Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 518 - Lore von Holten - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 518 E-Book

Lore von Holten

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Beschreibung

Ungeduldig warten die hübsche Anja Weipert und ihr Onkel, bei dem sie seit dem tragischen Tod ihrer Eltern lebt, am Tag der Hochzeit auf den Bräutigam. Doch sie warten vergebens, denn der Mann, den Anja über alles liebt, verunglückt auf dem Weg zum Standesamt tödlich.
Die Braut ist untröstlich und versinkt in tiefer Trauer versunken, als sie nur wenige Wochen später feststellt, dass sie in anderen Umständen ist. Während Anja der Gedanke an das Kind des geliebten Mannes ein wenig Trost spendet, ist Onkel Franz außer sich. Er stellt seiner Nichte ein Ultimatum: Entweder sie heiratet pro forma irgendeinen Mann, damit das Kind nicht unehelich zur Welt kommt, oder der schwerreiche Fabrikant enterbt sie ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Unglück am Hochzeitsmorgen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Smirnof / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0106-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Unglück am Hochzeitsmorgen

Weinend legte die Braut den Schleier ab

Ungeduldig warten die hübsche Anja Weipert und ihr Onkel, bei dem sie seit dem tragischen Tod ihrer Eltern lebt, am Tag der Hochzeit auf den Bräutigam. Doch sie warten vergebens, denn der Mann, den Anja über alles liebt, verunglückt auf dem Weg zum Standesamt tödlich.

Die Braut ist untröstlich und versinkt in tiefer Trauer versunken, als sie nur wenige Wochen später feststellt, dass sie in anderen Umständen ist. Während Anja der Gedanke an das Kind des geliebten Mannes ein wenig Trost spendet, ist Onkel Franz außer sich. Er stellt seiner Nichte ein Ultimatum: Entweder sie heiratet pro forma irgendeinen Mann, damit das Kind nicht unehelich zur Welt kommt, oder der schwerreiche Fabrikant enterbt sie …

Horst Lucks Hand zitterte, als er sich eine Zigarette anzündete. Er tat einen hastigen Zug, dann drückte er die Zigarette wieder aus.

„Geh endlich!“, stieß er wütend hervor. „Merkst du denn immer noch nicht, wie unwürdig das alles ist?“

Mia Döring stand vor ihm, hübsch, zu allem entschlossen. Ihre hellen Augen brannten.

„Unwürdig? Was ist hier unwürdig? Dass du dich heute mit einer anderen verheiraten willst, nachdem du mich jahrelang an der Nase herumgeführt hast – das ist unwürdig!“

„Du kannst doch nichts mehr daran ändern!“, schrie er. „In einer Stunde schon bin ich auf dem Standesamt. Was willst du denn noch?“

„Ich gehe nicht. Und wenn du sie wirklich heiratest, dann mache ich dich unglücklich. Dich und sie. Und mich vielleicht auch. Aber das ist mir egal.“

„Du bist wahnsinnig, Mia!“, würgte er hervor. „Du hast den Verstand verloren.“

„Nicht ich – du.“

Horst lachte gequält auf.

„So etwas kann man doch nur träumen!“, rief er mit schwankender Stimme. „So etwas gibt es in Wirklichkeit nicht. Ich, Horst Luck, heirate in einer Stunde Anja Weipert, und du, Mia Döring, bist hier in meiner Wohnung, um mir klarzumachen, dass diese Hochzeit nicht stattfinden darf. Mia, ich flehe dich an: Gib es endlich auf! Willst du Liebe erzwingen?“

Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. Ihr hübscher Mund verzerrte sich. Vielleicht bin ich wirklich wahnsinnig, dachte sie. Hatte sie sich vielleicht doch zu sehr in die Idee verrannt, dass er ihr gehörte? Aber sie liebte Horst und konnte nicht von ihm lassen. Wenn er die andere heiratete, war für sie alles Glück der Erde ein für alle Mal vorbei.

„Meinetwegen kannst du sie heiraten“, stieß sie nun hervor. „Wenn du mir versprichst, dass du … dass wir … wir können uns ja auch nachher noch treffen.“

Er packte ihre Schultern und schüttelte das blonde Mädchen.

„Mia, wach endlich auf! Das ist doch nicht dein Ernst! Glaubst du wirklich, dass ich meine Ehe mit einer heimlichen Geliebten beginne? Ich bin doch kein Schuft!“

„Aber du bist der Mann, den ich liebe, Horst. Ich bin dir verfallen. Du kannst doch nicht mit einer Handbewegung alles das auslöschen, was zwischen uns gewesen ist.“

„Das ist längst vorbei! Begreife es endlich! Seit einem Jahr, seitdem ich Anja kenne, haben wir uns nicht mehr gesehen. Und nun plötzlich kommst du her und …“

„Weil ich die Hoffnung nie aufgegeben habe!“, fiel sie ihm leidenschaftlich ins Wort.

„Es ist zu spät, Mia. Zu spät, hörst du!“

Weinend klammerte sie sich an den Mann, als könne er allein sie vor dem Ertrinken retten.

Horst Luck wusste nicht, wie er Mia Döring loswerden sollte. Und er musste sie loswerden, denn nun waren es bis zur standesamtlichen Trauung nur noch fünfundvierzig Minuten. Und mit dem Wagen brauchte man mindestens eine halbe Stunde, bis er drüben im Westviertel war.

„Hör auf zu weinen, Mia“, bat er sie mit heiserer Stimme. „Ich mache dir einen Vorschlag: Du wartest hier auf mich. Ich komme zurück, das schwöre ich dir. Dann reden wir über alles.“

„Wenn du kommst, dann …“

„… dann bin ich schon verheiratet. Ja. Dagegen kannst du nichts mehr tun. Aber wir werden sehen, wie wir weiterkommen. Ich verspreche es dir.“

Plötzlich ließ sie von ihm ab. Mit müden, schleppenden Bewegungen ging sie hinüber zum Sessel, ließ sich darauf fallen und schlug die Hände vors Gesicht.

„Geh“, stieß sie hervor, „geh zu deiner Hochzeit.“

♥♥♥

„Wo zum Teufel bleibt der Kerl?“, rief der Geheimrat Weipert und zerrte seine goldene Taschenuhr hervor. „Was bildet er sich eigentlich ein?“

Anja Weipert zupfte an ihrem weißen Schleier. Sie trug kein richtiges Brautkleid. Es war eine Art Cocktailkleid, das bis zum Knie reichte, eng anliegend, aus weißer, schimmernder Seide gearbeitet. Der Schleier, den sie in ihr wundervolles dunkles Haar gesteckt hatte, war nur kurz.

„Er muss jeden Moment kommen, Onkel Franz. Du weißt doch, dass um diese Zeit der Straßenverkehr besonders stark ist.“

„Das weiß dein sauberer Herr Bräutigam nicht minder!“, wetterte der Onkel und strich über seinen kahlen Schädel. „Ich habe ja gleich gesagt, mit diesem Burschen, das geht nicht gut!“

„Onkel, bitte!“

Anjas dunkle Augen füllten sich mit Tränen. Bis vor wenigen Minuten war sie noch so glücklich gewesen, denn sie liebte Horst Luck von ganzem Herzen.

Sie standen in der Halle der Geheimratsvilla. Das Personal hatte sich still verzogen. Wenn der Geheimrat wütend war, tat man gut daran, ihm aus dem Weg zu gehen. Nur er und Anja standen dort auf dem gewaltigen Afghan-Teppich, in einiger Entfernung die beiden Trauzeugen, ein Freund des Bräutigams und Renate Kerr, Anjas beste Freundin, eine junge Schauspielerin.

„Ludwig!“, brüllte der Geheimrat nach seinem persönlichen Diener. „Einen Kognak – aber einen doppelten!“

Der grauhaarige Ludwig war in der nächsten Sekunde mit dem Kognak zur Stelle. Er hatte schon damit gerechnet, dass der Geheimrat danach verlangen würde.

Der Geheimrat stürzte das scharfe Getränk hinunter.

„Das wird ein Tag, den ich nicht vergessen werde!“, polterte er dann. „Fehlt nur noch, dass nachher die Kirche einstürzt und dass das Hochzeitsessen anbrennt – dann gehe ich ins nächste Irrenhaus!“

Der Geheimrat riss abermals seine Uhr hervor. Es wurde wirklich höchste Zeit, wenn sie noch rechtzeitig auf dem Standesamt erscheinen wollten.

„Wir fahren!“, bellte der Hausherr. „Ludwig, Sie sagen diesem sauberen Herrn Bescheid, dass er sich gütigst ins Standesamt verfügen möchte. Natürlich nur, wenn der Herr dazu aufgelegt ist. Seine Braut, die sei schon dort. Los, gehen wir!“

Anja presste die schönen, vollen Lippen zusammen. Sie hätte in den Boden versinken mögen. Wie sehr hatte sie kämpfen müssen, bis der Onkel die Zustimmung zu dieser Hochzeit gegeben hatte. Der Geheimrat hatte mit Anja ganz andere Pläne gehabt und sie in die Hochfinanz verheiraten wollen.

Seine Nichte aber hatte nur auf ihr Herz gehört, und das hatte sich für Horst Luck entschieden: dreißig Jahre alt, aufstrebender, tüchtiger Rechtsanwalt. Er hatte noch keine eigene Kanzlei, aber bald wollte er sich selbstständig machen.

Als sie ins Freie traten, wurden sie von der lachenden Sonne und der sommerlichen Wärme begrüßt. Vor dem Portal stand der große schwarze Wagen des Geheimrates, in dem alle vier Menschen bequem Platz hatten. Der Fahrer saß schon hinter dem Lenkrad, ein Diener riss die Türen auf.

„Fahren Sie endlich, Sie Trottel!“, bellte der Geheimrat den Fahrer an.

Lautlos setzte sich das Gefährt in Bewegung.

„Weine doch nicht, Anja“, bat die junge Schauspielerin und reichte der Braut ein Taschentuch. „Er wird bestimmt gleich kommen.“

Im selben Augenblick, als sie das sagte, schrillte in der Geheimratsvilla das Telefon …

♥♥♥

Hubertusstraße. Jetzt musste Horst Luck nach links in die Hauptstraße einbiegen. Aber er musste warten, denn die Ampel stand auf Rot. Das Warten zerrte an seinen Nerven.

Endlich sprang die Ampel auf Gelb um. Horst ließ den Wagen vorwärtsschießen, ohne auf Grün zu warten. Die Reifen kreischten, als er das Lenkrad nach links einschlug. Die ihm entgegenkommenden Wagen hupten wild, als er dicht vor ihren Stoßstangen ihren Weg kreuzte.

Er trat das Gaspedal tiefer. Vor ihm wollte gerade eine Straßenbahn halten. Schnell noch vorbei, bevor die Leute ausstiegen und er wieder warten musste. Ein alter Mann sprang entsetzt zur Seite, als Horst den Wagen zwischen Straßenbahn und Bürgersteig hindurchschießen ließ.

Horst presste die Lippen zusammen. Seine Hände krampften sich um das Lenkrad.

Mia Döring saß in seiner Wohnung! Und er hatte ihr gesagt, sie solle auf ihn warten. Dabei wusste er genau, dass er noch heute Nachmittag zusammen mit Anja ihre Hochzeitsreise nach Italien antreten würde. Er hatte nicht mehr vor, seine Wohnung zu betreten. Seine und Anjas Koffer waren längst auf dem Flughafen. Die Hochzeitsreise war ein Geschenk des Geheimrates.

Spätestens heute Abend würde Mia merken, dass er nicht kommen würde. Wie würde sie reagieren? Seine Wohnung demolieren? Zum Geheimrat gehen und ihm sagen, dass sie die frühere Geliebte von Horst sei? Er hatte sich nichts vorzuwerfen, denn seitdem er Anja kannte, hatte er Mia nicht mehr gesehen.

Trotzdem war sie eine schwere Last. Sie musste Vernunft annehmen. Ob sie vielleicht mit Geld …

Schon wieder eine Ampel. Horst war noch etwa dreißig Meter weit entfernt, da sprang sie von Grün auf Gelb. Horst biss die Zähne zusammen und gab Gas.

Das tat im gleichen Augenblick in der linken Nebenstraße ein Lastwagenfahrer, der im Akkord arbeitete. Grüne Ampeln, das waren für ihn bare Geldspucker. Er fuhr los, und er beeilte sich damit, denn knapp zweihundert Meter weiter gab es schon wieder eine Ampel.

Es geschah so schnell, dass weder der Lastwagenfahrer noch Horst Luck reagieren konnten. Horst sah nur noch den hohen Lastwagen auf sich zukommen, und im nächsten Moment schrie alles um ihn. Es krachte und kreischte und splitterte. Sein Wagen wurde zur Seite geworfen, als sich die Front des Lastwagens in seine Flanke bohrte.

Horst Luck war auf der Stelle tot. Die Ärzte stellten später fest, dass er sich das Genick gebrochen hatte.

Totenblasse Menschen starrten auf den zertrümmerten Wagen. Die Autos stauten sich in alle Richtungen.

Sirenengeheul. Irgendjemand hatte die Polizei und einen Krankenwagen gerufen. Irgendwie schaffte es der Polizeiwagen, sich Zugang zu der Kreuzung zu verschaffen. Er fuhr über die Bürgersteige. Die Beamten sprangen heraus.

Dann kamen noch mehr Polizisten. Schimpfend winkten sie die anderen Fahrzeuge vorbei. Der Krankenwagen kam, ein Arzt war dabei. Er neigte sich über den Verunglückten, zuckte mit den Schultern.

„Tot“, sagte er zu einem Polizisten.

Wenig später fanden sie in der Brieftasche des Verunglückten seine Papiere. Horst Luck.

„Den kenne ich“, sagte ein junger Polizeibeamter. „Sollte der nicht heute Morgen die Nichte von Geheimrat Weipert heiraten?“

Den Geheimrat Weipert kannte so ziemlich jeder in der Stadt. Die großen Werke gleich hinter dem Hauptbahnhof gehörten ihm. Der Geheimrat galt als der reichste Bürger. Die Zeitungen hatten über die bevorstehende Hochzeit geschrieben.

„Kein Ring“, sagte einer der Leute vom Krankenwagen, nachdem er einen kurzen Blick auf den Toten geworfen hatte.

„Der war bestimmt auf dem Weg zur Hochzeit“, sagte der Einsatzleiter der Polizisten. „So, wie er angezogen ist.“ Er wandte sich an einen seiner Leute. „Kötting, geben Sie das an die Zentrale durch. Sie sollen beim alten Weipert anrufen.“

Der Krankenwagen fuhr davon. Kein Blaulicht, keine Sirene. Tote haben es nicht mehr eilig.

♥♥♥

Der Beamte, der den Geheimrat an die Seite zog, zitterte wie Espenlaub.

„Was ist denn nun schon wieder?“, herrschte der Geheimrat ihn an.

„Bitte, Herr Geheimrat, es ist etwas passiert …“

„Nun reden Sie schon!“

„Auf dem Flur, wenn Sie mitkommen wollen.“

Der Geheimrat war nach wie vor fruchtbar wütend. Dennoch folgte er dem Beamten hinaus aus dem Trauzimmer.

„Also los! Was ist?“

Der Beamte bekam kaum ein Wort heraus, so sehr würgte es ihm im Hals.

„Ein … ein Unglück, Herr Geheimrat …“

Der alte Herr zuckte zusammen.

„Mit Horst Luck?“

„Ja. Er ist … mit dem Wagen …“

„Verletzt?“

Der Beamte schüttelte den Kopf.

„Da war nichts mehr zu machen, glaube ich.“

Der Geheimrat zog hörbar die Luft ein.

„Tot?“

Der Beamte nickte. Der Geheimrat starrte ihn an. Horst Luck war tot. Deshalb also ließ er sie warten. Er kam nicht mehr, sie konnten nach Hause gehen. Die Trauung fand nicht statt.

Der Geheimrat wendete sich um und ging ins Trauzimmer zurück. Er trat zu Anja und legte den Arm um sie. Sein Gesicht war grau.

„Komm, Anja, gehen wir.“

Sie erschrak. Ihre Augen weiteten sich.

„Onkel, was ist …?“

„Er kommt nicht. Es ist etwas passiert. Ein Unfall.“

„Onkel!“

„Komm, wir gehen.“

Er zog das Mädchen mit sich hinaus. Wie erschlagen ließ sie es geschehen. Horst hatte einen Unfall, dachte sie. Horst hatte einen Unfall …

Sie saßen wieder im Auto.

„Zurück zur Villa“, befahl der Geheimrat mit rauer Stimme. Dann legte er seiner Nichte den Arm um die Schultern und drückte sie an seine Brust. „Anja, es tut mir weiß Gott leid, dir das sagen zu müssen: Wir brauchen nicht mehr zu warten. Horst ist … der Unfall war zu schwer …“

Sie bäumte sich auf in seinen Armen, ihr Atem stockte, ihr Herz setzte aus.

„Onkel, was ist …“

„Er hat es nicht überlebt, kleine Anja. Horst Luck ist tot.“

„Tot?“

Dieses eine Wort klang ungläubig wie das Staunen eines Kindes. Das war unvorstellbar. Horst Luck sollte nicht mehr leben? Aber sie wollten doch heute heiraten!

„Das ist nicht wahr!“, schrie Anja. Ihre Stimme überschlug sich.

„Sei ruhig, mein Kind, sei ruhig“, würgte der Geheimrat hervor. Wie gern hätte er seiner geliebten Anja das erspart, aber das lag nicht in seiner Macht.

Der Tod ist unwiderruflich. Man konnte ihm keinen Zeitpunkt befehlen. Er schlug dann zu, wann es ihm passte.

Plötzlich sank Anja in sich zusammen. Der Geheimrat fühlte, wie ihr Körper schlaff wurde. Ihr Kopf fiel vornüber.

„Sie ist ohnmächtig geworden“, sagte der Geheimrat heiser. „Das ist das Beste, was ihr passieren kann.“

Der Wagen bog in die Einfahrt zur Villa. Dann hielt er. Diener stürzten herbei. Ludwig an der Spitze.

„Das Telefonat kam, als Sie gerade fort waren, Herr Geheimrat“, stieß Ludwig hervor. „Ich rief im Rathaus an und …“

„Schon gut. Helfen Sie mir.“

Sie hoben Anja heraus und brachten das ohnmächtige Mädchen in ihr Zimmer. Während der Geheimrat nach dem Hausarzt telefonierte, streiften Renate Kerr und das Mädchen Anja das Hochzeitskleid vom Körper.

Sie alle hatten noch nicht recht begriffen, was geschehen war. Der Tod hatte sie zu sehr überrascht.

Der Arzt kam. Während er sich um das bewusstlose Mädchen bemühte, verständigte der Geheimrat das Hotel, in dem das Hochzeitsessen stattfinden sollte. Er rief den Geistlichen an. Die Gäste der Hochzeit hatten sich zum größten Teil bereits in der Kirche versammelt. Fassungslos traten sie ins Freie.

„Eine Ohnmacht infolge des Schocks, Herr Geheimrat“, sagte der Arzt nach der Untersuchung. „Ich habe ihr ein Mittel gegeben. Körperlich ist nichts zu befürchten. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das tut.“

„Danke, mein Lieber. Schlimme Sache. Und noch dazu auf diese Art und Weise. Das gönnt man seinem ärgsten Feind nicht. Ich habe nie verhehlt, dass ich gegen diese Heirat war, aber das wollte ich gewiss nicht.“

Der Arzt ging. Der Geheimrat schaute ihm nach, bis der Mann verschwunden war. Was konnte er jetzt noch tun?

Nichts. Das Leben machte eine Pause. Es hielt für einen schrecklichen Moment den Atem an.

Aber es ging weiter. Es ging weiter auch für Anja Weipert. Nur, dass sie es schwer haben würde, das zu begreifen. Man musste ihr dabei helfen. Das war keine leichte Aufgabe.

Der Geheimrat stieg hinauf in das obere Stockwerk, wo die Schlafzimmer lagen. Leise trat er in Anjas Raum und setzte sich zu ihr ans Bett.

Seine Nichte Anja war bleich und hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Das Mittel des Arztes tat sicherlich seine Wirkung.

Anja, dachte der Geheimrat erschüttert, Anja! Sie war sein Ein und Alles, seitdem sein jüngerer Bruder nicht mehr lebte. Zusammen mit seiner Frau war Anjas Vater vor ein paar Jahren verunglückt. Eine Eisenbahnkatastrophe.

Der Geheimrat, der ohne Nachkommen war, hatte nicht gezögert, das einzige Kind seines Bruders zu sich zu nehmen. Franz Weipert hatte eine zehnjährige, sehr glückliche Ehe hinter sich, dann war seine Frau gestorben. Blutkrankheit.

Zwischen Onkel und Nichte hatte sich ein wunderbares Verhältnis entwickelt. Wie Vater und Tochter lebten sie zusammen, nichts hatte ihr Leben getrübt. Bis Horst Luck gekommen war. Aber aus Liebe zu Anja hatte der Geheimrat schließlich nachgegeben.

Solange er konnte, wollte Weipert die Werke selbst leiten. Vielleicht war dieser Luck doch ein guter Nachfolger, hatte der Geheimrat gedacht. Aber auch das war nun vorbei.

Der Geheimrat strich sanft über Anjas reglose Hand. Zum zweiten Mal im Leben musste das arme Kind mit einem entsetzlichen Schmerz fertig werden. Sie würde viel Kraft brauchen, Kraft, Lebensmut und Hilfe. Und diese Hilfe, die wollte der alte Weipert der armen Anja geben, so gut er es vermochte.

♥♥♥