Die Vögelfarm - Carrie Fox - E-Book

Die Vögelfarm E-Book

Carrie Fox

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Beschreibung

Bauer sucht Frau war gestern - denn wer sagt, dass man auf der Suche nach der Frau für´s Leben keinen Spaß mit anderen Damen haben darf? Den richtigen Partner zu finden, ist schwer. Vor allem, wenn man ihn kurz kennenlernen durfte, nur um ihn durch einen dummen Zufall aus den Augen zu verlieren. Doch so schnell gibt ein echter Bauer nicht auf! Jonathans Suche führt über Furry-Parties, Liebesbäume und Melkmaschinen - bis er endlich der Angebeteten gegen übersteht. Susanna ist verzweifelt, wähnte sie sich doch schon im 7ten Himmel. Doch ein dummer Zufall lässt Jonathan aus ihrem Leben verschwinden. Auf der Suche nach ihm lässt sie sich auf einen dubiosen Wahrsager ein, verbringt viel Zeit mit einem Personal Coach und verfällt beinahe einer Escort-Dame. Doch Jonathan, den kann sie einfach nicht vergessen.

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Seitenzahl: 255

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Carrie Fox

Die Vögelfarm

erotischer Roman

www.Elysion-Books.com

Im Jahr 1964 wurde Carrie Fox in Dinslaken, Nordrheinwestfalen geboren und verbrachte ihre Jugend in Duisburg.

Außer einer Eins in Deutsch und Kunst zeichnete sich nie ab, dass sie einmal Romane schreiben würde. Ihr beruflicher Lebenslauf führte sie über eine handwerkliche Ausbildung zur Verkaufsberaterin.

Seit vielen Jahren arbeitet sie für denselben Arbeitgeber und schafft sich ihren Ausgleich mit ihrem Hobby, dem Schreiben erotischer Romane. Sie publizierte in früheren Jahren über 50 wissenschaftliche Artikel für eine historische Fachzeitschrift und wechselte 2010 zum Thema Erotik.

Bisher von ihr erschienen sind:

2011 »Dauergeil«, Juicy-Books

2012 »Beobachte mich!«, Juicy-Books

2013 »Entfessle mich!«, Juicy-Books

2014 »Der Duft von Heu«, Juicy-Books (»Die VögelFarm«, Elysion-Books)

2015 »Die Vögelinsel«, Elysion-Books

2016 »Die Vögelfarm«, Elysion-Books

2017 »Anstandsfesseln«, Elysion-Books

Carrie Fox

Die Vögelfarm

erotischer Roman

www.Elysion-Books.com

Überarbeitete Auflage: November 2016

(Erste Auflage 2014 Juicy-Books)

VOLLSTÄNDIGE AUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2016 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

www.dreamaddiction.de

FOTO: © Bigstockphoto

LAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

www.imaginary-world.de

ISBN 978-3-96000-0563

www.Elysion-Books.com

Inhalt

Der magische Mann

Einsamer Jonathan

Furrylady Kim

Der bayrische Beckenbrecher

Ein nasses Ereignis

Verzauberung am See

Die Melkmaschine

Die Liebeslinde

Bauer sucht Frau

Ein Wunder geschieht

Der magische Mann

Nervös tippelte Marie-Claire mit roten Fingernägeln auf der Glasplatte des Schreibtisches. Es musste eine Lösung geben, so konnte es nicht weitergehen. Sie starrte auf den Bildschirm des Laptops, aber ihre Gedanken waren bei ihrer Freundin Susanna. Seit einem Jahr war sie ohne einen Lover und auf dem besten Weg, in ein seelisches Loch zu fallen. Sie tat ihr leid, und darum hatte sich Marie-Claire entschlossen, ihr zu helfen. Marie-Claire hatte vor gut einem halben Jahr schon einmal versucht, Susanna mit einem guten Bekannten zu verkuppeln, doch Susanna hatte bemerkt, dass die Situation fingiert war, und sich nicht darauf eingelassen.

Was war jetzt zu tun? Marie-Claire lehnte sich zurück und überlegte. Sie wippte mit dem Bürosessel, schlang ihre Beine übereinander und sah aus dem bodentiefen Fenster auf das rege Treiben in München hinunter. Sie wollte die alte Susanna zurückhaben, die früher glücklich und spaßig war. Es wäre schade, wenn sie sich weiterhin wie eine Auster verschließen würde. Schließlich hatte sie ihr Leben noch vor sich und es würde ihr mit Sicherheit noch schöne Stunden bieten. Marie-Claires Hilfsbereitschaft ihr gegenüber war groß und sie fühlte sich dazu bewegt, alles Mögliche für Susanna zu tun.

Marie-Claire hatte Ricardo Foresee in einem Lokal in München kennengelernt. Sie brauchte nicht darum zu kämpfen, diesen überaus attraktiven Mann zu erobern. Seine Augen hatten es ihr angetan und Ricardo gefiel es, wie elegant und sexy sie sich bewegte. Die magische Anziehungskraft kam nicht von ungefähr, denn später fand sie heraus, dass die Wahrsagekunst seine Aufgabe und Berufung war. In ihrem Kopf formte sich eine neue Strategie der Verkupplung. Ihr neuer Freund war also hauptberuflich Magier, das kam ihr gelegen. Genau das würde Susanna wahrscheinlich helfen. Sie musste versuchen, ihn für ihre Pläne anzuheuern.

Es wäre leicht, alles in die Wege zu leiten, damit Ricardo mit Susanna zusammentraf. Drei Tage zwischen der Abmachung und dem Termin würden reichen, um nicht auffliegen zu lassen, dass sie hinter dieser Verbindung stand. Susanna glaubte an das Schicksal und war den unerklärlichen Dingen auf dieser Welt zugetan, darum würde es wie eine göttliche Fügung klingen, dass Ricardo zur richtigen Zeit da war.

Marie-Claire wollte Susanna helfen, aus der einsamen Lage herauszukommen und sie dazu bringen, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Offenbar gab es bloß eine Lösung, ihr zu zeigen, wie der Hase lief und wie schön das Leben und die Liebe sein konnten: das Schicksal.

Marie-Claire zog sich die Lippen mit einem roten Lippenstift nach und betrachtete das Ergebnis in einem Handspiegel, den sie unter dem Schreibtisch liegen hatte. Des Öfteren musste sie sich vergewissern, gut auszusehen, bevor der nächste Kunde ihr Büro betrat. Ein seriöses Unternehmen duldet keine Schlampigkeiten. Sie stand auf und strich den schwarzen, eng anliegenden Rock, der ihre schlanken Hüften und ihren runden Po betonte, glatt. Dann schüttelte sie ihr blondes Haar auf, das beinahe bis zum Po reichte, als wollte sie zum Angriff übergehen. In gewisser Weise tat sie das wirklich. Sie griff zum Telefon und tippte Ricardos Nummer ein. Marie-Claire hieß mit bürgerlichem Namen Maria Klarissa von Moosberg. Um ihren Namen aufzupeppen und jung und dynamisch zu wirken, nannte sie sich selbst Marie-Claire. Dieser Name klang weitaus melodischer als der echte und zerschmolz beim Aussprechen auf der Zunge, fand sie. Ihr spezieller Beruf brachte die seriöse Idee mit sich, einen einprägsamen Namen zu besitzen. Auch ihre angestellten Ladys trugen Pseudonyme. Um Stalkern vorzubeugen, die in die Privatsphäre der Angestellten eingreifen könnten, sah sie es als sie beste Lösung an, die Vornamen zu verändern.

Erst seit zwei Jahren hatte Marie-Claire sich ihre eigene Agentur für den speziellen Begleitservice aufgebaut, das entsprach ihrer offenen Art und ihrem Lebensstil. Sie hatte sozusagen ihr Hobby mit dem Beruf kombiniert, Menschen zusammenzubringen, indem sie Begleiterinnen für wohlhabende Herren anbot. Ihr Job bestand nicht nur aus eintönigen Vermittlungen, manchmal musste sie sich kluge Strategien einfallen lassen, damit den Herren etwas geboten wurde. Ihre Handlungen waren stets diskret. Es war sozusagen ihr spezielles Erfolgsgeheimnis, unter verdeckter Hand die besten und aufregendsten Verbindungen zu schaffen.

Und genauso wandte sie sich erneut ihrer Aufgabe zu, in der Datei nach einer passenden Begleitung zu suchen. Es sollte eine attraktive, junge Frau sein, die Englisch oder Französisch sprach. Ein Amerikaner hatte sich telefonisch gemeldet. Er war auf der Durchreise von Genf nach Wien und suchte für einen Messebesuch in Landsberg eine hübsche Frau zum Vorzeigen. Schlank, schwarzhaarig und gebildet waren seine Wünsche und Marie-Claire fand sogleich eine Dame, die diese Anforderungen erfüllte. Bella-Lolita war genau die Richtige. Alle Herren, die eine Begleit-Lady suchten, wollten Eindruck machen. Meist waren die Abende und die Nächte lang und Marie-Claire wusste genau, was dann abging. Sie selbst hielt sich zurück und begleitete niemanden beruflich. Privat angelte sie sich hin und wieder einen knackigen Kerl. So wie Ricardo. Ob es ihr gelingen würde, Susanna in dieselbe Richtung zu bringen, oder zumindest ihre Lust auf Männer zu wecken? Sie musste behutsam vorgehen, andernfalls würde Susanna wieder einen Rückzieher machen.

Susanna Ammerland schlenderte gut gelaunt durch die Stadt. Sie trug ihre halblangen, blonden Haare offen. Der Wind blies sie sanft in leichten Wellen nach hinten. Ihre Erscheinung war durchschnittlich bei einer unauffälligen Größe von einssechzig. Sie hatte keine Modelmaße, wie ihre Freundin Marie-Claire, besaß jedoch ein anziehendes Wesen, das nicht zuletzt wegen ihres strahlenden Lächelns jedermann sympathisch war. Ihre blauen Augen waren scheu und groß, wie die eines Rehs. Ihre süßen Grübchen auf den Wangen arrangierten sich perfekt mit ihrer Gestalt. Ihre angenehmen Rundungen saßen an der richtigen Stelle und ihre Gangart war gemütlich. Sie trug flache Sneakers, eine weit schwingende, hellgelbe Tunika und Jeans. Susanna begab sich nicht jedes Wochenende auf nächtliche Touren und Diskothekenbesuche. Wenn schon, dann besuchte sie ruhigere Lokalitäten, wie Restaurants oder Museen. Neben ihrem Job in einem Großraumbüro pflegte sie ihre Wohnung und ging in Hausarbeiten auf. Kochen war ihre Leidenschaft und Ordnung lag ihr im Blut. Die fast schon übertriebene Hausarbeit hatte sie sich während ihrer letzten Beziehung angewöhnt. Auf Dauer bot sich ihr jedoch keinerlei Abwechslung und brachte ihr keinen Ausgleich. Es fehlte etwas Neues, ein gewisser Kick. Sollte sie in ihrer Arbeit und in ihrem Haushalt etwa versauern?

Tief in ihrem Inneren spürte sie, dass sie ihr Leben ändern musste. Vielleicht reichte der Tipp ihrer Freundin aus, um Türen zu öffnen, die ihr bisher verschlossen geblieben waren? Susanna hatte vor drei Tagen einen Anruf von Marie-Claire bekommen, die ihr vorschlug, sich von einem Wahrsager beraten zu lassen. Und nun hatte sie sich auf den Weg gemacht, um eine spannende Sache zu erleben. Sie ging durch die größte von Münchens Einkaufsmeilen, bevor sie hinter der Kirche abbiegen musste. Während sie über ihre Lebenssituation nachdachte, war sie am Ziel angekommen. Einmal noch musste sie die lebhafte Straße im Münchner Stadtkern überqueren. Sie stand an der Fußgängerampel und wartete auf das grüne Zeichen, während sie ihre Umgebung als laut und unerträglich wahrnahm. Das ständige Vorbeirauschen der Autos und die vielen Menschen nervten sie. Vor dem Haus des Wahrsagers legte sie einen Finger auf den Klingelknopf. Er sei aus London nach München gezogen, um mit seinen seherischen Kräften den Menschen zu helfen und sein eigenes mystisches Label samt den dazugehörigen Räumen zu organisieren und aufzubauen, hatte Marie-Claire erzählt. Inzwischen sei er in der Szene bekannt. In Susannas Augen hatten solche Leute etwas Geheimnisvolles und Verruchtes an sich. Sie hatte von Scharlatanerie gehört, von Betrug und Abzocke, aber auch von Geschichten, die in einem Happy-End gipfelten.

Ob er ihr helfen konnte? Ein fremder Mann? Ihm sollte sie vertrauen? Marie-Claire hatte begeistert berichtet, was er alles über sie herausgefunden hatte, obwohl er sie am Anfang nicht kannte. Susanna war skeptisch, doch sie sah es als ihre Chance an, herauszufinden, ob sie in Zukunft die große Liebe finden würde. Ein Jahr ohne Freund und ohne Liebe war bitter genug. Es hatte sich der Wunsch gefestigt, eine neue Beziehung zu beginnen. Mit einer gemeinsamen Wohnung, Interessen, die man teilen würde und mit viel Sex. Susanna hatte in verschiedenen Cafés versucht neuen Anschluss zu finden. Bisher waren ihre Bemühungen umsonst gewesen. Sex hatte im vergangenen Jahr nicht stattgefunden und sie fühlte sich regelrecht ausgehungert. Sie hatte sich des Öfteren ertappt, Männern hinterher zu sehen und Fantasien zu genießen. Jemanden anzusprechen hatte sie sich nicht getraut. Obwohl sie sicher war, dass es Männer geben musste, die ihre fraulichen Kurven zu schätzen wussten, war ihr ein solches Exemplar bisher nicht über den Weg gelaufen. Mit dem Kontakt zu Männern haperte es, weil sie schüchtern war und sich distanziert benahm. Wie eine unsichtbare Schranke verhinderte ihre Angst, dass einer sie ansprach. Sie vergrub sich in ihrer Arbeit. Sie war Sekretärin in einem Großraumbüro und wohnte mitten in der großen, lauten Stadt. Eigenartig, dass man unter dermaßen vielen Menschen einsam sein konnte. München hatte Flair und versprach viel, was auf Susannas Leben aber nicht zutraf. Irgendwo musste es ihn doch geben, den Mann ihrer Träume.

Ricardo Foresee stand auf einem Emaille-Schild mit silbernen Sternchen. Foresee … hieß das nicht Vorsehung?

Susanna nahm all ihren Mut zusammen und klingelte. Schritte waren zu hören, ein leises Knacksen in der Tür. Sie öffnete sich. Ricardo Foresee stand vor ihr. Er war einen Kopf größer als sie, hatte schulterlanges, schwarz glänzendes Haar und einen durchdringenden Blick wie der Schauspieler Sky Dumont. Den graugrünen Augen nach würde ihm die Rolle eines Ganoven gut stehen. Susanna empfand seinen Blick als Provokation. Trotzdem wirkte er mit seinen weichen Gesichtszügen vertrauenswürdig. Seine Lippen waren zu einem angedeuteten Lächeln verzogen. Diese seltsame Mischung beeindruckte Susanna. Die unergründlichen Augen, die geheimnisvoll blickten, passten perfekt in sein Gesicht, das männliche Züge hatte. Als Ricardo zu sprechen begann, war Susanna fasziniert von den Bewegungen seiner vollen Lippen. Was er für einen schönen Kussmund besaß. Er lächelte, während er sie freundlich und bestimmend ansah. Je länger Sie ihm ins Gesicht sah, desto mehr verlor sie von ihrer Scheu und der Skepsis. Es fühlte sich an, als wollte er sie hypnotisieren.

»Sie sind sicher Susanna Ammerland?«, fragte er und gab ihr zum Gruß die Hand.

Er sprach gut Deutsch, nur ein Hauch von einem englischen Akzent war hörbar. Susanna griff zu und spürte den Bruchteil einer Sekunde etwas, das sie wie einen elektrischen Sog bezeichnen würde. Kurz und doch sehr intensiv. Ihre Hand zuckte zurück. Eigenartig, es fühlte sich wie ein kleiner Stromschlag an.

»Äh ja«, stammelte sie, ballte die Faust und rieb die Fingerkuppen am Daumenballen, um das eigenartige Gefühl von der Handfläche zu verbannen.

»Kommen Sie rein.« Er deutete in den Raum hinter sich und ging vor. Susanna betrachtete ihn von hinten. Er war schlank, trug ein blütenweißes, durchscheinendes Hemd, das sich an seine Taille schmiegte und die muskulöse Schulterpartie betonte. Was für ein kräftiger Rücken, er trainierte bestimmt, um so toll auszusehen. Er trug eine schwarze, eng anliegende Lederhose, die seinen knackigen Hintern betonte. Bei jedem seiner Schritte sah Susanna seine Muskeln spielen. Was für eine Erscheinung. Dieses Aussehen passte in Susannas Schema, was Männer betraf. Foresee war ein Traum aus Knackigkeit und Freundlichkeit. Die Kombination war perfekt. Die schlanken Seiten des Hinterns animierten zum Anfassen. Wie gern hätte Susanna gefühlt, wie sich seine prallen Muskeln unter ihren Fingern bewegten. Im Geiste sah sie, wie Foresee auf dem Bett lag und sie ihn mit ihren Fingerspitzen erkundete. Sie würde über den wohlgeformten Körper streicheln und die Festigkeit des Fleisches spüren. Ob er behaart war? Sie stellte sich seidig weiche Haut am Rücken und eine gepflegte Brustbehaarung vor. Und weiter unten? War er rasiert? Bei dem Gedanken, rasierte Haut an den Eiern zu fühlen und einen glatten Schaft in der Hand zu halten, wurde Susanna erregt. Sie stellte sich vor, wie er sich mit Streicheleinheiten revanchieren würde und wie sie sich gegenseitig berühren würden. Sie stellte sich seine weichen Finger und die damit verbundene zärtliche Berührung vor. Eine Hitzewelle erfasste sie und sie spürte, wie ihr Höschen bei der Vorstellung, ihn zu verführen, feucht wurde.

Es verwirrte sie, dass sie plötzlich von ihren Gefühlen übermannt wurde. Trotzdem war Susanna gespannt, was sie erwarten würde. Schade, dass der Weg in den Wahrsageraum so kurz war! Dieser Typ bescherte ihr die tollsten Fantasien. Gern hätte sie noch weitergeträumt.

»Marie-Claire hat gesagt, dass Sie mich besuchen werden. Sie dürfen mich Ricardo nennen«, riss er sie aus den Gedanken.

Sein Arbeitsplatz bestand aus einem runden Tisch aus weißem, polierten Marmor. Typische Utensilien befanden sich am Rand des Tisches. Eine Kristallkugel in einem Ständer, ein goldenes Pendel an einem verschnörkelten Silberstab, Tarot-Karten. Zwei prunkvolle, dunkle Stühle mit fantasievollem, barocken Schnitzwerk und waldgrünen, samtbezogenen Sitze standen sich gegenüber.

Das Zimmer wirkte dunkel, aber nicht unheimlich. Es hatte einen magischen, historischen Stil. Kerzen auf verschlungenen Kerzenständern ließen die Atmosphäre romantisch und gleichzeitig geheimnisvoll erscheinen. Die Decke war in einem dunklen Lila gestrichen und die Wände des kleinen Raums mit roten und silbernen Organza-Stoffen verhängt. Es gab keine Fenster, nur die Tür, durch die sie hereingekommen waren. Das Ganze hatte einen orientalischen Touch und unterstützte das Flair von Magie. Susanna konnte den Zauber spüren. Oder war es Ricardo, der ihr den Eindruck vermittelte, sich in einem Zauberland zu befinden? Waren es seine Augen? Sein anziehender Blick? Oder führte die leise Meditationsmusik zu diesen Gefühlen?

»Bitte nehmen Sie Platz.«

Susanna setzte sich auf den Stuhl und legte die Hände auf den Schoß. Gespannt erwartete sie die geheimnisvolle Wahrsagekunst. Ricardo nahm die Karten und gab sie ihr in die Hand. Wieder war der hauchzarte Sog zu spüren. Er berührte ihre Hand bei der Kartenübergabe und ließ seine Finger zurückgleiten, als er den Kartenstapel ihren Händen übergab, was ein leises Prickeln hinterließ.

»Mischen Sie die Karten und denken Sie an eine Frage.«

Da war dieses gerollte R, ganz schwach nur, aber sehr sexy. Und angenehm sympathisch. Sie konzentrierte sich auf die Frage nach der Liebe und blätterte die Karten verdeckt untereinander. Ricardo beobachtete sie und Susanna ließ ihren Blick nicht von seinen Augen. Ob er bereits in ihrem Gesicht lesen konnte? Neugier? Angst? Erregung? Unsicherheit? Oder wusste er sogar, was sie beim Hereinkommen über ihn gedacht hatte? Konnte er von ihren Fantasien wissen? Wie peinlich wäre das …

Susanna versuchte, ihre Mimik zu beherrschen, wie ein Pokerspieler. Sie senkte ihren Blick und glaubte, dass schon ihr Lächeln ihm Anlass zu irgendwelchen Deutungen geben könnte. Sie wollte prüfen, ob ihre Freundin recht hatte, Ricardo sollte in ihr ein unbeschriebenes Blatt sehen und sie wollte keinen verräterischen Gesichtsausdruck zeigen.

Langsam und bedächtig mischte sie den Kartenstapel und gab ihn erst an ihn zurück, als er sie dazu aufforderte. Er legte die Karten in Reihen aus. Symbole und Zeichnungen waren darauf zu sehen.

»Es sind französische Tarot-Karten«, sagte Ricardo, als hätte er gehört, was Susanna dachte.

»Interessant. Da sind Bilder drauf.«

»Das sind die sogenannten hohen Arkanen.«

»Wie geheimnisvoll«, erwiderte Susanna und fühlte sich, als ob sie langsam der Welt entrücken würde. Die Umgebung wurde schemenhaft und ihre Augen fokussierten die Tischmitte mit den Karten.

»Die hohen Arkanen sind die Mysterien des Lebens. Es gibt zweiundzwanzig und sie lassen erkennen, was in der Vergangenheit war, wie es Ihnen im Moment geht und was die Zukunft bringen wird. Ich mache heute die Kurzversion und deute die vier Hauptkarten.«

»Eine liegt auf dem Kopf. Wollen Sie sie nicht umdrehen?«

Susanna streckte ihre Hand aus. Hastig wehrte Ricardo ab, indem er schützend seine Hand hob, als ob er nichts in die Kartenaura gelangen lassen durfte. Seine Nasenflügel bebten leicht, er sah angestrengt auf das Kartenbild und seine Hände schwebten darüber. Susanna ahnte nichts Gutes.

»Diese Karte hat eine besondere Bedeutung, sie liegt nicht verkehrt herum, sie zeigt den Gehängten.«

Der Gehängte! Das war sicher kein gutes Omen.

»Vertrauen Sie dem Kartenbild, es legt Ihre Situation offen. Ich lese die entsprechenden Informationen heraus und sage Ihnen, was dort steht. Sie selbst müssen das Ergebnis auf Ihre Situation umsetzen.«

Das klang einleuchtend! Außerdem hatte Marie-Claire Riccardo empfohlen, es würde schon alles gut gehen.

Susanna konzentrierte sich auf ihre innerlich gestellte Frage nach der großen Liebe und hörte fasziniert zu.

»Die vier außen liegenden Karten geben ein Hauptbild Ihrer Situation ab. Der Wagen, der Gehängte, der Stern und das Gericht.« Ricardo hielt Zeigefinger und Daumen unter sein Kinn. Misstrauisch beobachtete sie seinen Gesichtsausdruck. Er schien ernsthaft bei der Sache zu sein. »Der Wagen symbolisiert Ihre Gewohnheiten, von denen Sie sich verabschieden müssen. Die Karte deutet auf eine große Veränderung. Sie werden viel zum Nachdenken haben und Sie sollten akzeptieren, dass es nichts Perfektes gibt. Ihr Leben brachte bisher nichts Vollkommenes, umso besser müssen Sie sich vorbereiten.«

Der englische Akzent war so gut wie verschwunden, trotzdem belustigte Susanna die Tatsache, dass er pörfekt sagte und dabei das R rollte. Spielte Ricardo auf ihr Liebesleben an? Woher konnte er wissen, dass die Männer, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatten, nicht von Bestand waren, nicht wie sie es sich wünschte, nicht perfekt? Susanna hatte ebenfalls bemerkt, dass sie nicht perfekt war. Rein äußerlich gäbe es einiges, was sie verändern müsste. Sie fand sich zu dick, trug einen unauffälligen Kleidungsstil und hatte sich in der Zeit des Alleinseins gehen lassen. Ganz klar, das musste sie ablegen. Sollte das etwa der Anfang der prophezeiten Lethargie sein? Susanna fühlte sich berührt und nahm sich vor, diesen Wandel, von dem er sprach, rasch in Angriff zu nehmen.

Ricardo tippte mit seinem schlanken Zeigefinger auf den Gehängten. Sie zuckte zusammen. Sie fand diese Karte ganz und gar nicht positiv. Das Bild sah abscheulich aus.

»Der Gehängte zeigt Ihnen, wie Sie mit Ihrem Schicksal umgehen sollten«, deutete Ricardo.

Er sah Susanna intensiv in die Augen. Sie konnte sich diesem unheimlichen Blick nicht entziehen und war zum Bersten gespannt auf das, was folgen würde.

»Wenn Sie diese Karte liegen haben, erwarten Sie Intrigen und Hinterhältigkeit. Sehen Sie die negativen Elemente als Teil Ihres Lebens, dann können Sie in Ihrer zukünftigen Situation Glück und Zufriedenheit erlangen. In Zusammenhang mit dem Wagen, der als Nächstes liegt, können Sie vor Ihrer vermeintlich aussichtslosen Situation fliehen.«

Sie hatte den Eindruck, dass er tief in sie hineinsehen konnte. Als wüsste er, dass sie aus ihrer Haut steigen wollte, es aber nicht konnte. Intrigen? Vielleicht sollte sie an ihrem Arbeitsplatz auf der Hut sein? Fliehen? Das hing bestimmt mit der Veränderung zusammen. Sie war in der Tat unzufrieden mit ihrer Umgebung. Die Arbeit, die Nachbarn, die spießige Gesellschaft, alles um sie herum schien unerträglich. Sollte sie den Wohnort wechseln? Wäre es besser, einen neuen Anfang zu wagen? Vielleicht hatten ihre Überlegungen in diesem Moment begonnen und hielten den ganzen Tag an? War es das, was Ricardo mit viel nachdenken meinte? Susanna musste ihr Leben ändern, das stand jedenfalls fest.

»Die nächste Karte zeigt Ihr Wesen.« Ricardo legte einen Finger auf das Bild der hohen Arkane, die den Stern zeigte.

»Sie werden im Einklang mit Ihrer Umgebung sein. Harmonie ist für Sie wichtig. Die Sterne, die Sie auf dieser Karte sehen, symbolisieren Ihre Träume. Passen Sie gut auf Ihre Träume auf! Der weiße Ritter im Hintergrund steht für Liebeswünsche. Es ist an Ihnen, wie schnell er sich nähern kann. Sie werden durch Ihre guten Gedanken sorglos sein. Das hängt wiederum mit dem Gehängten zusammen, der Sie warnt. Sie dürfen keine schlechten Eigenschaften zulassen. Gehen Sie einfach, wenn Ihnen eine Situation unangenehm vorkommt.«

»Okay«, sagte Susanna und war baff, wie nahe Ricardo an der Wahrheit war. Sie begriff, dass die heutige Sitzung sie in eine andere Spur lenken würde. Es war wie eine Bestätigung ihrer Gedanken. Sie fand ihre Überlegungen, was den Ortswechsel betraf, richtig und fühlte eine Kraft in sich aufsteigen, die sie glauben ließ, alles erreichen zu können, was sie sich wünschte.

»Der Baum des Gehängten spielt eine Rolle. Die Karte grenzt an die Lebenskarte, das heißt, dass eine Überraschung auf Sie wartet. Der Baum des Gehängten sagt ein persönliches Schicksal voraus. Es könnte ein Stammbaum sein, oder die Kraft ihres Rückgrates symbolisieren.« Ricardo grübelte Sekundenlang und schüttelte vage seinen Kopf, als könne er selbst nicht verstehen, was da vor ihm lag. »Die letzte Karte des Quadrats ist das Gericht. Diese Karte bedeutet Entscheidung, Befreiung und Erlösung. In Kürze werden Sie von Ihren Zweifeln, Ängsten und Sorgen befreit werden. Dies ist die Voraussetzung, dass Sie Ihren eigenen Weg gehen und sich frei entfalten können. Ihre Entscheidungen werden klug sein und mit der Zeit Früchte tragen.«

»Alles wird gut«, seufzte Susanna und fand, dass die Wahrsagerei tief in ihrem Unterbewusstsein einen Denkanstoß verursacht hatte, dem zu folgen es nun galt. Sie verstand, was sie tun sollte.

»Ich fasse noch einmal zusammen: Sie haben eine Änderung vor sich, ein bestimmtes Ereignis treibt Sie nach vorn und am Ende werden Sie Ihr Glück finden.«

»Haben Sie vielen Dank, Ricardo.«

»Denken Sie an meine Worte in jeder befremdlichen oder eigenartigen Situation, dann werden Sie schnell herausfinden, was auf Sie zukommt.« Sein Blick drang tief in sie hinein, als wollte er etwas Wichtiges in ihr Unterbewusstsein pflanzen. Dieser Typ könnte ihr gefallen.

Sie spürte nicht nur seine Magie, sondern etwas Faszinierendes, was sie nicht beschreiben konnte. Es wäre schön, wenn sie ihn wiedersehen könnte, doch das würde nur ihr Schicksal entscheiden können. Wer weiß, am Ende käme sie noch mit einem Wahrsager zusammen und nicht mit dem weißen Ritter ihrer Träume, der auf der Hohen Arkane zu sehen war.

Susanna atmete tief durch, als ihr bewusst wurde, dass die große Änderung, von der Ricardo gesprochen hatte, an ihr lag. Sie stand auf, zog die Strickjacke an, die sie über die Stuhllehne gehängt hatte, und gab Ricardo zum Abschied die Hand. Ihre Finger prickelten leicht, als sie seine Hand berührte. Irgendwie als stünde Ricardo ständig unter Strom. Bei jeder Berührung ihrer Hände funkte es.

»Ich wünsche Ihnen alles Glück der Welt«, sagte Ricardo mit Nachdruck. Susanna war ihm dankbar und ließ ihre Grübchen funkeln, als sie ihren Mund zu einem strahlenden Lächeln formte. Sie versprühte neue Lebensfreude, das war ihr in diesem Augenblick bewusst. Sie drückte ihm die vereinbarten fünfzig Euro in die Hand. Marie-Claire hatte ihr gesagt, das wäre ein Freundschaftspreis.

»Danke. Ich glaube, Sie haben etwas in mir ausgelöst. Ich fühle mich auf einmal so anders.«

»Wie meinen Sie das?«

»Irgendwie stärker, entschlossener. Haben Sie vielen Dank.«

Als Susanna die Räumlichkeiten verließ, war ihr, als beträte sie eine andere Welt. Das Sonnenlicht empfing sie, als wäre sie aus den stockfinsteren Tiefen der Erde nach oben aufgefahren. Sie blinzelte, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Auch die lauten Geräusche der lebhaften Straße waren wieder da. Was für ein krasser Gegensatz zu dieser entspannenden Ruhe in Ricardos Räumen!

Marie-Claire … Susanna musste mit ihr sprechen. Vielleicht könnte sie ihr noch mehr Ratschläge geben, damit sie ihrem Ziel näher kam. Sie war schließlich ihre beste Freundin und hatte ihr schon oft geholfen.

Einsamer Jonathan

Die Julisonne schien auf das kleine Örtchen in Bayern. Unterpfaffenhofen gehörte zu München und lag weit von der Innenstadt entfernt. Die Landschaft war hügelig und geprägt von verstreuten Bauernhöfen. Das satte Grün der Wiesen und die vielen Wildblumen erfüllten die Frühsommerluft mit einem süßlichen Duft. Vogelgezwitscher begleitete Jonathans Weg. Er streifte durch die Wiesen, hielt seine Handflächen vom Körper abgespreizt nach unten, ließ sie von den Grashalmen kitzeln, und lauschte der Feldlärche. Es war warm, sodass Jonathan beschlossen hatte, ohne Shirt, nur mit langen Hosen und Gummistiefeln bekleidet, zu den Wiesen zu gehen. Dadurch würde sein Oberkörper bald eine knackige Bräune erhalten. Das passte zu seinem naturburschenhaften Aussehen, fand er. Er hatte sein braunes Haar bis in den Nacken wachsen lassen und sich seit Längerem nicht rasiert, sodass es an dichten Barthaaren nicht mangelte. Der plätschernde Wiesenbach faszinierte ihn, er floss über eine Natursteinstufe und das spritzige Wasser glitzerte in der Mittagssonne. Über den Bach spannte sich eine breite Holzbrücke, die bei jedem Schritt knarzte. Als er über die Brücke ging, hörten sich seine schweren Gummistiefel an, wie dumpfe Schläge auf eine Holztruhe. Der Bach teilte zwei große Wiesen voneinander, die Jonathan abwechselnd von seinen Rindern beweiden ließ. Heute war er unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen. Ob die Zäune dicht waren, ob es den Tieren gut ging und ob der Unterstand intakt war, falls es ein Gewitter gäbe. Hier und da rüttelte er prüfend an einem Zaunpfahl. Alle Tiere standen zufrieden grasend in der Sonne, alles war normal, es gab anscheinend keine besonderen Vorkommnisse.

Jonathan stieß einen grellen Pfiff aus und alle Rinder hoben den Kopf oder wackelten mit den Ohren. Zenzi, seine Lieblingskuh kam sogleich gemächlich schaukelnd auf ihn zu, wurde jedoch am Stacheldrahtzaun gestoppt. Jonathan streichelte und kraulte ihre breite Stirn, dass seine Finger in den dicken weißen Locken versanken und bewunderte die Anhänglichkeit dieser Kuh. Sie sah ihn mit großen Kulleraugen an. Wunderbar geschwungene, weiße Wimpern verdeckten das halbe Auge. Jonathan hatte diese Rasse zur Zucht gewählt, weil sie für überdurchschnittlich gute Fleischerträge und einer hohen Milchleistung bekannt war. Zenzi und die anderen wurden als Original Simmertaler Fleckvieh bezeichnet und Jonathan war stolz darauf, aus eigener Zucht schon über zwanzig Rinder großgezogen zu haben.

»Wenn ein Mädel so treu wäre, wie meine Kuh …« Verträumt strich er seinen Vollbart mit den Fingern der rechten Hand glatt und dachte daran, wie schön es wäre, eine Frau zum Kuscheln und Reden zu haben, die an seiner Seite die leichten landwirtschaftlichen Arbeiten erledigte oder den Haushalt schmeißen könnte. Eine Frau wäre eine himmlische Gabe, die sein Leben komplettieren würde. Er würde alles mit ihr teilen, das Frühstück und die Gefühle. Selbst die Lust am Sex würde sich in Sekundenschnelle entfalten.

Ein unerklärliches Gefühl der Sehnsucht übermannte ihn und ihm wurde bewusst, dass er endlich mit dem Suchen anfangen musste.

Er kehrte zu der Brücke zurück. Das Wasser hatte einen besonderen Klang, wenn es unter der Holzbrücke hindurchfloss. Es gluckerte dumpf unter dem Holz und rauschte hell und spritzig auf der anderen Seite heraus. Jonathan liebte diese Geräusche. Er verweilte auf der Brücke und dachte nach.

Er war achtundzwanzig, der einzige Sohn eines senil werdenden Großbauern und auf der Suche nach einer Frau. Es wurde Zeit, dass Jonathan echte Liebe und von Herzen kommende Zärtlichkeit kennenlernen sollte. Zwar hatte er Versuch unternommen, die Richtige zu finden, ab und zu ergab sich auch ein One-Night-Stand, aber ansonsten war alles ergebnislos geblieben. Jonathan war naturverbunden, passte sich seiner Umwelt an und war einer, der wusste, was es bedeutete, mit der Natur und ihren unvorhersehbaren Ereignissen zu leben.

Vielleicht war das der Grund: sein Leben war typisch ländlich.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte er. Irgendwo da draußen, wo das Leben der Stadt pulsierte, wartete sie vielleicht auf ihn. Er lehnte sich auf das breite Geländer der Holzbrücke, kaute auf einem dürren Grashalm und blickte in den blauen Himmel. Hinter dem Hügel, etliche Kilometer entfernt, hörte das Landleben auf. Dort musste er suchen. Es wurde ihm bewusster, je länger er darüber nachdachte. Sein Vater hatte ihm des Öfteren die Frau vom Nachbarhof ans Herz gelegt, doch sie war eine unsympathische Bohnenstange, ohne Form, ohne Stil und von einer unordentlichen Art. Und erst ihr Name. Elisabeth Genswürger. Jonathan musste unwillkürlich lachen, bei der Vorstellung, wie dieser Name vermutlich entstanden war. Die hätte ihm gerade noch gefehlt. Sie passte nicht zu ihm und hatte sicher keinen Sinn für die schönen Dinge im Leben. Überdies war sie mit ihren vierzig Jahren viel zu alt für ihn. Was sie wohl arbeitete? Jonathan wusste nichts über sie, außer was sein Vater und die Leute im Dorf erzählten.

Er dachte eine Weile über diese Frau nach, hob die Hand und winkte kopfschüttelnd ab. Lieber würde er noch einige Jahre suchen, bevor er sich auf Elisabeth einlassen würde. Er spuckte den Grashalm aus und ging weiter. Es war ein Juliwochenende, nicht zu heiß, nicht verregnet und Jonathans Lust auf eine neue Bekanntschaft stieg.

Heute Abend wollte er sich auf den Weg machen, beschloss er spontan. Samstagabend, da traf sich das halbe Dorf in der Stadt.

Er betrat das Haus.

»Wo warst du so lange?« Eine alte Stimme erklang aus dem hinteren Raum. Jonathans Vater war voller Sorge. Das war er immer, wenn Jonathan sich nicht abmeldete.

»Auf dem Feld. Ich habe die Zäune überprüft.«

»Sind sie in Ordnung?«

»Klar.«

»Ich habe heute Elisabeth getroffen.«

»Die Genswürger. Bitte fang nicht schon wieder damit an, Vater.« Jonathan wandte sich genervt ab. »Ich geh heute Abend aus.«

»Mit Elisabeth?« Der Alte neckte seinen Sohn bei jeder Gelegenheit.

»Vater!« Es würde noch in einem Streit enden, wenn er nicht aufhörte.

»Jaja, schon gut«, grummelte der Alte und schlurfte zu dem abgewetzten Ohrensessel, in dem er am liebsten saß. »Ich weiß nicht, was du an ihr so schrecklich findest. Es wäre hundertprozentig eine gute Verbindung, wenn sich die Höfe zweier Großbauern zusammenschließen würden. Die Grundstückegrenzen aneinander, es wäre perfekt, mein Junge!«

»Du denkst nur an den Reibach. Geld, Geld, Geld. Als wenn es das einzig Wichtige im Leben wäre.«

»Wieso? An was denkst du?«

»An Liebe. An aufrichtige Liebe und Zusammengehörigkeit. Dafür würde ich auf Reichtum verzichten.«

»Ach was!« Unwirsch wedelte der Alte mit der Hand. »Das gibt es heutzutage nicht mehr.«

»Für dich wahrscheinlich nicht mehr, aber ich glaube fest daran.«

»Glaub, was du willst. Ich hab mehr Lebenserfahrung, du wirst noch an mich denken.«

Jonathan bemerkte, dass auch dessen Laune sank. Bevor ihm der Vater seine Meinung geigen würde, sollte er lieber verschwinden.

»Das werden wir sehen. Ich geh jetzt in die Stadt und sehe mich um«, erklärte Jonathan und konnte einen leicht erbosten Gesichtsausdruck nicht zurückhalten.

»Viel Spaß und treib es nicht zu doll!« Ein raues Lachen drang aus dem faltigen Hals des alten Herrn.

Jonathan lächelte gespielt und verließ das Zimmer, um sich im Bad fertigzumachen.