Die Watsons / Lady Susan / Sanditon. Die unvollendeten Romane - Jane Austen - E-Book
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Jane Austen.

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Beschreibung

Bei ihrem Tod mit nur 41 Jahren hinterließ Jane Austen drei ganz unterschiedliche unvollendete Romane: "The Watsons"? "Lady Susan" und "Sanditon". Sie bieten einen einzigartigen Einblick in ihre literarische Werkstatt, sind aber auch unabhängig davon als literarische Werke sehr reizvoll zu lesen. Als Ergänzung zu den sechs abgeschlossenen Romanen liegen sie hier in neuer Übersetzung vor.

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Jane Austen

Die WatsonsLady SusanSanditon

Die unvollendeten Romane

Aus dem Englischen übersetzt von Ursula und Christian GraweNachwort von Christian Grawe

Reclam

2011, 2017, 2021 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Durchgesehene Ausgabe 2021

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Coverabbildung: Farbkupferstich »Oreilles d’Ours / Primula auricula« von Langlois nach Pierre-Joseph Redouté (1759–1840). akg-images

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-961207-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020471-9

www.reclam.de

Inhalt

Die Watsons

Lady Susan

Sanditon

Zu den Texten

Nachwort

Die Watsons

 

Kapitel 1

Das erste gesellschaftliche Ereignis in der Stadt D. in Surrey sollte am Dienstag, dem 13. Oktober, stattfinden, und man erwartete allgemein einen großen Erfolg. Zuversichtlich ging man eine lange Liste von Familien aus dem ländlichen Umkreis durch, die als sichere Kandidaten galten, und hegte große Hoffnungen, dass sogar die Osbornes anwesend sein würden. Eine Einladung der Edwards an die Watsons folgte umgehend. Die Edwards waren wohlhabende Leute, die in der Stadt lebten und eine Kutsche hielten; die Watsons wohnten in einem Dorf ungefähr drei Meilen entfernt, waren arm und hatten kein geschlossenes Gefährt; und seit der Zeit, wo es Bälle am Ort gab, versäumten die ersteren es nie, die letzteren den Winter hindurch allmonatlich einzuladen, in ihrem Haus sich umzukleiden, zu speisen und zu übernachten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt waren nur zwei von Mr. Watsons Töchtern zu Hause, und da eine ihm immer Gesellschaft leisten musste, weil er kränklich war und seine Frau verloren hatte, konnte nur eine die Großzügigkeit ihrer Freunde in Anspruch nehmen. Miss Emma Watson,* die erst kürzlich aus der Obhut einer Tante, die sie aufgezogen hatte, zu ihrer Familie zurückgekehrt war, sollte zum erstenmal öffentlich in der Nachbarschaft in Erscheinung treten, und ihre älteste Schwester, deren Vergnügen an Bällen auch in zehn Jahren begeisterter Teilnahme nicht nachgelassen hatte, ließ es sich nicht nehmen, Emma und ihren Feststaat an dem wichtigen Vormittag bereitwillig in der alten Chaise nach D. zu fahren. Während der Wagen Schlamm aufspritzend die schmutzige Landstraße entlangfuhr, gab Miss Watson ihrer unerfahrenen Schwester Ratschläge und Warnungen.

»Ich glaube, es wird bestimmt ein sehr guter Ball, und bei so vielen Offizieren, wird es dir an Partnern nicht fehlen. Mrs. Edwards’ Zofe wird dir gerne zur Hand gehen, und ich würde dir raten, Mary Edwards um Rat zu bitten, wenn du nicht weiter weißt, denn sie hat einen sehr guten Geschmack. Wenn Mr. Edwards sein Geld nicht beim Kartenspiel verliert, könnt ihr so lange bleiben, wie ihr möchtet; verliert er aber, wird er euch wohl unverzüglich nach Hause fahren; aber wenigstens könnt ihr dann mit einer bekömmlichen Suppe rechnen. Ich hoffe, dass du Eindruck machst. Ich wäre nicht überrascht, wenn man dich für eins der hübschesten Mädchen im Saal hält, ein neues Gesicht verfehlt nie seine Wirkung. Vielleicht wirft Tom Musgrave ein Auge auf dich, aber ich möchte dir ernsthaft davon abraten, ihn im geringsten zu ermutigen. Er macht allen neuen Mädchen den Hof, aber er ist ein schrecklicher Herzensbrecher und meint es nie ernst.«

»Ich glaube, du hast ihn schon einmal erwähnt«, sagte Emma. »Wer ist er?«

»Ein junger Mann von großem Vermögen, völlig unabhängig und bemerkenswert umgänglich, der Liebling aller, wo immer er hinkommt. Die meisten Mädchen in der Gegend sind oder waren jedenfalls in ihn verliebt. Ich bin die einzige, die mit heilem Herzen davongekommen ist, und dabei war ich die erste, der er seine Aufmerksamkeit geschenkt hat, als er vor sechs Jahren in unsere Gegend kam. Und die Aufmerksamkeit, die er mir geschenkt hat, war wahrhaftig groß! Manche Leute behaupten, dass ihm seitdem kein Mädchen mehr so gut gefallen hat, obwohl er die eine oder andere immer besonders auszeichnet.«

»Und wie kommt es, dass dein Herz als einziges unberührt blieb?« sagte Emma lächelnd.

»Dafür gibt es einen Grund«, erwiderte Miss Watson und errötete. »Man hat mir übel mitgespielt, Emma. Ich hoffe, du hast mehr Glück als ich.«

»Liebe Schwester, verzeih mir bitte, wenn ich dich unabsichtlich gekränkt habe.«

»Als wir Tom Musgrave kennenlernten«, fuhr Miss Watson fort, ohne Emma anscheinend gehört zu haben, »war ich eng liiert mit einem jungen Mann namens Purvis, einem engen Freund von Robert, der viel bei uns verkehrte. Alle Welt glaubte, wir seien ein Paar.«

Ein Seufzer begleitete diese Worte, den Emma schweigend respektierte, doch ihre Schwester fuhr nach kurzer Pause fort, »du willst natürlich wissen, warum nichts daraus wurde und warum er eine andere Frau geheiratet hat, während ich noch ledig bin. Aber du musst ihn fragen – nicht mich – und du musst Penelope fragen. Ja, Emma, Penelope steckte dahinter. Um einen Mann zu ergattern, ist sie zu allem fähig. Ich habe ihr vertraut, sie hat ihn mit dem Ziel, ihn für sich selbst zu erobern, gegen mich aufgehetzt, und es endete damit, dass er seine Besuche einstellte und bald darauf eine andere heiratete. Penelope lacht über ihr Verhalten, aber ich finde solche Hinterlist gemein. Sie hat mein Glück zerstört. Ich werde nie wieder einen Mann lieben, wie ich Purvis geliebt habe. Ich glaube nicht, dass man Tom Musgrave in einem Atemzug mit ihm nennen sollte.«

»Ich bin ganz schockiert über das, was du von Penelope sagst«, sagte Emma. »Kann eine Schwester so etwas tun? Rivalität, Hinterlist zwischen Schwestern! Mir ist unbehaglich bei dem Gedanken, sie kennenzulernen. Aber vielleicht war es gar nicht so. Vielleicht trügt der Schein …«

»Du kennst Penelope nicht. Sie ist zu allem fähig, wenn es ums Heiraten geht. Sie würde nicht einmal ein Hehl daraus machen. Vertraue ihr nur ja keine Geheimnisse an, lass dich von mir warnen, vertraue ihr nicht. Sie hat ihre guten Seiten, aber sie ist treulos, ehrlos und skrupellos, wenn es um ihren eigenen Vorteil geht. Ich wünschte von ganzem Herzen, sie wäre gut verheiratet. Ja, ich kann behaupten, lieber sähe ich sie gut verheiratet als mich selbst.«

»Als dich selbst! Ja, vielleicht hast du Recht. Ein Herz, das so verletzt worden ist wie deins, sehnt sich wohl kaum nach der Ehe.«

»Eigentlich nicht, aber du weißt ja, wir müssen heiraten. Ich persönlich könnte gut ledig bleiben. Ein bisschen Gesellschaft und ein unterhaltsamer Ball von Zeit zu Zeit wäre genug für mich, wenn man für immer jung bleiben könnte, aber unser Vater kann nicht für uns sorgen, und nichts ist schlimmer, als alt zu werden, arm zu sein und ausgelacht zu werden. Ich habe Purvis zwar verloren, aber nur wenige heiraten ihre erste Liebe. Ich würde einen Mann nicht ablehnen, nur weil er nicht Purvis ist. Nicht dass ich Penelope je ganz verzeihen kann.« Emma schüttelte verständnisvoll den Kopf.

»Allerdings hat Penelope auch ihre Sorgen gehabt«, fuhr Miss Watson fort, »sie wurde von Tom Musgrave bitter enttäuscht, als er seine Aufmerksamkeit von mir auf sie übertrug; sie hing sehr an ihm, aber er meint es nie ernst, und als er lange genug sein Spiel mit ihr getrieben hatte, zog er Margret vor und ließ Penelope sitzen, und die Ärmste war sehr unglücklich. Seitdem versucht sie, eine gute Partie in Chichester zu machen; sie sagt uns zwar nicht, wer es ist, aber ich glaube, es ist ein reicher alter Dr. Harding, Onkel einer Freundin, die sie besucht. Sie hat sich enorm viel Mühe mit ihm gegeben und viel Zeit investiert, bisher allerdings ohne Erfolg. Als sie neulich hinfuhr, hat sie gesagt, es sei wohl das letzte Mal. Du wusstest vermutlich gar nicht, aus welchem Anlass sie nach Chichester fuhr, und warum sie ausgerechnet jetzt, wo du nach jahrelanger Abwesenheit nach Hause kommst, Stanton verlässt.«

»Nein, ich hatte nicht die geringste Ahnung. Ich habe ihre Verabredung mit Mrs. Shaw gerade jetzt sehr bedauert. Ich hatte gehofft, alle meine Schwestern zu Hause zu finden und mit jeder gleich Freundschaft zu schließen.«

»Ich habe den Verdacht, der Doktor hatte einen Asthmaanfall, und dass sie deshalb so überstürzt aufgebrochen ist. Die Shaws sind ganz auf ihrer Seite. Jedenfalls kommt es mir so vor, aber sie erzählt mir ja nichts. Sie behauptet, sie braucht keinen Rat. Sie sagt, und damit hat sie nicht Unrecht, viele Köche verderben den Brei.«

»Es tut mir leid, dass sie Sorgen hat«, sagte Emma, »aber ihre Pläne und ihre Ansichten gefallen mir nicht. Ich habe schon jetzt Angst vor ihr. Ich fürchte, sie hat ein zu männliches und eigenwilliges Temperament. So aufs Heiraten erpicht zu sein, einen Mann nur um der finanziellen Sicherheit zu verfolgen, ist etwas, was mich schockiert. Ich habe dafür kein Verständnis. Armut ist ein großes Übel, aber für eine gebildete, empfindsame Frau sollte es nicht, kann es nicht das größte sein. Ich wäre lieber Lehrerin an einer Schule (und ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen), als einen Mann zu heiraten, den ich nicht mag.«

»Ich täte alles lieber, als Lehrerin an einer Schule zu sein«, sagte ihre Schwester. »Ich war an einer Schule, Emma, und weiß, was für ein Leben das ist. Du nicht. Ich möchte ebenso wenig wie du einen unsympathischen Mann heiraten, aber ich glaube, es gibt nicht viele sehr unsympathische Männer. Ich glaube, ich könnte jeden verträglichen Mann mit hinlänglichem Auskommen gern haben. Wahrscheinlich hat die Erziehung unserer Tante dich ziemlich anspruchsvoll gemacht.«

»Dazu kann ich nichts sagen. Mein Benehmen wird dir sagen, wie ich erzogen worden bin. Ich kann mich selbst nicht beurteilen. Ich kann die Erziehungsmethode meiner Tante mit keiner anderen vergleichen, weil ich keine andere kenne«.

»Aber ich kann an vielen Dingen sehen, dass du sehr anspruchsvoll bist. Es ist mir nicht entgangen, seit du hier bist, und ich fürchte, es wird dich nicht sehr glücklich machen. Penelope wird viel über dich zu lachen haben.«

»Das wird sicher nicht zu meinem Glück beitragen. Wenn meine Ansichten falsch sind, muss ich sie ändern. Wenn meine gesellschaftliche Stellung ihnen nicht entspricht, muss ich mich um Diskretion bemühen. Aber ich zweifle, ob Spott … Ist Penelope geistreich?«

»Ja, sie ist sehr schlagfertig und nimmt kein Blatt vor den Mund.«

»Margaret ist wahrscheinlich liebenswürdiger?«

»Ja, besonders in Gesellschaft. Sie ist ganz Liebenswürdigkeit und Charme, wenn jemand dabei ist. Aber unter uns ist sie eher reizbar und aufsässig. Die Ärmste! Sie ist besessen von der Vorstellung, dass Tom Musgrave ernsthafter in sie verliebt ist als je in eine andere, und erwartet ständig, dass er sich erklärt. Dies ist das zweite Mal innerhalb dieses Jahres, dass sie einen Monat bei Robert und Jane mit der Absicht verbracht hat, ihn durch ihre Abwesenheit anzustacheln. Aber ich bin überzeugt, sie irrt sich und dass er ihr genauso wenig nach Croydon folgt wie im letzten März. Er wird nie heiraten, es sei denn, er kann eine glänzende Partie machen. Miss Osborne vielleicht oder jemand von dem Rang.«

»Deine Beschreibung dieses Tom Musgrave, Elizabeth, macht mir wenig Lust, ihn kennenzulernen.«

»Du hast Angst vor ihm, das wundert mich nicht.«

»Nein, ich mag ihn nicht und verachte ihn.«

»Tom Musgrave nicht mögen und verachten! Nein, das gelingt dir nicht. Ich wette, du bist begeistert von ihm, wenn er dir seine Aufmerksamkeit schenkt. Ich hoffe, er tanzt mit dir – was er ganz bestimmt tut, es sei denn, die Osbornes kommen in großer Gesellschaft, denn dann wird er mit niemandem sonst sprechen.«

»Er scheint ja sehr einnehmende Umgangsformen zu haben«! sagte Emma. »Na ja, wir werden sehen, wie unwiderstehlich Mr. Tom Musgrave und ich uns finden. Ich nehme an, ich werde ihn gleich beim Betreten des Ballsaals erkennen, denn der Charme muss ihm ja aufs Gesicht geschrieben sein.«

»Du wirst ihn im Ballsaal aber nicht treffen, glaub mir. Ihr werdet früh aufbrechen, damit Mrs. Edwards einen guten Platz am Kamin bekommt, und er kommt immer erst später. Und wenn die Osbornes kommen, dann wartet er im Korridor und betritt den Saal erst mit ihnen. Ich würde dir dabei gerne zusehen, Emma. Wenn unser Vater einen guten Tag hat und ich ihm sein Abendessen gemacht habe, ziehe ich mich warm an und James könnte mich rüberfahren. Dann wäre ich bei dir, wenn das Tanzen anfängt.«

»Was! Würdest du so spät abends in dieser Chaise kommen?«

»Aber natürlich. Siehst du, ich habe doch gesagt, du bist sehr anspruchsvoll, dies ist ein Beispiel dafür.«

Emma schwieg einen Augenblick. Schließlich sagte sie: »Ich wollte, Elizabeth, du hättest nicht darauf bestanden, dass ich zu diesem Ball gehe. Ich wollte, du würdest an meiner Stelle gehen. Du hättest mehr Spaß daran als ich. Ich bin fremd hier und kenne niemanden außer den Edwards. Ich zweifle sehr, ob ich mich amüsieren werde, während du bei all deinen Bekannten damit rechnen kannst. Noch ist es nicht zu spät, den Plan zu ändern. Bei den Edwards wäre eine Entschuldigung kaum nötig, denn ihnen muss an deiner Gesellschaft mehr gelegen sein als an meiner, und ich bin gern bereit, zu unserem Vater zurückzukehren. Und hätte gar keine Angst, mit dem friedlichen alten Gaul nach Hause zu fahren. Deine Kleider würde ich dir schon irgendwie zukommen lassen.«

»Meine liebste Emma«, rief Elizabeth erregt, »glaubst du im Ernst, ich würde so etwas tun! Nicht um alles in der Welt. Aber ich werde deine Großzügigkeit niemals vergessen. Du musst ein liebenswertes Naturell haben. So etwas habe ich noch nie erlebt! Und würdest du wirklich auf den Ball verzichten, damit ich hingehen kann? Glaub mir, Emma, so egoistisch bin ich wirklich nicht. Nein, obwohl ich neun Jahre älter bin als du, möchte ich nicht verhindern, dass man dich sieht. Du bist sehr hübsch, und es wäre grausam, wenn du nicht die gleiche Chance wie wir alle hättest, dein Glück zu machen. Nein, Emma, wer immer diesen Winter zu Hause bleibt, du bist es nicht. Ich hätte jemandem, der mich mit neunzehn von einem Ball ferngehalten hätte, bestimmt nie verziehen.«

Emma sprach ihr ihre Dankbarkeit aus, und ein paar Minuten zuckelten sie schweigend weiter. Elizabeth sprach zuerst.

»Pass auf, mit wem Mary Edwards tanzt.«

»Ich werde mir ihre Partner merken, wenn ich kann, aber du weißt, sie sind mir alle fremd.«

»Achte nur drauf, ob sie mehr als einmal mit Hauptmann Hunter tanzt, ich habe meine Befürchtungen in der Richtung. Nicht dass ihr Vater und ihre Mutter etwas für Offiziere übrig haben, aber wenn, dann hat der arme Sam das Nachsehen. Und ich habe versprochen, ihm zu schreiben, mit wem sie tanzt.«

»Ist Sam in Miss Edwards verliebt?«

»Wusstest du das nicht?«

»Woher soll ich das wissen? Wie soll ich in Shropshire ahnen, was sich in dieser Hinsicht in Surrey tut? Es ist ja nicht wahrscheinlich, dass derart delikate Angelegenheiten in der spärlichen Korrespondenz erwähnt worden sind, die zwischen uns beiden in den letzten vierzehn Jahren stattgefunden hat.«

»Ich weiß nicht, warum ich es in meinen Briefen nie erwähnt habe. Seit du zu Hause bist, bin ich so mit unserem armen Vater und unserer großen Wäsche beschäftigt, dass ich keine Zeit hatte, dir irgendwas zu erzählen. Ich nahm einfach an, du wüsstest alles. Er ist seit zwei Jahren grenzenlos in sie verliebt und ist sehr enttäuscht, dass er nicht immer an unseren Bällen teilnehmen kann. Aber Mr. Curtis kann nur selten auf ihn verzichten, und im Augenblick grassieren in Guilford allerlei Krankheiten …«

»Glaubst du, dass Miss Edwards etwas an ihm liegt?«

»Ich fürchte, nein. Sie ist Einzelkind, musst du wissen, und wird mindestens zehntausend Pfund erben.«

»Aber deshalb kann sie unseren Bruder doch gern haben.«

»O nein! Die Edwards wollen viel höher hinaus. Ihr Vater und ihre Mutter würden niemals zustimmen. Sam ist schließlich nur Arzt. Manchmal denke ich, sie hat ihn gern. Aber Mary Edwards ist ziemlich spröde und zurückhaltend. Ich weiß nicht immer, was sie im Sinn hat.«

»Wenn Sam sich der Dame nicht ganz sicher ist, ist es meiner Meinung nach nicht recht, dass man ihn ermutigt, sich Hoffnungen zu machen.«

»Ein junger Mann muss sich Hoffnungen machen«, sagte Elizabeth, »und warum sollte er nicht so viel Glück haben wie Robert, der eine gute Frau und sechstausend Pfund hat?«

»Wir können doch nicht erwarten, dass jeder von uns Glück hat. Das Glück eines Familienmitglieds bedeutet Glück für alle.«

»Meins kommt ganz bestimmt«, sagte Elizabeth und stieß in Erinnerung an Purvis noch einmal einen Seufzer aus. »Ich habe genug Unglück gehabt, und du bist nicht viel besser dran, weil unsere Tante so unklug war, ein zweites Mal zu heiraten. Na ja, auf jeden Fall steht dir ein schöner Ball bevor. Hinter der nächsten Kurve kommen wir an den Schlagbaum. Dann kannst du über der Hecke den Kirchturm sehen, und der ›Weiße Hirsch‹ ist nicht weit davon. Ich bin gespannt, was du von Tom Musgrave hältst.«

Das waren die letzten verständlichen Laute von Miss Watsons Stimme, ehe sie den Schlagbaum passierten und auf die gepflasterte Straße der Stadt kamen, wo das Rumpeln und Rattern jede weitere Unterhaltung wenig wünschenswert machte. Der alte Gaul trabte behäbig weiter, fand seinen Weg, ohne dass Elizabeth die Zügel benutzte, und machte nur einen Fehler, als er vor dem Modegeschäft anhielt, ehe er bei den Edwards vorfuhr.

Mr. Edwards wohnte im besten Haus der Straße, ja im besten der Stadt, sofern der Bankier, Mr. Tomlinson, einverstanden war, sein neu errichtetes Haus mit Garten und Auffahrt am Ausgang der Stadt als Landhaus zu betrachten.

Mr. Edwards’ Haus war höher als die meisten Nachbarhäuser; es hatte zwei durch Läden gesicherte Fenster zu beiden Seiten der Eingangstür, zu der ein paar Steinstufen hinaufführten.

»Da wären wir«, sagte Elizabeth, als das Gefährt zum Stehen kam, »heil und ganz, und nach der Uhr am Markt haben wir nur fünfunddreißig Minuten gebraucht, eine beachtliche Zeit, wenn du mich fragst, auch wenn das für Penelope gar nichts wäre. Ist das Städtchen nicht hübsch? Die Edwards haben ein vornehmes Haus, wie du siehst, und einen herrschaftlichen Lebensstil. Du wirst sehen, die Tür, wird von einem Diener in Livrée mit gepuderter Perücke geöffnet.«

 

Kapitel 2

Emma hatte die Edwards nur einmal vormittags in Stanton gesehen, sie waren ihr also so gut wie fremd; und obwohl sie den Vergnügungen des Abends mit nicht geringen Erwartungen entgegensah, war ihr doch nicht ganz wohl bei dem Gedanken an all das, was dem vorhergehen sollte. Auch die Unterhaltung mit Elizabeth hatte ein beträchtliches Unbehagen in Bezug auf ihre eigene Familie in ihr erregt, das sie für unangenehme Eindrücke jeder anderen Art noch empfänglicher machte und ihr die ganze Peinlichkeit bewusst werden ließ, sich bei so oberflächlicher Bekanntschaft auf ein engeres Verhältnis einzulassen.

Nichts im Benehmen von Mrs. und Miss Edwards war dazu angetan, ihr diese Bedenken zu nehmen. Die Mutter, obwohl eine sehr freundliche Frau, hatte eine reservierte Art und viel förmliche Höflichkeit. Und die Tochter, ein elegant wirkendes Mädchen von zweiundzwanzig, die Haare in Papierwicklern, hatte offenbar auf ganz natürliche Weise etwas vom Benehmen der Mutter übernommen, die sie erzogen hatte. Da Elizabeth unverzüglich wieder aufbrechen musste, sollte Emma, allein gelassen, bald herausfinden, wie sie waren, denn nichts als einige sehr, sehr gelangweilte Bemerkungen über die wahrscheinliche Brillanz des Balles unterbrachen von Zeit zu Zeit das halbstündige Schweigen, ehe der Herr des Hauses sich zu ihnen gesellte.

Mr. Edwards hatte eine sehr viel entspanntere und mitteilsamere Art als die Damen der Familie. Er kam direkt von der Straße herein und war bereit, alles zu erzählen, was Interesse erregen mochte. Nachdem er Emma herzlich begrüßt hatte, wandte er sich an seine Tochter mit: »Also, Mary, ich bringe dir gute Nachrichten. Die Osbornes werden tatsächlich heute abend auf dem Ball erscheinen. Pferde für zwei Kutschen sind vom ›Weißen Hirsch‹ bestellt worden und sollen gegen neun bei Schloss Osborne vorfahren.«

»Das freut mich«, bemerkte Mrs. Edwards, »denn ihr Erscheinen verschafft unseren Gesellschaften Ansehen. Die Tatsache, dass die Osbornes beim ersten Ball anwesend waren, wird allerlei Leute veranlassen, auch am zweiten teilzunehmen. Es ist mehr, als sie verdienen, denn eigentlich tragen sie zur Unterhaltung des Abends nichts bei; sie kommen so spät und gehen so früh. Aber große Leute haben immer eine gewisse Anziehungskraft.«

Mr. Edwards fuhr fort, jede kleine Neuigkeit zu berichten, die er auf seinem Vormittagsspaziergang erfahren hatte, und sie unterhielten sich mit größerer Lebhaftigkeit, bis für Mrs. Edwards der Zeitpunkt des Ankleidens gekommen war und die jungen Damen ernsthaft ermahnt wurden, keine Zeit zu verlieren. Emma wurde in ein sehr geräumiges Zimmer geführt; und sobald Mrs. Edwards’ Artigkeiten sie sich selbst überließen, war sie von freudiger Vorbereitung, vom beginnenden Reiz eines Balles erfüllt. Da die Mädchen sich beim Ankleiden halfen, kamen sie sich unvermeidlich näher. Emma entdeckte in Miss Edwards gesunden Menschenverstand, bescheidene, vorurteilsfreie Ansichten und ein echtes Bedürfnis nach Entgegenkommen; und als sie ins Wohnzimmer zurückkehrten, wo Mrs. Edwards schicklich in einem ihrer beiden Satinkleider saß, die sie durch den Winter brachten, und einem neuen Hut von der Putzmacherin, betraten sie das Zimmer mit viel größerer Erleichterung und natürlicherem Lächeln, als sie es verlassen hatten.

Nun mussten ihre Kleider beurteilt werden. Mrs. Edwards hielt sich für zu altmodisch, um jede moderne Extravaganz zu billigen, so sehr diese auch Mode sein mochte; und obwohl sie das hübsche Aussehen ihrer Tochter wohlgefällig zur Kenntnis nahm, hielt sie sich mit ihrer Bewunderung zurück. Und Mr. Edwards, der nicht weniger zufrieden mit Mary war, zollte Emma in gutmütiger Galanterie ein paar Komplimente auf Kosten seiner Tochter. Das Gespräch kam auf vertraulichere Themen, und Miss Edwards fragte Emma höflich, ob ihr nicht oft eine große Ähnlichkeit mit ihrem jüngsten Bruder nachgesagt würde. Emma glaubte zu bemerken, dass sie bei dieser Frage leicht errötete, und noch verdächtiger schien ihr die Art, wie Mr. Edwards das Thema aufgriff.

»Ich finde, du zollst Miss Emma kein besonderes Kompliment, Mary«, sagte er hastig. »Mr. Sam Watson ist ein sehr umgänglicher junger Mann und bestimmt ein sehr geschickter Arzt, aber sein Gesicht ist so sehr Wind und Wetter ausgesetzt, dass eine Ähnlichkeit mit ihm nicht sehr schmeichelhaft klingt.«

Mary entschuldigte sich in einiger Verlegenheit. Sie finde keineswegs, dass unterschiedliche Grade von Schönheit eine starke Ähnlichkeit ausschlössen. Der Gesichtsausdruck könne sich durchaus ähneln, auch wenn Teint und Gesichtszüge verschieden seien.

»Ich kann das Aussehen meines Bruders nicht beurteilen«, sagte Emma, »denn ich habe ihn seit seinem siebten Lebensjahr nicht gesehen. Aber mein Vater meint, wir sähen uns ähnlich.«

»Mr. Watson!« rief Mr. Edwards. »Das überrascht mich. Ich sehe nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen Ihnen. Die Augen Ihres Bruders sind grau, Ihre sind braun, er hat ein langes Gesicht und einen breiten Mund. Meine Liebe, kannst du irgendeine Ähnlichkeit entdecken?«

»Nicht im geringsten. Miss Emma Watson erinnert mich stark an ihre älteste Schwester, und manchmal sehe ich einen Zug von Miss Penelope – und ein, zwei Mal sogar einen Anklang an Mr. Robert. Aber eine Ähnlichkeit mit Mr. Samuel kann ich beim besten Willen nicht entdecken.«

»Ich sehe die Ähnlichkeit zwischen ihr und Miss Watson«, entgegnete Mr. Edwards, »sehr stark sogar. Mit den anderen allerdings nicht. Ich finde nicht, dass sie irgendjemandem in ihrer Familie ähnlich sieht, außer Miss Watson, aber ich bin ganz sicher, dass zwischen ihr und Mr. Sam keinerlei Ähnlichkeit besteht.«

Der Fall war geklärt, und man ging zu Tisch.

»Ihr Vater, Miss Emma, ist einer meiner ältesten Freunde«, sagte Mr. Edwards, als er ihr Wein einschenkte, während sie beim Dessert um das offene Feuer saßen. »Wir müssen auf seine Gesundheit trinken. Glauben Sie mir, es macht mir große Sorge, dass er so kränklich ist. Ich kenne niemanden, der in geselliger Runde so viel Spaß an einer Partie Karten hat, und wenige, die besser spielen als er. Es ist jammerschade, dass er auf dieses Vergnügen verzichten muss. Denn wir haben jetzt einen bescheidenen kleinen Whistclub, der sich dreimal die Woche im ›Weißen Hirsch‹ trifft, und wie würde er das genießen, wenn er bei guter Gesundheit wäre.«

»Davon bin ich überzeugt, Sir. Und ich wünschte von ganzem Herzen, dass er dazu imstande wäre.«

»Dein Club wäre eher für einen kränklichen Mann geeignet«, warf Mrs. Edwards ein, »wenn ihr nicht so spät aufhören würdet.«

Dies war ein ewiger Grund zur Klage.

»So spät, meine Liebe. Was redest du da!« rief ihr Mann gut gelaunt, aber unbeeindruckt. »Wir sind immer vor Mitternacht zu Hause. Auf Schloss Osborne würde man lachen, wenn man hörte, was du spät nennst. Dort steht man um Mitternacht gerade erst vom Dinnertisch auf.«

»Das tut hier nichts zur Sache«, entgegnete seine Frau ungerührt. »Die Osbornes sind kein Maßstab für uns. Ihr solltet euch lieber jeden Abend treffen und zwei Stunden früher aufbrechen.«

Hier nahm die Diskussion meist ein Ende, denn Mr. und Mrs. Edwards waren klug genug, diesen Punkt nie zu überschreiten, und Mr. Edwards wandte sich einem anderen Thema zu. Er war so sehr an den Müßiggang einer Kleinstadt gewöhnt, dass er ein bisschen klatschhaft geworden war, und in seiner Neugier, mehr von den Lebensumständen seines jungen Gastes zu erfahren, als ihm bisher zu Ohren gekommen war, begann er mit:

»Ich kann mich noch sehr gut an ihre Tante erinnern, Miss Emma, es muss ungefähr dreißig Jahre her sein. Ich bin ziemlich sicher, dass ich mit ihr in den alten Gesellschaftsräumen in Bath getanzt habe, im Jahr vor meiner Heirat. Sie war damals eine sehr elegante Frau – aber wie andere Leute wird sie inzwischen wohl auch etwas älter geworden sein. Ich hoffe sehr, dass sie mit ihrer zweiten Wahl glücklich ist.«

»Das hoffe ich auch, das glaube ich auch, Sir«, sagte Emma in einiger Erregung.

»Mr. Turner war wohl noch nicht sehr lange tot, oder?«

»Ungefähr zwei Jahre, Sir.«

»Ich habe vergessen, wie sie jetzt heißt.«

»O’Brien.«

»Irisch! Ah! Ich erinnere mich. Und sie ist nach Irland gezogen. Es wundert mich nicht, dass Sie nicht den Wunsch hatten, ihr in das Land zu folgen, Miss Emma. Die Ärmste! Sie müssen ihr sehr fehlen! Nachdem sie Sie wie ihr eigenes Kind aufgezogen hat.«

»Ich wäre undankbar gewesen, Sir«, sagte Emma nachdrücklich, »wenn ich nicht am liebsten bei ihr geblieben wäre. Aber es war ihnen nicht recht, es war Hauptmann O’Brien nicht recht, dass ich mit von der Partie war.«

»Hauptmann!« wiederholte Mrs. Edwards. »Der Herr ist also beim Militär?«

»Ja, Madam.«

»So, so – es geht doch nichts über Offiziere, um das Herz einer Dame zu gewinnen, jung oder alt. Einer Kokarde kann niemand widerstehen, meine Liebe.«

»Ich hoffe doch«, sagte Mrs. Edwards streng mit einem Seitenblick auf ihre Tochter, und Emma hatte sich rechtzeitig von ihrer eigenen Verwirrung erholt, so dass ihr die Röte auf Miss Edwards’ Wangen nicht entging, und sie das, was Elizabeth über Hauptmann Hunter gesagt hatte, mit Vorsicht und Umsicht über seine Chancen und die ihres Bruders abwägen konnte.

»Ältere Damen sollten vorsichtig sein, wenn sie eine zweite Wahl treffen«, bemerkte Mr. Edwards.

»Vorsicht und Diskretion sollten sich nicht nur auf ältere Damen oder eine zweite Wahl beschränken«, fügte seine Frau hinzu. »Junge Damen müssen sie auch bei ihrer ersten Wahl walten lassen.«

»Eher noch mehr, meine Liebe«, erwiderte er, »weil junge Damen die Wirkungen voraussichtlich länger zu spüren bekommen. Wenn eine alte Dame eine Dummheit begeht, liegt es nicht in der Natur der Dinge, dass sie jahrelang darunter leiden muss.«

Emma fuhr sich mit der Hand über die Augen, und als Mrs. Edwards das sah, wechselte sie zu einem für alle weniger heiklen Thema über.

Da es nichts zu tun gab, als auf die Stunde der Abfahrt zu warten, wurde der Nachmittag den beiden jungen Damen lang; und obwohl der sehr frühe Zeitpunkt für den Aufbruch, auf dem ihre Mutter immer bestand, Miss Edwards sonst ärgerte, wurde dieser frühe Zeitpunkt diesmal mit einiger Ungeduld erwartet.

Das Servieren des Tees um sieben Uhr brachte einige Abwechslung, und zum Glück tranken Mr. und Mrs. Edwards immer eine zweite Tasse und aßen ein zweites Stückchen Kuchen, wenn sie spät aufbleiben mussten, was die Zeremonie fast bis zum ersehnten Augenblick ausdehnte. Kurz vor acht hörten sie die Kutsche der Tomlinsons vorbeifahren, und das war für Mrs. Edwards das übliche Signal, ihre eigene Kutsche ebenfalls vorfahren zu lassen. Und in wenigen Minuten fand sich die Gruppe aus der wohltuenden Stille eines gemütlichen Wohnzimmers in die Geschäftigkeit, den Lärm und die Zugluft einer breiten Gasthauseinfahrt versetzt.

 

Kapitel 3

Mehr noch als auf den untadeligen Zustand ihres eigenen Kleides war Mrs. Edwards vorsorglich auf den Schutz von Hals und Schultern ihrer jungen Zöglinge bedacht und führte sie die breite Treppe hinauf, während als Vorgeschmack auf den Ball nichts als das Stimmen einer einzigen Violine die Ohren ihrer Gefolgschaft beglückte und Miss Edwards auf ihre begierige Frage, ob schon viele Gäste gekommen seien, vom Ober, wie nicht anders zu erwarten, die Antwort erhielt, die Familie Tomlinson sei im Saal. Beim Passieren einer kurzen Galerie zum Saal, der hell erleuchtet vor ihnen lag, wurden sie von einem jungen Mann in Alltagskleidung und Stiefeln angesprochen, der offenbar in der Absicht, sie vorbeigehen zu sehen, in der Tür eines Gästezimmers stand.

»Ah! Mrs. Edwards, wie geht es Ihnen? Wie geht es Ihnen, Miss Edwards?« rief er auf zwanglose Art. »Sie sind, wie ich sehe, wie immer darauf bedacht, pünktlich zu sein. Die Kerzen sind gerade erst angezündet worden.«

»Sie wissen doch, Mr. Musgrave, ich lege auf einen guten Platz am Kamin Wert«, erwiderte Mrs. Edwards.

»Ich bin im Begriff, mich umzukleiden«, sagte er. »Ich warte nur auf meinen dämlichen Burschen. Es wird ein glänzender Ball, die Osbornes kommen bestimmt. Darauf können Sie sich verlassen, denn ich war heute morgen bei Lord Osborne …«

Die Gruppe ging vorbei. Mrs. Edwards’ Satinkleid rauschte über den sauberen Boden des Ballsaals zum Kaminfeuer am anderen Ende, wo erst eine einzige Gruppe Platz genommen hatte, während drei oder vier Offiziere lässig zwischen Saal und Kartenzimmer hin- und herschlenderten. Zwischen den benachbarten Familien fand eine recht steife Begrüßung statt; und sobald sie alle wieder geziemend Platz genommen hatten, sagte Emma in leisem, der feierlichen Atmosphäre angemessenen Flüsterton zu Miss Edwards:

»Der Herr, an dem wir im Korridor vorbeigegangen sind, war also Mr. Musgrave? Wie ich höre, soll er außerordentlich liebenswürdig sein.« Miss Edwards zögerte mit der Antwort: »Ja, er ist bei vielen Leuten sehr beliebt. Aber wir sind nicht sehr vertraut miteinander.«

»Er ist reich, nicht wahr?«

»Er hat, glaube ich, ungefähr acht- oder neunhundert Pfund pro Jahr. Er hat das Geld geerbt, als er noch sehr jung war, und mein Vater und meine Mutter finden, dass es ihn eher aus der Bahn geworfen hat. Sie haben nicht viel für ihn übrig.«

Die kalte und unbelebte Atmosphäre im Saal und die gedämpfte Stimmung der kleinen weiblichen Gruppe an seinem einen Ende begann sich bald aufzulockern. Das vielversprechende Geräusch von Kutschen war zu hören und ein ständiger Strom behäbiger Anstandsdamen und Grüppchen modisch gekleideter junger Damen wurde empfangen, hin und wieder auch ein willkommener männlicher Nachzügler, der, wenn nicht verliebt genug, um sich zu einem der hübschen weiblichen Wesen zu gesellen, froh war, im Kartenzimmer verschwinden zu können. Aus der wachsenden Zahl von Offizieren steuerte nun einer auf Miss Edwards zu, und zwar mit einem empressement, das ihrer Gefährtin deutlich zu verstehen gab: ›Ich bin Hauptmann Hunter.‹ Emma konnte nicht umhin, sie in einem solchen Moment zu beobachten, und sah, wie sie sich zwar verlegen, aber durchaus nicht abgeneigt für die beiden ersten Tänze verpflichtete, wodurch die Schwester die Aussichten ihres Bruders Sam schwinden sah.

Emma war währenddessen nicht unbeachtet oder unbewundert geblieben. Ein neues Gesicht, und dazu ein sehr hübsches, konnte man nicht übersehen. Ihr Name wurde flüsternd von Gruppe zu Gruppe weitergetragen; und kaum hatte das Orchester mit einer beliebten Melodie das Signal gegeben, das alle jungen Männer an ihre Pflicht gemahnte und auf die sich schnell füllende Tanzfläche rief, als sie sich schon von einem Offizier aufgefordert sah, den Hauptmann Hunter ihr vorstellte.

Emma Watson war nur mittelgroß, hatte eine volle, hübsche Figur und strahlte gesunde Lebensfreude aus. Ihr Teint war eher dunkel, aber rein, glatt und leuchtend, und mit ihren lebhaften Augen, ihrem reizenden Lächeln und ihren offenen Zügen besaß sie eine ansprechende Schönheit und eine Art, die diese Schönheit bei näherer Bekanntschaft noch erhöhte. Da sie keinen Grund hatte, mit ihrem Partner unzufrieden zu sein, begann der Abend äußerst angenehm für sie. Und ihre Empfindungen stimmten völlig mit der häufig wiederholten Bemerkung anderer überein, dass es ein gelungener Ball sei.

Die ersten beiden Tänze waren noch nicht vorbei, als das erneute Geräusch von Kutschen nach langer Pause allgemeines Aufsehen erregte und ›die Osbornes kommen, die Osbornes kommen‹ die Runde im Saal machte. Nach einigen Minuten außerordentlicher Geschäftigkeit draußen und gespannter Neugier drinnen machte die bedeutende Gruppe, der der eilfertige Gasthausbesitzer voranging, um eine Tür zu öffnen, die gar nicht geschlossen war, ihren Auftritt. Sie bestand aus Lady Osborne, ihrem Sohn Lord Osborne, ihrer Tochter Miss Osborne, Miss Carr, der Freundin ihrer Tochter, Mr. Howard, dem früheren Hauslehrer von Lord Osborne, jetzt Pastor in der Gemeinde, zu der das Schloss gehörte, Mrs. Blake, seiner verwitweten Schwester, die bei ihm wohnte, ihrem Sohn, einem gut aussehenden Jungen von zehn Jahren und Mr. Tom Musgrave, der, eingeschlossen in sein eigenes Zimmer, während der letzten halben Stunde vermutlich in arger Ungeduld dem Klang der Musik zugehört hatte. Bei ihrem gemessenen Gang durch den Saal blieben sie beinahe unmittelbar hinter Emma stehen, um die Höflichkeiten einiger Bekannter entgegenzunehmen, so dass sie hörte, wie Lady Osborne sagte, sie seien ausdrücklich so früh gekommen, um Mrs. Blakes kleinem Jungen, der so außerordentlich gern tanze, einen Gefallen zu tun. Emma betrachtete sie alle eingehend im Vorbeigehen, besonders und mit größtem Interesse aber Tom Musgrave, der zweifellos ein eleganter, gut aussehender junger Mann war. Von den Damen war Lady Osborne bei weitem die vornehmste. Obwohl fast fünfzig, war sie sehr schön und besaß die ganze Würde ihres Ranges.

Lord Osborne war ein vornehmer junger Mann, aber er strahlte Kälte, Desinteresse, ja sogar Unbeholfenheit aus, was verriet, dass er in diesem Ballsaal nicht in seinem Element war. Er kam auch nur, weil man ihm geraten hatte, sich in der Gemeinde beliebt zu machen. Ihm lag nichts an weiblicher Gesellschaft, und er tanzte nie. Mr. Howard war ein freundlich aussehender Mann von etwas über dreißig.

Am Ende der beiden Tänze fand Emma sich, ohne zu wissen wie, im Kreis der Osbornes sitzen und war sofort beeindruckt von den feinen Zügen und lebhaften Gesten des kleinen Jungen, während er vor seiner Mutter stand und fragte, wann er an der Reihe sei.

»Sie werden sich nicht über Charles’ Ungeduld wundern«, sagte Mrs. Blake, eine lebhafte, hübsche kleine Frau von fünf- oder sechsunddreißig, zu einer neben ihr stehenden Dame, »wenn Sie hören, wer seine Partnerin sein wird. Miss Osborne hat sich freundlicherweise angeboten, die ersten beiden Tänze mit ihm zu tanzen.«

»O ja, sie hat es mir schon vor einer Woche versprochen«, rief der Junge, »und wir wollen besser tanzen als alle.«

Auf der anderen Seite von Emma standen Miss Osborne, Miss Carr und eine Gruppe junger Männer in ein sehr lebhaftes Gespräch vertieft, und kurz darauf sah sie, wie einer der stattlichsten Offiziere zum Orchester ging, um einen Tanz zu bestellen, während Miss Osborne an Emma vorbei hastig zu ihrem erwartungsvollen kleinen Partner sagte: »Charles, entschuldige bitte, dass ich mein Versprechen nicht halte, aber ich werde diese beiden Tänze mit Hauptmann Beresford tanzen. Ich weiß, du wirst mir verzeihen, denn nach dem Tee tanze ich bestimmt mit dir.«

Und ohne auf eine Antwort zu warten, wandte sie sich wieder Miss Carr zu und ließ sich gleich darauf von Hauptmann Beresford auf die Tanzfläche führen. Wenn das Gesicht des armen kleinen Jungen in seiner ganzen Seligkeit Emma schon interessiert hatte, so war sie nach diesem Schock noch mehr davon angezogen. Er stand da, ein Bild der Enttäuschung, mit hochroten Wangen, zitternden Lippen und zu Boden gesenkten Augen. Seine Mutter unterdrückte ihre eigene Demütigung und versuchte, ihm mit der Aussicht auf Miss Osbornes zweites Versprechen über seine hinwegzuhelfen. Aber obwohl er unter Aufbringung jungenhafter Tapferkeit die Worte hervorstieß: »Ach, das macht mir nichts«, war seinen erregten Zügen doch anzumerken, wie viel es ihm ausmachte. Emma dachte und überlegte nicht, sie litt mit und handelte.

»Es wäre mir ein Vergnügen, Sir, mit Ihnen zu tanzen, wenn Sie Lust haben«, sagte sie und hielt ihm mit völlig ungezwungener Galanterie ihre Hand hin.

Der Junge hatte seine anfängliche gute Laune im Nu wiedergefunden, warf einen freudigen Blick auf seine Mutter, trat mit einem ehrlichen und schlichten »Dankeschön, Madam«, vor und verneigte sich unverzüglich vor seiner neuen Partnerin. Mrs. Blakes Dankbarkeit war noch überschwenglicher. Mit einem überraschten Blick unerwarteter Freude und tiefer Dankbarkeit wandte sie sich unter wiederholten, lebhaften Beteuerungen der ihrem Sohn erwiesenen so großen und selbstlosen Güte an ihre Nachbarin. Emma konnte ihr in aller Ehrlichkeit versichern, dass das Vergnügen ganz auf ihrer Seite sei; und nachdem Charles seine Handschuhe entgegengenommen hatte und ermahnt worden war, sie anzubehalten, mischten sie sich mit fast gleicher Zufriedenheit unter die Tänzer, die sich schnell zu Gruppen formten.

Es war eine Partnerschaft, die nicht geringes Aufsehen erregte. Von Miss Osborne und Miss Carr trug es ihr einen überraschten Blick ein, als sie an ihnen vorbeitanzten.

»Hast du ein Glück, Charles«, sagte die erstere, als sie ihn im Kreis führte,* »du hast eine bessere Partnerin, als ich es bin«, worauf der glückliche Charles antwortete: »Ja.«

Tom Musgrave, der mit Miss Carr tanzte, warf Emma allerlei neugierige Blicke zu, und nach einer Weile trat sogar Lord Osborne näher und nahm unter dem Vorwand, mit Charles zu reden, dessen Partnerin in Augenschein. Emma waren diese Aufmerksamkeiten eher peinlich, doch bereute sie nicht, was sie getan hatte, denn sie hatte den Jungen und seine Mutter so glücklich gemacht, dass diese ständig nach Gelegenheiten suchte, ihr die liebenswürdigsten Höflichkeiten zu erweisen.

Ihr kleiner Partner, fand sie, obwohl hauptsächlich am Tanzen interessiert, war nicht einsilbig, wenn ihre Fragen oder Bemerkungen ihm etwas zu sagen gaben, und sie erfuhr bei ihrer unvermeidlichen Konversation, dass er zwei Brüder und eine Schwester hatte, dass sie und ihre Mama bei seinem Onkel in Wickstead lebten, dass der Onkel ihm Latein beibrachte, dass er großen Spaß am Reiten und von Lord Osborne ein eigenes Pferd bekommen hatte, und dass er schon einmal mit Lord Osbornes Hunden auf die Jagd gegangen war.

Nach Beendigung dieser Tänze sollte Tee getrunken werden. Miss Edwards ermahnte Emma, sich nicht zu entfernen, woraus Emma entnahm, dass es Mrs. Edwards sehr wichtig war, sie beim Betreten des Teezimmers nahe bei sich zu haben, und so war Emma darauf bedacht, sich an sie zu halten. Die Gesellschaft genoss auf dem Weg zu den Erfrischungen immer das muntere Gedränge. Das kleine Teezimmer schloss unmittelbar ans Kartenzimmer an; und da wegen der Kartentische kein leichtes Durchkommen war, fanden sich Mrs. Edwards und ihre Schützlinge einige Augenblicke eingezwängt. Es passierte dicht bei Lady Osbornes Kartentisch. Mr. Howard, der mit am Tisch saß, sprach mit seinem Neffen Charles; und als Emma merkte, dass sie sowohl seine wie Lady Osbornes Aufmerksamkeit erregt hatte, konnte sie gerade rechtzeitig die Augen abwenden, um sich nicht den Anschein zu geben, als habe sie das entzückte Flüstern ihres kleinen Tanzpartners gehört: »Oh, Onkel! Sieh doch nur meine Partnerin. Ist sie nicht hübsch!«

Da sich die Menge jedoch sofort wieder in Bewegung setzte, wurde Charles fortgezogen, ohne das Urteil seines Onkels gehört zu haben.

Beim Betreten des Teezimmers, in dem zwei lange Tische aufgestellt waren, sah man Lord Osborne ganz allein am Ende des einen sitzen, als wolle er sich so weit es ging vom Ball zurückziehen, um seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und ungehindert beobachten zu können. Charles wies Emma sogleich auf ihn hin.

»Da ist Lord Osborne. Wollen wir beide uns nicht zu ihm setzen?«

»Nein, nein«, sagte Emma lachend, »du musst bei meinen Freunden sitzen.«

Charles war nun unbefangen genug, um seinerseits ein paar Fragen zu stellen.

»Wie spät ist es?«

»Elf.«

»Elf! Und ich bin noch gar nicht müde. Mama sagt, ich soll vor zehn im Bett sein. Glauben Sie, Miss Osborne hält ihr Versprechen, wenn wir Tee getrunken haben?«

»O ja. Das nehme ich an.« Obwohl Emma klar war, dass es wenig Grund zu dieser Vermutung gab, wo Miss Osborne schon einmal ihr Wort nicht gehalten hatte.

»Wann kommen Sie nach Schloss Osborne?«

»Wahrscheinlich nie. Ich bin mit der Familie nicht bekannt.«

»Aber Sie können nach Wickstead kommen und Mama besuchen, und sie kann Sie zum Schloss mitnehmen. Es gibt da einen riesigen, komischen ausgestopften Fuchs und einen Dachs, man könnte sie für lebendig halten. Es wäre schade, wenn Sie die nicht sähen.«

Als man vom Tee aufstand, drängten sich wieder alle, um das Vergnügen zu haben, als erste den Raum zu verlassen, und das Gewimmel wurde noch dadurch verschlimmert, dass ein oder zwei der Kartenpartien gerade beendet waren und die Spieler sich ausgerechnet in die genau entgegengesetzte Richtung bewegten. Unter ihnen war auch Mr. Howard mit seiner Schwester am Arm; und kaum waren sie in Emmas Nähe, als Mrs. Blake Emma mit einer freundlichen Berührung auf sich aufmerksam machte und sagte: »Wegen Ihrer Güte Charles gegenüber, meine liebe Miss Watson, möchte seine ganze Familie Sie kennenlernen. Darf ich Ihnen meinen Bruder, Mr. Howard, vorstellen?«

Emma knickste, der Herr verbeugte sich und bat überstürzt um die Ehre ihrer Hand für die nächsten beiden Tänze, was sie ebenso überstürzt annahm; und gleich darauf wurden sie in entgegengesetzte Richtungen weitergeschoben. Emma war außerordentlich froh über diese Aufforderung. Mr. Howard hatte die ruhig-heitere Art eines Gentleman, die Emma gefiel, und er stieg noch in ihrer Achtung, als sie ein paar Minuten später, leicht verdeckt durch eine Tür, im Kartenzimmer saß und hörte, wie Lord Osborne, der an einem leeren Tisch in ihrer Nähe lehnte, Tom Musgrave zu sich rief und sagte: »Warum tanzt du nicht mit der schönen Emma Watson? Ich möchte, dass du mit ihr tanzt, und ich komme und sehe dir zu.«

»Genau das hatte ich gerade vor, Osborne. Ich lasse mich vorstellen und tanze umgehend mit ihr.«

»Ja, tu das. Und wenn du findest, dass man nicht viel mit ihr reden muss, dann kannst du mich gelegentlich auch vorstellen.«

»In Ordnung, Osborne. Wenn sie ihren Schwestern ähnelt, dann möchte sie nur, dass man ihr zuhört. Ich gehe diese Minute. Sie wird im Teezimmer sein. Die langweilige alte Mrs. Edwards kann mit dem Teetrinken immer kein Ende finden.«