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Anthony Riches

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Beschreibung

Sein Vater ist ein Verräter, doch ihm ist es bestimmt, das römische Reich zu retten

Kaum ist Marcus Valerius in Britannien angekommen, muss er um sein Leben fürchten, denn Kaiser Commodus hat ihn zum Tode verurteilt. Das lässt Marcus keine andere Wahl, als unter falschem Namen in einer Legion am Hadrianswall zu dienen, bis ihm irgendwann Gerechtigkeit widerfährt. Da stürmt eine zu allem bereite Rebellenarmee auf den Wall zu, und seine Chance ist gekommen. Als Zenturio muss Marcus beweisen, dass er seine Männer in der blutigen Schlacht zum Sieg führen kann ...

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Anthony Riches

DIE EHRE DER LEGION

Ins Deutsche übertragenvon Wolfgang Thon

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Wounds of Honour (Empire 1)« bei Hodder & Stoughton, London.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung Mai 2015

bei Penhaligon, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München.

Copyright © 2009 by Anthony Riches

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015

by Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion: Alexander Groß

HK · Herstellung: Sam

Karten: Jürgen Speh

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-15856-9www.penhaligon.de

Für Helen, für ihre unerschütterliche Geduld und Ermutigung.Und vor allem für Silloth.

Prolog

November, 181 n. Chr.

Eine frische Herbstbrise wirbelte das trockene Laub vom Waldboden auf. Ein scharfer Windstoß fegte eine Handvoll Blätter empor und ließ sie in einer Spirale herumtanzen, bevor sie wieder zu Boden flatterten. Eine kleine Jagdgruppe schlich leise über den schattigen Waldboden, die Speere wurfbereit. Die Männer setzten ihre Schritte sehr sorgfältig, traten behutsam mit den Füßen auf den Blätterteppich. Unbewusst bewegten sie sich koordiniert: Jedem der Männer schienen durch lange Erfahrung die Bewegungen seines Kameraden vertraut zu sein. Calgus, Stammesführer der Selgovae und unumstrittenes Oberhaupt der freien nördlichen Stämme, entspannte sich wie üblich, wenn er nicht durch die Länder nördlich des römischen Walls streifte und Vorbereitungen für den bevorstehenden Krieg traf. Begleitet von einer fünfköpfigen Leibwache, jagte Calgus Wildschweine.

Obwohl er unangefochten über das Land nördlich des römischen Walls herrschte, der Britannien in zwei Hälften teilte, unangefochten sowohl durch Blutrecht als auch durch seine Vormachtstellung über die anderen Stammeshäuptlinge, war die Präsenz seiner Leibwache unabdingbar. Wegen der bedrohlichen Gegenwart des Imperiums, kaum fünfzig Meilen weiter im Süden, gebot es die Klugheit, selbst bei einem einfachen Jagdausflug vom schlimmsten Fall auszugehen.

»Die Schweine scheinen unsere Witterung aufgenommen zu haben, Herr. Oder etwas anderes hat sie vertrieben.«

Der Sprecher spie verärgert in die Blätter. Ein anderer Mann, der ihm fast lautlos über den belaubten Boden folgte, nickte, während er aufmerksam nach vorn blickte.

»Ai. Wenn das hier so weitergeht, müssen wir noch Igel rösten.«

Calgus lachte leise. »Du kennst die Regeln, Fael. Wir essen nur, was wir auf der Jagd erbeuten. Wenn du heute Abend Fleisch über dem Feuer braten willst, dann solltest du aufpassen und deinen Speer wurfbereit halten. Du kannst ja zu Cocidius beten, wenn du schon dabei bist. Bitte ihn, uns einen großen Hirsch zu schicken. Und du, Caes, willst doch an einem so schönen, frischen Tag wie heute nirgendwo anders sein, selbst wenn das Wild im Wald dir nicht auf deinen Sauspieß hüpft, hab ich recht?«

Caes verzog das Gesicht und stieß einmal mit seinem Speer in die Luft, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Ich würde lieber Römer jagen, Herr.«

Fael lächelte Calgus an und hob die Brauen. Da haben wir es schon wieder, hieß das. Sie waren an den blutrünstigen Hass des Leibwächters auf ihre ehemaligen Unterdrücker gewöhnt. Calgus blinzelte ihm zu, bevor er antwortete. Dabei riss er seinen Blick einen Moment von dem Wald um sie herum los.

»Sicher, Caes, was du uns auch unablässig versicherst. Sobald wir es geschafft haben, die Stämme dazu zu bringen, Krieg gegen sie zu führen, befreie ich dich von dieser lästigen Pflicht und stelle dich an die Spitze der Kriegshorde, damit du die Chance hast, zusammen mit deinen Gefährten deine Axt zu schwingen und …«

Caes drehte sich um, um ihn spöttisch anzulächeln. Dann taumelte er zurück, als ein Jagdpfeil seine tödliche, mit Widerhaken besetzte Spitze in seine Brust grub. Es klang, als hätte jemand einer Wildsau seinen Speer in die Rippen gerammt. Der Mann starrte den Schaft des Pfeiles einen Moment verständnislos an, bevor er erst auf die Knie und dann auf alle viere fiel. Hinter ihm stürzte Fael rücklings ins Laub. Ein Pfeil hatte seine Kehle durchbohrt, und sein Blut spritzte auf den Waldboden.

Calgus fuhr nach vorn herum und hob seinen Speer. Ihm war klar, dass er vollkommen schutzlos war, ob er nun kämpfte oder weglief. Die versteckten Bogenschützen schossen jetzt zwei Pfeile in die Männer zu seiner Linken, während die Leibwächter nach Zielen für ihre Speere suchten. Sein letzter Gefährte fiel, als er vor seinen König sprang, um ihn zu verteidigen. Sein Speer verschwand zwischen den Bäumen, blindlings geschleudert in einem verzweifelten Versuch, während der Mann selbst mit zwei Pfeilen in der Brust zu Boden stürzte. Calgus wartete darauf, dass nun er an die Reihe kam. Er rechnete jeden Moment mit dem Einschlag der Pfeile, aber es kamen keine. Schließlich rammte er seinen Speer trotzig in die weiche Erde und zückte sein Schwert. Das Kratzen von Metall auf Metall durchdrang die plötzliche Stille. Dann hob er die Waffe in Kampfhaltung.

»Kommt!«, rief er in die tödliche Dämmerung des Waldes. »Bringen wir es hinter uns. Schwert, Speer oder Bogen, mir ist es gleich. Ich werde mit dem Wissen vor Cocidius treten, dass mein Volk euch jagen und fangen und euch langsam für das, was ihr heute getan habt, zu Tode foltern wird, wer auch immer ihr seid und wie weit ihr auch flüchtet.«

Nach einem weiteren Moment des Schweigens, in dem er nur seine eigenen, lauten Atemzüge hörte, tauchten Gestalten aus dem Unterholz des Waldes auf. Es waren vier Männer. Zwei schlangen ihre Bogen über die Köpfe und zogen ihre Schwerter. Die beiden anderen hatten ihre Wurfspeere erhoben. Letztere näherten sich ihm, bis sie in Wurfweite waren, und blieben dann in dieser drohenden Haltung stehen. Die beiden anderen Männer folgten ihnen etwas gelassener. Das Gesicht des einen wurde von einer weiten Kapuze verborgen. Der andere, ein schwarzbärtiger, muskelbepackter Mann mit einem langen Schwert am Gürtel, stand ruhig neben ihm.

Der mit der Kapuze ergriff das Wort. »Also, Calgus, wie es scheint, haben wir dich in eine recht unvorteilhafte Lage manövriert.«

Seine Stimme und sein Latein klangen kultiviert, fast weltgewandt.

Der Britannier lachte. Trotz der drohenden Speere wirkte er erstaunlich entspannt. »Ah, ein Römer! Du willst also reden. Und ich hatte schon damit gerechnet, dein Schwert zu schmecken.«

Der Mann mit der Kapuze nickte bedächtig. »Fürwahr, du bist tatsächlich genauso, wie es in den Geschichten behauptet wird. Ich habe gerade deine Leibwächter abgeschlachtet … jedenfalls die meisten von ihnen …«

Er deutete auf Caes, der immer noch hilflos auf Händen und Knien am Boden kauerte, während ein dünner Blutfaden aus seinem Mund sickerte.

»Töte ihn.«

Sein Gefährte zückte sein Schwert, trat vor und stach dem hilflosen Britannier in den ungeschützten Hals. Dann trat er mit dem blanken Schwert in der Hand wieder zurück. Calgus verfolgte das Geschehen regungslos und unbeteiligt. Dann sprach der Mann mit der Kapuze weiter.

»Schon besser. Und doch stehst du da, so gelassen, als wären wir deine besten Freunde, keine ausländischen Meuchelmörder, die deine Kriegerkameraden getötet und die dein Leben mit ihren Speerspitzen auslöschen könnten. Also, Calgus, trotz deines offensichtlich echten Mutes ist nicht ganz klar, ob du leben oder sterben wirst. Nicht einmal mir. Ein Wort zu meinem etwas raueren Gefährten, und deine Eingeweide liegen dampfend in den Blättern. Er wird keinen weiteren Gedanken daran verschwenden und ganz gewiss keinerlei Reue verspüren. Du kannst ein römisches Problem sein, das in einem Lidschlag ausgelöscht wurde, oder dich mit einem bestimmten Römer verbünden, und zwar für die nächsten paar Monate. Entscheide dich für Ersteres, und deine Tage enden hier, wenig ehrenvoll und vollkommen würdelos. Wählst du Letzteres, erhältst du eine Belohnung, die den Reichtum jedes Königs dieses Landes in den letzten hundert Jahren weit übertrifft.«

Der Britannier kniff die Augen zusammen, während er versuchte, aus dem Blick seines Häschers die Wahrheit herauszulesen. »Welche Belohnung?«

»Ein Adler, Calgus, das Wahrzeichen und die Standarte einer kaiserlichen Legion – und darüber hinaus sehr wahrscheinlich auch noch den Kopf des Legaten dieser Legion. Also, König des ›freien Britanniens‹, bist du geneigt, über diese Abmachung mit mir zu reden, oder möchtest du lieber mit der Klinge dieses Barbaren verhandeln?«

»Du lässt mir keine allzu große Wahl. Welches Unterpfand habe ich für deine Aufrichtigkeit? Schließlich ist das hier ein Handel, den ich mit der Spitze deines Schwertes an meinem Hals abschließen muss. Und woher willst du wissen, dass ich mich an unsere Abmachung halte?«

Der Mann mit der Kapuze nickte seinem Gefährten zu. Dieser griff mit unerwarteter Geschwindigkeit einen der Speerwerfer an, der mit durchtrennter Kehle im Laub landete. Dann drehte er sein Schwert herum und duckte sich unter dem Speerstoß des zweiten Mannes hinweg. Er rammte ihm mit einem mächtigen Stoß die Spitze seiner Klinge zwischen die Rippen, drehte das Schwert rasch und riss es heraus. Aus der klaffenden Wunde spritzte Blut auf seine Stiefel, während der Speerträger hilflos auf den Waldboden fiel und verblutete.

»Du wirst einen Beweis für deinen siegreichen Kampf mit deinen Möchtegern-Meuchelmördern benötigen, wenn deine Leute keinen Verdacht schöpfen sollen, hm? Ich gehe davon aus, dass du eine Geschichte spinnen kannst, um zu erklären, wie du deinen Mördern entkommen konntest? Und du wirst dich an die Abmachung halten, wenn du sie akzeptierst. Der Anreiz, den ich dir biete, ist zu groß, als dass du etwas anderes tun würdest. Also, entscheide dich, Calgus. Werden wir Partner in deinem so sorgfältig geplanten Krieg gegen mein Volk?«

Calgus spuckte ins Laub. »Ich habe zwar einen schlechten Geschmack im Mund, aber ich gehe auf deinen Plan ein.«

»Gut. Gib mir diese hübsche Fibel, die deinen Umhang zusammenhält. Keine Sorge, du wirst sie an einem anderen Ort zurückerhalten.«

Calgus öffnete die Fibel, eine wundervoll gearbeitete, goldene Nachahmung eines Schildes mit einem wirbelnden Muster und einem polierten Bernstein statt des Schildbuckels, und legte sie dem Mann in die ausgestreckte Hand. Der wandte sich ab, während sein Gefährte neben ihm zur Seite trat. Er schob das Schwert in die Scheide und nahm den Bogen von seiner Schulter. Dann legte er einen Pfeil an die Sehne und spannte den Bogen, um Calgus jeden Gedanken an eine Verfolgung zu nehmen.

»Wir sehen uns wieder, Calgus«, sagte der Mann mit der Kapuze über die Schulter hinweg. »Aber erst, wenn du dein Volk mit Mordlust im Herzen auf das Schlachtfeld geführt hast.«

Die beiden Männer verschwanden im Schatten des Waldes, bis der König sie aus den Augen verlor. Er blieb stehen und starrte ihnen lange nach, bevor er sich zu seinen toten Gefährten umwandte.

»Mit Mordlust im Herzen, Römer? Das dürfte wohl kaum allzu schwer zu bewerkstelligen sein.«

1. Kapitel

Februarius, 182 n. Chr.

Einer aus der ersten Reihe sah sie zuerst. Gut drei Dutzend Männer, deren Silhouetten sich vor dem hellen Nachmittagshimmel abhoben, wo die Straße zu einer Anhöhe führte, die ihren langen Abstieg von der östlichen Schulter der Pennines kreuzte. Er schrie heiser vor Angst eine Warnung. Der Befehlshaber der Abteilung, ein Wachoffizier, mit einem von Erfahrung gezeichneten Gesicht, blieb wie angewurzelt stehen und folgte mit dem Blick dem ausgestreckten Arm seines Untergebenen. Er nahm sich einen Moment Zeit, ihre prekäre Lage gründlich einzuschätzen. Als die Straße vorher angestiegen war, hatte er von den schmalen Scheitelpunkten keine Truppen vor oder hinter sich gesehen, sondern nur den langsamen Eselskarren, der ihnen vor einer Stunde begegnet war und sich jetzt sicher weit hinter ihnen befand. Diese Meute von Barbaren würde kurzen Prozess mit seinen sechzehn Männern machen. Die schwere Rüstung der Soldaten nahm ihnen zudem jede Chance, diesem Hinterhalt durch eine Flucht zurück auf der Straße nach Süden zu entkommen. Er warf seinen Mantelsack zur Seite, zog sein Schwert und deutete damit auf den noch weit entfernten Feind. Wenn er seine unentschlossenen Soldaten nicht rasch in Formation bringen konnte, würde ihre winzige Einheit zerbrechen, bevor die Barbaren auch nur auf Speerwurfweite herangekommen waren.

»Helme auf, Schilde hoch! Schlachtreihe bilden!«

Er trat dem nächststehenden Mann kräftig in den Hintern, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

»Bewegt euch, verflucht!«

Die Soldaten warfen ihre Furcas, die hölzernen Tragegestelle mit ihrer Ausrüstung, neben die Straße und rissen nervös und ungeschickt vor Angst die Schilde von ihrem Rücken. Dabei bildeten sie rasch eine klägliche Linie quer über die Straße. Sie setzten die Helme auf, die sie während des Marsches um den Hals getragen hatten. Die Wangenklappen verliehen ihren vor Entsetzen kreidebleichen Gesichtern einen immerhin einigermaßen martialischen Anstrich. Der Wachoffizier trat vor die Reihe, seinen Gladius immer noch in der Hand.

»Augen auf mich! Auf mich, sage ich!«

Die Soldaten rissen nur widerwillig ihren Blick von den heranstürmenden Barbaren los, die mittlerweile den flachen Hang wenige hundert Schritt von ihnen entfernt herunterstürmten.

»Keine Angst, ihr seht im Vergleich zu den einheimischen Mädchen so hübsch aus, dass dieser Haufen wahrscheinlich eher auf einen Fick aus ist als auf einen Kampf.«

Zwei Männer lächelten schwach; immerhin, besser als nichts.

»Und sie haben die Sache vermasselt, weil sie uns Zeit gegeben haben, uns für den Tanz aufzuhübschen. Also, wenn ich den Befehl gebe, und nicht früher, werft ihr eure Speere, zieht eure Schwerter und bereitet euch darauf vor, dass sie auf eure Schilde einschlagen. Benutzt eure Schilde, um sie zurückzudrängen! Verlasst auf keinen Fall die Schlachtreihe! Sie wollen, dass ihr allein kämpft, damit ihr ihnen eins zu drei unterlegen seid, oder dass ihr weglauft, damit sie euch einen Speer in euren Hundsfott jagen können. Eure beste Chance …« Er ohrfeigte einen Mann, dessen Blick zu den heranstürmenden Britanniern abgeschweift war. »Seht mich an! Eure einzige Chance besteht darin, die Schlachtreihe zu halten, zu parieren und zuzuschlagen, wie ihr es schon tausendmal beim Drill geübt habt. Sie werden aufgeben, sobald sie feststellen, dass das hier kein Kinderspiel wird. Ich stehe hinter euch und trete für den ersten Mann in die Reihe, der fällt! Wurfspeere … Bereit!«

Während er um die Männer herum hinter die Reihe trat, blickte er auf den Boden und schätzte anhand der dunklen, nassen Flecke auf dem Staub der Straße ab, wie viele seiner Männer vor Angst bereits die Kontrolle über ihre Blase verloren hatten. Es dampfte so viel Pisse in der kalten Winterluft, dass er schon bezweifelte, ob sie überhaupt in der Lage waren, die Schlachtreihe aufrechtzuerhalten, bis die Barbaren tatsächlich angriffen. Ihm war klar, dass sie innerhalb von fünf Minuten alle tot sein würden. Er zuckte die Achseln und machte sich bereit, wenigstens selbst anständig abzutreten. Die beiden Männer, ein untersetzter Veteran und sein jüngerer, größerer Gefährte, die seine kleine Abteilung begleiteten, waren mittlerweile von ihren Pferden gestiegen. Es war ein recht ungleiches Paar. Und zudem verdammte Zivilisten. Wenigstens sie würden entkommen können.

»Wenn ihr wegreiten und Hilfe holen wollt, wäre das jetzt genau der richtige Moment!«

Der ältere Mann, ein Veteran der Legion, wenn der Wachoffizier richtig vermutete, lächelte. Die grünen Augen in seinem wettergegerbten, geröteten Gesicht funkelten trotz der Aussicht auf ihren unmittelbar bevorstehenden Tod. Er war etwa Ende vierzig und musste wohlhabend sein, nach der Qualität seiner Kleidung zu urteilen. Er hatte seinen Mantel mit einer Fibel über der Brust befestigt und über die linke Schulter zurückgeworfen, wie es beim Militär üblich war. Der jüngere Zivilist hatte die Abteilung begleitet, seit sie die Legionsfestung Lindum verlassen hatten, drei Tagesmärsche weiter südlich. Der ältere Mann war weit nach Sonnenuntergang in die kleine befestigte Schanze geritten, in der sie vergangene Nacht Schutz gesucht hatten. Seine Gleichgültigkeit im Angesicht der Gefahr, allein auf der Straße Räubern zu begegnen, hatte bei den meisten erfahreneren Soldaten Erstaunen ausgelöst – trotz des Kettenhemdes, das er unter dem Mantel trug, trotz des kurzen Gladius-Infanterieschwerts am Gürtel um seine Taille und seiner selbstbewussten Haltung.

»Ich bin Rufius, ehemaliger Offizier der Sechsten Kaiserlichen Legion. Ich bin in meinen fünfundzwanzig Dienstjahren niemals vor einem Kampf davongelaufen, und ich werde mit dieser Gewohnheit nicht ausgerechnet jetzt brechen. Außerdem werden wir diesen Haufen Barbaren ohne große Schwierigkeiten zurückschlagen.«

Der Wachoffizier nickte. »Wie du meinst. Und was ist mit dir?«

Der jüngere Mann schüttelte grimmig den Kopf. Er war zu angespannt, um Witze zu machen, und zog ein langes, glänzendes Reiterschwert. Der Tesserarius fragte sich, wie nützlich das sein würde, angesichts dessen, dass sein Besitzer nicht einmal zwanzig Lenze zu zählen schien. Doch als er antwortete, klang seine Stimme kräftig, ohne zu beben, was man angesichts der Umstände durchaus hätte erwarten können.

»Marcus … Marcus Valerius Aquila. Ich laufe auch nicht weg.«

Der Veteran neben ihm nickte anerkennend, zog sein Schwert und deutete auf die Schlachtreihe der Legionäre. »Also, wollen wir?«

Der Wachoffizier zuckte mit den Schultern und drehte sich dem heranstürmenden Feind entgegen. »Es ist eure Beerdigung. Bleibt bei mir. Ihr seid jetzt meine Reserve. Fällt einer, tretet ihr an seine Stelle in die Schlachtreihe. Achtung, Abteilung, Speere fertig zum Wurf … Wartet auf den Befehl!«

Die Barbaren waren mittlerweile vom Trab in den vollen Lauf verfallen und überwanden die kurze Strecke zwischen ihnen rasch. Ein halbes Dutzend von ihnen war mit Äxten bewaffnet, großen Holzfälleräxten, die einen Mann bis zur Taille spalten oder ihm den Arm abtrennen konnten, mochte er gepanzert sein oder nicht. Sie waren jetzt so nahe, dass man Einzelheiten erkennen konnte. Zum Beispiel ihr mit Kalk gestärktes Haar, die blauen, verschlungenen Muster auf ihren Gesichtern und den Schmuck, der hell im fahlen Sonnenlicht des Nachmittags funkelte. Sie waren so nah, dass sich den Soldaten bei ihren wilden Schlachtrufen die Nackenhaare sträubten. Das hier war keine zufällige Begegnung, sondern es war der Kriegstrupp eines Stammes, der sich für diesen Kampf gerüstet hatte, wahrscheinlich zusätzlich angestachelt durch das einheimische Bier. Sie hatten die Augen weit aufgerissen und fletschten drohend die Zähne. Die Schlachtreihe bebte, und mehr als einer der Männer wich unwillkürlich zurück angesichts der Aussicht auf seinen unmittelbar bevorstehenden, brutalen Tod. Bevor die Schlachtreihe jedoch ganz brechen konnte, trat der Veteran hinter sie und drückte dem am weitesten zurückweichenden Mann die Spitze seines Schwertes in den Nacken. Er sprach sachlich, aber so laut, dass ihn die Abteilung trotz des Lärms der heranstürmenden Barbaren verstehen konnte.

»Zurück in die Schlachtreihe, Bürschchen, sonst bekommen diese blaubemalten Mistkerle nicht einmal die Chance, dich aufzuschlitzen.«

Etliche Soldaten starrten ihn mit großen Augen an, während der angesprochene Mann wieder vorwärts in die Reihe trat. Zwei der Erfahreneren, die bereits mit grimmiger Resignation akzeptierten, dass ihr Leben kurz und interessant werden würde, ob sie nun kämpften oder wegliefen, lächelten schweigend und hoben bei dem barschen Befehl unmerklich die Schilde. Der Tesserarius nickte respektvoll, während er den Blick auf die heranstürmenden Barbaren richtete und dann die Stimme hob, um trotz ihres lauten Gebrülls gehört zu werden.

»Warten … Speere bereit …«

Als der Wachoffizier gerade den Befehl geben wollte, die Wurfspeere zu schleudern, unmittelbar bevor die Britannier sich gegen ihre klägliche Schlachtreihe warfen, bemerkte er eine schnelle Bewegung in dem Wäldchen etwa fünfzig Schritte links von ihnen. Doch sofort richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die in diesem Moment wichtigeren Ereignisse kaum zwanzig Meter vor den Schilden seiner Männer.

»Wurf … Jetzt!«

Die Legionäre schleuderten ihre Speere in die heranstürmende Masse ihrer Feinde. Zwei von ihnen brachen schreiend zusammen, und die Schilde von einem halben Dutzend anderer Britannier wurden von dem Gewicht der Wurfspeere heruntergedrückt. Die Soldaten zückten ihre Schwerter und stemmten sich gegen den Aufprall. Unter lautem Krachen von Metall auf Stahl stießen die Barbaren auf die Verteidigungslinie. Allein ihre Übermacht zwang die Schlachtreihe ein halbes Dutzend Schritte zurück, bevor die verzweifelten Soldaten den Schwung ihrer Gegner auffangen konnten. Der Wachoffizier vermutete, dass nur der abschüssige Hang, der ihre Position unterstützte, verhinderte, dass sie von der Wucht des Aufpralls sofort überwältigt wurden. Er trat hinter seine Leute, um ihre Position zu halten, und beobachtete dabei verblüfft, wie bewaffnete Männer zwischen den Bäumen hinter ihren Angreifern herausströmten. Das Gebrüll und die Schreie des Angriffs waren erstorben, und beide Seiten kämpften in verbissenem Schweigen. Man hörte nur das angestrengte Keuchen und gelegentlich ein Ächzen oder einen Schmerzensschrei.

Einer seiner Soldaten taumelte sterbend, fast tänzelnd aus der Schlachtreihe heraus. Ein Schwerthieb hatte seine Kehle zerfetzt, und das Blut sprudelte in einer Fontäne heraus. Der metallische Gestank drang ihm in die Nase. Die Männer rechts und links rückten näher zusammen, konnten jedoch den leeren Platz des Sterbenden nicht ausfüllen. Während der zuckend in seinem eigenen Blut auf dem groben Pflaster der Straße lag, stieß Rufius seinen jüngeren Gefährten zur Seite, schnappte sich den Schild des Sterbenden und trat an seine Stelle. Er wehrte einen heftigen Axthieb mit dem Schild zur Seite ab, trat dann rasch vor und schlitzte dem Angreifer mit einem Stoß seines Kurzschwertes den Bauch auf. Die Schnelligkeit seiner Bewegungen strafte sein graues Haar Lügen. Der Barbar presste die Hände auf seinen aufgeschlitzten Bauch und die dampfenden Eingeweide, die herausquollen, sank auf die Knie und starrte entsetzt und laut wehklagend auf die schreckliche Wunde.

Der nächste Soldat der kleinen Abteilung sank zu Boden. Eine Axt hatte sich in seine Schulter gegraben, und der blaubemalte Barbar riss wie verrückt an dem Griff, um die Klinge zu befreien. Gedankenschnell trat Marcus Valerius Aquila in die Lücke, bückte sich, hob den Gladius des gefallenen Legionärs mit der linken Hand auf und rammte gleichzeitig dem Axtkämpfer sein Reiterschwert in einem perfekten, tödlichen Stoß zwischen die Rippen. Sein erfolgreicher Angriff brachte ihm ein rotgeflecktes Gesicht ein, als das Blut seines Gegners auf ihn spritzte. Dann schlug er einen Speer mit dem Gladius zur Seite, trat den sterbenden Barbaren rasch von seinem Schwert und hackte mit der freien Klinge dem Speerkämpfer die Hand am Handgelenk ab, bevor er das lange Schwert mit einem Rückhandschlag zurücksausen ließ und dem nächsten Angreifer rechts von sich sauber den Kopf von den Schultern trennte. Dann trat er wieder zurück in die Schlachtreihe und balancierte sich kurz aus. Das Kurzschwert streckte er mit der Linken nach vorn aus, während er das längere Reiterschwert etwas weiter zurückhielt, sodass sich die Spitzen beider Waffen auf gleicher Höhe befanden. Er hielt einen Moment inne und atmete nach der plötzlichen Anstrengung kurz durch. Seine Augen waren in der Erregung des Kampfes weit aufgerissen, und er suchte neue Ziele. Die Barbaren in seiner Nähe wichen einem Kampf mit ihm lieber aus. Ihre Furcht vor der plötzlichen Bedrohung durch die beiden Klingen wirkte fast grotesk.

Aus dem Hintergrund des Kriegstrupps ertönte eine kehlige Stimme, die in gebrochenem Britannisch das Klirren des Kampfes übertönte. Mit seinem Schwert deutete der Mann auf die Stelle, die der Veteran in der Schlachtreihe eingenommen hatte.

»Tötet den Offizier! Tötet ihn!«

Der Wachoffizier hatte Marcus’ Geschicklichkeit im Umgang mit den Schwertern mit offenem Mund bewundert, wurde jetzt jedoch von einer Bewegung am Rand seines Blickfeldes abgelenkt. Wieder richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die linke Seite seiner Abteilung, wo jetzt die Neuankömmlinge aus dem Wald rasch herankamen und die Barbaren von der Seite und von hinten angegriffen. Es waren zehn Männer, die sich im Laufschritt bis auf ein Dutzend Schritte näherten, dann ihre Wurfspeere den ahnungslosen Barbaren in den Rücken schleuderten, ihre Schwerter zückten und mit blutrünstigem Gebrüll den Feinden in den Rücken fielen. Als die Stammeskrieger, die dichter an seinen Männern standen, bei den Schreien ihrer sterbenden Kameraden verblüfft über die Schulter blickten, nutzte der Wachoffizier diese hauchdünne Chance augenblicklich. Er gab den einzig möglichen Befehl.

»Gegenangriff! Greift sie mit Schilden und Schwertern an, stoßen und schlagen! Holt sie euch, ihr lahmen Mistkerle!«

Die Reaktion war ein unverständliches Gebrüll, Produkt von Tausenden Stunden dumpfen Übungsdrills. Die Soldaten rammten den Britanniern die Buckel ihrer Schilde ins Gesicht, traten einen Schritt vor und stießen dabei mit ihren Kurzschwertern zu. Zwei der abgelenkten Stammeskrieger stürzten kreischend zu Boden, während die anderen zurückwichen und dadurch der Schlachtreihe Zeit und Raum gaben, um den Angriff zu wiederholen. Der Anführer der kleinen Horde drehte sich zu den neuen Angreifern herum und spießte einen von ihnen mit einem mächtigen Stoß seiner Lanze auf. Dann zog er sein Schwert und brüllte trotzig, als er sich auf sie stürzte. Ein Hüne von Soldat mit einem Helmbusch trat ihm entgegen. Er schlug das Schwert des Barbaren mit einem fast lässigen Zucken seines Schildes beiseite, bevor er mit einer raschen Bewegung sein Kurzschwert tief in die Brust des Barbaren bohrte. Dann hob er den Fuß und trat den Sterbenden brutal von seiner Klinge herunter. Ein Stammeskrieger drehte sich bei diesem Anblick um und lief davon. Eine Sekunde später folgte ihm ein zweiter. Wie beim unaufhaltsamen Bruch eines überlasteten Damms folgten den beiden zwei weitere, dann fünf, und schließlich machten die restlichen Barbaren ebenfalls kehrt und flüchteten. Sie ließen ein Dutzend Tote und Sterbende zurück.

Von den überlebenden Soldaten waren mehr als die Hälfte verletzt. Sie stützten sich atemlos auf ihre Schilde und sahen den Barbaren nach; sie gaben sich damit zufrieden, ihren Feind ungehindert entkommen zu lassen, nachdem sie noch eine Minute zuvor dem Tod ins Auge gesehen hatten. Der Wachoffizier ging den Neuankömmlingen entgegen. Ihm folgte in gebührendem Abstand Rufius, während Marcus das Infanterieschwert neben seinen toten Besitzer fallen ließ und, plötzlich vollkommen erschöpft, das trocknende Blut von seiner eigenen Waffe wischte. Der Anführer der anderen Abteilung, der bärtige Hüne mit dem Helmbusch aus Rosshaar, der ihn als Optio kennzeichnete, starrte dem flüchtenden Kriegstrupp mit einem Blick nach, in dem sich Ekel und Bedauern die Waage zu halten schienen.

»Wer auch immer ihr seid, seid euch des Danks der Sechsten Legion gewiss. Wenn ihr nicht aus dem Wald gekommen wärt, wären wir erledigt gewesen. Ihr müsst Eier in der Größe von Äpfeln haben, um das zu tun, was ihr gerade …« Die sprudelnde Dankbarkeit des Wachoffiziers versiegte, als ihm klar wurde, dass der andere Mann ihm keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, sondern immer noch den flüchtenden Britanniern nachsah.

Nach einem Moment antwortete der Optio, wobei er seinen Blick gleichgültig über die Soldaten gleiten ließ. »Ihr solltet euren Offizieren lieber empfehlen, keine kleineren Abteilungen als eine Zenturie über die Straße nach Eburacum zu schicken. Nächstes Mal habt ihr vielleicht nicht so viel Glück.« Er drehte sich zu seinen eigenen Leuten um. »Schlagt ihnen die Köpfe ab und macht euch bereit zum Aufbruch. Wir marschieren zusammen mit diesem Haufen hier zur Festung. Ihr beiden, ihr habt niemanden getötet, soweit ich sehen konnte. Also macht eine Trage und bringt Hadrun zur Festung. Wir beerdigen ihn da, wo ihn niemand wieder ausgraben kann.«

Rufius packte seinen Arm und trat dann mit erhobenen Händen hastig zurück, als der massige Mann wütend zu ihm herumfuhr.

»Nichts für ungut, Optio, aber wir wollten dir nur für deine Tat danken. Die meisten Männer in deiner Position hätten sich zweifellos überlegt, uns lieber unseren eigenen Angelegenheiten zu überlassen …«

Marcus überwand seine vorübergehende Erschöpfung und hob den Kopf, um den Anführer der anderen Abteilung und dessen Soldaten in dem folgenden Schweigen sorgfältig zu mustern. Es war das erste Mal, dass er Hilfstruppen Einheimischer im Feld begegnete, und der Anblick faszinierte ihn. Sie trugen Kettenpanzer, keine Schienenpanzer wie die Legionäre, und sowohl ihre Waffen als auch ihre Kleidung schienen von geringerer Qualität zu sein. Trotzdem fiel ihm die gleiche knappe Effizienz in ihren Bewegungen auf, die gleiche drahtige Zähigkeit. Wie ihre Mitstreiter von der Legion hatten diese Männer auf die harte Art gelernt, keine Energie an Unnützes zu verschwenden.

Der Optio kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, und seine Miene war ausdruckslos. »Wir sind Tungrer, Großvater, und wir tun unsere Pflicht, nicht mehr und nicht weniger. Wir waren auf Patrouille im Wald und sind dabei auf diese Horde abseits der Straße gestoßen, bevor sie uns sehen konnte. Danach haben wir einfach gewartet, bis jemand vorbeikam. Als wir deine kleine Abteilung gesehen haben, war klar, dass wir euch helfen mussten … obwohl ich bezweifle, dass ihr den Verlust eines meiner Leute wert seid.«

Rufius lächelte leicht gequält bei dieser unverblümten Bemerkung. »Ich verstehe das besser, als du dir vielleicht vorstellen kannst. Trotzdem, von einem Kämpfer zum anderen, entbiete ich dir meinen Respekt.« Dann drehte er sich um und legte dem Tesserarius den Arm um die Schulter. »Und was dich angeht, mein Freund, ich würde sagen, gut gemacht. Ich werde meinen Freunden im Lager deinen Namen nennen. Vielleicht kriegst du ja eine Bürste für deinen Pisseimer. Aber jetzt sollten wir uns um die Verletzten kümmern und nach Eburacum weitermarschieren, meinst du nicht auch?«

Die Verwundeten zu versorgen war kein Problem, obwohl der einzige Soldat, der sich mit Verletzungen auskannte, drei Finger seiner rechten Hand durch das Schwert eines Barbaren verloren hatte. Deshalb konnte er nur Anweisungen geben, wie die Verbände angelegt werden mussten, aber niemanden selbst versorgen. Zwei Männer waren tot, der Tänzer und das Axtopfer. Letzterem steckte noch immer die riesige Klinge im Leib. Man nahm ihnen die Waffen, die Rüstung und die Stiefel ab und versteckte sie zwischen den Bäumen. Dort würden sie am nächsten Tag von einem Karren abgeholt werden. Die Tungrer murrten derweil, dass man niemanden auf einem Schlachtfeld zurückließ, und fertigten eine behelfsmäßige Trage an, mit der sie ihren eigenen Toten ins Lager schaffen wollten. Von den Verletzten konnten drei nicht gehen, aber nachdem sie die beiden leichter Verletzten auf eines der Pferde der Zivilisten gesetzt hatten und einen mit einer üblen Axtwunde auf das andere, konnten sie ihren Marsch fortsetzen. Die Verwundeten der Barbaren wurden ohne viel Federlesens vom Wachoffizier erledigt. Mit schnellen, effizienten Schwertstößen nahm er ihnen jede Hoffnung, das hier zu überleben. Schließlich reihten sich Marcus und Rufius hinter ihre Beschützer von der Legion ein, während die Tungrer die Nachhut bildeten. Von mehreren Tragestangen der Hilfstruppen hingen die frisch enthaupteten Schädel der Barbaren an den Haaren festgeknotet herunter.

Marcus hustete höflich und sah dann nach einem Moment Rufius an. Er war einen ganzen Kopf größer als der Veteran und hagerer. Aber sein sehniger Körper ließ ahnen, dass sich bald Muskeln bilden würden.

»Ja, mein Freund?«

»Ich wäre dankbar, wenn ich ein oder zwei Dinge besser verstehen könnte. Hast du vielleicht Lust zu reden?«

Etwas in der Stimme des jungen Mannes veranlasste Rufius, ihn zu mustern. Die angespannten Wangenmuskeln verrieten, dass er immer noch mit den Nachwirkungen dieses Scharmützels zu kämpfen hatte.

»Mars möge mir verzeihen, aber ich bin ein unsensibler alter Mistkerl. Das war dein erster richtiger Kampf?«

Der Jüngere nickte knapp.

»Bei allen Göttern der Unterwelt, wie schnell man die Gewohnheiten eines Kommandos vergisst … Ich habe immer darauf geachtet, mir nach einem Kampf die Frischlinge zu schnappen und sie entweder durch Scherze oder durch einen kräftigen Schlag aus ihrem Schock zu reißen, nachdem sie das erste Mal das Blut eines anderen Mannes auf ihren Lippen geschmeckt haben. Und ihnen zu gratulieren, dass sie überlebt und immer noch die angemessene Anzahl von Armen und Beinen haben. Obwohl ich sagen muss, dass du für einen Frischling weit mehr getan hast, als nur zu überleben. Du hast mehr als einen der Angreifer zur Strecke gebracht, und das ohne einen Schild. Solche Fertigkeiten fliegen einem schwerlich einfach so zu …« Er lächelte und hob fragend eine Braue. Er bemerkte, dass sich der Kiefer des jüngeren Mannes ein wenig entspannte. »Du kannst mir später mehr über deine Kampftechnik mit zwei Schwertern erzählen. Ich glaube, du hattest eine Frage?«

»Warum haben die Soldaten nicht die Köpfe aller Barbaren abgeschlagen, wenn das unter den Einheimischen Sitte ist?«

Der Veteran blickte zu den Hilfstruppen zurück. »Die Tungrer? Wenn du erst mehr über die Hilfstruppen erfahren hast, wirst du das besser verstehen. Legionäre werden ständig verlegt. Die Legion bleibt manchmal nur ein Jahr an einem Ort, oder ab und zu auch zehn Jahre, aber letztlich zieht sie weiter. Es gibt immer irgendwo einen Feldzug, bei dem eine weitere Legion eingesetzt werden muss, oder eine Grenze, die gesichert werden soll, oder einfach nur irgendeinen Idioten mit einem purpurnen Streifen an seiner Tunika, der unbedingt Kaiser werden will. Was bedeutet, dass die Legionen niemals lange genug an einem Ort bleiben, um sich mit den lokalen Traditionen vertraut zu machen. In einem Jahr ist es Judäa, im nächsten Germanien. Außerdem ähnelt der Dienst in einer Legion dem des Priesters eines besonders eifersüchtigen Gottes. Es gibt komplizierte Riten, besondere Opfer und Opfergaben und eine besondere Art, die Dinge anzupacken. In der Legion sorgen die hohen Offiziere, der Lagerpräfekt und die altgedienten Zenturios dafür, dass ihre Art, die Dinge anzupacken, immer zuerst kommt. Die Hilfstruppen dagegen bleiben hauptsächlich dort, wo man sie ausgehoben hat, es sei denn, es gibt einen größeren Feldzug. Und selbst dann kommen sie für gewöhnlich irgendwann wieder nach Hause. Sie schlagen Wurzeln, saugen die Gebräuche der Einheimischen auf und fangen an, die lokalen Götter anzubeten. Letztlich kann man sagen, sie werden selbst fast zu Eingeborenen. Diese Jungs hier wurden jedoch ursprünglich in Tungria rekrutiert, jenseits des Meeres. Sie befinden sich auf dieser Seite des Hadrianswalls, seit er vor sechzig Jahren errichtet wurde, mehr oder weniger jedenfalls. Also sind es jetzt längst keine echten Tungrer mehr, sondern die Nachkommen dieser Tungrer, die sich mit den einheimischen Mädchen vermischt haben. Sie schlagen ihren Feinden die Köpfe ab, weil das eine Tradition der Einheimischen ist, aber sie haben auch einen Ehrenkodex, der selbst einen Zenturio mit sechs Phalaerae auf seinem Harnisch und noch anderen Auszeichnungen beschämen würde, und sie nehmen nie, niemals den Kopf eines Mannes, den sie nicht in einem Kampf von Angesicht zu Angesicht getötet haben. Genug von den Tungrern. Ich bin sicher, du wirst schon bald alles über sie erfahren. Sag mir, was dich in die nördlichen Einöden dieser kalten, nassen Pissgrube von Land führt.«

Er sah den jüngeren Mann abschätzend an, als würde er ihn zum ersten Mal genauer betrachten, obwohl sie fast den halben Tag Seite an Seite nebeneinander hergeritten waren, wenn auch meist schweigend.

»Braune Augen, schwarzes Haar, angenehme Sonnenbräune … ich würde sagen, du bist in Rom geboren und aufgewachsen, und doch bist du jetzt hier in Britannien, frierst, wirst nass und blutest wie die anderen. Wie war noch mal dein Name?«

»Marcus Valerius Aquila. Und deiner?«

»Quintus Tiberius Rufius, ehemaliger Legionär, jetzt Lieferant feiner Speisen und erlesener Ausrüstung für das Nördliche Kommando. Du wirst schon bald auf einem besonders widerlichen Stück gepökeltem Schweinefleisch herumkauen und denken: ›Bei Jupiter, ich wünschte, ich hätte ein Gläschen von Rufius’ würzigem, eingemachtem Fisch vor mir.‹ Jedenfalls, da wir uns jetzt vorgestellt haben …?« Er hob fragend eine Braue.

Der jüngere Mann zuckte offensichtlich verlegen mit den Schultern. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, es gibt nicht viel zu erzählen. Ich bin unterwegs nach Eburacum, um meinen Militärdienst bei der Sechsten Legion zu leisten.«

Rufius lächelte. »Muss ziemlich aufregend für einen Mann deines Alters sein, stelle ich mir vor. Befreit von dem langweiligen Einerlei zu Hause, Reisen durch das ganze Imperium bis an den Rand der Zivilisation und dann noch die Chance, bei der besten Legion des Heeres zu dienen? Diese Tage werden dir als die beste Zeit deines Lebens in Erinnerung bleiben, so viel kann ich dir versprechen.«

»Du hast sicher recht. Ganz bestimmt aber weiß ich, dass ich mich auf mein erstes richtiges Bad freue, seit wir Lindum verlassen haben. In diesem Land regnet es für meinen Geschmack deutlich zu viel, und der eisige Wind dringt einem bis auf die Knochen, ganz gleich, wie fest man seinen Mantel um sich hüllt.«

Rufius nickte. »Das weiß niemand besser als ich. Ich habe fünfundzwanzig Jahre lang im Dienste des Imperators in diesem Wasserloch von einem Land gebuckelt, war durchnässt und habe gefroren, in zugigen Kasernen gehaust und mürrische einheimische Rekruten für die Legion in Form geschliffen. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich selbst bei der Sechsten gedient habe, Zweite Kohorte, Erste Zenturie.«

Der Jüngere neigte respektvoll den Kopf. »Erste Zenturie. Du warst der Primus Pilus, der Erste Speer der Kohorte, nehme ich an?«

»Allerdings, das war ich. Und es waren alles in allem die glücklichsten vier Jahren meines Lebens. Ich befehligte sechshundert Speere, und niemand hat mich daran gehindert, sie zu den besten Soldaten dieses ganzen elenden Landes zu machen. Ich war Meister in meinem Beruf, und niemand hat sich mit mir angelegt. Weder ein Tribun noch der Lagerpräfekt haben es gewagt, mir in die Quere zu kommen, das ist die Wahrheit.« Er tippte dem jungen Mann auf die Schulter, um seine Worte zu bestärken. »Aber ich will dich warnen: Dieses Land wächst in einem Mann wie ein Pilz auf einem Baum; langsam, unbemerkt, bis du dir plötzlich nicht mehr vorstellen kannst, irgendwo anders zu leben. Ich hatte die Chance, nach meiner Dienstzeit nach Hause zurückzukehren, aber ich sah einfach nicht die Notwendigkeit, mich wieder an einen Ort zu gewöhnen, dessen Himmel nicht ständig bewölkt ist und dessen Bevölkerung keine blaubemalten Wilden sind. Dieses Land hier ist meine Heimat geworden, und wenn du lange genug bleibst, wird dir dasselbe passieren. Hat deine Familie hier vielleicht eine militärische Vergangenheit?«

»Mein Vater hat …«

Rufius hob eine Braue und lächelte. »Verbindungen?«

»… eine Geschichte in diesem Teil der Welt. Mein Großvater hat drei Jahre lang die Legion befehligt, bevor er nach Rom zurückgekehrt ist, und mein Vater war Tribunus Laticlavius, senatorischer Militärtribun im Führungsstab der Sechsten. In meiner Familie wurde der Militärdienst schon seit der Zeit der Republik hochgehalten, obwohl mein Vater eigentlich nicht von ganzem Herzen Soldat war, was er selbst zugegeben hat, zur Enttäuschung meines Großvaters. Er ist ein Mann des Wortes, nicht des Handelns. Immerhin habe ich gehört, dass er die Leute zum Schweigen bringen kann, ohne auch nur die Stimme zu erheben, wenn er im Plenum des Senats spricht. Ich wünschte, ich würde über dieselbe Beredsamkeit verfügen.«

Rufius nickte verständnisvoll. »Zwei hohe Offiziere in der Familie, und beide haben in der besten Legion des ganzen Imperiums gedient. Du bist ein junger Mann, der noch weit größere Privilegien besitzt, als auf den ersten Blick zu erkennen war. Ah, da fällt mir ein …«

»Ja?«

»Ich konnte dich ein wenig beobachten, vorhin, als ich verärgerte Barbaren bekämpfte, die wohl immer noch überzeugt sind, dass ich unter dem Adler diene. Ich bin sehr neugierig zu erfahren, wo du gelernt hast, so mit deinen Klingen umzugehen …«

Marcus errötete etwas. »Nachdem meine Familie beschlossen hatte, ich sollte in der Sechsten dienen – ich war damals noch so klein, dass ich mich kaum daran erinnern kann –, wollte mein Vater dafür sorgen, dass ich mich nicht zum Narren machte, wenn ich ein Schwert in die Hand nahm. Er hat einen freien Gladiator engagiert, damit er mir ein paar Kniffe beibrachte.«

Rufius warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Ein paar Kniffe, was? Nun, mein neuer Freund, wenn wir in Eburacum ein bisschen Zeit finden, kannst du mir gern den ein oder anderen deiner ›paar Kniffe‹ zeigen …«

Knapp eine Stunde später marschierten sie durch die Garnisonsstadt, über die Flussbrücke und blieben vor dem massiven Haupttor stehen. Tiberius Rufius wechselte ein paar Worte mit der Torwache, während sie zur Seite traten, damit die stöhnenden Verwundeten von den Pferden gehoben werden konnten. Dann packte er Marcus fest am Arm.

»Du kannst dich noch nicht beim Kommandeur melden, weil er mit einem Teil der Legion ein Manöver abhält. Bringen wir einfach die Pferde unter, suchen das Badehaus auf und lassen uns eine anständige Mahlzeit servieren. Dann können wir herausfinden, ob sich die heimische Küche seit meinem letzten Besuch verbessert hat. Ich bezahle, zur Feier unseres Überlebens heute Nachmittag. Wir können in einer Herberge absteigen, die einem alten Freund von mir gehört. Er hat wie ich den Dienst quittiert und konnte nach all den Jahren Britannien nicht verlassen. Er ist einer dieser armen Burschen, die hier in Ermangelung eines besseren Ortes Wurzeln geschlagen haben. Und jetzt führt er die beste Herberge im ganzen Vicus von Eburacum.« Er lächelte bei der Erinnerung. »Petronius Ennius war der Signifer der zweiten Kohorte, als ich dort Erster Speer war. Er war so solide gebaut wie eine Festungslatrine, wie die meisten Feldzeichenträger. Wir waren ein schönes Paar, wenn wir gleichzeitig Freigang hatten. Die Frauen sind unruhig hin und her gerutscht, wenn wir an ihnen vorbeigegangen sind! Ich komme zurzeit viel zu selten dazu, in seiner Herberge zu übernachten. Komm, waschen wir das Blut von diesen Kutschpferden und sorgen dafür, dass sie etwas zu fressen und zu saufen bekommen. Ich verspüre plötzlich ein starkes Verlangen nach einem Bad und etwas zu trinken.«

Der Wirt begrüßte Rufius herzlich und schlug ihm mit einer Hand von der Größe einer Servierplatte auf den Rücken.

»Wieder da, Tiberius Rufius? Erst vor ein paar Tagen hast du mir erzählt, die Qualität meines Weines würde gerade genügen, den Rost von deiner Rüstung zu wischen, und jetzt kannst du es kaum erwarten, ihn wieder zu kosten, hm? Obwohl ich an deiner Tunika sehe, dass dich in jüngster Zeit irgendjemand aufgeregt zu haben scheint. Also, raus mit der Geschichte.«

Er lauschte aufmerksam Rufius’ Schilderung des Hinterhalts und lachte leise, als sein Freund berichtete, dass er die Legionäre der Sechsten bedrohen musste, damit sie ihre Formation hielten.

»Es ändert sich nichts, hab ich recht? Ich kann mich noch daran erinnern, dass du das Gleiche gemacht hast, um ein oder zwei unserer verzagteren Schwestern in der Schlachtreihe zu halten, als die Blaunasen ihre letzte kleine Revolte angezettelt haben.«

Als Rufius das Ende der Geschichte schilderte, spitzte er die Lippen und pfiff anerkennend.

»Du hast Glück gehabt, alter Freund, sehr viel Glück. Wenn diese kleine Zeltgemeinschaft der Hilfstruppen nicht zufällig auf euch gestoßen wäre …«

Rufius nickte finster. »Ich weiß, dann wären wir jetzt Geierfraß. Aber trotzdem, auch wenn das Glück war, ich muss mich dennoch fragen, welcher Zufall wohl diese Stammeskrieger in unsere Richtung geführt hat.«

»Ja … Nun, genug von deiner Prahlerei. Du hast mir deinen blutbefleckten jungen Freund noch nicht vorgestellt …«

»Das ist Marcus Valerius Aquila, ein Reisegefährte aus dem Süden und schon bald ein Bruder im Dienste von Mars. Er kommt direkt aus Rom. Trotz seiner etwas mitgenommenen Reisekleidung, ganz zu schweigen von dem getrockneten Blut auf seinem Gesicht, es handelt sich um einen einflussreichen Mann, der einen Posten im Führungsstab der Sechsten bekleiden wird.«

Der Wirt drehte sich zu Marcus um und senkte den Kopf. »Entschuldigung, es handelt sich bei dir also um einen jungen Ritter, hm? Also, bleibt ihr beide, ihr edlen Herren?«

Rufius verzog spöttisch das Gesicht. »Trotz der immensen Kosten deiner Zimmer, der fragwürdigen Qualität deiner Speisen und der wässrigen Konsistenz deines Weines, ja, wir brauchen beide ein Bett für die Nacht.«

»Ausgezeichnet. Mein Handlanger Justus wird sich um eure Pferde kümmern und euer Gepäck auf eure Zimmer bringen. Lasst euch ein paar Stunden Zeit, um das Blut auszuschwitzen. Danach warten meine besten gerösteten Enten auf euch, gebraten in ihrem eigenen Fett und serviert in einer Sauce aus wildem Honig, Rotwein und Kräutern. Und für dich, Rufius, weil ich die Bedürfnisse deines Alters kenne, werde ich die letzte Amphore eines besonderen iberischen Rotweins köpfen. Wie klingt das?«

Als die beiden durch die Stadt zur Festung gingen, ihre sauberen Tuniken unter den Arm geklemmt, hörten sie hinter sich das vertraute Geräusch von genagelten Sohlen. Es hallte in den schmalen Straßen wider und schaukelte sich auf, bis das Geräusch und das Echo zu einem stetigen Brausen anschwollen. An den Häusern auf beiden Seiten der Straße waren die Fensterläden gegen die Kälte zugeklappt. Jetzt wurden sie rasch geöffnet, damit die Neugierigen einen Blick auf die Straße werfen konnten. Etliche der weiblichen Zuschauer hegten offenbar ein gemeinsames, professionelles Interesse an der Ankunft der Soldaten in der Festung – jedenfalls der Art nach zu urteilen, wie sie ihr Haar rasch öffneten und in einem Fall sogar ihre Brüste zur Schau stellten. Ein Signifer und der Erste Speer einer Kohorte bogen im Marschschritt um die Ecke und nahmen im schwächer werdenden Zwielicht Kurs auf die Tore der Festung. Rufius zog Marcus in einen Torbogen, weg von der Straße, als die Soldaten an ihnen vorbeiströmten, Reihe um Reihe, den Kopf in den Nacken gelegt, um Luft in ihre Lungen zu saugen, während sie ein obszönes Marschlied sangen.

… Mein Bruder hat ’ne Schänke,

mit Betten im ersten Stock,

aber keines der Mädchen redet mit mir,

weil ich ein Legionär bin.

Rufius lächelte gedankenverloren und bewegte die Lippen zu dem Lied, während die Legionäre in einer scheinbar endlosen Kolonne an ihnen vorbeimarschierten. Zenturios und ihre Optios marschierten neben ihren Zenturien und bellten Befehle, dass die Männer gefälligst ihre verfluchten Speere gerader tragen und aufhören sollten, die verfluchten Prostituierten anzuglotzen. Eine Zenturie nach der anderen marschierte im Gleichschritt an ihnen vorbei. Wie schon bei den Soldaten, die ihn vom Lager in Lindum begleitet hatten, war Marcus von ihrer Erscheinung ein wenig enttäuscht. Wenig überraschend, nach dem Glanz und der Pracht, die er von der Prätorianergarde kannte. Die Schilde der Männer waren zwar sauber, aber sie glänzten nicht, und sowohl ihrer Rüstung als auch ihren Waffen mangelte es an den feinen Verzierungen edler Handwerkskunst, an die er gewöhnt war. Ihre Kleidung war ebenfalls eher schlicht und nützlich – feste, genagelte Lederstiefel, dicke wollene Tuniken und grobe Wollhosen, die vom Marsch schlammbespritzt waren.

Dann jedoch fiel sein Blick auf eine Gruppe von Reitern, deren Ausrüstung genauso prächtig aussah, wie er sie kannte. Ihre polierten Brustpanzer wurden von sauberen Leinenbändern gehalten. Tiberius Rufius deutete auf die Reiter und legte seinen Mund dicht an Marcus’ Ohr, um den Lärm zu übertönen. Er hustete in dem Staub, den die Truppe aufwirbelte.

»Das muss mindestens die Hälfte der Sechsten sein. Sie haben vermutlich eine Ausdauerübung hinter sich. Das da ist der Legat mit seinem Führungsstab und einer Eskorte der Legionsreiterei. Sie wurden von der asturischen Kohorte vom Nordende des Walls eingezogen, aber die meisten von ihnen sind Germanen. Ist schon komisch, dass selbst die wildesten Barbaren sofort zivilisiert aussehen, wenn man sie in eine Uniform steckt …«

Marcus nickte abgelenkt, während er den Befehlshaber der Region beobachtete, der umringt von seinen Tribunen vorbeiritt. Sie wurden vorn und hinten von grimmigen Reitern eingerahmt. Der Mann drehte den Kopf, als er an dem Torbogen vorbeiritt, und nickte Tiberius Rufius zu, bevor er verschwand. Marcus sah seinen Begleiter erstaunt an.

»Du kennst den Legaten?«

»Ich habe der Sechsten Vieh aus der Gegend verkauft und ihm Informationen über die Grenzregion beschafft. Was sonst kann ein alter Soldat schon tun, als seinen früheren Kameraden zu helfen?«

Sie standen schweigend da, während der Rest der Kolonne vorbeimarschierte, und warteten, bis die letzte Zenturie die Brücke überquert hatte und in der Festung verschwunden war. Dann traten sie aus dem Torbogen und setzten ihren Weg auf der dunklen Straße fort. Das Badehaus der Festung war groß genug, den Bedürfnissen von mehreren tausend Legionären nach Sauberkeit und Entspannung entsprechen zu können. Die riesigen Hallen wurden von Hunderten Fackeln erleuchtet.

Die beiden Männer zogen ihre vom Kampf beschmutzte Kleidung aus, ölten ihre nackten Körper ein und schoben ihre Füße in hölzerne Badeschuhe, um ihre Sohlen vor den heißen Steinen zu schützen. Sie gingen durch das eisige Frigidarium in den Dampfraum, wo sie sich freie Plätze zwischen den Dutzenden von Soldaten suchten, die bereits schwitzend in der feuchten Hitze hockten. Tiberius Rufius deutete auf ein Bodenmosaik, das den Kriegsgott Mars in voller Rüstung zeigte. Er schwang ein Infanterieschwert.

»Das ist dein wichtigster Gott in den kommenden Jahren! Welchen der Götter hast du in deiner Jugend am meisten zu verehren gelernt?«

»Der Schrein unseres Hauses ist Merkur gewidmet, also bete ich immer zuerst zu ihm.«

»Eine gute Wahl für den Haushalt eines Kaufmanns. Aber Merkur wird Mars deine Hingabe nicht neiden, solange du in der Legion dienst. Erbitte immer seinen Segen, bevor du etwas unternimmst, was in einer Schlacht enden könnte. Bei Jupiter, ist das heiß! Ich kann fühlen, wie der Dreck aus meinem Körper geschwitzt wird. Bartschaber! Komm her, Junge!«

Sie ertrugen die feuchte Hitze weitere fünfzehn Minuten lang und genossen den Luxus zu schwitzen und die Chance, auch die letzten Reste barbarischen Blutes von ihrer Haut zu waschen. Dann stiegen sie kurz in die heißen Becken, um den Schweiß abzuspülen, und gingen in den Hitzeraum, wo sie es sich erneut bequem machten. Tiberius Rufius erstand eine kleine Flasche Wein und ein Stück Kuchen, »nur um unseren Appetit anzuregen«, wie er sagte. Dann saßen sie in behaglichem Schweigen da und beobachteten die Soldaten, die dienstfrei hatten. Einige von ihnen stemmten in einer Ecke des Raums Gewichte, andere begnügten sich damit, zu würfeln und Wein zu trinken. Letztere riefen laut Fortunas göttliche Hilfe an, bevor sie die Würfel aus Knochen warfen. Marcus döste in der drückenden Hitze fast ein und öffnete träge ein Auge, als ein muskelbepackter, schwarzbärtiger Mann den Raum durchquerte und sich auf die Bank ihnen gegenüber setzte. Marcus stieß Rufius mit dem Ellbogen an.

»Ist das nicht …?«

»Ja, unser Retter vom Nachmittag. Dubnus, hieß er nicht so?«

»Er sieht jedenfalls ziemlich gemein und brutal aus.«

Rufius runzelte die Stirn. »Ich nehme doch an, dass mehr in einem Mann steckt, als der reine Augenschein erkennen lässt. Ein kurzes Gespräch mit ihm könnte sogar lehrreich sein. Vielleicht leistet er uns auf einen Becher Gesellschaft.«

Er winkte dem anderen Mann, sich zu ihnen zu setzen. Der Britannier stand auf, ging zu ihnen und hockte sich vor sie hin. Er hob fragend die dichten schwarzen Brauen über seinen harten grauen Augen. Marcus schätzte ihn auf etwa fünfundzwanzig. Der Mann nickte Rufius zu, machte jedoch keinerlei Anstalten, auch den jüngeren Marcus zu grüßen. Rufius erwiderte den Gruß und deutete dann auf die Weinflasche neben sich auf der Bank.

»Optio, wir haben uns gefragt, ob du bereit wärst, einen Becher Wein mit uns zu trinken, als Anerkennung für dein Handeln heute Nachmittag.«

Der Britannier betrachtete die beiden gelassen, bevor er antwortete: »Ich trinke nicht mit einem Römer.«

Zu Marcus’ Überraschung zuckte kein Muskel in Tiberius Rufius’ Gesicht.

»Das enttäuscht mich, aber das ist natürlich deine Entscheidung. Sag, was genau hast du gegen die berühmte Stadt meines Freundes?«

Der Britannier verzog bei dieser Frage das Gesicht. »Deine Frage erstaunt mich. Deinem Äußeren nach zu urteilen bist du bereits eine Weile hier. Also hast du sicherlich gesehen, was die Römer mit diesem Land gemacht haben – sie haben uns unsere Ländereien weggenommen, haben unsere Vorfahren getötet und unsere Frauen gefickt.«

»Und warum dienst du dann in unserer Armee?«

Die Frage entfuhr Marcus, bevor er sich beherrschen konnte. Der andere Mann drehte den Kopf zu ihm herum.

»Ich bin Britannier und diene in der Ersten Tungrischen Kohorte, nicht in deiner Armee. Ich verteidige mein Volk vor Angriffen durch die Stämme des Nordens. Ohne die Präsenz der Hilfskohorten hätten meine Leute keine Möglichkeit, sich gegen sie zu verteidigen.«

»Keine Verteidigung? Mit drei Legionen, die nur wenige Tagesmärsche entfernt von hier stehen?«

Der Mann lächelte ihn freudlos an. »Deine Legionen verteidigen die Interessen Roms – eure Minen, eure Höfe, alles, was euer Volk reich macht. Mein Volk ist schwach, seit ihr uns unterworfen habt, und es hat sich daran gewöhnt, von den Brosamen von eurem Tisch zu leben. Würden nicht Männer wie ich auf dem Wall stehen, würden die nördlichen Stämme unsere Siedlungen mehrmals im Jahr überfallen. Und deine Legionen würden nicht einmal eine Klinge heben, solange römische Interessen nicht in Gefahr sind. Danke, Tiberius Rufius, aber ich werde heute nicht mit dir trinken.«

Der Britannier erhob sich geschmeidig aus der Hocke und ging wieder zu seiner Bank zurück. Dort setzte er sich hin und schloss die Augen. Tiberius Rufius beobachtete ihn eine Weile und hob dann eine Braue, als er Marcus’ blasses, wütendes Gesicht sah.

»Hm. Er ist tatsächlich ein interessanter Mann, und ich denke, wir können jetzt auch die Möglichkeit ausschließen, dass er dumm ist. Komm, ertränken wir unseren Ärger in einem weiteren Becher Wein …«

Nachdem sie ihr Bad beendet hatten, kleideten sich die beiden Männer in ihre sauberen Tuniken und gingen wieder zu der Herberge zurück, um zu Abend zu essen. Man servierte ihnen die Ente, die Ennius ihnen versprochen hatte. Sie war perfekt geröstet und mit einer köstlichen Sauce bestrichen. Der Rotwein, den er ihnen kredenzte, entsprach der Qualität, die Marcus am Tisch seines Vaters schätzen gelernt hatte. Rufius schenkte ständig nach, bis Marcus etwas spät bemerkte, dass sein Gesicht taub wurde und er nicht mehr in der Lage war, einen zusammenhängenden Satz zu äußern. Der jüngere Mann beschloss, lieber ins Bett zu gehen. Als er unsicher zu seinem Zimmer hinauftorkelte, halb gestützt von seinem neuen Freund, erinnerte er sich plötzlich mit der nadelscharfen Einsicht der Betrunkenen an eine Bemerkung, die sein Gefährte Stunden zuvor gemacht hatte.

»Rufius … du sagtest, Merkur wäre ein guter Gott für den Haushalt eines Kaufmanns. Ich habe dir gar nicht erzählt, dass mein Vater ein Kaufmann ist …«

Dass er keine Antwort bekam, schien ihm in diesem Moment nur von geringer Bedeutung zu sein.

ENDE DER LESEPROBE