wir keinesfalls in die stinkenden Kuhdörfer zurückkehren werden, die ihr beide so gerne wiedersehen würdet.«

Präfekt Castus betrachtete seinen Kollegen mit einer Miene, die deutlich ausdrückte, dass sein Part in dieser Besprechung beendet war. »Wie ich dir vorausgesagt hatte, Fulvius Sorex, hat Rutilius Scaurus über die letzten zehn Jahre weder seine feine Beobachtungsgabe noch seine direkte Ausdrucksweise verloren. Daher würde ich dir raten, ihn schnellstens darüber aufzuklären, aus welchem Grund wir hierhergekommen sind.«