Die vergessenen Mädchen (Ein Bella DeFranco Krimi): Buch 1 der Serie "Vorortmorde" - Alexa Steele - kostenlos E-Book

Die vergessenen Mädchen (Ein Bella DeFranco Krimi): Buch 1 der Serie "Vorortmorde" E-Book

Alexa Steele

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Beschreibung

In einem elitären Vorort von New York, sterben zwei Mädchen. So etwas passiert nicht in Geenvale, mit seinen gepflegten Gärten, exklusiven Yachtclubs und Millionen-Dollar-Häusern. Aber hinter seiner perfekten Fassade, hinter den geschnittenen Hecken und Luxusautos, liegt etwas Dunkles. Junge Mädchen, abhängig von Adderall, spielen sich gegeneinander aus, um von einem der besten Colleges angenommen zu werden, und das Bedürfnis ihrer Mütter, sie dabei zu unterstützen als ginge es um sie selbst, machte es nur noch schlimmer. Bella DeFranco ist eine der besten Kriminalbeamtinnen der Abteilung "Besondere Opfer" in der Bronx. Mit gerade mal 37 Jahren, nimmt sie jeden für sich ein durch ihr gutes Aussehen, dabei ist sie genauso tapfer wie die meisten Männer, und klüger als die meisten. Aber als sie nach Geenvale geschickt wird, scheint sie sich in einem Fall zu verlieren, den nicht einmal sie versteht. Sie stolpert durch ein Land voller Geheimnisse, einen Ort, an dem Ehemänner ihre Vergangenheit vor ihren Frauen verstecken, wo Freundinnen nicht das sind, was sie scheinen, und wo sich niemand großartig für irgendetwas interessiert. Während sie sich immer weiter durch die Missstände in der Vorstadt durcharbeitet, findet sie heraus, dass sich hinter all den aufgesetzten Lächeln eine raffinierte Art der Gewalt versteckt - die es sogar mit den Straßen ihrer Bronx aufnehmen kann. Mit einem frei herumlaufenden Mörder, unter großem Zeitdruck und mit einem neuen Partner, der sich nie ganz von seiner gescheiterten Zeit als Alkoholiker erholen konnte, stehen die Chancen nicht besonders gut für Bella. Aber sie ist trotzdem fest entschlossen, die Mädchen zu retten, egal zu welchem Preis. Und trotzdem, als sie dem Fall näher kommt, ist sogar sie von dem Grad an Psychosen, den sie entdeckt, schockiert….

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Seitenzahl: 350

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Die vergessenen Mädchen

(Ein Bella DeFranco Krimi)

 Über Alexa Steele

Alexa Steele ist Anwältin und praktiziert in New York City, wo sie mit ihrer Familie lebt. Außerdem liebt sie Kriminalgeschichten - schon ihr ganzes Leben lang. DIE VERGESSENEN MÄDCHEN ist ihr Debut als Romanautorin.

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Copyright © 2014 von Alexa Steele

Alle Rechte vorbehalten. Abgesehen von den Ausnahmen der U.S. Copyright Act von 1976, darf kein Teil dieser Veröffentlichung kopiert, verbreitet oder in irgendeine andere Form übertragen werden, etwa in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne ausdrückliche Erlaubnis des Autors.

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Bei diesem Buch handelt es sich um Fiktion. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten entspringen ausschließlich der Vorstellungskraft der Autorin oder werden fiktiv gebraucht. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen, ob tot oder lebendig, sind rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

KAPITEL 35

KAPITEL 36

PROLOG

Joslyn Freed hatte schon immer Angst vor Wasser gehabt. Heute, als sie auf dem Weg nach unten zum Ufer war, allein in der Dunkelheit auf dem unwegsamen, holprigen Pfad, stieg das Bedürfnis in ihr auf, sich einfach umzudrehen und so schnell sie konnte wegzulaufen. Natürlich machte sie das nicht. Sie hatte gesagt, dass sie da sein würde, und sie würde da sein.

Langsam und vorsichtig suchte sie ihren Weg, ihre glänzenden, endlos hohen Stilettos schwankten unter ihrem Gewicht. Als sie auf ein paar lose Steine trat, gaben sie nach. Sie rutschte aus und fiel, konnte sich aber abfangen, als sie auf der Seite landete.

Leicht verdattert richtete sie sich auf, strich den Schmutz von ihrem Kleid und setzte ihren Weg unsicher fort, herunter zur Yacht, wie sie es versprochen hatte.

Joslyn hatte schon bedauert, dass sie sich auf dieses Treffen eingelassen hatte, bevor sie überhaupt das Haus verlassen hatte. Und jetzt, als sie am Steg ankam, war ihr mulmig zumute. Bei dem Geruch von Salzwasser und Fisch zog sich ihr Magen zusammen.

Dann musste sie sich übergeben.

Sie fühlte sich elend, als sie sich wieder aufrichtete und zurück auf den Hügel schaute zu den Lichtern im Club. Die entfernte Geräuschkulisse aus Stimmen und Gelächter klang unheimlich weit weg.

Sie drehte sich wieder um. Das Tor zum Hafen vor ihr hing lose in seinen Angeln und brachte sie wieder in Versuchung - sollte sie einfach umkehren? Das Wasser schlug schäumend und spritzend gegen die Seite des Stegs. Sie fühlte sich unwohl und drehte sich weg.

Joslyn hatte das Meer noch nie gemocht, sie fand es einfach viel zu unvorhersehbar. Sogar als junges Mädchen konnte sie sich nicht entspannen, wenn sie sich in der Gewalt des Meeres fühlte. Während ihrer Familienurlaube hatte ihr Vater oft ihre Hand genommen und war mit ihr weit heraus ins Wasser gegangen bis zu dem Punkt, an dem sie durch die riesigen Wellen tauchen konnten, die über ihnen brachen, eine nach der anderen. Sie hatte immer den Atem angehalten, selbst wenn sie aufgetaucht waren um Luft zu holen. Und sie hatte ihn immer gebeten, sie zurück zum Ufer gehen zu lassen. Er hatte einfach gelacht.

Joslyn stand wie angewurzelt, starrte auf das aufgewühlte, tiefe Wasser und wünschte sich, sie hätte sich nicht überreden lassen nach hier unten zu kommen. Sie musste endlich lernen, nein zu sagen und sich nicht mehr so sehr über die Gefühle der anderen Gedanken zu machen. Genau das war ihr Problem: Sie war einfach zu nett. Nach dem heutigen Abend, beschloss sie, war es an der Zeit ein paar Dinge zu ändern.

Als ersten Schritt würde sie in diesem Sommer Greenvale verlassen und ihre Schwester, die in ihrem Elternhaus lebte, zu besuchen. Die Jahre waren verstrichen, ohne dass sie ihren Töchtern das einfache Leben ihrer Kindheit im ländlichen Wisconsin gezeigt hatte - es war so anders als das Leben, das sie hier kannten. Sie würde eine Reise unter Mädels als Überraschung planen, zu Ehren von Carly, ihrer ältesten, die in diesem Herbst mit dem College beginnen würde. Bei dem Gedanken an das College überkam sie eine Welle der Traurigkeit, sie musste als sie an den doppelten Selbstmord von zwei Schülerinnen der Grrenvale High School denken, die Charly beide gekannt hatte. Statt ihre Töchter aufs College zu schicken, mussten sich ihre Mütter um ihre Beerdigungen kümmern. Was leif nur falsch in dieser Stadt?

Nur eine für ein paar Monate wegzugehen wäre nicht genug, und sie wusste es. Sie musste diese giftigen Beziehungen beenden, die ihr Leben durchdrangen, angefangen mit dieser hier, der schlimmsten von allen. Wirklich, was gab es denn noch zu sagen? Sie waren krass unterschiedlich, und dieser allerletzte Versuch etwas neu zu beleben war eigentlich Zeitverschwendung. Das war das letzte Mal, dass sie sich einnehmen lassen würde, versprach sie sich selbst. Es war überfällig, diese Beziehung zu beenden.

Joselyn zwang sich nach vorne zu gehen durch das Tor, über den Steg und zu den Yachten, die wie Sardinen aufgereiht waren. Ihre Anweisungen waren klar: geh ganz bis zum Ende. Dann würde die Paradise Found zu ihrer Linken liegen.

Sie war seit Jahren nicht mehr auf einer Yacht gewesen, obwohl sie viele Male eingeladen worden war. Als sie an den Yachten vorbei ging stellte sie fest, dass sie vergessen hatte, wie beeindruckend sie aus der Nähe wirkten, eine prächtiger als die andere.

Sie schienen geradezu nach Geld und Freizeit zu schreien, mehr als alles andere. Sie dachte an die Gala an diesem Abend, im Prinzip war es die gleiche Nachricht: Selbstzufriedenheit lag in der Luft, denn man war reich, privilegiert und einfach toll.

Plötzlich dämmerte es ihr. Es war nicht der Wohlstand in ihrer Stadt, der ihr zu schaffen machte - sie mochte Schönheit und Luxus genau so wie alle anderen. Es war die Art, wie alle um sie herum den Wohlstand vergötterten. Es war die Art, wie alle versuchten ein perfektes Bild abzugeben, ganz besonders durch ihre Kinder: erfolgreich, koste es, was es wolle, zu jedem Preis, war das Ziel Nummer Eins von allen.

Sie hatte mehr als genug von diesem Einfluss, der Selbstabsorption, der kontinuierlichen Beschäftigung mit sich selbst und in diesem Sinne auch mit seinen Kindern. Dabei hatte niemand, den sie kannte die Welt gerettet, soweit sie sich erinnern konnte, ein Mittel gegen Krebs erfunden, arbeitete als Feuerwehrmann und rettete leben. Offen gesagt ekelte sie das Ganze an, und sie selbst sich auch, weil sie sich so sehr darauf eingelassen hatte. Irgendwo auf ihrem Lebensweg war ihr Leben zu einer Blase aus Geld, Privilegien, Status und unmäßiger Selbstbesessenheit verkommen. Es erstickte sie; sie musste hier weg.

Es war fast schon unheimlich ruhig, als Joslyn den wackeligen hölzernen Steg entlang ging. Eine unsichtbare Gewalt schob sie vorwärts. Zwei Laternen an jedem Ende gaben mattes Licht, und ein paar verirrte Sterne hingen am Himmel, trotzt der schnell ziehenden Wolkendecke. Die Yachten ächzten ärgerlich und kämpften gegen die Seile, mit denen sie angebunden waren.

Nach ein paar weiteren zögernden Schritten erreichte Joslyn die 18 Meter lange Alden Ketch, sie ganz am Ende seitlich befestigt war.

Ein kleiner weißer Zettel hing an einem Pfahl vor der Landungssteg, die Worte waren in dem dämmrigen Licht kaum lesbar „Komm herein!“

Joselyn schaute die Landungsbrücke entlang und sah, dass die Kabine erleuchtet war.

Er versucht, goldig zu sein, dachte sie.

Als sie ihre Stilettos aufband, hörte sie, wie eine Tür auf der Yacht zuschlug und schaute nach oben. Dort war niemand. Wo war Fred? Er arbeitete immer während Parties am Hafen, aber ihr war schon aufgefallen, dass er heute nicht in seinem Stuhl in der Nähe des Eingangs gesessen hatte.

Sie ließ ihre Schuhe auf dem Steg liegen, nahm ihre Tasche und hielt sich am Geländer des Landungsstegs fest, während sie vorsichtig auf den Brettern entlang ging. Sie fühlte sich wie ein Eindringling, als sie dort stand, barfuss auf dem schaukelnden Deck aus Teakholz, und sich bemühte das Gleichgewicht zu halten.

Die Tür zur Kabine war halb geöffnet und ein warmes, angenehmes Licht schien von innen heraus wie eine Zufluchtsort vor den Elementen, vor dem schäumenden Meer. Zögernd ging sie darauf zu. Als sie an der Tür ankam, hatte Joslyn plötzlich eine schreckliche Vorahnung. Noch bevor sie genau verstehen konnte, was es war, nahm sie eine Bewegung wahr und sah ein Gesicht, vor Wut verzerrt, das auf sie mit voller Geschwindigkeit zukam. Sie war verwirrt als sie Hände sah, die trotz der warmen Temperaturen Handschuhe trugen und sich direkt auf ihren Mund zubewegten - und das letzte, was sie sah, als sie ihren Mund umklammerten, war das Teakholz dieser Millionen-Dollar-Yacht, auf das sie zustürzte.

KAPITEL 1

Sobald er aufgelegt hatte wusste Billy durch einen gewissen Knoten im Bauch, den er gut kannte, dass Isabella die einzige Kriminalbeamtin war, die für einen Fall wie diesen geeignet war. Sie war die klügste Kriminalistin in seiner Abteilung „Besondere Opfer“, und ihr Steckenpferd waren ihre Fähigkeiten im Umgang mit Frauen. Einen Vorteil hatte sie schon mal deshalb, weil sie selbst eine Frau war, aber sie hatte diesen Vorteil genommen und verfeinert, indem sie die empfindlichsten Fälle der Abteilung übernommen hatte. Diese Fähigkeit könnte hier mal wieder nützlich sein - Freundeskreis im Country Club, Tony Town, Mutter von zwei Töchtern - das war eine ganze Menge Frauen, mit denen man zurecht kommen musste.

Mit 37 Jahren war Isabella die jüngste Kriminalbeamtin des Landes. Sie war seit zwölf Jahren bei der Polizei und hatte sich einen Namen gemacht, indem sie einen Clou nach dem anderen gelandet hatte. Durch ihr umwerfendes irischen Aussehen - langes, lockiges rotblondes Haar, große grüne Augen, Sommersprossen auf ihrer schmalen, zarten Nase und einem perfektem Körper - sah sie so ziemlich nach allem aus außer nach Polizistin. Auch der Abschluss in Forensischer Psychologie, den sie abends an der John Jay Universität gemacht hatte, hatte ihrer Karriere nicht gerade geschadet. Deshalb war Isabella eine der ersten, an die Billy gedacht hatte, als er in seinem Revier die Abteilung „besondere Opfer“ eingerichtete - die erste Spezialabteilung dieser Art im ganzen Land, die sich mit Frauen und Kindern, die sexuell angegriffen oder getötet worden waren, befasste.

Billy hatte sie einmal zuvor getroffen und kannte ihren Ruf, als er auf sie zukam. Drei Monate später war der Wechsel abgeschlossen. Ihre Schönheit blendete ihn ein bisschen, das ging den meisten anderen ebenso. Seine einzige Sorge war, ob die Männer in seiner Abteilung mit ihr zusammenarbeiten konnten. Er hoffte, dass ihre Erfolgsbilanz ihr die Glaubwürdigkeit verlieh, die sie bei ihnen brauchte, und er stellte sicher, dass sie alle ihren Ruf und ihre letzten Erfolge kannten, als sie ankam - etwa die Klärung der Mordes an der Tochter eines Stadtrates, ein Mädchen, das in einem Crack-Haus in East Harlem tot aufgefunden worden war.

“Sie sieht zu gut aus, um jemals für eine Polizistin gehalten zu werden, und sie weiß, wie sie das zu ihrem Vorteil nutzen kann“, überzeugte Billy seine Vorgesetzten. „Eine unschlagbare Kombination.“

In den fünf Jahren, die sie in seiner Abteilung war, hatte er sie lieben gelernt wie eine Tochter. Sie war in sein Revier gekommen, bereit zu machen, was auch immer gebraucht wurde. Sie arbeitete härter als die meisten seiner Männer und verbrachte Stunden damit über endlosen Papieren zu grübeln. Sie konnte psychologische Gutachten lesen und interpretieren, sie kannte sich mit Forensik aus, war im Verhör wie ein Pit Bull und konnte beide Seiten abdecken: aggressiv im Umgang mit Verdächtigen, sensibel und fürsorglich im Umgang mit Opfern. Sie ging später nach Hause als die andern, brauchte keine Lorbeeren und nahm jede Aufgabe an, die ihr zugeteilt wurde. Er wusste nicht, was genau sie antrieb, aber sie hatte einen Antrieb. Es war schwer sie nicht zu lieben. Er hatte ihr einen Partner geben wollen und hatte es mit ein paar Typen versucht, aber weil die meisten Single waren, geschieden oder gerade eine Trennung durchliefen, kam es unweigerlich zu brenzlichen Situationen  seitens der Männer, nicht bei ihr. Verdammt noch mal, sogar er - glücklich verheiratet seit dreißig Jahren - hätte es nicht einfach sich zu konzentrieren, wenn er mit ihr allein im Wagen wäre. Deshalb arbeitete sie die meiste Zeit allein, und es schien ihr nichts auszumachen.

Dieser Fall war auf eine andere Weise schwer - sie hatte nicht den Luxus sich Zeit lassen zu können. Alle würden die Augen darauf haben, jeder sie genau beobachten. Es könnte schnell zu einer Abwärtsspirale kommen, und für seinen Freund Dennis konnte es das Ende seiner Karriere bedeuten.

Billy griff zum Hörer und rief sie an. Sie nahm gleich beim ersten Läuten ab.

„Das ist besser als gut,“ grüßte sie ihn verschlafen.

„Es ist besser als gut, ich brauche dich hier, und zwar sofort.“

„Sonst?“

„Das ist kein Witz, Bella. Die Frau eines Hedge Fond Managers, Mutter von zwei Kindern. Sexuell angegriffen und dann getötet. In Greenvale. Ich erzähle dir den Rest, wenn du hier bist. Beweg einfach deinen Hintern in den Wagen und komm rüber. Jetzt.“

Billy legte auf und dachte nach. Für diesen Fall musste er Bella einen Partner geben. Die Frage war nur, wen.

Menendez war ihm eingefallen. Ein bisschen schwierig vielleicht, aber er hatte das Gefühl, dass es klappen könnte. Nachdem er seine Eingebung kurz abgewägt hatte, griff er zum Telefon und wählte seine Nummer aus dem Gedächtnis. Während er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, drehte er sich um und schaute auf den strömenden Regen herab. Es war gerade mal zwanzig nach vier an diesem verdammten Morgen. Ein wirklich trostloser Tag. Ein wirklich trostloses Leben. Er hörte Mack’s Stimme am anderen Ende. „Aufstehen und leuchten, Sonnenschein, es ist Zeit für deine Morgenlatte.“ Billy begann zu grinsen.

„Das ist gerade dabei sich zu ändern, mein Freund. Beweg deinen Hintern ins Auto und komm auf das Revier. Jetzt. Jetzt sofort. Da ist jemand, den du treffen solltest.“

KAPITEL 2

4:30 Uhr blinkte die Digitaluhr in Neonblau, als das Handy von Isabella DeFranco unbarmherzig auf ihrem Nachttisch vibrierte. Während sie danach griff wusste sie schon, dass es eine weitere Nachricht von Billy war. Sie war schon wach durch ihr Telefonat mit ihm.

„Scheiße,“ sagte sie zu sich selbst, als sie ihren Kopf in ihr weiches Kissen vergrub und ihre seidene Bettdecke eng um ihre Schultern zog. Sie hörte, wie der morgendliche Regen gegen die Fenster prasselte und lag einfach still, schaute auf den stetigen Strom der Autos, die sich in der Ferne über die Brücke bewegten. Kleine, reisende Lichtflecken, einer nach dem anderen, alle irgendwohin unterwegs. Sie hatte ihr Gespräch noch genau im Kopf: Die Frau eines Hedge Fond Managers, zweifache Mutter, sexuell angegriffen und ermordet in Greenvale.

Greenvale?

Bella setzte sich in ihrem Bett auf. Sie hatte schon von diesem Ort gehört, aber er lag weit entfernt von ihrem Einsatzgebiet - etwa eine Stunde nördlich, mitten im Westchester County, dem Land der Reichen, Schönen und Sorgenfreien. Warum zum Teufel rief er sie wegen dieser Sache an?

Sie schleppte sich widerwillig aus dem Bett und ging ins Bad. Mit halbgeöffneten Augen schaute sie in den Spiegel auf ihr langes, gewelltes Haar und begann es zu bürsten, bis aus dem regellosen Durcheinander ein glatter Pferdeschwanz wurde.

Sie putzte sich die Zähne, immer noch im Halbschlaf, nahm einen Spritzer Parfum, strich etwas Augencreme unter ihre großen, grünen Augen und tupfte Vaseline auf ihren Schmollmund - das war der volle Umfang ihrer Morgenroutine. Zurück in ihrem Schlafzimmer schlüpfte sie in enge Jeans, schwarze, knöchelhohe Lederstiefel und ein enges, schwarzes Hemd. Sie dachte daran ihr Bett zu machen, fand aber, dass die Zeit dafür zu schade sei - sie erwartete keinen Besuch.

Bella dachte über Billy’s Anruf nach, während sie auf das Revier fuhr. Der Gedanke, in einen Vorort geschickt zu werden war nicht gerade aufregend. Sie hatte nie Zeit in den amerikanischen Kleinstädten verbracht - nicht, dass sich Greenvale wie der Rest des Landes anfühlen oder so aussehen würde - und sie hatte keine besondere Lust das jetzt zu nachzuholen.

Sie hatte genug gesehen um zu wissen, dass die Reichen und Mächtigen anders lebten als der Rest der Menschheit: Sie vergruben sich in teuren Buden, vielleicht um den Kontakt zu niedrigeren Lebensformen zu vermeiden, die anderes waren, oder, noch schlimmer, arm, und sie schienen ein eigener Menschenschlag zu sein. Sie erinnerte sich an ein Gespräch zwischen ihr und Ryan, ihrem Exfreund, das sie gehabt hatten nachdem er vorschlug, ein Haus in einem der Vororte zu kaufen, damit sie einen Gang zurückschalten konnte. Diese Idee hatte sich schnell erledigt. Bella hielt die Augen auf die trostlose Straße der Bronx gerichtet, und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf den strömenden Regen. Ein neuer Tag im Paradies stand an.

*

Als Bella im Revier ankam, ging sie gleich mit zwei Tassen dampfend heißem Dunkin Kaffee in Billy’s Büro und war überrascht als sie sah, dass er nicht allein war.

In einer Ecke stand ein kräftiger Mann, bestimmt 1,90 Meter groß, knapp 130 Kilo, schwer, dunkel mit gewelltem Haar, das an den Seiten grau zu werden begann. Sein Gesicht schien wie gemeißelt mit kräftigen Wangenknochen und einem Unterkiefer voll grauer Stoppeln.

Er trug ein schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans und schwarze Springerstiefel, genau wie sie. Er sah nach Mitte fünfzig aus und lachte sie weder an, noch versuchte er sich bei ihr einzuschmeicheln, wie die meisten anderen Typen. Sein Gesichtsausdruck blieb einfach, wie er war, als sie den Raum betrat und Billy sie begrüßte. Es war ein gelangweilter Ausdruck.

“Bella, Bella,” sagte Billy, sein Gesicht heiterte sich auf als sie eintrat. „Komm rein, ist der Kaffee für mich?“ fragte er, während er die zwei Tassen in ihrer Hand bemerkte. Ohne die Antwort abzuwarten nahm er eine Tasse, öffnetet den Deckel, nahm einen Schluck und setzte sich in seinem Stuhl zurück mit einem zufriedenen Ausdruck auf seinem verwitterten, knittrigen, liebenswertem Gesicht.

„Woher wusstest Du, dass das genau das ist, was ich brauchte, du Schatz?“ fragte Billy. „Es ist halb sechs am Morgen, und du sitzt hier in diesem beschissenem Büro, das war nicht gerade schwer,“ antwortete Bella.

Er grinste, nahm ein paar weitere Schlucke und sagte: „Da ist jemand, den du treffen solltest. Es ist der Kriminalbeamte Jimmy Menendez. Wir nennen ihn Mack.”

“Wer ist wir?” fragte Bella, und ihre Augen trafen die von Mack.

Mack schaute amüsiert und reichte die Hand um ihr guten Tag zu sagen, dabei wurde ein großes Tattoo sichtbar, das sich über seinen kompletten rechten Unterarm zog, eine Frau, die sich um eine Schlange geschlungen hatte, darunter der Name „Mary“. Seine Hände waren groß und rau, und sein Griff war fest.

„Morgen,“ war alles, was er sagte.

Mack sah aus wie eine Horrorversion von Benicio del Toro, dachte Bella.

“Mack, das ist die Kriminalbeamtin Isabella de Franco—wir nennen sie Bella,” sagte Billy.

“Kosenamen muss man einfach mögen,“ war alles, was Mack sagte.

“Setzt euch hin, ihr zwei” wies Billy sie an.

Weder Mack noch Bella schauten sich an, als sie sich setzten.

„So, fangen wir also an?“ rügte Billy, als er auf beiden Seiten den fehlenden Enthusiasmus bemerkte. „Kommt schon, Kinder, benehmt euch wie Erwachsene und springt über euren Schatten. Der Tag hat gerade erst angefangen, und es wird ein langer.“

Von allen Leuten, die Billy ihr hätte aufdrücken können, hatte es unbedingt Jimmy Menendez sein müssen. Es reichte wohl nicht, dass er sie irgendwo aufs Land schickte in einen dieser hochnäsigen Vororte, anscheinend sollte sie mit einem alten Sack los ziehen, über dessen Alkoholprobleme jeder im Revier Bescheid wusste und die so schwerwiegend geworden waren, dass sie seine Karriere unterbrochen hatten. Sie hatte seinen Namen schon zuvor gehört inklusive der Gerüchte - für die einen war er ein Held, für die anderen reine Zeitverschwendung.

“Bei allem Respekt, Billy, was soll das?“ fragte Bella. „Was ist hier los?“

“Dennis braucht unsere Unterstützung,” begann er. “Er ist ein enger Freund, verdammt noch mal, er ist wie ein Bruder, und gerade ist er durch den Wind. Mack wird dir Gesellschaft leisten und dich unterstützen. Ich weiß, dass du nicht gerade begeistert bist von diesem Fall, und ich verstehe das. Aber wenn wir diese Geschichte nicht lösen, und zwar schnell lösen, war es das mit seiner Karriere. Er braucht mich, und das heißt, ich brauche dich.“

Sie schaute auf Mack und überlegte, wie zum Teufel ein Typ wie er in einem der Vororte ankommen würde. Ganz abgesehen von seiner Größe sah er aus wie ein Kubaner. Das war kein Problem für sie, aber sie schätzte seine Chancen bei den Leuten auf dem Lande nicht gerade hoch ein. Er sah eher aus wie ein professioneller Wrestler als wie ein Mann, der sich gut unter Reiche mischen konnte.

„Macht es dir was aus mir zu sagen warum es geht?“ wandte sich Mack an Billy und klang müde. „Du hast mich aus meinem schönen, kleinen Schlummer geweckt und hierhin kommen lassen, und ich habe immer noch keine Ahnung warum.“

Bella legte den Kopf auf die Seite um ihn besser betrachten zu können. Eigentlich sah er sehr gut aus, abgesehen von seinem Benehmen und seinem Nacken, aber er schien eine Primadonna zu sein, und was für eine!

Billy holte tief Luft und brachte sie beide auf seinen neuesten Stand: Ein weiblicher Körper war tot aufgefunden worden mit Spuren eines sexuellen Übergriffs,  auf einer Yacht des elitären Hafens im Norden. Ihr Name: Joslyn Freed. Ehemann: der mächtige Hedge Fund Manager Jamie Freed. Zwei Töchter auf der High School. Todesart unbekannt.

“Gestern Abend war eine große Veranstaltung in einem dieser Clubs dort. Hunderte Menschen waren da. Aber die Sache hat einen Haken - und deshalb seid ihr zwei hier.“ Billy machte eine Pause und strich sich durch die Haare.

„Was meinest du?“ fragte Bella.

“Letzten Monat wurden zwei Schülerinnen der örtlichen High School tot aufgefunden, erhängt in einer Garage. Der Tod dieser Mädchen wurde als doppelter Selbstmord abgetan und der Fall geschlossen.“

„Na und?“ fragte Bella und zog die Augenbraue nach oben.

„Als die Mädchen abgehängt wurden, hatte jede von ihnen ein Band um ihren Hals mit einem Wappen am Ende, wie eine Art Trophäe. Dennis ist so in Panik, weil das Wappen wieder aufgetaucht ist - es hing um den Hals von Joslyn Freed.“

Er machte eine Pause, damit sie die Informationen sacken lassen konnten. Keiner sagte etwas.

„Sieht so aus, als würde sich unser Mörder ganz gut amüsieren,“ sagte Billy.

„Warum gerade mich?“ fragte Mack.

„Ja, warum gerade er?“ fügte Belly hinzu.

Das ist nicht der übliche Zirkus, Kinder.“  Billy sprach langsam und schaute vom einen zum anderen. „Dieser Fall zieht die Presse an wie Honig die Bienen - die Medien stehen schon Schlange. Wenn sich herausstellt, dass es eine Verbindung gibt zu dem Mord an den Schülerinnen wird die Hölle los sein. Außerdem sind diese Leute von einem anderen Schlag - sie sind es gewohnt, dass man behutsam mit ihnen umgeht. Wir müssen die Sache vorsichtig angehen.“

Bella schaute zu Mack und lächelte zynisch. Billy las ihre Gedanken.

„Das ist deine Aufgabe, meine Liebe. Mack hat seine eigenen Mittel.“

Billy und Bella wechselten einen Blick.

“Bella, er ist von der alten Schule,” fuhr Billy fort, als  ob Mack nicht im Zimmer wäre. „Wir arbeiten seit Ewigkeiten zusammen. Ich habe ihn aus seinem selbstgewählten Sabbatical zurückgerufen“ und dann sagte er mit einem Blick auf Mack „weil ich glaube, dass ihr zwei euch ergänzt und gut zusammen arbeiten werdet. Jeder von Euch hat die Fähigkeiten diesen Fall zu lösen, und zwar schnell.“

Bella setzte sich und runzelte die Stirn, offensichtlich war sie nicht glücklich.

Billy wandte sich an Mack.

„Bella ist mein Mädchen für Sexfälle. Sie löst diese Fälle praktisch allein. Sie ist ein Ass im Ärmel. Ich will, dass du wieder mit im Spiel bist, mein Freund. Und das könnte genau der richtige Fall dafür sein,“ sagte Billy mit einem Funkeln in den Augen.

Mack hielt den Blick auf Billy gerichtet und begann ein langsames, selbstgefälliges Lächeln. Billy fuhr fort: „Dieser Fall muss eigentlich bis gestern gelöst sein, sonst sage ich euch, werden Köpfe rollen, besonders der von Dennis. Ich brauche euch, als Team, nicht als Drama.“ Billy lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne und studierte die beiden mit einem Blick, den Bella nur zu gut kannte.

„Ich bitte euch hier um einen Gefallen. Ich weiß, dass keiner von euch solche Fälle mag. Dennis hatte in den letzten zwanzig Jahren kaum andere Fälle als Verstöße gegen die Verkehrsregeln. Bei mir arbeiten Brad und Marlowe an dem Rotgar Mord, Chase und Tony sind völlig unter Wasser, und der Fall Clayton Boulevard steht auch nicht gerade gelöst.”

„Ich habe ein paar Kontakte im Fall Clayton,“ sagte Bella, aber das stimmte nicht ganz. „Lass mich an dem Fall weiter arbeiten und schicke Quinn nach Greenvale. Ich bin da an was dran.“

„Nicht schnell genug. Außerdem würde Quinn nicht wissen, wie er mit den ganzen Frauen umgehen soll.“ Sagte Billy mit resignierter Stimme. „Zum Teufel, du bist dabei das Land der Frauen zu betreten, mit all den Freundinnen des Opfers, ihren Töchtern, den Schülerinnen, den Müttern - vergiss es. Quinn wüsste überhaupt nicht, wo er anfangen sollte. Sobald du diesen Fall gelöst hast, Mack, kannst du wieder das machen, was du zur Zeit so machst, und Bella, du kannst den Urlaub nehmen, den du schon so lange verdient hast aber nicht nehmen willst.“

„Einen Fall in Greenvale zu bearbeiten ist Urlaub genug.“ Bella klang müde. „Mensch, du hast gar nicht gesagt, dass es in Greenvale ist,“ sagte Mack und rieb sich das Kinn, „dort war ich mal, als ich jung war.“

„Ha,“ sagte sagte Billy. „Ich auch.“

„Im Ernst, ich kannte ein Mädchen, das dort lebte…“ Mack stockte langsam

Bella konnte nicht sagen, ob Mack Witze machte oder nicht, aber Billy schien die Geschichte für möglich zu halten.

„Gut, dann war mein Gefühl richtig, und du bist genau derjenige, den ich anrufen sollte,“ sagte Billy. „Für dich handelt es sich also um bekanntes Gebiet.“

„Wir haben es nicht so oft geschafft, ihr Schlafzimmer zu verlassen, aber ich müsste mich erinnern, wie man dorthin kommt.“ Mack grinste, als hätte er eine wirklich witzige Bemerkung gemacht.

 Bella fand das nicht lustig. Sie kannte sich mit Typen wie ihm aus. Reines Testosteron und Arroganz, so voll mit sich beschäftigt, dass sie nicht einmal mitbekamen, wenn sie eine Lösung direkt am Kopf traf, besonders wenn es dabei um sie selbst ging.

„OK, ich sagte euch, was ich will,“ sagte Billy.

Er stand aus seinem Sessel auf und ging um den Schreibtisch herum, dann stand er direkt zwischen ihnen wie ein Direktor mit zwei Schülern. In einem fast schon väterlichem Ton schaute er zu Mack und sagte:

„Du musst zurück aufs Spielfeld, mein Freund. Das war jetzt lang genug. Steck diese verdammten Dämonen wieder in ihre Kiste und gib mir das, was ich hier brauche.“

Dämonen? So eine Scheiße, dachte Bella. Billy wurde direkt vor ihr indiskret, was ihr nicht gerade gefiel. Sie warf Mack einen verstohlenen Blick zu und merkte, dass er auf die Bemerkung überhaupt nicht reagierte. Er war ungefähr so emotional involviert wie ein alter Lastwagenfahrer, dem seine Route zum tausendsten Mal erklärt wurde.

Dann wandte Billy ihr seine Aufmerksamkeit zu.

“Bella, wir sind in diesem Spiel im Rückstand und müssen aufholen. Ich unterstütze dich von meiner Seite aus. Du bist mein Mädchen. Ihr zwei fahrt jetzt dorthin, und du siehst dich einfach um und schaust, was du herausfinden kannst.“

Das waren die magischen Worte. Immer wenn Billy sie „sein Mädchen“ nannte, machte es keinen Sinn sich dagegen zu wenden. Dann handelte es sich um eine beschlossene Sache.

Sie nickte Billy zu als sie aufstand, Mack folgte ihr und streckte sich, während er in die Ecke schlenderte um seine schwarze Lederjacke vom Haken zu nehmen.

„Ich schätze, dass ist die Sache mit dem Leben, Billy, die Sache, an die ich mich einfach nie gewöhnen konnte,“ sagte Mack, während er seine Motorradjacke über die Schulter warf. „Du kannst den Tag als absoluter Looser beginnen, und ihn dann als Held beenden.“

Billy schaute überrascht nach dieser Bemerkung, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte Bella, Besorgnis in seinen Augen zu sehen.

Mack zuckte mit den Schultern.

„Oder du beginnst den Tag ganz oben—und am Abend bist du tot.“

KAPITEL 3

Bella saß auf dem Beifahrersitz, als Mack den blauen Ford Sedan ausparkte und nach Norden fuhr. Sie schaute aus dem Fenster und ließ den industriell-urbanen Verfall auf sich wirken. Mit Graffiti bedeckte Bauprojekte, Hügel aus verstreutem Müll und Stacheldrahtzäune, um die Leute vor dem Highways zu schützen, oder anderes herum.

Kilometer um Kilometer folgten zerfallende Gegenden, die an eine Parkanlage stießen, Orte, deren Untergrund Bella genau kannte.

Schließlich verschwanden die ausgebrannten Lagerhäuser, die verlassenen Geschäfte und die leeren, kaputten Spielplätze wie von Zauberhand. Stattdessen kamen blühende Bäume, gepflegte Sportplätze und Einkaufszentren. Sogar ohne das vorteilhafte Licht des frühen Morgens war es schwer, die Schönheit und Ordnung beim Eintritt in Westchester County zu leugnen, eine Schönheit, die zu gleichen Teilen von der Natur und von  Menschen gemacht war.

Sie dachte an ihr Appartement in der Bronx - eine kleine Wohnung mit einem Schlafzimmer, Linoleumboden in der Küche und 2,40 Meter hohen Decken. Sie war nichts Besonderes, als sie den Mietvertrag unterschrieb, aber sie hatte daraus ihren ganz eigenen Zufluchtsort gemacht, mit Wänden in gedämpften Farben und ein paar ausgewählten Stücken schön gearbeiteter Möbel, die sie auf hochkarätigen Flohmärkten über die Jahre gesammelt hatte. Es war ihr wirklich gelungen, den Ort in ein kleines Schmuckstück zu verwandeln. Ein antiker französischer Spiegel aus dem 18. Jahrhundert hing in ihrem kleinen Foyer, ein Auberginen-farbenes, geschwungenes Samtsofa stand in ihrem kleinen Wohnzimmer, begleitet von zwei Stahltischen von ABC. Zwei signierte schwarz-weiß Fotos von Greta Garbo als junge Frau hingen in passenden Rahmen aus Kastanienholz an einer grau getönten Wand; und ihr Lieblingsstück von allen - ein gewebter Baumwollstuhl von George Smith in blassem Rosa - stand schräg unter dem Fenster neben einer ultra-modernen Bodenlampe aus den 1970ern.

Die Suche nach gut designten, schönen Möbeln zu Preisen, die man verhandeln konnte, war etwas, das Bella schon seit ihrer Kindheit geliebt hatte. Eine ihrer schönsten Kindheitserinnerungen waren die Samstage, an denen sie zusammen mit ihrer Tante hochwertige Secondhand-Läden und Flohmärkte durchstreift hatte. Bis heute  schwelgte sie in diesem Vergnügen, wenn sie Zeit hatte, und das war selten. In ihrem nächsten Leben, hatte sie sich vorgenommen, würde sie mit Möbeln handeln. Im Augenblick musste sie allerdings einen Mordfall lösen.

Während sie schweigend fuhren, tröstete sich Bella damit, dass sie den Fall als die Pause betrachtete, von der jeder sagte, dass sie sie brauchte; eine Erholung von den letzen  Morden an Prostituierten auf dem Clayton Boulevard. Was sollte so schlecht daran sein, eine kleine Pause von dem gefährlichen Chaos ihres Lebens zu haben? Es wäre einer Art Kurzferien, ein Spaziergang im Park, versuchte sie sich einzureden. Sie würde die Zeit nutzen um sich zu erholen.

Als ob er ihre Gedanken lesen konnte, begann Mack plötzlich zu sprechen. „Du hast keine Lust auf diesen Fall, stimmt’s?“

Bella war nicht sicher, was sie darauf antworten sollte.

“Ja, das stimmt,” gab sie zu. “Obwohl ich es nicht sein sollte. Schließlich bleibt ein Mord ein Mord.”

“Ja, aber ich kann verstehen, warum dieser Fall nichts für dich ist. Es klingt, als wärst du eine Menge Action gewohnt.“

„Die Arbeit im Bereich Besondere Opfer ist ziemlich intensiv,“ sagte Bella. „Ich weiß nicht, was uns hier erwartet, aber ich bin sicher, dass es viel sauberer sein wird.“

Er lachte sie zum ersten Mal an. „Das denkst du wirklich?“

Sie wusste nicht, ob er gerade nett war oder herablassend. Er klang ein bisschen nach beidem.

„Ich rate bloß,“ war alles, was sie antwortete.

„Wette lieber nicht darauf,“ riet er mit einer arroganten Bewegung seines Kinns. Sein Gehabe ging ihr auf die Nerven.

„Sauber oder dreckig — für mich ist es das gleiche.” Sie schaute geradeaus, während sie das sagte, und sandte so deutlich die Nachricht aus, dass sie nicht mehr sprechen wollte. Der Regen prasselte gegen das Fenster während der dunkle Himmel sich rosa und rot verfärbte. Sie und Mack verzichteten auf Small Talk, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis sie an ihrem Zielort ankamen: dem Yachtclub von Greenvale.

Ein riesiges Eingangstor schirmte ein großes, weißes Stuckgebäude, das auf einem Hügel lag, nicht weit vom Meer entfernt. Ein langer, geschwungener Weg lag hinter dem schmiedeeisernen Tor, gesäumt von hundertjährigen Eichen.

“So lebt also die andere Hälfte,” sagte Mack mit einem geblendeten Ausdruck im Gesicht.“Es ist großartig hier.“

Bella antwortete nicht. Sie konzentrierte sich auf einen lokalen Reporter, der auf sie zueilte. Sie gab Mack und dem Polizisten am Tor eine schnelle Vorwarnung, dann fuhren sie hinein, bevor er über sie herfallen konnte. Mack fuhr die Anfahrt langsam entlang und pfiff vor Verwunderung. Bella ignorierte ihn und war nicht halb so begeistert. Sie hatte das Konzept von Toren noch nie besonders gemocht; sie schlossen die einen ein und ließen die anderen draußen. Während sie darüber nachdachte stellte sie fest, dass sie auch Clubs nicht besonders mochte. Die Idee war die gleiche.

Ein halbes Dutzend Polizeiautos, ein Krankenwagen und ein blauweißer Van parkten vor dem Haus, überall war gelbes Absperrungsband.

„Was ist denn hier los, Halloween?“ fragte Bella. Es kam ihr dilettantisch vor, so viel Band zu benutzen und sie überlegte ob die Typen, die diese Show hier machten, jemals mit einem echten Mord zu tun gehabt hatten. Ein paar Jungen im High-School-Alter saßen auf einer alten Steinmauer und sahen müde und gelangweilt aus. Das müssen Servicekräfte sein, dachte Bella als sie und Mack aus dem Auto stiegen um Hallo zu sagen und um ein paar Fragen zu stellen. Es stellte sich heraus, dass einer von ihnen ein gegen Mitternacht ein Feuer in einer Mülltonne gesehen und den Manager alarmiert hatte, während die anderen bei den Autos blieben um sich um die lange Schlange an Leuten zu kümmern, die das Fest verlassen wollten. Abgesehen davon hatte keiner etwas gesehen oder gehört.

Bella richtete ihre Aufmerksamkeit auf das hektische Treiben unten am Wasser. Ein Dutzend Polizisten durchkämmte das Grundstück hinter der Villa, und ein paar weitere standen am Eingang des Hafens. Eine andere Gruppe stand auf dem Steg dahinter, zwei Polizisten mit Hunden gingen das Grundstück entlang, ein Fotograph machte einen Schnappschuss.

Plötzlich war Bella gereizt.

„Lass uns einen Spaziergang machen,“ sagte sie und eilte zur anderen Seite des Hafens, zur Vorderseite des Clubs. Mack ging hinter ihr her, als könnte ihm nichts weniger wichtig sein. Der schwarze geschmiedete Eisenzaun, der das Grundstück umgab, war fünf Meter hoch und lief nach obenhin spitz zu. Niemand klettert auf dieses Baby, dachte Bella.

Eine Videokamera war sichtbar auf einem Baum angebracht und nach vorne gerichtet,

aber sie sah keine in der Nähe des Eingangs zum Club. Die Anfahrt führte durch einen riesigen Portikus, der sich über zwei großen Mahagonitüren befand und alle Leute, die eintraten, wie Zwerge erschienen ließen.

Mack folgte ihr, als Bella sich der rechten Seite des Clubs zuwandte und seiner Hufeisenform folgte bis zu einem Staudengarten an der hinteren Seite. Von hier aus führte ein Pfad aus Blausteinplatten direkt zu dem bevölkertem Hafen, der komplett durch eingebaute Außenlichter beleuchtet war. Sogar in der Morgendämmerung war die Sicht auf das blaue Wasser, die Ufermauern und die funkelnd weißen Yachten atemberaubend schön. Bella konnte kaum glauben, dass sie die Bronx vor gerade mal zwanzig Minuten verlassen hatte. Es war, als hätte sie eine komplett andere Welt betreten.

Sie schaute sich im Garten um und sah nach etwa siebzig Metern einen anderen Pfad, der herunter zu den Booten führte: ein enger, zurückgewiesen aussehender Weg aus Kieselsteinen. Bella ging hinüber um ihn zu untersuchen.Sie war schon immer von allem angezogen worden, dass aussah, als sei es abgelegt worden.Anders als sein Zwilling auf der anderen Seite des Clubhauses, war dieser Weg felsig und zerklüftet, mit losen Steinen und unbefestigten Rändern. Er begann draußen vor dem Küchenbereich, führte an den Mülltonnen vorbei und verlief sich im Dreck in der Nähe des Hafens.

Der Pfad war wohl nur für Personal gedacht, schätzte sie.

Sie führte Mack zu dem Pfad, und sie folgten ihm bis zum Wasser. Als sie fast am Steg waren rief Mack plötzlich „verdammt noch mal!“

Während sie sich umdrehte sah Bella, dass er in etwas getreten war, das wie Erbrochenes aussah.

„Hey, willst du mich verarschen? Wisch es nicht ab!“ tadelte sie ihn und rief jemanden von der Spurensicherung zu ihnen. Der Regen hatte es verdünnt, aber sie wollte das, was übrig war, testen lassen.

Mack lies den Typen seinen Stiefel untersuchen, und Bella untersuchte den alten hölzernen Zaun, der die Wiese von dem Steg trennte. An einigen Stellen war er morsch, an anderen fehlten Bretter.

Sein Türriegel hing an einer Seite lose herunter, und das Tor schwenkte leicht auf und zu. Mack kam herüber als er fertig war und öffnete das Tor für Bella mit einer Geste spöttelnder Ritterlichkeit. Ein Polizist hielt sie an und trug ihre Namen in sein Sicherheitsprotokoll ein.

Mack erzählte ihm von dem Erbrochenen in das er getreten war, und der Polizist zeigte Mitgefühl und bot ihm ein Handtuch an. Es schien ihm überhaupt nicht zu dämmern, dass es sich um ein mögliches Beweisstück handelte.

Was für ein Trottel, dachte Bella, als sie an ihm vorbeigingen.

Der Geruch des Meeres am Morgen wehte herüber, als Bella ihre Kapuze hob um sich vor dem ständigen Nieselregen zu schützen. Sie gingen den Steg entlang, durch den Nebel und musterten die riesigen, luxuriösen Yachten, die sie eine nach der anderen begrüßten.

„Wahnsinn,“ pfiff Mack. „Kannst Du glauben, dass diese Babies echt sind?“

Auch sie war überwältigt. Die Yachten standen machtvoll aufgerichtet, herausfordernd und stolz, ihre Namen und ihre Form schrieen nach Macht und Unbesiegbarkeit: Lucky Lady, The Good Life, Riches Galore, Sweet Success. Einen Moment später hatten sie ihr Ziel erreicht: eine 18 Meter lange Alden Ketch namens Paradise Found. Sie hatte von der Seite aus angelegt, am entferntesten Punkt des Stegs. Ihre linke Seite zeigte zum Steg, während die rechte zum offenen Hafen zeigte. Ein glänzender Landungssteg aus Aluminium verband Deck und Pier.

Er stand in einem steilen Winkel, seine glatte Metalloberfläche war nass und rutschig durch den Regen.

„Lass mich zuerst gehen,“ bot Mack an, als er den schaukelnden Landungssteg des Bootes betrat. Bella hielt sich an beiden Geländern fest um das Gleichgewicht zu halten.

Als sie den Querbalken erreichte, stand Mack dort mit einem ausgestreckten Arm um sie zu stützen.

„Ich hab dich“ sagte er instinktiv.

Sie nahm seine Hand und ignorierte die unfreundlichen Blicke von drei männlichen Polizisten, die auf dem Deck über ihnen zusammengekauert waren.

„Viel Glück!“ rief einer von ihnen Bella zu und lachte. „Das Paradis ist auch nicht mehr das, was es mal war!“

KAPITEL 4

Es gab bei allen Mordfällen diesen bestimmten Moment bei den Ermittlungen - den Moment bevor sie den Schauplatz betrat, den Ort, an dem das Opfer seine letzten Sekunden auf Erden verbracht hatte. Es hatte ihr immer ein bisschen Angst gemacht, und machte jetzt immer noch, nach all den Jahren. Normalerweise war der Ort, wenn sie ihn betrat, verlassen: ein schäbiges Hotelzimmer, eine schmale Gasse. Normalerweise waren die Opfer schon auf die eine oder andere Art gestorben, lange bevor sie sie sah, ihr Mord war nur die letzte Formalität. Prostituierte, Drogensüchtige, ungewollte Kinder, Jugendliche, die von zu Hause weggelaufen waren - Seelen, deren Licht lange vor ihrem Körper erloschen war.

Das waren die Mordopfer, mit denen sie normaler Weise arbeitete, diejenigen, die wirklich allein in der Welt waren. Diejenigen, die ihr das Herz brachen. Aber hier, auf dieser Yacht, war nicht viel, dass ihr zu Herzen ging; nichts als ein Leben voller Privilegien und ein Paradies, wie der Name des Bootes verhieß.

Sie stand auf dem Deck aus Teakholz des riesigen weißen und wallnussbraunem Luxussymbols, und sie versuchte, alles in sich aufzunehmen: Die zwei weißen Segelmäste, die gut zehn Meter in den grauen Himmel ragten, die perfekt polierten Aluminiumrailings im Nieselregen, blau-weiß gestreifte Sitze, in einem Bogen um das Heck gingen.

Die Kabine lag direkt vor ihr, und als sie die Tür öffnete, konnte sie sehen, dass der Raum mit Walnussholz getäfelt war. Eine Spur aus dunklem Blut reichte von innen nach außen auf das Deck, dann wieder zurück, zur rechten Seite hin.

Möwen kreisten am bedeckten Himmel, schrieen laut und schauten sich nach einem Frühstück um. Ein kräftiger Mann von der Spurensicherung lehnte sich zurück und untersuchte etwas. Als er Bella und Mack sah, stand er auf und stellte sich vor.

„Seid Sie aus der Bronx?“ fragte er.

Sie nickten. Sein Namensschild sagte McLeary.

„Wo ist sie?“ fragte Bella.

„Sie ist hier drüben,“ sagte der Polizist und zeigte auf das Seitendeck.

“Nach dir,” sagte Mack zu Bella.

 Eine durchsichtige Plastikplane bedeckte die Leiche so gerade, und Bella konnte das Gesicht durch das Plastik hindurch sehen, mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen.

Das Deck unterhalb war dunkel vor Blut. Während der Regen das meiste weggewaschen hatte, hatten sie eine behelfsmäßige Abdeckung über die Bretter gelegt um die Beweise, die vielleicht noch übrig geblieben waren, zu bewahren.